M
Machiavelli, Niccolò (Florenz 3. 5. 1469 - 22. 6. 1527), Beamtensohn, wird 1498 Sekretär und danach Kanzler. 1512 seines Amtes enthoben, verfasst er die Schrift (it.) Il principe (Der Fürst), in der er als Bedingung erfolgreicher Politik die Fähigkeit, politische Macht zu erwerben und zu erhalten, erkennt. In der Not ist der Fürst frei von ethischen Verpflichtungen.
Lit.:
Köbler, DRG 149; Freyer, H., Machiavelli, 2. A. 1986; Kersting, W., Niccolò
Machiavelli, 2. A. 1988; Machiavelli, hg. v. Ascoli, A. u. a., 1993; Niccolò
Machiavelli, Das Leben Castruccio Castracanis aus Luca, hg. v. Hoeges, D.,
1998; Viroli, M., Das Lächeln des Niccolò, 2000; Hoeges, D., Niccolò
Machiavelli, 2000; Berger Waldenegg, G., Krieg und Expansion bei Machiavelli,
HZ 271 (2000), 1
Macht -> Gewalt
Lit.:
Köbler, DRG 189, 190; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 817; Mann, M., Geschichte der Macht, hg. v. Haferkamp, H. u. a.,
2000
Machtergreifung ist die Übernahme der Herrschaftsgewalt (z. B. der Nationalsozialisten im Deutschen Reich 1933).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Bracher, K./Schulz-Sauer, Die nationalsozialistische Machtergreifung, 1962; Schwarzwälder, H., Die Machtergreifung der NSDAP in Bremen, 1966; Die Machtergreifung in Südwestdeutschland, hg. v. Schnabel, T., 1982; Vezina, B., Die „Gleichschaltung“ der Universität Heidelberg, 1982; Streng, I., Machtübernahme 1933, 2002
Machtspruch ist der eigenmächtige Eingriff eines Fürsten in die Rechtspflege seit dem späteren 17. Jh. Er ist grundsätzlich der Idee der Gerechtigkeit verpflichtet. Seit dem ausgehenden 18. Jh. wird der M. allmählich als unzulässig angesehen (Preußen 1784, 1791, Österreich 1797). Das 19. Jh. schließt ihn aus.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Schmidt, E., Rechtssprüche und Machtsprüche, 1943; Ogris, W., De sententiis ex plenitudine potestatis, FS H. Krause, 1975, 171
Machtübernahme -> Machtergreifung
Maciejowski, Waclaw Alexander (1792-1883) wird nach dem Rechtsstudium in Breslau, Berlin (Savigny) und Göttingen (Eichhorn, Hugo) Professor des römischen Rechts in Warschau (1819-31). Seit 1832 veröffentlicht er eine slawische Rechtsgeschichte (1835 deutsch).
Lit.: Bardach, J., Einleitung zu: Maciejowski, W., Slavische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1835, Neudruck 1978; Kodrebski, J., Prawo rzymskie w Polsce XIX w., 1990, 66f., 82
Madrid wird als maurische Festung Majerita 939 erstmals erwähnt. 1083 wird es unter Alfons VI. von den Christen erobert. 1309 treten hier die Cortes erstmals zusammen. 1561 wird es Hauptstadt -> Spaniens. 1836 erhält es die 1508 in -> Alcala de Henares gegründete Universität.
Lit.: Montero Vallejo, M., Historia del Madrid,
1991
Magdeburg an der Elbe, 805 erstmals bezeugt, löst sich im Mittelalter nicht vollständig von seinem erzbischöflichen Stadtherrn, der 1188 das Magdeburger Recht in einigen Bestimmungen ganz knapp aufzeichnen lässt. Das darauf aufbauende Magdeburger Recht wird zwischen Niedersachsen und der Ukraine sehr bedeutsam.
Lit.:
Kroeschell, DRG 1; Köbler, Historisches Lexikon; Markmann, W., Zur Geschichte
des Magdeburger Rechts, 1938; Magdeburger Schöffensprüche für die Hansestadt
Posen, bearb. v. Goerlitz, T., 1944; Claude, D., Geschichte des Erzbistums
Magdeburg, 1975; Studien zur Geschichte des sächsisch-magdeburgischen Rechts,
hg. v. Willoweit, D. u. a., 1980; Ebel, F., Magdeburger Recht, Bd. 1f. 1983ff.;
Schrader, I., Stadt, Kloster und Seelsorge, 1988;
Beumann, H., Theutonum nova metropolis, 2000
Magdeburger Fragen sind ein zwischen 1386 und 1402 entstandenes spätmittelalterliches Rechtsbuch (, unsystematische Fassung in 2 Handschriften, systematische Fassung in 9 Handschriften, alphabetisierte Fassung in einer Handschrift überliefert). Die M. F. beruhen auf einem Krakauer Urteilsbuch mit Magdeburger Rechtsbelehrungen (bis um 1380), das kurz vor 1400 ein wohl in Thorn wirkender Bearbeiter um Stücke einer Thorner Sammlung und des alten Kulm ergänzt und dabei verallgemeinert. Die erste unsystematische Reihung in zwei Büchern verändert vermutlich derselbe Bearbeiter in eine systematisierte Fassung in drei Büchern (Ämter-Schenkungen-Erbe, Schulden-Sachen, Verbrechen). Vor 1518 wird die unsystematische Fassung vielleicht in Stettin alphabetisiert. Seit 1517 sind die M. F. vielfach Anhang in Drucken des Sachsenspiegels. -> Neun Bücher des Magdeburger Rechts
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Die Magdeburger Fragen, hg. v. Behrend, J., 1865; Martitz, F. v., Die Magdeburger Fragen, ZRG GA 11 (1873), 401; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 170; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 50
Magdeburger Recht -> Magdeburg
Magdeburger Schöffenrecht ist ein um 1270 entstandenes, in 23 recht unterschiedlichen Handschriften überliefertes Rechtsbuch.
Lit.: Laband, P., Magdeburger Rechtsquellen, 1869
Mage (M. bzw. F.) Verwandte(r)
Lit.: Köbler, DRG 72; Köbler, WAS
magister (lat. [M.]) Meister, Lehrer
magister (M.) bonorum (lat.) ist im römischen Verfahrensrecht ein von den Gläubigern gewählter Verwertungsleiter, der das Schuldnervermögen durch eine -> Versteigerung veräußert.
Lit.: Kaser § 85 II 2b
magister (M.) civium (lat.) ist der im deutschen Reich seit der Mitte des 12. Jh.s erscheinende Bürgermeister oder auch Bauermeister. Seit 1214 (Straßburg) wird der m. c. Teil der Ratsverfassung. Vielfach ist er Vorsitzer eines kollegialen Verwaltungsorganes und Repräsentant einer Gemeinde.
Lit.: Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 5. A. 1980; Köbler, G., Civis und ius civile, Diss. jur. Göttingen 1964; Die Anfänge der Landgemeinde und ihr Wesen, hg. v. Mayer, T., 1964; Rabe, H., Der Rat der niederschwäbischen Reichsstädte, 1966, 220
magister (M.) curiae (lat.) -> Hofmeister
magister (M.) militum (lat.) (spätantiker) Heerführer
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 55; Grosse, R., Römische Militärgeschichte, 1920, 180
magister (M.) navis (lat.) Schiffskapitän
Lit.: Kaser § 49 II 3
magister (M.) officiorum (lat.) Kanzleivorsteher
Lit.: Köbler, DRG 55; Schreiner, P., Byzanz, 1986
Magistrat ist das Amt oder der (eventuell kollegiale) Amtsinhaber. Im römischen Recht sind Konsuln, Prätoren, Ädile, Zensoren die höchsten Magistrate. Im 19. Jh. ist unter dem Einfluss einer in Frankreich gegen Ende des 18. Jh.s ablaufenden Entwicklung der M. das von der Stadtverordnetenversammlung als rein ausführendes Organ gewählte Kollegialorgan einer -> Stadt..
Lit.:
Söllner §§ 6, 14; Köbler, DRG 19, 197; Broughton, T., The Magistrates of the
Roman Republic, 1951ff.; Kunkel, W./Wittmann, R., Die Magistratur, 1995;
Handbuch der Altertumswissenschaften, 10, 3, 2, 2
Magistratsverfassung ist seit dem 19. Jh. eine dualistische Form der Gemeindeverfassung, in der eine Stadtverordnetenversammlung als gesetzgebendes und allgemein ausführendes Organ einen -> Magistrat als rein ausführendes Organ wählt (Preußen 19. 11. 1808/30. 5. 1853). 1933 in Preußen und 1935 im Reich wird die M. beseitigt, 1954 wird sie aber in Schleswig-Holstein, Bremerhaven und Hessen erneuert. -> Selbstverwaltung
Lit.: Heffter, H., Die deutsche Selbstverwaltung im 19. Jahrhundert, 2. A. 1969; Matzerath, H., Nationalsozialismus und kommunale Selbstverwaltung, 1970, 105
Magna Charta (F.) (libertatum) (lat. große Urkunde [der Freiheiten]) ist die seit 1531 nachweisbare Bezeichnung einer älteren Vorläufern folgenden, lateinischen, noch in vier Ausfertigungen überlieferten Urkunde des englischen Königs Johann ohne Land vom 15. – 19. 6. 1215 für 25 Barone (und den Erzbischof von Canterbury) (mit einer Präambel und 63 Titeln). Danach ist die Erhebung von Steuern an die Bewilligung der Großen gebunden. Barone wollen nicht mehr vor dem auch mit Ministerialen besetzten königlichen Gericht Recht nehmen (lat. iudicium [N.] parium). Die M. C. setzt sich in England in der Petition of Rights (1628), der -> Habeas-corpus-Akte (1679) und der -> Bill of Rights (1689) fort und wirkt sich auf Deutschland seit dem frühen 19. Jh. aus.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 110, 191; Gneist, R. v., Englische Verfassungsgeschichte, 1882; Holt, J., Magna Charta, 1965; Kyriazis-Gouvelis, D., Magna Charta, 1984; Holt, M., Magna Charta and Medieval Government, 1985
Magnus Eriksson (1306-1374) ist der schwedische (1319-1364) bzw. norwegische König (1319-1355, 1371-1374), der um 1350 ein schwedisches Reichsrecht (Landslag) und 1353 bis 1360 ein Stadtrecht für die schwedischen Städte (Stadslag) erlässt, das bis 1734 gilt.
Lit.:
Holmbäck, A./Wessén, E., Magnus Erikssons Stadslag, 1966
Magnus Hakonarson Lagaboetir (Tönsberg 1. 5. 1238 – Bergen 9. 5. 1280) ist ein norwegischer König (1263-80), der die Landschaftsrechte und das Gefolgschaftsrecht (1273-1277, -> Hirdskra) erneuert sowie 1274/5 das erste für ganz Norwegen gültige Reichsrecht (Landslög) und 1276 das erste für Norwegen aufgezeichnete Stadtrecht erlässt.
Lit.: Böttcher, H., Das
Glaubensbekenntnis im Landrecht Magnus Lagaboeters, 1971; Holmsen,
A., Norges historie, 1977;
Merzbacher, F., Das Landrecht des Königs Magnus Hakonarson lagaboetir, ZRG GA
99 (1982), 252
mahalareda (F.) ist im burgundischen Volksrecht des frühen 6. Jh.s die Aussteuer der Tochter.
Lit.: Baesecke, G., Die deutschen Worte der germanischen Gesetze, PBB 59 (1935), 57
Mahlschatz (M.) Mitgift, Heiratsgut
Mahlzwang ist der mittelalterlich-frühneuzeitliche Zwang, in einer bestimmten Mühle mahlen zu lassen.
Lit.: Koehne, K., Das Recht der Mühlen, 1904
Mahnung ist die einseitige, empfangsbedürftige Erklärung des Gläubigers, mit der er den Schuldner dringlich zur sofortigen, ausnahmsweise zur fristgebundenen Leistung auffordert. Bereits im römischen Recht kann der Schuldner, der gemahnt ist, sich nicht mit Unkenntnis aus dem Verzug entschuldigen. Im Frühmittelalter führt das Unterbleiben der Leistung trotz Leistungsaufforderung zu einer Buße. Nach dem preußischen Allgemeinen Landrecht (1794) begründet erst die M. Verzugszinsen, wenn nicht die Zeit der Erfüllung ohnehin feststeht.
Lit.: Kaser § 37 II 1; Hübner § 76; Löning, R., Der Vertragsbruch im deutschen Recht, 1876, 26, 165
Mahnverfahren ist eine besondere Prozessart, in der für eine bestimmte Art von voraussichtlich unstreitigen Ansprüchen (auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme) ohne Verhandlung dem Gläubiger eines Anspruchs ein rechtskräftiger vollstreckbarer Titel verschafft werden kann. Ein derartiges Verfahren gegen Abwesende kennt bereits der -> Sachsenspiegel (1221-4) (Landrecht I 70 § 2). Seit dem 12. Jh. bezeugt außerdem die Vertragswirklichkeit in Italien die durch Vertragsstrafe gesicherte Verpflichtung des Schuldners zur Abgabe eines gerichtlichen Geständnisses in der Vertragsurkunde. Später nimmt der Notar einen Zahlungsbefehl in eine Urkunde auf, bei deren Vorlage das Gericht die Vollstreckung verfügt. Auch in einem Gerichtsbuch oder einem Stadtbuch eingetragene Forderungen lassen sich vereinfacht durchsetzen. Im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) unterwirft sich der Schuldner seit der frühen Neuzeit durch Vollstreckungsklauseln dem unbedingten reichskammergerichtlichen -> Mandatsprozess. 1877/9 wird das M. durch Übernahme der Grundsätze des bedingten Mandatsprozesses zu einer allgemein anwendbaren Verfahrensform für Ansprüche auf Zahlung und auf Leistung vertretbarer Sachen oder Wertpapiere. Mit dem 1. 7. 1977 sind die Ausdrücke Zahlungsbefehl und Vollstreckungsbefehl durch die Bezeichnungen Mahnbescheid und Vollstreckungsbescheid ersetzt. -> summarischer Prozess
Lit.: Köbler, DRG 116; Bayer, H. v., Theorie der summarischen Processe, 7. A. 1859, 19, 89; Skedl, A., Das Mahnverfahren, 1891
Mähren ist das zwischen der Böhmisch-Mährischen Höhe, den Ostsudeten, Westbeskiden, Kleinen Karpaten und dem Jarvornikgebirge gelegene, seit dem 6. Jh. von Slawen besiedelte Gebiet, das 1029 an -> Böhmen und nach bedeutender deutscher Einwanderung 1526 mit diesem an -> Österreich fällt und am 28. 10. 1918 Teil der _> Tschechoslowakei wird.
Lit.:
Tomaschek, J., Der Oberhof Iglau in Mähren, 1868; Bretholz, B., Geschichte
Böhmens und Mährens, Bd. 1ff. 1921ff.; Wegener, W., Böhmen, Mähren und das Reich,
1959; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,429; Seibert,
F., Deutschland und die Tschechen, 1970; Bernt, A., Die Germanen und Slawen in
Böhmen und Mähren, 1989; Hrabovec, E., Vertreibung und Abschub, 2. A. 1996; Kadlecova,
M., Verneuerte Landesordnungen, ZRG GA 120 (2003), 150
maiestas (lat. [F.] Größe) ist (erst) seit Jean -> Bodin (1576) der Grundbegriff der Staatsgewalt (lat. summa potestas [F.]). Die m. wird seit der zweiten Hälfte des 17. Jh.s von manchen (z. B. -> Leibniz) dem Landesherrn zugesprochen. Im Ergebnis erleichtert diese Vorstellung die Auflösung der hergebrachten Reichsverfassung.
Lit.: Schminck, C., Crimen laesae maiestatis, 1970; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975, 138
Maiestas (F.) Carolina (lat.) ist der auf älteren Entwürfen Premysl Otokars II. (1272) und Wenzels II. (1292) sowie einer Privatarbeit der Mitte des 14. Jh.s (lat. Ordo [M.] iudicii terre Boemie, Landgerichtsordnung Boehmens) beruhende, lateinisch verfasste und in 2 bzw. 3 Handschriften überlieferte Entwurf Karls IV. für ein Landrecht -> Böhmens von 1346 bis 1355 (1351-4), der seit 1617 als M. C. benannt wird. Er gliedert sich in 127 Artikel (Häresie, Krongut, Beamte, Gericht, Strafe, Privatrecht). Wegen des Widerstandes der Stände gegen die damit angestrebte Stärkung der Macht des Landesherrn wird die M. C. 1355 als gegenstandslos geworden erklärt, tritt aber um 15. Jh. gewohnheitsrechtlich in Kraft.
Lit.: Werunsky, E., Maiestas Karolini, ZRG GA 9 (1888), 64;
Hobzek, Majestas Carolina a Rímské právo, 1931; Handbuch der Geschichte der
böhmischen Länder, hg. v. Bosl, K., Bd. 1ff. 1966ff.; Kejr, J., Die sog. Maiestas Carolina, in: Studia Luxemburgensia, 1989, 79
Maigesetze sind die vier im Deutschen Reich im Mai 1873 im -> Kulturkampf erlassenen Gesetze.
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Mailand in Oberitalien wird im 5. Jh. v. Chr. von den gallischen Insubrern gegründet und ist in der Spätantike kaiserliche Residenz und erzbischöflicher Sitz. Seit dem Anfang des 11. Jh.s überflügelt es die langobardische Hauptstadt Pavia, seit dem frühen 12. Jh. gewinnt es eine kommunale Verfassung (1225 Liber Statutorum). Im 14. Jh. gerät es unter die Herrschaft der Visconti und Sforza (1395/7 Herzogtum), 1713 fällt es an Österreich.
Lit.: Köbler, DRG 104, 129; Köbler, Historisches Lexikon; Gli atti del Comune di Milano, 1919; Dilcher, G., Die Entstehung der lombardischen Stadtkommune, 1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2 ,2,122; Milano, 1990; Keller, H., Mailand im 11. Jahrhundert, in: Die Frühgeschichte der europäischen Stadt, hg. v. Jarnut, J., 1998, 81; ; Zumhagen, O., Religiöse Konflikte und kommunale Entwicklung, 2001
Mailänder Toleranzedikt ist das 313 von Konstantin dem Großen und Licinius den Christen Freiheit des Gottesdienstes und Rückgabe der verstaatlichten Güter gewährende Edikt.
Lit.:
Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972
Maimonides (Ben Maimon), Moses (Córdoba 30. 3. 1138? [1135] - Kairo 13. 12. 1204) fasst als bedeutendster jüdischer Religionsphilosoph im ausgehenden 12. Jh. das gesamte, ihm bekannte jüdische Recht in klarer hebräischer Sprache in der 14bändigen -> Mischne Tora zusammen.
Lit.:
Ben-Chorin, S., Jüdischer Glaube, 2. A.
1979; Elon, M., Ha-Mischpat ha-‘ibri, Bd. 2 3. A. 1988, 877; Del Valle
Rodriguez, C., Cartas y testamento de Maimonides, 1989;
Hyoun, M., Maimonides, 1999
Maine, Sir Henry James Sumner (1822-1888) wird nach dem Studium 1847 Professor für Civil law in Cambridge und 1850 Anwalt. Er hält in den Inns of Court Londons Vorlesungen zum römischen Recht und zur vergleichenden Entwicklungsgeschichte des Rechts. Hierauf gründet sich sein 1861 veröffentlichtes darwinistisch-evolutionstheoretisches Buch (engl.) Ancient Law (Altes Recht). Nach längerer Tätigkeit in Indien wird er 1869 Professor in Oxford und 1877 in Cambridge.
Lit.: Grant
Duff, M., Sir Henry Maine, 1892; Cocks, R., Sir Henry Maine, 1988; Maine, H. Das alte
Recht, hg. v. Dahle, H., 1997
Mainz am Einfluss des Main in den Rhein ist seit etwa 10 n. Chr. Sitz des römischen Oberbefehlshabers für das obere Germanien und in der Nachfolge des Bonifatius (746/7-54) Sitz eines Erzbischofs. Von 1331/1424 bis 1462 ist die Stadt tatsächlich weitgehend unabhängig von ihrem kurfürstlichen Stadtherrn. Zwischen 1440 und 1454 entwickelt sich in M. der Buchdruck. 1476 erhält M. eine Universität, welche nach Schließung in napoleonischer Zeit (1792/1814/6) 1946 wieder errichtet wird.
Lit.:
Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon; Hallein, L., Mainzer
Civilrecht im 14. und 15. Jahrhundert, 1891; Mainzer Urkundenbuch, hg. v.
Stimming, M., 1932; Hasselwander, N., Aus der Gutachter- und Urteilstätigkeit
an der alten Mainzer Juristenfakultät, 1956; Wysocki, J., Kurmainz und die
Reunion, Diss. phil. Mainz 1961; Otte, A., Die Mainzer Hofgerichtsordnung von
1516/1521, 1964; Weber, E., Die Mainzer Zentraluntersuchungskommission, 1970;
Geschichte der Stadt Mainz, hg. v. Brück, P. u. a., Bd. 1ff. 1972ff.;
Pick, E., Die Professoren des Rechts an der Mainzer Universität, FS O. Mühl,
1981, 509;
Dumont, F. u. a., Mainz, 1998; Kurmainz, das Reichserzkanzleramt und das Reich,
hg. v. Hartmann, P., 1998; Die Mainzer Kurfürsten des Hauses Schönborn als
Reichserzkanzler und Landesherren, hg. v. Hartmann, P., 2002
Mainzer Landrecht ist das Landrecht des Erzstifts Mainz vom 24. 7. 1755/1. 1. 1756, das auf dem Rheingauer Landbrauch beruht (1442 Recht und Ordnung eyns Waltpoden zu Menz, 17. Jh. Aufzeichnung des rheingauischen Landbrauches durch Nikolaus Itzstein). Es gliedert sich in 32 Titel und enthält hauptsächlich Familien- und Erbrecht. Seine Geltung endet linksrheinisch 1804, rechtsrheinisch 1900 (bzw. in Nachwirkungen im Laufe des 20. Jh.s).
Lit.: Churfürstliche Mayntzische Land-Recht, 1755; Hallein, L., Mainzer Civilrecht im 14. und 15. Jahrhundert, 1891; Backhaus, F., Das eheliche Güterrecht des Mainzer Landrechts von 1755, Diss. jur. Heidelberg 1953
Mainzer Reichslandfriede ist der 29 Artikel umfassende, deutsch gehaltene Landfriede Friedrichs II. vom 12. 8. 1235. Er drängt die Selbsthilfe zurück und stärkt die Stellung des Gerichts. Er sieht u. a. einen Hofrichter bzw. ein Hofgericht vor.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Klingelhöfer, E., Die Reichsgesetze, 1955; Buschmann, A., Mainzer Reichslandfriede und Konstitutionen von Melfi, FS R. Gmür, 1983, 369
Mainzer Republik ist der durch Erklärung eines rheinisch-deutschen Nationalkonvents am 17. 3. 1793 im Gebiet zwischen Bingen und Landau entstehende unabhängige Staat mit dem Volk als einzigem Souverän. Die M. R. endet am 23. 7. 1793 durch Übergabe an -> Preußen.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon 724; Die Mainzer Republik, hg. v. Landtag des Landes Rheinland-Pfalz, 1993
maior (lat. [M.]) Größere
maior dividat, minor eligat (lat.). Der Ältere soll teilen, der Jüngere darf wählen. -> Erbauseinandersetzung
Lit.: Wacke, A., Der Jüngste stimmt zuerst, JA 1981, 176; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 115, Nr. 4 (Plutarch für das 8. Jh. v. Chr.)
maior (M.) domus (lat.) -> Hausmeier
Lit.: Köbler, DRG 76
maiores (M.Pl.) et meliores (M.Pl.) terrae (lat.) Größere und Bessere des Landes, -> Landstände
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Maitland, Frederic William (
Lit.: Bracton’s Note Book, hg. v. Maitland, F., Bd. 1ff. 1887; Pollock, F./Maitland, F., The History of English Law, Bd. 1f. 2. A. 1895; Maitland, F., Domesday Book and Beyond, 2. A. 1907; Fisher, H., Frederic William Maitland, 1910; Elton, G., Frederic William Maitland, 1985
Majestätsbeleidigung ist der Angriff auf den (vom Staat verschiedenen) Herrscher. Die M. findet sich 393 in einer Konstitution Theodosius‘ I., in welcher die Beleidigung des Kaisers aus der allgemeinen Strafverfolgung ausgesondert wird. 397 werden aber alle führenden Personen geschützt. Die Beleidigung des Kaisers (oder Königs) tritt danach wieder in der Bamberger Halsgerichtsordnung (-> Constitutio Criminalis Bambergensis) von 1507 auf. In der Folge wird die M. dem -> Hochverrat nachgeordnet. 1922 werden im Deutschen Reich Reichspräsident und Regierungsmitglieder besonders geschützt, 1951 in der Bundesrepublik Deutschland die höchsten Staatsorgane.
Lit.: Bosse, H., Über Hochverrat, beleidigte Majestät und verletzte Ehrerbietung, 1802; Schroeder, F., Der Schutz von Staat und Verfassung im Strafrecht, 1970
Majestätsbrief ist in der Neuzeit eine Freiheitsurkunde für Untertanen (z. B. Rudolfs II. 9. 7. 1609 für Böhmen, nach dem 8. 11. 1620 aufgehoben).
Lit.: Gindely, A., Geschichte der Erteilung des Majestätsbriefes von 1609, 1858
Majestätsverbrechen -> crimen laesae maiestatis
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Schaffstein, F., Verräterei und Majestätsverbrechen, FS W. Weber, 1974; Schminck, C., Crimen laesae maiestatis, 1970
Majorat ist die Einzelnachfolge des Ältesten beim -> Familienfideikommiss.
Majorität (F.) -> Mehrheit
Lit.: Elsener, F., Zur Geschichte des Majoritätsprinzips, ZRG KA 73 (1956), 73
Makedonien ist ein südosteuropäisches Gebiet, dessen Bewohner unter den Königen Philipp II. und Alexander dem Großen (336-323 v. Chr.) -> Griechenland erobern, das ab 148 v. Chr. aber römische Provinz wird. Über Ostrom gelangt M. 1317 an die -> Osmanen. 1913 fällt M. an Serbien (1918 -> Jugoslawien) und Griechenland. 1992 wird es selbständig.
Lit.:
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 4,5,332; Adanir, F., Die
makedonische Frage, 1979; Errington, M., Geschichte Makedoniens, 1986; Makedonien, hg. v. Lukan, W. u. a., 1999
Makler ist, wer gegen Entgelt eine Gelegenheit zum Abschluss eines Vertrages nachweist oder einen Vertrag vermittelt. Der M. ist bereits dem griechischen und römischen Altertum bekannt. Im Mittelalter entwickelt sich der M. vielleicht zuerst in Italien (Genua 1154), wo Maklerzwang besteht und der Makler als objektiver Dritter von beiden Geschäftspartnern entlohnt wird. Im mittleren Europa ist die Stellung des Maklers freier. In der Neuzeit finden sich zahlreiche gesetzliche Regelungen. Der absolute Staat fördert monopolisierende Tendenzen, die im 19. Jh. beseitigt werden.
Lit.:
Goldschmidt, L., Ursprung des Mäklerrechts, ZHR 28 (1882), 115; Beukemann, U.,
Die Geschichte des Hamburger Mäklerrechts, 1912; Rehme, P., Geschichte des
Handelsrechts, 1913, 28, 99, 152; Fröber, H., Die Entstehung der
Bestimmungen des BGB, 1997
mala fides (F.) (lat.) böser Glaube
Lit.:
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985
Malberg ist im fränkischen Frühmittelalter der Ort der (Gericht haltenden) Versammlung.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 80, 85
malbergische Glossen sind nichtlateinische Einschübe in den ältesten Fassungen des salfränkischen Rechtes (lat. Pactus [M.] Legis Salicae, 507-11, Textklassen A, C, D). Sie haben ihren Namen davon, dass sie meist durch (lat.) mallobergo (-> Malberg) eingeleitet werden. Vielleicht sind sie als ursprüngliche Randnotizen später in den Text geraten. Trotz starker Verderbnis sind sie wertvolle Zeugnisse des ältesten bekannten fränkischen Sprachstandes.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 80; Kern, H., Notes on the Frankish Words in the Lex Salica, in: Lex Salica, hg. v. Hessels, J., 1880, 431; Helten, W. v., Zu den malbergischen Glossen, PBB 25 (1900), 225; Baesecke, G., Die deutschen Worte der germanischen Gesetze, PBB 59 (1935), 1; Pactus legis Salicae, hg. v. Eckhardt, K., 1962, 276; Schmidt-Wiegand, R., Die Malbergischen Glossen als Denkmal des Westfränkischen, Rhein.Vjbll. 33 (1969), 396; Beyerle, F., Die Malberg-Glossen der Lex Salica, ZRG GA 89 (1972), 1
maleficium (lat. [N.]) Übeltat, Hexerei
Lit.: Köbler, DRG 158; Köbler, LAW; Hampl, T., Die Nürnberger Malefizbücher, 1927; Christel, C., Die Malefizprozessordnung des Codex Maximilianeus von 1616, Diss. jur. Regensburg 1975
Maleville, Jacques de (1741-1824), Advokat in Bordeaux, Anhänger der Französischen Revolution, Präsident der zivilgerichtlichen Abteilung des Kassationsgerichtshofes, wird von Napoleon zum Sekretär-Redakteur der Kommission zur Ausarbeitung eines -> Code civil berufen. In der Gesetzgebungsarbeit unterstützt er das römische Recht und kommentiert 1805 das Ergebnis unparteiisch (Analyse raisonée). Später tritt er auf die Seite der Reaktion über.
Lit.: Latour, J., Jacques de Maleville, 1929
Malik ibn Anas (708/16-796) -> Muwatta
mallobergus (lat. [M.]) Malberg, Verhandlungsberg
mallus (lat. [M.]), mallum (lat. [N.]) Versammlung, Gerichtsversammlung
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Estey, F., The Meaning of ,Placitum‘ and ,Mallum‘, Speculum 1947, 435; Tiefenbach, H., Studien zu Wörtern volkssprachiger Herkunft, 1973, 71; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985
malscult (as. [F.]) Dingschuld, eine Abgabe
Lit.: Molitor, E., Die Stände der Freien, 1910, 10
mamluk (arab.) weißer Sklave
Lit.:
Brandes, J., Die Mameluken, 1996
Manchester beruht auf dem römischen Kastell Mancunium. 1229 erhält M. Marktrecht, 1838 Stadtrecht. 1851 wird es Sitz einer Universität.
mancipatio (lat. [F.]) ist bereits im altrömischen Recht ein allgemeines Geschäft für die Überführung aus der Gewalt eines Hausvaters in diejenige eines anderen. Dabei ergreift jemand eine handgreifbare Sache (lat. res [F.] mancipi) eines anderen vor fünf mündigen Bürgern als Zeugen und einem Waagehalter (lat. [M.] libripens) und lässt den tatsächlichen Betrag ihres Wertes dem anderen in Erz (lat. aes [N.] Kupfer) in einer Waage (lat. [F.] libra) zuwägen, wobei dieser das Metall unter schweigender Duldung der Handgreifung annimmt, so dass ein eigentliches positives einverständliches Zusammenwirken nicht ausgedrückt wird. Der bisherige Gewalthaber ist danach Vormann (lat. [M.] -> auctor) des neuen Gewalthabers. Später wird die m. dadurch fortgebildet, dass das Erz nicht mehr tatsächlich, sondern nur noch sinnbildlich in der Form einer einzigen kleinen Münze (lat. nummo uno) zugewogen wird. Diese m. nummo uno dient dann der Erlangung der Gewalt über handgreifbare Sachen und Personen in einer Vielzahl von Fällen (z. B. Kreditkauf, Treuhand, Mitgift, Adoption, Eheschließung [lat. coemptio], Emanzipation usw.). Im spätantiken römischen Recht ist die m. verschwunden, in den Juristenschriften der Digesten m. durch (lat. [F.]) -> traditio ersetzt.
Lit.: Kaser § 7 I, 24 II, 27 I 2, 38 II 1a, 41 I
1; Söllner §§ 8, 12, 18, 24; Köbler, DRG 22ff., 40, 61f.; Randazzo, S., Leges mancipii, 1998
mancipium (lat. [N.]) ist im römischen Recht die Handgreifung, die dadurch erlangte, der Herrenstellung über Sklaven ähnliche Gewalt über ein fremdes Hauskind und übertragen der Sklave. Im Mittelalter ist m. der Unfreie.
Lit.: Kaser §§ 7 I 1d, 16 III 1, 60 I 3b; Söllner §§ 8, 20; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 21; Köbler, LAW; Dubled, H., Mancipium au Moyen Age, Revue du Moyen Age Latin 5 (1949), 51; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972; Köbler, G., Lateinisch-germanistisches Lexikon, 2. A. 1984
Mandat als Lehnwort zu lat. mandatum (N.) erscheint im 14. Jh. Im Prozessrecht bezeichnet es das Verhaltensgebot des Gerichtes an eine Partei oder einen Dritten, aber auch den Auftrag einer Partei für einen Vertreter. Daneben wird später auch vom M. eines Abgeordneten einer Volksvertretung und vom M. als internationalem Auftrag des Völkerrechts gesprochen.
Lit.: Triepel, H., Delegation und Mandat im öffentlichen Recht, 1942; Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation, 1976, 52
Mandatsprozess ist in der frühen Neuzeit eine Form des -> summarischen Prozesses, bei dem auf Antrag des Klägers dem Beklagten durch gerichtliches Gebot (-> Mandat) ein bestimmtes Verhalten auferlegt wird. Vorkommen gerichtlicher Anordnungen finden sich bereits im frühen und hohen Mittelalter, allgemeine Bedeutung erlangen sie aber erst mit dem Übergang der höchsten Gerichtsgewalt vom König auf das Reichskammergericht am Ende des Spätmittelalters (1495). Seit der Mitte des 16. Jh.s (1555) wird dabei zwischen bedingtem Mandat, bei welchem sich der Empfänger auf alle rechtlichen Gegengründe stützen darf, und dem unbedingten Mandat, bei dem der Empfänger nur die Unrichtigkeit der tatsächlichen Mandatsgrundlagen vortragen darf, unterschieden. Vom -> Reichskammergericht geht der hierdurch geprägte M. in das partikulare Verfahrensrecht über. Hieraus entwickelt sich das 1833 bzw. 1846 in Preußen eingeführte -> Mahnverfahren und die mandatsähnliche -> einstweilige Verfügung (Hannover 1850, Baden 1851).
Lit.: Bayer, H. v., Theorie der summarischen Processe, 7. A. 1859, 19; Skedl, A., Das Mahnverfahren, 1891; Poetsch, J., Die Reichsjustizreform von 1495, 1912; Hinz, M., Der Mandatsprozess des Reichskammergerichts, in: Commémoration du 500e anniversaire de la création du Parlament, 1977, 343; Rohmeyer, H., Geschichte und Rechtsnatur der einstweiligen Anordnung, Diss. jur. Hamburg 1967, 148; Uhlhorn, M., Der Mandatsprozess, 1991
Mandatsverfahren -> Mandatsprozess
mandatum (lat. [N.]) ist im römischen Recht einerseits der unentgeltliche Auftrag (Konsensualkontrakt), der eine Tätigkeit jeder Art betreffen kann, andererseits seit etwa der Zeitenwende die Dienstanweisung des Staatsoberhauptes (lat. [M.] princeps) beispielsweise an einen Provinzstatthalter, die bald als gesetzesgleich gilt. Dieser Sprachgebrauch setzt sich im lateinischen Frühmittelalter entsprechend fort.
Lit.: Kaser
§§ 38 II 1d, 44 I; Söllner §§ 9, 17, 18; Köbler, DRG 31, 47, 64; Watson, A.,
Contract of Mandate in Roman Law, 1961; Klami, H., Mandatum and labour, ZRG RA
106 (1989), 575;
Marotta, W., Mandata principum, 1991
Manegold von Lautenbach (Lautenbach nach 1030 - nach 1103) wird nach Studien in Lautenbach und Paris Wanderlehrer in Frankreich. Nach 1080 wird er Mönch in Lautenbach und flüchtet von dort nach Rottenbuch. 1089 wechselt er als Propst nach Marbach. Seinen Streitschriften gegen Wenrich von Trier und Wolfhelm von Brauweiler wird der Gedanke der -> Volkssouveränität entnommen.
Lit.: Koch, G., Manegold von Lautenbach und die Lehre von der Volkssouveränität, 1902; Laakmann, R., Die Königsgewalt bei Manegold von Lautenbach, Diss. jur. Hamburg 1969; Fuhrmann, H., Volkssouveränität und Herrschaftsvertrag bei Manegold von Lautenbach, FS H. Krause, 1975, 21
Manifest (N.) Programm, Ankündigung, -> Kommunistisches Manifest
Mannesvorzug ist die Bevorzugung von Männern insbesondere im Erbrecht. Der M. ist in älteren Zeiten weit verbreitet. Wegen seines Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz wird er im 20. Jh. beseitigt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2
mannire, manire (lat.) mahnen (durch den Kläger im fränkischen Frühmittelalter)
mannitio (lat. [F.]) Ladung (durch den Kläger im fränkischen Frühmittelalter)
Lit.: Köbler, DRG 86; Köbler, LAW
Mannlehen ist ursprünglich jedes Lehen (im Gegensatz zu anderen Leihen), in der frühen Neuzeit das allein männliche Nachkommen als Nachfolger zulassende Lehen im Gegensatz zum Weiberlehen u. a.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Homeyer, G., System des Lehnrechts der sächsischen Rechtsbücher, 1844, 279
Mannus (zu nhd. Mann) ist bei den Germanen der Sohn des Gottes Tuisto und der Vater dreier Söhne, von denen sich die germanischen Hauptstämme der Ingväonen (Friesen, Angeln, Sachsen), Istväonen (Weser-Rhein-Germanen) und Herminonen (Elbgermanen) herleiten.
Lit.: Die Germania des Tacitus, hg. v. Much, R. u. a., 3. A. 1967, 52
manor (engl.) Herrenhof
mansio (lat. [F.]) Bleiben, Herberge
Lit.: Brühl, C., Fodrum, gistum, servitium regis, 1968
mansus (lat. [M.]) Hof, Hufe, Ackermaß
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW
Mantel als ein den Körper einhüllendes Kleidungsstück wird auch als Rechtssymbol verwendet (z. B. Mantelgriff bei Auflassung, Umhüllung mit dem Mantel bei Eheschließung zwecks Ehelicherklärung eines nichtehelichen Kindes, Niederlegung des Mantels zwecks Haftungsbefreiung).
Lit.: Hübner 681; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994
Manufaktur ist die bereits dem römischen Altertum bekannte zentrale Produktionsstätte zur Herstellung von Waren (Textilien, Metallwaren, Keramik). Sie wird im 17. und 18. Jh. zu der vom Staat begünstigten modernen Betriebsform (-> Merkantilismus). Besonders bekannt ist die erste europäische staatliche Porzellanmanufaktur (Meißen 1710). Im 19. Jh. unterliegt die M. der Fabrik.
Lit.: Köbler, DRG 28, 134, 175; Pfeiffer, H. v., Die Manufakturen und Fabriken Deutschlands, Teil 1f. 1781; Forberger, R., Die Manufaktur in Sachsen, 1958; Kermann, J., Die Manufaktur im Rheinland, 1972; Jansen, R., Die Arbeitsverhältnisse an den deutschen Porzellanmanufakturen des 18. Jahrhunderts, 1990
manumissio (lat. [F.]) ist die Freilassung eines Sklaven oder Unfreien zum (freigelassenen) Freien. Für sie entwickeln sich im römischen Recht verschiedene Formen (m. in der Kirche, vor Freunden, durch Brief, durch Aufnahme an den Tisch, mit Stab), welche im Frühmittelalter teilweise fortgeführt und teilweise ergänzt werden.
Lit.: Kaser §§ 16 I 1, III 1, 60 I 3b; Köbler, DRG 57
manus (lat. [F.]) Hand, Schar, Hausgewalt (über die Ehefrau)
Lit.: Kaser §§ 4 I 1b, 12 I 2b, 58 II; Söllner §§ 8, 20; Köbler, DRG 21f., 71
manus iniectio (lat. [F.]) ist im römischen Recht die Handanlegung, mit deren Hilfe beispielsweise im altrömischen Recht in eine Person vollstreckt wird (-> legis actio per manus iniectionem).
Lit.: Kaser §§ 10 I 2a, 32 II 4, 39 I 1, 60 I 4, 81 III 1; Söllner §§ 8, 9;
Köbler, DRG 20
Manzipation -> mancipatio
Marburg an der Lahn gründet sich auf eine Burg wohl schon des 10. Jh.s und erhält 1527 die erste protestantische Universität.
Lit.: Merk,
W., Die Spruchtätigkeit der Marburger Juristenfakultät, in: Festzeitung der
Universität Marburg 1527-1927, 1927; Pätzold, G., Die Marburger
Juristenfakultät als Spruchkollegium, 1966; Die
Philipps-Universität Marburg im Nationalsozialismus, hg. v. Nagel, A., 2000
Marburger Programm ist das von Franz von -> Liszt (1851-1919) 1882 formulierte Programm (Der Zweckgedanke im Strafrecht).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 204
marca (lat.-ahd. [F.]) Grenze, Grenzgebiet
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Marcellus (2. Jh. n. Chr.) ist ein dem Rat der Kaiser Antonius Pius (138-161) und Mark Aurel (161-180) angehöriger römischer Jurist, von dem 31 zwischen 161 und 167 entstandene (lat.) libri (M.Pl.) digestorum (Bücher der Digesten) zu unterschiedlichsten Rechtsfragen sowie (lat.) notae (F.Pl. Anmerkungen) zu den Digesten -> Julians bekannt sind, deren Benützung durch -> Scaevola und -> Ulpian feststeht.
Lit.: Krüger, P., Geschichte der Quellen und Literatur des römischen Rechts, 2. A. 1912, 213; Rastätter, J., Marcelli Notae ad Iuliani Digesta, Diss. jur. Freiburg im Breisgau, 1981; Zülch, C., Der liber singualris responsorum des Ulpius Marcellus, 2001
Märchen ist die nicht sicher bezeugte und nicht
sicher bezeugbare Erzählung. Das M. kann Rechtsfragen behandeln. Sie lassen
sich zeitlich nicht zuverlässig einordnen.
Lit.: Scherf, W., Das
Märchenlexikon, Bd. 1f. 1995; Laeverenz, J., Märchen
und Recht, 2001
Marchfutter ist eine mittelalterliche Abgabe.
Marculf ist der Verfasser einer frühmittelalterlichen, durch 5 Handschriften des 9. Jh.s überlieferten Sammlung von 40 Königsurkundenformularen und 52 Privaturkundenformularen, welche vermutlich am Ende des 7. Jh.s im westlichen Frankenreich im Auftrag eines nicht sicher feststellbaren Bischofs Landerich verfertigt ist. Die Sammlung ist nachweislich spätestens 743/7 in einer Königsurkunde und 731/2 in einer Privaturkunde benutzt. Verschiedene jüngere Urkundensammlungen berücksichtigen sie.
Lit.: Formulae, hg. v. Zeumer, K., 1886; Uddholm, A., Marculfi Formularum libri duo, 1962; Nonn, U., Merowingische Testamente, Archiv f. Diplomatik 18 (1972), 110
marescalcus (lat.-ahd. [M.] Marschall) ist ein Hofamt der fränkisch-deutschen Könige.
Lit.: Köbler, DRG 83
marginal (am Rande befindlich) wie z. B. die Marginalglosse, d.h. Randglosse
Maria Theresia (Wien 13. 5. 1717 - 29. 11. 1780) ist die Erbtochter des Habsburgers Karl VI., der am Ende des spanischen Erbfolgekrieges die Erbfolge in den habsburgischen Erblanden 1713 durch die -> Pragmatische Sanktion zu sichern versucht. 1740 tritt sie das Erbe an (Pfalzerzherzogin von -> Österreich), von dem sie im österreichischen Erbfolgekrieg Schlesien (an Preußen) und Parma-Piacenza (an Karls III. von Spanien Bruder Philipp) verliert. Durch die Wahl ihres Mannes Franz I. Stephan von Lothringen zum deutschen Kaiser (1745) wird sie Kaiserin. Gegen den ständischen Widerstand setzt sie von 1749 bis 1761 den absolutistischen Staat mit landesfürstlicher Bürokratie und Zentralverwaltung durch. Auf Betreiben ihrer Ratgeber (Kaunitz, Joseph II.) erwirbt sie 1772 Galizien und Lodomerien, 1775 die Bukowina und 1779 das Innviertel. Gesetzgeberisch stellt die von ihr veranlasste (lat.) -> Constitutio (F.) Criminalis Theresiana (1768, Theresianisches Kriminalgesetz) keinen Fortschritt dar, während ein (lat.) Codex (M.) Theresianus (1766, Theresianisches Gesetzbuch) überhaupt bloßer Entwurf bleibt.
Lit.:
Köbler, DRG 131f., 142; Arneth, A. v., Geschichte Maria Theresias, Bd. 1ff.
1863ff.; Walter, F., Die theresianische Staatsform von 1749, 1958; Jessen, F.,
Friedrich der Große und Maria Theresia, 1965; Ogris, W., Maria Theresia iudex,
Anz. d. österreich. Akad. d. Wiss., phil.-hist. Kl. 110 1973, 232; Mraz, G./Mraz, G., Maria
Theresia, 1979; Ogris, W., Recht und Macht bei Maria Theresia, 1980; Dillmann, E., Maria
Theresia, 2000
maritagium (lat. [N.]) ist eine mittelalterliche Heiratsabgabe von Hörigen.
Mark ist ursprünglich das zur Kennzeichnung eines Gegenstandes verwendete Zeichen. Deswegen wird M. zur Grenze, zum Grenzland und zur Münze. Dementsprechend finden sich unter Karl dem Großen (795), den Ottonen und Heinrich III. (1039) Grenzmarken etwa in Spanien, an der Donau (Ostmark), an der Oder (965), in Karantanien (970), an der Eider oder in Böhmen, die meist Markgrafen unterstellt sind. Seit dem Hochmittelalter erscheint das um die Siedlung gelegene (Grenz-)Land als Dorfmark, das von einer -> Markgenossenschaft gemeinschaftlich genutzt wird. Der mit einer Marke versehene Metallbarren tritt seit dem 9. Jh. als Münzgrundgewicht M. auf und verdrängt allmählich das ältere -> Pfund. 1524 wird die Kölnische M. (amtliche) Grundlage des Münzwesens im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation). Die von 1871/3 bis 1924 als Währungseinheit des Deutschen Reiches bestehende M. wird 1924 durch die Reichsmark ersetzt, der am 20. 6. 1948 die Deutsche M. folgt (Währungsreform).
Lit.:
Hübner; Maurer, G. v., Geschichte der Markenverfassung in Deutschland, 1856;
Gierke, O. v., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1ff. 1868ff.; Lipp, M.,
Das fränkische Grenzsystem, 1892; Dopsch, A. v., Die freien Marken in
Deutschland, 1933; Ganahl, K., Die Mark in den älteren St. Galler Urkunden, ZRG
GA 60 (1940), 97; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen
Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Mitterauer, M., Karolingische Markgrafen im Südosten,
1963; Enzyklopädisches Lexikon des Geld-, Bank- und Börsenwesens, 3. A. 1967;
Schmidt, E., Die Mark Brandenburg unter den Askaniern, 1973; Rittmann, H.,
Deutsche Geldgeschichte 1484-1914, 1975; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte
seit 1914, 1986;
Fünfzig Jahre Deutsche Mark, hg. v. d. Deutschen Bundesbank, 1998; Meyer, W.,
Abschied von der Deutschen Mark, 1998
Mark ist die seit 1202 für eine Linie der Grafen von Berg namengebende Burg in Westfalen. 1614 kommt die Grafschaft an Brandenburg, 1946 das Gebiet zu Nordrhein-Westfalen.
Lit.: Köbler, Historisches
Lexikon
Marke ist das Zeichen und der damit gekennzeichnete Gegenstand. In Rom schützt das Namensrecht gegen Nachahmungen. Die M. findet sich bereits im Frühmittelalter an Vieh, Holz oder Haus. Mit der Zunahme der Schriftlichkeit kann sie zum Handzeichen werden. In der hochmittelalterlichen Stadt entwickelt sich die Handelsmarke des Kaufmannes zur Kennzeichnung seiner Ware. Die Zunft setzt sich für die M. ein und verbürgt die ordnungsgemäße Herstellung der markierten Ware. Diese M. wird vielfach registriert, ihr Missbrauch wird bestraft. Im 19. Jh. endet mit der Zunft die durch sie gewährleistete Sicherheit. Seit dem 18. Jh. (Frankreich 1787) wird die M. privatrechtlich geschützt (Bayern 9. 3. 1840/21. 12. 1862, Deutsches Reich Gesetz über Markenschutz vom 30. 11. 1874, 12. 5. 1894, 5. 5. 1936). Am Ende des 20. Jh.s wird dieser Schutz innerhalb der Europäischen Union vereinheitlicht (Bundesrepublik Deutschland Markenrechtsreformgesetz BGBl. 1994, 3085). Danach erfolgt die gebührenpflichtige Eintragung einer schutzfähigen Marke durch das Patentamt auf jeweils 10 Jahre.
Lit.:
Hübner 13, 442; Rehme, P., Geschichte des Handelrechts, 1913, 38ff., 161, 216;
Meldau, R., Vor 1500 eingetragene Warenzeichen, GRUR 43 (1938), 302; Ruppel,
K., Die Hausmarke, 1939; Ilgenfritz, H., Das Warenzeichenrecht der Stadt
Nürnberg, Diss. jur. Erlangen-Nürnberg 1954; Leitherer, E., Die Entwicklung des
Markenwesens, Diss. Erlangen-Nürnberg 1954; Wadle, E., Fabrikzeichenschutz und
Markenrecht, Bd. 1f. 1977ff.; Schmieder, H., Neues deutsches Markenrecht, NJW
1994, 1241; Zentek, S., Produkt Prozesse,
1999
Markebrief ist seit dem Hochmittelalter eine Ermächtigung zu einem Arrest.
Lit.: Böhringer, K., Das Recht der Prise, Diss. jur. Frankfurt am Main 1960
Markenrecht -> Marke, Recht
Lit.: Köbler, DRG 272; Wadle, F., Fabrikzeichenschutz und Markenrecht, 1983
Markenschutz -> Marke
Märker -> Mark, Markgenossenschaft
Märkerding ist die Versammlung der Markgenossen oder Märker.
Markfrevel ist die rechtswidrige Nutzung einer -> Mark seit dem Hochmittelalter.
Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964
Markgenossenschaft ist die Genossenschaft der an einer -> Mark (Gemeinland) Nutzungsberechtigten seit dem Hochmittelalter (str.). Die M. entsteht auf Grund der mit dem Landesausbau eintretenden Güterverknappung. Die Nutzungsberechtigung an der Mark ist Zubehör zu einem Sondereigentum (z. B. Hof). Der einzelne Markgenosse (Märker) kann frei oder unfrei sein. Wichtigstes Organ der M. ist die Versammlung der Markgenossen (Märkerding). Ihr sitzt der Märkermeister (oft ein Grundherr), Markmeister, Obermärker, Holzgraf oder Waldgraf vor. Urteile fällen Markschöffen oder Markgeschworene. Im 19. Jh. werden die meisten Markgenossenschaften durch den Liberalismus beseitigt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 96, 121; Thudichum, F. v., Die Gau- und Markenverfassung, 1860; Gierke, O. v., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1ff. 1868ff.; Oechslin, M., Die Markgenossenschaften der Urschweiz, 1941; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 2 1962; Wernli, F., Zur Frage der Markgenossenschaften, 1961; Schneider, W., Die Markgenossenschaften im frühmittelalterlichen Alamannien, 1997
Markgraf (lat. [M.] marchio) ist der Graf einer Grenzgrafschaft (Markgrafschaft). Über die Stellung und die Befugnisse eines Markgrafen vor dem 12. Jh. ist wenig bekannt, vermutlich waren sie von denjenigen eines Grafen nicht wesentlich verschieden. Die Lage und die Größe der zunächst regelmäßig in ein Herzogtum eingebundenen Mark (z. B. Österreich, Steiermark) begründeten aber wohl eine größere Selbständigkeit. Deswegen wird der M. verschiedentlich Stammesherzog, der M. von Brandenburg sogar Kurfürst. Seit dem späten 11. Jh. wird M. auch ein Titel (z. B. Baden, Hachberg, Ansbach-Bayreuth).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 84, 109; Baltl/Kocher; Gothein, E., Die badische Markgrafenschaft im 16. Jahrhundert, 1910; Schieckel, H., Herrschaftsbereich und Ministerialität der Markgrafen von Meißen, 1956; Mitterauer, M., Karolingische Markgrafen im Südosten, 1963; Schmidt, M., Die Mark Brandenburg unter den Askaniern, 1973; Müller, U., Die ständische Vertretung in den fränkischen Markgrafentümern, 1984
Markgrafentum ist die Stellung und das Gebiet eines -> Markgrafen.
Markgrafschaft ist (die Stellung und) das Gebiet eines -> Markgrafen.
Marklosung ist das Recht eines Markgenossen oder einer Markgenossenschaft, ein in der -> Mark gelegenes, an einen Fremden veräußertes Grundstück gegen Zahlung des Kaufpreises zu erwerben (und dadurch die bestehende Anwartschaft zum Vollrecht umzuwandeln).
Lit.: Gierke, O., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1 1868, 65f.; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 2 1962
Markmeister -> Markgenossenschaft
Markt ist die zu bestimmter Zeit und an bestimmtem Ort abgehaltene Veranstaltung zum Zweck des Verkaufes und Kaufes von Waren. Der M. ist bereits dem römischen Recht bekannt (lat. [N.] forum, Marktplatz, nundinae [F.Pl.]). In karolingischer Zeit gewinnt der M. auch bei den Franken Bedeutung. Der König erringt in der zweiten Hälfte des 9. Jh.s für kurze Zeit ein Marktregal. Zwischen 900 und 1050 gründet er mehr als 100 Märkte durch Privileg und erhält dafür von den Begünstigten Abgaben. Später treten die Landesherren an seine Stelle (z. B. Freiburg 1120, Innsbruck 1180/1204, Jüterbog 1174). Es entwickeln sich Grundsätze für ein besonderes Recht des Marktes. Viele Marktorte werden bald zur -> Stadt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 78, 113; Rietschel, S., Markt und Stadt, 1897, Neudruck 1965; Spieß, W., Das Marktprivileg, 1916; La foire, 1953; Schlesinger, W., Mitteldeutsche Beiträge zur deutschen Verfassungsgeschichte des Mittelalters, 1961, 275; Vor- und Frühformen der europäischen Stadt, 1973; Mitterauer, M., Markt und Stadt im Mittelalter, 1980; Ehmann, E., Markt und Sondermarkt, 1987
marktbeherrschendes Unternehmen ist in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s ein Unternehmen, das den Handel mit einer bestimmten Warengattung maßgeblich gestalten kann. Aus Wettbewerbsgründen bedarf es besonderer Kontrolle.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Marktfriede ist der von einem Herrn (z. B. König) während der Marktzeit für Verkäufer und Käufer zugesicherte -> Friede.
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Marktkauf ist der auf dem jedermann zugänglichen -> Markt getätigte -> Kauf. Wegen der besonderen Gegebenheiten des Marktes darf sich seit dem Mittelalter der Erwerber einer gestohlenen oder geraubten Sache gegenüber dem Unrechtsvorwurf des Eigentümers dadurch reinigen, dass er schwört, die Sache auf dem Markt gekauft zu haben. Vielfach muss er die Sache auch nur gegen die Erstattung des ganzen oder halben Kaufpreises an den Berechtigten herausgeben. Dieses Lösungsrecht verliert mit der Aufnahme des römischrechtlichen Herausgabeanspruches (lat. -> rei vindicatio [F.]) an Bedeutung.
Lit.:
Hübner 440, 446; Kroeschell, DRG 2, 88; Köbler, DRG 125; Ebel, W., Lübisches
Kaufmannsrecht, 1952; Reinhard, H., Der Marktkauf in den schweizerischen
Stadtrechten, Diss. jur. Zürich 1959; Jakab, E., Praedicere und cavere beim
Marktkauf, 1997
Marktkreuz ist das seit dem Hochmittelalter zum Zeichen des Marktes aufgestellte Kreuz.
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Marktprivileg -> Markt
Marktrecht -> Markt
Marktregal -> Markt, Regal
Marktwirtschaft ist die Wirtschaftsform, in der die wirtschaftlich relevanten Entscheidungen über Produktion, Investition, Distribution und Konsum dezentralistisch sind und den individuellen Wirtschaftssubjekten überlassen werden. In der älteren Zeit geht der M. die Hauswirtschaft voraus. In den größeren Orten des Altertums ist die M. bereits bedeutsam. In der Neuzeit wird ihr Gewicht immer größer. Der Sozialismus des 20. Jh.s stellt der M. die Planwirtschaft entgegen. Seit 1990 dringt die M. in sozialer Form wieder vor.
Lit.: Köbler, DRG 96, 127, 249; Bundesrepublik Deutschland - Deutsche Demokratische Republik, hg. v. Hamel, H., 1977; Nörr, K., Als die Würfel für die Marktwirtschaft fielen, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997
Markwald -> Mark
Marschall ist der Träger des im Frühmittelalter für das Transportwesen zuständigen Hofamtes (lat. comes [M.] stabuli). Seit dem 15. Jh. wird der besondere Feldmarschall Oberbefehlshaber der landesherrlichen Streitkraft. Sein Amtszeichen ist ein Stab. -> marescalcus
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 83, 112; Köbler, WAS; Rösener, W., Hofämter, DA 45 (1989), 485
Marsilius von Padua (Padua um 1290? - München 1342/3), Sohn des Universitätsnotars Bonmatteo dei Mainardini, wird nach dem Studium der freien Künste 1313 kurzzeitig Rektor der Universität Paris und danach höfischer Ratgeber. 1324 verfasst er den (lat.) -> Defensor (M.) pacis. Darin spricht er sich in der Nachfolge des Aristoteles für einen mit weitreichender Gewalt ausgestatteten Staat aus, der mit Hilfe einer rationalen Gesetzgebung das Wohl seiner Angehörigen erreichen soll. Der Kaiser wird auch der Kirche übergeordnet, als deren höchstes Organ M. v. P. im übrigen nicht den Papst, sondern das -> Konzil (Konziliarismus) ansieht.
Lit.: Köbler, DRG 107, 109; Battaglia, F., Marsilio da Padova, 1928; Marsilio da Padova, hg. v. Checchini, A. u. a., 1942; Segall, H., Der „Defensor Pacis“ des Marsilius von Padua, 1959; Gagnér, S., Studien zur Ideengeschichte der Gesetzgebung, 1960, 121; Löffelberger, M., Marsilius von Padua, 1992
Mars Thingsus (M.) germanischer Kriegsgott und vielleicht auch Dinggott
Lit.: See, K. v., Altnordische Rechtswörter, 1964; Höfler, O., „Sakraltheorie“ und „Profantheorie“, FS S. Gutenbrunner, 1972, 71
Martens, Georg Friedrich von (Hamburg 22. 2. 1756 - Frankfurt am Main 21. 2. 1821) wird nach dem Rechtsstudium in Göttingen (Pütter) 1783 Professor für Staatsrecht, -> Völkerrecht und -> Handelsrecht. 1808 wird er Verwaltungsjurist im Königreich Westphalen, 1815 in Hannover. 1785 verfasst er (lat.) Primae lineae (F.Pl.) iuris gentium Europaearum practici (Grundlinien eines praktischen europäischen Völkerrechts), deren Gliederung sich von herkömmlichen Vorgaben zu befreien versucht. Seit 1797 sammelt er die wichtigsten völkerrechtlichen Verträge. Gleichzeitig legt er einen Grundriß des -> Handelsrechts vor, das sich damit von Handlungswissenschaft einerseits und deutschem Privatrecht andererseits löst.
Lit.: Figge, R., Georg Friedrich von Martens, Diss. jur. Breslau 1914; Köbler, G., Die Wissenschaft des gemeinen deutschen Handelsrechts, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 1 1974, 277; Scherner, K., Anfänge einer deutschen Handelsrechtswissenschaft im 18. Jahrhundert, ZHR 136 (1972), 464
Martin von
Tours (Sabaria 336? - Candes 8. 11.
397), nach dem Mars benannter Sohn eines römischen Militärtribuns, gründet nach
der frühen Taufe 361 das erste gallische Kloster Ligugé und wird 371 Bischof
von Tours. Er ist der erste Heilige der römischen Kirche mit öffentlicher
Verehrung, vor allem im fränkischen Reich (Gedenktag am 11. 11.).
Lit.: Nigg, W./Loose, H.,
Martin von Tours, 1977; Thull, M., Martin von Tours, 1985
Martini (zu Wasserberg), Karl Anton Freiherr von (Revo 15. 8. 1726 - Wien 7. 8. 1800), Hofratssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Innsbruck (Riegger) und Wien 1753 Professor in Wien für -> Naturrecht, Institutionen und römische Rechtsgeschichte. 1767 verfasst er (lat.) De lege naturali positiones (Lehrsätze über Naturrecht). Seit 1771 wird er mit Vorarbeiten an einem Privatrechtsgesetzbuch betraut. 1782 gibt er die akademische Lehre auf. Sein 1793-5 erarbeiteter Entwurf des Privatgesetzbuches in drei Teilen tritt 1797 als -> Westgalizisches Gesetzbuch in Kraft.
Lit.: Köbler, DRG 142; Juristen in Österreich, hg. v. Brauneder, W., 1987, 77; Hebeis, M., Karl Anton von Martini, 1996
Martinus Gosia (Bologna um 1100 - 1158/66) ist einer der vier Doktoren, die 1158 auf dem Reichstag von -> Roncaglia auftreten. Er vertritt Gedanken der Billigkeit (lat. [F.] aequitas). Anscheinend stammen von ihm Glossenapparate zu Digesten, Codex und Institutionen.
Lit.:
Köbler, DRG 105; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967;
Dolezalek, G., Repertorium manuscriptorum veterum Codicis Iustiniani,1985; Lange, H., Römisches
Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Marx, Karl (Trier 5. 5. 1818 - London 14. 3. 1883), Sohn eines zwischen 1819 und 1821 vom Judentum zum Protestantismus übergetretenen Rechtsanwalts, 1824 vom Judentum zum Protestantismus übergetreten, wird nach dem Studium von Recht und Philosophie in Bonn (1835) und Berlin (Savigny, Gans) Redakteur. Am 12. 6. 1843 geht er nach Paris, 1845 nach Brüssel und 1849 nach London. Im Auftrag des Londoner Bundes der Kommunisten veröffentlicht er mit Friedrich Engels 1848 das -> Kommunistische Manifest. Dem folgen 1859 „Zur Kritik der politischen Ökonomie“ und 1867 „ Das Kapital“, mit denen er den -> Marxismus begründet.
Lit.:
Köbler, DRG 178f., 189, 253; Vysinskij, A., Fragen des Rechts und des Staates
bei Marx, 1938; Bloch, E., Karl Marx und die Menschlichkeit, 1969; Euchner, W.,
Karl Marx, 1983; Schefold, C., Die Rechtsphilosophie des jungen Marx von 1842,
1970; Landau, P., Karl Marx und die Rechtsgeschichte, TRG 41 (1973), 361;
Cerroni, U., Marx und das moderne Recht, 1974; Szabó, I., Karl Marx und das
Recht, 1981; Herferth, W., Sachregister zu den Werken Karl Marx, Friedrich
Engels, hg. v. Sandmühler, J., 1983; Marx-Engels-Begriffslexikon, hg. v.
Lotter, K., 1984;
Schöncke, M., Karl und Heinrich Marx, 1993
Marxismus ist die von Karl -> Marx begründete Gesellschaftslehre. Der M. ist historischer Materialismus, dem es darum geht, die Sachverhalte daraufhin zu beurteilen, wie, zu welchen und zu wessen Zwecken sie herbeigeführt werden, und in der Geschichte die Entwicklung von sozialen Verhältnissen zu erkennen. Grundlegend für eine geschichtliche Entwicklungsstufe ist die Art und Weise wie (u. a. mit welchen Produktionsmitteln) die Menschen ihren Lebensunterhalt bewirken. Die Produktionsverhältnisse sind die tatsächliche (reale) Basis für einen geistigen (ideologischen) Überbau. Arbeitsteilung und Eigentumsbildung entfremden den Menschen von sich selbst. Die besitzende Klasse hält am jeweiligen Zustand der Produktionsverhältnisse fest, während die ausgebeutete Klasse nach seiner Veränderung strebt. Durch Revolution wird die jeweilige Basis und damit auch der Überbau verändert und eine jeweils höherwertige Stufe des sich nach exakten Gesetzen vollziehenden Geschichtsablaufes erreicht. Das Recht als Teil des Überbaus ist in der vom Sozialismus unter Führung der Kommunistischen Partei angestrebten klassenlosen Gesellschaft, in der es weder Not noch Unterdrückung gibt, ebenso überflüssig wie der Staat. Die Versuche des 20. Jh.s, die Vorstellungen des M. zu verwirklichen (1917 Sowjetunion), erweisen sich bis zum Ende des 20. Jh.s (1990) nicht als erfolgreich.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh; Köbler, DRG 178f., 189, 253; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 937; Paschukanis, E., Allgemeine Rechtslehre und Marxismus, 1924, Neudruck 1966; Adler, M., Die Staatsauffassung des Marxismus, 1922, Neudruck 1973; Reich, N., Sozialismus und Zivilrecht, 1972; Reich, N., Marxistische Rechtstheorie, 1973; Paul, W., Marxistische Rechtstheorie als Kritik des Rechts, 1974; Probleme der marxistischen Rechtstheorie, hg. v. Rottleuthner, H., 1975; Nolte, E., Marxismus und Industrielle Revolution, 1983; Fetscher, I., Karl Marx und der Marxismus, 1985; Historisch-kritisches Wörterbuch des Marxismus, hg. v. Haug, W., 1994ff.; Schröder, R., Marxismus und Recht, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997
Märzverfassung ist in -> Österreich die vom Kaiser nach dem Sieg über die revolutionäre Bewegung des Jahres 1848 dem Reichstag in Kremsier am 4. 3. 1849 aufoktroyierte Verfassung, welche erstmals die nichtdeutschen Gebiete Ungarn und Lombardo-Venetien einschließt. Sie stellt in einem Scheinkonstitutionalismus dem Kaiser den aus Oberhaus und Unterhaus bestehenden -> Reichstag gegenüber. Hinzu kommt in einem eigenen Patent ein Grundrechtskatalog. Die gesamte Verfassung tritt allerdings trotz Verkündung nicht in Kraft und wird unter dem Druck von Adel und Verwaltung am 31. 12. 1851 (-> Silvesterpatent) als unangemessen und unausführbar aufgehoben.
Lit.: Köbler, DRG 193; Baltl/Kocher; Brauneder, W. Österreichische Verfassungsgeschichte, 8. A. 2001
Mascov, Johann Jacob (Danzig 26. 11. 1689 - Leipzig 21. 5. 1761), früh verwaister Kaufmannssohn, wird nach dem Studium der freien Künste und des Rechts in Leipzig und Halle 1719 außerordentlicher Professor in Leipzig. Daneben übt er zahlreiche praktische Aufgaben aus. 1729 veröffentlicht er die häufig aufgelegten, in sieben Bücher gegliederten (lat.) Principia (N.Pl.) iuris publici imperii Romano-Germanici (Grundsätze des öffentlichen Rechts des römisch-deutschen Reiches).
Lit.: Hammerstein, N., Jus und Historie, 1972, 284; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1 1988, 307
Maß ist die Meßeinheit. Das M. findet sich bereits vielfach im Altertum. Ausgangspunkt ist das natürliche, vom menschlichen Körper abgeleitete M. (z. B. Fuß, Elle, Klafter, Schritt). In der Neuzeit wird dieses mehr und mehr vom künstlich-wissenschaftlichen, international vereinbarten M. (z. B. Liter, Meter) verdrängt, das M. durch rechtliche Bestimmungen klar festgelegt und gegen Missbrauch geschützt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 176; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Alberti, H. v., Maß und Gewicht, 1957; Pfeiffer, E., Die alten Längen- und Flächenmaße, 1986
Maßnahme der Sicherung und Besserung ist eine auf die strafrechtlichen Reformvorschläge Franz von -> Liszts (1882 Marburger Programm) zurückgehende Maßnahme, statt zu strafen, zu sichern und zu bessern. Sie wird im Dritten Reich durch das Gewohnheitsverbrechergesetz vom 24. 11. 1933 verwirklicht. Danach kann der Richter die Unterbringung eines Täters in einer Heil- und Pflegeanstalt, in einer Trinkerheilanstalt, in einem Arbeitshaus, in der Sicherungsverwahrung oder die Entmannung, die Untersagung der Berufsausübung oder die Reichsverweisung anordnen. Später wird die Besserung der Sicherung vorangestellt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 237; Jelowik, L., Zur Geschichte der Strafrechtsreform in der Weimarer Republik, 1983; Werle, G., Zur Reform des Strafrechts in der NS-Zeit, NJW 1988, 2865
Maßnahmegesetz ist das offen oder verdeckt nur für einen oder wenige Einzelfälle bestimmte Gesetz. Es wird im 20. Jh. problematisch.
Lit.: Huber, K., Maßnahmegesetz und Rechtsgesetz, 1963
Materialismus ist diejenige geistesgeschichtliche Strömung, die das gesamte Weltgeschehen vom Stofflichen (Materiellen), nicht vom Geistigen (Ideellen), her zu erklären versucht. Eine bedeutsame Form des M. ist der historische M. (-> Marxismus).
Lit.:
Köbler, DRG 178; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1982, 977; Kautsky, K.,
Die materialistische Geschichtsauffassung, Bd. 1f. 1927; Kägi, P., Genesis des
historischen Materialismus, 1965; Bloch, E., Das Materialismusproblem, 1985;
Schermaier, M., Materia, 1993; Bund, E., Stoischer Materialismus und Dynamismus,
FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Wittkau-Horgby, A., Materialismus,
1998
materielles Recht ist
das den Gegenstand betreffende Recht (z. B. Privatrecht, Strafrecht) im
Gegensatz zum formellen Recht (Verfahrensrecht).
Lit.: Simshäuser, W., Zur
Entwicklung des Verhältnisses von materiellem recht und Prozessrecht seit
Savigny, 1965; Kollmann, Begriffs- und Problemgeschichte, 1996
mater semper certa est, pater quem nuptiae demonstrant (lat.). Die Mutter ist immer gewiß, Vater ist, wen die Ehe ausweist.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 118, Nr. 26 (Paulus, um 160 - um 230, Digesten 2, 4, 5)
Mathildische Güter sind die Güter der Markgräfin Mathilde von Tuszien-Canossa (1046 - 24. 7. 1117, bezüglich der 139 echte Urkunden, 15 gefälschte Urkunden und 115 verlorene Urkunden nachweisbar sind) in Reggio, Modena, Mantua, Bologna, Parma, Ferrara, Brescia, Verona usw., welche bedeutender sind als alle anderen Güter einer hochadligen Familie in Reichsitalien im Hochmittelalter. Wohl 1080 gibt die Markgräfin ihre Güter an den Papst (1102 bestätigt). Im Frühjahr 1111 sichert sie Heinrich V. die Erbfolge in ihre Güter zu. Zwischen König und Kirche in der Folge umstritten, gelangen die Mathildischen Güter im 12./13. Jh. unter die Herrschaft vieler Stadtkommunen.
Lit.: Overmann, A., Gräfin Mathilde von Tuszien, 1895; Grimaldi,
N., La contessa Matilde, 1928; Studi matildici, 1964; Haverkamp, A.,
Herrschaftsformen der Frühstaufer in Italien, Bd. 1f. 1970f.; Groß, T., Lothar
III. und die Mathildischen Güter, 1990;
Golinelli, P., Mathilde und der Gang nach Canossa, 1998; Die Urkunden und
Briefe der Markgräfin Mathilde von Tuszien, hg. v. Goez, E. u. a., 1998
Matriarchat ist das vom Vorrecht der Frau bzw. der Mutter geprägte Recht im Gegensatz zum Patriarchat. Eine Zeit des Matriarchates ist geschichtlich nicht bezeugt. Sie wird aber von Johann Jakob -> Bachofen (1815-87) angenommen (Über das Weiberrecht, 1856). -> Mutterrecht
Lit.: Wesel, U., Der
Mythos vom Matriarchat, 1980; Göttner-Abendroth, Das Matriarchat, Bd. 1f.
1988ff.
Matrikel ist das bereits dem römischen Altertum bekannte Verzeichnis, welches die Kirche fortführt (-> Kirchenbuch). Im Hochmittelalter wird an den Universitäten die Eintragung in eine M. Voraussetzung für die Teilhabe an den Vorrechten der Universitätsangehörigen (z. B. Exemtion vom Stadtgericht). Seit dem Hochmittelalter finden sich auch Listen über die von Fürsten und Städten für die Heereszüge des Königs zu erbringenden Leistungen, aus denen sich 1422 die -> Reichsmatrikel entwickelt.
Lit.: Sieber, J., Zur Geschichte des Reichsmatrikelwesens, 1910; Börsting, H., Geschichte der Matrikel, 1959
Matrikularbeitrag ist in der frühen Neuzeit der in der Reichsmatrikel des Heiligen Römischen Reichs (deutscher Nation) festgelegte Beitrag des einzelnen Reichsstandes zum Finanzwesen des Reiches. Auch im zweiten Deutschen Reich bilden die Matrikularbeiträge der Länder eine wichtige Grundlage für die Reichsfinanzverfassung. Insofern ist das Reich Kostgänger der Länder.
Lit.: Köbler, DRG 150, 196
Matrimonial Causes Act (1965) ist die das Eherecht betreffende Zusammenfassung verstreuter gesetzlicher Vorschriften im englischen Recht.
Lit.: Baker, J., An
Introduction to English Legal History, 3. A. 1990
matrimonium (lat. [N.]) ist bei den Römern die als soziale Tatsache mit rechtlichen Wirkungen angesehene -> Ehe.
Lit.: Kaser § 58; Köbler, LAW
Matthaeus (II.), Antonius (Herborn 1601 - Utrecht 1654), Rechtsprofessorssohn, wird nach dem Studium des Rechts in Marburg und Groningen Professor in Harderwijk (1629) und Utrecht (1634). In (lat.) De criminibus (1644, Von Verbrechen) behandelt er die Straftatbestände an Hand der Bücher 47, 48 der Digesten mit Hinweisen auf das zeitgenössische Recht. In einer systematischen Einleitung legt er allgemeine Sätze über übergreifende (allgemeine) Fragen (z. B. Schuld, Vorsatz usw.) dar.
Lit.: Schlüter, F., Antonius Mattheus II. aus Herborn, 1929; Zestig Juristen, 1987, 166
Maunz, Theodor (Dachau 1. 9. 1901 - Gräfelfing 10. 9. 1993) wird nach dem Rechtsstudium in München 1937 ordentlicher Professor in Freiburg im Breisgau und 1952 in München (1943-5 Wehrdienst, 1948 Mitglied des Herrenchiemseer Verfassungskonvents, 1957-64 Kultusminister in Bayern). Wechselnden Bedingungen angepaßt verfasst er nach 1949 ein erfolgreiches Lehrbuch des Staatsrechts und begründet einen wichtigen Kommentar zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland.
Lit.: Juristen im Portrait, 1988, 553; Stolleis, M., Theodor Maunz, Kritische Justiz 1993, 393
Maurer, Georg Ludwig Ritter von (Erpolzheim 2. 11. 1790 - München 9. 5. 1872) wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg Richter in der Rheinpfalz, von 1826 bis 1832 Professor in München, von 1832 bis 1834 Mitglied des Regentschaftsrates Königs Otto von Griechenland (aus dem Hause Wittelsbach) und 1847 Verweser des bayerischen Justiz- und Außenministeriums. Er veröffentlicht umfangreiche Darstellungen zur mittelalterlichen Verfassungsgeschichte.
Lit.: Maurer, G. v., Geschichte der Markenverfassung in Deutschland, 1856; Dickopf, K., Georg Ludwig von Maurer 1790-1872, 1960
Maurer, Konrad von (Frankenthal 29. 4. 1823 - München 16. 9. 1902), Sohn des Rechtshistorikers Georg Ludwig von Maurer, wird nach dem Studium des Rechts und der Geschichte in München, Leipzig und Berlin (Homeyer, Richthofen) 1847 außerordentlicher Professor, 1855 ordentlicher Professor in München. Er veröffentlicht zahlreiche Abhandlungen zur nordischen Rechtsgeschichte.
Lit.: Maurer, K. v., Vorlesungen über altnordische Rechtsgeschichte, Bd. 1ff. 1907ff., Neudruck 1965; Amira, K. v., Konrad von Maurer, SB. d. Akad. d. Wiss. München, 1903
Maut ist im südostdeutschen Sprachgebiet der -> Zoll.
Maximilian I. (Wiener Neustadt 22. 3. 1459 - Wels 12. 1. 1519) ist der letzte mittelalterliche König („letzter Ritter“) des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) (1486/93, 1508 erwählter römischer Kaiser). Er fasst seine habsburgischen Erbländer zusammen, vermehrt sie durch Heirat um -> Burgund (1477) und bereitet (1515) den Erwerb -> Ungarn-Böhmens (1526) und -> Spaniens vor. Auf wohl burgundischem Vorbild beruht seine Verwaltungsreform in Tirol und Österreich. Im Reich entstehen unter seiner Herrschaft -> Reichskammergericht, -> Reichskreise und -> Gemeiner Pfennig.
Lit.:
Köbler, DRG 95, 129, 150f., 157; Schmidt, E., Die Maximilianischen
Halsgerichtsordnungen, 1949; Buchner, R., Maximilian I., 2. A. 1970;
Wiesflecker, H., Kaiser Maximilian I., Bd. 1ff. 1971ff.; Wiesflecker, H., Maximilian I., 1991; Hollegger, M., Maximilian I., 2000
Maximilianische Verwaltungsreform ist die von König Maximilian I. wohl nach burgundischem Vorbild durchgeführte Verwaltungsreform. In ihrem Verlauf bestellt Maximilian in -> Tirol 1490 ein Kollegium von 12 Statthaltern für Justiz und Verwaltung für die Zeit seiner Abwesenheit. 1491 schafft er für die Verwaltung der Einkünfte eine besondere -> Raitkammer. Beides findet wenig später auch in Niederösterreich Eingang.
Lit.: Köbler, DRG 151; Baltl/Kocher; Walther, A., Die Ursprünge der deutschen Behördenorganisation, 1913; Mayer, T., Die Verwaltungsorganisationen Maximilians I., 1920, Neudruck 1973; Hollegger, M., Maximilian I. und die Entwicklung der Zentralverwaltung, 1983
Mayer, Otto (Fürth 29. 3. 1846 - Hilpertsau 8. 8. 1924), Abgeordnetensohn, wird nach dem Rechtsstudium u. a. in Berlin (1866/7) 1872 Rechtsanwalt in Mülhausen, 1882 außerordentlicher Professor und 1887 ordentlicher Professor für französisches Zivilrecht, internationales Privatrecht, allgemeine Staatslehre und Verwaltungsrecht in Straßburg und 1903 Professor in Leipzig. In seinem unter Übertragung der juristischen Methode (-> Gerber, -> Laband) aus dem Staatsrecht gewonnenen Lehrbuch Deutsches Verwaltungsrecht (1895/6) bildet er ein nach rechtlichen Gesichtspunkten systematisch gegliedertes -> Verwaltungsrecht (vor allem der Eingriffsverwaltung) aus (Vorrang des Gesetzes, Vorbehalt des Gesetzes). Im Mittelpunkt des durch Rechtsvergleichung geschaffenen allgemeinen Teiles des Verwaltungsrechts steht der (dem französischen Verwaltungsrecht nachgeformte) -> Verwaltungsakt.
Lit.:
Köbler, DRG 199; Die Rechtswissenschaft in Selbstdarstellungen, hg. v. Planitz,
H., 1924, 153, 175; Dennewitz, B., Die Systeme des Verwaltungsrechts, 1948,
122; Badura, P., Das Verwaltungsrecht des liberalen Rechtsstaates, 1967;
Hueber, A., Otto Mayer, 1981; Heyen, E., Otto Mayer, 1981; Schmid-De Caluwe, R., Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto
Mayers, 1999
Mazedonien -> Makedonien
Mecheln, Mechelen erscheint im 9. Jh. (Malinas
870) und gelangt über das Hochstift Lüttich, Flandern (1357), Burgund (1369) an
Habsburg (1477) und von dort über die Niederlande an Belgien (1830). 1490 wird
die erste moderne Postverbindung von Innsbruck nach M. eingerichtet.
Lit.: De Geschiedenis van
Mechelen, hg. v. Uytven, R. van, 1991
Mecklenburg ist ein nach der 995 erstmals erwähnten Burg Michelenburg bei Wismar benanntes, dünn besiedeltes, 1701 in Mecklenburg Schwerin und Mecklenburg-Strelitz geteiltes, zum 1. 1. 1934 wieder zusammengefasstes Land, das 1945 mit Vorpommern verbunden wird und herkömmliche Zustände verhältnismäßig lang bewahrt.
Lit.:
Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 176; Neue Sammlung
Mecklenburgischer Landesgesetze, Bd. 1ff. 1769; Mecklenburger Urkundenbuch, Bd.
1ff. 1863ff.; Böhlau, H., Mecklenburgisches Landrecht, Bd. 1ff. 1871ff.;
Buchka, G. v., Landesprivatrecht der Großherzogtümer Mecklenburg-Schwerin und
Mecklenburg-Strelitz, 1905; Krause, H., System der landständischen Verfassung
Mecklenburgs, 1927; Hamann, H., Das staatliche Werden Mecklenburgs, 1962;
Molitor, E., Der Entwurf eines mecklenburgischen Landrechts, ZRG GA 61 (1941),
208; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,2908; Wieden,
H. bei der, Grundriß zur deutschen Verwaltungsgeschichte 1815-1945, B XII (Mecklenburg),
1976; Petersohn, J., Der südliche Ostseeraum, 1979; 1000 Jahre Mecklenburg,
1995
mediani (lat. [M.Pl.]) mittlere ([als Stand] im alemannischen Volksrecht des Frühmittelalters)
Mediatisierung ist die Mittelbarmachung reichsunmittelbarer Reichsglieder (z. B. Reichsstädte, Reichsritter) insbesondere durch den -> Reichsdeputationshauptschluss vom 25. 2. 1803. Die dabei mittelbar gemachten ehemaligen Reichsunmittelbaren behalten noch während des 19. Jh.s Vorrechte (z. B. -> Patrimonialgerichtsbarkeit, -> Familienfideikommiss).
Lit.: Köbler, DRG 132, 149; Gollwitzer, H., Die Standesherren, 2. A. 1964; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975; Facius, C., Zwischen Souveränität und Mediatisierung, FS H. Tümmler, 1977, 163; Schier, R., Die Standesherren, 1978
Mediävistik (F.) Mittelalterkunde
Lit.: Ius Romanum medii aevi, 1961ff.; Dilcher, H., Zur Einführung: Romanistische Mediävistik, JuS 6 (1966), 387; Lexikon des Mittelalters, Bd. 1ff. 1980ff.; Goetz, H., Moderne Mediävistik, 1999
Medici ist eine seit dem frühen 13. Jh. bezeugte, innerhalb dreier Generationen aufgestiegene, im 16. Jh. zu Herzögen von Florenz (1531) und erhobene Großherzögen von Toskana (1569) Geldwechslerfamilie in Florenz, die 1737 erlischt.
Lit.:
Rubinstein, N., The Government of Florence under the Medici, 1966; Clarke, P., The
Soderini and the Medici, 1991; Brown, A., The Medici in Florence, 1992; Lorenzo
de Medici, hg. v. Toscani, B., 1993; Reinhardt, V., Die Medici, 1998; Walter,
I., Der prächtige Lorenzo de Medici, 2003
Medium (N.) Mittel, insbesondere das Wissensverbreitungsmittel wie Buch, Zeitung, Rundfunk, Fernsehen
Lit.: Faulstich, W., Die
Geschichte der Medien, Bd. 1 1997; Geschichte der Medien, hg. v. Fassler u. a.,
1998; Von Almanach bis Zeitung, hg. v. Fischer, E. u. a., 1999; Wilke, J.,
Grundzüge der Mediengeschichte, 2000
Medizin (Heilkunst) -> gerichtliche Medizin
Lit.: Die Geschichte des
medizinischen Denkens, hg. v. Grmek, M., 1996; Porter, R., Die Kunst des
Heilens, 2000; Pfeifer, K., Medizin der Goethezeit, 2000; Klee, E., Deutsche
Medizin im Dritten Reich, 2001; Künzl, E., Medizin in der Antike, 2002;
Jankrift, K., Krankheit und Heilkunde im Mittelalter, 2003
medum (Ackerland, Ackerabgabe [in der Erzdiözese Trier zwischen 900 und 1300])
Lit.: Kienast, R., medum-land, in: Antiquitates Germanicae, 1974, 57
Meer ist allgemein der von Salzwasser bedeckte, größere Teil der Erdoberfläche. Das M. ist grundsätzlich frei (lat. mare [N.] liberum). Im römischen Recht steht auch die Meeresküste als (lat.) res (F.) communis (allgemeine Sache) dem Gebrauch aller Menschen offen. Im Mittelalter bewirkt die Zusammenfassung einzelner Herrschaftsrechte (Regalien) in der Hand der Landesherren die Beanspruchung der Meeresküste als Recht des Landesherrn. In der Neuzeit wird von hier aus weiter auf das Meer ausgegriffen (3 Seemeilen, 12 Seemeilen, 200 Seemeilen). Im übrigen gilt für das M. das -> Völkerrecht.
Lit.: [Grotius, H.,] Mare liberum, 1609; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994
Megelle (Buch der Weisheit) ist das von 1869 bis 1876 in 16 Bänden herausgegebene und 1877 in Kraft gesetzte Zivilgesetzbuch des Osmanischen Reichs auf der Grundlage des islamischen Rechts (Saria). Die M. gilt in der Türkei bis 1926, in Albanien bis 1928, im Libanon bis 1932, in Syrien bis 1949, im Irak bis 1953 und auf Zypern bis in die 60er Jahre des 20. Jh.s. Ihr wichtigster Redaktor ist der Richter und Justizminister Ahmad Gawdat Pasa (1822-1895).
Lit.: Dilger, K., Tendenzen zur Rechtsentwicklung, in: Ende, W./Steinbach, U., Der Islam, 2. A. 1989, 170
Megenberg, Konrad von (1309 - Regensburg 14. 4. 1374), Ministerialensohn (Mäbenberg?), wird nach der Schule in Erfurt und dem Studium der freien Künste in Paris Domherr in Regensburg. 1354 veröffentlicht er die Karl IV. gewidmete Schrift (lat.) De translatione imperii Romani (Von der Übertragung des Römischen Reichs), in welcher er die Auffassung vertritt, dass der Papst die Wahl des deutschen Königs billigen müsse.
Lit.: Ibach, H., Leben und Schriften des Konrad von Megenberg, 1938
Mehrer des Reiches (Lüs. von lat. [M.] Augustus) ist seit dem 14. Jh. ein Titel des Kaisers des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation).
Lit.: Bucklisch, M., „Augustus“, Diss. phil. Münster 1957; Wolfram, H., Intitulatio II, 1973, 174
Mehrheit (Majorität) ist der größere von zwei (oder mehr) Teilen einer Personengesamtheit. Der Grundsatz, dass eine M. von Stimmen einer von mehreren unterschiedlichen Meinungen zum Sieg verhilft, ist bereits in den Versammlungen in den Stadtstaaten Griechenlands und in Rom anerkannt. Die christliche Kirche übernimmt die auch in den -> Digesten Justinians vertretene Vorstellung (D. 50. 1. 19, 50. 17. 160. 1) zunächst nicht, sondern strebt die Einstimmigkeit an. Seit dem 4. Jh. zieht sie die M. in der Form der größeren Qualität vor (lat. sanior pars [F.]). Im 12. Jh. anerkennt sie den Grundsatz der M. Im deutschen, zunächst der Einstimmigkeit zuneigenden Recht ist der Grundsatz der M. bei der Königswahl seit der Mitte des 13. Jh.s bedeutsam und setzt sich 1338 durch. Im Reichstag gilt dies nur von Fall zu Fall.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 109; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 1021; Gierke, O. v., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2 1873, Neudruck 1954; Starosolskyj, W., Das Majoritätsprinzip, 1916; Elsener, F., Zur Geschichte des Majoritätsprinzips, ZRG KA 73 (1956), 73, 560; Schlaich, K., Maioritas, ZRG KA 94 (1977), 264; Mehrheitsprinzip, Konsens und Verfassung, hg. v. Hattenhauer, H. u. a., 1986
Mehrheitswahlrecht ist dasjenige Wahlrecht, bei dem die Mehrheit der Stimmen (eines Wahlkreises) entscheidet und die für andere Bewerber abgegebenen Stimmen personell nicht berücksichtigt werden (z. B. England).
Lit.: Köbler, DRG 257; Scheuner, U., Das Mehrheitsprinzip, 1973
Meier (zu lat. maior [M.] der Größere) ist in der frühmittelalterlichen -> Grundherrschaft der Verwalter des Grundherrn (lat. villicus [M.]). Seit dem Hochmittelalter (12./13. Jh.) strebt er nach Selbständigkeit. Daraufhin vergibt der Grundherr (vor allem in Nordwestdeutschland) die Grundherrschaft(sverwaltung) nur noch auf Zeit gegen festen Zins (Meierrecht).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2: Wittich, W., Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland, 1896; Dopsch, A., Herrschaft und Bauer, 2 A. 1964; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Rösener, W., Grundherrschaft im Wandel, 1991
Meiergericht ist ein Gericht einer Grundherrschaft unter dem Vorsitz des -> Meiers. Das M. begegnet seit dem Hochmittelalter. In der Neuzeit wird es vom Landesherrn zurückgedrängt und endet im 19. Jh.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Stutz, U., Höngger Meiergerichtsurteile, 1912; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 2 1962, 343; Heikaus, H., Hofgerichte und Hofrecht, 1970
Meierhof -> Meier, Hof
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Meierordnung ist ein partikulares Gesetz des 18. Jh.s über das -> Meierrecht (z. B. Paderborn 1765, Calenberg 1772, Entwurf Lüneburg 1799ff., Osnabrückische Eigentumsordnung 1722).
Meierrecht ist ein gewohnheitsrechtlich entstandenes bäuerliches Besitzrecht in Nordwestdeutschland (Niedersachen, Westfalen). Es ist ein (tatsächlich erbliches,) dingliches Recht zur Bewirtschaftung eines fremden Gutes gegen Abgaben (Meierzins) und zwar eine Form der Pacht. -> Abmeiern
Lit.: Gesenius, C., Das Meyerrecht, Bd. 1f. 1801ff.; Pfeiffer, W., Das deutsche Meierrecht, 1848; Niemeyer, F., Das Meierrecht in der Grafschaft Hoya, 1862; Turner, G., Das Calenberger Meierrecht, 1960; Illemann, H., Bäuerliche Besitzrechte im Bistum Hildesheim, 1969
Meiji-Verfassung (1889) -> Japan
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Meineid ist das vorsätzliche falsche Schwören des Täters vor Gericht oder einer anderen zur Abnahme von Eiden zuständigen Stelle. Im römischen Recht wird, von bestimmten Sonderfällen (z. B. lat. -> falsum [N.], stellionatus [M.] oder -> crimen [N.] laesae maiestatis) abgesehen, der M. nicht rechtlich verfolgt. Ob die Germanen eine Strafe für M. kennen, ist zweifelhaft. Im Frühmittelalter folgt dem falschen Schwören überwiegend eine -> Buße oder das -> Wergeld. Die (lat.) Lex (F.) Saxonum sieht für den M. in der Kirche den Tod vor. In Kapitularien wird Handverlust angedroht. Dem folgt der Sachsenspiegel (1221-4). Die Constitutio Criminalis Carolina (1532) schreibt für den M. vor Gericht den Verlust der beiden Schwurfinger vor. In der zweiten Hälfte des 18. Jh.s werden christliche Aspekte zurückgedrängt und danach durch den Schutz der Allgemeinheit ersetzt. Das 19. Jh. schränkt den M. auf den gerichtlichen Falscheid ein.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Hirzel, R., Der Eid, 1902, Neudruck
1966; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 9;
Scheyhing, R., Eide, Amtsgewalt und Bannleihe, 1960; Vormbaum, T., Eid, Meineid
und Falschaussage, 1990; Ries, G., Zur Strafbarkeit
des Meineids, Fs D. Medicus, 1999, 457
Meinung (Ansicht) -> herrschende Meinung
Meinungsfreiheit ist die Freiheit jedes Menschen, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Sie wird von der Aufklärung des 18. Jh.s (-> Kant) gefordert und im 19. Jh. als -> Grundrecht durchgesetzt.
Lit.: Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 2. A. 1995, 280; Meinungsfreiheit, hg. v. Schwartländer, J. u. a., 1986
Meißener Rechtsbuch ist ein zwischen 1357 und 1387 von einem unbekannten Verfasser (in Zwickau?) für Städte sächsischen und Magdeburger Rechts in der Markgrafschaft Meißen (mit Osterland, Pleißnerland und Vogtland), Sachsen, Thüringen, Westfalen, Brandenburg, Polen und Böhmen geschaffenes, in 76 vollständigen und 21 teilweise erhaltenen Handschriften überliefertes Rechtsbuch (eyn buch dez rechten in wichbilde in sechsisszer art), welches in der Literatur auch als Rechtsbuch nach Distinktionen, Schlesisches Landrecht oder Vermehrter Sachsenspiegel benannt wird. Es gliedert sich in 5 bis 8 Bücher, Kapitel und Distinktionen. Erfasst sind Privatrecht, Gerichtsverfassung, Strafrecht, Stadtverfassung, Stadtrecht und Reichsrecht. Quellen sind -> Sachsenspiegel Landrecht, Magdeburger Weichbildrecht, Goslarer Stadtrecht und Zwickauer Rechtsbuch.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 104; Ortloff, F., Das Rechtsbuch nach Distinktionen, 1836; Ullrich, G., Zu den Quellen des Meißener Rechtsbuches, Deutschrechtl. Archiv 1 (1940), 87; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 55
Meister (zu lat. [M.] magister) ist allgemein der Könner und Lehrer, im besonderen derjenige, welcher die Meisterprüfung in einem -> Handwerk bestanden hat.
Lit.: Gilden und Zünfte, hg. v. Schwineköper, B., 1985
Melanchthon (Schwarzerd), Philipp (Bretten 16. 2. 1497 - Wittenberg 19. 4. 1560) wird 1518 Professor für Griechisch in Wittenberg und entwickelt sich zu einem führenden lutherischen Humanisten. Er steht zwischen naturrechtlichen Vorstellungen des Mittelalters und dem Vernunftrecht der frühen Neuzeit und betont die relativ gute Verwirklichung natürlicher Rechtssätze im römischen Recht. Bei M. ist die -> lotharische Legende belegt.
Lit.: Mayer, H., Die Strafrechtstheorie bei Luther und Melanchthon, FG J. Binder, 1930, 77; Bauer, C., Melanchthons Naturrechtslehre, 1951; Kisch, G., Melanchthons Rechts- und Soziallehre, 1967
Melderecht ist die Gesamtheit der die Anmeldung eines Menschen an einem Ort bei der staatlichen Verwaltung betreffenden Rechtssätze (z. B. Preußen 1842).
Melfi in Süditalien ist ein bevorzugter Ort der Staufer, in welchem 1231 Kaiser Friedrich II. die -> Konstitutionen von M. verkündet.
Lit.: Kamp, N., Kirche und Monarchie, 1975
melior (lat. [M.]) der Bessere
Meliorat (N.) aus den (lat.) meliores (M.Pl.) gebildete Bevölkerungsgruppe
Lit.: Planitz, H., Zur Geschichte des städtischen Meliorats, ZRG GA 67 (1950), 141
Melo Freire dos Reis, Pasco al José de (1738-1798) wird nach dem Rechtsstudium in Coimbra (1757) Lehrer des Rechts (seit 1772 des vaterländischen Rechts [portug.] direito pátrio). Er verfasst das erste System des portugiesischen Rechts (lat. Historia [F.] iuris civilis lusitani, Geschichte des portugiesischen bürgerlichen Rechts, 1788, Institutiones [F.Pl.] iuris civilis lusitani tam publici quam privati, Einrichtungen des portugiesischen öffentlichen und privaten Rechts, 1789, Institutiones iuris criminalis lusitani, Einrichtungen des portugiesischen Strafrechts, 1789). 1805 werden seine wichtigsten Schriften Pflichtgegenstand der selbständigen portugiesischen Rechtsausbildung.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,1,713, 3,2,2466
Menger (von Wolfensgrün), Anton (Maniow 12. 9. 1841 - Rom 6. 2. 1906) wird nach dem Rechtsstudium in Krakau (1858) und in Wien (1860) Advokat und 1875 außerordentlicher Professor, 1877 ordentlicher Professor für Zivilprozessrecht in Wien. Bekannt wird er durch seine Kritik am ersten Entwurf des deutschen -> Bürgerlichen Gesetzbuches (Das bürgerliche Recht und die besitzlosen Volksklassen, 1889/90). Eine gewisse tatsächliche Wirkung des bedeutenden Kathedersozialisten (Juristensozialisten) erfolgt über Franz -> Klein auf das österreichische Zivilprozessrecht.
Lit.: Köbler, DRG 183; Kästner, K., Anton Menger, 1974; Hörner, H., Anton Menger, 1977; Männer um die österreichische Zivilprozessordnung 1895, 1990, 11
Menhir (M.) Dolmen, vorgeschichtliche Steinsäule
Menocchio, Jacopo (1532-1607), Steuerpächterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Pavia (Alciat) Professor in Pavia (1556), Mondovi (1561), Padua (1566) und Pavia (1589). Er verfasst zahlreiche privatrechtliche Traktate.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1 1977, 326
Menschenraub ist eine Straftat, bei der sich der Täter eines Menschen durch List, Drohung oder Gewalt bemächtigt. Bereits die römische (lat.) lex (F.) Fabia de plagiariis (nach 88 v. Chr.) stellt den M. (lat. [N.] plagium) unter Strafe (Geldstrafe, später Todesstrafe). Die frühmittelalterlichen -> Volksrechte sehen (mehrfaches) Wergeld für M. an einem Freien vor. Der -> Sachsenspiegel (1221-4) setzt den M. dem Totschlag gleich. Das deutsche Reichsstrafgesetzbuch (1871) droht (für bestimmte Fälle) Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr an.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961, 780; Nehlsen, M., Sklavenrecht, 1972, 263
Menschenrecht ist ein dem Menschen als solches (gegenüber dem Staat) zustehendes angeborenes, unveräußerliches, unantastbares Recht. Als Vorläufer allgemeiner, dem Zugriff des Staates entzogener -> Grundrechte sehen nach dem Altertum (Stoiker, Cicero) schon im Mittelalter einzelne naturrechtliche Theoretiker (Thomas von Aquin 1225-1274) Leben, Freiheit und Eigentum. 1776 werden fundamentale Rechte in die amerikanische, von George Mason entworfene -> Virginia Bill of Rights aufgenommen. Davon beeinflusst werden in Frankreich allgemeine Menschenrechte (Freiheit, Gleichheit, Weltbürgertum) proklamiert (26. 8. 1789). Von den Vereinten Nationen wird (10. 12. 1948) eine (noch) nicht verbindliche (Deklaration) Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, von den Mitgliedstaaten des Europarates am 4. 11. 1950 eine nach Ratifizierung durch 10 Staaten am 3. 9. 1953 in Kraft getretene Europäische Konvention der Menschenrechte beschlossen.
Lit.: Köbler, DRG 191, 246, 255; Jellinek,
G., Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, 4. A. 1927; Hartung,
F./Commichau, G., Murphy, R., Die Entwicklung der Menschen- und Bürgerrechte, 6. A. 1998; Zur Geschichte der Erklärung der Menschenrechte, hg. v.
Schnur, R., 2. A. 1974; Die Menschenrechte, hg. v. Heidelmeyer, W., 3. A. 1982;
Thomann, M., Rechtsphilosophie und rechtsgeschichtliche Etappen der Idee der
Menschenrechte, FS H. Thieme, 1983; Oestreich, G., Geschichte der
Menschenrechte, 2. A. 1978; Begründung der Menschenrechte, hg. v.
Müller-Schmid, P., 1986; Frowein, J., Der europäische Menschenrechtsschutz,
JuS 1986, 845; Menschen-
und Bürgerrechte, hg. v. Klug, U., 1988;
Hofmann, H., Zur Herkunft der Menschenrechtserklärungen, JuS 1988, 841;
Birtsch, G./Trauth, M./Meenken, I., Grundfreiheiten – Menschenrechte, Bd. 1ff
1991ff.; International
Human Rights, hg. v. Ermacora, F. u. a., 1993; Böhme, H., Politische Rechte des
Einzelnen in der Naturrechtslehre, 1993; Brieskorn,
N., Menschenrechte, 1996; Schmale, W., Archäologie der Grund- und
Menschenrechte, 1997; Die Menschenrechte in Deustchland, hg. v. Hutter, F. u.
a., 1997; Die Menschenrechte, hg. v. Heidelmeyer, W., 4. A. 1997; Müller, S.,
Gibt es Menschenrechte bei Samule Pufendorf? 2000; Human rights and legal
hisoty, hg. v. O’Donovan, K. u. a. 2000; Lamprecht, O.,
Das Streben nach Demokratie, Volkssouveränität und Menschenrechten in
Deutschland am Ende des 18. Jahrhunderts, 2001; Lim, M., Der Begriff der
Autonomie und des Menschenrechts bei Kant, 2002; Brade, L., Die Aberkennung der
Mensachenrechte In Deutschland zwischen 1933 – 1945, 2001
Menschenrechtler ist, wer sich für die
Menschenrechte anderer uneigennützig einsetzt, Menschenrechtstümler, wer die
Menschenrechte nur als Mittel oder Vorwand für die Verfolgung eigennütziger
Ziele verwendet. Beides ist seit Anerkennung der Menschenrechte möglich.
Menschenwürde ist der innere und zugleich soziale Wert- und Achtungsanspruch, der dem Menschen um seinetwillen zukommt. Die M. schließt unmenschliche Behandlung eines Menschen aus. Sie wird seit dem 18. Jh. als Wert gefordert. -> Menschenrecht
Lit.:
Rechtsstaat und Menschenwürde, 1988; Geddert-Steinacker, T., Menschenwürde,
1990; Dietz, G., Menschenwürde bei Homer,
2000
Mentalität (F.) Geisteshaltung
Lit.: Europäische Mentalitätsgeschichte, hg. v.
Dinzelbacher, P., 1993; Lepenies, W., Von der
Geschichte zur Politik der Mentalität, HZ 261 (1995), 672; Wetz, F., Die Würde
des Menschen, 1998
Mentalreservation (lat. reservatio [F.] mentalis) ist der geheime Vorbehalt. Die M. ist dem Altertum unbekannt. Sie wird im kirchlichen Eherecht des Mittelalters entwickelt (X 4, 1, 26) und geht von dort in das weltliche Recht über.
Lit.: Kaser § 8, III; Holzhauer, H., Dogmatik und Rechtsgeschichte der Mentalreservation, FS R. Gmür, 1983, 119
mercatum (lat. [ N.]) Markt
Lit.:
Köbler, DRG 77; Köbler, LAW
merces (lat. [F.]) Entgelt
Lit.: Kaser § 42 II 1; Köbler, DRG 46
mercennarius (lat. [M.]) Lohnarbeiter
Lit.: Köbler, DRG 57
Merkantilismus ist das wirtschaftspolitische System des 17.-18. Jh.s, in dem der Staat zur Füllung der Staatskasse erstmals aktive Wirtschaftspolitik treibt und dadurch die gewerbliche Tätigkeit fördert (England 1621ff.). Um seinen Reichtum und seine Macht zu stärken, strebt der Staat einen Handelsbilanzüberschuß an. Zu diesem Zweck werden ausländische Fertigwaren mit hohen Einfuhrzöllen abgewehrt und die eigene Ausfuhr von Waren, für deren Herstellung der Staat teilweise Geld, Gebäude oder Baumaterial zur Verfügung stellt, möglichst durch Subventionen unterstützt. Führend ist Frankreich unter dem Finanzminister Colbert (1619-1683 [1661-72]). Der M. wird am Ende des 18. Jh.s vom -> Liberalismus abgelöst.
Lit.:
Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 133, 134; Mannert, L., Die öffentliche
Förderung der gewerblichen Produktionsmethoden, 1930; Bog, I., Der
Reichsmerkantilismus, 1959; Treue, W., Wirtschaft, Gesellschaft und Technik in
Deutschland, 2. A. 1976; Städtewesen und Merkantilismus, hg. v. Press, V.,
1982; Gömmel,
R./Klump, R., Merkantilisten und Physiokraten, 1994; Gömmel, R., Die
Entwicklung der Wirtschaft im Zeitalter des Merkantilismus, 1998; Wallerstein,
I., Das moderne Weltsystem II, 1998; Merkantilismus und Globalisierung, hg. v.
Reinermann, H. u. a., 2000
Merkel, Paul Johannes (Nürnberg 01. 8. 1819 - Halle 1861), Bürgermeisterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in München und Erlangen 1851 außerordentlicher Professor in Königsberg und 1852 ordentlicher Professor in Halle. Er gibt einige Volksrechte heraus.
Lit.: Anschütz, A., Zur Erinnerung an Johannes Merkel, ZRG 3 (1864), 193
Merowinger ist der Angehörige einer von einem sagenhaften Vorfahren Mera bzw. von einem Stammvater Merowech hergeleiteten, fränkischen Königsdynastie. Merowechs Enkel Chlodwig eint seit 482 die -> Franken. Die Nachfahren teilen vielfach auf. 751 wird der merowingische König vom -> Hausmeier mit Einverständnis des Papstes entmachtet (-> Karolinger).
Lit.: Kroeschell, DRG; Köbler, DRG 76; Diplomata regum Francorum e
stirpe Merowingica, hg. v. Pertz, K., 1872, Neudruck 1981; Sprandel, R., Der
merovingische Adel, 1957; Bergengrün, A., Adel und Grundherrschaft im
Merowingerreich, 1958; Krüger, H., Das Merowingerreich als Herrschaftsordnung,
Diss. jur. Köln 1964;
Fournier, G., Les Merovingiens, 1966; Schneider, R., Königswahl und
Königserhebung, 1972; Köbler, G., Wörterverzeichnis zu den Diplomata regum
Francorum e stirpe Merowingica, 1983; Hartung, W., Süddeutschland in der
Merowingerzeit, 1983; Ewig, E., Die Merowinger und das Frankenreich, 1988, 4.
A. 2001; Kaiser, R., Das römische Erbe und das Merowingerreich, 1993; Weitzel,
J., Strafe und Strafverfahren in der Merowingerzeit, ZRG GA 111 (1994), 66; Wood, I., Merovingian
Kingdoms, 1994; Karl Martell, hg. v. Jarnut, J. u. a., 1994; Esders, S.,
Römische Rechtstradition und merowingisches Königtum, 1997; Kölzer, T.,
Merowingerstudien, Bd. 1f. 1998f.; Scheibelreiter, G.,
Die barbarische Gesellschaft, 1999;
Fouracre, P., The Age of Charles Martel, 2000; Die Urkunden der Merowinger, hg.
v. Kölzer, T., 2001; Geary, P., Die Merowinger, 2003; Hartmann, M., Aufbruch
ins Mittelalter, 2003
Messe ist der katholische Gottesdienst und davon ausgehend seit dem Mittelalter (Paris, St. Denis 10. Jh.), vor allem seit dem 11./12. Jh., der daran anschließende Markt. Im Spätmittelalter entwickelt sich hieraus ein System von Messen (z. B. Champagne, Brügge, Genf, Frankfurt, Leipzig).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 98; Bassermann, E., Die Champagnermessen,
1911; Die Leipziger Messen und ihre Organisation, hg. v. Leipziger Messamt,
1929; Döring, R., Handbuch der Messen und Ausstellungen, 1956; Planitz, H., Die
deutsche Stadt im Mittelalter, 5. A.1980; Europäische Messen, hg. v. Johanek, P. u.
a., 1996; Rothmann, M., Die Frankfurter Messen im Mittelalter, 1998
Messina in Nordostsizilien geht auf eine vorgriechische Siedlung zurück. Nach 490 wird sein Name Zankle nach den neusiedelnden Messiniern umgeändert. Über Römer, Ostgoten, Oströmer und Sarazenen (843-1061) gelangt M. an die Normannen. 1548 erhält es eine Universität. 1908 wird es zu 90% zerstört.
Lit.: Pispisa, E., Messina, 1980
Methode ist das planmäßige Verfahren zur Erreichung eines bestimmten Zieles. Die M. der -> Rechtswissenschaft besteht im Auslegen von Texten und Erklärungen und im Zuordnen von Sachverhalten zu Tatbeständen. Dabei entwickelt sich auf Grund zuordnender Maßstäbe der mittelalterlichen Rechtswissenschaft zunächst eine Einteilung in authentische Interpretation der Gesetzgebung, usuale Interpretation der Rechtsprechung und doktrinale Interpretation der Rechtslehre. In der Neuzeit wird das Gesetz zur beherrschenden Rechtsquelle und bedient sich die Rechtsprechung zunehmend wissenschaftlicher Vorgangsweisen. Die doktrinale Auslegung wird in deklaratorische, extensive und restriktive Interpretation unterteilt. -> Thomasius und -> Buchner unterscheiden zwischen grammatischer Interpretation und logischer Interpretation, -> Savigny und -> Thibaut zwischen philologischer, historischer, systematischer und teleologischer Auslegung. Die -> Rechtsgeschichte will als geschichtliche Wissenschaft vergangene rechtliche Umstände ermitteln, verstehen und erklären.
Lit.: Köbler, DRG 2, 3; Meister, A., Grundzüge der historischen Methode, 3. A. 1923; Mitteis, H., Vom Lebenswert der Rechtsgeschichte, 1948; Wilhelm, W., Zur juristischen Methodenlehre im 19. Jahrhundert, 1958; Betti, E., Die Hermeneutik als allgemeine Methode der Geisteswissenschaften, 1962; Janssen, A., Otto von Gierkes Methode, 1974; Wesel, U., Zur Methode der Rechtsgeschichte, Kritische Justiz 1974, 337; Coing, H., Aufgaben des Rechtshistorikers, 1976; Fikentscher, W., Methoden des Rechts, Bd. 1ff. 1975ff.; Rechtsgeschichte und quantitative Geschichte, 1977; Wieacker, F., Zur Methodik der Rechtsgeschichte, FS F. Schwind, 1978, 356; Öhler, H., Quantitative Methoden für Historiker, 1980; Landau, P., Bemerkungen zur Methode der Rechtsgeschichte, ZNR 1980, 117; Herberger, M., Dogmatik, 1981; Otte, G., Leibniz und die juristische Methode, ZNR 1983, 1; Raisch, P., Juristische Methoden, 1995; Fälle und Fallen in der neueren Methodik, hg. v. Rückert, J., 1997; Entwicklung der Methodenlehre, hg. v. Schröder, R., 1998; Schott, C., Juristischer Methodenlehre zwischen Humanismus und Naturrecht, ZNR 21 (1999), 3
Methodenlehre -> Methode
Metternich, Klemens Wenzel (Koblenz 15. 5. 1773 - Wien 11. 6. 1859) wird nach dem Studium der Rechtswissenschaft, Staatswissenschaft und Geschichte Gesandter 1797 der westfälischen Grafenbank und 1801 des Kaisers sowie 1809 österreichischer Außenminister. 1814 fördert er die Schonung Frankreichs im Interesse des europäischen Gleichgewichts. Im -> Deutschen Bund unterdrückt er die freiheitlichen und nationalen Strömungen durch strenge Polizeimaßnahmen. Am 13. 3. 1848 muss er zurücktreten.
Lit.: Köbler, DRG 170; Srbik, H. v., Metternich, Bd. 1ff. 1925ff.; Palmer, A., Der Staatsmann Europas, 1980; Seward, D., Metternich, 1993; Sternburg, W. v., Als Metternich die Zeit anhalten wollte, 2003
metus (lat. [M.]) ist im römischen Recht die Furcht bzw. Drohung. Ein unter Furcht zustande gekommenes Geschäft ist nach römischem Bürgerrecht gültig, doch gewährt das prätorische Recht eine (lat.) -> in integrum restitutio (F.), mit der die eingetretenen Wirkungen wieder beseitigt werden sollen, eine Strafklage (lat. actio [F.] quod metus causa) auf den vierfachen bzw. einfachen Schadensbetrag und eine Einrede (lat. exceptio [F.] metus). Das nachklassische Recht formt die (lat.) in integrum restitutio in eine Art Anfechtung durch eine Klage auf Schadloshaltung. Justinian lässt die (lat.) in integrum restitutio in der (lat.) actio quod metus causa aufgehen.
Lit.: Kaser § 8 IV; Köbler, DRG 42, 49
Metz an der Mosel wird auf keltisch-römischer Grundlage im 6. Jh. Hauptstadt eines fränkischen Reichsteils (Arnulf von Metz). 870 kommt es über Lotharingien (Lothringen) zu Ostfranken, 1552/1648 zu Frankreich. Im 13. Jh. entwickelt die zwischen 1180 und 1210 zur Rechtsstadt aufgestiegene Stadt mit Bannrollen eine Art -> Grundbuch.
Lit.: Kroeschell,
DRG 2; Köbler, Historisches Lexikon; Le droit coutumier de la ville de Metz,
hg. v. Schneider, J., 1951; Hocquard, G. u. a., Metz 1961; Histoire de Metz,
1986; Pundt,
M., Metz und Trier, 1998
meum esse (lat.) ist im altrömischen Recht die Gewalt eines Menschen über Sachen. Das m. e. gestattet die Verfügung über die Sache. Es kann seinerseits vor allem auf Erbfolge, Aneignung, Manzipation oder (lat.) -> in iure cessio (F.) und -> Ersitzung (oder auch formloser Übergabe) beruhen. Im klassischen römischen Recht entsteht aus dem m. e. das -> Eigentum.
Lit.: Köbler, DRG 24, 25, 40; Kaser, M., Eigentum und Besitz im älteren römischen Recht, 2. A. 1956
Meurer, Noe (Memmingen 1525/8 - Heidelberg 1583), Stadtschreiberssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen und Siena Advokat, Rat und (1557-63) Reichskammergerichtsassessor. 1566 behandelt er in seinen „Practica von der kaiserlichen Kammergerichtsordnung und Prozess“ als erster den Prozess vor dem -> Reichskammergericht systematisch.
Lit.: Hausrath, H., Zur Lebensgeschichte Dr. Noe Meurers, ZGO N.F. 21 (1906), 690
Meuterei ist die Vereinigung mehrerer Menschen zu Ungehorsam oder Empörung gegenüber Vorgesetzten. Sie wird in Rom mit der Todesstrafe bestraft. Danach tritt sie in der frühen Neuzeit wieder auf. Im 19 Jh. wird sie tatbestandlich schärfer erfasst.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Rüping, H., Grundriß der Strafrechtsgeschichte, 3. A. 1998
Mevius, David (Greifswald 6. 12. 1609 - 14. 8. 1670), Professorensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Greifswald 1634 Professor in Greifswald, 1637 Syndikus in Stralsund und 1653 Vizepräsident des schwedischen Obertribunals in Wismar. Einen Plan einer Zusammenfassung aller naturrechtlichen Regeln führt er nicht aus. Sein Entwurf eines mecklenburgischen Landrechts wird nicht Gesetz. 1642 kommentiert er das lübische Recht (lat. Commentarius [M.] in ius Lubicense). 1664ff. veröffentlicht er die Urteile seines Gerichts seit 1653. In beiden Fällen verbindet er rechtspraktische Erfahrung und wissenschaftliche Systematik in ansprechender Weise.
Lit.:
Köbler, DRG 144, 146, 215; Molitor, E., Der Entwurf eines mecklenburgischen
Landrechts von David Mevius, ZRG GA 61 (1941), 208; Döhring, E., Geschichte der
deutschen Rechtspflege, 1953, 423; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der
Neuzeit, 2. A. 1967, 218; Holthöfer, E., David
Mevius, in: Biographisches Lexikon für Mecklenburg, 1999, 173
Miete ist ein gegenseitiger Vertrag, in dem sich der eine Teil (Vermieter) verpflichtet, dem anderen Teil (Mieter) den Gebrauch der vermieteten -> Sache (Sachteil, Sachgesamtheit) während der Mietzeit zu gewähren, und der Mieter sich verpflichtet, den vereinbarten Mietzins zu bezahlen. Die M. ist im klassischen römischen Recht ein Konsensualkontrakt (lat. locatio [F.] conductio rei). Sie findet sich danach unter Ablösung älterer Leiheverhältnisse wieder in der mittelalterlichen Stadt, in welcher bald bis zu 40% der Wohnungen zur M. gegeben werden. Dem Mieter wird eine -> Gewere an der Mietsache zuerkannt. Der Verkauf der Mietsache beendet die Miete nicht. Nach kirchlichem Recht kann auch ein höheres Mietangebot den Mieter nicht aus der Wohnung verdrängen. Seit dem 16. Jh. dringt das römische Recht vor. Im 19. Jh. führt die starke Bevölkerungszunahme zusammen mit der Landflucht zu Mietskasernen und Notlagen der Mieter, die sich seit 1914 verstärken. Aus sozialen Gründen schützt der Staat den Mieter (Kündigungsschutz, Mietpreisbindung, z. B. Mieterschutzverordnung vom 26. 7. 1917). Dieser Schutz wird während des gesamten 20. Jh.s verdichtet, wenn auch Wohnraumbewirtschaftungsmaßnahmen nach Kriegszeiten wieder aufgegeben werden.
Lit.: Kaser
§§ 38 II 1d, IV 3, 42 I, II; Söllner § 9; Hübner 582; Köbler, DRG 45, 127, 166,
227, 240, 270; Köbler, WAS; Heyne, M., Das deutsche Wohnungswesen, 1899;
Schulin, P., Zur Geschichte der mittelalterlichen Miete, ZRG GA 41 (1920), 127;
Ebel, M./Lilienthal, A., Mieterschutz und Mieteinigungsämter, 4. A. 1930;
Biller, W., Das Mietrecht der Reichsstadt Regensburg, Diss. jur. Erlangen 1952;
Jüttner, B., Zur
Geschichte des Grundsatzes „Kauf bricht nicht Miete“, Diss. jur. Münster 1960;
Kaufmann, H., Die altrömische Miete, 1964; Genius, K., Der Bestandsschutz, 1972; Trenk-Hinterberger,
P., Internationales Wohnungsmietrecht, 1977, 35; Wolter, U., Mietrechtlicher
Bestandsschutz, 1984; Freiheit
und Zwang bei der Wohnraummiete, 1996; Teigelack, L., Die Garantiehaltung des
Vermieters, Diss. jur. Gießen, 1996; Hügemann, E., Die Geschichte des
öffentlichen und privaten Mietpreisrechts, 1997; Calonge, A./Wacke, A., Die
Kündigungsgründe für die Wohnungsmiete, ZEuP 1997, 1010; Hinkelmann, B., Die
ortsübliche Miete, 1999; Schubert, W., Vom preußischen Mietrecht zum Mietrecht
des BGB, Gedächtnisschrift für Jürgen Sonnenschein 2002
Mieterschutz -> Miete
Lit.:
Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 240; Petersen, J., Die Vorgeschichte und die
Entstehung des Mieterschutzgesetzes von 1923, 1991; Lutz, H., Der
Mieterschutz der Nachkriegszeit, 1998
Mietrecht -> Miete
Lit.: Ruth, R., Das Mietrecht der Wohn- und Geschäftsräume, 1926; Wolter, U., Mietrechtlicher Bestandsschutz, 1984; Schubert, W., Die Diskussion über die Schaffung eines sozialen Dauermietrechts, ZRG 106 (1989), 143
Mietverhältnis ist die -> Miete zwischen Vermieter und Mieter.
Lit.: Genius, K., Der Bestandsschutz des Mietverhältnisses, 1972
Mietvertrag -> Miete
Milano -> Mailand
miles (lat. [M.]) Krieger, Ritter
Lit.: Köbler, LAW; Bumke, J., Studien zum Ritterbegriff, 2. A. 1976
Militär (N.) Heerwesen, -> Heer, Krieg
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 1; The Oxford Companion to Military History, hg. v. Holmes, R., 2001; Frevert, U., Die kasernierte Nation, 2001; Broucek, P./Peball, K., Geschichte der österreichischen Militärhistoriographie, 2000
Militärgrenze (confin) ist im österreichischen Recht die mit Siedlungsunternehmen seit 1522 begründete (Sicherung der) Grenzzone zwischen Österreich-Ungarn und den Türken von der Adria bis Siebenbürgen. In dem umfänglich wechselnden Gebiet gilt teilweise besonderes Recht. 1881 wird als letztes selbständiges Grenzgebiet die kroatisch-slawonische M. aufgehoben.
Lit.: Baltl/Kocher; Amstadt, J., Die k.k. Militärgrenzen 1522-1881, Diss. phil. Würzburg 1969; Malfér, S., Die Abschaffung der Prügelstrafe, ZGR GA 102 (1985), 206
Militärkonvention ist der zwischen 1867 und 1886 zwischen Preußen und anderen Staaten bzw. Ländern des Norddeutschen Bundes bzw. des Deutschen Reiches geschlossene Vertrag über Militärangelegenheiten, durch welchen die Herrschaftsgewalt über Heereskontingente auf Preußen bzw. den Kaiser und damit das Reich übergeht.
Lit.: Huber, E., Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1 1963, 992
Militärregierung ist die -> Regierung durch Streitkräfte.
Militärseelsorge ist die seit dem Spätmittelalter verstärkt organisierte kirchliche Betreuung der Angehörigen der Streitkräfte.
Lit.: Bleese, J., Die Militärseelsorge, Diss. jur. Hamburg 1969; Rudolf, H., Das evangelische Militärkirchwesen in Preußen, 1973
Militärstrafrecht ist das im Spätmittelalter durch Vertrag zwischen Kriegsherrn und Söldnerführern geschaffene, in der frühen Neuzeit durch Kriegsartikel des Landesherrn festgelegte Strafrecht für Angehörige der Streitkräfte. Im 19. Jh. wird es liberalisiert, humanisiert und in besonderen Militärstrafgesetzen konkretisiert (Bayern 1813, Württemberg 1818, Sachsen 1838, Oldenburg 1841, Preußen 1845, Österreich 1855, Oldenburg 1861, Sachsen 1867, Bayern 1869, Deutsches Reich 1872). Dem entspricht in der Bundesrepublik Deutschland das Wehrstrafgesetz (1957).
Lit.: His,
R., Strafrecht des Mittelalters, Bd. 2 1935; Schmidt, E., Militärstrafrecht,
1936; Conrad, H., Geschichte der deutschen Wehrverfassung, 1939; Schölz,
J./Lingens, E., Wehrstrafgesetz, 3. A. 1988; Walmrath, L., Iustitia et disciplina,
1998; Stecke, J., Die DDR-Militärjustiz, NJW 1998, 2570; Walmrath, L., Iustitia
et disciplina, 1998
Militärstrafverfahren ist das in Militärstrafangelegenheiten angewandte, seit dem 17. Jh. allgemeiner geregelte Strafverfahren (Württemberg 1692, Preußen 1712, Österreich 1697, 1723, Bayern 1748, Sachsen 1758, 1789). Im 19. Jh. wird teilweise das -> Inquisitionsverfahren fortgeführt (Preußen 1845), teils das mündliche öffentliche Anklageverfahren (Bayern 1869). Die Militärstrafgerichtsordnung des Reiches von 1898 verbindet beides.
Lit.: Mark, H. v., Der Militärprozess in
Deutschland, Bd. 1f. 1893; Schweling, O., Die deutsche Militärjustiz, hg. v.
Schwinge, E., 2. A. 1978; Anker, J., Die Militärstrafgerichtsordnung, 1995;
Schubert, W., Zur Entstehung der Militärstrafgerichtsordnung von 1898, ZRG GA
113 (1996), 1;
Wüllner, F., Die NS-Militärjustiz, 2. A. 1997
Militärverwaltung ist die von Streitkräften (als Leitungsorganen) durchgeführte -> Verwaltung.
millenarius (lat. [M.]) Tausendschaftsführer bei Vandalen, Ostgoten und Westgoten, in der Herkunft und Bedeutung streitig
Lit.: Rietschel, S., Die germanische Tausendschaft, ZRG GA 27 (1906), 234; Claude, D., Millenarius und thiuphadus, ZRG GA 88 (1971), 181
Minderheit ist eine im Verhältnis zu einer -> Mehrheit geringere Zahl (von Menschen). Seit dem Mittelalter wird ansatzweise vereinzelt die Frage des Schutzes der M. gesehen. Verrechtlicht wird dies nur ganz allmählich. Seit dem 20. Jh. werden die Bemühungen um völkerrechtlichen Schutz von Minderheiten verstärkt, ohne dass befriedigende Lösungen gelingen. Das Recht der M. darf von der Mehrheit nicht in seinem Wesenskern bedroht werden.
Lit.: Jellinek, G., Das Recht der
Minoritäten, 1898; Wintgens, H., Der völkerrechtliche Schutz der nationalen,
sprachlichen und religiösen Minderheiten, 1930; Ziegler, K.,
Völkerrechtsgeschichte, 1994; Nationale,
ethnische Minderheiten und regionale Identitäten, 1994; Handbuch der
mitteleuropäischen Sprachminderheiten, hg. v. Hinderling, R./Eichinger, L.,
1996; Nationale Minderheiten, hg. v. Hahn, H. u. a., 1999
Minderjährigkeit ist der Zeitraum von der Geburt eines Menschen bis zur Vollendung des für die -> Volljährigkeit erforderlichen (18., 19., 21., 24. oder 25.) Lebensjahres. Dem Minderjährigen fehlt die unbeschränkte -> Geschäftsfähigkeit. Soweit er nicht selbst wirksam handeln darf, handelt für ihn der gesetzliche Vertreter. Die M. ersetzt im Laufe der Aufnahme des römischen Rechts die -> Mündigkeit weitgehend.
Lit.: Kaser § 14 II 3, 64 II; Hübner; Kroeschell, DRG 1
Minderung ist die Herabsetzung eines an sich vereinbarten Kaufpreises auf einen wirklich geschuldeten Kaufpreis einer mangelhaften Sache. Sie stammt aus dem klassischen römischen Recht. Hier verheißen die kurulischen Ädile als Marktaufseher beim Kauf von Sklaven und später auch Zugtieren dem Käufer bei gewissen Mängeln innerhalb kurzer Fristen neben der (lat.) -> actio (F.) redhibitoria (Wandelungsklaganspruch) die Rückgewährung des Kaufpreises in Höhe der durch den Mangel begründeten Wertverringerung der Sache bei deren Behalten im übrigen (lat. -> actio [F.] quanti minoris, Minderungsklaganspruch). Dies wird in der frühen Neuzeit aufgenommen.
Lit.: Kaser
§ 41 VI 2, 4; Söllner § 9; Hübner; Köbler, DRG 46, 165, 215; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
minima non curat praetor (lat.). Das Gericht kümmert sich nicht um Kleinigkeiten.
Lit.:
Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A.
1991, 120, Nr. 47 (Cicero 106-43 v. Chr., vgl. Digesten 4, 1, 4)
Minister ist der Leiter einer obersten Behörde einer Verwaltung. Er entwickelt sich in der frühen Neuzeit aus dem älteren Diener eines Herrn. Zuerst in England und Frankreich sind im 17. Jh. M. des Königs als Amtsträger des Herrschers an herausgehobener Stelle verwaltend-ausführend tätig. Im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) wird M. im 18. Jh. für den das oberste Regierungsgeschäft erledigenden Staatsbeamten gebräuchlich. Sein Tätigkeitsbereich ist das -> Ministerium. Der M. ist weisungsgebunden. Im 19. Jh. erlangt er demgegenüber Selbständigkeit und Verantwortlichkeit (Gegenzeichnung Preußen 1808, Belgien 1831, Preußen 1850). 1930 begründet das Reichsministergesetz für den M. im Deutschen Reich ein besonderes öffentlich-rechtliches Amtsverhältnis außerhalb der Beamtenschaft, das nach Beseitigung im Jahre 1937 im Jahre 1953 wiederhergestellt wird.
Lit.:
Köbler, DRG 151, 193, 197, 230, 232, 248, 257; Neudecker, M., Geschichte des
geheimen Rats und Ministeriums in Bayern, 1921; Frank, M., Das
Justizministerium der DDR, Diss. jur. Regensburg 1988; Schröder, J., 40 Jahre
Rechtspolitik, 1989; Das Bundesministerium des Inneren, hg. v. Pracht, H., 1993; Truhart, P., Internationales Verzeichnis der Außenminister
(1589 . 1989), Bd. 1f. 1989
Ministeranklage ist die gegen einen -> Minister gerichtete Anklage auf Amtsenthebung wegen fehlerhafter Tätigkeit. Sie entwickelt sich in England seit dem 12. Jh. aus einer ursprünglich strafrechtlichen Klage wegen eines Verbrechens. 1791 wird die M. in Polen und Frankreich übernommen, 1814 in Nassau. Das deutsche Grundgesetz kennt die M. im Gegensatz zu Landesverfassungen nicht.
Lit.: Constant de Rebecque, B., De la responsabilité des ministres, 1815; Kröger, K., Die Ministeranklage, 1972; Popp, P., Ministerverantwortlichkeit und Ministeranklage, 1996
Ministerialbürokratie (F.) in Ministerien beschäftigte Verwaltungsbedienstete
Lit.: Teppe, K., Die NSDAP und die Ministerialbürokratie, Der Staat 15 (1976), 367
Ministeriale (lat. ministerialis [M.]) ist im Mittelalter der Diener eines Herrn. Er gehört zu den Unfreien, steigt aber im Herrendienst in den niederen Adel (Ritter) auf (Dienstmann). Ein besonderer Stand bildet sich seit der Wende vom 10. zum 11. Jh., zuerst erkennbar im Zusammenhang mit der Reichskirche. Seit dem 11. Jh. entwickelt sich für den Ministerialen das besondere Dienstrecht (Limburg 1035, Bamberg 1057). Später treten Freie in die Ministerialität ein. Seit dem 13. Jh. übernehmen die Ministerialen die wichtigsten Ämter des Landesherrn.
Lit.:
Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 79, 113, 120; Bosl, K., Die
Reichsministerialen, Bd. 1f. 1950f., Neudruck 1968f.; Herrschaft und Stand, hg.
v. Fleckenstein, J., 2. A. 1979; Zotz, T., Die Formierung
der Ministerialen, in: Die Salier und das Reich, Bd. 3 1991, 3; Witzel, W., Die fuldischen Ministerialen, 1998; Derschka, H.,
Die Ministerialen des Hochstifts Konstanz, 1999
Ministerialität ist der Stand und die Gesamtheit der Ministerialen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Kluckhohn, O., Die Ministerialität in Südostdeutschland, 1910, Neudruck 1970; Schieckel, H., Herrschaftsbereich und Ministerialität der Markgrafen von Meißen, 1956; Jacobi, F., Ministerialität und „ius ministerialium“, FS Schmidt-Wiegand, R., 1986, 263
Ministerium ist die oberste Behörde der Verwaltung. Im 18. Jh. ist das M. vielfach regional begrenzt. Im 19. Jh. ist darunter die für ein bestimmtes Sachgebiet (z. B. Auswärtige Angelegenheiten, Justiz, Finanz, Verteidigung, innere Angelegenheiten) zuständige, von einem Minister geleitete, bürokratisch organisierte Behörde oder die Gesamtheit der Minister bzw. Ministerien (z. B. Preußen 1808) oder das Amt des -> Ministers zu verstehen.
Lit.: Köbler, DRG 151, 197; Baltl/Kocher; Knischewsky, P., Das preußische Gesamtministerium, 1902; Neudegger, M., Geschichte des Geheimen Rats und Ministeriums in Bayern, 1921; Frauendienst, W., Das preußische Staatsministerium, Z. f. d. ges. Staatswiss. 116 (1960), 114
Ministerrat ist der aus Ministern gebildete Rat als Regierungskollegium.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Baltl/Kocher; Protokolle des österreichischen Ministerrates 1848-1867, 1970ff.; Protokolle des Ministerrates der ersten Republik, hg. v. Neck, R. u. a., 1980ff.; Das geltende Recht (der DDR), hg. v. Sekretariat des Ministerrates, 1989
Ministerverantwortlichkeit ist die Verantwortung eines -> Ministers für seinen Aufgabenbereich. Sie entwickelt sich seit dem 12. Jh. in England und wird 1791 in Polen und Frankreich übernommen (-> Ministeranklage), seit 1814 in den deutschen Staaten. Danach gilt die M. als notwendiger Ausgleich der Unverantwortlichkeit des Monarchen, wenn auch tatsächliche Folgerungen selten bleiben.
Lit.: Mohl, R. v., Die Verantwortlichkeit der Minister, 1837; Rassow, R., Das Wesen der Ministerverantwortlichkeit, Z. f. d. ges. Staatswiss. 59 (1903), 159; Hoffmann, P., Monarchisches Prinzip und Ministerverantwortlichkeit, 1911; Schnabel, F., Geschichte der Ministerverantwortlichkeit in Baden, 1922; Weckerle, F., Geschichte der Ministerverantwortlichkeit in Bayern, 1930; Greve, F., Die Ministerverantwortlichkeit, 1977; Popp, P., Ministerverantwortlichkeit und Ministeranklage, 1996
minne und recht ist eine mittelalterliche, häufig im Schiedsverfahren begegnende Paarformel unbekannter Herkunft für die gütliche oder entscheidungsweise Erledigung einer Streitigkeit.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Gaisser, E., Minne und Recht, Diss. jur. Tübingen 1955 (masch.schr.); Hattenhauer, H., Minne und recht, ZRG GA 80 (1963), 325; Krause, H., Consilio et iudicio, FS J. Spörl, 1965, 416
Minorat (N.) Jüngstenrecht
Minorit ist ein Angehöriger eines 1517 von den Franziskanern (Franz von Assissi +1226) abgetrennten Ordens. Die Minoriten erteilen bereits im Hochmittelalter Rechtsunterricht an den Ordensschulen, von dem -> Deutschenspiegel und -> Schwabenspiegel beeinflusst sein dürften.
Lit.: Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechts in Deutschland, 1962, 116
Miquel, Johannes (Neuenhaus 19. 2. 1828 - Frankfurt am Main 8. 9. 1901), Arztssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg und Göttingen und der Hinwendung zu demokratisch-sozialistischen Strömungen 1854 Rechtsanwalt und 1857 Kommunalbeamter. Im Reichstag des Deutschen Reichs setzt er sich für die nationalliberale Rechtsvereinheitlichung ein (Lex Miquel-Lasker 1873, Reichsjustizgesetze 1877/9). 1890 wird er Finanzminister Preußens.
Lit.:
Köbler, DRG 183; Mommsen, W., Johannes Miquel, 1928; Herzfeld, H., Johannes von
Miquel, Bd. 1f. 1938; Pausch, A., Johannes von Miquel,1964; Kassner, T., Der Steuerreformer Johannes von Miquel, 2001
Mischna (hebr.), Lehre, Wiederholung, ist
die aus 63 Traktaten in 6 Ordnungen gebildete Sammlung (gewohnheitsrechtlich
erweiterte Wiederholung der alten Gesetze) des jüdischen Lehrstoffes der
ersten zwei nachchristlichen Jahrhunderte, die um 200 n. Chr. abgeschlossen
wird. Sie wird bis 500 n. Chr. durch Glossen erklärt (Gemara).
Lit.: Wesel, U.,
Geschichte des Rechts, 1997
Mischne Tora ist eine klare hebräische Zusammenfassung des jüdischen Rechts durch -> Moses -> Maimonides am Ende des 12. Jh.s in Ägypten.
Lit.: The Code of Maimonides, 1949ff.; Mischne Tora hu ha-Yad ha-chazaqa, hg. v. Rabbinowitz, M. u. a., 6. A. 1985
miserabilis (lat.) beklagenswert (wie z. B. Waise, Witwe, Kranker, Pilger, Armer)
misericordia (lat. [F.]) Barmherzigkeit
Lit.: Rennefahrt, H., Grausamkeit und Mitleid im Rechtsleben des Mittelalters, 1949; Rohls, J., Geschichte der Ethik, 1991
Missetat (F.) Delikt, Unrechtstat, Straftat
Lit.: Munske, E., Der germanische Rechtswortschatz, 1973
Missheirat ist die Ehe zwischen Angehörigen verschiedener Stände, wie sie sich bis in das 19. Jh. (Preußen 1869) bzw. 20. Jh. (1919, Preußen 1920) findet. Sie zieht teils rechtliche, teils nur gesellschaftliche Folgen nach sich.
Lit.: Pütter, J., Über Missheiraten teutscher Fürsten, 1796; Abt, E., Missheiraten, 1911; Hoyer, E., Die Ehen minderen Rechts, 1926
missio (F.) canonica (lat.) ist im kirchlichen Recht die vom Papst oder Bischof übertragene Erlaubnis zur Verkündung des Wortes Gottes bzw. im älteren Recht die Übertragung von Rechtsprechungsbefugnissen an Geistliche.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983
missio (F.) in bona (lat.) ist die im klassischen römischen Recht entwickelte Einweisung der siegreichen Partei eines Rechtsstreits in die Güter des Gegners, nach welcher es meist zum öffentlichen Aufgebot und zum Verkauf aller Güter zugunsten aller Gläubiger an einen einzigen Erwerber (Generalexekution) kommt. Ihr entspricht vielleicht im Frühmittelalter eine gleichartige -> Fronung. Seit dem Spätmittelalter wird die m. i. b. im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) aufgenommen.
Lit.: Kaser § 82 II 4e, 85 II 2b, 86 III, 87 I 10; Söllner § 8; Köbler, DRG 33
Missive (N.) Sendschreiben
Misstrauensvotum ist im 20. Jh. das Aussprechen des Misstrauens durch die Parlamentsmehrheit gegenüber dem Regierungsführer in Form einer Abstimmungsniederlage.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh
missus (M.) dominicus (lat.) -> Königsbote
Lit.: Krause, V., Geschichte der Institution der missi dominici, MÖIG 11 (1890); Werner, K., Missus, marchio, comes, in: Histoire comparée de l’administration, 1980, 191
Mitbestimmung ist im 20. Jh. die Teilhabe der Arbeitnehmer an Willensbildungsvorgängen (der Arbeitgeber) in der Wirtschaft. Im Bereich der Montanindustrie bringt das deutsche Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaues und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie vom 21. 5. 1951 eine paritätische Mitbestimmung im Aufsichtsrat (5 Arbeitgebervertreter, 5 Arbeitnehmervertreter, ein gemeinsam bestimmtes weiteres Mitglied). Das Mitbestimmungsgesetz vom 4. 5. 1976 führt in der Bundesrepublik Deutschland für Unternehmen in der Rechtsform einer juristischen Person mit mehr als 2000 Arbeitnehmern die paritätische Besetzung des Aufsichtsrates durch Anteilseigner einerseits und Arbeiter, Angestellte und besondere leitende Angestellte andererseits ein.
Lit.:
Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 273; Teuteberg, H., Geschichte der
industriellen Mitbestimmung, 1961; Mayer, B., Die Vertrauensmännerausschüsse,
1996;
Mitbestimmung und Betriebsverfassung, hg. v. Pohl, H., 1996; Rob, W.,
Mitbestimmung im Staatsdienst, 1999
Miteigentum ist das Eigentum mehrerer Personen an einer Sache. Es ist im altrömischen Recht zunächst wohl bei der Erbengemeinschaft in der Form vorhanden, dass keine selbständigen Anteile an der Sache bestehen. Erst danach entsteht das M. nach Bruchteilen. Es setzt sich durch. Im deutschen Recht ist M. anfangs vermutlich in einer -> Gesamthand gebunden. Seit dem Spätmittelalter wird die römischrechtliche Gestaltung aufgenommen. Die Gesamthand wird erst im Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) und auch dort nur in Sonderbereichen wieder belebt.
Lit.: Kaser § 23 IV; Hübner; Köbler, DRG 40, 61; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Miterbe ist das Mitglied einer Erbengemeinschaft.
Lit.: Kaser § 73 I 1, 75 I 8; Hübner; Köbler, DRG 122
Mitgift (lat. dos [F.]) ist ein Vermögen, das einem Ehegatten von einem Dritten in die Ehe mitgegeben wird. Die M. wird meist einer vorweggenommenen Erbschaft gleichgestellt. Vielfach erfolgt die Leistung an einen Ehegatten (oder an eine aufnehmende Einrichtung wie z. B. an ein Kloster). Im 20. Jh. wird die M. meist durch eine Ausbildung ersetzt.
Lit.: Kaser §§ 38 III 4, 59 II, 73 IV 1b; Söllner §§ 5, 8, 9, 12, 15, 18, 24; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 22, 37, 58; Neubecker, F., Die Mitgift, 1909; Brauneder, W., Die Entwicklung des Ehegüterrechts in Österreich, 1973
mithio (lat.-afrk.) Erwiderung, Antwort, Verantwortung
Lit.: Brunner, H., Abhandlungen zur Rechtsgeschichte, Bd. 1 1931, 209
Mitsukuri, Rinsho (1846-1897) wird nach dem Studium des Chinesischen, Holländischen und Englischen mit der Übersetzung der französischen Gesetzbücher beauftragt. Hierbei bewältigt er die Aufgabe der Bildung japanischer Rechtswörter für westliche Rechtseinrichtungen.
Lit.: Yamanaka, E., Mitsukuri Rinsho, in: Nihon no hôgakusha, hg. v. Ushiomi, T. u. a., 1975, 1
Mittäterschaft ist die gemeinsame Täterschaft.
Lit.: Kaser § 50 II 2; Winter, B., Die Entwicklung der Mittäterschaft, 1981
Mitteis, Heinrich (Prag 26. 11. 1889 - München 23. 7. 1952), Rechtsprofessorensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig, Berlin (Brunner, Gierke) und Leipzig (Binding, Otto Mayer, Sohm) 1920 Professor in Köln, 1924 in Heidelberg, 1934 in München, 1935 in Wien, 1938 in Rostock, 1946 in Berlin, 1948 in München und 1952 in Zürich. In der mittelalterlichen Verfassungsgeschichte verbindet er Politisches eindrucksvoll mit Juristischem. Seine beiden rechtsgeschichtlichen Grundrisse bestimmen die zweite Hälfte des 20. Jh.s.
Lit.: Mitteis, H., Der Staat des hohen Mittelalters, 11. A. 1987; Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsche Rechtsgeschichte, 19. A. 1992; Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981; Brun, G., Leben und Werk des Rechtshistorikers Heinrich Mitteis, 1991; Landau, P. u. a., Heinrich Mitteis nach hundert Jahren, 1991
Mittelalter ist der zwischen Altertum und Neuzeit befindliche zeitliche Abschnitt der (europäischen) Geschichte (ca. 476-1492).
Lit.: Das
Mittelalter als Epoche, hg. v. Lückerath, C. u. a., 1995; The New Cambridge
Medieval History, hg. v. McKitterick, R., Bd. 1ff. 1995ff.; Boockmann, H.,
Einführung in die Geschichte des Mittelalters, 6. A. 1996; Goetz, H., Leben im Mittelalter,
7. A. 2002; Mittelalter und Moderne, hg. v. Segl, P., 1997; Heimann, H.,
Einführung in die Geschichte des Mittelalters, 1997; Fuhrmann, H., Einladung
ins Mittelalter, 5. A. 1997; Knefelkamp, U., Das Mittelalter, 1999; Das
europäische Mittelalter im Spannungsbogen des Vergleichs, hg. v. Borgolte, M.,
2001; Endemann, T., Geschichte des Konstanzer
Arbeitskreises für mittelalterliche Geschichte, 2001; Leben im Mittelalter, hg.
v. Leier, M. u. a., 2001; Schubert, E., Alltag im Mittelalter, 2002; Fuhrmann, H., Überall ist Mittelalter, 3. A. 1998; Knefelkamp, U., Das
Mittelalter, 2002; Dinzelbacher, P., Europa im Hochmittelalter, 2003
mittelbarer Besitz -> Besitz
mittelhochdeutsch ist die zwischen 1050 und 1350 bzw. 1500 als der mittleren deutschen Sprachperiode im südlichen (hochgelegenen) Deutschland gesprochene Sprache (z. B. -> Schwabenspiegel).
Lit.: Köbler, DRG 10; Köbler, WAS; Lexer, M., Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch, 35. A. 1979; Hennig, B., Kleines mittelhochdeutsches Wörterbuch, 3. A. 1998; Weddige, H., Mittelhochdeutsch, 5. A. 2003; Mittelhochdeutsche Wörterbücher im Verbund, hg. v. Burch, T. u. a., 2001 (CD-ROM)
mittellateinisch ist die zwischen dem 6. und 15. Jh.
verwendete Form des Lateinischen.
Lit.: Köbler, LAW;
Langosch, K., Lateinisches Mittelalter, 5. A. 1988
mittelniederdeutsch ist die zwischen dem 12. und 16. Jh. als der mittleren deutschen Sprachperiode im nördlichen (niedergelegenen) Deutschland gesprochene Sprache (z. B. -> Sachsenspiegel).
Lit.: Köbler, DRG 10; Schiller, K./Lübben, A., Mittelniederdeutsches Wörterbuch, Bd. 1ff. 1875ff.
Mittermaier, Carl Joseph Anton (München 5. 8. 1787 - Heidelberg 28. 8. 1867) wird nach dem Rechtsstudium in Landshut, München und Heidelberg (Thibaut, Heise) 1807 Sekretär -> Feuerbachs, 1811 ordentlicher Professor in Landshut, 1819 in Bonn und 1821 in Heidelberg. Er setzt sich unter Verwendung der Rechtsvergleichung erfolgreich für ein modernes liberales Strafverfahrensrecht ein (Anklagegrundsatz, Staatsanwaltschaft, freie Beweiswürdigung). Er führt das Strafrechtslehrbuch Feuerbachs fort und schult Binding.
Lit.: Köbler, DRG 205; Stegemeier, L., Die Bedeutung Karl Joseph Anton Mittermaiers, Diss. jur. Göttingen 1945/8; Carl Joseph Anton Mittermaier, hg. v. Küper, W., 1988; Malsack, B., Die Stellung der Verteidigung, 1992; Briefe von Mitgliedern der badischen Gesetzgebungskommission an Karl Josef Anton Mittermaier, hg. v. Mussgnug, D., 2002;: Bibliographie Karl Josef Anton Mittermaier, bearb. v. Nuzzo, L., 2003
Mitverschulden ist die Außerachtlassung derjenigen Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten durch den Beschädigten, welche ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt. Bei konkurrierendem Verschulden entfällt im gemeinen Recht seit dem Spätmittelalter die Ersatzpflicht völlig (-> Kulpakompensation), während es nach dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) auf das Maß der jeweiligen Verursachung ankommt.
Lit.: Köbler, DRG 214; Aumann, Das mitwirkende Verschulden, 1964; Luig, K., Überwiegendes Mitverschulden, Ius commune 2 (1969), 187
Mobiliarsachenrecht (Recht der beweglichen Sachen)
Modena wird auf römischer Grundlage Grafensitz und seit dem 12. Jh. Stadtkommune, 1452 unter der Herrschaft der Este Herzogtum. Um 1180 lehrt in M. -> Pillius, im 13. Jh. andere bekannte Juristen. 1682 erhält es eine Universität. 1859 fällt es von Österreich-Este an Italien.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Fried, J., Die Entstehung des Juristenstandes, 1974; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,178, 3,1,291, 3,2,2362, 3,3,3230; Mor, C./Di Pietro, P., Storia dell’università di Modena, 1975; Storia illustrata, hg. v. Golinelli, P. u. a., 1990; Rölker, R., Adel und Kommune in Modena, 1994; Faber, H., Modena – Austria, 1996; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Modestin (Modestinus), Herennius (1. H. 3. Jh.), Schüler des Ulpianus, ist der letzte spätklassische römische Jurist. Ihm misst das Zitiergesetz von 426 besondere Bedeutung zu. Zu seinen Werken zählen 10 Bücher (lat. [F.Pl.]) Regulae, Regeln, 12 Bücher (lat. [F.Pl.]) Pandectae, Pandekten, 9 Bücher (lat. [F.Pl.]) Differentiae, Unterschiede, 19 Bücher Gutachten (lat. [N.Pl.] responsa) sowie verschiedene kleinere Abhandlungen.
Lit.:
Söllner §§ 16, 19; Köbler, DRG 30, 52; Schulz, F., Geschichte der römischen
Rechtswissenschaft, 1961; Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der
römischen Juristen, 2. A. 1967, 259
modius (lat. [M.]) Scheffel
modus (lat. [M.]) Maß, Weise (z. B. modus acquirendi, Erwerbsart wie [lat.] -> traditio).
Lit.: Kaser § 20; Köbler, DRG 163; Hofmann, F., Die Lehre vom titulus und modus acquirendi, 1873
Mohammed (Abul Kasim Muhammad Ibn Abd Allah, Mekka um 569 - Medina 8. 6. 632) ist der aus führender Familie (Haschimiden) stammende Stifter des -> Islam (20. 9. 622 Hedschra von Mekka nach Medina), der seine Offenbarungserlebnisse im ® Koran niederschreibt.
Lit.: Köbler, DRG 76; Watt, W., Muhammad at Medina, 1956; Lüling, G., Die Wiederentdeckung des Propheten Mohammed, 1981; Mohammed in Europa, hg. v. Gabrieli, F., 1997; Bobzin, H., Mohammed, 2000; Lings, M., Muhammad, 2000; Hotz, S., Mohammed und seine Lehre in der Darstellung abendländischer Autoren vom späten 11. bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts, 2002
Mohl, Robert von (Stuttgart 17. 8. 1799 - Berlin 5. 11. 1875), Konsistorialpräsidentensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen und Heidelberg (Thibaut, Zachariae) 1824 außerordentlicher Professor für Staatsrecht in Tübingen, 1827 ordentlicher Professor in der staatswirtschaftlichen Fakultät, 1847 Professor in Heidelberg. Seine von klarer Systematisierung, Einbeziehung der Rechtswirklichkeit und rechtsstaatlichem Grundverständnis geprägten Hauptwerke sind das Staatsrecht des Königreichs Württemberg (1829ff.) und die Polizeiwissenschaft nach den Grundsätzen des Rechtsstaates (1832ff.), in denen Verfassungsrecht und Verwaltungsrecht trotz Trennung aufeinander bezogen werden. 1846 verlangt er die Regierungsbildung durch die Mehrheit der Volksvertretung.
Lit.:
Köbler, DRG 193; Angermann, E., Richard von Mohl 1799 - 1875, 1962; Stolleis,
M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 2 1992, 172; Schroeder, K., Robert
von Mohl, NJW 1998, 1518
Moldawien (Moldau) ist ein schon mittelalterliches
osteuropäisches Fürstentum längs des Flusses Pruth, das 1359 von Ungarn
unabhängig wird, 1504 die Osmanen (Türkei) als Schutzherren anerkennen muss und
1862 zusammen mit der Walachei -> Rumänien bildet.
Lit.:
Völkl, E., Das rumänische Fürstentum Moldawien, 1975; Spinel, V., Moldavia,
1986;
Galizien, Bukowina, Moldau, hg. v. Glassl, H., 1994; Röskau-Rydel, I.,
Galizien, Bukowina, Moldau, 1999
Molina, Luis de (1535 - 1600) wird nach kurzem Studium des Rechts in Salamanca und dem Studium der Logik, Philosophie und Theologie Theologe und Naturrechtler in Evora, Coimbra, Lissabon, Madrid, Cuenca und Madrid. Sein juristisches Hauptwerk (De iustitia et de iure, 1593ff., Von Gerechtigkeit und Recht) stellt das (orts- und zeitverschiedene) Naturrecht (göttliche Recht) und das (das [lat.] ius gentium einschließende) positive Recht (römisches, kirchliches, katholisches Recht) dar.
Lit.: Weber, W., Wirtschaftsethik am Vorabend des Liberalismus, 1959, 69; Krause, O., Naturrechtler des 16. Jahrhunderts, 1982, 48
Molinaeus -> Du Moulin
Mommsen, Theodor (Garding 30. 11. 1817 - Charlottenburg 1. 11. 1903) wird nach dem Rechtsstudium in Kiel (Falck, Kierulff) 1843 Lehrer, 1848 - 1850 außerordentlicher Professor des römischen Rechts, 1852 Professor in Zürich, 1854 Breslau und 1861 Professor für alte Geschichte in Berlin. Sein berühmtestes Werk ist die Römische Geschichte (Bd. 1ff. 1854ff.). In der Rechtswissenschaft hat er sich durch das Römische Staatsrecht (Bd. 1ff. 1871, Neudruck 1955, 1963), das Römische Strafrecht (1899, Neudruck 1955, 1961) und eine grundlegende Neuausgabe der Digesten und anderer Quellen (Codex Theodosianus usw.) herausragende Verdienste erworben.
Lit.:
Söllner §§ 3, 22, 25; Köbler, DRG 193; Hartmann, L., Theodor Mommsen, 1908;
Heuß, T., Theodor Mommsen und das 19. Jahrhundert, 1956, Neudruck 1996; Wucher,
A., Theodor Mommsen, 2. A. 1968;
Theodor Mommsen, Römische Kaisergeschichte, hg. v. Demandt, B. u. a., 1992;
Behne, F., Heinrich Siber und das römische Staatsrecht von Theodor Mommsen,
Diss. jur. Göttingen 1998; Rebenich, S., Theodor Mommsen, 2002
mompar (mhd.) Vormund
Mömpelgard (Montbéliard) ist eine reichsunmittelbare Grafschaft des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation), die im 18. Jh. von Frankreich annektiert wird.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kläui, P., Hochmittelalterliche Adelsherrschaft im Zürichgau, 1960
Monarchie ist die Staatsform, bei der ein einzelner Mensch als Träger der Staatsgewalt an der Spitze des Staates steht. Sie ist bereits bei Aristoteles neben Aristokratie und Demokratie als eine Staatsform bezeugt. Seit dem Hochmittelalter kann die M. ständisch beschränkt werden. Seit 1688 entwickelt sich in England die konstitutionelle Monarchie. Ihr folgt am Ende des 19. Jh.s die parlamentarische M. (England 1834/5, Deutscher Bund theoretisch ab 1840, Dänemark 1907, Deutsches Reich 28. 10. 1918). Am Ende des Ersten Weltkrieges werden verschiedene europäische Monarchien in Republiken verwandelt.
Lit.:
Baltl/Kocher; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 133; Martitz, F. v.,
Die Monarchie als Staatsform, 1903; Löwenstein, K., Die Monarchie im modernen
Staat, 1952; Benedikt, H., Die Monarchie des Hauses Österreich, 1968; Aretin,
K. Frhr. v., Bayerns Weg zum souveränen Staat, 1976; Giesey, R., Le roi ne
meurt jamais, 1987; Dreitzel, H., Monarchiebegriffe in der Fürstengesellschaft,
1991;
European Monarchy, hg. v. Duchhardt, H. u. a., 1992; Wienfort, M., Monarchie in
der bürgerlichen Gesellschaft, 1993; Kirsch, K., Monarch und Parlament im 19.
Jahrhundert, 1999
monarchisches Prinzip ist das den Monarchen als alleinigen Träger der Staatsgewalt betrachtende Prinzip, welches von der Wiener Schlussakte des Deutschen Bundes 1820 zum Verfassungsgrundsatz erhoben wird. Es entsteht um 1800 als Schlagwort. In einer Rezension in den Göttinger gelehrten Anzeigen vom 21. 9. 1837 entzieht Wilhelm Albrecht, indem er den Monarchen als Organ der juristischen Person Staat einordnet, dem monarchischen Prinzip erstmals die Legitimationsgrundlage. Seit 1848 wird das monarchische Prinzip zurückgedrängt.
Lit.:
Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 192; Kaufmann, E., Studien zur Staatslehre des
monarchischen Prinzips, 1906; Hoffmann, P., Monarchisches Prinzip und
Ministerverantwortlichkeit, 1911; Meisner, H., Die Lehre vom monarchischen
Prinzip, 1913; Die Entstehung des modernen Staates, hg. v. Hofmann, H., 1967,
115; Frotscher, W., Monarchisches Prinzip kontra
liberale Verfassungspositionen, JuS 2000, 943
Monarchomache (M.) Königsbekämpfer (2. H. 16. Jh.)
Lit.: Stricker, G., Das politische Denken der Monarchomachen, Diss. phil. Heidelberg 1967
Mönch ist der Angehörige einer religiösen Gemeinschaft. Das Mönchtum innerhalb des Christentums erscheint schon im Altertum. Es verbreitet sich rasch in Ägypten, Palästina und Syrien und dringt seit etwa 370 n. Chr. auch im Westen ein. Der erste bedeutsame Orden sind die Benediktiner Benedikts von Nursia.
Lit.:
Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Prinz, F., Frühes Mönchtum
im Frankenreich, 2. A. 1988; Semmler, J., Mönche und Kanoniker im Frankenreich,
1980; Penco,
G., Medioevo monastico, 1988; Monks, Nuns, and Friars, hg. v. King, E. u. a.,
1990; Frank, K., Geschichte des christlichen Mönchtums, 5. A. 1993; Mönchtum,
Orden, Klöster, hg. v. Schwaiger, G., 3. A. 1998; Mönchtum, Kirche,
Herrschaft 750 - 1000, 1998
Mongole ist der Angehörige eines zunächst am
oberen Amur nomadisierenden, unter Dschingis Khan (1155-1227) weit nach Westen
(Rußland 1223, Schlacht bei Liegnitz 1241) und Süden (China 1211ff.)
ausgreifenden Volkes, dessen Großreich 1260 (u. a. Niederlage in Palästina)
zerfällt.
Lit.: Die Mongolen in
Asien und Europa, hg. v. Conermann, S./Kusber, J., 1997
Monopol ist die Marktform, bei welcher Angebot oder Nachfrage in einer Person vereinigt sind. Das M. wird in der frühen Neuzeit zum Rechtsproblem, mit welchem sich die Gesetzgebung des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) befasst. Der Liberalismus wendet sich gegen das M.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 150; Höffner, J., Wirtschaftsethik und Monopole, 2. A. 1969; Mertens, B., Im Kampf gegen die Monopole, 1996
Montanunion ist die 1951/2 von Deutschland, Frankreich, Italien, den Niederlanden, Belgien und Luxemburg begründete Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl, in der eine besondere Form der -> Mitbestimmung gilt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Gillingham, J., Coal, Steel and the Rebirth of Europe, 1991; Schweitzer, M./Hummer, W., Europarecht, 5. A. 1996
Montenegro (Name seit dem 16. Jh. gebräuchlich) ist ein unzugängliches Gebirgsland östlich der mittleren Adria, das seit dem 13./14. Jh. als Einheit erscheint, bis es 1528 an die Osmanen (Türkei) fällt. Hier wird es unter einem Metropoliten verhältnismäßig selbständig. 1798 erhält es ein Staatsgesetz. 1852 wird es weltliches Fürstentum. 1878 wird M. unabhängig, 1910 Königreich. 1918 schließt es sich Jugoslawien an.
Lit.:
Istorija Crne Gore, Bd. 1f. 1967ff.; Petit, C., The Code and
the goats, ZNR 1998, 212 Allgemeines Vermögensgesetzbuch von Montenegro 1888
Montesquieu, Charles de Secondat Baron de la Brède et de (La Brède 18. 1. 1689 - Paris 10. 2. 1755) wird nach dem Rechtsstudium in Bordeaux 1714 Rat und 1726 Parlamentspräsident. Seit 1721 kritisiert er in den anonymen Persischen Briefen (Lettres persanes) die politischen und gesellschaftlichen Zustände Frankreichs. 1748 entwickelt er in seinem anonym veröffentlichten Hauptwerk De l’esprit des lois (Vom Geist der Gesetze) zum Schutz der persönlichen Freiheit des einzelnen gegen ein Gewaltmonopol auf Grund des englischen Vorbildes die Lehre von der Dreiteilung der Staatsgewalt (-> Gewaltenteilung) in Ausführung (Exekutive), Gesetzgebung (Legislative) und Rechtsprechung (Judikative). Das an die Zustimmung des Volkes gebundene und damit Willkür ausschließende Gesetz soll der Gerechtigkeit entsprechen, vom gesamten jeweiligen Volk verstanden werden, für alle einheitlich sein und den gesamten Stoff umfassen (Kodifikation). Weil Religion, Sitten und Geschichte des jeweiligen Volkes sowie Lage und Klima des besonderen Landes zu beachten seien, lehnt M. ein absolutes, überall in gleicher Weise geltendes -> Naturrecht ab.
Lit.:
Köbler, DRG 139, 146, 190, 199; Shackleton, R., Montesquieu, 1961; Montesquieu,
C., Vom Geist der Gesetze, hg. v. Forsthoff, E., 2. A. 1992; Desgraves, L.,
Montesquieu, 1986; Herdmann, F., Montesquieurezeption in Deutschland, 1990;
Goyard-Fabre, S., Montesquieu, 1993; Kondylis, P., Montesquieu und der Geist
der Gesetze, 1996; Desgraves, L., Montesquieu, 1996; Mass, E., Der Einfluss Montesquieus, in: Wandel von Recht und
Rechtsbewusstsein, 1999, 107; Cattaneo, M., Montesquieus Strafrechtsliberalismus,
2002
Montgelas, Maximilian Joseph Freiherr von (München 12. 5. 1759 - 14. 6. 1838), Generalssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Straßburg Hofrat in München, 1799 Außenminister in Bayern. Er gestaltet eine moderne, einheitliche und zentralisierte Verwaltung nach dem Vorbild Frankreichs in Bayern. In der Konstitution von 1808 beseitigt er die ständischen Vorrechte.
Lit.: Weis, E., Montgelas, 1971
Montpellier in Südfrankreich ist seit etwa 1170 Ort rechtlicher Lehrvranstaltungen (-> Placentinus), seit dem 13. Jh. Sitz einer Universität, später dreier Universitäten.
Lit.: Köbler, DRG 100; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der
Neuzeit, 2. A. 1967; Gouron, A., La science
du droit dans le midi, 1984; Histoire de Montpellier, hg. v.
Cholvy, G., 1984; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Monumenta (N.Pl.) Germaniae Historica (lat.) (1819 von Freiherr Karl vom Stein ins Leben gerufene Veröffentlichungsreihe der bedeutendsten älteren) deutsche(n) Geschichtsquellen
Lit.: Köbler, DRG 6; Grundmann, H., Monumenta Germaniae Historica, 1969
Monzambano, Severinus de (Pseudonym -> Pufendorfs 1667)
Moorleiche ist die im Moor aufgefundene Leiche. Sie kommt als rechtsgeschichtliche Erkenntnisquelle in Betracht (-> Sittlichkeitsverbrechen).
Lit.: Dieck, A., Die europäische Moorleichenfunde, 1965
mora (lat. [F.]) Verzug
Lit.: Kaser §§ 37 III 1, 51 I 4; Köbler, DRG 44
Moral (F.) Gesamtheit der Sitten
Lit.:
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 863; Rohls, J., Geschichte der Ethik,
1991; Baurmann,
M., Der Markt der Tugend, 1996
Morastein ist der südöstlich von Uppsala gelegene Ort (Steinring) der Erhebung der mittelalterlichen Könige in Schweden.
Lit.: Holmgren, G., Gamla Uppsala och Mora äng, 1937; Hoffmann, E., Königserhebung und Thronfolgeordnung, 1976
Moratorium (N.) Zahlungsaufschub
Lit.: Kaser § 53; Oberndorff, L. Graf v., Das vom Landesherrn oder von Staatswegen erteilte Moratorium, Diss. jur. Greifswald 1905; Eberle, H., Die Begründung des Moratoriums, Diss. jur. Jena 1937
Mord ist die Tat des Mörders. Der M. ist ein Fall qualifizierter Tötung eines anderen Menschen. Im Frühmittelalter und vermutlich auch in germanischer Zeit ist M. die beispielsweise durch Zudecken verheimlichte Tötung. Seit dem Spätmittelalter ist M. die vorbedachte, in bestimmter Weise besonders qualifizierte Tötung.
Lit.: Söllner §§ 8, 9; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 119, 158; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 76, Neudruck 1964, Bd. 2 1935, 90; Munske, H., Der germanische Rechtswortschatz, 1973; Der Mord der Juden, hg. v. Jäckel-Rohwer, 1985; Thomas, S., Geschichte des Mordparagraphen, 1985; Gschwend, L., Studentenmord in Zürich, 2002; Wittke, M., Mord und Totschlag? 2002
Mordbrand ist die heimlich verübte -> Brandstiftung, als deren Strafe im Sachsenspiegel (1221-4) das Rädern erscheint.
Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964
more geometrico
(lat.) auf geometrische Art (z. B. durch Pufendorf [1672]
erfolgende Rechtswissenschaft) -> mos geometricus
Lit.: Köbler, DRG 146
mores (lat. [M.Pl.]) sind im römischen Recht die (hergebrachten) Sitten (der Väter [lat. maiorum]). Sie beeinflussen vor allem das altrömische Recht.
Lit.: Söllner § 6; Köbler, DRG 17, 51; Kaser, M., Mores maiorum und Gewohnheitsrecht, ZRG RA 59 (1939), 52
morganatisch ist eine von der -> Morgengabe abgeleitete Bezeichnung. Die morganatische Ehe (Ehe zur linken Hand) ist eine zuerst im spätmittelalterlich-oberitalienischen Recht (Mailand) bezeugte, bis 1875/1918 (für den Adel) zulässige Form der -> Ehe. Zwischen Mann und Frau tritt keine Rechtsgemeinschaft ein. Die Kinder werden, obwohl der Vater die väterliche Gewalt über sie hat, nur der Mutter zugerechnet.
Lit.: Geschichte morganatischer und legitimierter Fürsten- und Grafenehen in Deutschland, 1874; Weyhe-Eimke, A. v., Die rechtmäßigen Ehen des hohen Adels, 1895; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972
Morgengabe ist spätestens seit dem Frühmittelalter eine Gabe (meist) des Mannes an die Frau nach der Hochzeitsnacht. Sie wird vom Mann verwaltet. Das an der M. entwickelte besondere Erbrecht schwindet zuerst in den Städten des hohen Mittelalters.
Lit.: Hübner 665; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 88, 123; Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechtes in Deutschland, Bd. 1ff. 1863ff.; Brauneder, W., Die Entwicklung des Ehegüterrechts in Österreich, 1973, 45, 124
Morgensprache (F.) eine Zunftversammlung
mors (F.) civilis (lat.) -> bürgerlicher Tod
Lit.: Borgmann, B., Mors civilis, Ius commune 4 (1972), 81
mortgage ist im mittelalterlichen französischen Recht das zur Fruchtziehung am Pfandgrundstück berechtigende Pfandrecht.
Lit.: Hübner 405; Viollet, P., Droit privé, 1905, 784
mortuarium (lat. [N.]) Sterbefallabgabe
mortuus redhibetur (lat.). Der Tote wird zurückgewährt (gemeint ist der zufällig untergegangene Sachgegenstand eines Austauschgeschäftes).
Lit.: Caemmerer, E. v., Mortuus redhibetur, FS K. Larenz, 1973, 621; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 123, Nr. 73 (Ulpian, um 170-223, Digesten 21, 1, 31 § 11)
Morus (More), Thomas Sir (London 7. 2. 1478 - 6. 7. 1535), Juristensohn, wird nach dem Studium der alten Sprachen und des Rechts in London 1501 Rechtsanwalt, 1504 Parlamentarier im Unterhaus, 1510 undersheriff und 1529 als erster Laie Lordkanzler. Befreundet mit Erasmus von Rotterdam verfasst er, beeinflusst von der Entdeckung Amerikas, 1516 eine zeitkritische Beschreibung eines idealen Staates (Utopia, Nirgendland). Weil er nach der Scheidung Heinrichs VIII. von Katharina von Aragon und der daraufhin erfolgenden Trennung Englands von der katholischen Kirche einen Eid auf den anglikanischen König Heinrich VIII. verweigert, wird er 1535 wegen Hochverrats hingerichtet.
Lit.: Chambers, R., Thomas More, 1935; Guy, J., Sir
Thomas Morus, 1979; Trapp, J., Erasmus, Colet and More, 1991; Ackroyd, P., The Life of Thomas More, 1999
mos (lat. [M.]) Sitte -> mores (M. Pl.)
Lit.: Gehrke, H., Römischer
mos und griechische Ethik, HZ 258 (1994), 593; Mos maiorum hg. v. Linke, B. u.
a., 2000
mosaisches Recht -> biblisches Recht, jüdisches Recht
Lit.: Smend, R., Mose als
geschichtliche Gestalt, HZ 260 (1995, 1
Moser (von Filseck und Weilerberg), Johann Jakob (Stuttgart 18. 1. 1701 - 30. 9. 1785), Beamtensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen außerordentlicher Professor in Tübingen (1720-1), dann freier Berater, 1726 Regierungsrat, 1727 Titularprofessor in Tübingen, 1734 Regierungsmitglied, 1736 Universitätsdirektor in Frankfurt an der Oder, 1739 Privatgelehrter, 1745 Berater, 1745 geheimer Rat, 1749 Akademiegründer, 1751 Landschaftskonsulent, 1759 verhaftet und nach 1764 wieder Privatgelehrter. In 500 bis 600 Bänden sammelt er hauptsächlich staatsrechtliches Material (Teutsches Staatsrecht, Teil 1ff. 1737ff., Neues teutsches Staatsrecht, Teil 1ff. 1766ff.), wobei er die Geschichte als objektive Hilfswissenschaft für das Staatsrecht versteht. Das Völkerrecht gewinnt er vor allem aus Vertrag und Herkommen.
Lit.: Moser, J., Grundriss der heutigen Staatsverfassung des teutschen Reiches, 7. A. 1754, Neudruck 2001; Moser, J., Lebensgeschichte Johann Jacob Mosers, 1768; Schmid, A., Das Leben Johann Jacob Mosers, 1868; Wächter, O., Johann Jacob Moser, 1885; Schulze, H., Johann Jacob Moser, 1869; Rürup, R., Johann Jacob Moser, 1965; Schömbs, E., Das Staatsrecht Johann Jacob Mosers, 1968; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1 1988, 258
Möser, Justus (Osnabrück 14. 12. 1720 - 8. 1. 1794), Kanzleidirektorssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Jena und Göttingen Sekretär (1741), Rechtsanwalt (1744), Syndikus (1756), Justitiar (1762) und 1764 Konsulent im Osnabrückischen. Er wirkt in vielfältiger Weise als aufgeklärter konservativer Schriftsteller. Sein Hauptwerk sind die Patriotischen Phantasien (Bd. 1ff. 1774ff.).
Lit.: Hatzig, O., Justus Möser, 1909; Klassen, P., Justus Möser, 1936; Maußer, E., Das Rechtsdenken Justus Mösers, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1942; Fiebig, B., Justus Mösers Staatslehre, Diss. jur. Köln 1953; Schmidt, P., Studien über Justus Möser als Historiker, 1975; Schröder, J., Justus Möser als Jurist, 1986; Welker, K., Rechtsgeschichte als Rechtspolitik, 1996; Möser-Bibliographie 1730-1990, hg. v. Woesler, W., 1997; Möser, J., Politische und juristische Schriften, hg. v. Welker, K., 2001
mos (M.) Gallicus (lat.) (Tanner 1556 Gallica ratio) ist die zu Beginn des 16. Jh.s entstehende gallische (französische) Art der Rechtswissenschaft, welche die römischen Quellen stärker humanistisch (sprachwissenschaftlich-geschichtlich) betrachtet und die einzelnen Stellen textkritisch untersucht (bessere Interpretation besserer Texte). Die bekanntesten Vertreter des m. G. sind -> Alciatus (1492-1550), -> Budaeus (1467-1540), -> Cuiacius (1522-1590), -> Donellus (1527-1591), Dionysius -> Gothofredus (1549-1622) und Jacobus Gothofredus (1587-1652) sowie nach Vertreibung der führenden französischen, calvinistisch-hugenottischen Juristen (1562-1598) spätere niederländische Juristen (elegante Jurisprudenz). Bedeutung gewinnt dabei allmählich auch die Ermittlung allgemeiner Grundsätze und deren Verbindung zu einem systematischen Ganzen.
Lit.: Köbler, DRG 143; Astuti, G., Mos italicus e mos gallicus, 1937; Kisch, G., Humanismus und Jurisprudenz, 1955; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967
mos (M.) geometricus (lat.) ist die geometrische oder mathematische Art der Darstellung und Beweisführung in Wissenschaftsfächern der frühen Neuzeit (Simon Grynaeus 1533). In der Rechtswissenschaft sprechen zuerst Budaeus 1557 und Valentin Forster (1613) diese Frage ansatzweise an. Eine umfassende Darstellung des Naturrechts -> more geometrico erfolgt aber erst durch -> Pufendorf (1672). Dem folgen -> Leibniz und vor allem Christian -> Wolff in leicht eingängiger Darstellungsform. Mit Wolff endet der m. g. ziemlich unvermittelt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Röd, W., Geometrischer Geist und
Naturrecht, 1970; Stupp, H., Mos geometricus, Diss. jur. Köln 1970; Otte, G., Der sog. mos geometricus,
Quaderni Fiorentini 9 (1979), 179
mos (M.) Italicus (lat.) (Mopha 1541) ist die aus dem Mittelalter überkommene italienische Art der Rechtswissenschaft. Darunter ist die juristische Ausprägung des scholastischen Unterrichtssystems und des damit verbundenen wissenschaftlichen Begründungs- und Erkenntnissystems zu verstehen. In ihrem Mittelpunkt stehen Worterklärungen, Herstellung logischer und systematischer Zusammenhänge in kleineren Bereichen, Zusammenstellungen von Parallelstellen aus allen Teilen des römischen (lat.) corpus (N.) iuris civilis, Bildung von Parallelfällen, Auflösung von Widersprüchen und Sammlung von Argumenten für die dem Text entnommene Lösung. Der m. I. wird seit Beginn des 16. Jh.s vom -> mos Gallicus abgelöst.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Astuti, G., Mos italicus e mos gallicus, 1937; Kisch, G., Humanismus und Jurisprudenz, 1955; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967; Otte, G., Dialektik und Jurisprudenz, 1971; Carpintero, F., Mos italicus, Ius commune 6 (1977), 108
Moskau an der Moskwa erscheint 1147 als Landsitz und 1156 als eine mit einem Zaun befestigte Stadt. Nach ihrer Zerstörung durch die Mongolen (1237) wird sie 1263 Sitz eines Teilfürstentums, 1326 Sitz des Metropoliten von Rußland und wenig später Vorort des Großfürstentums Moskau. 1755 erhält sie eine Universität.
Lit.: Luppi, A./Biagi, E.,
Moskau, 1981; Crummey, R., The Formation of
Motivirrtum ist der unbeachtliche -> Irrtum über den Beweggrund für eine Willenserklärung.
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Mozaraber ist der unter der Herrschaft der ->
Araber auf der iberischen Halbinsel lebende Christ.
Mpalés, Geórgios (1879-1957) wird nach dem Rechtsstudium in Athen und Berlin 1925 Professor für Zivilrecht in Athen. Er beeinflusst das griechische Zivilgesetzbuch von 1940 maßgeblich und verfasst die führende Kommentierung.
Lit.: Kallias, K., Geórgios Mpalés, 1960
Msida auf Malta erhält 1572 bzw. 1769 eine Universität.
Mucius Scaevola, Quintus (um 140-82 v. Chr.), Juristensohn, Konsul 95 v. Chr., ist ein bedeutsamer Vertreter der vorklassischen römischen Rechtswissenschaft. Sein Hauptwerk sind 18 Bücher (lat.) De iure civili (Vom römischen Recht), in denen er das Recht der römischen Bürger systematisch zusammenfasst. Auf ihn zurückgeführt werden die (lat.) -> cautio (F.) Muciana, die eine unter der Bedingung, etwas Bestimmtes nicht zu tun, ausgesetzte Zuwendung absichern soll, und die (lat.) -> praesumptio (F.) Muciana, nach der bis zum Beweis des Gegenteils alles Vermögen einer Ehefrau als vom Mann herrührend gilt. Auf M. S. greift vor allem -> Sabinus wieder zurück.
Lit.: Köbler, DRG 29; Behrends, O., Die Wissenschaftslehre im System des Quintus Mucius Scaevola pontifex, 1976; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988, 597
Mühle ist eine Vorrichtung zum mechanischen Zerkleinern von Gegenständen, vor allem von Pflanzenteilen (Getreidekörnern). Die technisch der einfachen Handmühle überlegene Wassermühle ist bereits dem römischen Altertum bekannt und gelangt von dort nach Germanien. Seit dem 12. Jh. wird die ursprüngliche Freiheit der Errichtung einer M. von einem landesherrlichen Mühlenregal überlagert. Dementsprechend entstehen in der frühen Neuzeit besondere Mühlenordnungen (z. B. Hessen 1615). Die M. genießt eigenen Friedensschutz. Das Gewerbe des Müllers gilt seit dem Spätmittelalter vielfach als unehrlich.
Lit.:
Koehne, C., Das Recht der Mühlen, 1904; Schulte, E., Das Gewerberecht, 1909;
Kisch, G., Das Mühlenregal im Deutschordensgebiete, ZRG GA 48 (1928), 176;
Wiemann, H., Beiträge zur Geschichte des Mühlenrechts, ZRG GA 66 (1948), 477;
Kohl, W., Recht und Geschichte der alten Münchner Mühlen, 1969; Holt, R., The
Mills of Medieval England, 1988;
Stürmer, S., Mühlenrecht im Herzogtum Zweibrücken, 1998
Mühlhäuser Reichsrechtsbuch ist ein um 1225 (1224-30) in Mühlhausen im Eichsfeld von einem unbekannten Verfasser in mitteldeutscher Sprache hergestelltes, in 3 Handschriften überliefertes Stadtrechtsbuch mit zahlreichen fränkischen Rechtssätzen. Es bezieht auch Landrecht ein und erfasst unterschiedliche Sachgebiete (Delikte, Verfahren, Gewere, Gericht, Schaden). Es wird in Nordhausen und teilweise in Eschwege (nach 1344) aufgenommen.
Lit.:
Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 104; Das Mühlhäuser
Reichsrechtsbuch, hg. v. Meyer, H., 3. A. 1936, Neudruck 1969; Günther,
G./Korf, W., Mühlhausen, 1986; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des
Mittelalters, Bd. 1 1990; Lau, T., Bürgerunruhen und
Bürgerprozesse, 1999
Mülhausen im -> Elsaß ist ein 803 erstmals erwähnter Ort, der nach 1221 -> Reichsstadt wird. Seit 1515 ist es zugewandter Ort der Eidgenossenschaft der -> Schweiz. 1798 schließt es sich Frankreich an.
Lit.:
Köbler, Historisches Lexikon; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,454; Oberlé, R./Livet, G., Histoire de
Mulhouse, 1977
mulier taceat in ecclesia (lat.). Die Frau schweige in der Kirche.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 123, Nr. 76 (Apostel Paulus, + 64 n. Chr., 1. Korinther 14,34)
Müll ist der trockene Abfall, dessen Beseitigung seit dem 19. Jh. ein allgemeines Verwaltungsproblem wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Müller-Arnold-Prozess ist der Prozess des Wassermüllers Christian Arnold im Kreis Züllichau, der 1774 gegen seinen Erbverpächter auf Erlass der Mühlenpacht wegen Schwächung des Zuflusses durch einen Oberlieger klagt und 1778 die Mühle durch Versteigerung verliert. Am 11. 12. 1779 bzw. 1. 1. 1780 greift König Friedrich der Große von Preußen selbst in die Angelegenheit ein, lässt Räte des 1779 tätigen Justizkollegiums verhaften, verurteilt sechs zu Festung und weist den Müller und seine Frau wieder in die Mühle ein. Sein Nachfolger entschädigt die Räte, belässt aber die Mühle dem Müller. Der königliche Machtspruch wird nunmehr als Missbrauch der Herrschaftsgewalt verstanden. Im 19. Jh. setzt sich die dadurch beeinträchtigte Unabhängigkeit der Gerichte durch.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 140; Schmidt, E., Rechtssprüche und Machtsprüche, 1943; Dießelhorst, M., Die Prozesse des Müllers Arnold, 1984
München an der Isar erhält 1157/8 von Herzog Heinrich dem Löwen einen Markt, wird seit 1255 allmählich Sitz des Herzogtums Oberbayern bzw. Bayern und erlangt 1840 von Landshut die Universität. Sein Recht wird 1340 von Ludwig dem Bayern bestätigt. Am 29./30. 9. 1938 wird in München zwischen dem Deutschen Reich, Großbritannien, Italien und Frankreich das Münchener Abkommen geschlossen, das die deutschsprachigen Sudetengebiete der Tschechoslowakei (28643 qkm, 3,63 Mill. Menschen) dem Deutschen Reich zuteilt und dadurch die Kriegsgefahr in Mitteleuropa für kurze Zeit bannt. Im Sommer 1947 gelangt eine gesamtdeutsche Ministerpräsidentenkonferenz in M. zu keiner Einigung.
Lit.:
Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, 20. Jh.; Riedner, O., Die Rechtsbücher Ludwigs von
Bayern, 1911; Denkmäler des Münchner Stadtrechts, hg. v. Dirr, P., Bd. 1f.
1934ff; Bärmann, J., Die Verfassungsgeschichte Münchens im Mittelalter, 1938;
Kempter, F., Die Gutachten- und Urteilstätigkeit der Juristenfakultät
Ingolstadt - Landshut - München, Diss. jur. Mannheim 1976; Rauschhofer, H.,
Völkerbund und Münchener Abkommen, 1976; München, hg. v. Prinz, F. u. a., 1988;
Maier, L., Stadt und Herrschaft, 1989; Zerback, R., Stadt und Bürgertum in
München, 1997
Mund ist ein menschlicher Körperteil, der in der Paarformel Mund und Hand für zusprechende Wörter steht.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994
Mündel ist der unter Vormundschaft stehende Mensch.
Lit.: Hübner
Mündelgut ist das Vermögen des -> Mündels. Es wird vom Vormund verwaltet und meist auch genutzt. Nach einem mittelalterlichen Rechtssprichwort soll M. (während der Verwaltung) weder wachsen noch schwinden. Über bewegliche Sachen (Fahrnis) darf der Vormund frei verfügen, über unbewegliche Sachen (Liegenschaften) nur mit Zustimmung des Mündels oder gar nicht. Bei Erreichung der Mündigkeit kann der Mündel ein von ihm oder vom Vormund vorgenommenes Geschäft widerrufen. Seit dem Spätmittelalter wird der Vormund zu einem der Vormundschaftsbehörde verantwortlichen Vertreter des Mündels, der für und gegen den Mündel rechtsgeschäftlich handeln kann. Zum Ausgleich dafür wird die behördliche Aufsicht verstärkt.
Lit.: Kaser §§ 23 II 2, 62 III 3; Hübner, 729; Kraut, T., Die Vormundschaft, Bd. 2 1847; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
mundiburdium -> mundoburdium
Mündigkeit ist der Zustand der
Eigenverantwortlichkeit. Im altrömischen Recht verschafft der Eintritt der
(lat.) pubertas (F.) die volle
Geschäftsfähigkeit und Deliktsfähigkeit, bis um 200 v. Chr. eine (lat.) lex
(F.) Laetoria die mündigen, noch nicht 25jährigen gegen Übervorteilung zu
schützen beginnt. Die M. wird dabei zunächst bei Männern von Fall zu Fall
beurteilt, von der Schule der Prokulianer aber mit Vollendung des 14.
Lebensjahres anerkannt, bei Frauen schon von Anfang an mit Vollendung des 12.
Lebensjahres angenommen. Dem entspricht wohl im Kern auch das germanische
Recht. Im Frühmittelalter werden als fester Zeitpunkt der M. die Vollendung des
12. oder 10. oder auch 14. Lebensjahres genannt. Im Laufe des Mittelalters
rückt die Zahl auf 18, 20, 21, 24 oder bei Aufnahme des römischen Rechts auf 25
Lebensjahre hinauf. Volle Eigenverantwortlichkeit erlangen dabei nur die
vaterlosen Waisen. Bei den übrigen tritt die M. mit Abschichtung (bzw.
Eheschließung) ein. Seit dem Spätmittelalter setzen sich die Altersstufen des
römischen Rechts durch. Zwischen sieben und 25 wird der Mensch im wesentlichen
gleich behandelt. Deswegen wird die M. vielfach mit der Volljährigkeit
gleichgesetzt und danach von dieser weitgehend verdrängt (anders Ehemündigkeit,
Eidesmündigkeit).
Lit.: Kaser § 14 II 2, 58 IV 1; Köbler, DRG 88, 120, 160; Ebersold, G.,
Mündigkeit, 1980
mundium (lat.-afrk.)
-> munt
Mündlichkeit ist
die durch Sprechen und Hören im Gegensatz zu Schreiben und Lesen geprägte
Kennzeichnung. Deshalb unterliegt das gesamte Recht anfangs der M. Mit der
Erfindung und Verallgemeinerung der Schrift wird die M. aber zurückgedrängt.
Dabei können nach dem Schwinden der Schriftkultur des Altertums im
Frühmittelalter nur wenige Geistliche schreiben. Im 13. Jh. steigt die
Schriftlichkeit sprunghaft an. Erst im 19. Jh. wird demgegenüber der Versuch
unternommen, der M. im Verfahrensrecht bewusst wieder einen festen Platz zu sichern (z. B. Code de
procédure civile 1806, österreichisches Verfahren in Ehesachen 1819,
österreichisches Verfahren in summarischen Sachen 1845, Hannover 1850, Baden
1864, Württemberg 1868, österreichisches Verfahren in Rechtsstreitigkeiten mit
geringem Streitwert 1873, Reichszivilprozessordnung des Deutschen Reichs
1877/1879).
Lit.: Kaser § 80 I 2, 87 I 6; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 155, 201f.;
Scholz, M., Hören und Lesen, 1980
mundoburdium (lat.-afrk.
[N.]) Schutzgewalt,
Vormundschaft
municipium (lat.
[N.]) Stadt
Lit.: Kaser § 17 II 2; Köbler, DRG 32, 36; Simshäuser, W., Iuridici und Munizipalgerichtsbarkeit in
Italien, 1973; Galsterer, H., Herrschaft und Verwaltung
im republikanischen Italien, 1976
Münster an der
Aa wird 793 Ausgangsstelle der Friesenmission des Bischofs Liudger und
entwickelt sich von hier aus seit dem Hochmittelalter zum größten geistlichen
Fürstentum in Deutschland, für welches am 3. 10. 1571 eine Landgerichtsordnung
und eine Hofgerichtsordnung verkündet werden. Das vor den Landgerichten um
Münster angewendete Recht ist nur vereinzelt aufgezeichnet. Es ist überwiegend
deutsches, vom sächsischen Recht nur wenig beeinflusstes Recht. 1780 wird in M.
eine Universität eingerichtet.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Bartmann, J., Das Gerichtsverfahren
vor und nach der Münsterischen Landgerichtsordnung, 1908; Hermann, J., Die
Universität Münster, 2. A. 1950; Knemeyer, F., Das Notariat im Fürstbistum
Münster, 1964; Koehler, B., Münster, HRG, Bd. 3 1980, 746; Nabrings, A.,
Strafrecht und Strafverfolgung, Westfäl. Z. 135 (1985), 9; Walter, A., Die
Beamtenschaft in Münster, 1987; Klötzer, R., Die Täuferherrschaft von Münster,
1992; Kirchhoff, K., Forschungen zur Geschichte von Stadt und Stift Münster,
1988; Michaelis, K., Die
Universität Münster 1945-1955, 1998; Oer, R. Freiin v., Der münsterische
Erbmännerstreit, 1998; Steveling, L., Juristen in Münster, 1999; Westfälische
Jurisprudenz, hg. v. Großfeld, B. u. a., 2000
munt (ahd. [F.], zu lat. manus [F.], Hand) ist im Mittelalter die Gewalt eines Menschen über einen anderen Menschen (z. B. Vater über Kind, Vormund über Mündel, Mann über Frau, Herr über Gesinde). Die m. über ein Kind entsteht mit der Aufnahme nach der Geburt und endet mit der Verselbständigung (Abschichtung, Verheiratung). In der Neuzeit wird die m. von der (väterlichen) Gewalt (lat. [F.] potestas) verdrängt.
Lit.: Hübner 615; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 71, 88, 160; Köbler, WAS; Kraut, T., Die Vormundschaft, Bd. 1ff. 1835ff.; Molitor, E., Zur Entwicklung der Munt, ZRG GA 64 (1944), 112; Kroeschell, K., Haus und Herrschaft, 1968
Muntat (F.) ist im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) vor allem das Immunitätsgebiet (im engeren Sinn).
Lit.: Hofmann, K., Die engere Immunität, 1914; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957
Muntbrief (M.) Schutzurkunde
Muntehe ist im Mittelalter diejenige -> Ehe, bei der die Frau in die -> munt des Mannes fällt. Den Gegensatz bildet die muntfreie Ehe.
Muntschatz (M.) Heiratsgut
Münze ist ein nach Zusammensetzung und Gewicht genau bestimmtes, in Metall geprägtes Geldstück, wie es im 1. Jt. V. Chr. erscheint. Der Name leitet sich davon her, dass die Münzprägewerkstatt der Römer sich im Tempel einer Sondergöttin der etruskischen (lat.) gens (F.) Moneta befindet. In Rom wird das zuerst gewichtsmäßig gehandelte Rohkupfer im 4. Jh. v. Chr. in feste Größen mit zugehörigen Gewichtsangaben gebracht. Um 300 v. Chr. werden dabei Münzen von 300 g (1 Pfund, lat. [F.] libra) verwendet. Seit 187 v. Chr. erscheint der Silberdenar (lat. denarius [M.] argenteus) mit 10 As von 4,55 Gramm Gewicht, seit Caesar die Goldmünze (lat. [M.] aureus, Konstantin lat. [M.] solidus). Die Germanen kennen zunächst nur römische Münzen als Kostbarkeiten. Das Frühmittelalter verwendet zwar Pfennig (denarius), Schilling (solidus) und Pfund als Rechnungseinheit, prägt aber trotz etwa 800 bekannter merowingischer Münzstätten bald nur noch den königlichen Silberdenar auch wirklich aus. Das Recht zur Münzprägung wird vom König als -> Regal in Anspruch genommen, das er durch Privileg verleihen kann. Im Hochmittelalter geht dieses Recht tatsächlich auf die Landesherren über. Im 19. Jh. wird das dadurch weitgehend partikularisierte und auch durch Münzverträge nur ansatzweise vereinheitlichte Münzwesen auf übereinstimmende Größen umgestellt (Preußen 1821 Taler, Süddeutschland 1837 Gulden, Deutsches Reich 1871/3 -> Mark). Wegen der andauernden Geldentwertung im 20. Jh. tritt die Münze als Währungseinheit gegenüber dem Papiergeld zurück. Beide verlieren gegenüber der Forderung gegen Geldinstitute (elektronisches Geld) an Bedeutung. Als europäische Währung erscheint zunächst der bzw. die ECU (European Currency Unit) und 1995 der Euro.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2;
Köbler, DRG 3, 16, 97, 113, 176; Baltl/Kocher; Klimpert, R., Lexikon der
Münzen, Maße, Gewichte, 1896, Neudruck 1972; Luschin von Ebengreuth, A.,
Allgemeine Münzkunde und Geldgeschichte, 2. A. 1926; Wörterbuch der Münzkunde,
hg. v. Schroetter, F. v. 1932; Kamp, N., Moneta regis, 1957; Suhle, A.,
Deutsche Münz- und Geldgeschichte, 1970; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte
1484-1914, 1975; Grierson, P., Münzen des Mittelalters, 1976; Wadle, E.,
Münzwesen, HRG, Bd. 3 1981, 770; Kluge, B., Deutsche Münzgeschichte, 1991;
Grierson, P., Coins of Medieval Europe, 1991; Morrison, C., La numismatique,
1992;
Howgego, C., Ancient History from Coins, 1995; Haertle, C., Karolingische Münzfunde,
1997; Wolters, R., Nummi signati, 1999; Derschka, H., Die münzrechtlichen
Bestimmungen des Schwabenspiegels, ZRG GA 120 (2003), 91
Münzfälschung ist die unerlaubte Verwendung fremder Münzbilder und die Prägung unterwertiger oder untergewichtiger Münzen. Die M. wird im ausgehenden Altertum bestraft, bei Goldmünzen sogar mit der Todesstrafe. Im Frühmittelalter begegnen als Folgen Handverlust, Prügel und Brandmarkung, seit dem 13. Jh. Sieden oder Verbrennen. Bis in das 19. Jh. ist dennoch die M. ein Fall der allgemeinen Fälschung.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 274
Münzregal -> Münze
Lit.: Volz, P., Königliche Münzhoheit und Münzprivilegien, 1967
Muratori, Lodovico Antonio (Vignola 21. 10. 1672 - Modena 23. 1. 1759) wird nach dem Theologiestudium Bibliothekar in Mailand und 1700 in Modena. Mit zahlreichen kritischen Ausgaben italienischer Geschichtsquellen begründet er die neuere italienische Geschichtswissenschaft.
Lit.: Carli, F. de, Lodovico Antonio Muratori, 1955
Murner, Thomas (Oberehnheim 24. 12. 1475 - Heidelberg um 1537) durchzieht als Wandergeistlicher Mitteleuropa. 1515 hält er in Trier deutsche Rechtsvorlesungen. 1518 veröffentlicht er lateinisch-deutsche (lat.) Utriusque iuris tituli (M.Pl.) et regulae (F.Pl.) (Beider Rechte Titel und Regeln). 1519 übersetzt er die Institutionen Justinians ins Frühneuhochdeutsche und erwirbt in Basel das juristische Lizentiat.
Lit.: Erler, A., Thomas Murner als Jurist, 1956
Muromcev, Sergej Andreevic (1850-1910) wird nach dem Rechtsstudium u. a. in Göttingen (Ihering) 1875 Professor für römisches Recht in Moskau. Im Einsatz für die Verfassungsbewegung erarbeitet er einen liberalen Entwurf. Er sieht Recht als Verwirklichung gesellschaftlicher Interessen und macht die Rechtswissenschaft in Rußland zu einer das alltägliche Leben bestimmenden Wissenschaft.
Lit.: Leontovich, V., Geschichte des Liberalismus in Rußland, 1957; Zor’kin, V., Muromcev, 1980
Murray, Sir William (1705-1793), Peerssohn aus Schottland, wird nach dem Studium in Oxford und der Ausbildung in Lincoln’s Inn 1730 Anwalt, 1742 Kronanwalt, 1754 Justizminister, 1756 Oberrichter (Lord Chief Justice) (1776 Earl of Mansfield). In seiner richterlichen Tätigkeit stärkt er die Stellung des Richters zu Lasten der Jury, fördert die Einbeziehung des Handelsrechts in das -> common law und unterstützt die Rechtsfortbildung durch Urteile.
Lit.: Fifoot, C., Lord Mansfield, 1936; Heward, E.,
Lord Mansfield, 1979;
Muspilli ist ein althochdeutsches Stabreimgedicht der 2. Hälfte des 9. Jh.s über das Weltende durch Feuer (jüngstes Gericht).
Lit.: Mohr, W./Haug, W., Zweimal Muspilli, 1977; Köbler, G., Sammlung kleinerer althochdeutscher Denkmäler, 1986
Musteil (Speisevorrat) ist im mittelalterlichen Recht ein Vermögensteil, den die Witwe beim Tod des Mannes teilweise behalten darf.
Lit.: Hübner § 95c
Musterung ist die Untersuchung (auf Kriegstauglichkeit) seit dem Spätmittelalter. Eine besondere Bedeutung erwirbt die M. im Seerecht (Anmusterung, Abmusterung).
Lit.: Helfritz, H., Geschichte der preußischen Heeresverwaltung, 1938
Mutschierung ist im Mittelalter (13. Jh.) die Teilung eines Gesamteigentums durch Vertrag (auf Zeit) im Erbrecht und im Lehnsrecht.
Lit.: Hübner; Heusler, A., Institutionen des deutschen Privatrechts, Bd. 1 1885, 247; Müller, E., Die Mutschierung von 1513, Jb. f. RegionalG. 14 (1987), 173
Mutterrecht ist die Bezeichnung für eine Familienstruktur, in welcher das Gut sich in mütterlicher Linie vererbt. Das M. wird als eine Kulturstufe von Johann Jakob -> Bachofen behauptet, lässt sich aber nirgends tatsächlich überzeugend nachweisen.
Lit.: Köbler, DRG 15; Bachofen, J., Das Mutterrecht, 1861; Schmidt, W., Das Mutterrecht, 1955; Bachofen, J., Das Mutterrecht. Eine Auswahl, hg. v. Heinrichs, H., 3. A. 1980
Mutterschutz ist der Schutz der arbeitstätigen Mutter in der Zeit vor und nach der Geburt. Der M. entwickelt sich am Ende des 19. Jh.s.
Lit.: Schmitz, E., Mutterschutz und Mutterpflichten, Diss. jur. Köln 1992
Mutterstadt ist im Mittelalter eine Stadt, deren Recht auf eine andere Stadt übertragen wird und die deshalb für Auskünfte in Rechtsstreitigkeiten wieder befragt wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2
Mutung ist allgemein das Begehren, insbesondere im Mittelalter das Begehren auf Erneuerung des Lehens, das Gesuch um Zulassung als Meister und im Bergrecht der Antrag auf Verleihung des Bergwerkeigentums in einem bestimmten Fall (bis 1980).
Lit.:
Heusler, A., Institutionen des Deutschen Privatrechts, Bd. 1 1885, 243, Bd. 2
1886, 169; Wissel, R./Hahm, K., Des alten Handwerks Recht und Gewohnheit, 2. A. 1981
mutuum (lat. [N.]) ist bereits im altrömischen Recht das formfreie Haftungsgeschäft des (auf Tausch gegebenen) -> Darlehens. Es ist Realvertrag und entsteht mit der Hingabe einer vertretbaren Sache in das Eigentum mit der Verpflichtung zur Rückgabe einer gleichen Menge. Zinsen müssen meist besonders vereinbart werden.
Lit.: Kaser § 39 I 2; Söllner §§ 9, 16, 18; Köbler, DRG 27, 45, 63; Köbler, LAW
Muwatta ([M.] arab. geebneter Pfad) ist das älteste erhaltene, von Malik ibn Anas (8. Jh.) auf der Grundlage des -> Korans und des Gewohnheitsrechtes in Medina geschaffene Rechtsbuch des -> Islam.
Lit.: Schacht, J., Malik b. Anas, in: Enzyklopädie des Islam, 2. A. Bd. 1f. 1960ff., 6, 262
Mynsinger von Frundeck, Joachim (Stuttgart 13. 8. 1514 - Großalsleben 3. 5. 1588), Adliger, wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen, Padua und Freiburg (Zasius) 1536 bzw. 1543 Professor in Freiburg, 1548 Assessor am Reichskammergericht und 1556 Kanzler in Braunschweig-Wolfenbüttel (1576 Gründung der Universität Helmstedt). 1563 veröffentlicht er als erster unsystematisch bei Gericht angelegte kurze Notizen zu Entscheidungen des Reichskammergerichts (lat. Singularium observationum iudicii imperialis camerae centuriae [F.Pl.] quattuor, Vierhundert einzelne Beobachtungen des Reichskammergerichts).
Lit.: Köbler, DRG 144; Schreiber, H., Joachim Mynsinger, 1834;
Schumann, S., Joachim Mynsinger, 1983;
Zippelius, K., Ein Juristenleben im 16. Jahrhundert, in: Mélanges Sturm, F.,
1999, 959
N
Nachbar ist der unmittelbar neben einem Menschen wohnende oder begüterte Mensch. Schon im römischen Recht entwickelt sich aus der Nachbarschaft ein -> Nachbarrecht. Im Mittelalter haben Nachbarn verschiedentlich ein -> Näherrecht (Nachbarlosung). Im übrigen kommen Nachbarn häufig als Zeugen in Betracht.
Lit: Kroeschell, DRG 1; Kramer, K., Die Nachbarschaft, 1954; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Bauer, hg. v. Wenskus, R. u. a., 1975, 230; Olberg, G. v., Freie, Nachbarn und Gefolgsleute, 1983; In Europas Mitte, hg. v. Duchhardt, H., 1988
Nachbarrecht ist die Gesamtheit der für die Eigentümer von benachbarten Grundstücken im Verhältnis zueinander geltenden Rechtssätze. Sie betreffen bereits im römischen Recht den Überhang von Zweigen, den Überfall von Früchten, den Notweg, das Eindringen von Rauch, Wasser usw., die Ausbuchtung einer Mauer, die Einsturzgefahr von Gebäuden, die Untersagung von Bauführung und die Feststellung der Grenze. Im nachklassischen römischen Recht wird des öfteren fälschlich von Legalservituten gesprochen. Teils auf einheimischer, teils auf aus dem römischen Recht übernommener Grundlage findet das N. teils Eingang in das Bürgerliche Gesetzbuch des Deutschen Reiches (1900), bleibt aber zum anderen Teil Landesrecht.
Lit.: Kaser
§ 23 III; Hübner 280; Köbler, DRG 40; Ogorek, R., Actio negatoria und
industrielle Beeinträchtigung des Grundeigentums, in: Wissenschaft und
Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 4 1979, 40; Carlen, L., Bäuerliches
Nachbarrecht in Schweizer Städten, FS G. Schmelzeisen, 1980; Dehner, W.,
Nachbarrecht im Bundesgebiet, 7. A. 1991; Uwer, D., Zur Entwicklungsgeschichte,
Jb. d. Umwelt- und Technikrechts, 1997, 303
Nacherbe ist der in der Weise eingesetzte Erbe, dass dieser erst zu einem bestimmten späteren Zeitpunkt (Nacherbfall) Erbe wird, nachdem zunächst ein anderer Erbe (Vorerbe) geworden ist. Im römischen Recht schließt der Rechtssatz (lat.) semel heres semper heres (einmal Erbe, immer Erbe) ein Hintereinander mehrerer Testamentserben und damit Nacherben aus. Einen Ausweg eröffnet das Erbschaftsfideikommiss, bei dem Erbe zwar der erste Nachfolger des Erblassers wird, diesem aber auferlegt werden kann, die Erbschaft ganz oder teilweise als Fideikommiss einem weiteren Nachfolger herauszugeben. Im Mittelalter ist seit dem ausgehenden 13. Jh. die Einsetzung eines Nacherben zulässig. Die Gestaltung behauptet sich gegen das aufgenommene römische Recht.
Lit. Kaser §§ 65 II 4, 68 II 4, 78 I; Söllner § 11; Köbler, DRG 9; Schartl, R., Das Privatrecht der Reichsstadt Friedberg, Diss. jur. Gießen 1987; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 2 1989, 613, 629; Eckert, J., Der Kampf um die Familienfideikommisse, 1992; Straub, S., Zur Entstehung der Vor- und Nacherbfolge im Bürgerlichen Gesetzbuch, ZRG 120 (2003), 235
Nachlass ist das Vermögen des Erblassers im Zeitpunkt des Erbfalls. Im römischen Recht ist der N. eine Einheit, im mittelalterlichen Recht eine Mehrheit von Sondervermögen (z. B. Gerade, Heergewäte). Verschiedentlich wird der N. zwischen Erbfall und davon getrenntem Erbschaftserwerb als juristische Person angesehen (lat. hereditas [F.] iacens, ruhende Erbschaft).
Lit.: Kaser §§ 65 I 2, 66 VI, 72 I; Hübner; Wesener, G., Geschichte des Erbrechts in Österreich, 1957, 21
Nachrezeption ist die im 19. Jh. erfolgende Aufnahme des römischen Rechts durch vertiefte Befassung mit den römischen Rechtsquellen (Pandektistik).
Lit.: Köbler, DRG 205
Nachrichter ist eine Bezeichnung für den -> Henker.
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Nachzettel ist in der frühen Neuzeit die ein Testament ergänzende formlose Schrift. Die Möglichkeit des Nachzettels wird im Allgemeinen Landrecht Preußens (1794) und in der Rechtsprechung des 19. Jh.s eingeschränkt.
Näherrecht oder Retraktrecht ist das Anrecht bestimmter nahestehender Personen auf ein Gut für den Fall der Vererbung oder Veräußerung. Berechtigt können Verwandte, Nachbarn, Herren und andere sein. Das N. kann an die Zahlung eines Geldausgleichs gebunden sein. Schon seit dem Hochmittelalter wird das N. zugunsten der Freiheit des Eigentümers zurückgedrängt. Seit dem 18. Jh. wird es verstärkt bekämpft und im 19. Jh. beseitigt.
Lit.: Hübner 422; Köbler, DRG 124, 163, 211; Gierke, O., Deutsches Privatrecht, Bd. 2 1905, 766; Wesener, G., Vorkaufs- und Einstandsrecht der „gesippten Freunde“, in: Gedächtnisschrift R. Schmidt, 1966, 535; Carlen, L., Näherrechte im Wallis, in : Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 52
Name ist die Bezeichnung einer einzelnen Person
oder eines einzelnen Gegenstandes (für Orte -> Ortsname) zum
Zweck der Heraushebung aus einer Gattung bzw. der Unterscheidung von anderen
Personen und Gegenständen. Die Vergabe von Namen steht vermutlich am Beginn der
menschlichen Sprachentwicklung. Während anfangs meist ein einziges Wort
als Name genügt, wird bereits im römischen Altertum der
Mensch häufig durch mehrere Namensbestandteile individuell gekennzeichnet (lat.
praenomen [N.], nomen gentile, cognomen z. B. Gaius Iulius Caesar). Im deutschen
Mittelalter wird zwecks erforderlich werdender Unterscheidung nach ersten
Anfängen in Venedig (9. Jh.), Norditalien und Südfrankreich (10. Jh.) für den
Adel im 10. Jh. bzw. seit dem 12. Jh. (z. B. Zürich 1150/70, Friesland 19.
Jh.) in etwa vom Süden und Westen nach Norden und Osten fortschreitend dem
Namen (Vornamen) allmählich allgemein ein Zuname (Familienname)
beigefügt,
was andernorts erst viel später geschieht (Japan 1875, Bulgarien 1878, Türkei
1934. Durch Verordnungen seit dem 17. Jh. wird bis zum Ende der frühen Neuzeit
die ursprüngliche Freiheit der Namensänderung beseitigt. Seit 14. 6.
1976 kann in der Bundesrepublik Deutschland auch der Name der Frau Familienname
sein, seit 1995 ist kein gemeinsamer Familienname mehr nötig. Im einzelnen ist ein detailliertes Namensrecht entwickelt.
Danach bestimmen grundsätzlich die Eltern den oder die Vornamen (und den
Familiennamen) eines Kindes. Häufigster der mehr als 150000 verschiedenen deutschen
Familiennamen der Gegenwart ist Müller (ca. 10%), häufigster Familienname der
Welt der chinesische Name Li.
Lit: Köbler, DRG 120, 160, 267; Levi, S.
Vorname und Familienname, Diss. jur. Gießen 1888; Schulze, W., Zur Geschichte
lateinischer Eigennamen, 1904; Brechenmacher, J., Etymologisches
Wörterbuch der deutschen Familiennamen, 1957ff.; Schönfeld, W.,
Wörterbuch der altgermanischen Personen- und Völkernamen, 1911, 2. A. 1965; Polenz,
P. v., Landschafts- und Bezirksnamen im frühmittelalterlichen Deutschland,
1961; Klippel, D., Der zivilrechtliche Schutz des Namens, 1985; Internationales
Handbuch der Vornamen, 1986; Reichert, H., Lexikon der altgermanischen
Namen, 1987;
Hanks, P./Hodges, F., A Dictionary of Surnames, 1988; Seibicke, W.,
Historisches deutsches Vornamenbuch, 1996ff.; Namenforschung, hg. v. Eichler,
E. u. a., 1996; Nomen et gens, hg. v. Geuenich, D. u. a., 1997; Dumoulin, K., Die Adelsbezeichnung im deutschen und ausländischen
Recht, 1997; Kunze, K., dtv-Atlas Namenkunde, 1998; Berger, E., Erwerb und
Änderung des Familiennamens, 2001; Wagner-Kern, M., Staat und Namensänderung,
2002; Dictionnaire historique de l’anthroponymie romane, hg. v. Cano González,
A., u. a., Bd. 1ff. 2003ff.
Nancy in Frankreich ist seit 947 bezeugt. Es erhält 1265 Stadtrecht. 1766 gelangt es mit Lothringen zu Frankreich. 1768 wird es Sitz einer Universität, 1777 Sitz eines Bischofs.
Lit.: Fray, J., Nancy-le-Duc, 1986
Napoleon Bonaparte (Ajaccio 15. 8. 1769 - Longwood 5. 5. 1821), niederadliger Juristensohn, wird nach Offiziersausbildung und militärischen Erfolgen 1796 Oberbefehlshaber der Armee Frankreichs in Italien. 1799 wird er unter Sturz der Direktorialregierung Erster Konsul, am 18. 5. 1804 erblicher Kaiser der Franzosen. Binnen weniger Jahre (1804-1810) lässt er das Recht Frankreichs in fünf modernen Codes (Gesetzbüchern) erfassen und gestaltet die europäische Staatenwelt nach seinen Vorstellungen um. 1813 bei Leipzig und 1815 bei Waterloo wird er von Rußland, Österreich und Preußen bzw. England und Preußen geschlagen. Er stirbt in der Verbannung auf St. Helena.
Lit.: Köbler,
DRG 132, 141, 169; Dunan, M., Napoléon et l’Allemagne, 1942; Andreas, W., Das
Zeitalter Napoleons, 1956; Fehrenbach, E., Der Kampf um die Einführung des Code
Napoleon in den Rheinbundstaaten, 1973; Ludwig, E., Napoleon, 1977; Theewen,
E., Napoléons Anteil am Code civil, 1991; Dufraisse, R., Napoleon, 1994;
Napoleonische Herrschaft in Deutschland und Italien, hg. v. Dipper, C. u. a.,
1995; Kleßmann, E., Napoleon, 2000; Willms, J., Napoleon, 2000; Lefebvre, G.,
Napoleon, 2003; Pelzer, E., Napoleon Bonaparte, 2003
nasciturus (lat. [M.]) ist die menschliche -> Leibesfrucht im Mutterleib.
Lit.: Koch, E., Der nasciturus als Rechtsgut, in: Cupido legum, hg. v. Burgmann, L. u. a., 1985, 87
nasciturus pro iam nato habetur (lat.). Das erst noch geboren werdende (gezeugte) Kind wird als schon geboren behandelt.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 125, Nr. 1 (Paulus, um 160 - um 230, Digesten 50, 16, 231)
Nassau ist eine im 12. Jh. an der unteren Lahn erscheinende Familie, die von 1292 bis 1298 den deutschen König stellt und 1815 das Königtum in den Niederlanden erlangt. Ihr seit dem 12. Jh. an der Lahn enstehendes Herrschaftsgebiet wird als 1814 mit einer Verfassung versehenes Herzogtum (1806) 1866 von Preußen annektiert und geht 1945 in Hessen auf.
Lit: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 192; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff, 3,3,2878; Nassau und Oranien, hg. v. Tamse, C., 1985; Gensicke, E., Landesgeschichte des Westerwaldes, 2. A. 1987; Zimmermann, R., Die Bemühungen um eine Privatrechtskodifikation im Herzogtum Nassau 1806-1866, 1988; Vater, A., Hexenverfolgungen in nassauischen Grafschaften, Diss. jur. Marburg 1988; 175 Jahre Nassauische Verfassung, red. Friedrich, B., 1989; Schüler, W., Die nassauische Verfassung vom 1./2. September 1814, in: Hessen, 1997, 59; Nassauische Parlamentarier, hg. v. Rösner, C., 1997; Regierungsakten der Herzogtums Nassau 1803-1814, bearb. v. Ziegler, 2001
nasteid (ahd. [M.]) Eid der frühmittelalterlichen Alemannen auf den Zopf
natio (lat. [F.]) Geburt, Geschlecht, Landsmannschaft, Volk
Lit.: Hugelmann, G., Stämme, Nation und Nationalstaat, 1955; Aspekte der Nationenbildung im Mittelalter, 1978; Eichenberger, T., Patria, 1991
Nation ist die durch die Einheit von Sprache und Kultur bzw. durch die Gleichheit der politischen Entwicklung zusammengeschlossene Gesamtheit von Menschen. Bedeutsam wird die Nation vor allem im 19. Jh.
Lit.:
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 141; Das Staatsrecht des Heiligen
Römischen Reiches deutscher Nation, hg. v. Wagner, W., 1968; Zeumer, K.,
Heiliges Römisches Reich deutscher Nation, 1910; Hugelmann, G., Stämme, Nation
und Nationalstaat, 1955; Plessner, H., Die verspätete Nation, 4. A. 1966;
Schröcker, A., Die deutsche Nation, 1974; Landwehr, G., „Nation“ und „Deutsche
Nation“, FS W. Reimers, 1979, 1; Brinkmüller, E., Nation Österreich, 1984;
Region, Nation, Europa, hg. v. Lottes, G., 1992; Nation, Nationalismus, Postnation, hg.
v. Klueting, H., 1992; Dann, O., Nation und Nationalismus, 1993; Die deutsche Nation, hg.
v. Dann, O., 1995; Dann, O., Nation und Nationalismus, 3. A. 1996;
Nationenbildung, hg. v. Münkler, H., 1997; Pollmann,
K., Nation und Nationalstaat, 1998; Blitz, H., Aus Liebe zum Vaterland, 2000; Langewiesche, D., Nation, Nationalismus, Nationalstaat, 2000
Nationalgesetzbuch ist das die Rechtsordnung einer -> Nation vereinheitlichende -> Gesetzbuch. Am Beginn des 19. Jh.s findet im deutschen Sprachraum ein Streit um ein N. statt (-> Kodifikationsstreit). Das N. löst sowohl das partikulare Recht wie auch das subsidiäre gemeine Recht ab.
Lit.: Wieacker, F., Der Kampf des 19. Jahrhunderts um die Nationalgesetzbücher, in: Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung, 1974, 55; Dölemeyer, B., Der Kampf des 19. Jahrhunderts um die Nationalgesetzbücher, in: Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung, 1974, 79
Nationalismus ist das in der Mitte des 18. Jh.s vom Gedankengut der studentischen Landsmannschaften und der Romantik ausgehende Denken in -> Nationen. Es führt in Europa im 19. Jh. zu nationalen, im Kulturellen beginnenden und danach politisierten Gegensätzen. Diese entladen sich im Ersten und Zweiten Weltkrieg.
Lit.: Dann, O., Nation und Nationalismus, 1993; Echternkamp, J., Der
Aufstieg des deutschen Nationalismus (1770-1840), 1998; Weißmann, K., Der
nationale Sozialismus, 1998; Identità territoriali e
cultura politica nella età moderna. Territoriale Identität und politische
Kultur in der frühen Neuzeit, hg. v. Bellaberba, M. u. a., 2000; Nationalismus und
Nationalbewegung in Europa 1914-1945, hg. v. Timmermann, H.,
1999; Langewiesche, D., Nation, Nationalismus,
Nationalstaat, 2000; Gramley, H., Propheten des deutschen Nationalismus, 2001;
Hirschhausen, U. v./Leonhard, J., Nationalismen in Europa, 2001; Wehler, H.,
Nationalismus, 2001; Müller, S., Die Nation als Waffe und Vorstellung, 2003
Nationalitätenstaat (Vielvölkerstaat)
Lit.: Das Nationalitätenrecht des alten Österreich, hg. v. Hugelmann, K., 1934
Nationalkirche ist die das Nationale betonende christliche Kirche. In der frühen Neuzeit versteht sich die Kirche in Frankreich und England in unterschiedlich starkem Ausmaß als Nationalkirche.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Staat und Kirche im Wandel der Jahrhunderte, hg. v. Fuchs, W., 1966
nationalliberal (national und liberal)
Nationalökonomie (F.) Volkswirtschaft
Nationalrat ist eine Bezeichnung für eine Volksvertretung (z. B. Österreich 1920).
Lit.: Köbler, DRG 248; Baltl/Kocher
nationalsozial (national und sozial), 1896 als Bezeichnung einer von Friedrich Naumann begründeten Arbeiterpartei auf christlicher Grundlage und monarchischem, nationalem Boden verwendet
Nationalsozialismus ist eine vielleicht
schon in der fortschrittlichen Ordnung der französischen Revolution von 1789
angelegte, im frühen 20. Jh. in Deutschland auf der Grundlage von
Nationalismus und Sozialismus entstandene, unter Adolf -> Hitler von 1933
bis 1945 in -> Deutschland die Macht ausübende politische Bewegung. Der N.
weist keine eigentliche rechtstheoretische Grundhaltung auf. Er geht lediglich
von der Vorstellung aus, dass er die richtige Weltanschauung sei, die mit allen
Mitteln, und deshalb auch mit dem Mittel des Rechts, verwirklicht werden müsse.
Das an vorgegebenen konkreten Lebensordnungen des völkischen
Gemeinschaftswillens auszurichtende Recht ist ihm nur ein Kampfinstrument zur
Durchsetzung der vom Führer ohne Kontrolle aus seinem Charisma heraus
geschaffenen Weltanschauung in der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Da der
Positivismus des ausgehenden 19. Jh.s alle außerjuristischen Gehalte
ausgesondert hat, sind die während seiner Vorherrschaft entstandenen Gesetze
dem N. nicht abträglich. Er braucht lediglich die bestimmten, ursprünglich als
selbstverständlich mitgedachten Voraussetzungen, dass der Staat sittlichen
Prinzipien folgt und die Macht nicht rechtswidrig anwendet, aufzugeben und die
ausgeschiedenen außerjuristischen Inhalte durch sein Gedankengut zu ersetzen.
Das Gesetz kann bei dieser Auslegung formal völlig unverändert bleiben. Im
äußersten Fall gerät es, weil es „dem gesunden Volksempfinden ins Gesicht
schlägt“, außer Anwendung. Soweit auf Grund des N. strafgerichtliche Verurteilungen aus
politischen, militärischen, rassischen, religiösen oder weltanschaulichen
Gründen, die unter Verstoß gegen Grundgedanken der Gerechtigkeit
(Unrechtsurteile) ergangen sind, sind diese durch das Gesetz zur Aufhebung
nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege vom 25. 8.
1998 aufgehoben.
Lit.:
Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 221, 226, 228, 248; Neurohr, R., Der Mythos vom
Dritten Reich, 1957; Nationalsozialismus und die deutsche Universität, 1966;
Brodersen, C., Gesetze des NS-Staates, 1968; Justiz und NS-Verbrechen, Bd. 1ff.
1968ff.; Matzerath, H., Nationalsozialismus und kommunale
Selbstverwaltung, 1970; Bracher, K., Die deutsche Diktatur, 6. A. 1980; Schulz,
Der Aufstieg des Nationalsozialismus, 1975; Bayern in der NS-Zeit, hg. v. Institut
für Zeitgeschichte, Bd. 1ff. 1977ff.; NS-Verbrecher vor Gericht, hg. v.
Moritz-Noam, 1978; Anderbrügge, K., Völkisches
Rechtsdenken, 1978; Mosse, G., Ein Volk, ein Reich, ein Führer, 1979;
Hüttenberger P., Bibliographie zum Nationalsozialismus, 1980; Wassermann, R.,
Justiz und Nationalsozialismus, 1983; Recht, Rechtsphilosophie und
Nationalsozialismus, hg. v. Rottleuthner, H., 1983;
Recht, Verwaltung und Justiz im Nationalsozialismus, hg. v. Hirsch, M. u. a., 2. unv. A. 1997; Recht und
Unrecht im Nationalsozialismus, hg. v. Salje, P., 1985; Jasper, G., Justiz und
Nationalsozialismus, 1985; Rüping, H., Bibliographie zum Strafrecht im
Nationalsozialismus, 1985; Schmuhl, H., Rassenhygiene, Nationalsozialismus und
Euthanasie, 1987; Gribbohm, G., Nationalsozialismus und Strafrechtspraxis, NJW
1988, 2842; Rechtsgeschichte im Nationalsozialismus, hg. v. Stolleis, M./Simon,
D., 1989; Rüthers, B., Die unbegrenzte Auslegung, 5. A. 1997;
Rechtsgeschichte im Nationalsozialismus, hg. v. Säcker, F., 1992; Nationalsozialismus
und Modernisierung, hg. v. Prinz, M. u. a., 2. A. 1994; Fischer, C., The Rise of the Nazis, 1995; Die deutsche
Rechtsgeschichte in der Zeit des Nationalsozialismus, hg. v. Rückert,
J./Willoweit, D., 1995; Die braune Elite, hg. v. Smelser, R. u. a., Bd. 1 4. A.
1999, Bd. 2 2. A. 1999; Münchner rechtshistorische Studien zum
Nationalsozialismus, hg. v. Nehlsen, H. u. a., 1996; Wilhelm, F., Die
Polizei im NS-Staat, 1997; Friedländer, H., Der Weg zum NS-Genozid, 1997;
Ämter, Abkürzungen, Aktionen des NS-Staates, bearb. v. Boberach, H. u. a.,
1997; Wüllner, F., Die NS-Militärjustiz, 2. A. 1997; Rees, L., Die Nazis, 1997;
Nation und Nationalsozialismus in wissenschaftlichen Standardwerken
Österreich-Ungarns, hg. v. Kiss, E., 1997; Die westdeutschen Strafverfahren
wegen nationalsozialistischer Tötungsverbrechen 1945-1997, hg. v. Rüter,
C./Mildt, D. de, 1998; Nationalsozialistische Vernichtungspolitik, hg. v.
Herbert, U., 1998; Deutsches Judentum unter dem Nationalsozialismus, Bd. 1ff
1998ff.; Eck, C., Die Wiedergutmachung zwischen 1945 und 1989, 1997; Wessel,
M., NS-Justizverbrechen und Nachkriegsrechtsprechung, 1998; Hammerschmidt, P.,
Die Wohlfahrtsverbände im NS-Staat, 1998; Weißmann, K., Der nationale
Sozialismus, 1998; Reiter, R., 30 Jahre Justiz und NS-Verbrechen, 1998; Recht
und Nationalsozialismus, hg. v. Düwell, F. u. a., 1998; Meyer, Seitz, C., Die
Verfolgung von NS-Straftaten in der sowjetischen Besatzungszone, 1998;
Entschädigung für NS-Zwangsarbeit, hg. v. Barwig, K. u. a., 1998; Deutsche
Historiker im Nationalsozialismus, hg. v. Schulze, W. u. a. 1999; Burleigh, M.,
Die Zeit des Nationalsozialismus, 2000; Burleigh, M., Die Zeit des
Nationalsozialismus, 2000; Luntowski, G., Hitler und die Herren an der Ruhr,
2000; Ruck, M., Bibliographie zum Nationalsozialismus, 2000; Hartl, B., Das
nationalspzialistische Willensstrafrecht, 2000; Wiggershaus-Müller, U.,
Nationalsozialismus und Geschichtswissenschaft, 2. A. 2000; Süß-Hoffmann, E.,
Das BGB und der Versuch einer Rechtserneuerung im nationalsozialistischen
Sinne, Diss. jur. Mannheim 2000; Schröder, F., Die anwaltliche Tätigkeit
während der nationalsozialistischen Herrschaft, 2001; Mink, A., Zwangsarbeiter,
2001; Müller, T., Recht und Volksgemeinschaft, 2001; Königseder, A., Recht und
nationalsozialistische Herrschaft – Berliner Anwälte 1933-1945, 2001; Gailus,
M., Protestantismus und Nationalsozialismus, 2001; Wietog, J., Volkszählungen
unter dem Nationalsozialismus, 2001; Döring, M., Parlamentarischer Arm der
Bewegung, 2001; Greve, M., Der justitielle und rechtspolitische Umgang mit den
NS-Gewaltverbrechen in den sechziger Jahren, 2001; Freudiger, K., Die
juristische Aufarbeitung von NS-Verbrechen, 2002; Gellately, R., Hingeschaut
und weggesehen, 2002; Prollius, M. v., Das Wirtschaftssystem der Nationalsozialisten
1933-1939, 2002; Shuk, A., Das nationalsozialistische Weltbild in der
Bildungsarbeit von Hitlerjugend und Bund deutscher Mädel, 2002; Essner, C., Die
Nürnberger Gesetze, 2002; Weinke, A., Die Verfolgung von NS-Tätern, 2002; Wagner,
K., NS-Ideologie im heutigen Strafrecht, 2002; Wagner, P., Hitlers
Kriminalisten, 2002; Vieregge, B., Die Gerichtsbarkeit einer Elite, 2002;
Sachsen in der NS-Zeit, hg. v. Vollnhals, C., 2002; Wildt, M., Generation des
Unbedingten, 2002; Gelhaus, D./Hülter, J., Die Ausleseschulen als Grundpfeiler
des NS-Regimes, 2003; Süß, W., Der Volkskörper im Krieg, 2003; Volkmann, H.,
Ökonomie und Expansion, 2003; Prollius, M., Das Wirtschaftssystem der
Nationalsozialisten 1933-1939, 2003; Schauer, R., Die Steuergesetzgebung des
Nationalsozialismus, 2003
Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) ist die am 5. 1. 1919 als Deutsche Arbeiterpartei gegründete Partei, welche nach dem Eintritt des berufslosen Gefreiten Adolf -> Hitler im September 1919 am 24. 2. 1920 in 25 Punkten ihr politisches Programm veröffentlicht. Sie bestimmt, gegliedert in Ortsgruppen (mit ehrenamtlichen Leitern) und Gaue, das politische Geschehen im Deutschen Reich von 1933 bis 1945. Am 10. 10. 1945 wird sie durch das Gesetz Nr. 2 des -> Alliierten Kontrollrats aufgelöst. -> Nationalsozialismus
Lit.: Der Aufstieg der NSDAP, hg. v. Deuerlein, E., 1980; Pätzold, K., Geschichte der NSDAP, 1998; Block, N., Die Parteigerichtsbarkeit der NSDAP, 2002; Rösch, Mathias, Die Münchener NSDAP, 2002; Reibel, C., Das Fundament der Diktatur. Die NSDAP-Ortsgruppen 19323-1945, 2002
Nationalsozialistisches Recht ist das vom -> Nationalsozialismus geprägte bzw. geschaffene bzw. angewandte Recht. Neu geschaffen wird dabei in erster Linie das Verfassungsrecht, welches das parlamentarische System in eine -> Diktatur verwandelt. Durch Verordnungen des Reichspräsidenten vom 4. 2. 1933 und 28. 2. 1933 werden die wichtigsten Grundrechte außer Kraft gesetzt. Durch das -> Ermächtigungsgesetz vom 24. 3. 1933 überträgt der Reichstag seine Gesetzgebungsgewalt auf die Reichsregierung. Das vorläufige Gesetz zur Gleichschaltung der Länderparlamente mit dem Reich (31. 3. 1933) überlässt den Landesregierungen Gesetzgebungszuständigkeit und setzt die Länderparlamente entsprechend der Sitzverteilung des Reichstages zusammen. Das unmittelbar anschließende Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich (7. 4. 1933) stellt an die Spitze der nichtpreußischen Länder einen Reichsstatthalter, der die Landesregierung ernennt. Seit Mai 1933 werden verschiedene Parteien verboten oder aufgelöst. Mit Gesetz vom 30. 1. 1934 werden die Landesparlamente aufgehoben und die Landesregierungen der Reichsregierung unterstellt. Am 14. 2. 1934 wird der -> Reichsrat aufgelöst. Nach dem Tod des Reichspräsidenten (12. 8. 1934) übernimmt Adolf -> Hitler dessen Amt. Daneben werden Minderheiten, vor allem die -> Juden, entrechtet (Nürnberger Gesetze). Rechtsstaatliche Verfahrensregeln werden eingeschränkt. Bedeutendere Einzelgesetze sind im übrigen selten und führen teilweise auch ältere Ansätze weiter (Ehegesetz, Testamentsgesetz, Reichserbhofgesetz, Deutsche Gemeindeordnung). Der Versuch einer völligen Neugestaltung des bürgerlichen Rechts in einem -> Volksgesetzbuch misslingt. Soweit die älteren Gesetze erhalten bleiben, werden sie durch „unbegrenzte Auslegung“ verändert.
Lit.:
Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 226ff.; Schmitt, C., Nationalsozialistisches
Rechtsdenken, Deutsches Recht 1934, 225; Kogon, E., Der SS-Staat, 1946; Kern,
E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Schorn, H., Der Richter im
Dritten Reich, 1959; Schorn, H., Die Gesetzgebung des Nationalsozialismus,
1963; Echthölter, K., Das öffentliche Recht im nationalsozialistischen Staat,
1970; Jäger, H., Verbrechen unter totalitärer Herrschaft, 1967; Justiz und
NS-Verbrechen, red. v. Bauer, F. u. a., Bd. 1ff. 1986; Bucheit, G., Richter in
roter Robe, 1968; Stolleis, M., Gemeinwohlformeln im nationalsozialistischen
Recht, 1974; Anderbrügge, K., Völkisches Rechtsdenken, 1978; Meinck, J.,
Weimarer Staatsrechtslehre und Nationalsozialismus, 1978;
Nationalsozialistisches Recht in historischer Perspektive, hg. v. Hattenhauer,
H., 1981; Das Sonderrecht für die Juden im NS-Staat, hg. v. Walk, J., 1981;
Stolleis, M., Nationalsozialistisches Recht, HRG, Bd. 3 1981, 873; Fieberg, G.,
Justiz im nationalsozialistischen Deutschland 1984; Ramm, T., Das
nationalsozialistische Familien- und Jugendrecht, 1984; Biesemann, J., Das
Ermächtigungsgesetz, 1985; Popp, H., Die nationalsozialistische Sicht, 1986;
Majer, D., Die Grundlagen des nationalsozialistischen Rechtssystems, 1987;
Brenzina, M., Ehre und Ehrenschutz im nationalsozialistischen Recht, 1987;
Werle, G., Zur Reform des Strafrechts in der NS-Zeit, NJW 1988, 2865; Rüthers,
B., Recht als Waffe des Unrechts, NJW 1988, 2825; Stolleis, M., Recht im
Unrecht, 1994; Reiter, R., Nationalsozialismus und Moral, 1996; Vogl, R., Stückwerk und
Verdrängung, 1997; Faupel, R./Eschen, K., Gesetzliches Unrecht, 1998; Dörner,
B., „Heimtücke“, 1998; Friedrich, J., Freispruch für die Nazi-Justiz, 1998;
Dokumentation des NS-Strafrechts, hg. v. Ostendorf, H. 2000; Spoerer, M.,
Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz, 2001; Enzyklopädie des Nationalsozialismus
(1997) CD-ROM, hg. v. Benz, W. u. a. 2000; Feldman, G., Die Allianz und die
deutsche Versicherungswirtschaft, 2001
Nationalstaat ist der die Einheit der -> Nation und die Abgrenzung gegenüber anderen Nationen besonders betonende Staat seit dem 19. Jh. (z. B. Frankreich), verstärkt seit 1918.
Lit.:
Köbler, DRG 205; Hugelmann, K., Stämme, Nation und Nationalstaat im deutschen
Mittelalter, 1955; Meinecke, F., Weltbürgertum und Nationalstaat, 7. A. 1963;
Huber, E., Nationalstaat und Verfassungsstaat, 1965; Schöllgen, G.,
Determinanten deutscher Identität, Hist. Jb. 105 (1985), 455; Langewiesche, D., Nation, Nationalismus, Nationalstaat, 2000
Nationalversammlung ist eine die -> Nation vertretende Versammlung von Abgeordneten. In Frankreich ist N. das Parlament. Im Deutschen Bund bereitet die deutsche N. die Verfassung vor. Auf Grund von Wahlen in den Einzelstaaten wird sie am 18. 5. 1848 in der Frankfurter Paulskirche eröffnet und nach dem 28. 4. 1849 infolge Scheiterns der politischen Bewegung aufgelöst. Daneben tagt auch eine preußische N. Am 6. 2. 1919 wird in Weimar eine verfassunggebende N. eröffnet, die den Entwurf einer Reichsverfassung am 31. 7. 1919 verabschiedet.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 171, 221, 256; Stenographischer Bericht über die Verhandlungen der deutschen constituierenden Nationalversammlung zu Frankfurt am Main, hg. v. Wigard, F., Bd. 1ff. 1948/9; Schrader, R., Die Fraktionen der preußischen Nationalversammlung von 1848, Diss. phil. Leipzig 1923; Ziegler, W., Die deutsche Nationalversammlung 1919/29, 1932; Mann, B., Das Ende der Nationalversammlung im Jahre 1849, HZ 214 (1972), 265; Siemann, W., Die Frankfurter Nationalversammlung, 1976; Laufs, A., Recht und Gericht im Werk der Paulskirche, 1978; Fiedler, W., Die erste deutsche Nationalversammlung, 1980; Diestelkamp, B., Nationalversammlung, HRG, Bd. 3 1980; Nörr, K., Die Weimar Nationalversammlung und das Privatrecht, Gedächtnisschrift W. Kunkel, 1984, 317; Meinerzhagen, U., Möglichkeiten und Grenzen sozialpolitischen Handelns in der Frankfurter Nationalversammlung, Diss. jur. Heidelberg 1987; Die Frankfurter Nationalversammlung 1948/49, hg. v. Koch, R., 1989
Naturalersatz (Naturalrestitution) ist der Ersatz eines Schadens in Natur.
Lit.: Köbler, DRG 166, 217
Naturalisation (Einbürgerung) ist die seit dem 19. Jh. gesetzlich genau festgelegte Verleihung der Staatsbürgerschaft.
Lit.: Rehm, H., Der Erwerb der Staats- und Gemeindeangehörigkeit, Ann. d. Dt. Reichs-Gesetzgebung 25 (1892), 137; Zenthöfer, E., Zur Geschichte des Begriffs der Staatsangehörigkeit, Diss. jur. Königsberg 1938; Grawert, R., Staat und Staatsangehörigkeit, 1973
naturalis obligatio (lat. [F.]) ist im römischen Recht die natürliche, unvollkommene Verbindlichkeit (z. B. Geschäftsschuld eines Sklaven oder Hauskindes). Sie kann freiwillig erfüllt, ihre Erfüllung kann aber nicht erzwungen werden. In der Neuzeit gelten Spielschulden und Ehemäklerlohn als nicht erzwingbare Verbindlichkeiten.
Lit.: Kaser
§§ 15 I 4c, 33 II, 49 II 1a, 60 II 3c; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd.
1f. 1985ff.; Landolt, P., Naturalis obligatio and bare social duty, 2000
Naturalleistung ist die Leistung in Natur. Im spätantiken römischen Recht ist der Inhalt des Leistungsurteils wegen der wirtschaftlichen Verschlechterung grundsätzlich auf N. gerichtet. Geldersatz ist nur zu erbringen, wenn die an sich geschuldete Leistung unmöglich oder ungenügend ist. Im Mittelalter sind Leistungen weitgehend als N. zu bewirken. Seit dem Spätmittelalter wird das römische Recht aufgenommen.
Lit.: Köbler, DRG 63, 166, 217; Lamprecht, K., Deutsches Wirtschaftsleben im Mittelalter, Bd. I 2 1886, 944; Haussherr, H., Wirtschaftsgeschichte der Neuzeit, 4. A. 1970, 4, 378
Naturalrestitution -> Naturalersatz, Naturalleistung
Naturalwirtschaft ist die geldlose Wirtschaft. Sie findet sich dort, wo Geld völlig fehlt oder keinen wirtschaftlichen Wert hat (z. B. Germanen, Spätantike). Sie ist der Geldwirtschaft an Beweglichkeit unterlegen.
Lit.: Köbler, DRG 57, 77; Dopsch, A., Naturalwirtschaft und Geldwirtschaft, 1930
Natur der Sache ist das Wesen eines Gegenstandes. Unter (lat.) natura (F.) rei verstehen die klassischen römischen Juristen eine Schranke rechtlicher Gestaltungsmöglichkeit. Demgegenüber wird die N. d. S. in der 2. Hälfte des 18. Jh.s bei ->Pütter (1725-1807) und -> Runde (1741-1807) als Rechtsquelle (des gesamten -> deutschen Privatrechts) verwendet. Mit dem Naturrecht wird dies als nicht überzeugend wieder aufgegeben.
Lit.:
Kroeschell, DRG 3; Dreier, R., Zum Begriff der Natur der Sache, 1965; Marx, H., Die juristische Methode der
Rechtsfindung aus der Natur der Sache, Diss. jur. Göttingen 1967; Dießelhorst,
M., Die Natur der Sache, 1968; Neusüß, W., Gesunde Vernunft und Natur der
Sache, 1970;
Holzhauer, H., Natur als Argument in der Rechtswissenschaft, FS K. Kroeschell,
hg. v. Köbler, G. u. a., 1997
natürliche Grenze ist die von der Natur durch Wasser, Sümpfe, Wälder, Gebirge oder Wüsten gebildete -> Grenze eines Gebietes. Sie verliert im Laufe der menschlichen Geschichte ihre Bedeutung gegenüber der künstlichen Grenze.
Lit.: Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994
Naturrecht ist die Gesamtheit der der Natur innewohnenden, zeitlos gültigen, vernunftnotwendigen und vom Menschen nicht geschaffenen Rechtssätze. Das N. ist bereits der griechischen Philosophie (griech. physei dikaion [N.]) als Gegensatz zum vom Menschen gesetzten Recht (griech. thesei dikaion [N.]) bekannt. Danach ist von Natur aus rechtens, was überall und schon unabhängig von menschlicher Zustimmung gilt. Dieses N. wird von den Römern als von der (lat.) naturalis ratio (F.) beherrschtes ius (N.) naturale übernommen (z. B. Verbindung von Mann und Frau und Aufzucht von Kindern) und dem (lat.) ius (N.) gentium zur Seite gestellt. Nach christlicher Ansicht stammt es (als [lat.] lex [F.] aeterna, vom Menschen erkennbar in der [lat.] lex [F.] naturalis) von Gott. Demgegenüber sehen die Glossatoren das römische Recht als gegeben an und stellen die Frage nach einem übergeordneten Naturrecht nicht. In der frühen Neuzeit betonen spanische Spätscholastiker (z. B. Francisco de Vitoria 1493-1546, Fernando Vasquez 1512-1569) und deutsche Reformierte (z. B. Johann Oldendorp 1486-1567, Johannes Althusius 1557-1638) erneut die besondere Bedeutung des Naturrechts. Der in Leiden und Orléans am gemeinen Recht geschulte Niederländer Hugo -> Grotius (1583-1645) überführt in (lat.) De iure praedae (1606-8) und in (lat.) De iure belli ac pacis tres (Drei Bücher Kriegs- und Friedensrecht, 1624) die Naturrechtslehren aus der Moraltheologie in die Rechtswissenschaft. Ihm folgt in Deutschland zunächst Samuel Pufendorf (1632-1694, [lat.] De iure naturae et gentium libri octo, Acht Bücher Natur- und Völkerrecht, 1672), der in Heidelberg im Jahre 1661 (außerhalb der juristischen Fakultät) den ersten Lehrstuhl für N. erhält. Weil das N. jetzt besonders auf die Vernunft abstellt, bezeichnet man es auch als -> Vernunftrecht. Klassischer Vertreter des deutschen Vernunftrechts ist der im wesentlichen mit der Reformuniversität -> Halle verbundene Christian -> Thomasius (1655-1720, [lat.] Fundamenta [N.Pl.] iuris naturae et gentium, 1705, Grundlagen des Natur- und Völkerrechts), der das Recht endgültig von Theologie und Moral befreit. Sein Schüler Christian -> Wolff (1679-1754) schließlich stellt unter starkem Rückgriff auf das im usus modernus pandectarum verwendete gemeine Recht seiner Zeit ein geschlossenes System naturrechtlicher Sätze insgesamt auf ([lat.] Ius [N.] naturae methodo scientifica pertractatum, 1740-1749, Naturrecht wissenschaftlich durchgeführt), mit dem er jedoch, weil er in konstruktiver Überspitzung etwa für einen einzigen einzelnen Folgesatz bis zu 300 Obersätze voraussetzt, zugleich die Ablösung des (in Frankreich und England sowie im positivistisch-historisch bestimmten Kirchenrecht der frühen Neuzeit fremd bleibenden) Naturrechts als in der Rechtswirklichkeit nicht brauchbar einleitet. Unmittelbare Übernahme von behaupteten Naturrechtssätzen in die Rechtspraxis finden sich kaum. Bei Darjes und Nettelbladt geht das N. bereits in der Dogmatik des geltenden rechts auf. Nach 1945 werden kurzfristig naturrechtliche Gedanken wieder aufgegriffen. Problematisch ist das N. deswegen, weil es mit bereits vorausgesetzten ethischen Kriterien an die Wirklichkeit herantritt und aus ihr auswählt, was es für maßgeblich hält.
Lit.: Kroeschell, DRG 2,3; Köbler, DRG 31, 144, 145; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 245; Schubert, A., Augustins Lex-aeterna-Lehre, 1924; Dulckeit, G., Naturrecht und positives Recht bei Kant, 1932, Neudruck 1973; Thieme, H., Die Zeit des späten Naturrechts, ZRG GA 56 (1936), 202; Stratenwerth, G., Die Naturrechtslehre des Johannes Duns Scotus, 1951; Flückiger, F., Geschichte des Naturrechts, 1954; Thieme, H., Das Naturrecht und die europäische Privatrechtsgeschichte, 2. A. 1954; Welzel, H., Naturrecht und materiale Gerechtigkeit, 4. A. 1962; Wieacker, F., Vom heutigen Stand der Naturrechtsdiskussion, 1965; Weigand, R., Die Naturrechtslehre der Legisten und Dekretisten, 1967; Rüping, H., Die Naturrechtslehre des Christian Thomasius, 1968; Wunner, S., Christian Wolff und die Epoche des Naturrechts, 1968; Weinkauff, H., Der Naturrechtsgedanke in der Rechtsprechung, NJW 13 (1969), 1689; Röd, W., Geometrischer Geist und Naturrecht, 1970; Luig, K., Zur Verbreitung des Naturrechts in Europa, TRG 40 (1972), 539; Naturrecht in der Kritik, hg. v. Böckle, F. u. a., 1973; Teubner, W., Kodifikation und Rechtsreform in England, 1974; Nörr, K., Naturrecht und Zivilprozess, 1976; Carpintero-Benitez, F., Del derecho natural medieval al derecho natural moderno, 1977; Wesener, G., Römisches Recht und Naturrecht, 1978; Link, C., Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1979; Luig, K., Der Einfluss des Naturrechts auf das positive Privatrecht im 18. Jahrhundert, ZRG GA 96 (1979), 38; Lipp, M., Die Bedeutung des Naturrechts für die Ausbildung der allgemeinen Lehren, 1980; Christian Wolff 1679-1754, hg. v. Schneiders, W., 1983; Klippel, D., Naturrecht als politische Theorie, in: Aufklärung als Politisierung, hg. v. Bödeker, H. u. a. 1987, 267; Christian Thomasius 1655-1728, hg. v. Schneiders, W., 1989; Bühler, C., Die Naturrechtslehre und Christian Thomasius 1655-1728, 1989; Doe, N., Fundamental Authority in Late Medieval English Law, 1990; Böhme, H., Politische Rechte des Einzelnen in der Naturrechtslehre, 1993; Naturrecht - Spätaufklärung - Revolution, hg. v. Dann, O., 1995; Voppel, D., Der Einfluss des Naturrechts auf den usus modernus, 1996; Naturrecht im 19. Jahrhundert, hg. v. Klippel, D., 1997; Recht zwischen Natur und Geschichte, hg. v. Kerregan, F. u. a., 1997; Bruch, R., Ethik und Naturrecht, 1997; Seelmann, K., Theologie und Jurisprudenz, 1997; Wie erkennt man Naturrecht, hg. v. Seifert, J., 1998; Landau, P., Methoden des kanonischen Rechts in der frühen Neuzeit zwischen Humanismus und Naturrecht, ZNR 21 (1999), 7; Hammerstein, N., Die Naturrechtslehre an den deutschen, insbesondere den preußischen Universitäten, in: Reformabsolutismus und ständische Gesellschaft, 1998, 3; Scattola, M., Das Naturrecht vor dem Naturrecht, 1999; Drescher, A., Naturrecht als utilitaristische Pflichtenethik?, 1999; Die Hallesche Schule des Naturrechts, hg. v. Rüping, H., 2002
Naturrechtler ist der Vertreter des -> Naturrechts.
Lit.: Krause, D., Naturrechtler des sechzehnten Jahrhunderts, 1982
Naturrechtskodifikation ist die auf -> Naturrecht gegründete -> Kodifikation an der Wende vom 18. zum 19. Jh.
Lit.: Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967
Naturschutz ist der Schutz der Natur (natürlichen Landschaft) durch den Staat. Der N. entsteht im 20. Jh. und wird in dessen zweiter Hälfte vom allgemeineren Umweltschutz eingeschlossen.
Lit.: Lorz,
A., Naturschutzrecht, 1985; Wettengel, M., Staat und Naturschutz, HZ 1993, 2,
335; Naturnutzung und Naturschutz in der
europäischen Rechts- und Verwaltungsgeschichte, hg. v. Heyen, V., 1999
Lit.: Fried, J., Aufstieg aus dem Untergang,
2001
Navarra ist das Gebiet zwischen Pyrenäen und Ebro, das hauptsächlich von Basken besiedelt wird. 905 wird es Königreich, fällt aber 1026 kurzfristig an Kastilien und gerät seit 1234 unter den Einfluss Frankreichs (1234-1274 Grafen der Champagne, 1284/1291-1328 Frankreich, 1329-1425 Grafen von Evreux). Der südliche Teil wird 1512 von Aragonien erobert und zu Kastilien gezogen. Der nördliche Teil kommt 1589 zu Frankreich.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,251
Naziregime -> Nationalsozialismus
Neapel beruht auf einer im 8./7. Jh. v. Chr.
von Cumae aus eingerichteten Kolonie, neben der im 5. Jh. eine Neustadt
(griech. Neapolis) gebaut wird. Über Römer und Oströmer gelangt es 1057 bzw.
1139 an die Normannen (-> Sizilien). 1224 wird es durch Kaiser Friedrich II. Sitz
einer Universität. Über Anjou (1266/8), Aragonien (1435), Piemont (1713),
Österreich (1720), die Bourbonen (1735) kommt N. 1860 an Sardinien-Piemont und
danach 1861 zu Italien.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Gunn, P.,
Neapel, 1964; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren, europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,97, 3,1,233,
3,2,2359, 3,3,3218;
Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
ne bis in
idem (lat.) Nicht zweimal in derselben (Sache)
Lit.: Schwarplies, Die
rechtsgeschichtliche Entwicklung des Grundsatzes "ne bis in idem",
Diss. jur. Zürich 1970
necessitas non habet legem (lat.). Not kennt kein Gebot.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 126, Nr. 10 (Glosse Expedire zu Digesten 1, 10, 1, § 1)
ne eat iudex ultra petita partium (lat.). Der Richter soll nicht über die Anträge der Parteien hinausgehen.
Lit.: Liebs, D. Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991
neglegentia (lat. [F.]) ist die Nachlässigkeit im spätantiken römischen Schuldrecht.
Lit.: Köbler, DRG 63; Negligence, hg. v. Schrage, E., 2001
negotiorum gestio (lat. [F.]) oder negotium gestum ist die bereits dem klassischen römischen Schuldrecht bekannte, vielleicht aus der Verfahrensführung eines (lat. [M.]) procurator und der Geschäftsführung eines (lat. [M.]) curator entstandene -> Geschäftsführung ohne Auftrag, welche als kontraktähnliches Verhältnis für den Geschäftsherrn einen Herausgabeanspruch und möglicherweise einen Schadensersatzanspruch gegen den Geschäftsführer und umgekehrt möglicherweise einen Aufwendungserstattungsanspruch des Geschäftsführers gegen den Geschäftsherrn begründet.
Lit.: Kaser §§ 8 I 2e, 44 II; Söllner §§ 9, 18; Köbler, DRG 47; Seiler, H., Der Tatbestand der negotiorum gestiorum gestio, 1968; Wollschläger, C., Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Nehrman-Ehrenstrale, David (1695-1769), Malmöer Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Lund, Rostock, Halle (Thomasius, Gundling) und Leiden 1720 Professor, 1721 ordentlicher Professor für schwedisches und römisches Recht in Lund und hält als erster schwedische Vorlesungen. 1729 veröffentlicht er die erste, vom römischen Recht gelöste wissenschaftliche Darstellung des Privatrechts Schwedens (Inledning til then swenska iurisprudentiam civilem). Seit 1734 folgt er dem neuen schwedischen Gesetzbuch.
Lit.: Modéer, K., Einleitung zu: David Nehrman-Ehrenstrale, Inledning ..., 1979, 26
Neidingswerk ist im mittelalterlichen nordgermanischen Recht die Missetat oder verächtliche Handlung. Voraussetzung und Folgen sind unterschiedlich.
Lit.: Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922; See, K. v., Altnordische Rechtswörter, 1964; Hemmer, R., Die Missetat im altschwedischen Recht, 1965
nemo iudex in causa sua (lat.). Niemand sei Richter in eigener Sache.
Lit.:
Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A.
1991, 131, Nr. 56 (Codex Justinianus 3,5 Rubrik, 534)
nemo iudex sine actore (lat.). Kein Richter ohne Kläger.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 131, Nr. 57
nemo plus iuris ad alium transferre potest, quam ipse habet (lat.). Niemand kann mehr Rechte auf einen anderen übertragen, als er selbst hat.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 132, Nr. 63 (Ulpian, um 170-223, Digesten 50, 17, 54)
nemo simul actor et iudex (lat.). Niemand kann zugleich als Kläger und Richter auftreten.
Lit.:
Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 134, Nr. 75 (Burchard von Worms, 965-1025, Decretum 16, 15)
Neoabsolutismus ist der der Verfassungsbewegung des frühen 19. Jh.s. und besonders des Jahres 1848 folgende Abschnitt des -> Absolutismus (in Österreich besonders 1851 [Silvesterpatent] – 860 [Oktoberdiplom] bzw. 1861 [Februarpatent] bzw. 1867 [Dezemberverfassung]). Im N. werden die Geschworenengerichte, der liberale Strafprozess, das liberale Prozessrecht, Vereinsrecht und Gemeinderecht wieder aufgegeben.
Lit.: Köbler, DRG 171, 193; Baltl/Kocher; Brandt, H., Der österreichische Neoabsolutismus, Bd. 1f. 1878
Nepotismus ist die Begünstigung von nahestehenden Menschen durch Machthaber, besonders in der katholischen Kirche des 15. bis 17. Jh.s.
Lit.: Reinhard, W., Nepotismus, ZKG 86 (1975), 145
Neratius (Saepinum 55/60 - nach 133) wird nach langjähriger Ämterlaufbahn von dem römischen Kaiser Trajan (98-117) in den kaiserlichen Rat aufgenommen. Er ist ein führender Vertreter der -> Prokulianer. Sein Hauptwerk sind 7 Bücher (lat. [F.Pl.]) membranae, in denen Streitfragen oder allgemeine Rechtssätze und Begriffserklärungen erörtert werden.
Lit.: Söllner § 16; Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 144, 410; Maifeld, J., Die aequitas bei Lucius Neratius Priscus, 1991
Nerva filius (1. Jh. n. Chr.) ist ein römischer Jurist, dessen Sohn Kaiser (96-98) wird. Er ist -> Prokulianer. Von ihm ist der Buchtitel (lat.) libri (M.Pl.) de usucapionibus überliefert.
Lit.: Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 130
Nerva pater (-33 n. Chr.) ist ein römischer Jurist, dessen Enkel Kaiser (96-98) wird. Er ist Haupt der -> Prokulianer. Die Titel seiner durch die Digesten überlieferten Schriften sind nicht bekannt.
Lit.: Söllner § 16; Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 120
Nettelbladt, Daniel (Rostock 14. 1. 1719 - Halle 4. 9. 1791), Kaufmannssohn, wird nach dem Studium (der Theologie und) des Rechts in Rostock, Marburg (Wolff) und Halle 1746 Professor in Halle. 1749 veröffentlicht er eine Übersicht über das Naturrecht ([lat.] Systema [N.] elementare universae iurisprudentiae naturalis, Grundsystem der gesamten Naturrechtswissenschaft) und das geltende Recht ([lat.] Systema elementare universae iurisprudentiae positivae, Grundsystem der gesamten positiven Rechtswissenschaft), in denen er die Rechte und Pflichten betreffenden Wahrheiten (objektive Rechtswissenschaft) unter Bildung allgemeiner Teile vermitteln will. In seinen Werken geht das -> Naturrecht in gewisser Weise in der Dogmatik des positiven Rechts auf. Als Einzelheit erwähnenswert ist die Entwicklung des allgemeinen prozessrechtswissenschaftlichen Begriffes der Prozesshandlung. Zu Nettelbladts Schülern gehören von Carmer, Svarez und Klein, welche das preußische Allgemeine Landrecht (1794) maßgeblich prägen.
Lit.: Köbler, DRG 156, 159; Schwarz, B., Zur Entstehung des modernen Pandektensystems, ZRG RA 42 (1921), 578; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967, 321; Neusüß, W., Gesunde Vernunft und Natur der Sache, 1970, 52
Neubruch (lat. [N.] novale) ist das neugerodete Land. Von ihm wird seit dem 8. Jh. ein ->Zehnt gefordert.
Lit.: Pöschl, A., Der Neubruchzehnt, AKKR 98 (1918), 3
Neuenburg (Neuchâtel) erscheint auf der Grundlage älterer Siedlungen 1101 als neue Burg, die 1032/3 zum deutschen Reich gelangt. Am 12. 9. 1814 schließt sich N. als 21. Kanton der -> Schweiz an. 1838 erhält es eine Universität.
Lit.:
Köbler, Historisches Lexikon; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff,
2,2,455, 3,2,1879; Stribrny, W., Die Könige von Preußen als Fürsten von
Neuenburg-Neuchâtel (1707-1848), 1998
Neuhegelianismus ist eine Fortführung der Gedanken -> Hegels im späten 19. und frühen 20. Jh.
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Neukantianismus ist eine Fortführung der Gedanken Kants im späten 19. und frühen 20. Jh.
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Neumarkter Rechtsbuch ist das für Neumarkt in Schlesien aus der vierten deutschen Fassung des Sachsenspiegels und dem 1235 verfassten Schöffenbrief Halles an Neumarkt wohl in der ersten Hälfte des 14. Jh.s (1327/35) hergestellte, in einer unvollständigen Handschrift (des ersten Drittels?) des 14. Jh.s überlieferte Rechtsbuch. Das davon verschiedene Neumarkter Recht ist in zahlreichen Orten Schlesiens und Polens nachzuweisen. 1352 schließt sich Neumarkt dem Magdeburg-Breslauer Recht an.
Lit.: Meinardus, O., Das Neumarkter Rechtsbuch, 1906; Sandow, E., Das Halle-Neumarkter Recht, 1932; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 60; Kannowski, B./Dusil, S, Der hallensische Schöffenbrief für Neumarkt von 1235 und der Sachsenspiegel, ZRG GA 120 (2003) 61
Neumünstersche Kirchspielbräuche sind gewohnheitsrechtliche, spät aufgezeichnete Rechtssätze des Kirchspiels Neumünster in Holstein.
Lit.: Seestern-Pauly, F., Die Neumünsterschen Kirchspielgebräuche und die Bordesholmischen Amtsgebräuche, 1824; Sievers, H., Die Neumünsterschen Kirchspielbräuche und die Bordesholmischen Amtsgebräuche, Diss. jur. Kiel 1956
Neun Bücher des Magdeburger Rechts sind ein zwischen 1400 und 1402 von dem seit 1385 in Thorn als Stadtschreiber nachweisbaren Walter Ekhardi aus der systematischen Fassung der -> Magdeburger Fragen, dem alten -> Kulm, dem glossierten -> Sachsenspiegel, dem Magdeburger Weichbild, dem Lehnrecht in Distinktionen und dem -> Meißner Rechtsbuch zusammengestelltes Rechtsbuch. Um 1408 werden die Neun Bücher des Magdeburger Rechts unter Verwendung des Richtsteig Landrechts und des Schwabenspiegels auf die Hälfte gekürzt. Diese Fassung wird 1574 von dem Notar Albert -> Poelmann (Königsberg) in Magdeburg herausgegeben.
Lit.: Amira, K. v. /Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 171; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 51
Neuostpreußen ist ein von Preußen bei den Teilungen -> Polens 1793/5 erlangtes Gebiet.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon (Preußen); Bussenius, C., Die preußische Verwaltung in Süd- und Neuostpreußen 1793-1806, 1960
Neustrien (Westgebiet ?) ist ein Teil des fränkischen Reiches vom späten 6. Jh. (um 600 ?) bis zum 8. Jh.
Lit.: Kretschmer, P., Das Rätsel des Namens Neustria, Forschungen und Fortschritte 14 (1938), 114; Lugge, M., Gallia und Francia im Mittelalter, 1960; La Neustrie, hg. v. Atsma, H., 1989
Neutralität ist die Nichtbeteiligung eines Staates an einer kriegerischen Auseinandersetzung. Sie findet sich seit dem ausgehenden Mittelalter, als bewaffnete N. seit dem späten 18. Jh. 1856 begründet die Pariser Seerechtsdeklaration das moderne Neutralitätsrecht. Die Schweiz behauptet seit 1815, Österreich seit 1955 N. (2001 Allianzfreiheit).
Lit.:
Köbler, DRG 248; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 315; Bergbohm, C.,
Die bewaffnete Neutralität 1780-1783, 1884; Verosta, S., Die dauernde
Neutralität, 1967; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994; Chevallez, G., Die
Herausforderung der Neutralität, 1997; Setzen, F., Neutralität im zweiten
Weltkrieg, 1997; Neff, S., The rights and duties of neutrals, 2000
Neuzeit ist der dem Mittelalter folgende, durch
zahlreiche Neuerungen (z. B. Entdeckung
Amerikas 1492, neues heliozentrisches Weltbild, neues Verhältnis zu Gott, neue
Beziehung zum Altertum usw.) gekennzeichnete Abschnitt der menschlichen
Geschichte (Christoph
Cellarius [Keller] [1634-1707], Historia tripartita).
Lit.: Köbler, DRG 129; Friedell, E., Kulturgeschichte der Neuzeit, Neudruck 1996; Handbook of European History 1400-1600, hg. v. Brady, T. u. a., Bd. 1f. 1994; Leimgruber, N., Die Frühe Neuzeit, 1997; Vogler, G., Europas Aufbruch in die Neuzeit, 2003
Nevolin, Konstantin Alekseevic (1806-1855) wird nach dem Rechtsstudium in Sankt Petersburg und Berlin (Savigny) Professor in Kiew und seit 1843 in Sankt Petersburg. Er wirkt an der Abfassung des -> Svod Zakonov mit. In seiner Geschichte der juristischen Zivilgesetze setzt er sich für die Übernahme der Gedanken der -> historischen Rechtsschule in -> Rußland ein.
Lit.: Grothusen, K., Die historische Rechtsschule
Rußlands, 1961; Wortman, R., The Development of a Russian legal Consciousness,
1976
nexti canthichio ist eine salfränkische Wendung des (lat.-afrk.) -> thunginus des frühen 6. Jh.s (ich verstricke den Streitgegner [im Rahmen der Vollstreckung]?).
Lit.: Pactus Legis Salicae, hg. v. Eckhardt, K., 1962,
285
nexum (lat. [N.] Verknüpfung) ist ein umstrittenes, vermutlich schon im 4. Jh. v. Chr. verbotenes Haftungsgeschäft des altrömischen Rechts, bei dem durch Erz und Waage, also wohl zunächst gegen tatsächliches Entgelt (Darlehen), jemand einem anderen eine Zugriffsmacht mit der Möglichkeit der Enthaftung durch Rückzahlung einräumt.
Lit.: Kaser §§ 6 II, 7 I 3, 32 II 3b, 4c, 39 I 1; Söllner § 8; Köbler, DRG 27
Nichtberechtigter ist eine Person, der ein Recht (bzw. die Verfügungsmacht) zu dem von ihr geübten Verhalten fehlt. Nach dem römischen Recht kann von einem Nichtberechtigten grundsätzlich nicht erworben werden (lat. -> nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet). Dagegen eröffnet das mittelalterliche Recht den -> gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten.
Lit.: Söllner, A., Der Erwerb vom Nichtberechtigten in romanistischer Sicht, FS H. Coing, 1982, 363
Nichteheliche Lebensgemeinschaft ist die ohne Eheschließung ausgeübte Lebensgemeinschaft eines Mannes und einer Frau. Ursprünglich vor allem von der Kirche als -> Konkubinat oder Verhältnis bekämpft, setzt sich die n. L. seit etwa 1980 allmählich durch. Für sie gelten im wesentlichen die allgemeinen Regeln.
Lit.:
Kroeschell, DRG 3; Schwab, D., Eheschließungsrecht und nichteheliche
Lebensgemeinschaft, FamRZ 1981, 1151; Die nichteheliche Lebensgemeinschaft, hg.
v. Landwehr, G., 1978; Die nichteheliche Lebensgemeinschaft, hg. v. Eser, A.,
1985;
Schreiber, C., Die nichteheliche Lebensgemeinschaft, 1995
Nichteheliches Kind ist in der Bundesrepublik Deutschland seit 19. 8. 1969 das
uneheliche Kind. Dieses ist auch mit seinem Erzeuger verwandt. Gegenüber dem
früheren Recht ist sein Unterhaltsanspruch erweitert und durch die
Regelunterhaltsverordnung (27. 6. 1970) präzisiert. Dennoch bestehen weiter
Unterschiede zum ehelichen Kind (Feststellung der Vaterschaft, Name, elterliche
Sorge, Unterhalt, Erbrecht). Am 12. 6. 1991 entscheidet das
Bundesverfassungsgericht, dass den Eltern eines nichtehelichen Kindes gemeinsam
das Sorgerecht zustehen kann. 1998 wird in Deutschland die
Unterscheidung zwischen nichtehelichen Kindern und ehelichen Kindern beseitigt.
Lit.:
Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 267; Leineweber, A., Die rechtliche Beziehung
des nichtehelichen Kindes, 1978; Schubert, W., Die Projekte der Weimarer
Republik zur Reform des Nichtehelichen-, des Adoptions- und
Ehescheidungsrechts, 1986; Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache,
1991, 214; Heinrich, T., Das preußische Nichtehelichenrecht, 1993; Winkler, W.,
Nichteheliche Kinder und landwirtschaftliches Erbrecht, FS K. Kroeschell, hg.
v. Köbler, G. u. a., 1997; Bors, M., Bescholtene Frauen vor Gericht, 1998;
Arends Olsen, L., La femme et l’enfant, 1999; Schmitz, U., Der Unterhaltsanspruch
des nichtehelichen Kindes gegen seinen Erzeuger, 2000; Die Reform des
Nichtehelichenrechts (1961-1969), hg. v. Schubert, W., 2003
Nichterfüllung ist das Ausbleiben der Leistung eines Schuldners. Hier kennt bereits das römische Recht in vielen Fällen die Verurteilung zum Sachwert bzw. später den Schadenersatz. Dieses römische Recht wird seit dem Spätmittelalter weitgehend übernommen. Hieraus entwickelt sich das Leistungsstörungsrecht für -> Verzug, -> Unmöglichkeit und sonstige Pflichtverletzung (-> positive Forderungsverletzung).
Lit.: Kaser § 37; Scherner, K., Rücktrittsrecht wegen Nichterfüllung, 1965; Jakobs, H., Unmöglichkeit und Nichterfüllung, 1969
Nichtigkeit ist die völlige Unwirksamkeit einer an erheblichen, nicht billigenswerten Mängeln leidenden Handlung. Sie ist schon dem römischen Recht bekannt, ohne dass dieses eine durchgehende Begrifflichkeit ausbildet. Im Prozess betrifft sie das Urteil. Auch im seit dem Spätmittelalter aufgenommenen römischen Recht fehlt noch eine allgemein anerkannte Lehre der Unwirksamkeit von Verträgen, doch wird die Unwirksamkeit bereits als (lat. [F.]) nullitas bezeichnet.
Lit.: Kaser
§§ 9 I, 84 II 31; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 413; Kriechbaum, M., Teilnichtigkeit und Gesamtnichtigkeit, in: Das
Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 39
Nichtigkeitsbeschwerde ist die Nichtigkeit behauptende Beschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung. Sie wird auf umstrittener Grundlage in Italien seit dem 12. Jh. für grobe Verfahrensfehler (bei einer [lat.] sententia [F.] nulla) allmählich entwickelt (lat. querela [F.] nullitatis). Seit dem 16. Jh. wird sie im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) in unklarer Abgrenzung zur -> Appellation aufgenommen. Seit 1877/9 kann eine Nichtigkeit nur in den gesetzlich fest umrissenen Fällen der -> Wiederaufnahme des Verfahrens geltend gemacht werden (Nichtigkeitsklage). Im Strafverfahren des Nationalsozialismus kann ein rechtskräftiges Urteil vom Oberreichsanwalt mit der N. angegriffen werden. -> Nichtigkeitsklage
Lit.: Köbler, DRG 156, 235; Kroeschell, 20. Jh.; Skedl, A., Die Nichtigkeitsbeschwerde, 1886; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat, 1973, 395; Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation, 1976, 46
Nichtigkeitsklage ist die Klage, mit der die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens angestrebt werden soll. Sie wird im römisch-kanonischen Verfahren seit dem 12./13. Jh. in bestimmten Fällen zulässig (lat. actio [F.] nullitatis). Die Abgrenzung zu Appellation und Nichtigkeitsbeschwerde ist unscharf. Seit 1877/9 kann eine N. nur in den gesetzlich fest umrissenen Fällen der -> Wiederaufnahme des Verfahrens erhoben werden. -> Nichtigkeitsbeschwerde
Lit.: Köbler, DRG 117; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966, 393; Endemann, W., Das deutsche Zivilprozessrecht, 1868, Neudruck 1969, 937
Nichtschuld ist das Fehlen einer Verbindlichkeit. Bereits das klassische römische Recht gewährt bei Leistung auf eine N. einen Ausgleichsanspruch (lat. condictio [F.] indebiti). Dieser wird seit dem Spätmittelalter im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) aufgenommen (Worms 1499). -> Bereicherung
Lit.: Köbler, DRG 47, 166
Nicolai, Pierre-Thomas (Aubel 1763-1836), Richterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Reims Advokat in Limburg, danach Richter im französisch gewordenen Gebiet, 1800 in Lüttich und seit 1820 Politiker. Er bewirkt, dass 1821 der bereits von -> Napoleon (1811) eingeführte französische -> Code civil die Grundlage der Beratung für das erst 1838 in Kraft getretene Burgerlijk Wetboek der -> Niederlande wird und damit die Niederlande im französischen Rechtskreis verbleiben und das 1830 verselbständigte -> Belgien vom neuen niederländischen Privatrechtsgesetzbuch erst gar nicht erfasst wird.
Lit.: Dievoet, E. van, Het burgerlijke recht, 1943, 23
Niebuhr, Barthold Georg (Kopenhagen 27. 8. 1776 - Bonn 2. 1. 1831), Geographensohn, wird nach dem Studium in Kiel, London und Edinburgh Staatsbediensteter in Dänemark (1800) und Preußen. Sein Hauptwerk ist die „Römische Geschichte“ (Bd. 1ff. 1811ff.). 1816 entdeckt er auf einen Hinweis Savignys in der Bibliothek des Domkapitels von Verona eine Handschrift der Institutionen des -> Gaius (Palimpsest des 8. Jh.s einer Handschrift des 5./6. Jh.s.).
Lit.: Söllner § 16; Gaius, Institutionum commentarii quattuor, hg. v. Studemund, G., 1874; Rytkönen, S., Barthold Georg Niebuhr, 1968; Wilte, B., Der preußische Tacitus, 1979
niederdeutsch ist das nicht von der (althochdeutschen) Lautverschiebung erfasste, räumlich den niedrig liegenden Norden betreffende Deutsche (altniederfränkisch, altsächsisch, mittelniederdeutsch [z. B. -> Sachsenspiegel]), das in der Neuzeit dem Hochdeutschen unterliegt.
Lit.: Köbler, G., Altniederdeutsch-neuhochdeutsches und neuhochdeutsch-altniederdeutsches Wörterbuch. 2. A. 1982
niederer Adel ist in neuzeitlich-abwertender Bezeichnung der nur ritterbürtige, teils aus der Unfreiheit aufgestiegene -> Adel im Gegensatz vor allem zum Landesherrschaft habenden Adel.
Lit.: Stutz, U., Zum Ursprung und Wesen des niederen Adels, 1937; Herrschaft und Stand, hg. v. Fleckenstein, J., 2. A. 1979; Rödel, V., Reichslehenswesen, Ministerialität, Burgmannschaft und Niederadel, 1979
niedere Vogtei ist im deutschen Südwesten der frühen Neuzeit ein aus dem Niedergericht hervorgegangenes Bündel grundherrschaftlicher und gerichtsherrlicher Rechte (des Reichssteuern einsammelnden Grundherrn?).
Lit.: Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975, 78, 198
Niedergericht ist das für Klagen um -> Schuld und bewegliche -> Sachen sowie für leichtere Straffälle zuständige -> Gericht im Gegensatz zum -> Hochgericht und Blutgericht. N. ist etwa das Zentgericht, Gogericht, Schulzengericht, Vogteigericht, Erbgericht, Dorfgericht, Hofmarkgericht oder teilweise auch das Landgericht. Den Ausgangspunkt bildet wohl die Aussonderung einfacher Sachen aus dem Grafengericht bereits im Frühmittelalter. Im 13. Jh. steht das N. allgemein dem Landesherrn zu. Danach geht es weitgehend auf die Grundherren über (Patrimonialgericht). Die genaue Zuständigkeitsabgrenzung erfolgt zeitlich-räumlich nicht gleichmäßig.
Lit.: Hirsch, H., Die hohe Gerichtsbarkeit, 1922, Neudruck 1958,
50; Wohlhaupter, E., Hoch- und Niedergerichte, 1929; Kern, E., Geschichte des
Gerichtsverfassungsrechts, 1954, 6; Sagstetter, M., Hoch- und
Niedergerichtsbarkeit im spätmittelalterlichen Herzogtum Bayern, 2000
Niederlagsrecht ist das Recht eines Ortes, von durchreisenden Händlern die Niederlage ihrer Waren zum Verkauf am Ort zu verlangen. Es ist beispielsweise im 13. Jh. für Breslau bezeugt. Es wird meist durch stadtherrliches Privileg erlangt. Es endet im Liberalismus des 18. Jh.s (Hannoversch-Münden 1823, Köln 1831).
Lit.: Gönnenwein, O., Das Stapel- und Niederlagsrecht, 1939; Henning, F., Handelsordnungen des Mittelalters, in: Scripta mercaturae, Bd. 2 1970, 41
Niederlande sind der am Einfluss des Rheins in das Meer gelegene nordwestmitteleuropäische Staat. Das betreffende, ursprünglich von Franken, Friesen und wohl auch Sachsen besiedelte Gebiet (anfangs zwischen Somme und Ems) gelangt nach dem Aussterben der Herzöge von Burgund (1477) an die -> Habsburger, welche es 1548 im Augsburger Vertrag vom Reich verselbständigen und 1555, nun als N. (frz. Pays d’en Bas) bezeichnet, in der spanischen Linie an Philipp II. geben. Seit 1565 wehren sich Adlige in dem seit etwa 1540 zunehmend zum Calvinismus bekehrten Gebiet (von insgesamt 17 Landen) gegen die Verdichtung der habsburgisch-spanischen Herrschaft. Mit dem 1. 4. 1571 beginnt ein Aufstand, in dessen Verlauf am 18. 7. 1572 zwölf Städte in Seeland und Holland Wilhelm von Oranien zum königlichen Statthalter wählen (1650-1672, 1702-47, ab 1795 statthalterlos). 1581 entsteht daraus ein loser Staatenbund der sog. Generalstaaten (Republik der Vereinigten Niederlande). 1648 werden die seit 1635 mit Frankreich verbündeten Generalstaaten als eigener, vom Reich gelöster Staat (Republik) anerkannt. In ihm wählen die Stände den Statthalter, dessen Amt im Hause Oranien eine gewisse Erblichkeit erlangt. Zugleich erwerben die N. umfangreiche Kolonien. Seit 1798 beginnt unter der Herrschaft Frankreichs (1795) die Vereinheitlichung des bis dahin sehr zersplitterten (z. B. friesischen, holländischen, seeländischen, geldrischen), subsidiär gemeinrechtlich orientierten Rechts (1. 5. 1798 Staatsregelung für das batavische Volk [Verfassung], 1799 Entwurf einer Zivilprozessordnung und Kriminalprozessordnung, 1801/1804 Entwurf eines Peinlichen Gesetzbuchs, ab 1806/1807 Arbeiten an einem Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs). 1806 wandelt Napoleon die Republik in ein Königreich um (König Louis Bonaparte 1806-1810). Zum 1. 2. 1809 wird nach dem Vorbild Frankreichs ein Kriminalgesetzbuch für das Königreich Holland und am 1. 5. 1809 das Gesetzbuch Napoleons (Code Napoleon, Bürgerliches Gesetzbuch) für das Königreich Holland in Kraft gesetzt.Am 9. 7. 1810 wird Holland mit Frankreich vereinigt. 1811 wird das Recht Frankreichs im ehemaligen Holland eingeführt. Mit Napoleons Niederlage lösen sich die N. 1813 als Fürstentum wieder von Frankreich. Im März 1814 wird eine Verfassung (Grundgesetz für die Vereinigten Niederlande) verkündet. Zur gleichen Zeit werden südliche Gebiete, welche 1713/4 von Spanien an Österreich gelangen, und das Hochstift Lüttich dem aus dem Fürstentum sich bildenden Königreich der Vereinigten N. angefügt. 1830 lösen sich diese teilweise frankophonen Gebiete im selbständig werdenden -> Belgien von den Niederlanden. Am 1. 10. 1838 erhalten die N. nach dem Vorbild des -> Code civil ein Bürgerliches Gesetzbuch (1970ff. erneuert), ein Handelsgesetzbuch, eine Zivilprozessordnung und eine Strafprozessordnung (1926 erneuert), 1881/6 ein Strafgesetzbuch.
Lit.:
Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG; Köbler, DRG 129, 130, 170, 256;
Turba, G., Über das rechtliche Verhältnis der Niederlande zum deutschen Reich,
1903; Mitteis, H., Rechtsfolgen des Leistungsverzuges, 1913; Dievoet, E. van,
Het burgerlijk recht, 1943; Huizinga, J., Herbst des Mittelalters, 1945;
Fockema Andreae, S., De Nederlandse staat, 1961; Biografie Nederlandse
rechtsgeschiedenis, hg. v. Nederlands centrum voor rechtshistorische
docomentatie, Bd. 1ff. 1971ff; Gerbenzon, P./Algra, N., Voortgangh des rechtes,
5. A. 1979; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,58,522,973,
2,2,744,1399, 3,1,1191, 3,2,2603, 3,3,3402,3732,3801,3901,3979,4099; Prevenier,
W./Blockmans, W., Die burgundischen Niederlande, 1986; Schepper, H., de,
Belgium Nostrum, 1987; Godding, P., Le droit privé
dans les Pays-Bas méridionaux du 12e au 18e siècle, 1987;
Schilling,
J./Täubrich, R., Niederlande, 1988; Moormann van Kappen, O., Ein Rückblick anlässlich
der Hundertjahrfeier des niederländischen Strafgesetzbuches, ZRG GA 105 (1988),
258; Godding,
P., Le droit privé, 1993; Lademacher, H., Die Niederlande, 1993; Israel,
J., The Dutch Republic, 1995; Moorman van Kappen, O., Zur politischen und
verfassungsrechtlichen Bedeutung der batavischen Umwälzung, FS K. Kroeschell,
hg. v. Köbler, G. u. a., 1997;
North, M., Geschichte der Niederlande, 1997; Mörke, O., Stadtholder oder
Staetholder?, 1997; Arndt, J., Das Heilige Römische Reich und die Niederlande,
1998; Moorman van Kappen, O., Zwei Jahrhunderte niederländische
Kodifikationsgeschichte (1797-1997), in: Kodifikation und Dekodifikation, hg.
v. Maly, K. u. a., 1997, 137; Honoris causa, hg. v. Coppens, E., 1999; Gallin,
I., Rechtsetzung ist Machtsetzung, 1999; De Monté
ver Loren, J. Ph., Hoofdlijnen uit de ontwikkeling der rechterlijke organisatie
in de Noordelijke Nederlanden, 7. Druck 2000; Sap, J., The Netherlands Constitution, 2000;
Milton, G., Muskatnuss und Musketen, 2001; Weis, M., Les pays-bas espagnols,
2003
Niederösterreich ist ein unter (östlich) der Enns gelegenes Land -> Österreichs. Es steht am Beginn der Geschichte von (ahd.) ostarrihhi (996). Zeitweise besteht eine erweiterte Ländergruppe N. Nach der Herausnahme Wiens aus N. als eigenes Bundesland gibt sich N. eine eigene Hauptstadt in St. Pölten.
Lit.:
Köbler, Historisches Lexikon; Feigl, H., Die niederösterreichische
Grundherrschaft, 1964; Brauneder, W., Zur Gesetzgebungsgeschichte der
niederösterreichischen Länder, FS H. Demelius, 1973, 1; Wesener, G., Das
Verfahren vor der niederösterreichischen und innerösterreichischen Regierung,
Forschungen zur geschichtlichen Landeskunde der Steiermark 27 (1979), 181;
Schmitz, C., Die Anfänge des Parlamentarismus in Niederösterreich, 1985; Feigl,
H., Recht und Gerichtsbarkeit in Niederösterreich, 1989; Kohl, G., Die Anfänge der modernen Gerichtsorganisation in
Niederösterreich, 2000
Niedersachsen ist ein am 1. 11. 1946 vor allem aus dem Land Hannover Preußens, Braunschweig, Oldenburg und Schaumburg-Lippe gebildetes deutsches Bundesland.
Lit.:
Köbler, Historisches Lexikon; Schnath, G. u. a., Geschichte des Landes
Niedersachsen, 2. A. 1973, Neudruck 1988; Geschichte Niedersachsens, hg. v.
Patze, H., Bd. 3, 1 1988; Hucker, B. u. a.,
Geschichte Niedersachsens, 1997; Übergang und Neubeginn, hg. v. Merker, O.,
1997
Niederschlesien -> Schlesien
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Niemand kann
zwei Herren dienen.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. von R. Schmidt-Wiegand, 1996, 177 (Matthäus 6,24)
Nießbrauch (lat. [F.] ususfructus) ist die Belastung einer Sache in der Weise, dass derjenige, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, berechtigt ist, die Nutzung (z. B. Mietzinsen) der Sache zu ziehen. Der N. entwickelt sich in Rom wohl seit dem 3. Jh. v. Chr. zur Versorgung von Witwen und Töchtern. Dem entspricht auch das deutsche Recht (-> Leibgeding u. a.). Seit dem Spätmittelalter wird das römische Recht aufgenommen und ususfructus als N. übersetzt.
Lit.: Kaser § 29 I; Söllner § 9; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG
41, 61; Hübner, R., Donationes post obitum, 1888; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.;
Deichmann, P., Das Rechtsverhältnis zwischen Eigentümer und Nießbraucher, Diss.
jur. Bonn 1998
Niftelgerade -> Gerade
nihil obstat (lat.). Es steht nichts entgegen
Nikolaus de Tudeschis (Catania 1386 - Palermo 1445 [Panormitanus]) wird nach dem Studium des Kirchenrechts in Bologna 1412 Professor in Bologna, danach in Parma und Siena, 1434 Erzbischof von Palermo. Vielfach wird er im Rahmen des Konzils von Basel tätig (1432-3, 1436-9). Zwischen 1420 und 1430 verfasst er die (lat.) Commentaria (N.Pl.) in quinque decretalium libros (Kommentare in die fünf Bücher Dekretalen). In dieser bedeutendsten Leistung der Kirchenrechtswissenschaft des 15. Jh.s übernimmt er bereits in bezug auf allgemeine Rechtsbegriffe Vorstellungen aus dem weltlichen Recht der Kommentatoren (-> Bartolus).
Lit.: Nörr, K., Kirche und Konzil bei Nicolaus de Tudeschis, 1964
Nikolaus von Kues (Kues 1401 - Todi 11. 8. 1464), Sohn des Schiffers Johann Cryftz (Henne Krebs), wird nach dem Studium der freien Künste in Heidelberg und des Kirchenrechts in Padua Berater des Erzbischofs von Trier, 1448 Kardinal und 1450 Bischof von Brixen. Er ist in Abkehr von der -> Scholastik einer der ersten Humanisten Deutschlands. Für die Verfassungsgeschichte ist seine (lat.) Concordantia (F.) catholica (1433, Katholische Konkordanz) von großer Bedeutung, in der er aus dem Gesichtspunkt des Ausgleichs von Gegensätzlichkeiten ein Reformprogramm für das Reich vorschlägt.
Lit.: Köbler, DRG 99, 110; Nicolai de Cusa opera, hg. Meiner, F.,
Bd. 1ff. 1932ff.; Cusanus-Gedächtnisschrift, hg. v. Grass, N., 1970; Meuthen,
E., Nikolaus von Kues, 6. A. 1985; Flasch, K., Nikolaus von Kues, 1988;
Flasch, K., Nicolaus Cusanus, 2001; Nikolaus von Kues, hg. v. Winkler, N., 2001
Nimwegen (Nijmegen) am südlichen Waalufer erscheint auf der Grundlage älterer Siedlungen 69/70 n. Chr. als römisches Batavodurum, das um 104 n. Chr. in Ulpia Noviomagus (Neumarkt) umbenannt wird. 1230 wird es Reichsstadt. 1577 gelangt es an die Niederlande. 1923 erhält es eine Universität.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Leupen, R./Thissen, B., Bronnenboek van Nijmegen, 1981; Clevis, H., Nijmegen, 1990
nobilis (lat.) adelig -> Adel
Lit.: Köbler, LAW; Stadtadel und Bürgertum, hg. v. Elze,
R. u. a., 1991; Nobilitas, hg. v. Oexle, G. u. a., 1997
noblesse de robe ist eine Bezeichnung für die in der frühen Neuzeit einsetzende Gleichstellung der Inhaber hoher Ämter in Recht und Verwaltung mit dem Adel (z. B. Edikt Ludwigs XIV. von 1644). Den (lat.) doctor (M.) iuris stellt bereits -> Bartolus im 14. Jh. dem Adligen gleich.
Lit.: Bluche, F./ Durye, P., L’anoblissement par charges avant 1789, Bd. 1f. 1962
nocivi (M.Pl.) terrae (lat.) -> landschädliche Leute
Lit.: Köbler, DRG 117
nominatio (lat. [F.]) Benennung (eines Bewerbers für ein Amt)
nomos (griech. [M.]) Gesetz
Lit.: Nomos und Gesetz,
hg. v. Behrends, O. u. a., 1995
nona (lat. [F.] Neunte) ist eine im Frühmittelalter kurzzeitig bestehende Abgabe des Zehntels der Erträge neben dem -> Zehent.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Kotte, R., Studien zum Einfluss des Alten Testamentes, 2. A. 1970, 57
Nonne (F.) Ordensangehörige
Lit.: Weinhandl, M., Deutsches
Nonnenleben, 1921; Parisse, M., Les nonnes, 1983; Medieval religions Women,
1984ff.
Noodt, Gerard (Nijmegen 1647 - Leiden 1725) wird nach dem Rechtsstudium im Nijmegen, Leiden und Franeker Advokat und 1671 Professor in Nijmegen, 1679 in Franeker, 1684 in Utrecht und 1686 in Leiden. Seine meist kleineren Schriften weisen ihn als antiquarischen Humanisten aus, der durch seine kritisch-vernünftige Grundhaltung die Aufklärung vorzubereiten hilft.
Lit.: Bergh, G. van den, The Life and Work of Gerard
Noodt, 1988
Norddeutscher Bund ist ein auf Vorschlag -> Preußens am 18. 8. 1866 an Stelle des aufgelösten -> Deutschen Bundes tretender Bundesstaat (22) norddeutscher Staaten (Preußen mit Lauenburg, die nördlich des Mains gelegenen Teile des Großherzogtums Hessen, 17 Monarchien, 3 Staatsrepubliken). Seine Verfassung vom 16. 4. 1867 tritt am 1. 7. 1867 in Kraft (Präsidium [König von Preußen] mit gegenzeichnungsberechtigtem Bundeskanzler, Reichstag, Bundestag, 1869 Bundesoberhandelsgericht in Leipzig). Nach dem mit süddeutscher Waffenhilfe errungenen Sieg über Frankreich treten Baden, Hessen-Darmstadt (15. 11. 1870), Bayern (23. 11. 1870) und Württemberg (25. 11. 1870) durch Verträge dem zum 1. 1. 1871 zum -> Deutschen Reich umgeformten Norddeutschen Bund bei. Der Norddeutsche Bund erlässt u. a. ein Gesetz über die Freizügigkeit (1. 11. 1867), über die Gleichberechtigung der Konfessionen (3. 6. 1869), eine Gewerbeordnung (21. 6. 1869), ein Strafgesetzbuch (31. 5. 1870) und ein Bundes- und Staatsangehörigkeitsgesetz (1. 7. 1870).
Lit.: Köbler, DRG 172, 194; Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Hiersemenzel, E., Die Verfassung des Norddeutschen Bundes, 1867; Binding, K., Die Gründung des Norddeutschen Bundes, 1889; Wilhelm R., Das Verhältnis der süddeutschen Staaten zum Norddeutschen Bund, 1978; Schubert, W., Der Ausbau der Rechtseinheit unter dem Norddeutschen Bund, FS R. Gmür, 1983, 149; Pollmann, Parlamentarismus im Norddeutschen Bund, 1985
Norddeutscher Reichsbund ist ein im August 1806 von Preußen geplanter, spätestens am 9. 7. 1807 verhinderter Bund norddeutscher Staaten unter einem Direktorium des Kaisertums Preußen und der Königtümer Sachsen und Hessen.
Lit.: Conrad, H., Rheinbund und Norddeutscher Reichsbund, in: Gedächtnisschrift H. Peters, 1967, 50
Nordisches Recht ist die Gesamtheit des älteren skandinavischen (altnorwegisch-isländischen, altschwedischen und altdänischen) Rechts. Es ist seit dem 12. Jh. in zahlreichen volkssprachigen Rechtsbüchern Norwegens (Borgarthingsbok, Eidsivathingsbok, Frostathingsbok, Gulathingsbok, Hirdskra), Islands (Ulfljots log, Haflidaskra 1117/8, Gragas 1258/71), Schwedens (Westgötalagh 1220 - 2. H. 13. Jh., Ostgötalagh um 1300, Gutalagh 1285, Södermannalagh Ende 13. Jh.s?, Westmannalagh um 1330, Helsingelagh 1329/50, Uplandslagh 1296) und Dänemarks (Skanske Lov 1200/10, Liber legis Scaniae, Sialanzfarae logh vor 1241, Jyske Lov bzw. Jydske Lov 1241) überliefert, welche öfter einen eigenen Abschnitt Christenrecht enthalten. Dazu kommen als Gesetzbücher das Landrecht (Landslög) König -> Magnus Hakonarsons von 1274, das Stadtrecht von Bergen (1276), die Jarnsida (1271/3), die Jonsbok (1281) und das schwedische Landrecht König Magnus Erikssons (1347). Die älteren Verhältnisse um die Jahrtausendwende bezeugen die Isländersagas. Die Gegebenheiten am Königshof lässt der altnordische Königsspiegel (1260/5) erkennen. -> Dänemark, -> Finnland, -> Island, ->Norwegen, -> Schweden
Lit.: Amira, K. v., Nordgermanisches Obligationenrecht, Bd. 1f. 1882ff.; Maurer, K., Vorlesungen über altnordische Rechtsgeschichte, Bd. 1f. 1907ff.; Heusler, A., Das Strafrecht der Isländersagas, 1911; Schwerin, C. Frhr. v., Dänische Rechte, 1938; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1f. 4. A. 1960; See, K. v., Altnordische Rechtswörter, 1964; Modéer, K., Nordische rechtshistorische Literatur, ZNR 1 (1979); Björne, L., Nordische Rechtssysteme, 1987; Dübeck, J., De nordiske lovböger, in: Rättshistoriska studier II 4, 1988; Björne, L., Patrioter och institutionalister, 1995; Björne, L., Den konstruktiva riktningen. Den nordiska rättsvetenskapens historia del III 1871-1910,2002; Tamm, D., Justizforschung, germanisches Recht und Rechtsgeschichte, ZRG 120 (2003), 347; Ruthström, B., Land och fæ, 2003
Nordrhein-Westfalen ist ein vor allem aus Teilen Preußens am 23. 8. 1946 gebildetes deutsches Land.
Lit.:
Köbler, Historisches Lexikon; Hundert Jahre Kreisordnung in
Nordrhein-Westfalen, 1988; Romeyk, H., Kleine Verwaltungsgeschichte
Nordrhein-Westfalens, 1988;
Freis, G., Die Reform der Gemeindeverfassung, 1998
Noricum ist eine nach ihren zwischen 12 und 9 v. Chr. von den Römern unterworfenen, vorrömischen Bewohnern (Norer, Noriker) und deren Reich (um 200 v. Chr.) benannte römische Provinz (50 n. Chr. - 5. Jh.) in den Alpen. In der Folge wird bis in das 15. Jh. Bayern auch als N. bezeichnet.
Lit.:
Köbler, DRG, 28, 50; Baltl/Kocher; Zibermayr, I., Noricum, Baiern und
Österreich, 2. A. 1956; Alföldy, G., Noricum,
1974
Norm ist eine seit dem 13. Jh. aus dem Lateinischen aufgenommene Bezeichnung für Regel, Vorschrift oder Rechtssatz.
Lit.:
Beyerle, F., Über Normtypen und Erweiterungen der Lex Salica, ZRG 89 GA (1972),
1; Schneider, P., Ausnahmezustand und Norm, 1957; Diestelkamp, B.,
Reichsweistümer als normative Quellen, in: Recht und Schrift im Mittelalter,
hg. v. Classen, P., 1977, 281; Wesener, G., Die
privatrechtlichen Normen des usus modernus, in: Akten des 26. Deutschen
Rechtshistorikertages, 1987, 279; Heidemann, C., Die Norm als Tatsache,
1997; Norm und Tradition, 1998; Brinkmann, B., Varietas und veritas. Normen und
Normativität in der Zeit der Renaissance, 2001
Normaljahr ist ein für eine rechtliche Folge als normal zugrunde gelegtes Jahr (z. B. 1624 für den Bekenntniszustand im Westfälischen Frieden von 1648).
Lit.: Hafke, H., Zuständigkeit in geistlichen Streitigkeiten, Diss. jur. Frankfurt am Main, 1973
Normandie ist die östlich an den Kanal zwischen Europa und England angrenzende, im 9. Jh. von den -> Normannen eroberte Landschaft. Von hier aus wird 1066 der Herzog der N. König von -> England. Über Heinrichs I. von England Tochter Mathilde kommt die N. an die Anjou bzw. Plantagenets (1144/50), welche auch Anjou (1151), Aquitanien (1152) und England (1154) beherrschen. 1204 erobert der König von Frankreich die N. zurück. Nach ihrer Wiedergewinnung durch England (1417-20) gelangt sie 1450 endgültig an Frankreich zurück. 1199/1200 bzw. 1220 entsteht der Très ancien -> coutumier de Normandie, zwischen 1254 und 1258 der Grand coutumier de Normandie ([lat.] Summa [F.] de legibus Normannie).
Lit.: La Coutume de Normandie, hg. v. Besnier, R.,
1935; Histoire de la
Normandie, 1970; Le Patourel, J., The Norman
Empire, 1976; England and Normandy, hg. v.
Bates, D. u. a., 1994 ; Neveux, F., La Normandie, 1998
Normanne (Nordmann) ist der in Nordfrankreich
(Normandie) im 9./10. Jh. seßhaft werdende -> Wikinger. Von dem 911 an der
unteren Seine auf
überlassenen Land gegründeten Fürstentum (nach 987 Herzogtum)
aus greifen die bald christianisierten und romanisierten Normannen
1066 nach England aus. Die seit 1016 in Unteritalien als Söldner verwendeten
Normannen erhalten
von Kaiser Konrad II. 1038 die Grafschaft Aversa und erobern zwischen
1057 und 1085 die Güter Byzanz‘ und langobardischer Fürsten sowie 1061-91 von
den Arabern (Sarazenen) -> Sizilien. 1130 wird Roger II. König von
Sizilien und verbindet normannisch-romanische Gegebenheiten mit griechischen
und arabischen.
Bis zum 13. Jh. gehen die Normannen in der unterworfenen Bevölkerung auf.
Lit.:
Köbler, DRG 94; Haskins, C., The Normans, 1915; Norwich, J., Die Normannen in
Sizilien, 2. A. 1973; Jäschke, K., Die Anglo-Normannen, 1981; Jahn, W.,
Untersuchungen zur normannischen Herrschaft in Sizilien, 1989; Takayama, H., The
Administration of the Norman Kingdom of Sicily, 1993; Heller, K., Die Normannen
in Osteuropa, 1993; Chibnall, M., The Debate on the Norman Conquest, 1999
Normativbestimmung ist eine durch eine -> Norm aufgestellte oder wie eine Norm wirkende Bestimmung. Im 19. Jh. wird für juristische Personen das Oktroisystem durch das System der Normativbestimmungen ersetzt, nach dem eine juristische Person entstehen darf, sobald die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
Lit.: Köbler, DRG 207
Normenkontrolle ist die Überprüfung einer -> Norm durch ein Gericht auf ihre Rechtmäßigkeit. Ihre ersten Ansätze finden sich vielleicht noch im Heiligen römischen Reich, jedenfalls im 19. Jh., während die N. in Frankreich weitgehend fehlt. Für die N. des bundesdeutschen Rechts ist hauptsächlich das -> Bundesverfassungsgericht zuständig.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Herrmann, N., Entstehung, Legitimation und Zukunft der konkreten Normenkontrolle im modernen Verfassungsstaat, 2001
Norwegen ist der im Westen der skandinavischen Halbinsel gelegene Staat. Um 900 überwindet hier König Harald I. das Kleinkönigtum. Um 1000 erfolgt die Christianisierung. 1274 schafft König Magnus Lagabœtir ein Landrecht (landslög) in neun Teilen sowie ein allgemeines Stadtrecht (bjarkeyjar réttr). Von 1319 bis 1355 und von 1380 bis 1435 bzw. 1521 ist N. mit Schweden verbunden. Von 1387 bis 1814 ist der König von Dänemark König von N., von 1814 bis 1905 der König von Schweden. Seit 1536 ist N. überhaupt Teil Dänemarks. 1905 wird ein dänischer Prinz zum König des durch Volksabstimmung verselbständigten N. gewählt.
Lit.: Norges gamle Love, 1846; Meißner,
R., Das norwegische Gefolgschaftsrecht, 1938; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,991, 2,2,517, 4,4,375; Holmsen,
A., Norges historie, 1977; Lindemann, R., Norwegen 1986; Austrup, G./Quack, U.,
Norwegen, 1989; Berge, F., Norsk
historie 1905-1990, 1992; Aschehougs Norgeshistorie, Bd. 1ff. 1994ff.; Bohn,
R., Reichskommissariat Norwegen, 2000; ; Dänemark, Norwegen und Schweden
im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung, hg. v. Asche, M. u. a.,
2003
Not (Zwangslage) -> echte Not
Notar ist ein (vom Staat) zur Wahrnehmung bestimmter Rechtspflegeaufgaben bestelltes unabhängiges Organ der Rechtspflege. Der N. entwickelt sich aus dem spätantiken Schreiber (Schnellschreiber) bzw. Tabellionar. Er erscheint am Beginn des Hochmittalters (10./11. Jh.) in Oberitalien (in Bologna ab etwa 1030 tabellio statt notarius, in der zweiten Hälfte des 12. Jh.s Rückbindung an die Autorität des Kaisers oder der Kommune, 1283 umfasst die Bologneser Notarsmatrikel 1059 Namen, im 13. Jh. werden in Lucca [bei einem Notar auf rund 100 Bewohner] vielleicht 1000000 Urkunden ausgefertigt, von denen noch 10000 erhalten sind), im frühen 13. Jh. in Frankreich und ab 1275 auch im deutschen Reich. Der N. wird vor allem vom Kaiser (1186, 1191), Papst oder Hofpfalzgrafen ernannt. 1512 erlässt das Reich eine Reichsnotariatsordnung. N. ist zunächst kein ausschließlicher Beruf. Später entwickeln sich Gebiete des Nurnotariates (z. B. Bayern, Österreich) neben Gebieten des Anwaltsnotariates (z. B. Hessen) oder des beamteten Bezirksnotariates (Württemberg). Seit 28. 8. 1969 ist in der Bundesrepublik Deutschland die Beurkundung allgemein den Notaren vorbehalten.
Lit.:
Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 117, 270; Petrucci, A., Notarii, 1958;
Elsener, F., Notare und Stadtschreiber, 1962; Amelotti, M./Costamagna, G., Alle
origini del notariato italiano, 1975; Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v.
Classen, P., 1977; Marti, H., Die ersten
Notare im Berngebiet, Der bernische Notar 46 (1985); Schuler, P., Die Notare
Südwestdeutschlands, 1987; Bautier, R., Chartes, sceaux et chancelleries, 1990;
Frischen, H., Die 44. Novelle, Dt. Notarzs. 1992, 403; Nève, P., Schets van een geschiedenis van het notarisambt, 1995;
Notar- und Rechtsgestaltung, hg. v. d. Rheinischen Notarkammer, 1998
Notariat ist das Amt und der Amtsraum eines -> Notars sowie eine Gesamtheit von Notaren.
Lit.:
Kroeschell, DRG 1,2; Oesterley, F., Das deutsche Notariat, Teil 1f. 1842ff.,
Neudruck 1975; Conrad, H., Die geschichtlichen Grundlagen des modernen
Notariats in Deutschland, Deutsche Notarzs. 55 (1960), 3; Knemeyer, F., Das
Notariat im Fürstbistum Münster, Diss. jur. Münster 1964; Meyer, A., Die Notariatsordnungen von 1512
und 1871, 1971; Amelotti, M./Costamagna, G., Alle origini del notariato
italiano, 1975; Schuler, P., Geschichte des südwestdeutschen Notariats, 1976;
Trusen, W., Zur Geschichte des mittelalterlichen Notariats, ZRG RA 98 (1981),
369; Sibler, G., Entwicklung des Zürcher Notariats, 1983; Wolf, K.,
Privatrecht, Prozessrecht und Notariat der Stadt Limburg, Diss. jur. Gießen
1988;
Lönnecker, H., Das Notariat in Hessen, Diss. phil.
Marburg 1989; Kaiserliche Notariatsordnung von 1512, hg. v. Grziwotz, H., 1995;
Neschwara, C., Geschichte des österreichischen Notariats, 1996; Notar und
Rechtsgestaltung, 1998; Meyer, A., Felix et inclitus notarius, 2001; Neschwara,
C., Österreichs Notariatsrecht in Mittel- und Osteuropa, 2000.
Notariatsimbreviatur -> Notariat, Imbreviatur
Notariatsinstrument ist im Mittelalter die vom
-> Notar ausgestellte -> Urkunde. In
Bologna erscheint die erste als -> instrumentum bezeichnete Urkunde 1041. Um
die Mitte des 11. Jh.s verschwinden nach Ausweis rund 1300 bis 1150
überlieferter Zeugnisse die Unterschriften von Ausstellern und Zeugen, als es
dem Notar gelingt, die Beglaubigungskraft auf sich zu beziehen. Ab etwa
1114/1115 erscheint römische Rechtsterminologie in den Texten (u. a.
Renuntiationen). In Oberitalien setzt sich das instrumentum in der ersten
Hälfte des 12. Jh.s durch.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Meyer, A.,
Felix et inclitus notarius, 2001; Schulte, P., Scripturae publicae creditur,
2003
Notariatsordnung (z. B. 1512, 1871) -> Notar, Notariat, Ordnung
Lit.: Kaiserliche Notariatsordnung von 1512, hg. v. Grziwotz, H., 1995
notarius (M.) sacri palatii (lat.) (8.-11. Jh.) Pfalznotar
Notarsignet ist das persönliche, anfangs frei gewählte, später verliehene Zeichen eines Notars, das der öffentliche (kaiserliche bzw. päpstliche) Notar neben seine Unterschrift setzt. Das erste bisher bekannte deutsche N. stammt vom 13. 1. 1274 (Roger von Lüttich). Nicht sicher geklärt ist, weswegen der Notar nicht ein Siegel, sondern das N. verwendet. Seit 1806 verschwindet das N. (in Bayern seit 1861).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Leist, F., Die Notariats-Signete, 1897; Schmidt-Thomé, W., Vom Notarsignet zum Notarsiegel, Dt. Notarzs. 15 (1964), 455; Gerig, H., Frühe Notariats-Signete in Köln, 1971; Schuler, P., Südwestdeutsche Notarszeichen, 1976; Wolf, K., Privatrecht, Prozessrecht und Notariat der Stadt Limburg, Diss. jur. Gießen 1988
Notbede -> Not, Bede
Notenbank ist eine Papiergeldstücke (Banknoten, engl. banknote 17. Jh.) ausstellende Bank.
Lit.: Fengler, H., Geschichte der deutschen Notenbanken, 1992
Noterbe ist der Erbe, der wegen Enterbung nur den Pflichtteilsanspruch erhält. Der N. entwickelt sich im römischen Recht, in dem die formelle Nichterwähnung der (lat.) sui heredes (M.Pl.) das Testament ungültig werden oder den Übergangenen am Erbe teilhaben lässt, bzw. die materielle Nichtberücksichtigung die (lat.) querela (F.) inofficiosi testamenti gewährt. Justinian verbindet beides 542 miteinander. Seit dem Spätmittelalter wird das römische Recht im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) aufgenommen. Der Kreis der Pflichtteilsberechtigten (Noterben) und der Umfang des Pflichtteils (Noterbrechts) schwankt.
Lit.: Kaser § 69 I; Hübner 776, 795; Wesener, G., Geschichte des Erbrechts in Österreich, 1957, 170; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Nötigung ist das Zwingen eines anderen mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer nicht gewollten Handlung, Duldung oder Unterlassung. Gegenüber verschiedenen Einzelfällen wird die N. als allgemeiner Straftatbestand erst spät erfasst.
Lit.: His, R., Geschichte des deutschen Strafrechts bis zur Karolina 1928, Neudruck 1967, 138; Balthasar, S., Die Tatbestände der Vergewaltigung und sexuellen Nötigung, 2001
notitia (lat. [F.] Nachricht) ist im Frühmittelalter die objektiv gefasste, nach Heinrich Brunner angeblich im Gegensatz zur dispositiven, subjektiv gefassten (lat.) carta (F.) nur beweisbedeutsame Urkunde.
Lit.: Köbler, LAW; Brunner, H., Abhandlungen zur Rechtsgeschichte, hg. v. Rauch, K., Bd. 1 1931, 458; Johanek, P., Zur rechtlichen Funktion von Traditionsnotiz, Traditionsbuch und früher Siegelurkunde, in: Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977, 131
Notker (der Deutsche) von St. Gallen (um 950 - Sankt Gallen 29. 6. 1022) ist der bedeutendste Schriftsteller des Althochdeutschen. In deutschlateinischer Mischprosa übersetzt er verschiedene geistliche und weltliche Schriften aus dem Lateinischen. Dabei erfasst er auch rhetorische Grundfiguren (z. B. in der Gerichtsrede) und zeigt damit eine Vorstufe der Rechtswissenschaft in Deutschland auf.
Lit.:
Köbler, DRG 79, 82; Die Schriften Notkers und seiner Schule, hg. v. Piper, P.,
Bd. 1ff. 1982ff.; Köbler, G., Stadtrecht und Bürgereinung bei Notker von St.
Gallen, 1974; Köbler, G., Vorstufen der Rechtswissenschaft, ZRG GA 100 (1983),
75; Ochsenbein, P./Schmuki, K., Die Notkere im Kloster St. Gallen, 1992; Scherabon Firchow, E., Notker der Deutsche, 2000
Notorietät (F.) Offenkundigkeit
Notstand ist der Zustand gegenwärtiger Gefahr für
rechtlich geschützte Interessen, dessen Abwendung nur auf Kosten fremder
Interessen möglich ist. Schon im römischen Recht befreit der N. in Einzelfällen
von Strafe. Ähnliches gilt im Mittelalter. Danach befasst sich Art. 166 der CCC
(1532) mit dem Stehlen in Hungersnot. Erst im 20. Jh. wird der N.
strafrechtlich schärfer erfasst. Privatrechtlich schließt schon das römische
Recht einzelne Handlungen von einer Ersatzpflicht aus. Erst im 19. Jh. wird
dies wissenschaftlich verallgemeinert und danach in den §§ 228, 904 in das
deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) aufgenommen. Der übergesetzliche N. wird 1927 vom Reichsgericht Deutschlands
für den medizinisch indizierten Schwangerschaftsabbruch anerkannt. Staatsrechtlich
wird in Deutschland der N. in der Verfassung 1968 gesetzlich geregelt. Seit 1975 enthält das Strafgesetzbuch
Deutschlands (aus utilitaristischen Erwägungen) eine Vorschrift über den
rechtfertigenden Notstand.
Lit.: Kaser
§ 36 II 5; Kroeschell, DRG 2; Titze, H., Die Notstandsrechte, 1897; Mommsen,
T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961, 653, 830; Würzburger, J., Das
Recht des strafrechtlichen Notstandes, 1903; Janka, K., Der strafrechtliche
Notstand, 1878; Rabe, K., Die Entwicklung des Notstands, Diss. jur. Göttingen
1930; Henkel, H., Der Notstand, 1932; Walter, H., Das Staatsnotrecht, Diss.
jur. Göttingen 1937; Benda, E., Die Notstandsverfassung, 10. A. 1968;
Ungern-Sternberg von Pürkel, J., Untersuchungen zum spätrepublikanischen
Notstandsrecht, 1970; Wacke, A., Notwehr und Notstand, ZRG RA 106 (1989), 469; Blomeyer, P., Der Notstand in den letzten Jahren von Weimar,
1999; Esklony, D., Das Recht des inneren Notstands, 2000; Pawlik, M., Der
rechtfertigende Notstand, 2002
Notstandsgesetze ist die Sammelbezeichnung für die Gesamtheit der 1968 in Zusammenhang mit einer Verfassung für den Fall eines Staatsnotstandes geschaffenen einfachen Bundesgesetze der Bundesrepublik Deutschland (z. B. Ernährungssicherstellungsgesetz, Schutzbaugesetz, Abhörgesetz).
Lit.: Bender, E., Die Notstandsverfassung, 10. A. 1968
Nottestament ist ein in besonderer Gefahrensituation in vereinfachter Form zu errichtendes -> Testament, das seit 1888 als N. bezeichnet wird.
Lit.: Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Nottingham am Trent erscheint im 6. Jh. (Snotingaham). 1155 wird sein Stadtrecht bestätigt. 1881/1948 erhält es eine Universität.
Lit.: Barley, M./Straw,
Notverordnung ist eine -> Verordnung mit Gesetzeskraft. Sie findet sich bereits im ausgehenden 18. Jh. (England 1766, Baden 1818, Württemberg 1819), danach sehr häufig beispielsweise auf Grund des deutschen Ermächtigungsgesetzes vom 4. 8. 1914 in der Zeit des Ersten Weltkrieges und auf Grund des Art. 48 II der Weimarer Reichsverfassung in der Weimarer Republik (1931 41, 1932 60 Notverordnungen).
Lit.: Köbler, DRG 174, 231, 243; Kroeschell, 20. Jh.; Spiegel, L., Die kaiserlichen Verordnungen, 1893; Friedmann, A., Geschichte und Struktur der Notstandsverordnungen, 1903; Gather, Das Notstandsrecht, Diss. jur. Köln 1963; Hasiba, G., Das Notverordnungsrecht in Österreich, 1985
Notweg ist die Verpflichtung eines Eigentümers eines Grundstückes, die Benutzung seines Grundstückes zum Durchgehen, Durchfahren oder Durchreiten durch den Eigentümer eines anderen Grundstückes, dem ohne Verschulden seines Eigentümers die zur ordnungsgemäßen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg fehlt, gegen Entschädigung zu dulden. Der N. ist als nachbarrechtliche Eigentumsbeschränkung bereits dem römischen Recht bekannt. Er findet sich auch im Mittelalter und in der Neuzeit.
Lit.: Kaser § 23 III 3; Hübner § 37; Buch, K., Der Notweg, 1919;
Caroni-Rudolf, K., Der Notweg, Diss. jur. Bern 1969; Bader, K., Studien zur
Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 3 1973, 192; Eggensperger, A., Notwegrecht, Diss. jur. Würzburg 2000
Notwehr ist diejenige Verteidigung, welche erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwehren. Bereits im römischen Recht ist es erlaubt, Gewalt mit Gewalt zurückzuweisen. Im Frühmittelalter erscheint die N. ansatzweise, im Hoch- und Spätmittelalter häufiger (-> Schwabenspiegel um 1275). Seit dem Ende des 18. Jh.s wird die N. von der Verteidigung von Leib und Leben auf jedes Rechtsgut ausgedehnt (Preußen 1794).
Lit.: Kaser § 36 II 5; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 87, 119, 158, 208; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Geschichte des deutschen Strafrechts bis zur Karolina, 1928, Neudruck 1967, 34; Hellbling, E., Versuch, Notwehr und Mitschuld, FS H. Eichler, 1977, 241; Koch, B., Rechtsbegriff und Widerstandsrecht, 1985; Wacke, A., Notwehr und Notstand, ZRG RA 106 (1989), 469
Notzivilehe ist die bei Verweigerung der
Eheschließung wegen eines kirchenrechtlichen Ehehindernisses mögliche weltliche
Eheschließung (z. B. in Österreich 25. 5. 1868 Eherechtsgesetz).
Lit.: Floßmann, U.,
Österreichische Privatrechtsgeschichte, 3. A., 1996; Hoke, R., Österreichische
und deutsche Rechtsgeschichte, 2. A., 1996
Notzucht ist eine ältere, in Deutschland 1973, in Österreich 1989 und in der Schweiz 1992 aufgegebene Bezeichnung für die Vergewaltigung einer Frau (lat. oppressio [F.], violentia [F.]), die ihrerseits seit dem 16. Jh. das noch ältere (ahd.) notnumft verdrängt.
Lit.:
Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961, 664; Wahl, G., Zur
Geschichte des Wortes Notzucht, Z.f.d.P. 9 (1907), 7; His, R., Das Strafrecht
des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 150; Brundage, J., Law, Sex and Christian
Society, 1987
novale (lat. [N.]) Neubruch
novatio (lat. [F.]) ist im klassischen römischen Recht die -> Novation, Schuldneuschaffung oder Schulderneuerung.
Lit.: Kaser § 54 I
Novation (lat. [F.] -> novatio) ist bereits im klassischen römischen Recht die Schulderneuerung, bei der infolge einer -> Stipulation die alte Schuld (Obligation) mit allen Nebenrechten erlischt und durch eine neue Schuld (Obligation) ersetzt wird (z. B. Auswechslung des Gläubigers oder Schuldners, eine Sonderform ist die [lat.] stipulatio [F.] Aquiliana). Die N. wird seit dem Hochmittelalter wieder belebt. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) wird sie nicht mehr erwähnt.
Lit.: Söllner § 9; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 43, 215; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 432, 449, 530
novel disseisin ist im englischen Recht die von König Heinrich II. (1133-89) eingeführte Klage des widerrechtlich aus seinem Besitz Vertriebenen (disseised).
Lit.: Sutherland, D., The Assize of Novel Disseisin, 1973; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 3. A. 1990
Novelle (lat. [F.] novella [lex]) ist das ein Gesetz in Einzelfragen ergänzende oder abändernde neue Gesetz. Insbesondere werden die nach dem -> Codex des Jahres 534 von -> Justinian erlassenen (neuen), durch drei verschiedene Sammlungen überlieferten Gesetze als Novellen (zitiert z. B. als Nov. 99,2) bezeichnet.
Lit.: Söllner §§ 22, 23;
Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 43; Köbler, DRG 54; Noailles, P., Les collections
de novelles, Bd. 1f. 1912ff.; Wal, N. v. d., Manuale novellarum, 1964; Dilcher,
H., Die sizilianische Gesetzgebung, 1975; Dölemeyer, B., Die Revision des ABGB
durch die drei Teilnovellen, Ius commune 6 (1977), 274; Novella Constitutio,
hg. v. Loken, J. u. a., 1990;
Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Novemberrevolution ist die Revolution im Deutschen Reich und in Österreich-Ungarn im November 1918.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Elben, W., Das Problem der Kontinuität in der deutschen Revolution, 1965; Kittel, E., Novembersturz 1918, Bll. f. dt. LG. 104 (1968), 42; Görlitz, W., November 1918, 1968; Halmen, R., Staatstreue und Interessenvertretung, 1988
Nowgorod
Lit.: Novgorod – Markt und Kontor der Hanse, hg. v. Angermann,
N./Friedland, K., 2002
noxae datio (lat. [F.], auch noxae deditio) ist bereits im altrömischen Recht die Hingabe des Schädigers (z. B. Hauskind, Sklave, Tier), durch welche sich der Hausvater (außer durch Leistung) von seiner grundsätzlich bestehenden Haftung für einen auf deren Verhalten beruhenden Erfolg befreien kann (Noxalhaftung). Sie wird in der Spätantike bei Hauskindern und Sklaven eingeschränkt, im Hochmittelalter nicht aufgenommen.
Lit.: Kaser §§ 7 I 1e, 15 I 4d, 36 V, 50 II 4a, Söllner § 8; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 27, 49, 65; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972
NS (Nationalsozialismus)
NSDAP (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei)
Lit.: Pätzold, K., Geschichte
der NSDAP, 1998; Block, N., Die Parteigerichtsbarkeit der NSDAP, 2002
nuda proprietas (lat. [F.]) bloßes Eigentum
Lit.: Köbler, DRG 124
nudum pactum (lat. [N.]) bloßer Vertrag (ohne besondere Formen)
nulla poena sine culpa (lat.). Keine Strafe ohne Schuld.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 144, Nr. 160
nulla poena (F.) sine lege, nullum crimen sine lege (lat.) ist der strafrechtliche Grundsatz, dass niemand bestraft werden darf, wenn nicht zuvor ein Gesetz Verhalten der entsprechenden Art mit einer Strafe bedroht hat. Das Verbot der Rückwirkung von neuen oder veränderten Strafgesetzen zum Nachteil des Täters ist dabei bereits ansatzweise dem klassischen römischen Recht bekannt und wird in der Spätantike durch kaiserliche Gesetze mit gewissen Einschränkungen sogar ausgesprochen. Dem folgen an sich auch das Mittelalter und die -> Constitutio Criminalis Carolina (1532), während das gemeine Recht den Grundsatz bis zum ausgehenden 18. Jh. nur wenig beachtet. Erst mit der Aufklärung entsteht der Grundsatz in voller Gestalt des Rückwirkungsverbotes, des Analogieverbotes und des Bestimmtheitsgebotes (Vereinigte Staaten von Amerika bis 1787, Frankreich, Josephinisches Gesetzbuch 1787, Allgemeines Landrecht 1794, Feuerbach, Weimarer Reichsverfassung 1919, -> Grundgesetz 1949), wobei die Vorstellung besonderes Gewicht erhält, dass ein Eingriff des Staates in die Freiheit des Bürgers die Gestattung durch Gesetze voraussetzt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 204; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 141, Nr. 161 (Ulpian, um 170-223, Digesten 50, 16, 131, § 1 S. 1 Halbsatz 2); Bopp, G., Die Entwicklung des Gesetzesbegriffs, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1966; Schöckel, G., Die Entwicklung des strafrechtlichen Rückwirkungsverbotes, 1968; Schreiber, H., Gesetz und Richter, 1976; Schünemann, B., Nulla poena sine lege?, 1978; Bohnert, J., P. J. A. Feuerbach, 1982
nulli res sua servit (lat.). Niemand dient die eigene Sache.
Lit.: Kaser § 28 I 3; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 144, Nr. 165 (Paulus, um 170 - um 230, Digesten, 8, 2, 26
nullum crimen sine lege -> nulla poea sine lege
nullum crimen sine poena (lat.). Kein Verbrechen ohne Strafe.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 145, Nr. 170
Numerius Negidius (N.N.) ist der abstrakte Beklagte des römischen Verfahrensrechts.
Lit.: Söllner § 9; Köbler, DRG 33
numerus (M.) clausus (lat.) geschlossene Zahl (z. B. der Ausbildungsplätze oder der zulässigen Sachenrechte)
Lit.: Wiegand, W., Numerus clausus der dinglichen Rechte, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 623
Numismatik (Münzkunde) -> Münze
Lit.: Morrisson, C., La numismatique, 1992; Wissenschaftsgeschichte
der Numismatik, hg. v. Albert, R. u. a., 1995; Bompaire, M./Dumas, F.,
Numismatique médiévale, 2000
nummo uno (lat.) mit einer -> Münze
Lit.: Köbler, DRG 25
nuncupatio (lat. [F.]) Verkündung
Lit.: Kaser §§ 7 I 1, 67 I 2b; Söllner § 8; Köbler, DRG 38
Nuntius (zu lat. [M.] nuntius, Bote) ist seit dem ausgehenden Spätmittelalter der ständige Gesandte des Heiligen Stuhles bei einem anderen Staat.
Lit.: Kaser §§ 11 II, 58 III 2; Pieper, A., Zur Entstehungsgeschichte der ständigen Nuntiaturen, 1894; Biauchet, H., Les nonciatures apostoliques, 1910; Walf, K., Die Entwicklung des päpstlichen Gesandtschaftswesens, 1966; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972, 553; Köck, H., Die völkerrechtliche Stellung des Heiligen Stuhles, 1975
Nürnberg ist eine um eine 1050 erstmals erwähnte, anscheinend vorsalische Grundlagen aufweisende Reichsburg auf ursprünglich bayerischem Siedlungsboden erwachsende Reichsstadt. In der -> Goldenen Bulle von 1356 belohnt Kaiser Karl IV. die Treue der Stadt mit der Verpflichtung jedes neugewählten Königs, seinen ersten Reichstag in N. abzuhalten. Von 1424 (Privileg vom 19. 9. 1423) bis 1796 und von August 1938 bis 1945 (Anfang 1946) ist N. Aufbewahrungsort der Reichskleinodien (Reichserzschatzkästlein). 1479/84 erneuert N. durch die römisches Recht gemäßigt aufnehmende (Neue) -> Reformation sein Stadtrecht. Im Dritten Reich hält Adolf Hitler in N. die Reichsparteitage ab. 1935 werden in N. die gegen die Juden gerichteten sog. Nürnberger Gesetze erlassen (Reichsbürgergesetz vom 15. 9. 1935, Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre). Vom 18. 10./14. 11. 1945 - 1. 10. 1946 finden in N. die Prozesse gegen 22 nationalsozialistische Hauptkriegsverbrecher statt (12 Todesurteile), denen bis 1949 weitere Verfahren in N. folgen.
Lit.:
Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 139; Gedeon,
A., Zur Rezeption des römischen Privatrechts in Nürnberg, 1957; Nürnberger
Urkundenbuch, Bd 1ff. 1959ff.; Das Urteil von Nürnberg 1946, 1961; Der Prozess
gegen die Hauptkriegsverbrecher, Bd. 1ff. 1947ff., Neudruck 1984; Nürnberg, hg.
v. Pfeiffer, G., 1971; Reformation der Stadt Nürnberg, hg. v. Köbler, G., 1984;
Jung, S., Die Rechtsprobleme der Nürnberger Prozesse, 1992; Endres, R.,
Grundzüge der Verfassung der Reichsstadt Nürnberg, ZRG GA 111 (1994), 405;
Rethmeier, A., „Nürnberger Rassegesetze“, 1995; Wirtschaft, Gesellschaft und
Staat im Umbruch, hg. v. Schachtschneider, K., 1995; Taylor, Die Nürnberger
Prozesse, 3. A. 1997; Schieber, M., Nürnberg, 2000; Essner, C., Die Nürnberger
Gesetze, 2002; Henselmeyer, U., Ratsherren und andere Delinquenten, 2002
Nutzpfand oder Nutzungspfand (sog. ältere Satzung) ist im Hochmittelalter das Pfand, bei dem der Gläubiger unmittelbaren Besitz an der verpfändeten Sache (Grundstück) hat und die Nutzungen aus ihr ziehen darf.
Lit.: Kaser § 31 III 5a; Hübner 402; Viollet, P., Histoire du droit civil français, 1905, Neudruck 1966, 784; Planitz, H., Das deutsche Grundpfandrecht, 1936
Nutzung ist die Frucht einer Sache oder eines Rechtes sowie der Vorteil, welchen der Gebrauch der Sache oder des Rechtes gewährt.
Lit.: Hübner; Baltl/Kocher; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Nutzungspfand -> Nutzpfand
Nutzungsrecht ist das Recht, eine Sache zu nutzen. Es findet sich bereits im altrömischen Recht und begegnet bis zur Gegenwart in unterschiedlichen Gestalten. Insbesondere bestehen in der Grundherrschaft unzählige Nutzungsrechte an Grundstücken. -> Nießbrauch
Lit.: Hübner 549, 786; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 26, 125, 163; Hübner, R., Die donationes post obitum, 1888; Ogris, W., Der mittelalterliche Leibrentenvertrag, 1961
O
Oberappellationsgericht ist in der frühen Neuzeit der drittinstanzliche Gerichtshof eines Landes. Das O. ersetzt das auf Grund von Nichtappellationsprivilegien nicht mehr zuständige Reichsgericht (-> Reichskammergericht). Es entscheidet als dritte Instanz in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten nichtprivilegierter Parteien und als zweite Instanz bei schweren Strafsachen. 1877/79 wird das O. allgemein (durch das -> Oberlandesgericht) beseitigt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Döhring, E.,
Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953, 26; Weitzel, J., Der Kampf um die
Appellation, 1976, 291; Eisenhardt, U., Die kaiserlichen privilegia de non
appellando, 1980; Jessen, P., Der Einfluss des Reichshofrates und des
Reichskammergerichts, 1986;
Gesamtinventar der Akten des Oberappellationsgerichtes der vier Freien Städte
Deutschlands, hg. v. Lorenzen-Schmidt, K. u. a., Bd. 1ff. 1996ff.
Oberbayerisches Landrecht ist ein in mehr als 100 Handschriften des 14. und 15. Jh.s überliefertes Landrecht für Oberbayern von 1346. Ihm geht eine verschollene Fassung von etwa 1335 voraus. Veranlasst ist es vermutlich von Kaiser Ludwig dem Bayern. Es ist in 28 Titel mit 350 Artikeln gegliedert. Im Mittelpunkt stehen Privatrecht, Strafrecht und Verfahrensrecht. Unmittelbare Vorlagen sind nicht erkennbar. Römischrechtliche oder kirchenrechtliche Einflüsse sind nicht bestimmend, vielmehr wird im wesentlichen das einheimische Gewohnheitsrecht wiedergegeben. 1518 wird das Landrecht reformiert. 1616 wird für Oberbayern und Niederbayern ein gemeinsames Landrecht geschaffen.
Lit.:
Riedner, O., Die Rechtsbücher Ludwigs des Bayern, 1911; Lieberich, H., Kaiser
Ludwig der Baier als Gesetzgeber, ZRG GA 76 (1959), 173; Schlosser, H.,
Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971;
Schlosser, H./Schwab, I., Oberbayerisches Landrecht Kaiser Ludwigs des Bayern
von 1346, 2000; Das Landrecht von 1346 für Oberbayern, hg. v. Schwab, I., 2002
Obereigentum (lat. dominium [N.] directum) ist im gelehrten Recht vom Hochmittelalter bis zum 19. Jh. die Rechtsstellung des Obereigentümers (z. B. Lehnsherrn) eines im geteilten -> Eigentum stehenden Gegenstandes (z. B. Lehen). Es wird in verkennender Ausdehnung einer römischen Quellenstelle über einen Herausgabeanspruch des Erbpächters entwickelt. Es entspricht Bedürfnissen der Rechtswirklichkeit.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 f. 1985ff.
Oberhaus ->
House of Lords
Oberhof ist seit dem Spätmittelalter (ein Gericht als) eine Auskunftsstelle für Gericht und Einzelmenschen. Oberhöfe finden sich sowohl in Städten wie auch auf dem Land. Ihre Ausbildung beruht anfangs auf Freiwilligkeit. Mit der längerdauernden Übung der Erteilung von Auskünften entwickelt sich ein gewisses Abhängigkeitsverhältnis. Allmählich dringt Schriftlichkeit in das Verfahren ein. Bekannte Oberhöfe sind etwa Magdeburg, Lübeck, Krakau, Dortmund, Frankfurt, Ingelheim, Speyer, Nürnberg oder Neustadt an der Weinstraße. Mit dem Vordringen des römischen Rechts und der Ausbildung des Instanzenzuges in der erstarkenden landesherrlichen Verwaltung verschwindet der O. vom 16. bis in das 18. Jh.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 116; Der Oberhof Iglau in Mähren, hg. v. Tomaschek, J., 1868; Brünneck, W. v., Zur Geschichte des Kulmer Oberhofes, ZRG GA 34 (1913), 1; Schwabe, W., Der Aachener Oberhof, 1924; Bastian, J., Der Freiburger Oberhof, 1934; Goerlitz, T., Die Oberhöfe in Schlesien, 1938; Die älteren Urteile des Ingelheimer Oberhofes, hg. v. Erler, A., Bd. 1ff. 1952ff.; Mertz, W., Der Frankfurter Oberhof, Diss. jur. Frankfurt am Main 1954; Gudian, G., Der Oberhof Ingelheim, ZRG GA 81 (1964), 267; Müller, H., Oberhof und neuzeitlicher Territorialstaat, 1978; Weitzel, J., Über Oberhöfe, Recht und Rechtszug, 1981; Schott, C., Die Wolfacher Fragen und die Freiburger Oberhofurteile, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 390; Zwerenz, G., Der Rechtswortschatz der Urteile des Ingelheimer Oberhofes, Diss. jur. Gießen 1988
Oberlandesgericht ist seit 1808 das bisherige preußische Landesjustizkollegium und danach das 1877/9 geschaffene, zwischen Reichsgericht bzw. Bundesgerichtshof und Landgericht (bzw. oberstem Gerichtshof und Landesgericht in Österreich seit 1852) stehende Gericht. -> Oberappellationsgericht
Lit.:
Köbler, DRG 200, 261; Baltl/Kocher; Kern, E., Geschichte des
Gerichtsverfassungsrechts, 1954; 250 Jahre Oberlandesgericht Celle, 1961;
Festschrift zum 150jährigen Bestehen des Oberlandesgerichts Zweibrücken, 1969;
Festschrift zum 150-jährigen Bestehen des Oberlandesgerichts Hamm, 1970; Hülle,
W., Geschichte des höchsten Landesgerichtes von Oldenburg, 1974; Zimmer, E.,
Die Geschichte des Oberlandesgerichtes in Frankfurt am Main, 1976; Festschrift
zum 275-jährigen Bestehen des Oberlandesgerichts Celle, 1986; 175 Jahre
Oberlandesgericht Oldenburg, 1989; 50 Jahre Oberlandesgericht und
Generalstaatsanwaltschaft Koblenz 1996
Obermärker ist der Leiter der -> Markgenossenschaft.
Oberösterreich ist in allmählicher Entwicklung seit der Erstnennung von ahd. ostarrihhi (996) das ob (westlich) der Enns gelegene (Bundesland) -> Österreich(s).
Lit.:
Köbler, Historisches Lexikon; Baltl/Kocher; Schmidt, F., Die freien bäuerlichen
Eigengüter in Oberösterreich, 1941; Sturmberger, H., Der Weg zum Verfassungsstaat,
1972; Feigl, H., Rechtsentwicklung und Gerichtswesen Oberösterreichs, 1974;
Slapnicka, H., Oberösterreich unter Kaiser Franz Joseph, 1982; Strätz, H., Die
oberösterreichische Landtafel von 1616/1629, in: Wege europäischer
Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 504; Lohner, J. Das
landeshauptmannschaftliche Gericht in Oberösterreich, 1988
Oberpfalz ist der um Neumarkt gelegene (obere) Teil der Pfalz(grafschaft bei Rhein), welche durch Erbteilung im Hause Wittelsbach zeitweise vom übrigen -> Bayern abgeteilt wird. Für die O. wird 1657/9 ein -> Landrecht geschaffen.
Lit.:
Köbler, Historisches Lexikon; Bosl, K., Das kurpfälzische Territorium „Obere
Pfalz“, Z. f. bay. LG. 26 (1963), 3; Dittrich, H., Die Entstehung des
Oberpfälzischen Landrechts, Diss. jur. Regensburg 1991; Schroeder, C., Das
Oberpfälzer Landrecht, ZRG GA 110 (1993), 482
Oberpräsident ist der leitende Beamte der zivilen Provinzialverwaltung (zwischen 4 und 12 Provinzen) in Preußen von 1806 bis (1933 bzw.) 1945 mit drei unterschiedlichen Funktionen.
Lit.: Kube,
H., Die geschichtliche Entwicklung der Stellung des preußischen
Oberpräsidenten, Diss. jur. Berlin 1939
Oberrechnungskammer (1802) ist eine sich seit 1713 entwickelnde Zentralbehörde des Rechnungswesens in Preußen. Die O. ist selbständig und unabhängig. Sie wird 1869 zum -> Rechnungshof des Norddeutschen Bundes.
Lit.: 250
Jahre Rechnungsprüfung, hg. v. Bundesrechnungshof, 1964; Bachmann, M., Der
Bundesrechnungshof, 1967, 90
Oberschlesien -> Schlesien
Oberste Justizstelle ist das auf erste Ansätze des Jahres 1501 zurückgehende, am 1. 5. 1749 von Maria Theresia eingerichtete Höchstgericht (mit Präsidenten, Vizepräsidenten, Senaten und Räten) Österreichs (oberste Revisionsinstanz in Justizsachen und oberste Justizverwaltungsbehörde), das 1848 zum Obersten Gerichtshof wird. Die o. J. wendet subsidiär gemeines Recht an. Mit ihr wird die Rechtsprechung aus der Verwaltung in der obersten Instanz ausgesondert
Lit.:
Kocher, G., Die Zivilgesetzgebung und die Oberste Justizstelle bis zum ABGB, FS
H. Baltl, 1978, 309; Kocher, G., Höchstgerichtsbarkeit und
Privatrechtskodifikation, 1979; Maasburg, F. v., Geschichte der obersten
Justizstelle in Wien, 2. A. 1981;
Ratsprotokolle Oberste Justizstelle Tyrol.-Vorarlberg. Senat 1814-1844, Bd. 1
hg. v. Faistenberger, C., red. v. Niedermayr, M., 2003
Oberster Gerichtshof für die britische Zone ist der von 1948 bis 1950 für die britische Besatzungszone des Deutschen Reiches eingerichtete oberste Gerichtshof.
Lit.:
Kroeschell, 20. Jh.; Zimmermann, R., Der oberste Gerichtshof für die britische
Zone, ZNR 3 (1981), 158
Oberstes bayerisches Landesgericht in München ist ein 1877/9 aus dem 1808 in Bayern eingerichteten Oberappellationsgericht abgeleitetes Gericht, dem die Verhandlung und Entscheidung der sonst im Deutschen Reich dem Reichsgericht zustehenden Revisionen und Beschwerden in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und die weitere Beschwerde der freiwilligen Gerichtsbarkeit zugewiesen ist.
Lit.: 350
Jahre Bayerisches Oberstes Landesgericht, hg. v. Bayerischen Staatsministerium
der Justiz, 1975, 15
Oberstes Gericht ist das Höchstgericht der -> Deutschen Demokratischen Republik.
Lit.:
Kroeschell, 20. Jh.; Das Oberste Gericht der DDR, 1989
Obertribunal (1772) ist das 1703 als Oberappellationsgericht preußischer Landesteile geschaffene, im 19. Jh. zum höchsten Gericht aufsteigende Gericht, das 1877/9 weitgehend im Reichsgericht aufgeht.
Lit.:
Sonnenschmidt, F., Geschichte des königlichen Obertribunals zu Berlin, 1879;
Schubert, W., Die Aufhebung des Berliner Obertribunals im Juni 1879, in: Wege
europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler,
G., 1987, 419
Oberverwaltungsgericht (OVG) ist das Obergericht der Verwaltungsgerichtsbarkeit seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s, das später teilweise auch Verwaltungsgerichtshof genannt wird.
Lit.:
Pauly, S., Organisation, Geschichte und Praxis der Gesetzesauslegung des
königlich preußischen Oberverwaltungsgerichts 1875-1933, 1987; Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum des sächsischen
Oberverwaltungsgerichts, hg. v. Reich, S., 2002
Obervormundschaft ist die aufsichtliche Stellung der Obrigkeit bzw. Kirche über den -> Vormund, wie sie sich seit der karolingischen Zeit entwickelt und im Vormundschaftsgericht endet.
Lit.:
Kraut, T., Die Vormundschaft, Bd. 1 1835; Coing, H., Europäisches Privatrecht,
Bd. 1f. 1985ff.
oblatio (lat. [F.]) Gabe, Opfer, Spende (z. B. auch von Kindern in ein
Kloster)
Lit.: Kaser
§ 37 II 1; Seidl, J., Die Götterverlobung von Kindern, 1872; Laske, W., Das
Problem der Mönchung, 1973
obligatio (lat. [F.]) ist seit dem altrömischen Recht das Schuldverhältnis. Es geht vermutlich auf den Ausgleich von Unrechtserfolgen (später sog. [lat.] delicta [N.Pl.]) zurück. Das bei ihnen zunächst regelmäßig bestehende Racherecht des Verletzten oder seiner Verwandtschaft wird im Interesse der Allgemeinheit allmählich eingeschränkt und durch die Hingabe von Vermögensgegenständen (Sühneleistung) einverständlich abgelöst. Sobald eine Leistung durch den Verursacher, seine Verwandten oder Gentilen üblich und im Rahmen eines vielleicht nach griechischem Vorbild erstellten festen Kataloges von Vergleichssätzen (fester Metallwert oder vielfacher Sachwert) verbindlich wird, dient der Zugriff auf die Person des Verursachers nicht mehr der unmittelbaren Vergeltung, sondern wohl der mittelbaren Erzwingung der Leistung. Seine Zulässigkeit entfällt mit der Leistung, zu welcher der Verursacher aber anfangs nicht verpflichtet ist. Später tritt die Befreiung von der Haftung durch Leistung immer stärker in den Vordergrund, so dass allmählich eine Verpflichtung zur Leistung entsteht, welche die ursprüngliche Haftung mehr und mehr in den Hintergrund drängt. Vermutlich früh ist außerdem ein Geschäft möglich, durch das jemand sich zur Haftung verpflichtet, wobei die Leistung bald wichtiger wird als die Haftung. Im weiteren Verlauf werden zahlreiche verschiedene Obligationen entwickelt (Kontrakt, Quasikontrakt, Delikt, Quasidelikt).
Lit.: Kaser
§§ 4 I 2, 32 I, 33 I, 38 IV, 56 I, 61, 84; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 26,
42, 62; Kuntze, J., Die Obligation, 1856; Levy, E., Weströmisches Vulgarrecht,
1956; Watson, A., The Law of Obligations, 1965; Hochstein, R., Obligationes
quasi ex delicto, 1971; Zimmermann, R., The Law of Obligations, 1992; Hartung, G., Die
Naturrechtsdebatte, 2. A. 1999
obligatio (F.) civilis (lat.) ist im römischen Recht die auf (lat.) ius (N.) civile gegründete, mit (lat.) actio (F.) civilis ausgestaltete -> obligatio.
Lit.: Kaser § 33 II; Zimmermann, R., The Law of Obligations, 1992
obligatio (F.) ex contractu (lat.) Verbindlichkeit aus Vertrag
Lit.: Kaser § 38 I
obligatio (F.) ex delicto (lat.) Verbindlichkeit aus Delikt
Lit.: Kaser §§ 38 I, 50 I
obligatio (F.) ex variis causarum figuris (lat.) Verbindlichkeit aus verschiedenen Gründen
Lit.: Kaser § 38 I 2; Köbler, DRG 62
obligatio (F.) honoraria (lat.) ist im römischen Recht die erst vom Prätor oder Ädil klagbar gemachte Verbindlichkeit.
Lit.: Kaser § 33 I
Obligation ist die aus der römischen (lat.) -> obligatio (F.) entwickelte Verbindlichkeit (Schuld, Schuldverhältnis). Sie wird im Spätmittelalter mit dem römischen Recht aufgenommen und mit den einheimischen Schuldverhältnissen verbunden.
Lit.: Kaser §§ 33, 38, 56; Kuntze, J., Die Obligation, 1856; Roussier, J.,
Le fondement de l’obligation, Thèse Paris 1933; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1 1985, 393
Obligationenrecht ist das im 19. Jh. zunehmend
als besonderes Rechtsgebiet erkannte Schuldrecht. In der -> Schweiz ist das O. mit
Einschluss der Gesellschaften und der Wertpapiere in einem besonderen Gesetz
vom 30. 11. 1911, das den fünften Teil des Zivilgesetzbuches bildet, geregelt.
Lit.: Kaser §§ 32ff.; Köbler, DRG 182, 184,
229, 255; Savigny, F., Das Obligationenrecht, Bd. 1f. 1851ff.; Hundert Jahre
Schweizerisches Obligationenrecht, hg. v. Peter, H. u. a., 1982; Das Obligationenrecht
1883-1983, hg. v. Caroni, P., 1984; Anhäuser, V., Das internationale
Obligationenrecht in der höchstrichterlichen Rechtsprechung des 19. Jahrhunderts, 1986
obligatio (F.) quasi ex contractu (lat.) Verbindlichkeit aus vertragsähnlichem Tatbestand
Lit.: Kaser § 38 I 2; Köbler DRG, 62
obligatio (F.) quasi ex delicto (lat.) Verbindlichkeit aus deliktsähnlichem Tatbestand
Lit.: Kaser § 38 I 2; Köbler DRG 62
obligatio (F.) re, verbis, litteris, consensu contracta (lat.) ist eine römische Bezeichnung für eine Verbindlichkeit aus Realvertrag, Verbalvertrag, Litteralvertrag oder Konsensualvertrag, wobei das beurkundete Darlehen im nachklassischen römischen Recht als (lat.) obligatio (F.) re et verbis aufgefasst wird.
Lit.: Kaser §§ 38 I, 39 I 2
Obrigkeit ist die vom 15. bis zum 17. Jh. bestimmende Bezeichnung für den Träger von Herrschaftsrechten. Ihr entspricht die Untertänigkeit. Der O. steht das Recht zu, durch Gebote die gute -> Polizei bzw. -> Ordnung zu sichern.
Lit.: Naujoks, E., Ordnungsgedanke, Zunftverfassung
und Reformation, 1958; Willoweit, D., Gebot und Verbot im Spätmittelalter,
Hess. Jb. f. LG. 30 (1980), 94; Willoweit, D., Gesetzgebung und Recht, in: Zum
römischen und neuzeitlichen Gesetzesbegriff, hg. v. Behrends, O. u. a., 1987,
123; Friedeburg,
R. v., Ländliche Gesellschaft und Obrigkeit, 1997
obsequium (lat. [N.]) Nachgiebigkeit, Gehorsam
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Observanz ist das örtlich oder persönlich (z. B. Orden) begrenzte Gewohnheitsrecht.
Lit.: Petersen, R., Die Observanz, Diss. jur. Leipzig 1848; Köbler, G., Zur Frührezeption der consuetudo, Hist. Jb. 89 (1969), 337
obstagium (lat. [N.]) -> Einlager
occupatio (lat. [F.]) ist die schon dem altrömischen Recht bekannte -> Aneignung einer von Anfang an oder durch Eigentumsaufgabe herrenlosen Sache.
Lit.: Kaser § 26 I; Köbler, DRG 24, 40
Ockham, Wilhelm (von) (Occam 1280/5 - München 1346/9) wird nach dem Studium der Theologie in Oxford der Ketzerei verdächtig und flieht zu Ludwig dem Bayern. Neben vielen Gutachten verfasst er hier wohl um 1340 seinen (lat.) Dialogus (M.) de potestate imperiali et papali (Zwiegespräch über kaiserliche und päpstliche Gewalt) zugunsten des Kaisers.
Lit.: Köbler, DRG 107; Kölmel, W., Wilhelm Ockham, 1962; Miethke, J., Ockhams Weg zur Sozialphilosophie, 1969; Leppin, V., Wilhelm von Ockham, 2003
odal (an.) Erbgut, Gut, Heimat
Lit.: Behaghel, O., Odal, SB. d. Akad. d. Wiss. München phil.-hist. Abt. 1935, 3; Störmer, W., Früher Adel, 1973, 116, 155; Danielsen, R. u. a., Grunntrekki i norsk historie, 1991, 49
Odofredus de Denariis (Bologna um 1200 - 3. 12. 1265 oder 1234) wird nach dem Rechtsstudium in Bologna (Azo, Jacobus Balduini) wohl 1231 Rechtslehrer in Bologna. Er verfasst Glossen, Summen, Quaestiones, Gutachten und Monographien.
Lit.: Köbler, DRG 107; Tamassia, N., Odofredo, in: Azzi e
memorie, 1894; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973;
La Pace di Costanza 1183, 1984;
Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Odowakar (um 433 - 493) ist ein germanischer (skirischer) Söldnerführer, der 476 n. Chr. mit der Absetzung des Romulus Augustulus das weströmische Reich beendet.
Lit.: Söllner § 19; Köbler, DRG 50, 67; Chastagnol, A., Le
senat romain sous le règne d’Odoacre, 1966; Wes, M., Das Ende des Kaisertums,
1967, 149
Ofen (Buda) an der Donau ist heute Teil von Budapest. Sein in deutscher Sprache verfasstes, in 3 Handschriften überliefertes Stadtrechtsbuch wird vermutlich zwischen 1403 und 1439 (1405-21) von dem Stadtrichter Johannes Siebenlinder verfasst. Es gliedert sich in fünf Teile mit 445 Artikeln (Stadtverfassung, Kaufleuterecht). Es zeigt Beziehungen zum Sachsenspiegel, zum Magdeburger, Iglauer und Wiener Recht. Das Recht von O. wird an zahlreiche Städte in Ungarn verliehen.
Lit.: Das Ofener Stadtrecht, hg. v. Mollay, K., 1959; Rady, M., Medieval Buda, 1985; Gönczi, K., Ungarisches Stadtrecht, 1996
offene Handelsgesellschaft ist eine Handelsgesellschaft mit unbeschränkter Haftung aller Gesellschafter. Sie erscheint in der hochmittelalterlichen Stadt und bildet sich in der frühen Neuzeit stärker durch.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 127, 167, 217; Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913; Lutz, E., Die rechtliche Struktur süddeutscher Handelsgesellschaften, 1976; Hagemann, H., Basler Handelsgesellschaften, FS F. Vischer, 1983, 557; Servos, R., Die Personalhandelsgesellschaften und die stille Gesellschaft, Diss. jur. Köln 1984
offenes Haus ist das einem anderen zur (kriegerischen) Benutzung offenstehende Haus. -> Öffnungsrecht
Lit.: Pfeiffer, G., Die Offenhäuser der Reichsstadt Nürnberg, Jb. f. fränk. LG. 14 (1954), 153
öffentlicher Dienst ist seit dem 19. Jh. der Staatsdienst.
Lit.: Hattenhauer, H., Geschichte des Beamtentums, 1980; Schneider, O., Rechtsgedanken und Rechtstechniken totalitärer Herrschaft, 1988
öffentlicher Glaube ist das Vertrauen der Allgemeinheit in ein öffentliches Register (z. B. Grundbuch, Handelsregister). Anfangs gewähren diese Register nur einen Beweisvorteil im Streit um Grundstücksrechte. Seit dem 18. Jh. (Preußen 1783) ermöglichen sie allmählich den gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten (um 1870).
Lit.: Hedemann, J., Die Fortschritte des Zivilrechts, Bd. II 2, 1935; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Hofmeister, H., Die Grundsätze des Liegenschaftserwerbes, 1977; Buchholz, S., Abstraktionsprinzip und Immobilienrecht, 1978
öffentliches Recht sind alle Rechtssätze, bei denen Berechtigter oder Verpflichteter ausschließlich ein Träger öffentlicher Gewalt (z. B. Staat, Gemeinde) in seiner Eigenschaft als solcher ist. Zum öffentlichen Recht zählen etwa Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Verfahrensrecht und Strafrecht. Seinen Ausgang nimmt die Aufteilung des Rechtes in privates Recht und öffentliches Recht im römischen Altertum, in dem nach einer -> Ulpian zugeschriebenen Wendung ö. R. ist, was die Verhältnisse des römischen Gemeinwesens betrifft (lat. ad statum rei Romanae spectat). Diese Einteilung ist zwar dem Mittelalter bekannt, hat dort aber keine grundsätzliche Bedeutung. Erst um das Jahr 1600 findet sich das öffentliche Recht (lat. ius [N.] publicum) als besonderes Sachfach an der Universität (Staatsrecht). Die ersten bekannten Vertreter des selbständigen Staatsrechts (Reichsstaatsrechts) sind (-> Bodin [1530-1596],) -> Limnaeus (1592-1663) und -> Pufendorf (1632-1694). Seit Beginn des 19. Jh.s wird dann eine grundsätzliche dogmatische Trennung von öffentlichem Recht (Machtbereich des souveränen Fürstentums) und privatem Recht (Freiheitsraum des einzelnen) deutlich. Innerhalb des öffentlichen Rechts entwickelt sich im 19. Jh. das -> Verwaltungsrecht (Otto -> Mayer).
Lit.: Kaser § 3 II; Söllner § 18; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 54, 143, 147, 189; Gerber, C., Über öffentliche Rechte, 1852; Schöne, L., Privatrecht und öffentliches Recht, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1956; Wilhelm, W., Zur juristischen Methodenlehre im 19. Jahrhundert, 1958; Müllejans, H., Publicus und privatus im römischen Recht, 1961; Bullinger, M., Öffentliches Recht und Privatrecht, 1968; Echterhölter, R., Das öffentliche Recht im nationalsozialistischen Staat, 1970; Hoke, R., Die Reichsstaatslehre des Johannes Limnaeus, 1968; Grimm, D., Zur politischen Funktion der Trennung, in: Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, 1972, 224; Wyduckel, D., Jus publicum, 1984; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1ff. 1988ff.; Pauly, W., Der Methodenwandel im deutschen Spätkonstitutionalismus, 1993; Stolleis, M., Konstitution und Intervention, 2001
Öffentlichkeit ist die Zugänglichkeit eines Vorgangs für einen nach Zahl und Individualität unbestimmten Personenkreis. Die Ö. ist insbesondere im Verfahrensrecht bedeutsam. Hier drängen das Inquisitionsverfahren seit dem Hochmittelalter und der gelehrte Prozess seit dem Spätmittelalter die Ö. zurück. Der Liberalismus erreicht im 19. Jh. die Rückkehr zur grundsätzlichen Ö. des Prozesses (Frankreich 1806/8, deutsche Bundesstaaten ab 1848). Umgekehrt versucht der Staat eine Überwachung der Ö. im Sinne der Allgemeinheit.
Lit.:
Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 201, 202; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4
1978, 413; Alber, P., Die Geschichte der Öffentlichkeit im deutschen
Strafverfahren, 1971; Fögen, M., Der Kampf um die Gerichtsöffentlichkeit, 1974;
Siemann, W., Der „Polizeiverein“ deutscher Staaten, 1983; Körber, E.,
Öffentlichkeiten der frühen Neuzeit, 1998; Weitzel, J., Gerichtsöffentlichkeit,
in: Information u. a., hg. v. Haverkamp, A., 1998, 71; Das öffentliche und
Private in der Vormoderne, hg. v. Melville, G. u. a., 1998
Öffentlichkeitsgrundsatz -> Öffentlichkeit
öffentlichrechtlicher Vertrag ist der Vertrag mindestens eines Hoheitsträgers mit einem
Vertragspartner über einen Gegenstand des öffentlichen Rechts. Er wird im 20.
Jh. anerkannt. Lit.: Köbler, DRG 259; Maurer, H.,
Allgemeines Verwaltungsrecht, 10. A.
1996
officier (M.) civil (franz.) (1787/92) -> Standesbeamter
officium (lat. [N.])
Amt, Pflicht
officium (N.) pietatis (lat.)
sittliche Pflicht
Lit.: Köbler, DRG 38
Offizial ist im
katholischen Kirchenrecht der vereinzelt seit dem späten 12. Jh. (Reims,
Mainz), allgemein seit 1246 erscheinende, gelehrte Vorsitzende der
bischöflichen Gerichtsbehörde, der als ständiger ordentlicher berufsmäßiger
Einzelrichter selbst entscheidet (Meißen 1316, Merseburg 1330; Naumburg-Zeitz
1340). Später ist O. ein einfacher Beamtentitel.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 115; Steins, A., Der ordentliche Zivilprozess vor dem bischöflichen Offizial, Diss. jur. Bonn 1972
Offizialat ist im
katholischen Kirchenrecht die bischöfliche Gerichtsbarkeit. -> Offizial
Lit.: Trusen, W., Die gelehrte Gerichtsbarkeit der Kirche,
in: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973, 476; Paarhammer, H.,
Rechtsprechung und Verwaltung des Salzburger Offizialates, 1977; Johanek, J.,
Geistlicher Richter und geistliches Gericht, Diss. phil. Würzburg 1981;
Buchholz-Johanek, I., Geistlicher Richter und geistliches Gericht, 1988; Schwab,
C., Das Augsburger Offizialatsregister 1348-1352, 2001
Offizialmaxime ist im Prozessrecht
der Grundsatz des Amtsprinzips. Die O. erscheint in den hochmittelalterlichen
Städten, in denen der Richter zur Unrechtsverfolgung verpflichtet wird. Sie
gilt im -> Inquisitionsprozess.
Lit.: Köbler,
DRG 117, 156
Offizier ist der
Führer einer Anzahl von Soldaten. Er ist im klassischen und spätantiken Rom
bekannt. Danach erscheint er wieder seit dem Ende des 16. Jh.s. Im 19. Jh. wird
er vom Diener des Fürsten zum Diener des Staates. Danach wird der Adel ganz
allmählich durch Bürger zurückgedrängt. Voraussetzung wird ein höherer
Bildungsstand (Abitur), eine gewisse Dienstzeit und die Ablegung einer Prüfung.
Lit.: Sossidi, E., Die staatsrechtliche Stellung der
Offiziere, 1939; Beyer, P., Das Leitbild des deutschen Offiziers, 1964;
Demeter, K., Das deutsche Offizierskorps, 4. A. 1965; Untersuchungen des
Offizierskorps, 1962
Öffnung ist eine
frühneuzeitliche Bezeichnung für ein -> Weistum.
Öffnungsrecht ist seit
dem Hochmittelalter das Recht, von einem Inhaber eines befestigten Ortes die
Öffnung und die Einräumung der Nutzung zu verlangen. Träger des Öffnungsrechts
ist vor allem der Lehnsherr, später der Landesherr. -> offenes Haus
Lit.: Conrad, H., Geschichte der deutschen Wehrverfassung, Bd. 1 1939; Hillebrand, F., Das Öffnungsrecht, Diss. phil. Tübingen 1967
Ofner, Julius
(Horschenz 1845 - Wien 1924) wird nach dem Rechtsstudium in Prag und Wien
Anwalt, Richter und Politiker. Er setzt sich für eine soziale Fortentwicklung des
Rechts ein.
Lit.: Brauneder, W., Leseverein und Rechtskultur, 1992
OGH -> Oberster Gerichtshof
Okkupation (F.) Besetzung
Lit.: Latour-Vogelsang, Okkupation und Wiederaufbau, 1973
Ökonomie (F.) Wirtschaft
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Marx, K., Zur Kritik der Politischen
Ökonomie, 1859; Söllner, F., Die
Geschichte des ökonomischen Denkens, 1999; Sandi, M., Ökonomie des Raumes, 1999
ökonomische Analyse des Rechts ist eine von den
Vereinigten Staaten von Amerika im späten 20. Jh. (1975ff.) übernommene
Betrachtungsweise des Rechts, welche über die Betrachtung der Wirklichkeit nach
wirtschaftlichen Gesichtspunkten die Grundlage der Rechtsordnung zu verändern
versucht.
Lit.: Horn, N., Zur ökonomischen Rationalität des Privatrechts, AcP 176 (1976), 307; Posner, R., Economic Analysis of Law, 1977; Assmann, u. a., Ökonomische Analyse des Rechts, 1993; Schäfer, H./Ott, C., Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 2. A. 1995; Eidenmüller, H., Effizienz als Rechtsprinzip, 2. A. 1998
Oktoberdiplom ist ein
nach der Niederlage gegen die italienische Einigungsbewegung am 20. 10. 1860
gewährtes neues Staatsgrundgesetz in -> Österreich, demzufolge die
Gesetzgebung unter Mitwirkung der Landtage oder des Reichsrates ausgeübt werden
soll. Es will die Vollgewalt des Kaisers wahren, die Bildung eines allgemeinen
Parlamentes umgehen und die Stellung des Adels stärken. Es findet aber weder in
Ungarn noch in Böhmen Billigung. Seinem Scheitern folgt am 26. 2. 1861 das
-> Februarpatent.
Lit.: Köbler, DRG 194; Baltl/Kocher
Oktroi ist die Verleihung, Bewilligung oder Bevorrechtung. Im 19. Jh. wird O. eine Möglichkeit der Verfassungsgewährung (z. B. Bayern 1808/18, Nassau 1814, Waldeck 1814, Württemberg 1815-8, Kurhessen 1815/6, Baden 1818, Lippe-Detmold 1819, Hessen-Darmstadt 1820, Sachsen-Meiningen 1829, Preußen 1848, Österreich 4. 3. 1849).
Lit.: Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 3. A. 1997
Oktroisystem ist das im frühneuzeitlichen Recht herrschende System der Verleihung von Rechten durch staatliche Urkunde. Es wirkt sich insbesondere auch auf die Entstehung juristischer Personen aus. Hier wird es im 19. Jh. durch das System der Konzession und danach der Normativbestimmungen (1870) ersetzt.
Lit.: Köbler, DRG 161, 167, 217
oktroyierte Verfassung -> Oktroi, Verfassung
Olaus (Olavus) Petri (Örebro 6. 1. 1493? - Stockholm 19. 4. 1552) wird nach dem Theologiestudium in Wittenberg (Melanchthon, Luther) Diakon in Strängnäs, 1524 Sekretär in Stockholm und Pfarrer der Stadtkirche sowie 1531 (bis 1533) Kanzler. Er verfasst bedeutende Richterregeln.
Lit.: Schmidt, G., Die Richterregeln des
Olavus Petri, 1966
Oldenburg ist seit der Mitte des 12. Jh.s eine nach der Burg O. an der Hunte benannte Grafschaft, die 1774 Herzogtum und 1918 Freistaat wird und 1946 in -> Niedersachsen aufgeht.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Hartong, K., Beiträge zur Geschichte des oldenburgischen Staatsrechts, 1958; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,3698; Hülle, W., Geschichte des höchsten Landesgerichts von Oldenburg, 1975; Rössler, L., Die Entwicklung der kommunalen Selbstverwaltung, 1985; Geschichte des Landes Oldenburg, hg. v. Eckhardt, A. u. a., 3. A. 1988; 175 Jahre Oberlandesgericht Oldenburg, 1989
Oldenburger Bilderhandschrift -> Bilderhandschrift
Oldendorp, Johannes (Hamburg um 1488 - Marburg 3. 6. 1567), Kleinkaufmannssohn, wird nach dem von seinem Onkel Albert Krantz geförderten Rechtsstudium in Rostock und Bologna 1516 Rechtslehrer in Greifswald, 1520 in Frankfurt an der Oder, 1521 Professor in Greifswald, 1526 in Rostock, 1536 in Köln und 1543 in Marburg. Bekannt wird er durch verschiedene Schriften zur Ausbildung, in denen er früh naturrechtliche Gedankengänge aufgreift. Bedeutsam ist auch sein Einsatz zugunsten der freien Beweiswürdigung des Richters.
Lit.:
Dietze, H., Johannes Oldendorp, 1933; Wolf, E., Große Rechtsdenker, 4. A. 1963,
138; Mack, P., Das Rechts- und Staatsdenken des Johannes Oldendorp, Diss. jur.
Köln 1966
Oléron ist eine vor der französischen Westküste gelegene Insel, nach der das in den privat aufgezeichneten, durch 30 Handschriften des 14. und 15. Jh.s bezeugten Rôles d’Oléron niedergelegte Seerecht benannt ist. Dieses weistumsartige Seerecht stammt sowohl aus mittelmeerischen wie auch aus nordwesteuropäischen Gewohnheiten. Nach Oléron hat es wohl den Namen, weil dort das vielleicht kurz vor 1286 geschaffene Original der Aufzeichnung aufbewahrt wurde. Das Seerecht gliedert sich in 24 Artikel und behandelt Reeder, Schiffer, Schiffsmannschaft, Lotsen und Befrachter. Seit dem 14. Jh. wirken sich die Rôles d’Oléron an vielen Orten aus ( -> Siete Partidas, Vonnisse von Damme, hansische Ordinancie, Liber Horn in London, Amsterdamer Ordonnantie, Seerecht von Visby, Gotlands Waterrecht, Frankreich 1681).
Lit.: Krieger, K., Ursprung und Wurzeln der Rôles d’Oléron, 1970; Shephard, J., Les Rôles d’Oléron, 1985
Oligarchie (F.) Herrschaft weniger
Lit.:
Ostwald, M., Oligarchia, 2000
Olmütz an der March westlich des sog. Niederen Gesenkes in Mähren erhält 1351 auf Befehl Kaiser Karls IV. von den Schöffen von Breslau das Recht Magdeburgs mitgeteilt und wird 1352 als -> Oberhof für alle mährischen Orte sächsisch-magdeburgischen Rechts bestätigt. Für mehr als 30 Städte und 80 kleinere Orte wirkt sich dies in allmählicher Abnahme bis 1705 aus. In der Mitte des 16. Jh.s wird nach dem Vorbild Breslaus von dem Stadtschreiber Heinrich Polanus (aus Polansdorf) die Olmützer Gerichtsordnung schriftlich niedergelegt, welche Vogt und Schöffen kennt und vom gelehrten Prozess nur geringfügig beeinflusst ist. 1569 erhält O. eine Universität. Am 29. 11. 1859 verzichtet -> Preußen angesichts der Überlegenheit Rußlands in der mit Österreich geschlossenen sog. Olmützer Punktation auf die Verwirklichung der deutschen Einheit unter seiner Führung.
Lit.: Bischoff, F., Deutsches Recht in Olmütz, 1855; Fischel, A., Die Olmützer Gerichtsordnung, 1903; Weizsäcker, W., Breslau als Oberhof mährischer Städte, Z. d. Vereins f. Gesch. Schlesiens 72 (1938), 25; Schüßler, M., Verbrechen im spätmittelalterlichen Olmütz, ZRG GA 111 (1994), 148
Ombudsmann ist ein Mensch, welcher als Verfassungsorgan den einzelnen gegen staatlich-behördliche Rechtsverletzung schützen soll. Der O. erscheint zuerst im Stadtrecht des Königs -> Magnus Hakonarson (1263-80) für Bergen als Bevollmächtigter des Königs. 1809 wird er in Schweden in die Verfassung aufgenommen. Seit dem 20. Jh. wird er im Interesse des einzelnen tätig. Seitdem breitet sich die Einrichtung des Ombudsmanns unter verschiedenen Bezeichnungen (z. B. Volksanwalt, Wehrbeauftragter) weiter aus (Finnland 1919, Israel 1950, Deutschland 1957, Dänemark 1962, Großbritannien 1967, Österreich 1977, Rumänien 1978).
Lit.:
Hansen, J., Die Institution des Ombudsmannes, 1972; Wild, E., Der Ombudsmann in
Deutschland, Diss. jur. Würzburg
1972; Rowat, D., The Ombudsmann plan, 1973
opera (N.Pl.) publica (lat.) sind seit der frühen Neuzeit als Strafen verhängte öffentliche Arbeiten (z. B. Festungsbau, Karrenziehen, Schiffsziehen, Galeerenrudern, Straßenkehren).
Lit.: Bohne,
G., Die Freiheitsstrafe, Bd. 2 1925, 275; Franke, H., Die Gefängnisarbeit,
Diss. jur. Würzburg 1926; Rüping, H., Grundriß der Strafrechtsgeschichte, 3. A.
1998
operis novi nuntiatio (lat. [F.]) ist im römischen, teilweise später aufgenommenen Recht die Untersagung fremder Bauführung durch einen Beeinträchtigten.
Lit.: Kaser
§ 23 III 8; Kroeschell, DRG 2
Opfer ist zunächst die Darbietung einer Sache, dann die Erduldung eines Übels und schließlich der dadurch Beeinträchtigte. Während sich das herkömmliche Strafrecht hauptsächlich mit dem Täter und seiner Bestrafung beschäftigt, gewinnt in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s auch das O. an Bedeutung (Viktimologie). Seit 1976 verpflichtet ein Gesetz in Deutschland den Staat zur Entschädigung der O. eines Gewaltverbrechens. Zunehmend wird auch ein Täter-Opfer-Ausgleich angestrebt.
Lit.:
Köbler, DRG 263; Schulte, R., Die Messe als Opfer der Kirche, 1959; Kunz,
E./Zeller, G., Opferentschädigungsgesetz, 3. A. 1995
oppidum (lat. [N.]) Siedlung, Stadt, im Mittelalter auch Dorf. Geschichtlich bemerkenswert sind die (etwa 170 bekannten) oppida (N.Pl.) der Kelten der Zeitenwende.
Lit.: Köbler, DRG 32; Köbler, LAW; Dehn, W., Die gallischen oppida
bei Cäsar, Saalburg-Jahrbuch 10 (1951), 36; Krämer, W./Schubert, F., Die Ausgrabungen
in Manching, 1970
Opportunitätsprinzip ist der Zweckmäßigkeitsgrundsatz des staatlichen Handelns. Dem O. steht das Legalitätsprinzip gegenüber. Die Staatsanwaltschaft darf nach Beseitigung der unterschiedlichen Regelungen des früheren 19. Jh.s (Preußen 3. 1. 1849, Baden 6. 3. 1854, Frankfurt am Main 13. 5. 1856 u. a.) seit 1877/9 (§ 152 StPO) nur in bestimmten Grenzen das O. anwenden (anders z. B. Vereinfachungsverordnung vom 13. 12. 1944).
Lit.: Hertz, J., Die Geschichte des Legalitätsprinzips, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1935; Schurer, K., Die Entwicklung des Legalitätsprinzips, Diss. jur. Hamburg 1965; Schroeder, F., Legalitätsprinzip und Opportunitätsprinzip heute, in: FS K. Peters 1974, 411
Opposition ist die Gesamtheit der einer Regierung gegenüberstehenden politischen Kräfte. Die O. ist wesentlicher Bestandteil der freiheitlichen Demokratie seit der Mitte des 19. Jh.s.
Lit.:
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 469; Rothfels, H., Die Opposition
gegen Hitler, 3. A. 1969; Hoffmann, P., Widerstand-Staatsstreich-Attentat,
1969; Brunner, K., Oppositionelle Gruppen im Karolingerreich, 1979
oratio (F.) Severi (lat.) ist der übliche Name für ein an Vormünder gerichtetes Verbot des römischen Kaisers Septimius Severus des Jahres 195 n. Chr., ländliche oder stadtnahe Grundstücke eines -> Mündels zu veräußern oder zu verpfänden.
Lit.: Kaser § 62 III 3; Söllner § 15
Ordal ist die dem vom Altfränkischen beeinflussten
Altenglischen entnommene wissenschaftliche Bezeichnung für das
frühmittelalterliche -> Gottesurteil seit dem 19. Jh.
Lit.: La preuve, Bd. 2 1965
Orden ist die dem römischen Gesellschaftswesen nachgebildete christliche Menschengemeinschaft und seit dem 17. Jh. das auszeichnende Ehrenzeichen. Von Mönchsorden lässt sich dabei entweder seit dem frühen 9. Jh. (Synode von Aachen 816) oder seit dem 12. Jh. (-> Zisterzienser) sprechen. Im 12. Jh. entstehen geistliche Ritterorden (1190 -> Deutscher Orden) und weltliche Ritterorden (Kastilien 1158). Nach Gnadenpfennigen des 16. Jh.s erscheinen militärische Verdienstorden in der zweiten Hälfte des 17. Jh.s. Das Recht, O. zu verleihen und zu stiften ist Hoheitsrecht, das seit dem 19. Jh. zunehmende gesetzliche Regelung erfährt.
Lit.:
Gritzner, M., Handbuch der Ritter- und Verdienstorden, 1893, Neudruck 1962;
Heimbucher, M., Die Orden und Kongregationen der katholischen Kirche, Bd. 1f. 1933f., Neudruck 1965; Gordon, L., British orders and
awards, 1959; Heydenreich, B., Ritterorden und Rittergesellschaften, Diss.
phil. Würzburg 1961; Höhne, H., Der Orden unter dem
Totenkopf, Bd 1f. 1969; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972, 80;
Werlech, R., Orders and decorations, 2. A. 1974; Boockmann, H., Der
Deutsche Orden, 1981; Mönchtum, Orden, Klöster, hg. v. Schwaiger, G., 2. A.
1994; Kulturgeschichte
der christlichen Orden, hg. v. Dinzelbacher, P., 1997; Kirchner, H., Deutsche
Orden und Ehrenzeichen, 5. A. 1997; Ballweg, J., Konziliare oder päpstliche
Ordensreform, 2001; Lehmann, F., Der rote Adlerorden (1705-1918), 2002;
Schwaiger, G./Heim, M., Orden und Klöster, 2002
Ordenaçoes Afonsinas ist eine nach König Alfons V. von
Portugal benannte, 1448 bzw. 1454 fertiggestellte Sammlung von Rechtsquellen (Königliche
Regierung und Verwaltung 62 Titel, Kleriker, Lehen, Mauren und Juden 123 Titel,
Zivilverfahren 128 Titel, Privatrecht 112 Titel, Strafe 121 Titel).
Lit.:
Albuquerque, M. de/Albuquerque, R. de, Historia do Direito Portugues, 1983; Wolf, A., Gesetzgebung
in Europa, 2. A. 1996, 195
Ordenaçoes Filipinas ist eine Sammlung des portugiesischen Rechts von 1603.
Ordenaçoes Manuelinas ist eine Überarbeitung der -> Ordenaçoes Afonsinas unter König Manuel I. von 1521.
Lit.: Wolf, A.,
Gesetzgebung in Europa, 2. A. 1996, 196
Ordensregel ist die die Verhältnisse in einem -> Orden bestimmende, meist vom Ordensstifter stammende Regel. Sie beruht auf der Gesamtheit der Erfahrungen des seit dem 4./5. Jh. entstehenden Mönchtums, welche Augustinus und Benedikt von Nursia bereits in Regeln fassen. Von ihnen weichen die Ordensregeln des 12. Jh.s ab, weswegen das Laterankonzil des Jahres 1212 die Zahl der zulässigen Ordensregeln auf die Regeln der heiligen Basilius, Augustinus, Benedikt und Franziskus begrenzt.
Lit.: Holste, L., Codex regularum monasticarum et canonicarum, Bd.
1ff. 1661; Balthasar, H. v., Die großen Ordensregeln, 2. A. 1961; Feine, H.,
Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Handbuch des katholischen
Kirchenrechts, hg. v. Listl, J., 1983, 476
Ordensschule ist vor allem seit dem Hochmittelalter die für einen bzw. von einem -> Orden geführte -> Schule (z. B. der Franziskaner, Dominikaner usw.).
Lit.:
Kroeschell, DRG 2
Orderpapier ist ein Wertpapier, das zwar eine bestimmte, namentlich bezeichnete Person als berechtigt benennt, aber den Aussteller auch verpflichtet, an eine vom Benannten durch -> Indossament bestimmte Person zu leisten. Orderpapiere finden sich schon seit dem Altertum, werden als besondere Art der Wertpapiere aber erst im 19. Jh. zusammengefasst. Dazu zählen Wechsel, Scheck, die Papiere der §§ 300ff. ADHGB (1861) bzw. 363 HGB (1897/1900), Namensaktie und Reichsbankanteilsschein. Die namengebende Orderklausel erscheint im 12. Jh. und gelangt über Italien und Frankreich im 17. Jh. nach Deutschland.
Lit.:
Hübner 597; Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3.
A.) 1891, 385ff., Neudruck 1957; Behrend, F., Die unvollkommenen Orderpapiere,
Diss. jur. Berlin 1892; Schultze-v. Lasaulx, H., Beiträge zur Geschichte des
Wertpapierrechts, 1931; Thieme, H., Zur wertpapierrechtlichen Funktion
mittelalterlicher Urkunden, FS H. Eichler, 1977, 645
Ordinancie (unde insettinge) ist eine Aufzeichnung der von den niederländischen Hafenstädten im Seehandel angewandten Rechtssätze aus dem Ende des 14. Jh.s. Ihr liegt die -> Vonnisse von Damme und damit mittelbar die -> Rôles d’Oléron zugrunde.
Lit.:
Landwehr, G., Prinzipien der Risikotragung beim Seefrachtvertrag, FS K.
Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a. , 1997
ordinarius (lat. [M.]) ist der ordentliche Universitätsprofessor. Ursprünglich ist der o. anscheinend der Vorsitzende des Spruchkollegiums einer Fakultät. Auch nach Abschaffung dieser Einrichtung (1877/9) bleibt der Name für den berufenen und zum ordentlichen Professor ernannten Gelehrten erhalten.
Lit.: Trier, J., De officio ordinarii, 1743; Savigny, F. v.,
Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, Bd. 3 2. A. 1834, Neudruck
1961, 262; Kaufmann, G., Geschichte der deutschen Universität, Bd. 2 1896,
Neudruck 1958, 210
ordinatio (F.) de inquisitione consuetudinem facienda ist ein französisches Gesetz von 1270, das königliches Verfahrensrecht auch im örtlichen Gericht anwendbar macht und das mündliche Verfahren teilweise in ein schriftliches Verfahren umwandelt.
Ordnung ist der geregelte Zustand. Von Vorstellungen des Altertums und der Christenheit über regelmäßige Abläufe ausgehend besteht bereits im Frühmittelalter eine O. etwa des Gottesdienstes oder auch der Krönung. Anscheinend seit dem 9. Jh. erörtert, greift im 12. Jh. der Gedanke der O. auf das Verfahren über. Seit dem Spätmittelalter wird die Herstellung der O. ganz allgemein zur Aufgabe des Herrschaftsträgers, der durch ordnende Vorschriften für den guten Zustand (-> Polizei) des Gemeinwesens sorgen soll. Von daher wird die Polizei zur Wahrung von Sicherheit und O. bestimmt. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s wird die Verwaltung entpolizeilicht, so dass besondere Ordnungsbehörden entstehen.
Lit.:
Köbler, DRG 151, 198, 259; Schmidt, E., Die maximilianischen
Halsgerichtsordnungen, 1949; Schmelzeisen, G., Polizeiordnung und Privatrecht,
1955; Landes- und Polizeiordnungen, hg. v. Schmelzeisen, G., 1968; Götz, V.,
Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 1971; Bauer, V., Kleiderordnungen in
Bayern, 1975; Siemann, W., Deutschlands Ruhe, Sicherheit und Ordnung, 1980; Die
Ordnungen des Reichshofrates 1550-1766, hg. v. Sellert, W., Bd. 1 1981; Dick,
B., Die Entwicklung des Kameralprozesses, 1981; Ordnung und Aufruhr im
Mittelalter, hg. v. Fögen, T., 1995; Köbler, G., Recht, Gesetz, Ordnung, in:
Funktion und Form, hg. v. Kroeschell, K. u. a., 1996, 93; Schröder, J., Wissenschaftliche Ordnungsvorstellungen, Ius commune 24
(1997), 25
Ordnungsrecht ist in Deutschland seit der Entpolizeilichung der Verwaltung in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s die Gesamtheit der die öffentliche -> Ordnung betreffenden Rechtssätze.
Lit.: Götz, V., Allgemeines Polizei- und
Ordnungsrecht, 1971
ordo (lat. [M.]) Reihe, Stand, Reihenfolge, Aufeinanderfolge, Ordnung
Lit.: Manz,
L., Der Ordogedanke, 1937; Die ordines für die Weihe, hg. v. Elze, R., 1960;
Köbler, G., Recht, Gesetz, Ordnung, in: Funktion und Form, hg. v. Kroeschell,
K. u.a, 1996, 93
ordo (M.) decurionum ist in der Spätantike der Gemeinderat.
Lit.:
Köbler, DRG 32, 55, 58
ordo (M.) equester (lat.) Ritterstand (der Römer)
Lit.: Köbler, DRG 32
ordo (M.) iudiciarius (lat.) -> ordo (M.) iudicii (lat.)
ordo (M.) iudicii (lat.) ist die seit dem 9. Jh. erörterte und nach ersten Vorläufern des 11. Jh.s (Notum fieri volumus [Pavia?, 1. H. des 11. Jh.s], Imperator Iustinianus omnibus [Pavia?, um 1050], Libellus conventionis [Norditalien?, drittes Viertel des 11. Jh.s], De actionum varietate) seit dem 12. Jh. unter verschiedenen Bezeichnungen erscheinende Gerichtsordnung bzw. Prozessordnung (vgl. noch -> Zivilprozessordnung, -> Strafprozessordnung).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Haubrichs, W., Ordo als Form, 1969; Fowler-Magerl,
L., Ordo iudiciorum vel ordo iudiciarius, 1984; Litewski. W., Mündliche Klage
und Klageschrift in den ältesten ordines iudiciarii, FS K. Kroeschell, hg. v.
Köbler, G. u. a., 1997; Litewski, W., Der
römisch-kanonische Zivilprozess nach den älteren ordines iudiciarii, 1999
Ordo (M.) iudicii terre Boemie ist eine Privatarbeit der Mitte des 14. Jh.s, welche in der -> Maiestas Carolina (vor 1355) Böhmens Verwendung findet.
Lit.: Werunsky,
E., Der Ordo iudicii terre Boemie, ZRG GA 10 (1889), 98
ordonnance (lat. [F.] ordinatio) ist das in Frankreich im 12. Jh. erscheinende königliche oder fürstliche Gesetz. Als älteste o. wird das von König Ludwig VII. von Frankreich allein aus königlicher Gewalt erlassene (lat. [N.]) edictum angesehen, in welchem 1144 die Verbannung getaufter, aber ins Judentum zurückgefallener Juden angeordnet wird. Im 13. Jh. nimmt die Zahl der ordonnances, welche der König allein erlassen kann, mit der starken Vermehrung des Königsgutes (Krondomäne) zu. In der Folge ergehen zahlreiche wichtige ordonnances. Nach 1629 sind dabei die Stände von der Mitwirkung in allen ordonnances ausgeschlossen. Fürstliche ordonnances haben besondere Bedeutung etwa für die Normandie, Anjou, Bretagne, Burgund, Brabant, Savoyen oder Flandern.
Lit.: Recueil général des anciennes lois françaises, hg. v. Isambert, F.,
1822ff.; Petiet, R., Du pouvoir législatif en France, 1891; Regnault, H., Les
ordonnances civiles, Bd. 1f. 1929ff.;
Olivier-Martin, F., Histoire du droit français, 1948, Neudruck 1988, 348;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., 1ff. 1973ff., Bd. 1 639ff., II 3,
187; Köbler, G., Recht, Gesetz, Ordnung, in: Funktion und Form, hg. v.
Kroeschell, K. u. a., 1996, 93
ordonnance civile touchant la réformation de la justice ist ein französisches Gesetz von 1667 über die Gerichtsverfassung.
ordonnance criminelle ist ein französisches Gesetz von 1670, das die ordonnance de Villers-Cotterets zu Lasten des Angeklagten abändert.
ordonnance de la marine ist ein französisches Gesetz des Jahres 1681, das in fünf Büchern das Seehandelsrecht gesetzlich festlegt.
Lit.: Regnault, H., Les ordonnances civiles, Bd. 1f. 1929ff.; Morisset, J., Der Frachtvertrag in der Ordonnance de
la marine, 1996
ordonnance de Montils-les-Tours ist ein französisches Gesetz von 1454, das die Sammlung, Aufzeichnung und Überprüfung der -> coutumes anordnet.
ordonnance de Orléans ist ein französisches Gesetz von 1439, das dem König ein stehendes Heer zugesteht und den kleinen Baronen das Recht der Fehde entzieht.
ordonnance de Villers-Cotterets sur le fait de la justice ist ein französisches Gesetz von 1539, das das Verfahren beschleunigt, weltliche Gerichtsbarkeit und kirchliche Gerichtsbarkeit trennt, Zivilstandsregister vorsieht, den Staatsanwalt zur Partei des Strafverfahrens macht und Schriftlichkeit und Vertraulichkeit regelt.
ordonnance du commerce ist ein französisches Gesetz von 1673 über Kaufleute, Handelsgeschäfte und Handelsgerichte.
Lit.: Regnault, H., Les ordonnances civiles, Bd. 1f. 1929ff.
ordonnance sur les donations ist ein französisches Gesetz von 1731 über Schenkungen.
Lit.: Regnault, H., Les ordonnances civiles, Bd. 1f. 1929ff.
ordonnance sur les testaments ist ein französisches Gesetz von 1735 über das Testamentsrecht.
Lit.: Regnault, H., Les ordonnances civiles, Bd. 1f. 1929ff.
ordonnance sur les substitutions ist ein französisches Gesetz von 1747/8 über die Einsetzung eines Ersatzerben.
Lit.: Regnault, H., Les ordonnances civiles, Bd. 1f. 1929ff.
ordonnance von Paris (Réformation de moeurs dans le Languedoc et le Languedoil) ist ein französisches Gesetz von 1254, das die baillis an die örtlichen Rechte bindet und dem König die Möglichkeit der Änderung vorbehält.
ordre public (frz.) ist die Gesamtheit der die öffentliche Ordnung eines Gemeinwesens bestimmenden Grundsätze. Der o. p. wird im 19. Jh. aus dem französischen Recht als Bezeichnung der älteren guten Ordnung übernommen. Im internationalen Privatrecht ist ein den o. p. verletzender ausländischer Rechtssatz nicht anwendbar.
Lit.: Maier, H., Die ältere deutsche Staats- und Verwaltungslehre, 2. A. 1980; Simitis, K., Gute Sitten und ordre public, 1960
Organ ist in menschliche Gegebenheit auf juristische Kunstfiguren übertragender Betrachtungsweise ein für eine als solche nicht handlungsfähige juristische Person (wie ein menschliches Körperorgan) handelnder Mensch (z. B. handelt der Verein nicht durch einen Vertreter, sondern durch ein Organ).
Lit.: Köbler, DRG 257; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 519
Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE)
Lit.: Leue, N., Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in
Europa, 1999
Organklage ist die -> Klage eines -> Organs zur Durchsetzung der von ihm beanspruchten Rechte gegenüber der umfassenderen Gesamteinheit. Sie entsteht erst in der jüngeren Vergangenheit.
Organschaft ist die Stellung und Tätigkeit als -> Organ.
Lit.: Kaser §§ 11 II, 17 I
oriflamme (F.) Kirchenfahne der Abtei St. Denis
bzw. Heeresfahne Frankreichs vom 11. bis 15. Jh.
Lit.: Lombard-Jourdan, A., Fleur de lis et oriflamme, 1991
originär (ursprünglich)
Orléans -> Kapetinger
Orléans an der Loire geht auf das Cenabum der keltischen Karnuten zurück. Als Aurelianorum civitas wird es im 4. Jh. Sitz eines Bischofs. 1107 wird es Stadt. Um 1230 erscheint die Möglichkeit eines Rechtsunterrichts in O. (Jacques de Revigny, Pierre de Belleperche). 1306/12 erhält es eine bis 1792 bestehende Universität.
Lit.:
Histoire d’Orléans, hg. v. Debal, J., Bd. 1 1983;
Feenstra, R., L’École de droit d’Orléans, Revue d’histoire des facultés de
droit 13 (1992), 15;
Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Ornat (M.) Festkleidung eines Amtsträgers z. B. Pallium, Soutane, Talar
Lit.: Fillitz, H., Die Insignien und Kleinodien, 1954; Schramm, P., Herrschaftszeichen und Staatssymbolik, 1954ff.; Hargreaves-Mawdsley, W., A History of Academical Dress, 1963
orphanus (lat. [M.]) Waise
Örsted, Anders Sandoe (Langeland 1778 - Kopenhagen 1860), Apothekerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Kopenhagen Richter, Beamter und Politiker, welcher in Kenntnis deutscher Entwicklungen (Feuerbach, Savigny, Gönner) die Rechtswissenschaft in Dänemark in vielen Bereichen beeinflusst (Haandbog over den danske og norske Lovkyndighed, 1818ff.).
Lit.: Dahl, F., Geschichte der dänischen Rechtswissenschaft, 1940, 34; Anders Sandoe Örsted 1778-1978, hg. v. Tamm, D., 1978
Ortsname ist der -> Name einer Siedlung oder geographischen Gegebenheit. Die Ortsnamen reichen vielfach in die älteste Überlieferung zurück. Sie können auch Rechtsverhältnisse widerspiegeln.
Lit.:
Förstemann, E., Altdeutsches Namenbuch, Bd. 2 3. A. 1913, Neudruck 1983; Rasch,
G., Die bei den antiken Autoren überlieferten geographischen Namen, Diss. phil.
Heidelberg 1950; Bibliographie der Ortsnamenbücher, hg. v. Schützeichel, R.,
1988;
Berger, D., Geographische Namen in Deutschland, 1993
Osenbrüggen, Eduard (Uetersen 24. 12. 1809 - Zürich 9. 6. 1879) wird nach dem Studium der Philologie in Leipzig und Kiel Mitarbeiter an der Ausgabe der justinianischen Novellen durch Albert/Kriegel und 1843 Professor für Strafrecht, Rechtsgeschichte und juristische Literatur in Dorpat, 1851 in Zürich. 1860 veröffentlicht er im Anschluss an Wilda das alemannische Strafrecht im deutschen Mittelalter, 1863 das Strafrecht der Langobarden.
Lit.: Pözl, J., Zur Erinnerung an Eduard Osenbrüggen, KRV 22 (1880), 321
Oslo am Oslofjord wird auf älterer Grundlage 1048 vom König von Norwegen angelegt. 1066/93 wird O. Sitz eines Bischofs. 1624 wird O. von König Christian IV. von Dänemark und Norwegen als Christiania (bis 1924) neu aufgebaut. 1811 erhält es eine Universität. 1905 wird O. Hauptstadt Norwegens.
Lit.: Nedkvitne, A./Norseng, P., Oslos bys historie, Bd. 1 1991
Osmane ist der Angehörige der von Osman I. Ghasi (1258-1326) begründeten ogusischen Dynastie, deren Sultane vom Beginn des 14. Jh.s bis 1922 ein von der Türkei (Bithynien) ausgehendes Reich beherrschen (1453 Eroberung Konstantinopels, 17. Jh. Vormacht von Ägypten bis Persien), das seit 1683 an Bedeutung verliert.
Lit.: Matuz, J., Das osmanische Reich, 3. A.
1994;
Palmer, A., Verfall und Untergang des osmanischen Reiches, 1994; Buchmann, B.,
Österreich und das osmanische Reich, 1999; Faroqhi, S., Geschichte des
osmanischen Reichs, 2000; Kreiser, K., Der osmanische Staat, 2000; Auf den
Spuren der Osmanen in der österreichischen Geschichte, hg. v. Feigl, I. u. a.,
2002
Osnabrück an der Hase entwickelt sich aus einer vor 787 gegründeten Kirche zum Mittelpunkt eines eigenen Bistums. 1974 erhält es eine Universität.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 3; Renger, R., Landesherr und Landstände, 1968; Stebel, Die Osnabrücker Hexenprozesse, Diss. jur. Bonn 1968; Heuvel, C. van den, Beamtenschaft und Territorialstaat, 1984; Haack, G., Das Landgericht Osnabrück, 1989
Osse, Melchior von (Ossa 1506/7 - Frauenfels 1557), aus niederem Adel, wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig (seit 1518) 1534 Professor und Rat, 1542 bis 1543 ernestinischer Kanzler, 1547 in Leipzig Hofrichter und 1549 bis 1554 Statthalter von Meiningen. Er zählt zu den frühen Kameralisten. In seinem „Politischen Testament“ beschreibt er eindrucksvoll den Zustand der Verwaltung zu seiner Zeit und setzt sich für die Bewahrung der überkommenen Verhältnisse (u. a. [lat.] -> mos [M.] Italicus) ein.
Lit.: Langenn, F. v., Dr. Melchior von Ossa,
1858; Weber, P., Die Bedeutung der alten deutschen Kameralisten, Diss. jur.
Bonn 1942; Maier, H., Die ältere deutsche Staats- und Verwaltungslehre, 2. A.
1980, 113
ostarstoufa (ahd. [F.]) ist eine frühmittelalterliche (830-50), zu Ostern fällige Abgabe.
Lit.:
Köbler, WAS; Gallmeister, E.,
Königszins und westfälisches Freigericht, Diss. phil. Tübingen 1946; Köbler,
G., Taschenwörterbuch des althochdeutschen Sprachschatzes, 1994
Ostblock ist die Gesamtheit der seit 1939 bzw. 1945 (bis 1990) politisch an die Sowjetunion angeschlossenen osteuropäisch-eurasiatischen Staaten.
Lit.: Hacker, J., Der Ostblock, 1983
Österreich ist ein aus dem südöstlichen Teil
des Herzogtums der -> Bayern erwachsener, seit 1806 verselbständigter, von
1815 bis 1866 mit den anderen deutschen Staaten im -> Deutschen Bund
vereinter und 1919 von nichtdeutschen Staaten Europas gegen seinen Willen vom
-> Anschluss an -> Deutschland ferngehaltener Staat. Das Gebiet zwischen
mittlerer Donau und Alpen wird zunächst von Kelten, seit 29/15 v. Chr. von
Römern (Noricum, Raetia), seit etwa 500 von Germanen, dann von Slawen und seit
dem 8. Jh. von den Bayern beherrscht. Im fränkischen Reich entsteht an der
Donau eine eigene Mark. 976 wird die Mark an die -> Babenberger zu Lehen gegeben.
In einer Urkunde Kaiser Ottos III. vom 1. 11. 996 für das Hochstift Freising
wird die seit dem 9. Jh. belegte Bezeichnung ostarrihhi (Ostgebiet) (auch) für
das Gebiet um Neuhofen
an der Ybbs verwendet. 1156 lösen die Staufer in ihrem Kampf gegen die
mächtigen Welfen Ö. im -> privilegium minus aus Bayern heraus und erheben es
zum territorialen Herzogtum der Babenberger, denen 1192 auch die ->
Steiermark anfällt. 1246 sterben die Babenberger aus. Nach dem Sieg über
Ottokar von Böhmen, der zunächst die Nachfolge antritt, belehnt Rudolf von
-> Habsburg 1282 seine Söhne mit Ö., das im 13. Jh.
zwei eigene Landrechte erhält, sowie Steiermark und Krain. 1335 fällt Kärnten,
1363 Tirol, 1368 der Breisgau an das sich im gefälschten -> privilegium
maius (1358/9) selbst zum Pfalzerzherzogtum erhebende Land des Heiligen
Römischen Reiches. 1526 kommen Böhmen und Ungarn, 1713 italienische Gebiete
(Mailand, Mantua, Mirandola, kurzzeitig Neapel, Sardinien, Sizilien, Parma,
Piacenza, Toskana) und danach vor allem polnische und ehemals osmanische Güter
(Ostgalizien, Bukowina, Westgalizien) sowie am Beginn des 19. Jh.s Salzburg
hinzu. 1804 erhebt sich Ö. nach dem Vorbild Frankreichs innerhalb des Heiligen
Römischen Reiches (deutscher Nation) zum Kaiserreich. 1806 wird es mit dem Ende
dieses Reiches selbständig. 1811 gibt es sich das -> Allgemeine
Bürgerliche Gesetzbuch. 1815 wird es weitgehend nach dem Gebietsstand von 1797
restituiert. Im Deutschen Bund (1815-66) ist es Präsidialmacht. Von 1848 bis
1867 setzt sich trotz des -> Neoabsolutismus allmählich der
Verfassungsgedanke durch. 1859/66 gehen Gebiete in Italien (Lombardei,
Venetien) verloren. 1866 löst sich der Deutsche Bund auf. 1867 erreicht Ungarn
eine gewisse Eigenständigkeit. 1878
okkupiert Ö. Bosnien und die Herzegowina. 1895
verabschiedet es eine seit 1898 geltende Zivilprozessordnung mit
Jurisdiktionsnorm. 1908 annektiert es Bosnien und die Herzegowina. Nach
der der Ermordung des österreichischen Thronfolgers in Sarajewo am 18. 6. 1914
folgenden Kriegserklärung an Serbien verliert Ö. am Ende des Ersten Weltkrieges
die Gebiete der -> Tschechoslowakei, -> Ungarns , -> Jugoslawiens und
-> Südtirols und wandelt sich am 30.
Oktober 1918 oder nach eingebürgter Ansicht am 12. November 1918 von der
Monarchie zur Republik („Deutschösterreich“). Am 11. 3. 1938 schließt sich Ö.
auf Druck des aus Ö. (Braunau)
kommenden Adolf -> Hitler dem Deutschen Reich an. Am 1. 5. 1945 kehrt es,
besetzt von den Alliierten, zur Selbständigkeit zurück. Die Besatzung endet mit
dem Abschluss eines zur -> Neutralität verpflichtenden Staatsvertrages
(15. 5. 1955). 1974 reformiert Ö. das
Strafgesetzbuch (mit einheitlicher Freiheitsstrafe), 1975 die
Strafprozessordnung. Zum 1. 1. 1994 wird Ö. Mitglied des Europäischen
Wirtschaftsraumes, zum 1. 1. 1995 Mitglied der -> Europäischen Union. 1999 erregt es durch die
Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen Partei Jörg Haiders das Missfallen der
übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon;
Kroeschell, DRG 3; Baltl/Kocher; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,1,969, 2,2,419, 3,2,1775,2699, 3,3,3042,3602,3716,3821,3866,4037,4172;
Beidtel, J., Geschichte der österreichischen Staatsverwaltung, 1898; Österreichische
Rechts- und Staatswissenschaft in Selbstdarstellungen, 1952; Stelzer, W., Gelehrtes Recht in
Österreich, 1982; Heindl, W., Österreich und die deutsche Frage, 1982;
Floßmann, U., Österreichische Privatrechtsgeschichte, 3. A. 1996; Zöllner, E.,
Geschichte Österreichs, 8. A. 1990; Juristen in Österreich, hg. v. Brauneder,
W., 1987; Wesener, G., Einflüsse und Geltung des römisch-gemeinen Rechts in den
altösterreichischen Ländern, 1989; Bielefeldt, S., Die deutsch-österreichische
Rechtsvereinheitlichung, Diss. jur. Kiel 1989; Landtafel des Erzherzogtums
Österreich ob der Enns, bearb. v. Strätz, H., Bd. 1
1990; Österreichs Integration in Europa, hg. v. Hummer, W., 1990; Die
österreichische Rechtsgeschichte, 1991; Polaschek, M., Die Rechtsentwicklung in
der ersten Republik, 1992; Brauneder, W., Österreichische Verfassungsgeschichte
8. A. 2001; Hanisch,
E., Österreichische Geschichte 1890-1990, 1994; Was heißt Österreich?, hg. v. Plischka, R. u. a., 2. A. 1995; Hoke, R., Österreichische und
deutsche Rechtsgeschichte, 2. A. 1996; Österreichische Geschichte, hg. v.
Wolfram, H., Bd. 1ff. 1994ff.; Wagner,
W., Der große Bildatlas zur Geschichte Österreichs, 1995; 75
Jahre Bundesverfassung, red. v. Schefbeck, G., 1995; Hellbling, E., Grundlegende
Strafrechtsquellen der österreichischen Erbländer, hg. v. Reiter, 1996;
Österreichisch-deutsche Rechtsbeziehungen I, hg. v. Brauneder, W., 1996;
Bielefeldt, S., Österreichisch-deutsche Rechtsbeziehungen, 1996; Die
österreich-ungarischen Strafrechtskodifikationen, hg. v. Mathé, G. u. a., 1996;
Steininger, R./Gehler, M.,
Österreich im 20. Jahrhundert, Geschichte der österreichischen Bundesländer,
hg. v. Kriechbaumer, R. u. a., Bd. 1f. 1997; Stimmer, G., Eliten in Österreich,
Bd. 1f. 1997; Handbuch des politischen Systems Österreichs, hg. v. Dachs, H.,
3. A. 1997; Österreichisches Recht in seinen Nachbarstaaten, hg. v. Nowotny,
E., 1997; Texte zur österreichischen Verfassungsentwicklung, hg. v. Reiter, I.,
1997; Kocher, G., Grundzüge der Privatrechtsentwicklung, 2. A. 1997; Stourzh,
G., Um Einheit und Freiheit, 4. A. 1998; Berchtold, K., Verfassungsgeschichte
der Republik Österreich, 1998; Berchtold, K., Verfassungsgeschichte der
Republik Österreich, 1998; Wiesflecker, H., Österreich im Zeitalter Maximilians
I., 1999; Engel, R./Radzyner, J., Sklavenarbeit unterm Hakenkreuz, 1999;
Österreichische Wirtschafts- und Sozialgeschichte, hg. v. Eigner, P. u. a.,
1999; Scheuch, M., Österreich im 20. Jahrhundert, 2000; Brauneder, W., England
als Vorbild in der österreichischen Verfassungsentwicklung des 19.
Jahrhunderts, FS Quaritsch, H., 2000, 511; Brauneder, W., Deutsch-Österreich
1918, 2000; Kolm, E., Die Ambitionen Österreich-Ungarns im Zeitalter des
Hochimperialismus, 2001; Österreich und der Heilige Stuhl im 19. und 20.
Jahrhundert, hg. v. Paarhammer, H. u. a., 2001; Felder, N., Die historische
Identität der österreichischen Bundesländer, 2002; Österreichische
Rechtswissenschaft in Selbstdarstellungen, hg. v. Jabloner, C. u. a., 2003;
Rill, G., Fürst und Hof in Österreich, 2003
österreichisches Landrecht ist ein in einigen Handschriften des 15. Jh.s überliefertes, in zwei Fassungen mit 70 bzw. 92 Artikel gegliedertes Landrecht des Herzogtums -> Österreich aus dem 13. Jh. (1237/98?, um 1230/um 1298?, 1278/98?). Erfasst werden Landrecht und Lehnrecht bzw. Ständerecht, Eherecht, Vormundschaftsrecht, Gewererecht, Erbrecht, Strafrecht und Verfahrensrecht.
Lit.:
Hasenöhrl, V., Österreichisches Landrecht im 13. und 14. Jahrhundert, 1867;
Ganahl, K., Versuch einer Geschichte des österreichischen Landrechts, 1935;
Weltin, M., Das österreichische Landrecht, in: Recht und Schrift im
Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977, 381
Österreich-Ungarn -> Österreich, Ungarn
Osteuropa ist die Gesamtheit der im Osten gelegenen Staaten Europas.
Lit.: Dralle, L., Die Deutschen in Ostmittel- und Osteuropa, 1991;
Boockmann, H., Deutsche Geschichte im Osten Europas, 1992; Conze, W.,
Ostmitteleuropa, 2. A. 1993; Geyer, D.,
Osteuropäische Geschichte und das Ende der kommunistischen Zeit, 1996; Der Riese
erwacht, hg. v. Olt, R., 1996; Neue
Regierungssysteme in Osteuropa und der GUS, hg. v. Luchterhandt, O., 1996;
Normdurchsetzung in osteuropäischen Nachkriegsgesellschaften, hg. v. Mohnhaupt,
H. u. a., 1997; Der Osten Europas im Prozess der Differenzierung, hg. v.
Bundesinstitut für ostwissenchaftliche und internationale Studien, 1997;
Suppan, A., Deutsche Geschichte im Osten Europas, 1998; Entwicklung des
Zivilrechts in Osteuropa, hg. v. d. juristischen Fakultät der Universität
Dresden, 1998; Studienhandbuch östliches Europa, hg. v. Roth, H., 1999; Grenzen in Ostmitteleuropa, hg. v. Lemberg, H.,
2000; Minderheiten, Regionalbewusstsein und Zentralismus in Ostmitteleuropa,
hg. v. Löwe, H., 2000; Transformation und historisches Erbe in den Staaten des
europäischen Ostens, hg. v. Goehrke, C. u. a., 2000; Giaro, T., Westen im
Osten. Modernisierung osteuropäischer Rechte bis zum zweiten Weltkrieg,
Rechtsgeschichte 2 (2003)
Ostfalen ist im Mittelalter ein besonderer Teil des Siedlungsgebietes der Sachsen. Ihm entstammt der -> Sachsenspiegel.
Lit.:
Rosenstock, E., Ostfalens Rechtsliteratur, 1912
Ostgalizien -> Galizien
Ostgötalagh ist ein Rechtsbuch des spätmittelalterlichen Rechts der schwedischen Landschaft Östergötaland und angrenzender Gebiete (u. a. Öland). Es ist in zwei vollständigen Handschriften (1350, um 1600), einem Druck und verschiedenen Bruchstücken überliefert. Vielleicht wird es zwischen 1286 und 1303 aufgezeichnet. Es beginnt mit dem Christenrecht, dem Landfriedensrecht, Eherecht, Erbrecht, Verkehrsrecht, Verfahrensrecht und Dorfrecht folgen. Die Gesetzgebungstätigkeit des Königs ist jeweils unter Namensnennung verzeichnet. In der Mitte des 14. Jh.s wird das O. in -> Magnus Erikssons Landrecht (1347) verwertet.
Lit.: Westman,
K., De svenska rättskällornas historia, 1912; Strauch, D., Das Ostgötenrecht,
1971
Ostgote ist der Angehörige eines Teiles des an der Völkerwanderung beteiligten germanischen Volkes der -> Goten. Vermutlich überliefert das (lat.) -> Edictum (N.) Theoderici (um 500) Recht der Ostgoten und Römer. Im Kampf um Rom (551) werden die O. weitgehend aufgerieben.
Lit.: Köbler, DRG 80, 87; Amira, K./Eckhardt, K., Germanisches
Recht, Bd. 1 4. A. 1960; Vismara, G., Edictum Theoderici, 1967, in: Ius Romanum
medici aevi I 2 b aa; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972; Köbler, G., Gotisches
Wörterbuch, 1989; Stüven, A., Rechtliche
Ausprägungen der civilitas im Ostgotenreich, 1995
Ostgötenrecht -> Ostgötalagh
Ostkolonisation -> Ostsiedlung
Ostmark ist zu verschiedenen Zeiten eine Bezeichnung für ein Grenzgebiet der Deutschen im Osten.
Lit.: Baltl/Kocher; Pfeifer, H., Die
Ostmark, 1941
Ostpreußen ist das nach den baltischen Pruzzen (um 965 Brus) bezeichnete Gebiet zwischen Weichselmündung und Memelmündung. Über den die Ostsiedlung betreibenden -> Deutschen Orden gelangt es 1618 in Personalunion an Brandenburg. 1701 wird es als einziges voll souveränes Land der Kurfürsten von -> Brandenburg zur Keimzelle des Königreichs -> Preußen, indem der Kurfürst sich selbst zum König in Preußen krönt. Seit dem späten 18. Jh. wird das Gebiet zur Abgrenzung von Westpreußen als O. benannt. 1945 bzw. 1990 kommt O. im Norden an die Sowjetunion, im Süden an Polen.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon;
Merinlit, W., Die fridericianische Verwaltung in Ostpreußen, 1956; Henning, F.,
Herrschaft und Bauernuntertänigkeit, 1964; Ost- und Westpreußen, bearb. v.
Stüttgen, D., 1975; Ambrassat, A., Die Provinz Ostpreußen, 1988; Groeben, K. v.
d., Das Land Ostpreußen, 1993; Kibelka, R., Ostpreußens
Schicksalsjahre 1944-1948, 2000
Ostrakismus (M.) oder Scherbengericht ist die in
Athen im 5. vorchristlichen Jh. nachweisbare Abstimmung der Bürger durch
Tonscherben über die zehnjährige Verbannung eines die politische Ordnung
gefährdenden Bürgers.
Ostrom ist eine Bezeichung für die östliche Hälfte des Römischen Reiches (293/395) mit der Hauptstadt Konstantinopel (330) bzw. -> Byzanz. 1453 wird das oströmische Reich von den Türken (-> Osmanen) erobert.
Lit.: Köbler, DRG 50, 76, 95
Ostrowski, Teodor (1750-1802) wird nach dem Studium der Theologie in Warschau Geschichts- und Naturrechtsdozent am dortigen Adelskolleg. Er veröffentlicht 1784 ein eigenes Zivilrecht oder Sonderrecht der polnischen Nation, legt 1786 eine Übersetzung der strafrechtlichen Teile von -> Blackstones Commentaries on the Law of England vor und beteiligt sich an den Vorbereitungen zu einem Gesetzbuch -> Polens.
Lit.: Zdrójkowski, Z., Teodor
Ostrowski, 1956
Ostsee ist das zwischen Deutschland, Polen, Russland, den
baltischen Staaten und den skandinavischen Staaten liegende, im Mittelalter vor
allem von der Hanse beherrschte Meer.
Lit.: Geschichte und
Perspektiven des Rechts im Ostseeraum, hg. v. Eckert, J. u. a., 2002
Ostsiedlung oder Ostkolonisation ist die hochmittelalterliche Siedlungsbewegung der Deutschen zwischen Elbe und Weichsel. Sie beginnt im 12. Jh. und führt etwa 400000 Einwohner in die slawisch besetzen Gebiete. Mit nach Osten genommen wird das deutsche (sächsische, lübische, magdeburgische) Recht. Eine wirtschaftliche Folge der O. ist die Entstehung der -> Gutsherrschaft.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 93;
Urkunden und Quellen zur deutschen Ostsiedlung im Mittelalter, hg. v. Helbig,
H. u. a., Bd. 1f. 1968ff.; Die Ostsiedlung des Mittelalters als Problem der
europäischen Geschichte, hg.
v. Schlesinger, W., 1975; Higounet, C., Die deutsche Ostsiedlung, 1986;
Dralle, L., Die Deutschen in Ostmittel- und Osteuropa, 1991; Schulze, H., Siedlung, Wirtschaft und Verfassung im
Mittelalter, 2003
Ostverträge sind die seit 1970 von der sozialliberalen Regierung der Bundesrepublik Deutschland mit osteuropäischen Staaten abgeschlossenen, dem Ausgleich dienenden Verträge (12. 8. 1970/23. 5. 1972 Moskauer Vertrag mit der -> Sowjetunion, 7. 12. 1970 Warschauer Vertrag mit -> Polen, 21. 12. 1972/6. 6. 1973 Grundlagenvertrag mit der -> Deutschen Demokratischen Republik, 1974 Vertrag mit der -> Tschechoslowakei, 9. 10. 1975/12. 3. 1976 Rentenvereinbarung mit -> Polen).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 246
Ottone ist der Angehörige eines frühmittelalterlichen, aus Sachsen kommenden deutschen Herrschergeschlechts (919-1024). Sein bedeutendster Vertreter ist Otto I. (der Große, 23. 11. 912 - 7. 5. 973). Mit ihm verbindet sich das ottonische (ottonisch-salische) -> Reichskirchensystem, nach welchem der König die ihm wegen des Fehlens der Erblichkeit kirchlicher Ämter für die Ausübung von Herrschaft vorteilhaft erscheinende Reichskirche zur Ausführung weltlicher Herrschaftsaufgaben verwendet (Belehnung von Bischöfen mit Grafschaften) und mit der dafür nötigen Personenauswahl in die inneren Angelegenheiten der Kirche eingreift.
Lit.: Köbler, DRG 76, 85; Santifaller, L.,
Zur Geschichte des ottonisch-salischen Reichskirchensystems, 2. A. 1964; Otto
der Große, hg. v. Zimmermann, H., 1976; Beumann, H., Die Ottonen, 5. A. 2000; Herrschaftsrepräsentation im ottonischen Sachsen, hg. v.
Althoff, G. u. a., 1998; Eickhoff, E., Kaiser Otto III., 1999; Althoff, G., Die Ottonen, 2000; Bührer-Thierry, G., Évêques et pouvoir dans le royaume de
Germanie, 1997; Ottonische Neuanfänge, hg. v. Schneidmüller, B. u. a., 2000;
Keller, H., Die Ottonen, 2001; Laudage, J., Otto der Große, 2001; Ottonische
Neuanfänge, hg. v. Schneidmüller, B. u. a., 2001; Keller, H., Ottonische
Königsherrschaft, 2002; Körntgen, L., Ottonen und Salier, 2002
OVG -> Oberverwaltungsgericht
Oxford an der Themse, vielleicht im 8. Jh. begründet, 912 erstmals erwähnt, ist seit dem 12. Jh. Sitz der ältesten englischen Universität (nach 1139). Von seinen in der Gegenwart etwa 45 Colleges ist das Merton College (1264) am ältesten, das Christ Church College am größten.
Lit.: Köbler,
DRG 100; Leef, G., Paris und Oxford, 1963; Cobban, A., The Medieval English
Universities, 1988; The History of the University of Oxford, Bd. 1ff. 1984ff.
P
Paarformel ist die zweigliedrige, zu einer Einheit verknüpfte Sprachformel, welche durch Stabreim, Endreim, Rhythmus und andere sprachliche Mittel verstärkt sein kann (z. B. Haus und Hof, Gut und Blut, Mund und Halm). Nach Jakob -> Grimm gehört die P. zu den ältesten Schichten der von Anfang an poetisch gehaltenen Rechtssprache. Dies lässt sich bei genauerer Untersuchung nicht erweisen. Vielmehr lassen sich viele Paarformeln erst spät, nicht häufig und als nicht besonders bedeutsam nachweisen. Der Gesamtbestand beruht vermutlich auf sehr unterschiedlicher Herkunft. In der wissenschaftlichen Rechtssprache ist die P. selten.
Lit.: Grimm, J., Von der Poesie im Recht, Zeitschrift für
geschichtliche Rechtswissenschaft 2 (1816), 25; Dilcher, G., Paarformeln, 1961;
Matzinger-Pfister, P., Synonymik und zweisprachiges Wortpaar, 1972; Baum, B.,
Der Stabreim im Recht, 1986
Pacht ist ein gegenseitiger Vertrag, in dem sich der eine Teil (Verpächter) verpflichtet, dem anderen Teil (Pächter) den Gebrauch des gepachteten Gegenstandes und den Genuss der Früchte, soweit sie nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft als Ertrag anzusehen sind, während der Pachtzeit zu gestatten, und der andere Teil sich verpflichtet, den vereinbarten Pachtzins zu zahlen. Die P. ist den Römern als Fall der (lat.) locatio (F.) conductio bekannt. Ihr entsprechen im Frühmittelalter im Ergebnis die verschiedenen Formen der -> Leihe von Grundstücken. Seit dem 13./14. Jh. finden sich immer mehr freie Landpachtverhältnisse unter unterschiedlichen Bezeichnungen. Mit der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter wird auch die P. aufgenommen. Seit dem 16. Jh. setzt sich dabei die Bezeichnung P. durch. Zeitweise wird dann die P. als dingliches Recht angesehen. Sonderfälle sind Landpacht und Jagdpacht.
Lit.: Kaser § 42 I II; Söllner § 9; Hübner 582;
Kroeschell, DRG 2, 139; Köbler, DRG 127; Brünneck v., Zur Geschichte der Miete
und Pacht, ZRG GA 1 (1880), 138; Scherner, K., Zur Pacht im Frankenspiegel, FS
J. Bärmann, Bd. 2 1967, 208; Schubert, W., Zur Entwicklung und Reform des Landpachtrechts,
ZRG GA 108 (1991), 237; Hackenberg, M., Die
Verpachtung von Zöllen und Steuern, 2002
pacta (N.Pl.) sunt servanda (lat.) ist ein im mittelalterlichen Kirchenrecht formulierter Rechtssatz, nach dem Verträge grundsätzlich zu halten sind. Demgegenüber geht das römische Recht anfangs davon aus, dass aus einem einfachen Vertrag grundsätzlich nicht geklagt werden kann (lat. ex nudo pacto actio non oritur). Allerdings mehren sich bereits im Altertum die hiergegen zugelassenen Ausnahmen. Die Kirche zieht dagegen schon früh den Standpunkt vor, dass ein gegebenes Wort nur unter besonderen Voraussetzungen nicht eingehalten zu werden brauche, so dass man auch aus einem einfachen Versprechen klagen können müsse. Seit der frühen Neuzeit setzt sich der kirchliche Standpunkt gegenüber dem römischen Grundsatz durch. Dem pflichten auch die Vertreter naturrechtlicher Überlegungen bei.
Lit.: Söllner § 9; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 126; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 150, Nr. 3 (Ulpian, um 170-223, Digesten 2, 14, 7 § 7, vgl. Gregor IX., um 1170-1241, Dekretalen, 1, 35, 1 Summarium); Dilcher, H., Der Typenzwang im mittelalterlichen Vertragsrecht, ZRG RA 77 (1960), 270; Wolter, U., Ius canonicum in iure civili, 1975, 100; Feenstra, R./Ahsmann, M., Contract, 1980
pactio (lat. [F.]) Abrede, Vereinbarung
Lit.: Söllner §§ 9, 18; Leisching, P., Die Ehe als pactio und societas, FS W. Plöchl, 1977, 117
pactum (lat. [N.]) ist seit dem römischen Recht eine Bezeichnung für die Vereinbarung, für welche allgemeine Regeln erst später entwickelt werden. -> pacta sunt servanda
Lit.: Kaser §§ 5 II, 38 III, 52 II 1, 53 I 3a; Söllner §§ 8, 9,
18; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 43, 62, 126, 163; Köbler, G., Das Recht
im frühen Mittelalter, 1971;
Hohlweck, M., Nebenabreden: pacta, 1996; Pacte, convention, contrat, hg. v.
Dufour, A., 1998
pactum (N.) adiectum (lat.) Nebenabrede
Lit.: Kaser §§ 33 IV 3, 38
pactum (N.) de non petendo (lat.) (formloser) Erlass
Lit.: Kaser §§ 53 II 3b, 56; Söllner §§ 9, 18
pactum (N.) fiduciae (lat.) Treuabrede, welche die Wirkungen eines an sich weiterreichenden Geschäftes einschränkt
Lit.: Kaser § 24 II 2, 31
pactum (N.) legitimum ist eine jüngere Bezeichnung für das von Justinian (527-65) klagbar gemachte unentgeltliche Leistungsversprechen (Mitgift, Schenkung).
Lit.: Kaser §§ 38 II 1, 47, 59
Pactus (M.) Alamannorum (lat.) ist eine bruchstückhaft überlieferte Fassung des alemannischen Volksrechts von etwa 600 n. Chr.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler DRG 81; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960
Pactus Legis Salicae ist eine Bezeichnung für die älteste, 65 Titel enthaltende Fassung der Lex Salica (507/11?).
Lit.: Köbler, DRG 80, 84; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960
Pactus (M.) pro tenore pacis ist ein der (lat.) Lex (F.) Salica angefügtes merowingisches Kapitular vermutlich der merowingischen Könige Childebert I. und Chlothar I. betreffend die Verfolgung von Unrechtserfolgen.
Lit.: Capitularia regum Francorum, hg. v. Boretius, A., 1883, 3; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960
Paderborn an den Quellen der Pader ist wahrscheinlich seit 800 Sitz eines Bischofs.
Lit.:
Köbler, Historisches Lexikon; Henning, F., Herrschaft und Bauernuntertänigkeit,
1964; Brandt, H. u. a., Das Erzbistum Paderborn, 1989; Das Hochstift
Paderborn, hg. v. Drewes, J., 1997; Paderborn, hg. v. Göttmann, F. u. a., Bd.
1ff. 1999
Padua westlich von Venedig, seit 1164 Stadtkommune, ist seit 1222 Sitz einer von Bologna abgespalteten Universität. 1405 fällt es an Venedig, 1797 mit diesem an -> Österreich und 1866 an -> Italien.
Lit.: Belloni, A., Professori giuristi a Padova nel secolo XV, 1986; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Paenitentiale (N.) Theodori (lat.) ist eine in verschiedenen Fassungen verbreitete Sammlung von Bußsätzen, die dem in Kilikien geborenen Erzbischof Theodor von Canterbury (669-690) zugeschrieben wird.
Lit.: Finsterwalder, P., Die Canones Theodori Cantuariensis, 1929; Kottje, R., Überlieferung und Rezeption der irischen Bußbücher, in: Die Iren in Europa, hg. v. Löwe, H., 1982, 519
pagus (lat. [M.]) Gau
Pairsgericht (lat. iudicum [N.] parium) ist seit dem Mittelalter (Frankreich 12. Jh.) das -> Ebenbürtigkeit voraussetzende Gericht der Standesgenossen. -> Magna Charta libertatum
Lit.: Köbler, DRG 110, 120
Paläographie (F.) Wissenschaft der älteren Handschriften
Lit.: Mazal, O., Lehrbuch der Handschriftenkunde, 2. A. 1986;
Hoffmann, H., Bernhard Bischoff und die Paläographie des 9. Jahrhunderts, DA 55
(1999), 549; Schneider, K., Paläographie und
Handschriftenkunde für Germanisten, 1999
Palatinus ist der Hügel in Rom, auf welchem der römische Prinzeps Augustus (44 v. - 14 n. Chr.) und viele seiner Nachfolger ihren Sitz nehmen. -> Pfalz
Lit.:
Haugwitz, E. Graf v., Der Palatin, 1901; Brühl, C., Palatium, Bd. 1ff. 1975ff.
Palermo in Nordsizilien wird als Panormus von den Puniern gegründet. 254 v. Chr. fällt es an die Römer, 831 n. Chr. an die Sarazenen, 1072 an die Normannen. Unter den Bourbonen erhält es 1781 eine Universität. 1861 kommt P. zu Italien. -> Panormitanus
Pandekten ([F.Pl.] Allesumfassendes) ist der griechische Name der -> Digesten.
Lit.: Kaser; Söllner § 22; Köbler, DRG 50, 53, 80; Glück, C., Ausführliche Erläuterung der Pandekten, Bd. 1ff. 1797ff.; Bluhme, F., Die Ordnung der Fragmente in den Pandektentiteln, Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft 4 (1818), 257; Bekker, E., System des heutigen Pandektenrechts, Bd. 1f. 1886ff., Neudruck 1978; Windscheid, B., Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. 1ff. 1862ff., 7. A. 1891
Pandektensystem ist die systematische Gliederung des Privatrechtes in grundsätzlich fünf Teile. Das P. geht vom Institutionensystem (Personen, Sachen, Klagansprüche) aus, fasst bestimmte allgemeine Begriffe mit dem Personenrecht zu einem allgemeinen Teil zusammen und verselbständigt die schlecht einzugliedernden Materien des Familienrechts und des Erbrechts. Es wird auf Grund des naturrechtlichen Systemdenkens (-> Pufendorf, Dabelow, Nettelbladt) von Gustav -> Hugo (Institutionen des römischen Rechts, 1799) angeregt, von Georg Arnold Heise in seinem Grundriß des Systems des gemeinen Zivilrechts zum Behuf von Pandektenvorlesungen (1807) ausgeführt und durch -> Savigny, der ihm in seiner Pandektenvorlesung folgt, allgemein verbreitet.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 206; Schwarz, A., Zur Entstehung des modernen Pandektensystems, ZRG RA 42 (1921), 578
Pandektenwissenschaft -> Pandektistik
Pandektistik (Pandektenwissenschaft) ist die Wissenschaft vom römischen Privatrecht im 19. Jh. Ihre Grundgedanken finden sich bei -> Savigny (Privatautonomie [Kant], Grundsätze, System, Vorrang der Wissenschaft). Das Hauptwerk stammt von Georg Friedrich -> Puchta (1798-1846), der darin eine zusammenfassende Darstellung der gesamten Regeln des Privatrechts auf der Grundlage auch der nichtrömischen Quellenbereiche als dem Gegenstand nicht angemessen ablehnt. Ungeklärt ist die Frage, ob die P. eher der Beibehaltung des Überkommenen gedient hat oder der freiheitlichen Veränderung.
Lit.: Kaser § 1 III 3; Söllner §§ 3, 25; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 186, 188, 205; Wilhelm, W., Zur juristischen Methodenlehre im 19. Jahrhundert, 1958; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967; Wieacker, F., Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung, 1974; Wissenschaft und Kodifikation im 19. Jh., hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 1ff. 1974ff.; Schröder, J., Wissenschaftstheorie und Lehre der „praktischen Jurisprudenz“, 1979; Herberger, M., Dogmatik, 1981; Polay, E., Ursprung, Entwicklung und Untergang der Pandektistik, 1981; Brauneder, W., Privatrechtsfortbildung durch Juristenrecht, ZNR 1983, 22; Wagner, H., Die politische Pandektistik, 1985
Panisbrief ist das seit dem 14. Jh. (21. 1. 1360) nachweisbare Schreiben, in dem der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) einem Laien das Recht verleiht, lebenslänglich von einer kirchlichen Anstalt mit Unterhaltsleistungen versorgt zu werden.
Lit.: Hirschmann, H., Vom kaiserlichen Recht der Panisbriefe, Diss. jur. Marburg 1973
Pankarte (lat. [F.] pancarta) ist nach spätantiken Ansätzen seit der Mitte des 9. Jh.s die frühmittelalterliche Urkunde, mit welcher nach Verlust von Urkunden allgemein der bisherige Besitzstand bestätigt wird.
Lit.: Zeumer, K., Über den Ersatz verlorener Urkunden im fränkischen Reiche, ZRG GA 1 (1880), 89
Pannonien ist das zwischen Alpen, Donau und Save gelegene, 14-9 v. Chr. von den Römern unterworfene Gebiet, das in der Völkerwanderung zunächst von germanischen Stämmen, danach von Awaren bzw. -> Ungarn erobert wird.
Panormitanus (lat. [Adj.]) von Palermo, -> Nikolaus de Tudeschis
Papianus ist eine ältere, auf einem Missverständnis der Zusammengehörigkeit von Stücken von Handschriften beruhende Bezeichnung der -> Lex Romana Burgundionum.
Papinianus, Aemilius (Afrika ? um 150 - Rom 212), vielleicht Schüler und Nachfolger (als lat. advocatus [M.] fisci) des Cervidius Scaevola, wird unter dem mit ihm eng befreundeten Kaiser Septimius Severus (193-211) (lat.) assessor (M.) der Gardepräfekten, Leiter einer kaiserlichen Kanzlei (lat. magister [M.] libellorum) und Gardepräfekt (mit Paulus und Ulpian als Assessoren). Seine bedeutendsten Werke sind 27 Bücher (lat.) quaestionum (Fragen) und 19 Bücher (lat.) responsorum (Antworten), welche durch Kürze, Scharfsinnigkeit und Eigenständigkeit ausgezeichnet sind. 212 wird P. von Kaiser Caracalla wegen des Hinweises, ein Brudermord lasse sich leichter begehen als rechtfertigen, hingerichtet. Nach dem Zitiergesetz von 426 soll bei Stimmengleichheit der sog. Zitierjuristen P. den Ausschlag geben. In den Digesten stehen Auszüge aus Schriften des P. so, dass sie den Studierenden des dritten Jahrganges treffen.
Lit.: Söllner §§ 5, 16, 19; Köbler, DRG 30, 52; Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 224
Papirius ist ein im übrigen unbekannter römischer Oberpriester (lat. [M.] pontifex), der am Ende des 6. Jh.s zweifelhafte Königsgesetze als (lat.) ius (N.) Papirianum (Recht des Papirius) veröffentlicht haben soll.
Lit.: Söllner § 5; Köbler, DRG 17; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
Papirius, Iustus, ist ein römischer Jurist der zweiten Hälfte des 2. Jh.s n. Chr., der Entscheidungen, Antworten, Dienstanweisungen und Festsetzungen (Konstitutionen) der Kaiser in 20 Büchern gesammelt haben soll, von denen 18 Bruchstücke in den Digesten aufgenommen werden.
Lit.: Köbler, DRG 31; Der Kleine Pauly, hg. v. Ziegler, K. u. a., Bd. 4 1975, 493
Papst ist im katholischen Kirchenrecht der Träger der obersten Gewalt der Kirche mit Sitz im Vatikan in Rom (Heiliger Stuhl). Der Titel P. ist seit der zweiten Hälfte des 4. Jh.s für den Bischof von Rom als den Nachfolger des Apostels Petrus bezeugt. Seit dem 5. Jh. wird er ihm allmählich vorbehalten. 1075 bestimmt P. Gregor VII. im (lat.) -> Dictatus (M.) papae, dass der Titel P. nur dem Bischof von Rom zustehe. Als oberster Hirte der Kirche ist der P. Bischof von Rom. Seit dem Ende des 5. Jh.s sieht der P. sich als eine der beiden nebeneinander stehenden Gewalten. 751 verbindet sich der karolingische König mit ihm. Infolge der ottonischen Reichskirchenpolitik und kirchlicher Reformüberlegungen kommt es seit 1073 zum -> Investiturstreit und weiteren Auseinandersetzungen zwischen Kaiser und P. Der in deren Gefolge vom P. zu Hilfe gerufene König von Frankreich verbringt den P. von 1309 bis 1376 nach Avignon. 1517 löst Luther die Spaltung der Kirche in Katholiken und Protestanten aus, auf die der P. u. a. mit der -> Gegenreformation reagiert. Der Abwendung von der Kirche infolge von Aufklärung und Liberalismus stellt der P. 1869/70 das Unfehlbarkeitsdogma entgegen. Die Aufhebung des Kirchenstaates (am 20. 9. 1870) durch das Königreich ->Italien beschneidet seine weltlichen Möglichkeiten. Gewählt wird der P. im sog. Konklave von den dazu berechtigten Kardinälen, die das 80. Lebensjahr noch nicht vollendet haben dürfen. Wählbar ist jeder katholische Christ. Erforderlich ist grundsätzlich eine Zweidrittelmehrheit (bis zum 28. Wahlgang). Seit 1389 werden nur Kardinäle gewählt. Der 269. P. (Johannes Paul II.) ist seit langem der erste Nichtitaliener.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 93, 109, 129; Domeier, V.,
Die Päpste als Richter über die deutschen Könige, 1897, Neudruck 1969; Feine,
H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Päpste und Papsttum, hg. v. Denzler,
G., Bd. 1ff. 1971ff.; Köck, H., Die völkerrechtliche Stellung des Heiligen
Stuhles, 1975; Fuhrmann, H., Von Petrus zu Johannes Paul II., 2. A. 1984;
Zimmermann, H., Das Papsttum im Mittelalter, 1981; Fichtinger, C., Lexikon der
Heiligen und Päpste, 1983; Frenz,
T., Papsturkunden,2. A. 2000; Schimmelpfennig, B., Das Papsttum, 4. A. 1996; Wucher, A., Von Petrus
zu Paul, 1997; Zapperi, R., Die vier Frauen des Papstes, 1997; Fuhrmann, H.,
Die Päpste, 1998; Duffy, E., Die Päpste, 1999; Papsturkunde und europäisches
Urkundenwesen, hg. v. Herde, P. u. a., 1999; Weber, C.,
Genealogien zur Papstgeschichte, 1999; Miethke, J., De potestate papae, 2000;
Hirschmann, S., Die päpstliche Kanzlei und ihre Urkundenproduktion (1141-1159),
2001
Papyrus ist der aus dem Mark eines Riedgrases (Papyrusstaude) in Ägypten hergestellte beschreibbare Stoff. Die älteste erhaltene Papyrusrolle stammt von etwa 3000 v. Chr. Vom 3. Jh. v. Chr. bis zum 7. Jh. n. Chr. werden in Ägypten zahlreiche, seit dem späten 18. Jh. allmählich in Europa bekannt werdende Papyrusurkunden hergestellt. Seit dem Frühmittelalter wird P. als Beschreibstoff von Pergament und seit dem 11. Jh. n. Chr. von Papier verdrängt. Aus dem Mittelalter sind nur wenig mehr als 100 Papyrusurkunden erhalten.
Lit.:
Tjäder, O., Die nichtliterarischen lateinischen Papyri Italiens, Bd. 1ff.
1955ff.;
Seidl, E., Ptolomäische Rechtsgeschichte, 2. A. 1962; Rupprecht,
A., Kleine Einführung in die Papyruskunde, 1994; Wesel, U., Geschichte des Rechts,
1997; Wolff, H., Vorlesungen über juristische Papyrusurkunde, hg. v. Wolf, J.,
1998
Paragraph (§) ist (ein Zeichen für) ein(en) Abschnitt hauptsächlich eines Gesetzes. Die Herkunft des Zeichens ist streitig (aus c bzw. cc für [lat.] capitulum [N.] bzw. capitulum capituli?).
Lit.: Köbler, DRG 107, 140; Weidmüller, W., Paragraphzeichen, Börsenbl. f. d. dt. Buchhandel, Frankfurter Ausgabe 22 (1966), 2041; Harder, M., Der Paragraph, in: Tradition und Fortentwicklung im Recht, hg. v. Slapnicar, K., 1991
parangaria (lat.[F.]) ist eine mittelalterliche Abgabe.
parapherna (lat.) sind im spätrömischen Recht Ausstattungsgegenstände.
Lit.: Kaser § 59 IV; Köbler, DRG 58
paraveredus (lat.[M.]) (Postnebenpferd) ist eine frühmittelalterliche Leistungsverpflichtung.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Dannenbauer, H., Paraveredus - Pferd, ZRG GA 71 (1954), 55
Parentel ist die von einem Stammelternpaar und deren Abkömmlingen gebildete Familienschaft. Dabei stammt die erste P. vom Erblasser, die zweite von seinen Eltern, die dritte von seinen Großeltern usw. Nach einem Teil der Meinungen ist das Denken in Parentelen germanistischer Herkunft. Dem steht allerdings die Uneinheitlichkeit der Gesamtheit der späteren Quellen gegenüber. Systematisch entwickelt sind die Parentelen 1740 von -> Darjes (1717-1791). In Ablehnung anderer erbrechtlicher Vorstellungen (Vierklassensystem Justinians, Dreiliniensystem u. a.) bewirken Martini und Horten die Aufnahme der P. in das österreichische -> Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch von 1811/2. Auch das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) und das Schweizer Zivilgesetzbuch entscheiden sich für die P. Dem entspricht im Ergebnis auch der amerikanische Uniform Probate Code von 1969/75.
Lit.: Köbler, DRG 123, 162, 210; Darjes, J., Institutiones jurisprudentiae universales, 1740; Majer, J., Germaniens Urverfassung, 1798; Wesener, G., Geschichte des Erbrechts in Österreich, 1957; Mertens, H., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über die gesetzliche Erbfolge, 1970, 41; Mertens, H., Überlegungen zur Herkunft des Parentelensystems, ZRG GA 90 (1973), 149; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Parentelensystem -> Parentel
Paris an der Seine, 54 v. Chr. als Lutetia erstmals erwähnt, ist der Hauptort der keltischen Parisier, den die merowingischen Herrscher der -> Franken übernehmen. Mit der Durchsetzung der Grafen von P. 987 als Könige des westfränkischen Reichs wird der Grund für P. als Hauptstadt Frankreichs gelegt. 1219 wird das wohl kurz zuvor aufgenommene Studium des Rechts in P. vom Papst erfolglos untersagt. 1250 wird das Parlament de Paris als Obergericht des Königs sichtbar. Die coutumes von P. erlangen besondere Bedeutung. Mit dem Sturm auf die Bastille in P. beginnt 1789 die Französische Revolution.
Lit.:
Köbler, DRG 100; Bourjon, F., Le droit commun de la France et la coutume de
Paris, 1747; Leff, G., Paris and Oxford, 1968; Nève, P., Recent work on the superior
courts, The Irish Jurist, 23 1988, 129; Paris, Genèse d’un paysage, 1989;
Geschichte der Universitäten in Europa, hg. v. Rüegg, W., Bd. 1 1993; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Pariser Edikt ist ein unter dem fränkischen König Chlothar II. in Paris am 18. 10. 614 entstandenes Kapitular mit 24 Kapiteln verschiedensten Inhaltes.
Lit.: Kocher, G., Das Pariser Edikt von 614, 1976
Pariser Übereinkunft ist eine völkerrechtliche Übereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums vom 20. 3. 1883.
Parität (F.) Gleichheit (der Konfessionen)
Lit.: Weber, L., Die Parität der Konfessionen in der Reichsverfassung, Diss. jur. Bonn 1961; Heckel, M., Parität, ZRG KA 80 (1963), 261; Hafke, H., Zuständigkeit in geistlichen Streitigkeiten, Diss. jur. Frankfurt am Main 1973
Parlament ist ein Beratungsgremium, insbesondere die zur Gesetzgebung berufene Volksvertretung. Das P. findet sich in England in Anfängen seit 1100, in entwickelter Form seit 1295, in Italien und Spanien seit der Mitte des 12. Jh.s und in Frankreich seit dem 14. Jh. Ihm gehören gewisse -> Stände an. Es befasst sich mit Beilegung von Streitigkeiten, Erbringung von Leistungen und Erörterung sonstiger bedeutsamer Fragen. Aus dem ständischen P. wird durch Aufklärung und Revolution oder Evolution seit dem späten 18. Jh. die durch Indemnität, Immunität und Redefreiheit geschützte Vertretung des gesamten Volkes (-> Volkssouveränität) zum Zweck der -> Gesetzgebung bzw. umfassenden politischen Gestaltung. Besonders bedeutsam ist dabei die Wahlrechtsreform in England von 1832. Die Veranwortlichkeit der Staatsführung gegenüber dem P. wird im frühen 20. Jh. durchgesetzt. Seit dieser Zeit wird auch die Frau über das Wahlrecht in das P. einbezogen. Durch -> Ermächtigungsgesetz kann das P. ausgeschaltet werden.
Lit.:
Köbler, DRG 191, 230; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 649; Marongiu, A., Medieval Parliaments, 1968;
Achterberg, N., Grundzüge des Parlamentsrechts, 1971; Gesellschaft, Parlament
und Regierung, hg. v. Ritter, G., Teil 1 1974; Die geschichtlichen Grundlagen
der modernen Volksvertretung, hg. v. Rausch, H., Bd. 1 1980, Bd. 2 1974; Der
Reichstag, 1981; Von der Ständeversammlung zum Parlament, 1982; Parlamentsrecht
und Parlamentspraxis, 1989; Wirsching, A., Parlament und Volkes Stimme, 1990;
Hilgendorf, E., Die Entwicklungsgeschichte der parlamentarischen Redefreiheit,
1991; Loach,
J., Parliament under the Tudors, 1991; Schönberger, C., Das Parlament im Anstaltstaat,
1997; Kirsch, M., Monarch und Parlament im 19. Jahrhundert,
1999; L’istituzione parlamentare nel XIX secolo, hg. v.
Manca, A., 2000; Boetticher, C., Parlamentsverwaltung und parlamentarische
Kontrolle, 2002
Parlamentarischer Rat in Bonn ist ein von den Landtagen der westlichen Besatzungszonen des -> Deutschen Reiches gewähltes Beratungsgremium von 65 Abgeordneten, das den vom Herrenchiemseer Konvent erarbeiteten Entwurf einer Verfassung der Bundesrepublik Deutschland (-> Grundgesetz) seit 1. 9. 1948 unter dem Präsidium von Konrad Adenauer überarbeitet und am 8. 5. 1949 mit 53 zu 12 Stimmen annimmt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 256; Der Parlamentarische
Rat 1948-1949, Bd. 1ff. 1975ff.; Buchner, P., Der Verfassungskonvent auf
Herrenchiemsee, Bd. 2 1981; Diestelkamp, B., Die Verfassungsentwicklung in den
Westzonen, NJW 1989, 1312;
Feldkamp, M., Der Parlamentarische Rat, 1998; Lange, E., Gestalter des
Grundgesetzes, 1999
parlamentarisches System ist eine politische Gestaltung, bei der die Regierung vom Vertrauen des -> Parlaments abhängt. Das parlamentarische System zeigt sich in England 1834/5, in Deutschland theoretisch seit 1840 und praktisch am 28. 10. 1918.
Lit.:
Kroeschell, DRG 3; Bagehot, W., The English Constitution, 1867, Neudruck 1963;
Beyme, K. v., Die parlamentarischen Regierungssysteme in Europa, 1970;
Parlamentarismus, hg. v. Kluxen, K., 3. A. 1971; Boldt, W., Konstitutionelle
Monarchie oder parlamentarische Demokratie, HZ 216 (1973), 553; Gesellschaft,
Parlament und Regierung, hg. v. Ritter, G., Bd. 1 1974; Thaysen, J.,
Parlamentarisches Regierungssystem, 2. A. 1976; Botzenhardt, M., Deutscher
Parlamentarismus 1848-1850, 1977; Der moderne Parlamentarismus, hg. v. Bosl, K.
u. a., 1977; Parlamentarismus im Norddeutschen Bund, 1985; Parlamentarismus in
Tirol, hg. v. Kathrein, I. u. a., 1988; Schumacher, M., Kommission für
Geschichte des Parlamentarismus, 1988; Goldt, C., Parlamentarismus im
Königreich Sachsen, 1996; Pahlmann, M., Anfänge des städtischen
Parlamentarismus, 1997; Zeh, W., Parlamentarismus, 6. A. 1997
Parlamentarismus -> parlamentarisches System
Lit.: Otto von Bismarck und die Parteien, hg. v. Gall, L., 2001
Parlament de Paris -> Parlament,
Paris
Lit.: Rogister, J., Louis XV and the Parlament of
Parma am Nordfuß des Apennins kommt über Etrusker, Römer und Langobarden an die Franken. Im 12. Jh. erlangt es gewisse Selbständigkeit, fällt aber 1322 an den päpstlichen Kirchenstaat. 1545 wird es Teil des von Papst Paul III. geschaffenen Herzogtums Parma und Piacenza, das 1860 Sardinien-Piemont und das 1861 damit -> Italien eingegliedert wird.
Lit.:
Köbler, Historisches Lexikon; Pighini, G., Storia di Parma, 1965; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. 1ff.
1973ff., 2, 2, 183, 3, 1, 254, 3, 2,
2361
Parömie (F.) Sprichwort, Regel
parricidium (lat. [N.]) arge Tötung
Lit.: Kaser § 36 II 2; Söllner § 8; Köbler, DRG 28, 34, 35
pars (F.) sanior (lat.) klügerer Teil (bei einer Abstimmung), -> Mehrheit
Partei ist im Verfassungsrecht eine Vereinigung von Bürgern, die dauernd oder für längere Zeit für den Bereich des Bundes oder eines Landes auf die politische Willensbildung Einfluss nehmen und an der Vertretung des Volkes im Parlament teilnehmen wollen, wenn sie nach dem Gesamtbild der Verhältnisse eine ausreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit dieser Zielsetzung bietet. Im Verfahrensrecht ist P., von wem und gegen wen Rechtsschutz begehrt wird. Im Privatrecht ist P. des Schuldverhältnisses der Gläubiger und der Schuldner. Der Begriff der P. ist ansatzweise bereits im Altertum vorhanden (lat. [F.] factio), im Verfahrensrecht und im Schuldrecht stehen sich Parteien von Anfang an gegenüber. Als Fremdwort erscheint P. als Übernahme aus dem Altfranzösischen im Mittelhochdeutschen. In England sind um 1680 Tories und Whigs ne. parties, in Deutschland 1784. Die politische P., der parteiähnliche Vorläufer (z. B. Illuminaten) vorausgehen, bestimmt seit dem 19. Jh. maßgeblich das öffentliche Leben (England Carlton Club 1832, Deutschland um 1848).
Lit.:
Dulckeit/Schwarz/Waldstein §§ 18 IV, 27 IV; Kroeschell, 20. Jh.; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 735; Bachem, K., Vorgeschichte, Geschichte und
Politik der deutschen Zentrumspartei, Bd. 1ff. 1927ff., Neudruck 1968; Mommsen,
W., Deutsche Parteiprogramme, 1952; Deutsche Parteiprogramme 1861-1956, hg. v.
Treue, W., 1954, 4. A. 1968; Bergsträßer, L./Mommsen, W., Geschichte der
politischen Parteien in Deutschland, 11. A. 1965; Diehl-Thiele, P., Partei und
Staat im Dritten Reich, 1960, 2. A. 1971; Boldt, W., Die Anfänge des deutschen
Parteiwesens, 1971; Ritter, G., Die deutschen Parteien 1830-1914, 1985;
Sellert, W., Zur Geschichte der rationalen Urteilsbegründung, in: Recht,
Gericht, Genossenschaft und Policey, 1986, 97; Lang, J. v., Die Partei, 1989;
Lösche, P., Kleine Geschichte der deutschen Parteien, 2. A. 1994; Fenske, H., Deutsche
Parteiengeschichte, 1994; Soug, S., Politische Parteien und Verbände, 1996;
Stein, K., Parteiverbote, 1999; Parteien im Wandel vom Kaiserreich zur Weimarer
Republik, hg. v. Dowe, D. u. a., 1999; Olzog, G., Die politischen Parteien, 25.
A. 1999; Grießmer, A., Massenverbände und Massenparteien im Wilhelminischen
Reich, 2000; Stalmann, V., Die Partei Bismarcks, 2000; Alexander, M., Die
Freikonservative partei 1890-1918; Otto von Bismarck und die Parteien, hg. v.
Gall, L., 2001; Richter, L., Die Deutsche Volkspartei 1918-1933
Parteibetrieb ist das Betreiben eines Verfahrens durch eine -> Partei. Der Verfahrensgrundsatz des Parteibetriebs beherrscht das Verfahren von Anfang an. Vor allem im Strafverfahren ist der P. aber vom Amtsbetrieb weitgehend verdrängt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 201; Damrau, J., Die Entwicklung einzelner Prozessmaximen, 1975
Parteieid ist der von der -> Partei zu leistende Eid. Er ist ein problematisches Aussagebekräftigungsmittel. Dennoch findet er sich sowohl im römischen Recht wie auch im deutschen Recht. -> Reinigungseid
Lit.: Kaser; Kroeschell, DRG 2;
Cappelletti, La testimonianza della parte, 1962; Münks, Vom Parteieid zur Parteivernehmung,
1991
Partenreederei ist diejenige -> Reederei, bei der das einzelne Schiff im anteiligen Eigentum mehrerer Reeder steht. Die P. wird im römischen Recht als (lat. [F.]) societas angesehen. Sie ist im Mittelalter allgemein verbreitet. Das -> Consolat (N.) del Mar (Barcelona 1348) regelt sie sehr ausführlich. Besonders zum Ende des 19. Jh.s wird die P. überwiegend als Innengesellschaft betrieben, bei der nach außen nur einer der Reeder auftritt. Im Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist die P. eine Gesellschaft, deren Gesellschaftsvermögen ein Schiff voraussetzt und deren Anteile (Parten) nach festen Quoten bemessen und grundsätzlich veräußerlich und vererblich sind. Diese Gesellschaft ist regelmäßig Außengesellschaft.
Lit.: Ruhwedel, E., Die Partenreederei, 1973
Partikularrecht ist das in einem beschränkten Bereich geltende Recht im Gegensatz zu einem allgemeinen Recht. Schon im Frühmittelalter stehen im fränkischen Reich die verschiedenen Volksrechte nebeneinander. Seit dem Hochmittelalter werden sie allgemein durch zahlreiche Landrechte, Stadtrechte und auch Dorfrechte abgelöst. 1495 stellt die Reichskammergerichtsordnung den gemeinen Rechten des Reiches die redlichen, ehrbaren und leidlichen Ordnungen, Statuten und Gewohnheiten der (ungezählten) Fürstentümer, Herrschaften und Gerichte gegenüber. Seit dem 17. Jh. versucht die Wissenschaft, das einheimische P. zu einem gemeinen deutschen (Privat-)Recht zusammenzufassen, das sich aber weder gegenüber dem P. noch gegenüber dem gemeinen (römischen) Recht durchzusetzen vermag. Am Ende des 19. Jh.s gilt für etwa 20 Millionen Deutsche das Allgemeine Landrecht Preußens, für etwa 17 Millionen das gemeine Recht, für etwa 8 Millionen das französische Recht (Code civil), für etwa 3,5 Millionen das Bürgerliche Gesetzbuch Sachsens und für weniger als 0,5 Millionen sonstiges Recht. Seit dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist das P. im Bereich des bürgerlichen Rechts bis auf geringe Reste zugunsten einer neuen Rechtseinheit beseitigt (ähnlich im Strafrecht, Strafprozessrecht und Zivilprozessrecht), doch besteht das Grundproblem auf europäischer Ebene fort.
Lit.: Köbler, DRG 137; Nahmer, v. d., Handbuch des rheinischen Particularrechts, Bd. 1ff. 1831ff.; Bluhme, F., Übersicht der in Deutschland geltenden Rechtsquellen, 3. A. 1863, 162; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967; 189; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973, 586; Kroeschell, K., Universales und partikulares Recht, in: Vom nationalen zum transnationalen Recht, hg. v. Kroeschell, K. u. a., 1995, 265
Partnerschaft ist eine seit 1994 zulässige registerfähige Gesellschaft für die gemeinsame Berufsausübung mehrerer freiberuflich tätiger Menschen (z. B. Rechtsanwälte).
Lit.: Seibert, Die Partnerschaft, 1994
Partnership Act (1980) ist das das Gesellschaftsrecht ordnende Gesetz des englischen Rechts.
Partsch, Joseph (Breslau 2. 9. 1882 - Berlin 30. 3. 1925), Sohn eines Geographen, wird nach dem Rechtsstudium in Breslau, Genf, Breslau und Leipzig (Mitteis, Strohal) 1906 außerordentlicher Professor in Genf, 1910 Professor in Göttingen, 1911 in Freiburg im Breisgau, 1920 in Bonn und 1921 ordentlicher Professor in Berlin. Wissenschaftlich widmet er sich unterschiedlichen Gegenständen der Rechtsgeschichte des Altertums.
Lit.: Lenel, O., Josef Partsch, ZRG RA 45 (1925), V
pascuarium (lat. [N.]) Weideabgabe
Pass ist die zum Ausweis eines Menschen bei
Einreise, Ausreise und Aufenthalt im Ausland grundsätzlich erforderliche
öffentliche Urkunde. Der P. ist dem Altertum und dem Mittelalter im Ansatz
bekannt. Seit dem Hochmittelalter gewinnt er mit der Territorialisierung des
Rechtes an Bedeutung. Besonders
gefördert wird der P. in Frankreich, wo er seit 1791 ausgebaut und mit
Passzwang versehen wird. Seit 1815 ist auch im Deutschen Bund im Gegensatz etwa
zu England der P. rechtstatsächlich nahezu unabdingbar. Seit dem Ersten
Weltkrieg herrscht allgemein Passzwang, doch wirkt die europäische
Einigungsbewegung erneut auf Beseitigung der damit verursachten Einschränkungen
hin (u. a. Abkommen von Schengen).
Der Inhaber eines Passes steht im Ausland unter diplomatischem und
konsularischem Schutz. Daneben ist Pass auch der Übergang über ein Gebirge.
Lit.: Hübner § 11; Krause, J., Das deutsche Passrecht, 1925; Medert, K./Süßmuth, W., Pass- und Personalausweisrecht, 2. A. 1992; Fahrmeir, A., Citizens and Aliens, 2000; Fahrmeir, A., Passwesen und Staatsbildung im Deutschland des 19. Jahrhunderts, HZ 271 (2000), 57
Pasukanis, Evgenij Bronislavovic (1881-1937) ist einer der Begründer der sowjetischen Rechtstheorie (Allgemeine Rechtstheorie und Marxismus, 1924). Er vertieft die Ansicht, dass das bürgerliche Recht mit der bürgerlichen Gesellschaft absterbe. Bereits 1931 muss er sich wegen der Notwendigkeit von Gesetzen auch im Sowjetstaat hiervon lossagen. 1937 wird er als Volksschädling beseitigt.
Lit.: Law and Marxism, hg. v. Arthur, C., 1978; Reich, N., Sozialismus und Zivilrecht, 1972, 194
Pataria ist eine in Mailand, Cremona, Piacenza und Brescia im dritten Viertel des 11. Jh.s bedeutsame religiös-soziale, die Entwicklung zur Stadtgemeinde beschleunigende Reformbewegung.
Lit.: Violante, C., La pataria milanese, 1955; Investiturstreit
und Reichsverfassung, hg. v. Fleckenstein, J., 1973, 321; Keller, H., Mailand im
11. Jahrhundert, in: Die Frühgeschichte der europäischen Stadt, hg. v. Jarnut,
J., 1998, 81; Zumhagen, O., Religiöse Konflikte und kommunale Entwicklung, 2001
Pate ist der den kindlichen Täufling der christlichen Kirche vertretende, neben den Eltern stehende erwachsene Christ. Nach älteren Anfängen wird er seit dem 3. Jh. bedeutsam.
Lit.: Dick, E., Das Pateninstitut, Z. f. kath. Theologie 63
(1939), 1; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Jussen, B., Patenschaft und Adoption,
1991
Patent ist allgemein der offene Brief und seit dem 19. Jh. das einem Erfinder (durch eine solche Urkunde) vom Staat ausschließlich erteilte, zeitlich (auf 20 Jahre) begrenzte Recht, eine Erfindung gewerbsmäßig zu nutzen. Die ersten Ansätze hierzu erscheinen im Spätmittelalter (König Edward III. von England [1327-1377] zugunsten des flämischen Webers Johann Kempe, Venedig 1469). Seitdem erteilen Landesherren Schutzprivilegien für Erfindungen. In Venedig begegnet bereits 1474 in Verfestigung des gewohnheitsrechtlichen Zustandes das erste Patentgesetz, das Neuheit, Ausführbarkeit und Nützlichkeit der Erfindung voraussetzt und zeitlich befristeten Schutz gegen unerlaubte Nachahmung gewährt. 1623/4 lässt das englische Statute of Monopolies zeitlich befristete Ausnahmen vom Monopolverbot für Privilegien bzw. Patente zu. In Frankreich wird nach Aufhebung des Privilegienwesens (1789) 1791 ein vom -> geistigen Eigentum des Erfinders ausgehendes Patentgesetz erlassen, in den deutschen Staaten seit 1820 (Österreich, Bayern 1825, Württemberg 1828). Damit wird das Privilegienwesen endgültig abgelöst. 1903 tritt das Deutsche Reich der Pariser Verbandsübereinkunft bei. 1973 wird eine europäische Übereinkunft über die Erteilung europäischer Patente erreicht, auf deren Grundlage 1977 in München ein europäisches Patentamt errichtet wird.
Lit.: Wehr,
J., Die Anfänge des Patentwesens in Deutschland, Diss. jur. Erlangen 1936;
Zycha, A., Beiträge zur Frühgeschichte des deutschen Erfinderrechts, ZRG GA 62
(1942), 295; Berkenfeld, E., Das älteste Patentgesetz der Welt, GRUR 1949, 139;
Silberstein, M., Erfindungsschutz und merkantilistische Gewerbeprivilegien,
1961; Heß, G., Die Vorarbeiten zum deutschen Patentgesetz, Diss. jur. Frankfurt
am Main 1966; Beier, F., Gewerbefreiheit und Patentschutz, in: Wissenschaft und
Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 4 1979, 183; Öhlschlegel, H., Das
Bergrecht als Ursprung des Patentrechts, 1978; Hundert Jahre Patentamt, 1977;
Wadle, E., Gewerbliche Schutzrechte und Unternehmensorganisation, in: Recht und
Entwicklung der Großunternehmen, hg. v. Horn, N. u. a., 1979, 343; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,4067; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd.
1f. 1985ff.;
Kinkeldy, M., Der Ausschluss der Juden aus der Patentanwaltschaft, 1998;
Feldmann, K., Die Geschichte des französischen Patentrechts und sein Einfluss
auf Deutschland, 1998; Patentschutz und Innovation, hg. v. Boch, R., 1999;
Gehmn M., Das Patentwesen in der bayerischen Pfalz, ZRG GA 120 (2003), 216
pater (M.) familias ist im römischen Recht der Hausvater, der über das eheliche Kind, das eheliche Kind des Sohnes usw., die Frau und den aufgenommenen gewaltfreien Hausfremden die im privaten Bereich bedeutsame Hausgewalt (lat. potestas [F.]) hat.
Lit.: Kaser §§ 4 I 1b, 12 I, 60; Söllner §§ 4, 5, 8, 12; Köbler, DRG 21
pater semper incertus (lat.). Der Vater ist immer ungewiß. -> mater semper certa est
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 152, Nr. 16
patria potestas (lat. [F.]) ist die im altrömischen Recht nahezu unbeschränkte Hausgewalt des (lat.) -> pater (M.) familias über Kinder und Frau (in manu). Sie schwächt sich allmählich ab. Seit dem Spätmittelalter wird sie in dieser veränderten Form im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) allmählich aufgenommen und mit dem heimischen Recht verschmolzen. Das Bürgerliche Gesetzbuch (1900) teilt in unterschiedlicher Ausgestaltung beiden Eltern die elterliche Gewalt zu.
Lit.: Kaser §§ 4 I 1, 58 IV 2, 60; Hübner; Thomas, A., Die Anschauungen der Naturrechtslehrer über die Rechtsverhältnisse zwischen Eltern und Kindern, Diss. jur. Rostock 1915; Wacke, A., „Elterliche Sorge“, FamRZ 27 (1980), 205
Patriarchat ist die von den Anfängen bis in das 20. Jh. erkennbare Vorrangstellung von Vätern bzw. Männern im Familienrecht im Gegensatz zum -> Matriarchat und der partnerschaftlichen Gleichberechtigung. Im Kirchenrecht ist P. ein kirchenrechtliches Zuständigkeitsgebiet (z. B. des Patriarchen von Antiochia, Alexandria, Jerusalem, Konstantinopel, Rom).
Lit.: Mitterauer, M./Sieder, R., Vom Patriarchat zur Partnerschaft, 2. A. 1980; Lerner, G., Die Entstehung des Patriarchats, 1991; Schweizer, C., Hierarchie und Organisation, 1991
patricius (lat. [M.] Väterlicher) ist seit dem frühen 4. Jh. (Kaiser Konstantin) ein römischer Ehrentitel, der bis zum 12. Jh. begegnet.
Lit.: Heil, W., Der konstantinische Patriziat, 1966; Winkelmann, F., Byzantinische Rang- und Ämterstruktur, 1985
Patrimonialgerichtsbarkeit ist die sich schon im Mittelalter allmählich entwickelnde, dem Gerichtsherrn unverzügliche Vollstreckung eigener Forderungen gegenüber Eingesessenen ermöglichende Gerichtsbarkeit des -> Grundherrn, die durch Verleihung von Gerichtsrechten seitens der Landesherrn zustande kommt. Gegen sie (1837 in Preußen 6597 Patrimonialgerichte mit 3,28 Millionen Gerichtszugehörigen = 23,9 Prozent der Bevölkerung, 970 an preußischen Patrimonialgerichten tätige Juristen, 1849 Patrimonialrichter) richtet sich trotz ihrer (geringfügigen) Kostengünstigkeit der politische Liberalismus des 19. Jh.s. Nach zahlreichen kleineren Veränderungen (Einführung obergerichtlicher Approbation für Justiziare, Durchsetzung ihrer Unkündbarkeit, Besoldung mit festem Gehalt, Abschaffung der Kammerjustiz, Eingliederung in den Instanzenzug, Zunahme der Visitationen) verschwindet sie seit 1848 ganz (Preußen 2. 1. 1849 bzw. 1851, zuletzt 1879 in Mecklenburg, Lippe und in der Grafschaft Schönburg in Sachsen).
Lit.: Wachsmuth, C., Versuch einer
systematischen Darstellung der Patrimonialgerichtsverfassung, 1808; Döhring,
E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Kern, E., Geschichte des
Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Werthmann, S., Vom Ende der
Patrimonialgerichtsbarkeit, 1995; Thauer,
J., Gerichtspraxis in der ländlichen Gesellschaft, 2001; Wienfort, M.,
Patrimonialgerichte in Preußen, 2001
patrimonium (lat. [N.]) Erbgut, Gut
Lit.: Kaser §§ 18 I 1, 30 I 2; Köbler, DRG
36; Köbler, LAW
Patriziat ist die Gesamtheit der Angehörigen der römischen und der mittelalterlich-städtischen Oberschicht.
Lit.: Roth v. Schreckenstein, K. Frhr. v.,
Das Patriziat in den deutschen Städten, 1856, Neudruck 1970; Deutsches
Patriziat 1433-1740, hg. v. Rössler, H., 1968; Heers,
J., La ville au Moyen Age, 1990
Patrizier ist im altrömischen Recht der Angehörige einer durch Vermögen und Ansehen gekennzeichneten Familie im Gegensatz zum Plebejer. Seit dem 16. Jh. versteht man unter P. auch den Angehörigen der eine Oberschicht der (mittelalterlichen) Stadt bildenden regierenden Familien. Diese Oberschicht entsteht aus Ministerialen des Stadtherrn, aus Kaufleuten und teilweise auch aus aufsteigenden Handwerkern. Mit dem Ausgang des Mittelalters ist das -> Patriziat weitgehend abgeschlossen. Es vermag sich seine Vorrechte bis in das 19. Jh. zu erhalten.
Lit.: Söllner §§ 4, 5, 6, 7; Kroeschell, DRG
2; Pitz, E., Die Entstehung der Ratsherrschaft in Nürnberg, 1956; Dreher, A.,
Das Patriziat der Reichsstadt Ravensburg, 1966; Rabe, H., Der Rat der
niederschwäbischen Reichsstädte, 1966; Deutsches Patriziat, hg. v. Rössler,
H., 1968; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 5. A. 1980;
Bechtold, D., Zunftbürgerschaft und Patriziat, 1981
patrocinium (lat. [N.]) Schutzpflicht
Patron (lat. [M.] patronus) ist im römischen Recht der Schutzherr eines Freigelassenen, dem gewisse Rechte auch nach der Freilassung zustehen, im Kirchenrecht der die Kirche schützende Heilige.
Lit.: Kaser § 4 1b; Söllner §§ 4, 5, 12;
Brown, P., Die Heiligenverehrung, 1991
Patronat ist die Gesamtheit der Rechte und Pflichten des Schutzherrn einer meist auf dessen Grund und Boden gebauten mittelalterlich-frühneuzeitlichen Kirche in bezug auf diese. Das P. entsteht im 12./13. Jh. aus der Ablehnung des Laieneigentums an Kirchen in der kirchlichen Reformbewegung des 11. Jh.s. Seitdem ist die Fürsorge für die Kirche entscheidend. Der Patron hat ein Vorschlagsrecht für das vom Bischof verliehene geistliche Amt. Das P. wirkt sich in Form der Kirchenbaulast bis in die Gegenwart aus. Seit dem (lat.) Codex (M.) iuris canonici (1917) können neue Patronate nicht mehr entstehen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Wahrmund, L., Das
Kirchenpatronatsrecht, Bd. 1f. 1894ff.; Stutz, U.,
Geschichte des kirchlichen Benefizialwesens, 3. A. 1972; Landau, P., Jus
patronatus, 1975; Church and Society in
England, hg. v. O’Day, R. u. a., 1977; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983;
Landau, P., Patronat, Theologische Realenzyklopädie, Bd. 26 1996, 106
Patrozinium ist im Kirchenrecht seit dem 4. Jh. das Schutzverhältnis eines Heiligen (z. B. -> Martin) zu einer einzelnen, später meist nach ihm benannten Kirche. Das P. lässt für quellenarme Zeiten Rückschlüsse auf die Entstehung einer Kirche zu.
Lit.: Deinhardt, W., Patrozinienkunde, Hist.
Jb. 56 (1936), 174; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Prinz,
F., Askese und Kultur, 1980, 75
Paulskirche in Frankfurt am Main ist der Ort der deutschen Nationalversammlung von 1848/9 (18. 5. 1848 - 28. 4. 1849). Hier wird eine formelle -> Verfassung beschlossen, welche nicht in die Rechtswirklichkeit umgesetzt zu werden vermag.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 171;
Wesenberg, G., Die Paulskirche und die Kodifikationsfrage, ZRG RA 72 (1955),
359; Die Grundrechtsdiskussion in der Paulskirche, hg. v. Scholler, H., 1973; Wollstein, G., Das „Großdeutschland“ der
Paulskirche, 1977; Laufs, A., Recht und Gericht im Werk der Paulskirche, 1978;
Kühne, J., Die Reichsverfassung der Paulskirche, 2.
A. 1998; Bert, H./Weege, W., Biographisches Handbuch der
Abgeordneten, 1996; Jansen, C., Einheit, Macht und
Freiheit, 1999
Paulskirchenverfasssung ist die von der in der Frankfurter Paulskirche tagenden verfassunggebenden Nationalversammlung beschlossene Verfassung. Sie enthält einen am 27. 12. 1848 verabschiedeten Katalog der Grundrechte (Reichsbürgerrecht, Unverletzlichkeit, Meinungsfreiheit, Glaubensfreiheit, Gewissensfreiheit, Gewerbefreiheit, Berufsfreiheit, Lehrfreiheit, Wissenschaftsfreiheit, Vereinsfreiheit, Petitionsrecht, Eigentumsschutz, Wohnungsschutz, Schwurgericht). Der organisatorische Teil vom 27. 3. 1849 sieht einen Bundesstaat mit einem erblichen Kaiser und einen Reichtstag mit Staatenhaus und Volkshaus vor.
Lit.: Köbler, DRG 194; Kühne, J., Die
Reichsverfassung der Paulskirche, 2. A.
1998
Paulus, Iulius (3. Jh. [+ 222-235]), ein Schüler des Cervidius Scaevola, erscheint zuerst als Advokat, dann (neben -> Ulpian) als Assessor des Gardepräfekten -> Papinianus und als Leiter einer kaiserlichen Kanzlei und Mitglied des kaiserlichen Rates. Seiner sammelnden, sichtenden und einheitlich darstellenden Tätigkeit werden 86 Titel mit 305 Büchern zugeschrieben, von denen Kommentare zum prätorischen Edikt, zu den drei Büchern Zivilrecht des Sabinus, Responsen und Quaestionen die wichtigsten sind. Nicht von ihm stammen die sog. -> Paulussentenzen. P. ist einer der fünf Zitierjuristen des Zitiergesetzes (426). Die -> Digesten bestehen zu 1/6 aus Auszügen aus seinen Werken.
Lit.: Söllner §§ 15, 16, 19; Köbler, DRG 30,
52, 53; Schulz, F., Geschichte der römischen Rechtswissenschaft, 1961; Liebs,
D., Die Jurisprudenz im spätantiken Italien, 1987; Schmidt-Ott, J., Pauli Quaestiones, 1993; Spengler, H., Dogmatik, Systematik, Polemik, 2000
Paulus de Castro (1360/2-1441) wird nach dem Rechtsstudium in Perugia (Baldus) und Pavia Professor in Avignon, Siena, Florenz, Bologna und Padua. Von ihm stammen Kommentare zu Digesten und Codex Justinians sowie viele Gutachten.
Lit.: Lange, H.,
Die Rechtsquellenlehre in den Consilien Paul de Castros, Gedächtnisschrift R.
Schmidt, 1966, 421; Romano, A., La giurisprudenza consulente e Paolo di Castro,
in: Rivista di storia del diritto italiano 61 (1988), 141
Paulussentenzen (lat. Pauli sententiae [F.Pl.]) sind eine im späten 3. Jh. entstandene, dem Juristen -> Paulus fälschlich zugeschriebene, aber aus seinen Werken hervorgehende einflussreiche Juristenschrift in fünf Büchern, von der Bruchstücke vor allem in den -> Digesten Justinians und in der (lat.) -> Lex (F.) Romana Visigothorum erhalten sind.
Lit.: Kaser § 2 II 5a; Söllner §§ 14, 19;
Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39 II 2 a; Kaser, M./Schwarz, F., Die
Interpretatio zu den Paulussentenzen, 1956
Pauperismus ist eine Bezeichnung für die im späteren 18. Jh. aus dem Bevölkerungswachstum bei stagnierender Wirtschaft infolge kräftiger Preissteigerungen bei geringer Reallohnzunahme entstehende Verarmung breiter Bevölkerungsschichten.
Lit.: Köbler, DRG 135
Pavia am Tessin wird nach Umbenennung aus Ticinum 572 von den Langobarden erobert und allmählich zur Hauptstadt des langobardischen Reiches gemacht. Vielleicht aus einer Schule der freien Künste (825) entwickelt sich eine spärlich bezeugte Rechtsschule, in der (lat.) -> Liber (M.) Papiensis (11. Jh.), (lat. [F.]) -> Lombarda (Ende 11. Jh.) und (lat.) Expositio (F.) ad librum papiensem (um 1100) entstehen, die aber die rechtswissenschaftliche Tätigkeit in -> Bologna kaum beeinflusst. 1356 gelangt P. an Mailand. 1361 wird eine Universität errichtet. 1393 werden 1470 überarbeitete (lat.) Statuta (N.Pl.) regiminis potestatis Papiensis aufgezeichnet.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler,
DRG 102; Storia della Università di Pavia, 1925;
Vaccari, P., Pavia, 1956; Vaccari, P., Storia della università di Pavia, 2. A. 1957;
Storia di Pavia, 1987ff.;
Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
pax (lat. [F.]) Friede, -> Gottesfriede, Landfriede
pax (F.) Dei (lat.) Friede Gottes
pecia (lat. [F.]) Handschriftenteil als Schreibvorlage im 12.-14. Jh.
Lit.: Destrez,
J., La pecia, 1935; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1 1973, 67,153
peculium (lat. [N.], Kleintierherde) ist schon im altrömischen Recht das vom Herrn eines Sklaven diesem zur tatsächlichen Bewirtschaftung überlassene Sondergut.
Lit.: Kaser §§ 11
II 1a, 12 III, 15 I 3, 49 II, 60; Söllner § 12; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG
21; Wesener, G., Peculia – bona adventicia –
freies und unfreies Kindesgut, in: Iuris vincula Studi in onore di M.
Talamanca, 2002, 393
pecunia (lat. [F.]) Geld
Lit.: Kaser § 32
II 2b; Stolleis, M., Pecunia nervus rerum, 1983
peer (engl., zu lat. par, gleich) Adliger, Lord (14. Jh.)
peinlich (zu lat. [F.] poena, Strafe) die Strafe vor allem an Leben und Leib betreffend
Lit.: Köbler, DRG 115, 119; Feuerbach, P.,
Lehrbuch des gemeinen, in Deutschland geltenden peinlichen Rechts, 1800;
Kleinheyer, G., Zur Rechtsgestalt von Akkusationsprozess und peinlicher Frage,
1971; Gudian, G., Geldstrafrecht und peinliche Strafe, FS A. Erler, 1977, 273
Peinliche Gerichtsordnung Karls V. -> Constitutio Criminalis Carolina
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 138,
156, 158; Meier, A., Die Geltung der Peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karls
V., 1929; Weber, H. v., Die peinliche Halsgerichtsordnung Karls V., ZRG GA 77
(1960), 288
Peira, Pira (griech. [F.], Erprobung, Unternehmen, Kenntnis) ist ein zu Beginn des 11. Jh.s entstandenes, aus 75 unsystematischen Titeln gebildetes praktisches Lehrbuch des byzantinischen Rechtes. Die P. beruht teilweise auf Gutachten, Urteilen und Abhandlungen des Richters am byzantinischen Hofgericht Eustathios Rhomaios, welche sein Sekretär verarbeitet (lat. Practica [F.] ex actis Eustathii Romani, Praktisches aus den Akten des Eustathius Rhomaius). Sie ist noch im 14. Jh. (-> Harmenopulos) bekannt.
Lit.: Oikonomides,
N., The Peira of Eustathios Rhomaios, in: Fontes minores, hg. v. Simon, D., 7
1986, 169;
Wesel, U., Geschichte des Rechts, 1997
Peloponnes ist die griechische Halbinsel südlich der Landenge von Korinth. In griechischer Zeit sind Argos, Korinth und Sparta die wichtigsten Orte. 395 wird der P. Teil Ostroms, in der ersten Hälfte des 15. Jh.s fällt er weitgehend an die Osmanen, gegen die 1821 ein Unabhängigkeitskrieg beginnt. -> Griechenland
Pene -> lat. (F.) poena
Pension (F.) Ruhegehalt des Beamten, Unterkunft
Pepo (2. Hälfte des 11. Jh.s) ist ein nicht
näher bekannter Vorläufer des Irnerius in Bologna.
Lit.: Lange, H.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
per aes et libram (lat.) mit Kupfer und Waage, -> Manzipation, mancipatio
Lit.: Kaser § 7 I 3; Söllner § 8
perduellio (lat. [M.]), arger Krieg, ist im altrömischen Recht der mit einer öffentlichen Strafe belegte Landesverrat bzw. Volksverrat.
Lit.: Köbler, DRG 20, 31; Söllner § 8
Perestroika (russ.) Umbau (1985-90 in der Sowjetunion)
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Modrow, H., Die Perestroika,
1998
Pergament ist die abgeschabte Tierhaut als Beschreibstoff vor allem im frühen und hohen Mittelalter (ältestes erhaltenes Exemplar 3./2. Jh. v. Chr.). Das P. verdrängt den Papyrus und unterliegt seinerseits dem Papier.
Lit.: Pergament, hg. v. Rück, P., 1991
periculum (lat. [N.]) ist im römischen Recht die Gefahr der Tragung eines Verlustes. Insbesondere trägt der Käufer die Gefahr des zufälligen Untergangs der Kaufsache nach Vertragsabschluss, so dass er zahlen muss, auch wenn er nichts erhält.
Lit.: Kaser §§ 34 III 2, 41 IV, 42 II 2, 62
IV 4; Köbler, DRG 46;
Bauer, M., Periculum emptoris, 1998
periculum est emptoris (lat.). Die Preisgefahr trägt der Käufer.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln,
5. A. 1991, 153, Nr. 28 (Paulus, um 170 - um 230, Digesten 18, 6, 8, pr.)
Perneder, Andreas (Ried um 1499 - München 1543) wird nach dem Rechtsstudium in Ingolstadt Richter und Rat in München. Sein Versuch eines großen praktischen Handbuches des geltenden Rechts ist nicht ganz vollendet. Dazu gehören deutsche (F.Pl.) Institutiones (unter Berücksichtigung des deutschen allgemeinen Rechts, des bayerischen Landrechts und der Stadtrechtsreformationen von Nürnberg, Worms und Freiburg), Gerichtlicher Prozess, Lehenrecht, Von straff und Peen und schließlich (lat.) Summa (F.) Rolandina (Bearbeitung der Summa artis notariae des Rolandus Passagerii). Sie werden anscheinend 16mal aufgelegt. Dennoch unterliegen sie letztlich der lateinisch bleibenden Rechtsliteratur.
Lit.: Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte
der Neuzeit, 2. A. 1967, 172; Söllner, A., Die Literatur zum gemeinen und
partikularen Recht, in: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 2, 1 1977, 556;
Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre der Rezeptionszeit, 1977, 167
perpetuatio (F.) obligationis ist im römischen Recht die noch von den Juristen des 1. Jh.s entwickelte Fiktion der Fortdauer einer Verbindlichkeit trotz Unterganges der geschuldeten bestimmten Sache für den Zeitpunkt der (lat.) litis contestatio (F.).
Lit.: Kaser § 37 I, II
Perser ist der Angehörige des persisch sprechenden, aus den
Indogermanen hervorgegangenen, im Westen Indiens ansässigen Volks.
Lit.: Winter, E./Dignas, B., Rom und
das Perserreich. 2001
Person ist, wer Träger von Rechten und Pflichten sein kann. Seit neben dem Menschen auch weitere Träger von Rechten und Pflichten anerkannt werden, entwickelt sich P. zu einem Oberbegriff sowohl des Menschen als der natürlichen P. wie auch der juristischen P. In diesem Sinn spricht Papst Innozenz IV. 1245 erstmals von einer (lat. [F.]) persona ficta (erdachten P.) der (lat. [F.]) -> universitas, die aber noch keine vollständige P. ist. Im 16. Jh. entsteht der allgemeine Begriff der P.
Lit.: Kaser § 13 I; Hübner; Köbler, DRG 121;
Coing, H., Zur Geschichte des Privatrechtssystems, 1962; Watson, A., The Law of
Persons, 1967; Henkel, W., Zur Theorie der juristischen Person im 19.
Jahrhundert, 1973; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.;
Köbler, G., Mercatores personati, FS L. Carlen, 1989, 157; Ueberschär, E., Die
Entwicklung der bürgerlichen Rechtsperson, Diss. jur. Jena 1993; Kobusch, T.,
Die Entdeckung der Person, 1993
Personalarrest ist die vorläufige Festnahme eines Menschen zur vorläufigen Sicherung einer gefährdeten Vollstreckung in das Vermögen. Der P. als ein Fall des -> Arrestes entwickelt sich aus dem Handhaftverfahren. Er wird seit dem Hochmittelalter sichtbar. In der Gegenwart ist der P. statthaft, wenn der Gläubiger glaubhaft macht, dass die Zwangsvollstreckung in vorhandenes Vermögen gefährdet wird.
Lit.: Planitz, H., Grundlagen des deutschen
Arrestprozesses, 1922, 25
Personalfolium ist das über mehrere Grundstücke desselben Eigentümers, deren Grundbücher von demselben Grundbuchamt geführt werden, geführte gemeinschaftliche Grundbuchblatt. Es ist gegenüber anderen Grundsätzen der Grundbuchführung (-.> Realfolium) die Ausnahme.
Lit.: Hübner 235
Personalitätsprinzip ist der auf personale Merkmale im Gegensatz beispielsweise zu territorialen Gegebenheiten abstellende Grundsatz. Das P. gilt im römischen Recht, doch unterstehen die Rechtsbeziehungen zwischen Römern und Fremden, zwischen Fremden verschiedener Völker und zwischen den Abkömmlingen unterworfener Völker (lat. [M.Pl.] dediticii) dem römischen (lat.) ius (N.) gentium (Fremdenrecht). Vielleicht bei den Germanen, jedenfalls im Frühmittelalter gilt ebenfalls meist das P. (der -> Volksrechte). Seit dem 12. Jh. wird dieses aber zunehmend vom Grundsatz der Territorialität (der -> Landrechte) abgelöst. Es wirkt jedoch im Personalstatut des internationalen Privatrechts fort.
Lit.: Kaser § 3 III 2a; Söllner §§ 18, 25;
Kroeschell, DRG 1; Schönbauer, E., Studien zum Personalitätsprinzip im antiken
Recht, ZRG RA 49 (1929), 345; Gualazzini, U., La fine della personalità della
legge nel cremonese, Bollettino storico cremonese 2, 1, (1931), 94; Gutermann,
S., The Principle of the Personality of Law, University of Miami Law Review 21
(1966), 259; Köbler, G., Land und Landrecht im Frühmittelalter, ZRG GA 86 (1969),
2, 30;
Guterman, S., The Principle of the Personality of Law, 1990
Personalkredit ist das personal gesicherte
Darlehen. Die Sicherung durch einen -> Bürgen oder durch -> Einlager
reicht dabei weit zurück. Eine starke Belebung erfährt der P. seit dem 19. Jh.
Lit.: Les suretés personelles,
Recueils de la société Jean Bodin 29ff. 1971ff.
personal property (N.) Fahrnis, bewegliche Sache
Personalservitut ist die nur einer bestimmten Person zustehende persönliche -> Dienstbarkeit im Gegensatz zum Realservitut (Grunddienstbarkeit).
Lit.: Kaser §§ 28 I 1, 29 I
Personalunion ist die (zufällige, seit dem 18. Jh. als solche erkannte) politische Verbindung zweier oder mehrerer monarchischer -> Staaten unter einem Herrscher (z.B Spanien/Heiliges Römisches Reich [deutscher Nation] 1519-56, Sachsen/Polen 1697-1763, Großbritannien/Hannover 1714-1837, Niederlande/Luxemburg 1815-90, Preußen/Neuenburg 1707-1857). -> Staatslehre
Lit.: Jellinek, G., Allgemeine Staatslehre,
3. A. 1914, Neudruck 1959, 759; Lewy, H., Personalunion und Realunion, Diss.
jur. Greifswald 1918; Favre, H., Neuenburgs Union mit Preußen, 1932
Personalvollstreckung ist die Vollstreckung in die Person des Schuldners. Sie ist im altrömischen Recht mit Hilfe der (lat.) -> legisactio (F.) per manus iniectionem möglich. Sie findet sich auch im Mittelalter. Erst 1868 wird die Schuldknechtschaft gesetzlich im Norddeutschen Bund und in Österreich beseitigt.
Lit.: Kaser §§ 81 III 1, 85 II 2, 87 I 10;
Köbler, DRG 20, 86
Personenname ist der -> Name einer -> Person im Gegensatz z. B. zum Ortsnamen. Personennamen erscheinen (einnamig - mehrgliedrig) in den frühesten Quellen. Sie können rechtlich bedeutsame Aufschlüsse bieten.
Lit.: Förstemann, E., Altdeutsches
Namenbuch, Bd. 1 2. A. 1901, Neudruck 1966; Socin, A., Mittelhochdeutsches
Namenbuch, 1903, Neudruck 1966; Schönfeld, W., Wörterbuch der altgermanischen
Personen- und Völkernamen 1911, 2. A. 1965; Lutz, O., Recht in Familiennamen,
1925; Bach, A., Deutsche Namenkunde, Teil 1 Bd 1f. 2. A. 1952f.;
Scheffer-Erhardt, C., Alt-Nürnberger Namenbuch, 1959; Kaufmann, H.,
Untersuchungen zu altdeutschen Rufnamen, 1965; Geuenich, D., Die Personennamen
der Klostergemeinschaft von Fulda, 1976; Reichert, H., Lexikon der
altgermanischen Namen, 1987;
Sonderegger, S., Prinzipien germanischer Personennamengebung, in: Nomen et
gens, hg. v. Geuerich, D. u. a., 1997, 1; Personennamen des Mittelalters, hg.
v. d. Bayerischen Staatsbibliothek, 2. A. 2000 (Namensformen für 13000
Personen, 3500 Personennamen); Dictionnaire historique de l’anthroponymie
romane (Patronymica Romanica) hg. v. Cano González, A. u. a., Bd. 1ff. 2003ff.
Personenrecht ist das die -> Person betreffende Recht im Gegensatz etwa zum -> Sachenrecht (oder zum -> Schuldrecht). Auf der Grundlage der griechischen Philosophie unterscheidet für das römische Recht nach Quintus Mucius Scaevola vor allem -> Gaius (um 160 n. Chr.) zwischen (lat.) personae (F.Pl.) und res (F.Pl.) sowie actiones (F.Pl.). Dem folgt man seit der Aufnahme des römischen Rechts im Spätmittelalter zunehmend. Erst im -> Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch Österreichs von 1811 wird das P. aber einer der drei Teile der Kodifikation.
Lit.: Mühlpfort,
W., Disputatio de iure personarum, 1611; Wieacker, F., Griechische Wurzeln des
Institutionensystems, ZRG RA 70 (1953), 93; Lipp, M., Die Bedeutung des
Naturrechts für die Ausbildung der allgemeinen Lehren, 1980; Quin, E., Personenrechte und Widerstandsrecht, 1999
Personenstandsgesetz von 6. 2. 1875 ist das im Kulturkampf die weltliche Zuständigkeit für das Personenstandswesen durchsetzende Gesetz des Deutschen Reiches.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 209
Personenverband ist die zu einer Einheit tendierende Mehrheit von Menschen. Sie findet sich seit dem Altertum und dem Frühmittelalter. Sie bildet eine Vorform der -> juristischen Person.
Lit.: Hübner 57, 121; Köbler DRG 36, 57, 238, 266
Persönlichkeitsmissachtung wird im klassischen römischen Recht als (lat. [F.]) -> iniuria erfasst.
Lit.: Köbler, DRG 27
Persönlichkeitsrecht ist das Recht des einzelnen gegenüber jedermann auf Achtung seiner Menschenwürde und auf Entfaltung seiner einzelmenschlichen Besonderheit. Als besondere Persönlichkeitsrechte werden das Recht am Namen seit längerer Zeit und das Recht am eigenen Bild seit kürzerer Zeit (vgl. RGZ 45,170 zu zwei Fotografien Bismarcks auf dem Totenbett) geschützt. 1954 anerkennt der Bundesgerichtshof der Bundesrepublik Deutschland ein allgemeines P. (BGHZ 13, 334). Als seine geschichtlichen Vorläufer können dabei Hugo Donellus (1590), die Naturrechtler und eine Mindermeinung des 19. Jh.s (Puchta, Gierke, Windscheid) angesehen werden.
Lit.:
Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 206, 266, 271; Scheyhing, R., Zur Geschichte
des Persönlichkeitsrechts, AcP 158 (1959/60), 503; Leuze, D., Die Entwicklung
des Persönlichkeitsrechts, 1962; Herrmann, M., Der Schutz der Persönlichkeit,
1968; Klingenberg, E., Vom persönlichen Recht zum Persönlichkeitsrecht, ZRG GA
96 (1979), 183; Simon, J., Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, 1981; Klippel,
D., Historische Wurzeln und Funktionen, ZNR 1982, 132; Coing, H., Die
Entwicklung der Persönlichkeitsrechte, in: Rechtsstaat und Menschenwürde, 1988,
75; Seifert, F., Postmortaler Schutz des
Persönlichkeitsrechts, NJW 1999, 1899; Klippel, D./Lies-Benachib, G., Der
Schutz von Persönlichkeitsrechten um 1900, in: Das Bürgerliche Gesetzbuch und
seine Richter, 2000, 343; Austermühle, G., Zur Entstehung und Entwicklung eines
persönlichen Geheimsphärenschutzes, 2002
pertinentiae (lat. [F.Pl.]) Zubehörstücke
Perugia am oberen Tiber beruht auf dem etruskischen Perusia. 1549 kommt es an den Kirchenstaat, dann 1870 an Italien (1861). Es ist Sitz einer Universität.
Lit.: Ermini, G., Storia della università di Perugia, 2. A. 1971; Valleranci, M., Il
sistema giudiziario, 1991; Stader, I., Herrschaft durch Verflechtung, 1997
Peterspfennig ist eine aus England seit dem 8. Jh. dem Papst als dem Nachfolger des Petrus geleistete Abgabe, die im Hochmittelalter und im Spätmittelalter auch in Norwegen, Schweden, Finnland, Island, Polen und Ungarn entrichtet wird. Seit 1871 ist der P. eine freiwillige Spende der Bistümer.
Lit.: Jensen, O., Der englische Peterspfennig, 1903; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A., 1972, 307; Maschke, E., Der Peterspfennig in Polen, 2. A. 1980
Peter von Andlau (Andlau ? um 1420 - Basel 5. 3. 1480) wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg und Pavia 1444 Kaplan in Basel und 1460 Professor. Mit dem 1460 erschienenen (lat.) Libellus (M.) de Caesarea monarchia (De imperio Romano, Büchlein über die kaiserliche Monarchie bzw. Über das Römische Reich) verfasst er unter kurialistischer Sicht die erste zusammenhängende Darstellung des deutschen Staatsrechts. Auf der Grundlage der Bibel, des gelehrten Rechtes, der Schriften des Jordanus von Osnabrück, des Thomas von Aquin, Felix Hemmerlins und Enea Silvio Piccolominis sowie der Goldenen Bulle schlägt er Aufnahme des römischen Rechts durch engen Anschluss der Fürsten an den Kaiser und durch gelehrte Richter vor.
Lit.:
Hürbin, J., Peter von Andlau, 1897; Scheffels, G., Peter von Andlau, Diss.
phil. Berlin 1955; Schubert, H., Die deutschen Reichstage, 1966; Peter von Andlau,
Kaiser und Reich, hg. v. Müller, R., 1998
Petition ist seit dem frühen 19. Jh. die Bittschrift an eine amtliche Stelle. Ein Recht zu einer P. ist zunächst ein Recht des Parlamentes gegenüber dem Fürsten (Bayern 1818). Daneben kommt schon seit 1689 in England dem einzelnen ein Recht zu, sich mit einer P. an den König, die Regierung, die Volksvertretung oder eine Behörde zu wenden. Hieraus wird im frühen 19. Jh. ein Mittel zur öffentlichen Erbringung politischer Forderungen, das die Reaktion seit 1819 zu unterdrücken versucht. 1848 wird das allgemeine Petititionsrecht durchgesetzt.
Lit.: Becker, K., Die Entwicklung des Petitions- und Beschwerderechts, Diss. phil. Greifswald, 1913; Gisiger, W., Das Petitionsrecht in der Schweiz, Diss. jur. Zürich 1935; Hoffmann, D., Das Petitionsrecht, Diss. jur. Frankfurt am Main 1959; Pistottnik, K., Das Petitionsrecht, Diss. jur. Wien 1969; Kumpf, J., Petitionsrecht und öffentliche Meinung, 1983; Mohme, D., Das Petitionsrecht, 1992
petitorisch (begehrend [aus dem Eigentum])
Lit.: Fiedler, A., Der petitorische Rechtsschutz, 1995
Petrus Crassus (2. Hälfte 11. Jh.) verteidigt in Ravenna Heinrich IV. 1084 in der (lat.) Defensio (F.) Heinrici IV. regis mit Hilfe des römischen Rechts gegen die Behauptung, dass der König sein Amt durch Wahl erlangen müsse.
Lit.: Fauser, A., Die Publizisten des Investiturstreites, Diss. phil. München 1934, 905
Petrus de Bellapertica (Pierre de Belleperche) (Lucenay-les-Aix - Jan. 1308) wird nach dem Rechtsstudium in Orléans um 1280 Professor, 1296 Bediensteter des Königs und 1306 Bischof von Auxerre und Kanzler von Frankreich. Überliefert sind von ihm Vorlesungen, Repetitionen und Distinktionen.
Lit.: Feenstra, R., L’Ecole de droit d’Orléans, Revue d’histoire des
Facultés de droit 13 (1992), 36
Petrus de Vinea (Capua vor 1190 - San Miniato April 1249), Richterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Bologna 1221 Notar (?) und 1224 Richter Friedrichs II. Von ihm stammen die Novellenregeln der Konstitutionen von Melfi. Wahrscheinlich wegen Amtsmissbrauchs wird er im März 1249 geblendet.
Lit.: Huillard-Bréholles, J., Vie et correspondance de Pierre de
la Vigne, 1865, Neudruck 1966; Baethgen, F., Dante und Petrus de Vinea, 1955; Schaller, H.,
Handschriftenverzeichnis zur Briefsammlung des Petrus de Vinea, 2002
Petschaft (N.) Siegel
Pfahl ist der festere, längere Holzstock. Pfählen ist im Spätmittelalter und in früher Neuzeit eine seltene, durch Durchbohren mit einem P. vollzogene Todesstrafe (z. B. CCC Art. 131 für Kindestötung).
Lit.: Baltl/Kocher; Brunner, H., Über die Strafe des Pfählens, ZRG GA 26 (1905), 258; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 499, Neudruck 1964
Pfahlbürger ist der außerhalb der Stadtmauer lebende, durch die Pfähle einer Vorstadtbefestigung geschützte (str.) Bürger der mittelalterlichen Stadt (1231/2). Da der P. die Rechte eines Bürgers beansprucht, entsteht vielfach Streit mit Landesherren. Mit Abschluss der Landesherrschaft verschwinden die P. wieder.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Schmidt, M., Die Pfahlbürger, Z. f. Kulturgeschichte 9 (1902), 241; Schröder, E., Pfahlbürger, FS E. Heymann, Bd. 1 1940, 52; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 5. A. 1980
Pfalz ist der Palast der Herrschers im Mittelalter. Die P. nimmt ihren Ausgang von dem Hügel Palatinus, auf welchem in Rom das Haus des Prinzeps Augustus (44 v. Chr. - 14 n. Chr.) steht. Seit dem Frühmittelalter beherrscht der fränkische bzw. deutsche König sein Reich durch Ziehen von P. zu P.
Lit.: Köbler, DRG 83; Schaller-Fischer, M., Pfalz und Fiskus Frankfurt, 1969; Brühl, C., Palatium, Bd. 1f. 1975ff.; Die deutschen Königspfalzen, hg. v. Max-Planck-Institut für Geschichte, Bd. 1ff. 1983ff.; Binding, G., Deutsche Königspfalzen, 1996; Orte der Herrschaft, hg. v. Ehlers, C., 2002; Splendor palatii, hg. v. Fenske, L. u. a., 2002
Pfalz ist das aus dem Herrschaftsgebiet des fränkischen Pfalzgrafen Lothringens nach der Belehnung Konrads von Staufen durch Kaiser Friedrich I. (1155/6) entstehende Land am mittleren Rhein. Nach dem Übergang an die Wittelsbacher (1214) kommt 1329 die obere P. (Oberpfalz) zwischen Regensburg und Fichtelgebirge zur P. hinzu. 1945 wird die linksrheinische P. von Bayern getrennt und mit anderen Gebieten zu -> Rheinland-Pfalz vereinigt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Zimmermann, F., Die Weistümer
und der Ausbau der Landeshoheit in der Kurpfalz, 1937; Pfalzatlas, hg v. Alter,
W., Bd. 1 1964, 393; Bender, K., Die Hofgerichtsordnung Kurfürst Philipps für die Pfalzgrafschaft bei Rhein,
1967; Press, V., Calvinismus und Territorialstaat, 1970; Press, V., Die
Grundlagen der kurpfälzischen Herrschaft in der Oberpfalz, Verh. d. hist. Ver.
Oberpfalz 117 (1977), 31; Spieß, K., Lehnrecht, Lehnspolitik und
Lehnsverwaltung der Pfalzgrafen, 1978; Lillig, K., Rechtssetzung im Herzogtum
Pfalz-Zweibrücken, 1985; Sprinkart, P., Kanzlei, Rat und Urkundenwesen der
Pfalzgrafen, 1986; Schaab, M., Geschichte der Kurpfalz, 1988; Kurpfalz, hg. v.
Schweickert, A., 1997
Pfalzgraf ist ein Titel im fränkisch-deutschen Reich im Mittelalter und in der Frühneuzeit. Zuerst wird ein (lat.) comes (M.) palatii bei Gregor von Tours genannt (577, 587), der vermutlich den Hof des Königs leitet, aber bald vom Hausmeier verdrängt wird. Als der Hausmeier 751 zum König aufsteigt, wird der P. wieder oberster Amtsträger in weltlichen Sachen und vertritt vor allem den König im Gericht. Seit dem frühen 9. Jh. erscheint ein P. der einzelnen Völker oder Stämme, aus dem sich der P. bei Rhein zum Landesherrn (der -> Pfalz) und Kurfürsten entwickelt. Im Reich bleibt lange der -> Hofpfalzgraf.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 109; Meyer, H., Die Pfalzgrafen der Merowinger und Karolinger, ZRG GA 42 (1921), 380; Arndt, J., Hofpfalzgrafenregister, Bd. 1ff. 1964ff.; Spieß, K., Lehnrecht, Lehnspolitik und Lehnsverwaltung der Pfalzgrafen, 1978; Sprinkart, P., Kanzlei, Rat und Urkundenwesen der Pfalzgrafen, 1986; Eberl, I., Die Entwicklung des Pfalzgrafen, 1995
Pfalzgrafen bei Rhein -> Pfalzgraf, Pfalz
Pfand (lat. [N.] pignus) ist schon im römischen Recht die zur Sicherung eines Anspruchs dienende Sache bzw. das an ihr bestehende Recht. Im engeren Sinn wird aus dem P. das Grundpfand (an unbeweglichen Sachen) ausgeschieden. Am P. besteht das -> Pfandrecht.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 26, 41, 45, 62, 74, 91, 125, 163, 213; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Pfandbrief ist eine festverzinsliche, unkündbare Schuldverschreibung eines Kreditinstitutes (Pfandbriefanstalt), durch deren Ausgabe dieses sich Mittel verschafft, die es unter hypothekarischer Sicherung als Darlehen ausgibt. Der P. beruht auf einer Kabinettsorder König Friedrichs II. von Preußen (1769). Erst seit der Mitte des 19. Jh.s haftet dabei der Grundstückseigentümer dem Inhaber des Pfandbriefes nicht mehr. Aus Ausgleich hierfür wird in der Folge nach französischem Vorbild dem Inhaber ein Vorzugsrecht im Konkurs (Insolvenz) des Kreditinstitutes gewährt.
Lit.: Rabe,
H., Darstellung des Wesens der Pfandbriefe, 1819; Pavlicek, A., Das Pfandbriefrecht,
1895; Wegener, E., Zur Vorgeschichte des Pfandbriefes, in: Schmollers Jb. 44
(1920), 172; Geiecke, E., Die Entstehung und Entwicklung der ritterschaftlichen
Kreditinstitute, Diss. jur. Bonn 1978; Marzi,
L., Das Recht der Pfandbriefe und Hypothekenbanken, 2002
Pfandlehen ist das seit dem 12. Jh. sichtbare, in der Zulässigkeit umstrittene Lehen eines Pfandes, bei dem der Pfandgläubiger eine Sache nicht nur als Pfand, sondern zugleich als Lehen erhält.
Lit.: Landwehr, G., Die Verpfändung der deutschen Reichsstädte, 1967, 252; Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafschaft Katzenelnbogen, 1969, 243; Spieß, K., Lehnrecht, Lehnspolitik und Lehnsverwaltung, 1978, 230
Pfandleihunternehmer ist der Darlehensgeber, der gewerbsmäßig Darlehen gegen Verpfändung beweglicher Gebrauchsgegenstände gibt. Im Mittelalter betreiben die Juden das Pfandleihgeschäft. In der Neuzeit bestehen Pfandleihbanken (Berlin 1717, Hanau 1738), deren Stellung im späten 18. Jh. gesetzlich geregelt wird (Preußen 1787, Bundesrepublik Deutschland 1961). Der Pfandleihunternehmer ist seit 1939 nicht mehr Kreditinstitut (Bank).
Lit.: Loeffler, F., Die gewerbliche und private Pfandleihe, 1929; Burchard, J., Der Begriff des Pfandleihgewerbes, Diss. jur. Göttingen 1929; Lenzen, G., Das deutsche Pfandleihrecht, 1929
Pfandrecht ist objektiv die Gesamtheit der für das -> Pfand geltenden Rechtssätze und subjektiv das zur Sicherung einer Forderung (z. B. Rückzahlung eines Darlehens) bestimmte dingliche Recht an einem Gegenstand, kraft dessen der Gläubiger berechtigt ist, sich aus dem belasteten Grundstand (vorzugsweise) zu befriedigen. Im altrömischen Recht ist (bei handgreifbaren Sachen) die (lat. [F.]) -> mancipatio oder -> in iure cessio (F.) unter der Bestimmung der Rückübertragung gegen spätere Leistung, bei nicht handgreifbaren Sachen vermutlich eine formlose Bestellung des Pfandes (lat. [N.] pignus) durch später entbehrliche Sachhingabe nötig bzw. möglich. Im klassischen römischen Recht verbleibt der Besitz beim Schuldner, wird das P. vom Bestand der Forderung abhängig und entstehen Pfandrechte kraft Rechtssatzes und öffentlicher Einzelanordnung. Vermutlich gibt es auch bei den Germanen ein P. zur Sicherung einer Leistung. Der Pfandgläubiger erhält die Sache bis zur Leistung. Erfolgt diese nicht, behält der Besitzer die Sache. Im Frühmittelalter können allmählich auch Liegenschaften als Pfand gegeben werden. Im Hochmittelalter kann das Pfand an Liegenschaften bloßes Substanzpfand sein, wobei seit dem 14. Jh. der anfängliche Verfall bei Nichtauslösung durch den Verkauf ersetzt wird und an die Stelle der tatsächlichen Übertragung die Eintragung in ein Buch tritt. Ist das Liegenschaftspfand Nutzpfand, so werden die nach der tatsächlichen Übertragung gezogenen Nutzungen nicht auf die Lösungssumme angerechnet. Das Fahrnispfand ist meist Faustpfand, wobei die Übergabe in der spätmittelalterlichen Stadt durch Eintragung in das Stadtbuch (evtl. Pfandbuch) ersetzt werden kann und bei Pfandreife regelmäßig Pfandverkauf erfolgt. Die Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter entwertet das P., so dass für das Grundpfand besondere -> Hypothekenbücher entwickelt werden (Berlin 1693, Preußen 1722) und das Fahrnispfand wieder allgemein Faustpfand wird. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist das Grundpfand an Einigung und Eintragung bzw. Eintragungsersatz gebundene Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld, das Fahrnispfand grundsätzlich Faustpfand, wenngleich besitzlose Pfandrechte immer mehr die Oberhand gewinnen.
Lit.: Kaser
§§ 22 II, 1, 31; Söllner § 18; Hübner 402, 469; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler,
DRG 26, 41, 45, 62, 74, 91, 125, 163, 213; Meibom, V. v., Das deutsche
Pfandrecht, 1967; Planitz, H., Das deutsche Grundpfandrecht, 1936; Hromadka,
W., Die Entwicklung des Faustpfandprinzipes 1971; Wesener, G., Zur Entwicklung
des Pfandrechts, FS H. Demelius, 1973, 257; Klink, R., Die Behandlung des
Pfandrechts, Diss. jur. Tübingen 1975; Wiegand, W., Zur Entwicklung der
Pfandrechtstheorie im 19. Jahrhundert, ZNR 1981, 1; Berger, W.,
Eigentumsvorbehalt und Anwartschaftsrecht, besitzloses Pfandrecht und Eigentum,
1984; Mincke, W., Die Akzessorietät des Pfandrechts, 1987; Schanbacher, D., Die
Konvaleszenz von Pfandrechten, 1987; Repgen,
T., Das Vermieterpfandrecht im Kaiserreich, in: Das Bürgerliche Gesetzbuch und
seine Richter, 2000, 231
Pfandsatzung -> verpfänden, Pfandrecht
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2
Pfandschaft ist im Hoch- und Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit die Verpfändung von Herrschaftsrechten. Sie wird seitens des Königs 1171, seitens der Landesherren 1197 sichtbar und hält seitens des Königs bis 1628 und seitens der Landesherren bis 1803 an. Bis 1500 verpfänden die Könige in mehr als 1000 Fällen Reichsgut (Herzogtümer, Grafschaften, Herrschaften, Vogteien, Gerichte, Städte, Dörfer, Höfe usw.). Die P. gewährt dem Pfandnehmer Pfandherrschaft. Sie endet mit der Auslösung durch den Schuldner oder durch die Ablösung durch einen Dritten. Der König ist vielfach zur Auslösung nicht in der Lage.
Lit.: Landwehr, G., Die Verpfändung der deutschen Reichsstädte, 1987; Krause, H., Pfandherrschaften als verfasssungsgeschichtliches Problem, Der Staat 9 (1970), 387, 515; Tewes, L., Die Amts- und Pfandpolitik der Erzbischöfe von Köln, 1987
Pfändung ist die in der Gegenwart grundsätzlich dem Staat vorbehaltene Beschlagnahme eines Gegenstandes zwecks Sicherung oder Befriedigung eines Gläubigers wegen einer Geldforderung. Im altrömischen Recht ist die außergerichtlich, aber förmlich vollzogene private Pfändung (lat. legis actio [F.] per pignoris capionem) als Ausnahme neben der allgemeinen Personalvollstreckung möglich. Im Kognitionsverfahren werden bei Geldschulden Gegenstände gepfändet und versteigert. Im Frühmittelalter ist die außergerichtliche P. beweglicher Sachen in den Volksrechten erkennbar. Die P. zwecks Verwirklichung (Vollstreckung) des Urteils wird aber bald von der Genehmigung des Richters abhängig oder überhaupt Amtsträgern überlassen. Die Nichtauslösung des Pfandes hat den Verfall zur Folge. Im Hoch- und Spätmittelalter erfolgt vor allem in der Stadt die Vollstreckung durch Büttel oder Fronboten durch öffentliche Pfändung von beweglichen Sachen und Grundstücken, während die außergerichtliche Pfändung durch einen Verfahrensbeteiligten zurücktritt. Allerdings ist die Gestaltung sehr unterschiedlich. In der Neuzeit entwickelt sich das unter dem Einfluss des gelehrten Rechts stehende moderne Vollstreckungsverfahren, das 1877/9 im Deutschen Reich vereinheitlicht wird.
Lit.: Kaser
§§ 81 III 2, 87 I 10; Hübner 170; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 86, 116; Meibom,
V. v., Das deutsche Pfandrecht, 1867; Nägeli, A., Das germanische
Selbstpfändungsrecht, Diss. jur. Zürich 1876; Bayer, W., Das Recht aus
erlaubter eigenmächtiger Pfändung, Diss. jur. Berlin 1899; Planitz, H., Die
Vermögensvollstreckung, 1912;
Schildt, B., Die Pfändung um Schaden und Schuld, in: Recht und
Rechtswissenschaft im mitteldeutschen Raum, hg. v. Lück, H.,
1998, 41; Fecht, W. v. d., Die Forderungspfändung im römischen Recht, 1999; Ludwig, M., Der Pfändungsschutz für Lohneinkommen, 2001
Pfändungsklausel ist die in Urkunden seit dem Hochmittelalter enthaltene Vereinbarung der Berechtigung des Gläubigers, bei Nichtleistung den Schuldner ohne vorheriges Verfahren zu pfänden. Die P. geht in der Neuzeit in der Unterwerfung unter die sofortige -> Zwangsvollstreckung auf.
Lit.: Kisch, G., Die Pfändungsklausel, ZRG GA 35 (1914), 41
Pfandverfall ist die Umwandlung des Pfandrechts des Pfandgläubigers in das Vollrecht (Eigentum) bei Nichtauslösung im Zeitpunkt der Fälligkeit. Der P. tritt allmählich hinter dem Pfandverkauf zurück.
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2; Meibom, V. v., Das deutsche Pfandrecht, 1867, 248
Pfarrei -> Pfarrer, Pfarrgemeinde
Pfarrer ist der Leiter einer christlichen Gemeinde mit eigener Kirche. Seit dem Konzil von Reims (630) soll eine Pfarre einen Pfarrer haben. Der P. spendet anstelle des Bischofs das Taufsakrament, bringt die Eucharistie dar und erteilt das Bußsakrament. Im 8. Jh. wird er zum Herrn des von den Gemeindeangehörigen zu leistenden Zehnten. In der Folge wird die Stellung des Pfarrers rechtlich genauer festgelegt.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Hagen, A., Pfarrei und Pfarrer nach dem Codex iuris canonici, 1935; Kurze, D., Pfarrerwahlen im Mittelalter, 1966; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983
Pfarrgemeinde ist die von einem -> Pfarrer zu betreuende christliche Gemeinde. Nach frühen Gemeindebildungsansätzen entsteht im 5./6. Jh. die Verpflichtung der P., an den höheren Festtagen den Gottesdienst des Pfarrers zu besuchen. Die Zugehörigkeit zur P. wird durch den Wohnsitz bestimmt und in der frühen Neuzeit genau festgelegt.
Lit.: Grass, F., Pfarrei und Gemeinde im Spiegel der Weistümer
Tirols, 1950; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Erler, A.,
Kirchenrecht, 5. A. 1983, 180; La
parrocchia, hg. v. Paravicini Bagliani, A., 1995
Pfarrkirche ist die planmäßig mit einem -> Pfarrer zu besetzende Kirche einer Pfarrgemeinde. Sie entsteht im 5. Jh. Für ihre Baulast sind Kirchengut, Patron und Pfarrgemeinde zuständig.
Lit.: Noser, H., Pfarrei und Kirchengemeinde, 1957; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Vogt, H., Bilder der frühen Kirche, 1993
Pfarrsprengel ist das örtliche Zuständigkeitsgebiet eines Pfarrers. Der P. entsteht noch im Altertum (z. B. Rom Mitte 4. Jh.s). Im Frühmittelalter bilden sich zunächst große Urpfarreien. Seit dem 8. Jh. verfeinert und verfestigt sich die Einteilung.
Lit.: Stutz, U., Geschichte des kirchlichen Benefizialwesens, 1895; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983
Pfeffinger, Johann Friedrich (Straßburg 5. 5. 1667 - Lüneburg 27. 8. 1730), Lehrer der Ritterakademie Lüneburg, gibt in der Bearbeitung von Vitrarius, P., Institutiones iuris publici (1686, Einrichtungen des öffentlichen Rechts) ein nach dem Institutionenschema (Personen, Sachen, Rechte) gegliedertes Handbuch des öffentlichen Rechtes des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation).
Lit.: Bleeck, K., Adelserziehung auf deutschen Ritterakademien, 1977
Pfeifergericht heißt das Verfahren der Erneuerung eines Rechtes auf Zollfreiheit (in Frankfurt) seitens des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation).
Lit.: Reuter, F., Zollfreiheit und Pfeifergericht, Archiv f. hess. Gesch. N.F. 33 (1975)
Pfennig (lat. [M.] denarius) ist seit dem Frühmittelalter eine kleine Münze (264 Pfennige pro Pfund von 327 Gramm, E. 8. Jh. 240 Pfennige pro Pfund von 367 Gramm, 11. Jh. 320 Pfennige pro Mark, 15. Jh. 1200-1400 Pfennige pro Mark, E. 19. Jh. 100 Pfennige pro Mark).
Lit.: Klimpert, R., Lexikon der Münzen, 1896, Neudruck 1972; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte 1484-1914, 1975; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte seit 1914, 1986
Pflegekind ist das auf Grund einer Erlaubnis (des
Jugendamtes) von einer Pflegeperson in Familienpflege aufgenommene Kind. Die
Rechtsverhältnisse der bereits dem römischen Recht bekannten Pflegekinder sind
erst in der jüngeren Vergangenheit stärker verrechtlicht.
Lit.: Tirey, A., Das
Pflegekind in der Rechtsgeschichte, 1996
Pfleger (lat. [M.] curator) ist der Verwalter einer Angelegenheit. Im Mittelalter werden beispielsweise der Vormund oder auch ein Amtsträger P. genannt. Mit der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter wird (lat.) -> curator (M.) durch P. wiedergegeben. Im Zusammenhang damit ist die Pflegschaft im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ein durch das Vormundschaftsgericht zu begründendes Fürsorgeverhältnis eines Menschen (Pflegers) für einen anderen (Pflegebefohlenen) zur Besorgung einer besonderen Angelegenheit.
Lit.: Kaser § 64; Hübner; Schott, C., Der Träger als Treuhandform, 1975
Pflegeversicherung ist die in Deutschland
durch Gesetz vom 22. 4. 1994 zum 1. 1. 1995 eingeführte Sozialversicherung für
den Pflegefall
Pfleghafter ist der Angehörige eines im Sachsenspiegel (1221/4) besonders genannten, sonst nur selten (1214, 1219, 1250, Anfang 15. Jh.s) bezeugten Standes von abgabepflichtigen Freien.
Lit.: Heck, P., Pfleghafte und Grafschaftsbauern, 1916; Beyerle, K., Die Pfleghaften, ZRG GA 35 (1914), 212; Molitor, E., Die Pfleghaften des Sachsenspiegels, 1941; Hagemann, A., Die Stände der Sachsen, ZRG GA 76 (1959), 111
Pflegschaft -> Pfleger
Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 36, 210
Pflicht ist die Anforderung eines bestimmten Verhaltens. Die P. ist das Gegenstück zu einem (subjektiven) -> Recht und vielfach die Auswirkung von (objektivem) Recht.
Lit.:
Köbler, WAS; Grundrechte und Grundpflichten in der Reichsverfassung, hg. v.
Nipperdey, H., Bd. 1ff. 1929ff.; Rejewski, H., Die
Pflicht zur politischen Treue, 1973; Erler, A., Bürgerrecht und Steuerpflicht,
2. A. 1963; Mors, A., Die Entwicklung der Schulpflicht, Diss. jur. Tübingen
1986; Luchterhandt, O., Grundpflichten als
Verfassungsproblem, 1988
Pflichtteil ist der unentziehbare Mindestanteil naher Angehöriger am Nachlass eines Erbteils. Bereits im klassischen römischen Recht engt im 1. Jh. v. Chr. die Einführung der (lat.) querela (F.) inofficiosi testamenti die Freiheit des Erblassers ein. Kinder, Eltern und Geschwister eines frei geborenen Erblassers können nämlich ein Testament anfechten, wenn es gegen die sittliche Pflicht verstößt, dem Berechtigten mindestens ein Viertel des ihm nach natürlicher Erbfolge zustehenden Anteils zu hinterlassen. Im spätantiken römischen Recht muss nahen Angehörigen (seit Konstantinopel Abkömmlinge, Vorfahren und durch den Vater verwandte Brüder des Erblassers) ein Viertel des gesetzlichen Erbteils zugewendet werden. Ist der Angehörige ganz übergangen, kann er das Testament angreifen. In anderen Fällen kann er Ergänzung auf das ihm zustehende Viertel verlangen. Justinian erhöht den P. bei mehr als vier Kindern auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils (536) und ordnet wenig später das Pflichtteilsrecht umfassend. Mit dem Testament wird im Spätmittelalter auch der P. des römischen Rechts aufgenommen. Das französische und spanische Recht lassen nur eine beschränkte Vergabe durch Testament zu. Das englische Recht gewährt bedürftigen Angehörigen einen Unterhaltsanspruch gegenüber dem Nachlass.
Lit.: Kaser §§ 65 II 2, 69 I 2, 70; Köbler, DRG 38; Heuberger, W., Geschichtliche Entwicklung des Pflichtteilsrechts, Diss. jur. Leipzig 1912; Mertens, H., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über die gesetzliche Erbfolge und das Pflichtteilsrecht, 1970; Wacke, A., Die Rechtswirkungen der lex Falcidia, FS M. Kaser, 1973, 209; Wesener, G., Pflichtteilsrecht und Unterhaltsanspruch, FS Rechtswissenschaftliche Fakultät Graz, 1979, 95; Coing, H., Zur Entwicklung des Pflichtteilsrechtes, Gedächtnisschrift W. Kunkel, 1984, 25; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Jaeschke, F., Pflichtteilsentzug, 2002
Pflugschar ist der zum Aufreißen der Erde bestimmte Teil des Pfluges. Das Schreiten über (9) glühende Pflugscharen ist im Mittelalter eine Form des -> Gottesurteils.
Lit.: Nottarp, H., Gottesurteilsstudien, 1956
Pfründe ist die einem kirchlichen Amtsträger zustehende Unterhaltsleistung aus den Erträgnissen eines Vermögens. Die Verdinglichung des Unterhaltsanspruchs erfolgt dabei nach Ansätzen im Altertum seit dem Frühmittelalter. Im Laufe des Mittelalters wird die P. zu einer eigenen (Vorform der) -> juristischen Person (ausgestattetes Kirchenamt).
Lit.: Groß,
C., Das Recht an der Pfründe, 1887; Stutz, U., Lehen und Pfründe, ZRG GA 20
(1899), 213; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972, 203; Erler,
A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Willich, T., Wege zur Pfünde, 2002
Pfund (lat. [F.] libra) ist im Mittelalter eine Gewichtseinheit, die seit dem 7. Jh. auch als Rechnungsmünze (264 bzw. 240 Pfennige) Verwendung findet.
Lit.: Klimpert, R., Lexikon der Münzen, 2. A. 1896, Neudruck 1972; Spufford, P., Money, 1988
Philipp von Leyden (Leiden 1326/7? - 9. 6. 1382) wird nach dem Studium der freien Künste, Theologie und (1339/4) des Rechts in Orléans 1351/2 Kanzleimitarbeiter der Grafen von Holland und nach anderen Tätigkeiten 1371 Vikar des Bischofs von Utrecht. In seinem Hauptwerk ([85 „casus“ in] De cura reipublicae, Von der Pflege des Staates) verwendet er das römische Staatsrecht zugunsten der Grafen von Holland.
Lit.: Berges, W., Die Fürstenspiegel, 1938, Neudruck 1952, 249; Feenstra, R., Philipp of Leyden, 1970; Leupen, P., Philipp of Leyden, 1981; Feenstra, R., Philip of Leyden en zijn bibliotheek, 1994
Phillipe de Beaumanoir -> Beaumanoir
Phillips, George (Königsberg 6. 1. 1804 - Aigen bei Salzburg 6. 9. 1872), englisch-schottischer Herkunft, wird nach dem Rechtsstudium in Berlin (Savigny) und Göttingen (Eichhorn) 1827 außerordentlicher Professor in Berlin, 1834 Professor in München, 1849 in Innsbruck und 1851 in Wien. Er veröffentlicht eine englische Rechtsgeschichte (1825, 1827/8), ein gemeines deutsches Privatrecht (1830), eine deutsche Rechtsgeschichte (1845) und ein siebenbändiges Kirchenrecht (1845ff.).
Lit.: Lentze, H., Phillips, FS F. Loidl, Bd. 1 1970, 160
Philosophie ist die gedankliche Beschäftigung des
Menschen mit dem Sein. Als rationale Bemühung um Orientierung durch Theorie
wird sie zuerst im griechischen Altertum (Thales, Anaximander, Anaximenes,
Pythagoras, Heraklit, Parmenides, Melissos, Zenon, Empedokles, Anaxagoras,
Sokrates, Plato, Aristoteles) sichtbar. Seit der Neuzeit verselbständigen sich
aus der P. besondere Fachwissenschaften. Im 19. Jahrhundert steigt die Zahl der
Vorlesungen in Vergangenes in seiner noch nicht aufgebrauchten Bedeutung neu
verstehender und damit hermeneutisierender Philosophiegeschichte sehr stark an
und sinkt dementsprechend in Ethik und Naturrecht. Eine Unterart der P. ist die
-> Rechtsphilosophie.
Lit.: Philosophische
Jurisprudenz, hg. v. Pieper, A., 1998; The Cambridge History of
Seventeenth-Century Philosophy, hg. v. Garber, D. u. a., 1998; Schneider, U.,
Philosophie und Universität, 1999; Solomon, R./Higgins, K., Eine kurze
Geschichte der Philosophie, 2000; Höffe, O., Kleine Geschichte der Philosophie,
2001; Fleischer, M., Anfänge europäischen Philosophierens. Heraklit –
Parmenides – Platons Timaios, 2001 ; Handbuch Frühe griechische
Philosophie, hg. v. Long, A., 2001; Helferich, C., Geschichte der Philosophie,
3. A. 2001
Physiokrat -> Physiokratismus
Physiokratismus ist eine wirtschaftspolitische Strömung des 18. Jh.s (François Quesnay 1694-1774), die den Boden als eigentliche Quelle des Reichtums ansieht, den Ackerbau zum wichtigsten Berufszweig erklärt, zur Verbesserung des Ertrages das Eigentum der Bauern am bewirtschafteten Land befürwortet und sich später gegen die zunehmenden Eingriffe des Staates, die eine Verbesserung der Einnahmen, die Sicherung der allgemeinen Versorgung und dann auch die Einordnung des Bauern in die Gesamtgesellschaft anstreben, wendet. Obwohl der P. das Interesse einiger Landesherren findet, bewirkt er kaum praktische Veränderungen.
Lit.:
Kroeschell, DRG 3; Baltl/Kocher; Köbler, DRG 133, 134, 174, 192; Guyot, Y.,
Quesnay et la physiokratie, 1896; Beer, M., An inquiry into physiocracy, 1939;
Woog, H., Le tableau économique of François Quesnay, 1950; Klippel, D., Der
Einfluss der Physiokraten, Der Staat 23 (1984), 205; Gömmel, R./Klump, R.,
Merkantilisten und Physiokraten, 1994
Piacenza -> Parma
Lit.: ; Zumhagen, O., Religiöse Konflikte und kommunale Entwicklung, 2001
Piast ist der Angehörige einer sich auf einen Bauern Piast aus Kruschwitz zurückführenden, geschichtlich am Ende des 10. Jh.s nachweisbaren Familie, welche unter Boleslaw I. Chrobry ihre Herrschaft von Kiew bis zur Mark Meißen ausdehnt. Ihre polnische, seit 1320 königliche Linie wird 1370 von den Jagiellonen beerbt. Die herzögliche Linie in Massowien erlischt 1526, die schlesische 1625/75.
Lit.: Balzer, O., Genealogia Piastow, 1895; Jasinski, K., Rodowod
pierwszych Piastow, 1992
Picard, Edmond-Désiré (Brüssel 1836 - 1924), Juristensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Brüssel Advokat, 1884 Professor und Politiker. 1878 gründet er die 136 Bände umfassende Rechtsenzyklopädie Pandectes Belges. Beeinflusst ist er von Rudolf von -> Ihering.
Lit.: Pasquier, A., Edmond-Désiré Picard, 1945
Piemont ist das Gebiet der westlichen Poebene und der Westalpen. Über Römer, Ostgoten, Oströmer, Langobarden und Franken fällt es um 1046 an die Grafen von Savoyen. Seit dem frühen 18. Jh. benennt sich P. nach dem 1717/20 erlangten Sardinien. Aus ihm entwickelt sich 1859/61 das Königreich Italien.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Beltrutti, G., Storia del
Piemonte, 1976; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,146, 3,1,264; Nada Patrone, A., Il medioevo
in Piemonte, 1986
pietas (lat. [F.]) richtiges Verhalten, Frömmigkeit
Lit.: Ulrich, T., Pietas (pius) als politischer Begriff, Diss. phil. Breslau 1929; Dürig, W., Pietas liturgica, 1958
pignus (lat. [N.]) ist schon im altrömischen Recht das -> Pfand. Die Hingabe einer Sache zur Sicherung einer Schuld geschieht bei handgreifbaren Sachen durch (lat. [F.]) -> mancipatio oder (lat. [F.]) -> in iure cessio unter der Bestimmung, dass die hingegebene Sache gegen eine spätere Leistung zurückzuübertragen ist. Bei nicht handgreifbaren Sachen ist vermutlich eine formlose Bestellung eines Pfandes (p.) durch später entbehrlich werdende Sachhingabe möglich. Unterbleibt die Auslösung, so behält der Pfandnehmer die Sache (Verfall). Im klassischen römischen Recht ist p. ein Realkontrakt, bei dem die Sache hingegeben wird unter der Abrede, dass der Pfandgläubiger sie als Pfand besitzen und je nach dem Verhalten der Gegenseite verwerten oder zurückgeben soll.
Lit.: Kaser
§§ 31 I 2, III IV; Söllner § 9, 18; Köbler, DRG 26, 45; Köbler, LAW; Schanbacher, D.,
Beobachtungen zum sog. pignus Gordianum, ZRG RA 114 (1997), 233
Pilius (da Medicina), Pillius (Medicina um 1150 - nach 1207) ist um 1180 Rechtslehrer in (Modena und) Bologna? und 1192 Hofrichter Kaiser Heinrichs VI. Er verfasst zahlreiche verschiedene Werke (Summe, Glossen zum [lat.] Liber [M.] feudorum, [lat.] Libellus [M.] disputatorius, Disputationen, Quaestionen, Distinktionen, Einzeluntersuchungen).
Lit.:
Fried, J., Die Entstehung des Juristenstandes, 1974; Santini, G., Università e
società nel XII secolo, 1979; Conte, E., Tres libri Codicis, 1990, 71; Lange, H., Römisches
Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Pillersdorf (Pillersdorff), Franz Xaver von (1786-1862) ist 1848 Innenminister ->Österreichs. Nach ihm wird vielfach die erste, in seiner Amtszeit erarbeitete österreichische Verfassung benannt.
Lit.: Baltl/Kocher; Köbler, DRG 193
Pillersdorfsche Verfassung (Aprilverfassung) ist die nach dem damaligen Innenminister benannte, am 25. 4. 1848 von Kaiser Ferdinand I. von -> Österreich für die nichtungarischen Länder gewährte Verfassung. Sie kennt Gewaltenteilung, Gegenzeichnung der Vollzugshandlungen des Kaisers durch den verantwortlichen Minister, Reichstag bestehend aus Senat und Abgeordnetenkammer sowie einen Grundrechtskatalog. Auf Forderungen von Demonstranten hin wird sie abgeändert (Einkammersystem ohne Steuerzensus) bzw. nach der Erhebung vom 15. 9. 1848 zurückgezogen. Inhaltlich entspricht ihr der ihr zeitlich folgende, vom österreichischen Reichstag in Kremsier erarbeitete, aber auf dem Grundsatz der Volkssouveränität aufbauende -> Kremsierer Entwurf.
Lit.: Baltl/Kocher; Köbler, DRG 171, 193
Pillius -> Pilius
pincerna (lat. [M.]) Schenk
Lit.: Köbler, DRG 83
Pippin ist ein Leitname der austrasischen Hausmeier des merowingischen Königs bzw. der karolingischen Könige. Nach Pippin dem Jüngeren (714/5 - 24. 9. 768) ist die Pippinische Schenkung benannt.
Lit.: Köbler, DRG 82; Schieffer, R., Die Karolinger 1992, 50
Pippinische Schenkung ist die an die päpstliche Salbung (751) anschließende „Gabe“ (Rückgabe) des fränkischen Königs Pippin des Jüngeren an Papst Stephan II. im Jahre 754 (756). Sie umfasst das (von den Langobarden entzogene) Gebiet von Luni, Parma, Reggio und Mantua bis Monselice, den Exarchat Ravenna, Venetien, Istrien, Benevent und Spoleto. Die Überlieferung der Gabe ist teils lückenhaft, teils unklar. Die P. S. legt, auch wenn sie nicht vollständig verwirklicht wird, den Grundstein für die Entstehung des -> Kirchenstaates (Vatikan).
Lit.: Köbler, DRG 82; Sybel, H. v., Die Schenkungen der Karolinger an die Päpste, HZ 44 (1880), 47; Gundlach, W., Die Entstehung des Kirchenstaates, 1899; Quellen zur Entstehung des Kirchenstaates, hg. v. Fuhrmann, H., 1968; Partner, P., The Lands of St. Peter, 1972; Jarnut, J., Quierzy und Rom, HZ 220 (1975), 265; Noble, T., The Republic of St. Peter, 1984
Pirckheimer, Willibald (Eichstätt 5. 12. 1470 - Nürnberg 22. 12. 1530) wird nach dem Rechtsstudium in Padua und Pavia Ratsherr in Nürnberg. 1528/9 befürwortet er für die Ausgabe der -> Digesten durch Haloander einen Zuschuß Nürnbergs.
Lit.: Thieme, H., Willibald Pirckheimers Corpus iuris, Festgabe A. Bruckner, Basler Z. f. Altertumskunde 74 (1974), 259; Holzberg, N., Willibald Pirckheimer, 1981
Pisa am unteren Arno kommt im 3./2. Jh. von den Etruskern an die Römer. Im 4. Jh. wird es Sitz eines Bischofs. Im 12. Jh. wird es freie Kommune, fällt aber 1406 an Florenz und 1860/1 an Italien. Seine Universität wird um 1395 gegründet.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Tolaini, E., Pisa, 1992
Pisanelli, Giuseppe (1812-1879) wird nach dem Rechtsstudium in Neapel 1839 Rechtslehrer in Neapel und später einer der führenden Rechtspolitiker Italiens. Er beeinflusst die 1865 veröffentlichten italienischen Gesetzbücher für Privatrecht und Zivilprozessrecht maßgeblich.
Lit.: Lettere inedite di Giuseppe Pisanelli, hg. v.
Confessore, O., 1979
Pithou (Pithoeus), Pierre (1539-1596) wird nach dem Rechtsstudium in Bourges und Valence (Cujas) Anwalt in Paris, Berater und Privatgelehrter, 1573 Amtmann und 1582 Generalprokurator. Er bearbeitet und veröffentlicht unterschiedliche Quellen (Edictum Theoderici, Leges Visigothorum, 1579, Codex canonum vetus Ecclesiae Romanae, 1609).
Lit.: Grosley, J., Vie de Pierre Pithou, Bd. 1f. 1756
Placentinus (Piacenza 1130? - Montpellier 12. 11. 1192) wird nach dem Rechtsstudium in Bologna Lehrer des weltlichen Recht in Mantua, Montpellier (1163-84/5, 1190/1-2), Bologna und Piacenza. Er verfasst Summen (z. B. Summa codicis), Distinktionen, Disputationen, Glossen, Monographien und Kommentierungen.
Lit.:
Savigny, F., Geschichte des römischen Rechts, 2. A. 1834ff., Neudruck 1956, 4,
244ff., 537ff.; Tourtoulon, P. de, Placentinus, 1896, Neudruck 1972; Conte, E.,
Tres libri Codicis, 1990;
Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
placitum (lat. [N.]) ist im Frühmittelalter der Beschluss und die ihn fassende Versammlung (Ding).
Lit.: Köbler, LAW; Manaresi, C., I placiti del Regnum Italiae, Bd. 1ff. 1955ff.; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985
Plädoyer (N.) Schlussvortrag im Strafprozess
plagium (lat. [N.]) Anmaßung des Herrenrechts
Lit.: Köbler, DRG 35
Planck, Gottlieb (Göttingen 24. 6. 1824 - 20. 5. 1910), Richterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Göttingen und Berlin (Puchta) Richter (1859-1863 infolge der Auflösung des Obergerichts Dannenberg ohne Amt, 1879 Ruhestand) und Rechtspolitiker. Trotz Erblindung bearbeitet er von 1874 an den ersten Teilentwurf des Familienrechts des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches (1900). Seit 1889 lehrt er als ordentlicher Honorarprofessor in Göttingen.
Lit.: Köbler, DRG 183; Frensdorff, F., Gottlieb Planck, 1914; Schubert, W., Beratung des BGB. Materialien zur Entstehungsgeschichte des BGB, 1978, 80; Rechtswissenschaft in Göttingen, hg. v. Loos, F., 1987, 299; Schroeder, K., Gottlieb Planck, JuS 2000, 1046
Planiol, Marcel (1853-1931) wird nach dem Rechtsstudium Professor in Grenoble (1880), Rennes (1881) und Paris (1887). Seit 1894 veröffentlicht er den (franz.) Traité élémentaire de droit civil (Grundriß des bürgerlichen Rechts), durch den er den -> Code civil erfolgreich in die gesamtfranzösische Entwicklung einbindet.
Lit.: Marcel Planiol, hg. v. Berhélemy, H. u. a., 1931
Planitz, Hans (Kaditz bei Dresden 4. 5. 1882 - Wien 16. 1. 1954), Pfarrerssohn, wird nach dem Studium von Recht und Geschichte in Tübingen und Leipzig (Lamprecht) 1909 außerordentlicher Professor in Leipzig, 1913 ordentlicher Professor in Basel, 1914 in Frankfurt am Main, 1919 in Köln und 1941 in Wien. Seine Arbeiten betreffen vor allem das Vollstreckungsrecht, das Sachenrecht und die Stadtgeschichte.
Lit.: Planitz, H., Die Pfändung, 1912; Planitz, H., Das deutsche Grundpfandrecht, 1936; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 5. A. 1980; Österreichische Geschichtswissenschaft der Gegenwart in Selbstdarstellungen, hg. v. Grass, N., Bd. 2 1951, 126
Plantagenet ist eine in der Mitte des 12. Jh.s nach dem Ginster (lat. planta [F.] genista) als Helmzier benannte Familie (-> Anjou), die nach der Verbindung mit der Erbtochter des Königs von England (1128) 1144 das Herzogtum der -> Normandie und 1154 in Verfolgung eines durch Mathilde von England vermittelten Erbanspruchs das Königtum in -> England erreicht und einschließlich der Nebenlinien Lancaster und York bis 1485 herrscht.
Lit.: Fowler, K., The Age of Plantagenet and Valois,
1967; Lauffray, C./Lauffray, P.,
Die Plantagenets, 1984; La cour Plantagenêt, hg. v. Aurell, M., 2000
Plantagenwirtschaft ist eine landwirtschaftliche Bewirtschaftungsform (z. B. im Römischen Weltreich, in den neuzeitlichen Kolonien).
Lit.: Köbler, DRG 28
Planwirtschaft ist die vom (zentralstaatlichen) Plan bestimmte Wirtschaft (z. B. seit 1918 in der Sowjetunion, seit 1945 in der sowjetischen Besatzungszone bzw. der Deutschen Demokratischen Republik). Die Entscheidungsfreiheit von Unternehmern entfällt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 249; Bundesrepublik Deutschland - Deutsche Demokratische Republik, hg. v. Hamel, H., 1977; Lindner, N., Der Übergang des Rechts der Wirtschaft von der Plan- zur Marktwirtschaft in Ostdeutschland, 1996; Hoffmann, D., Aufbau und Krise der Planwirtschaft, 2002
plea rolls (engl. [N.Pl.]) sind die seit dem Jahre 1194 fast lückenlos erhaltenen Prozessrollen des -> englischen Rechts.
Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 3. A. 1990, 225
Plebejer ist im altrömischen Recht der Angehörige des einfachen, nichtpatrizischen Volkes. Die anfänglichen Unterschiede werden in der Republik eingeebnet und verschwinden durch jüngere gesellschaftliche Gegensätze.
Lit.: Söllner §§ 4, 5, 8
plebiscitum (lat. [N.]) ist seit dem altrömischen Recht die Entscheidung der Versammlung der (lat. [F.]) plebs, die als Rechtsquelle anerkannt ist (287 v. Chr. lex Hortensia). -> Plebiszit
Lit.: Kaser §§ 2 II 2a, 3 II 1; Söllner §§ 6, 15; Köbler, DRG 13, 31; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
Plebiszit ist in der Neuzeit der Volksentscheid bzw. die Volksabstimmung. -> plebiscitum
plebs (lat. [F.]) Volk
Plenipotenz (F.) Gewaltenfülle (z. B. des Papstes)
Lit.: Wyduckel, D., Princeps legibus solutus 1979, 88
plenitudo (F.) potestatis (lat.) Gewaltenfülle -> Plenipotenz
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Pluralismus ist die Lehre vom Nebeneinander mehrerer Verschiedenheiten. Mit der Lösung von einer einzigen Einheit ist der P. möglich. Weltanschaulich gründet sich der P. des ausgehenden 20. Jh.s auf die Aufgabe der Unbedingtheit der christlichen Tradition in der abendländischen Kultur.
Lit.: Köbler, DRG 253; Bast, J., Totalitärer Pluralismus, 1999
pluris petitio (lat. [F.]) ist die Zuvielforderung im römischen Recht, welche zeitweise eine Straffolge wegen unbedachter Verfahrensführung nach sich zieht.
Lit.: Kaser §§ 34 II, 53 III, 83 I, 87 I, II; Köbler, DRG 62
Podestà (M.) Machtinhaber der hochmittelalterlichen Stadt Italiens
poena (lat. [F.]) ist im altrömischen Recht die Vermögensleistung, durch die bei einem Unrechtserfolg das Racherecht des Verletzten oder seiner Verwandtschaft abgelöst werden kann. Dabei soll, wer einem anderen (nur ?) ein Bein bricht, (nur) die feste und daher bei Währungsverfall gefährdete Summe von 300 Pfund Kupfer (p.) entrichten, bei einem Sklaven 150 Pfund Kupfer, bei sonstigem Unrecht 25 Pfund Kupfer. In der Spätantike ist die dem Ersatz des Schadens dienende Leistung (lat.) p., damnum, satisfactio oder compositio. Dagegen bezeichnet Tacitus (98 n. Chr.) den Ausgleich eines Unrechtserfolges durch Pferde und Rinder bei den Germanen auch als p. Seit dem Hochmittelalter ist p. die peinliche Strafe an Leben oder Leib.
Lit.: Kaser §§ 32 II, 35 II, 50 I; Köbler, DRG 26, 27, 65, 74, 119; Köbler, LAW
poena (F.) arbitraria (lat.) ist auf Grund hochmittelalterlicher Ansätze (Vincentius Hispanus, Papst Innozenz IV.) in der frühen Neuzeit die der (lat.) -> Constitutio (F.) Criminalis Carolina von 1532 bekannte Ermessensstrafe oder auch außerordentliche Strafe (lat. poena extraordinaria). Über die gesetzlich geregelten Fälle hinaus findet sie Anwendung bei ungeregelten strafwürdigen Geschehnissen (z. B. Abschneiden vom Galgen) und bei Sonderfällen geregelter Tatbestände. Mit der Aufklärung wird die p. a. zurückgedrängt (z. B. Josephinisches Gesetzbuch 1787).
Lit.:
Schaffstein, F., Die europäische Strafrechtswissenschaft, 1954, 29; Schmoeckel, M., Humanität und Staatsraison, 2000
poena (F.) dupli (lat.) ist im römischen Recht die in bestimmten Fällen eintretende Verdoppelung einer Schuld (z. B. Leugnen bei Klage aus unerlaubter Handlung). Verschiedentlich greift späteres Recht hierauf zurück.
Lit.: Köbler, DRG 27
poena (F.) extraordinaria (lat.) außerordentliche Strafe ->
poena arbitraria
Lit.: Söllner §§ 8; Kroeschell, DRG 3
poena (F.) ordinaria (lat.) ordentliche (gesetzlich festgelegte) Strafe
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Poenitentiale -> Paenitentiale
Polen ist ein mitteleuropäischer, von Slawen gebildeter Staat zwischen Karpaten und Ostsee, dessen Anfänge um 960 sichtbar werden. Im 12. und 13. Jh. zerfällt P., das vor 1200 nur wenige Urkunden überliefert (1189 erstes schriftliches Urteil) in mehrere Herzogtümer verschiedener Linien der Piasten. 1320 finden Großpolen (Posen, Kalisch, Gnesen) und Kleinpolen (Krakau, Sandomir) wieder zusammen, während Schlesien sich an Böhmen anschließt und Masowien (Warschau) bis 1526 selbständig bleibt. Im 14. Jh. erhält das Königreich P. ein Landrecht. 1386 folgt im Königtum der Familie der -> Piasten bis 1572 die der Jagiellonen (-> Litauen). 1772, 1793 und 1795 wird P. zwischen -> Rußland, -> Preußen und -> Österreich aufgeteilt, im 19. Jh. (1807 Errichtung eines Herzogtums Warschau aus preußischen Gebieten durch Napoleon, das 1815 in veränderter Gestalt als Kongreßpolen mit Rußland in Personalunion vereinigt wird) aber teilweise wiederhergestellt. Am 11. 11. 1918 wird das seine Unabhängigkeit ausrufende P. in eine Republik umgewandelt. Bis 1921 gewinnt es Westpreußen, Posen, Westfalen und russische Gebiete im Osten, bis 1923 das Wilnagebiet und Ostgalizien. 1939 wird P. zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion geteilt, 1945 aber unter Verschiebung nach Westen (1990 Oder/Neiße) erneuert. -> polnisches Recht
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 3;
Köbler, DRG 191, 223, 246; Beer, A., Die erste Teilung Polens, 1873; Lord, H.,
The Second Partition of Poland, 1916; Meyer, E., Grundzüge der Geschichte
Polens, 3. A. 1990; Kossmann, O., Polen im Mittelalter, 1971ff.; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,551, 3,2,2099,2111,2119,2805, 3,3,3506,3509,3745;
Rhode, G., Geschichte Polens, 3. A. 1980; Hoensch, J., Geschichte Polens, 2. A.
1990; Urban, T., Deutsche in Polen, 4. A. 2000; Zernack, K., Polen und Rußland,
1994; Schmidt-Roesler, A., Polen, 1996; Rzeplinski, A., Die Justiz in der Volksrepublik
Polen, 1996; Lerski, G., Historical Dictionary of Poland, 1996;
Normdurchsetzung in osteuropäischen Nachkriegsgesellschaften, Bd. 3 1997;
Kempen, B., Die deutsch-polnische Grenze, 1997; Urban, T., Polen, 1998; Bingen,
D., Die Polenpolitik der Bonner Republik, 1998; Krzeminski, A., Polen im 20.
Jahrhundert, 1998; Hoensch, Geschichte Polens, 3. A. 1999; Donnert, E., Die
Adelsrepublik Polen, in: Republikbegriff und Republiken, 2000, 47; Kuehn, H.,
Das Jahrzehnt der Solidarnosc, 1999; Davies, N., Im Herzen Europas, 3. A. 2002; Adamska,
A., From memory to written record in the periphery of medieval latinitas
- The case of Poland in the eleventh and twelfth centuries, in: Charters and the
Use of the Written Word in Medieval Society, hg. v. Heidecker, K., 2000;
Köbler, G., Rechtspolnisch, 2001; Glatz, W., Die Entwicklung des polnischen Zivilrechts. Darstellung und Bewertung unter dem Aspekt wirtschaftlichen Wandels,
2001; Wyczanski, A., Polen als Adelsrepublik, 2001; Fried, J., Otto III. und
Boleslaw Chrobry, 2. A. 2001; Deutsch-polnische Beziehungen in Geschichte und
Gegenwart, hg. v. Lawaty, A. u. a., Bd. 1f. 2000; Gehrke, R., Der polnische Westgedanke, 2001;
Madajczyk, P.,
Niemcy polscy 1944-1989, 2001; Alexander, M., Kleine Geschichte Polens, 2003
polis ([F.] griech.) Stadt, Staat ->
Polizei
Lit.: Die griechische Polis, hg. v. Hoepfner, W. u. a., 1993; Beck, H., Polis und Koinon, 1997; The Polis, hg. v. Hansen, M., 1997; Welvei, K., Die griechische Polis, 2. A. 1998; Leppin, H., Thukydides und die Verfassung der Polis, 1999; Polis & Politics, hg. v. Flensted-Jensen, P. u. a.
Politbüro (politisches Büro) ist das oberste Führungsorgan kommunistischer Parteien im 20. Jh. (z. B. Sowjetunion seit 1917).
Politik ist das auf die Gestaltung des (öffentlichen) Lebens gerichtete Verhalten. Zunächst vor allem Gesellschaftslehre (Platon, Aristoteles, Thomas von Aquin) wird P. seit der frühen Neuzeit (Machiavelli) zur Machttechnik.
Lit.:
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 789; Groß, L., Die Reichspolitik der
Habsburger, N. Jb. f. dt. Wiss. 13 (1937); Schmidt, E., Die Justizpolitik
Friedrichs des Großen, 1962; Fricke, K., Politik und Justiz in der DDR, 1979;
Vormbaum, T., Politik und Gesinderecht, 1981; Rückert, J., Idealismus,
Jurisprudenz und Politik bei Friedrich Carl von Savigny, 1984; Classen, C.,
Recht-Rhetorik-Politik, 1985; Karniel, J., Die Toleranzpolitik Kaiser Josephs
II., 1986; Ribhegge, W., Konservative Politik in Deutschland, 1989; Berg-Schlosser,
D./Stammen, T., Einführung in die Politikwissenschaft, 6. A. 1995; Lexikon der
Politik, hg. v. Nöhlen, D. u. a., Bd. 1ff. 1992ff.; Henning, O., Geschichte des
politischen Denkens, 1998; Klassiker des politischen Denkens, hg. v. Maier, H.
u. a., Bd. 1f. 2001; Bleek, W., Geschichte der Politikwissenschaft in Deutschland,
2001; Berg-Schlosser, D./Stammen, T., Einführung in die Politikwissenschaften,
7. A. 2003
politische Justiz
ist
allgemein die nach politischen Gesichtspunkten handelnde, parteipolitsch
abhängige -> Justiz, im engeren Sinn die den Prozess zu politischen Zwecken missbrauchende
Justiz.
Lit.: Kroeschell, DRG 3;
Kroeschell, 20. Jh.; Hannover, H./Hannover, E., Politische Justiz 1918-1933,
1966; Politische Strafjustiz 1951-1968, hg. v. Justizministerium des Landes
Nordrhein-Westfalen, 1998; Weber, P., Justiz und Diktatur, 2000
politische Klausel ist seit dem 19. Jh. die Klausel in Konkordat oder Kirchenvertrag, welche es dem Staat ermöglicht, staatspolitische Einwendungen gegen einen von der Kirche für ein Führungsamt in Aussicht Genommenen zu erheben.
Lit.: Weber, W., Die politische Klausel in den Konkordaten, 1940; Kaiser, J., Die politische Klausel der Konkordate, 1949; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972, 737; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983, 105
politische Partei ist die auf Teilhabe an der -> Politik ausgerichtete -> Partei. Sie tritt in England seit 1832 deutlicher hervor (Carlton Club 1832, Reform Club 1836, Complete Suffrage Union 1865). Im -> Deutschen Bund erscheinen örtliche Vereinigungen zur Unterstützung von Kandidaten bereits vor 1848, doch zeigen sich fraktionsähnliche Clubs erst in der Frankfurter Paulskirchenversammlung von 1848 (Demokratische Linke, liberale Mitte, Konservative).
Lit.: Bergsträsser, L./Mommsen, W., Geschichte der politischen Parteien in Deutschland, 11. A. 1965; Seifert, K., Die politischen Parteien, 1975
politischer Prozess ist der zu politischen Zwecken missbrauchte Prozess. Er findet sich schon sehr früh an vielen Orten. Üblich wird die Benennung im 19. Jh.
Lit.: Hannover, H./Hannover, E., Politische Justiz 1918-1933, 1966; Jacta, M. [Schwinge, E.], Berühmte Strafprozesse, 1967ff.; Tolksdorf, M., Politische „Prozesse“ der Merowinger, 1980
Polizei, Policey, ist im klassischen Sinn die Gesamtheit der auf Abwehr von Gefahren und Beseitigung von Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gerichteten Staatstätigkeit, im institutionellen Sinn die Gesamtheit der durch die im Vollzugsdienst beschäftigten Dienstkräfte ausgeführten Staatstätigkeiten. Um 1500 (1464) wird P. (Policey) als zu (griech. [F.]) politeia gebildetes Fremdwort über die burgundische Kanzlei (?) in die deutsche Sprache eingeführt. Unter der guten Ordnung und P. ist dabei alle auf die Wahrung und Förderung des geordneten Zustandes des Gemeinwesens gerichtete, sich im Absolutismus erheblich verdichtende Staatstätigkeit zu verstehen. Darunter können die verschiedensten Angelegenheiten vereinigt werden. Allerdings engt sich bereits im 18. Jh. dieser Polizeibegriff wohl unter dem Einfluss des Physiokratismus institutionell auf eine Behörde und deren Mitglieder ein. Johann Stephan -> Pütter (1725-1807) beschränkt die Zuständigkeit der P. auf die Abwehr von Gefahren. Dem folgt das preußische Allgemeine Landrecht von 1794 (II, 17 § 10). Dieser aufgeklärte Polizeibegriff wird in Preußen aber schon 1808 wieder aufgegeben. Dagegen erlassen Bayern (1861), Baden (1863) und Württemberg (1871) rechtsstaatlich geprägte Polizeistrafgesetzbücher. In Preußen spricht das Oberverwaltungsgericht 1882 im sog. -> Kreuzbergurteil der P. die Zuständigkeit für Maßnahmen der Wohlfahrtspflege, sofern nicht eine spezielle rechtliche Grundlage vorliegt, ab. Im Dritten Reich dient die P. der Durchsetzung totalitärer Herrschaft. Nach 1945 wird unter dem Einfluss der alliierten Besatzungsmächte die innere Verwaltung entpolizeilicht und weitgehend neuen Ordnungsbehörden übertragen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 134, 151, 198, 203, 233, 234;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 875; Westphal, E., Das deutsche
Staatsrecht, 1784, 358; Berg, H. v., Handbuch des deutschen Polizeirechts, Bd.
1ff. 1799ff.; Mayer, H., Polizeigewalt in Hessen, 1951 (Diss.); Knemeyer, F.,
Polizeibegriffe, Archiv f. öff. Recht 92 (1967), 153; Lieberich, H., Die
Anfänge der Polizeigesetzgebung, FS M. Spindler, 1969, 307; Götz, V., Allgemeines
Polizei- und Ordnungsrecht, 1971; Schulze, R., Die Polizeigesetzgebung, 1978;
Siemann, W., Deutschlands Ruhe, Sicherheit und Ordnung, 1980; Maier, H., Die
ältere deutsche Staats- und Verwaltungslehre, 2. A. 1980, 98; Kroeschell, K.,
Justizsachen und Polizeisachen, FS H. Thieme, 1983; Preu, P., Polizeibegriff
und Staatszwecklehre, 1983; Harnischmacher, R./Semerak, A., Deutsche
Polizeigeschichte, 1986; Naucke, W., Vom Vordringen des Polizeigedankens im
Recht, FS A. Erler, 1986, 177; Schulze, R., Polizeirecht im 18. Jh., FS A.
Erler, 1986, 199; Leßmann, P., Die preußische Schutzpolizei, 1989; Just, S.,
Polizeibegriff und Polizeirecht im Nationalsozialismus, Diss. jur. Würzburg
1990; Härter, K., Entwicklung und Funktion der
Policeygesetzgebung, Ius commune 20 (1993), 61; Gebhardt, H., Die Grazer
Polizei, 1992; Policey in Europa, hg. v. Stolleis, M., 1996; Die deutsche Polizei und ihre
Geschichte, hg. v. Nitschke, P., 1996; Wilhelm F., Die Polizei im NS-Staat,
1997; Hachenberg, K., Die Entwicklung der Polizei in Köln, 1997; Knöbl, W.,
Polizei und Herrschaft im Modernisierungsprozess, 1998; Banach, J., Heydrichs
Elite, 3. A. 2002; Winter, M., Politikum Polizei, 1998; Matsumoto, N.,
Polizeibegriff im Umbruch, 1999; Kissling, P., „Gute Policey“ im Berchtesgadener
Land, 1998; Wilhelm, F., Die Polizei im NS-Staat, 2. A. 1999; Stahlschmidt, J.,
Policey und Fürstenstaat, Diss. jur. Bochum 1999; Jäger, J., Die informelle
Vernetzung politischer Polizei, ZRG 116 (1999), 266; Policey und
frühneuzeiliche Gesellschaft, hg. v. Härter, K., 2000;
Wüst, W., Die „gute“ Policey im Reichskreis, Bd. 1f. 2001ff.; Wagner, P.,
Hitlers Kriminalisten, 2002; Gute Policey als Politik im 16. Jahrhundert, hg.
v. Blickle, P. u. a., 2003
Polizeigesetzgebung -> Polizei, Polizeiordnung
Polizeiordnung ist eine in der frühen Neuzeit zur Wahrung der guten -> Polizei erlassene -> Ordnung. Sie findet sich in Ansätzen bereits in der spätmittelalterlichen Stadt (Nürnberg 1281). Durch sie sorgt die Obrigkeit für gute -> Ordnung und -> Polizei, sei es bewahrend, sei es gestaltend. Einer ihrer wichtigsten Gegenstände sind die Luxusverbote.
Lit.:
Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 113, 138, 139; Segall, Geschichte und Strafrecht
der Reichspolizeiordnungen, Diss. jur. Gießen 1914; Schmelzeisen, G.,
Polizeiordnungen und Privatrecht, 1955; Quellen zur neueren deutschen
Privatrechtsgeschichte, Bd. 2 Landes- und Polizeiordnungen, hg. v.
Schmelzeisen, G., 1968; Brauneder, W., Das Strafrecht in den österreichischen
Polizeiordnungen, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G.,
1987, 1; Buchholz, W., Anfänge der Sozialdisziplinierung, ZHF 18 (1991);
Härter, K., Entwicklung und Funktion der Policeygesetzgebung, Ius commune 20
(1993), 61; Repertorium der Policeyordnungen der frühen Neuzeit, hg. v. Härter,
K. u. a., Bd. 1ff.
1996ff.; Weber, M., Die schlesischen Polizei- und
Landesordnungen, 1996; Linck, S., Der Ordnung verpflichtet, 2000; Weber, M.,
Die Reichspolizeiordnungen von 1530, 1548 und 1577, 2002
Polizeirecht ist das die -> Polizei betreffende -> Recht.
Lit.: Köbler, DRG 259; Berg, H. v., Handbuch des deutschen
Polizeirechts, Bd. 1ff. 1799ff.; Schulze, R., Polizeirecht im 18. Jahrhundert,
FS A. Erler, 1986, 199; Geschichte
der deutschen Volkspolizei, 2. A. 1987; Hartleif, W., Das Polizeirecht in
Düsseldorf, Diss. jur. Köln 1990; Just, S., Polizeibegriff und Polizeirecht im
Nationalsozialismus, Diss. jur. Würzburg 1990; Popp, R., Disziplinierung durch
Polizeirecht, Diss. jur. Regensburg 1995; Handbuch des Polizeirechts, hg. v.
Lisken, H. u. a., 2. A. 1996; Weber, M., Bereitwillig gelebte
Sozialdisziplinierung, ZRG GA 115 (1998), 420; Pauly, J., Die Entstehung des
Polizeirechts als wissenschaftliche Disziplin, 2000
Polizeistaat ist in jeweils verschiedenem Sinn der von der -> Polizei geprägte Staat des aufgeklärten Absolutismus (Wohlfahrtsstaat) wie der totalitären Diktatur (Unrechtsstaat).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Vollmer, B., Volksopposition und Polizeistaat, 1957; Strafjustiz und Polizei im Dritten Reich, hg. v. Reifner, U. u. a., 1984
Polizeiwissenschaft ist die in der späteren Aufklärung erwachsende Wissenschaft von der -> Polizei (bzw. Verwaltung).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Justi, J. v., Ausführliche Vorstellung der gesamten Polizeiwissenschaft, Bd. 1f. 1760f., Neudruck 1965; Pfeiffer, J. v., Polizeiwissenschaft, 1779, Neudruck 1970; Maier, H., Die ältere deutsche Verwaltungslehre (Polizeiwissenschaft), Politica 13 (1966)
Pollock, Sir Frederick (1845-1937) wird nach dem Studium in Cambridge und der Rechtsausbildung in Lincoln’s Inn 1871 Anwalt. 1876 veröffentlicht er (engl.) Principles of Contract (Vertragsgrundsätze). Von 1883 bis 1903 ist er Professor in Oxford und lehrt zeitweise auch an den Inns of Court und in Indien. 1895 verfasst er ein Kapitel von -> Maitlands History of English Law.
Lit.: Simpson, A., Biographical Dictionary of the
Common Law, 1984, 421
polnisches Recht ist das in -> Polen geltende Recht. Es ist lange Zeit ein niemals vollständig aufgezeichnetes Gewohnheitsrecht (Landrecht), zu welchem nur wenige privatrechtliche Gesetze (z. B. [lat.] Formula [F.] processus 1523, Hypothekengesetz 1588, Wechselgesetz 1775), aber mehrere partikulare Rechtsfestlegungen (z. B. Statuten Masowiens 1532, 1540, Preußische Korrektur 1598, Litauische Statuten 1529, 1566, 1588) kommen. Streitig ist dabei die Frage des Einflusses des -> deutschen Rechts. Jedenfalls in den Städten ist er nachweisbar (Magdeburger Recht, Neumarkter Recht, Kulmer Recht, Lübecker Recht). Im 16. Jh. stellt der Krakauer Jurist Bartholomäus Groicki aus dem heimischen, römischen und sächsischen Recht ein (lat.) ius (N.) municipale Polonicum (polnisches Stadtrecht) zusammen und bearbeitet 1559 die (lat.) -> Constitutio (F.) Criminalis Carolina (1532) für Polen. Am 3. 5. 1791 gibt sich Polen ein grundlegendes Verfassungsgesetz, wird aber zwischen Rußland, Preußen und Österreich weiter aufgeteilt. 1807-15 gilt im Herzogtum Warschau französisches Recht. Das 1818 geschaffene Strafgesetzbuch des Königreichs Polen folgt österreichischem Vorbild, das gleichzeitige Hypothekengesetz preußischem. 1847 wird das Strafgesetzbuch erneuert. Im übrigen gelten die bisherigen Regeln fort. 1928 wird durch ein Strafprozessgesetzbuch, 1930 durch ein Zivilprozessgesetzbuch, 1932 durch ein Strafgesetzbuch und 1933 durch ein Obligationengesetzbuch und ein Handelsgesetzbuch das Recht vereinheitlicht und neu gestaltet. 1945/6 wird das Privatrecht vereinheitlicht und 1964 in einem Zivilgesetzbuch sowie einem Familien- und Vormundschaftsgesetzbuch neu gefasst.
Lit.: Bardach, J., Historia panstwa i prawa Polski, 2. A. 1964;
Polish Law throughout the Ages, hg. v. Wagner, W., 1970; Handbuch der Quellen
und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing,
H., Bd. 2, 2 1976, 3,2,1982; Bardach, J. u. a., Historia panstwa i prawa
polskiego, 1976; Sporn T., Die Stadt zu polnischem Recht, 1978; Studien zur
Geschichte des sächsisch-magdeburgischen Rechts in Deutschland und Polen, hg.
v. Willoweit, D./Schick, W., 1980; Kren, J.,
Polnisches Recht und preußisches Recht, ZNR 1983, 147; Schnur, R., Einflüsse
des deutschen und österreichischen Rechts in Polen, 1985; Najstarszy zwod prawa
polskiego, hg. v. Matuszewski, J. u. a., 1995; Die polnische Verfassung vom 3. Mai
1791, hg. v. Reinalter, H., 1997; Normdurchsetzung in osteuropäischen
Nachkriegsgesellschaften, Bd. 3, hg. v. Mohnhaupt, H., 1997
Polygamie ist die Mehrehe. Sie ist bei den Germanen zulässig. Das Christentum schließt sie aus.
Lit.: Freisen, J., Geschichte des kanonischen Eherechts, 2. A. 1893, Neudruck 1963, 364; Joyce, G., Die christliche Ehe, 1934; Müller-Lindenlauf, H., Germanische und spätrömisch-christliche Eheauffassung, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1969; Mildenberger, G., Sozial- und Kulturgeschichte der Germanen, 1972, 63; Brundage, J., Law, Sex and Christian Society, 1987
Polyptychon (N.) vielfältiges (Verzeichnis z.
B. St. Germain-des-Prés 825/8)
Pommern ist das beiderseits der Mündung der Oder in die Ostsee liegende, zu 1046 als P. benannte Gebiet, das nach Abzug der Germanen im 6./7. Jh. von -> Slawen besiedelt wird und in dem die Herrschaft der -> Greifen 1181 als Herzogtum des deutschen Reiches anerkannt wird. 1648 bzw. 1815 gelangt es an Brandenburg, 1945/90 im östlichen Teil an Polen. Besonders bedeutsam sind dementsprechend nacheinander lübisches, gemeines und preußisches Recht.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Dokumentation der Vertreibung der Deutschen, hg. v. Schieder, T., 1953f.; Grundriß der deutschen Verwaltungsgeschichte 1815-1945, hg. v. Hubatsch, W., 1975f.; Benl, R., Die Gestaltung der Bodenrechtsverhältnisse in Pommern, 1986; Pommern, hg. v. Lucht, D., 1995; Pommern, hg. v. Buchholz, W., 1999
Pomponius, Sextus (Mitte des 2. Jh.s n. Chr.) ist ein römischer, über seine 300 Bücher hinaus kaum bekannter Jurist. Drei Kommentare betreffen die Darstellung des römischen Rechts durch Mucius Scaevola (39 Bücher), durch -> Sabinus (35/6 Bücher) und das -> Edikt. In dem auszugsweise in den -> Digesten überlieferten Einführungslehrbuch Enchiridion stellt P. kurz und klar die Geschichte der römischen Rechtsquellen bis zur eigenen Gegenwart, die römischen Ämter und die römischen Juristen bis Julian dar.
Lit.: Söllner § 16; Köbler, DRG 39; Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 170; Schulz, F., Geschichte der römischen Rechtswissenschaft, 1961, 203
Pönformel ist eine in Urkunden des Mittelalters enthaltene Klausel, die nach antikem Vorbild einen Rechtsnachteil (Pön [lat. poena], meist Geldsumme) für den Fall des Zuwiderhandelns (eines Dritten) festlegt.
Lit.: Voltelini, H., Die Fluch- und Strafklauseln, MIÖG Ergänzungsband 11 (1929), 64; Studtmann, J., Die Pönformeln der mittelalterlichen Urkunden, AUF 12 (1932), 251
Pontes de Miranda, Francisco C. (1893-1979) wird nach dem Rechtsstudium in Recife in Brasilien Richter in Rio de Janeiro. In den 60 Bänden seines Tratado de Direito Privado (1954ff.) stellt er fast das gesamte, in erheblichem Umfang europäisch geprägte Recht Brasiliens dar.
Lit.: Menezes, D., A Teoria cientifica do direito de Pontes de Miranda,
1934; En homenagem a Pontes de Miranda, 1988
pontifex (lat. [M.]) Brückenbauer, Priester
Lit.: Söllner §§ 5, 6, 7, 9, 11, 14; Schieffer, R., Der Papst als pontifex maximus, ZRG KA 57 (1971), 300
Pontifikalien sind die Insignien des Bischofs (Mitra, Stab, Ring, Brustkreuz, Dalmatik, Tunika, Handschuhe, Sandalen). Sie stehen seit dem 14. Jh. im wesentlichen fest. Ihr Gebrauch ist sorgfälig geregelt.
Lit.: Wickham, L., Church Ornaments, 1917; Klauser, T., Der Ursprung der bischöflichen Insignien, 1960; Nabuco, J., Ius pontificalium, 1956
populäre Rechtsliteratur ist der Name für die das römische Recht seit dem Spätmittelalter vereinfachend einführende Literatur (z. B. Übersetzungen [-> Murner 1519, -> Perneder 1544, Gobler -> 1551], Formelbücher oder Prozessschriften [-> Klagspiegel 1415, -> Laienspiegel 1495/1509]).
Lit.: Stintzing, R., Geschichte der populären Literatur des römisch-kanonischen Rechts in Deutschland, 1867, Neudruck 1959; Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechts in Deutschland, 1962; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967, § 9
populus (lat. [M.]) Volk
Lit.:
Köbler, DRG 18, 36; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Millar, F., The Crowd in Rome, 1998
Pornographie ist die aufreizende Darstellung geschlechtlicher
Erscheinungen.
Lit.: Scholz, S., Die Entwicklung der
österreichischen Pornographiegesetzgebung, 1999
Portalis, Jean-Etienne-Marie (1745-1807) wird nach dem Rechtsstudium Advokat in Aix-en-Provence. Seit 1794 kommt er im Zuge der Französischen Revolution in hohe Ämter und wird 1804 in das Redaktionsgremium des -> Code civil berufen. Er setzt sich an vielen Stellen erfolgreich für die Lösungen des römischen Rechts ein.
Lit.: Portalis, J., De l’usage
et de l’abus de l’esprit philosophique, 1820; Lavollée, R., Portalis, 1869;
Schimséwitsch, L., Portalis, 1936; Plesser, M., Jean Etienne Marie Portalis und der Code
civil, 1997
Portugal (benannt nach dem porto [Hafen] von Cale) ist ein südwesteuropäischer Staat, dessen Gebiet nacheinander von Lusitaniern, Römern (139 v. Chr., 27 v. Chr. von [lat.] Hispania [F.] ulterior abgesonderte Provinz [lat.] Lusitania), Sweben/Westgoten (5. Jh.) und Arabern (712) beherrscht wird. Nach der Rückeroberung des Nordens erreicht die Grafschaft um Porto am Ende des 11. Jh.s (1095) weitgehende Unabhängigkeit von Leon und -> Kastilien. 1139 nimmt Alfons I. nach einem Sieg über die Araber (Mauren) den Königstitel an. Bis zur Mitte des 12. Jh.s wird die Rückeroberung (1147 Lissabon) weitgehend, bis 1249 gänzlich abgeschlossen. Um die Wende vom 14. zum 15. Jh. wird im königlichen Auftrag mit der Zusammenstellung des Rechts begonnen (Livro das Leis e Posturas, Ordenações de D. Duarte, Ordenações Afonsinas [um 1454], Ordenações Manuelinas 1512/1513 bzw. 1521). Seit dem 15. Jh. wird P. mit Unterstützung Englands Weltmacht, die 1494/1529 die Interessensphären mit -> Spanien aufteilen kann. Für kurze Zeit fällt P. dann an Spanien (1580/1-1640). In dieser Zeit (1603) werden Gesetze erneut gesammelt. Im 19. Jh. wird unter dem Einfluss Frankreichs das Recht kodifiziert (Código comercial/Handelsgesetzbuch 1833 bzw. 1888, Codigo civil/Bürgerliches Gesetzbuch 1867, Código do processo civil/Zivilprozessordnung 1876, Código do processo comercia 1896, Código de fallências 1897). 1939 wird der (port.) Codigo do processo civil (Zivilprozessgesetzbuch) erneuert. 1910 wird Portugal Republik, steht aber lange Jahre unter diktatorischer Herrschaft. Nach 1945 gehen die Kolonien verloren. 1965 wird ein neuer Codigo civil mit einem allegemeinen Teil nach deutschem Vorbild geschaffen. Seit 1. 1. 1986 ist P. Mitglied der Europäischen Gemeinschaft(en) bzw. der Europäischen Union (1993).
Lit.: Mayer, E., Historia de las instituciones sociales y politicas de
España y Portugal, Bd. 1f. 1925ff.; Thomashausen, A., Verfassung und
Verfassungswirklichkeit im neuen Portugal, 1981f.; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,55,242,896, 2,2,282,893,1319, 3,1,687, 3,2,2443,
3,3,3494,3743,3847,3921,4000,4131; Julio de Almeida Costa, M., Historia do
Direito Portugues, 1982; Albuquerque, M. de/Albuquerque, R. de, Historia do
Direito Portugues, 1983; Espinosa
Comes de Silva, N., Historia do Direito Portugues, 1985; Decker,
G./Decker, A., Portugal, 2. A. 1992; Vones, L., Geschichte der iberischen Halbinsel,
1993; Sänger,
R., Portugals langer Weg nach Europa, 1994; Auf dem Weg zu einem
gemeineuropäischen Privatrecht, hg. v. Jayme, E. u. a., 1997; Oliveira Marques,
A. de, Geschichte Portugals, 2000; Bernecker, W./Pietschmann, H., Geschichte
Portugals, 2001; Oliveira Marques, A. de, Geschichte Portugals, 2001
Posen an der mittleren Warthe erhält 1253 Magdeburger Stadtrecht und kommt 1793 an Preußen. Seit dem Übergang an Polen (1919) ist es Sitz einer Universität. Zwischen 1389 und 1419 verfasst der Stadtschreiber Heinrich von Peisern auf deutsch ein in einer einzigen Handschrift überliefertes, in vier Bücher (Verfassung und Verfahren, Strafe, Erbe, Schulden und Familie) mit 163½ Kapiteln bzw. fünf Bücher geteiltes Rechtsbuch Magdeburger Rechts.
Lit.: Goerlitz, T., Das Rechtsbuch der Stadt Posen, ZRG GA 60 (1940), 143; Magdeburger Schöffensprüche für die Hansestadt Posen, 1944; Poznanska Ksiega Prawa Magdeburskiego I Misnienskiego, hg. v. Maisel, W., 1964; Grundriß der deutschen Verwaltungsgeschichte 1815-1945, hg. v. Hubatsch, W., 1975f.; Oppitz, U., Deutsche Rechtbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 53
positio (lat.[F.]) Tatsachenbehauptung, Artikel (im gelehrten Prozess)
Lit.: Köbler, DRG 117, 155
positive Forderungsverletzung ist die seit dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) anscheinend nicht unter Unmöglichkeit und Verzug fallende sonstige Pflichtverletzung des Schuldners. Seit 1902 (Staub) wird sie als besondere Leistungsstörung anerkannt.
Lit.: Kaser §§ 33 III IV 3, 37 I, 3;
Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 214; Harting, F., Die positiven
Vertragsverletzungen, Diss. jur. Hamburg 1967; Würthwein, S., Zur
Schadensersatzpflicht wegen Vertragsverletzungen, 1990; Kotulla, M., Die
historischen Voraussetzungen für die Entstehung des Rechtsinstituts der positiven
Forderungsverletzung, ZRG GA 108 (1991), 358;
Glöckner, H., Die positive Vertragsverletzung, in: Das Bürgerliche Gesetzbuch
und seine Richter, 2000, 155
positives Recht ist das vom Menschen geschaffene Recht im Gegensatz zum -> Naturrecht.
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Positivismus ist eine geistesgeschichtliche Strömung, welche die übernatürliche Erklärung der Welt durch die Theologie für ebenso unzutreffend hält wie die philosophische Erklärung mit Hilfe von abstrakten Ideen. Entscheidend ist dieser von Auguste Comte (1798-1857, Discours sur l’esprit positif, 1844) begründeten Sicht die wissenschaftliche Zusammenfassung der tatsächlichen Erscheinungen (des durch Beobachtung Erfahrbaren, Gegebenen, Wirklichen oder Positiven) in Gesetzen, durch welche der Gesellschaft ein glückliches Leben gesichert werden soll. Dies wirkt sich im Recht durch die Suche nach einem System rein juristischer, positiver und von der gesellschaftlichen Wirklichkeit (wie der Geschichte) gelöster Begriffe aus, welche im letzten Drittel des 19. Jh.s durch einen Gesetzespositivismus abgelöst wird. Umstritten ist die Bedeutung des P. für den Nationalsozialismus.
Lit.:
Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 179, 188, 228, 254; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967; Böckenförde, E., Gesetz und
gesetzgebende Gewalt, 2. A. 1981; Oertzen, P. v., Die soziale Funktion des
staatsrechtlichen Positivismus, 1974; Dilcher, G., Der rechtswissenschaftliche
Positivismus, ARSP 61 (1975), 497; Tripp, D., Der Einfluss des naturwissenschaftlichen,
philosophischen und historischen Positivismus, 1983; Rottleuthner, H.,
Rechtspositivismus und Nationalsozialismus, in: Recht und Politik, 1983, 195; Fuchs-Heinritz, W.,
Auguste Comte, 1998; Repplinger, R., Auguste Comte und die Entstehung der Soziologie,
1999
possessio (lat. [F.]) ist im römischen Recht der Besitz. Er nimmt seinen Ausgang davon, dass jemand ein der Allgemeinheit gehöriges Stück Land zu Gebrauch und Nutzen übernimmt. Seine Stellung wird durch -> Interdikte des Magistrats gesichert.
Lit.: Kaser § 19; Köbler, DRG 2, 39, 162
possessio (F.) civilis (lat.) ist im klassischen römischen Recht der Besitz nach zivilem Recht, der seinen Ausgang von derjenigen tatsächlichen Herrschaft über eine Sache nimmt, die beim Herausgabeverfahren (Vindikation) auf Seiten des Gegners vorausgesetzt wird.
Lit.: Kaser §§ 19 II, 25 II; Köbler, DRG 39
possessio (F.) corporalis (lat.) ist im spätantiken römischen Recht der körperliche Besitz ohne den Willen, wie ihn der Eigentümer hat.
Lit.: Kaser § 19 VI
possessio (F.) iuris (lat.) ist im späteren römischen Recht der Rechtsbesitz dessen, der einen (lat. [M.]) -> ususfructus oder eine Prädialservitut tatsächlich ausübt.
Lit.: Kaser §§ 19 IV, 28 III, 29 I 5
possessio (F.) triduana (lat.) ist im Frühmittelalter das dreitägige Haben einer Sache.
Post ist die schriftliche Nachricht, die Beförderung von Menschen und Sachen sowie die dahinterstehende Organisation. Die P. ist schon dem Altertum bekannt, wenn auch nicht jedermann eröffnet. Erst im Spätmittelalter aber entwickelt sich die P. im modernen Sinn. Ihre erste feste Route (1490) betrifft die Verbindung von Innsbruck nach Brüssel (Mecheln). Zu deren Sicherung erteilt Kaiser Karl V. den von Taxis ein Monopol für eine allgemein zugängliche P. Seit dem Ende des 16. Jh.s beansprucht der Kaiser die P. als -> Regal, ohne das ausschließlich durchsetzen zu können. Demzufolge ist die P. im 19. Jh. nicht einheitlich. 1867 gelingt es Preußen, von dem Haus Thurn und Taxis das Postregal zu erwerben. 1871 wird das Postwesen in der Verfassung des Deutschen Reiches grundsätzlich geregelt.
Lit.:
Köbler, DRG 148, 233; Hudemann, E., Geschichte des römischen Postwesens, 2. A.
1878; Kießkalt, E., Die Entstehung der Post, 1930; Münkler, W.,
Entwicklungsgeschichte des Postregals in Hessen-Darmstadt, Diss. jur. Marburg
1973; Dallmeier, M., Quellen zur Geschichte des europäischen Postwesens, 1987; La circulation des
nouvelles au moyen âge, 1994; Krauß, M., Das kursächsische Postrecht, 1998;
Lotz, W., Die Deutsche Reichspost 1933-1945, 1999; Ueberschär, G., Die Deutsche
Reichspost 1933-1945, 1999; Kolb, A., Transport und Nachrichtentransfer im
römischen Reich, 2001; Klaes, S., Die Post im Rheinland, 2001; Hesse, J., Im
Netz der Kommunikation, 2001; Die deutsche Reichspost 1933-1945, bearb. v. Lotz,
W., 2002
Postgeheimnis ist die den Befördernden obliegende Geheimhaltungspflicht der in der -> Post enthaltenen Nachrichten. Die Frage des Postgeheimnisses wird vereinzelt schon früh gesehen. 1690 wird die Unverletzlichkeit auf allen Postwegen im Reich garantiert. 1848 wird das P. in die Verfasssung einbezogen. 1919 wird dies durch die Weimarer Reichsverfassung wiederholt.
Lit.: Bohley, E., Die Verletzung des Post-, Telegraphen- und Fernmeldegeheimnisses, Diss. jur. Frankfurt am Main 1927; Schötz, H., Die Verletzung des Postgeheimnisses durch Beamte, Diss. jur. Erlangen 1933; Melzer, W., Das Post- und Fernmeldegeheimnis, 1971
Postglossator ist der dem -> Glossator zeitlich folgende spätmittelalterliche Jurist. -> Konsiliator, Kommentator
Lit.: Söllner §§ 2, 25; Kroeschell, DRG 2; Savigny, F., Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, Bd. 6ff., 2. A. 1850f.; Engelmann, W., Die Schuldlehre der Postglossatoren, 1895, Neudruck 1965; Fränkel, R., Zur Zessionslehre der Glossatoren und Postglossatoren, ZHR 66 (1910), 305; Stampe, E., Das Zahlkraftrecht der Postglossatorenzeit, 1928
postliminium (lat. [N.]) ist im römischen Recht die Rückkehr in den früheren Rechtszustand nach Ende der Kriegsgefangenschaft.
Lit.: Kaser §§ 15 II 2, 26 I 1, 58 VII 1b
Postregal -> Post
Lit.: Waitz, W., Die Entwicklung des Begriffs der Regalien, 1939
postumus (lat. [M.]) (, posthumus) ist der nach dem Tod des Vaters Geborene. Er wird, soweit dies seinem Vorteil dient, während der Schwangerschaft als bereits geboren betrachtet (lat. -> nasciturus pro iam nato habetur).
Lit.: Kaser §§ 13 II 1, 66 I 1, 68 III 3, 69 II 3
Postwertzeichen ist das dem Nachweis der Entrichtung der Beförderungsgebühr dienende Wertzeichen. Es erscheint in Ansätzen in Paris seit 1653, danach in England 1840 sowie im Deutschen Bund in Bayern am 1. 11. 1849.
Lit.: Kohler, J., Die Briefmarke im Recht, Archiv f. bürgerl. Recht 6 (1892), 316; Andrae, W., Die privatrechtliche Natur der Briefmarke, Diss. jur. Jena 1933; Müller, W., Die Briefmarke, Diss. jur. Erlangen 1958
potens (lat.) mächtig
potestas (lat. [F.]) Gewalt, Macht
Pothier, Robert-Joseph (Orléans 9. 1. 1699 –
2. 3. 1772) Präsidialgerichtsratssohn, wird nach dem Rechtsstudium 1720
Präsidialgerichtsrat in Orléans, 1743 Rat der Domänenkammer, 1746 Magistratsbeamter
und 1749 Professor für französisches Recht in Orléans. Von -> Domat beeinflusst
fasst er als Vertreter der -> eleganten
Jurisprudenz des späten -> usus modernus pandectarum in den Pandectae
Justineanae (1748) die römischen Digesten zu einem systematisch neugeordneten
kurzen Werk zusammen. Danach stellt er die 1740 von ihm erstmals herausgegebene
Coutume d´Orléans dem römischen Recht gegenüber (1760). Schließlich
veröffentlicht er Abhandlungen zum Zivilrecht (z. B. traité des obligations
1761) und zum Prozessrecht, mit denen er die Systematik und das Schuldrecht des
code civil (1804) und damit die Rechtseinheit Frankreichs vorbereitet.
Lit.: Fenet, P., Pothier
analysé, 1826; Arnaud, A., Les origines doctrinales, 1964; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967; König, H., Pothier und das
römische Recht, 1971
Potsdam an der Havel wird 993 urkundlich erwähnt. Das Edikt von P. vom 8. 11. 1685 gewährt französischen Hugenotten Aufnahme in Preußen. Das Potsdamer Abkommen vom 2. 8. 1945 erfasst Beschlüsse der (zunächst 3) Alliierten über die Zukunft des besiegten Deutschen Reiches.
Lit.:
Meissner, B./Veiter, T., Das Potsdamer Abkommen, 1986; Hahn, P., Geschichte Potsdams, 2003
Pound, Roscoe (1870-1964) wird nach dem Studium von Botanik und Rechtswissenschaft in Harvard Anwalt, 1899 Assistant Professor in Nebraska, danach Professor in Nebraska, an der Northwestern University (1907), Chicago (1909) und in Harvard (1919). Er ist der führende Vertreter der (engl.) -> sociological jurisprudence mit dem Ziel, das Recht als (engl.) social engineering (gesellschaftliche Verbesserungstätigkeit) zu verstehen. Ihm zufolge müssen Gesetzgeber wie Richter stets die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen ihres Handelns beachten.
Lit.: Sayre, P., The Life of
Roscoe Pound, 1948; Fikentscher, W., Roscoe Pound, FS K. Larenz, 1973, 93
Präambel (F.) Vorspruch
Lit.:
Dietze, H., Der Gesetzesvorspruch, 1939; Papenheim, A., Präambeln in der
deutschen Verfassungsgeschichte, Diss. jur. Münster
1998
Practica nova imperialis Saconica rerum criminalium - > Carpzov
praebenda (lat. [N.Pl. bzw. später F.]) Pfründe
Praeceptio Chlotharii II. ist ein Kapitular des merowingischen Königs Chlothar II. (584 – 629) von etwa 600 (616?, 617?, 586-600), das sich mit Verfahren, Erbe, Ehe, Ersitzung sowie Kirche befasst.
Lit.: Boretius, A., Capitularia regum Francorum, Bd. 1 1883,
Neudruck 1969, 18; Kocher, G., Das Pariser Edikt, 1976; Esders, S., Römische
Rechtstradition und merowingisches Königtum, 1997
praefectus (M.) praetorio (lat.) Prätorianerpräfekt
Lit.: Kaser § 87 I 2; Söllner 14, 16, 17; Köbler, DRG 55
praefectus (M.) urbi (lat.) Stadtpräfekt
Lit.: Kaser § 87 I 2, II 2; Söllner §§ 14, 17; Köbler, DRG 55
praeiudicium (lat. [N.]) Vorentscheidung, Vorbescheid
Lit.: Kaser §§ 60 I 4, 83 II 10
praes (lat. [M.]) Bürge
Lit.: Kaser §§ 7 III, 1, 57 II 1
praescriptio (lat. [F.]) Vorschrift, Vorschreibung
Lit.: Kaser §§ 4 II 2, 25 IV 1, 83 II 12, 87
praeses (lat. [M.]) Vorsitzender
praestare (lat.) leisten
Lit.: Kaser § 34 I 1; Köbler, DRG 43
praesumptio, praesumtio (lat. [F.]) Vermutung
Lit.: Kaser
§§ 84 I 1, 87 II 6; Köbler, DRG 29
praesumptio (F.) Muciana (lat.) -> Vermutung des -> Mucius
Lit.: Kaser § 59 I 3; Köbler, DRG 29
praetor (lat. [M.]) ist im altrömischen Recht der beim Sturz des Königs 509 v. Chr. diesem folgende höchste römische Amtsträger, der 367 v. Chr. die Zuständigkeit für die Streitverfahren errringt. 242 v. Chr. wird eine zweite Prätorenstelle geschaffen, zu der später weitere Provinzpräturen hinzukommen. An der Wende des 2. zum 1. Jh. v. Chr. werden die Prätoren an die Stadt Rom gebunden.
Lit.: Kaser §§ 2 II 1, 80 II 3; Köbler, DRG 18, 31, 32; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Kunkel, W./Wittmann, R., Die Magistratur, 1995; Brennan, T., The Praetorship in the Roman Republic, 2000
praetor (M.) peregrinus (lat.) ist im klassischen römischen Recht der seit 242 v. Chr. (Eroberung Siziliens) für Streitigkeiten mit einem Fremden (lat. [M.] peregrinus) zuständige -> praetor.
Lit.: Kaser § 80 II; Söllner §§ 6, 9; Köbler, DRG 32; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
praetor (M.) urbanus (lat.) ist der seit der Aufteilung der Prätur 242 v. Chr. für Streitigkeiten römischer Bürger untereinander zuständige -> praetor.
Lit.: Kaser § 80 II 3a, 4a; Söllner §§ 6, 9, 15; Köbler, DRG 18, 32; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
Präfektur ist ein in Anlehnung an den römischen (lat. [M.]) praefectus geschaffener Zuständigkeitsbereich eines Amtsträgers.
Lit.: Kern,
E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954, 52; Claude, D., Niedergang,
Renaissance und Ende der Präfekturverwaltung, ZRG, GA 114 (1997), 352
Prag an der Moldau entsteht vermutlich im
späten 9. Jh. 973 wird es Sitz eines Bistums, das Karl IV. 1344 zum Erzbistum
erheben lässt. 1348 richtet er in P. eine Universität ein. 1918 wird die auch
wegen der beiden Prager Fensterstürze vom 30. 6. 1419 und 23. 5. 1618 bekannte
Stadt, deren einzelne Teile erst 1781 rechtlich zusammengefasst werden,
Hauptstadt der -> Tschechoslowakei bzw. 1993 der Tschechei.
Lit.:
Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 100; Zycha, A., Prag, 1912; Schlüter,
O., Prag, 5. A. 1943; Dejiny Prahy, hg. v. Janácek, J., 1964; Seibt, F., Von
Prag bis Rostock, FS W. Schlesinger, Bd. 1 1973, 406; Die Universität zu Prag,
1986; Mezník, J., Praha pred husitskou revolucí, 1990; Oberkofler, G., Die
Vertreter des römischen Rechts, 1991; Nebor, L./Rohan, B., Prag, 1993;
Fuchs, M., Die Prager Rechtsfakultät, Monatshefte für osteurop. Recht 1998, 3,
167
Prägestätte ist der Ort, an dem eine -> Münze hergestellt wird (z. B. heute A Berlin, D München, E Muldenhütten, F Stuttgart, G Karlsruhe, J Hamburg).
Lit.: Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte, 1975
pragmatische Sanktion (lat. sanctio [F.] pragmatica) ist allgemein das bedeutende kaiserliche Gesetz. In der Pragmatischen Sanktion von Bourges (1438, aufgehoben 1461) führt König Karl VII. von Frankreich Teile der Beschlüsse des Konzils von Basel durch Gesetz in Frankreich ein. 1549 gestaltet Karl V. in einer pragmatischen Sanktion die Erbfolge für das burgundisch-niederländische Erbe. Am 19. 4. 1713 erlässt Karl VI. ein Hausgesetz der Habsburger als p. S. Dieses geht von der Unteilbarkeit und Untrennbarkeit der habsburgischen Länder aus. Weiter bestimmt es die -> Primogenitur im männlichen und hilfsweise weiblichen Stamm sowie den Vorrang der ehelichen Söhne und Töchter Karls VI. vor den ehelichen Söhnen und Töchtern Josephs I. Seit 1720 wird die p. S. den Ständen der habsburgischen Länder, danach europäischen Staaten und 1732 dem Reichstag des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) zur Billigung vorgelegt. Ihre Geltung endet 1918.
Lit.: Köbler, DRG 131; Baltl/Kocher; Mommsen, T., Sanctio pragmatica, ZRG RA 25 (1904), 51; Valois, N., Histoire de la Pragmatique Sanction de Bourges, 1906; Die Pragmatische Sanktion, hg. v. Turba, G., 1913; Schönbauer, E., Die Pragmatische Sanktion, Forschungen und Fortschritte 35 (1961), 179; Der dynastische Fürstenstaat, hg. v. Kunisch, J., 1979
Präjudiz ist das Vorurteil oder die Vorentscheidung. Insbesondere in einem richterlichen Fallrecht (z. B. England) ist das P. außerordentlich bedeutsam ([lat.] stare decisis, bei Entschiedenem bleiben). In der Rechtswirklichkeit halten sich aber auch sonst Untergerichte regelmäßig an die vorliegenden Entscheidungen von Obergerichten.
Lit.: Esser, J., Grundsatz und Norm, 1956, 73ff.; Cross, R., Precedent in English Law, 2. A. 1968; Dawson, J., The Oracles of Law, 1968; Schlüter, W., Das obiter dictum, 1973; Weller, H., Die Bedeutung der Präjudizien, 1979
Prälat ist im katholischen Kirchenrecht der hohe kirchliche Amtsträger, der kraft seines Amtes Leitungsgewalt hat oder aus anderen Gründen den Titel P. ehrenhalber führt (z. B. Erzbischof, Bischof, Abt). Der P. zählt im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) teilweise zu Kurfürsten und Reichsfürsten, in den Ländern zu den Landständen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 111, 149; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Aulinger, R., Das Bild des Reichstages im 16. Jahrhundert, 1980, 106
Prälatenbank ist im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) das Kollegium der nichtfürstlichen Geistlichen im Reichstag und Kreistag und die Gesamtheit der Geistlichkeit im Landtag.
Lit.: Das Staatsrecht des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, hg. v. Wagner, W., 1968
Prämonstratenser ist der Angehörige des von Norbert von Xanten in Prémontré bei Laon 1120 begründeten -> Ordens, der 1122 in Cappenberg seine erste deutsche Niederlassung errichtet.
Lit.: Winter, F., Die Praemonstratenser, 1865; Grassl, B., Der
Praemonstratenserorden, 1934; Horstkötter, L., Der heilige Norbert und die
Praemonstratenser, 1974; Gehle, B., Die Praemonstratenser in Köln, 1978; Backmund, N., Geschichte
des Prämonstratenserordens, 1986
Pranger ist im Spätmittelalter und in der Frühneuzeit eine Einrichtung (z. B. Halseisen, Schandpfahl), mit deren Hilfe ein Mensch wegen eines Verstoßes öffentlich zur Schau gestellt werden kann (Ehrenstrafe). Der P. ist seit dem 13. Jh. unter verschiedenen Namen und in verschiedenen Formen bezeugt. Vielleicht stammt er aus dem kirchlichen Bereich. Verwendet wird er bei Friedensbruch, (kleinem) Diebstahl, Betrug, Lästerung, Unzucht, Beleidigung, falschem Maß und Gewicht usw.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 119; Bader-Weiß, G./Bader, K., Der Pranger, 1935; Funk, W., Alte deutsche Rechtsmale, 1939; Frölich, K., Stätten mittelalterlicher Rechtspflege, 1946; Preu, A., Pranger und Halseisen, Diss. jur. Erlangen 1949; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988
Präsentationsrecht ist das Recht, einen Kandidaten für ein Amt vorzuschlagen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Präsidialsystem ist ein politisches System, in welchem ein Präsident die wesentlichen Entscheidungen trifft, wobei er sich auch eines Präsidialkabinetts oder einer Präsidialregierung bedienen kann.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Gessner, D., Agrardepression und Präsidialregierung in Deutschland 1930-1933, 1978
Prätor -> praetor
Prävention (F.) Zuvorkommen, Verhütung
precaria (lat. [F.]) ist im Frühmittelalter eine Leihe von Grundstücken. Sie gewährt dem Leihenehmer ein Nutzungsrecht und dem Leihegeber eine Gegenleistung (Abgabe, Dienst). Sie kann frei widerruflich, auf Zeit vereinbart oder vererblich sein. Das Leihegut kann vom Leihenehmer stammen (sog. precaria oblata), vom Leihegeber (sog. precaria data) oder zu je einem Teil von beiden (sog. precaria remuneratoria). Ein Zusammenhang mit dem (lat. [N.]) -> precarium ist unsicher.
Lit.: Hübner 348; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 91; Levy, E., Vom römischen precarium zur germanischen Landleihe, ZRG RA 66 (1948), 1; Voltelini, H., Precaria und Benefizium, VSWG 16 (1922), 259
precaria (F.) data (lat.) gegebene -> precaria
precaria (F.) oblata (lat.) empfangene -> precaria
precaria (F.) remuneratoria (lat.) belohnte -> precaria
precario ([lat.] durch Bittleihe) -> Interdikt
precarium (lat. [N.]) ist im römischen Recht die Bittleihe. Das p. betrifft die Leihe einer beweglichen oder unbeweglichen Sache zu Gebrauch oder Nutzung unter der Möglichkeit des jederzeitigen freien Widerrufs des Gebers. Dritten gegenüber ist der Empfänger durch ein Interdikt geschützt. Das p. ist grundsätzlich unentgeltlich. Ein Zusammenhang mit der (lat. [F.]) -> precaria ist unsicher.
Lit.: Kaser §§ 19 II 2, 19 IV 2, 39 II, 42 II 6; Köbler, DRG 40, 63, 64; Levy, E., Weströmisches Vulgarrecht, 1956, 264; Kaser, M., Zur Geschichte des precarium, ZRG RA 89 (1972), 45
Preis ist der Gegenwert für die Erlangung einer
Leistung, insbesondere für den Verkauf einer Ware. -> iustum pretium
Lit.: Kaser § 41; Hübner; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 240; Trusen, W., Äquivalenzprinzip und gerechter Preis, FS G. Küchenhoff, 1967, 247; Welti, M., Der gerechte Preis, ZRG GA 113 (1996), 424
Preisbindung ist die Bindung der Verkäufer bestimmter Waren an einheitliche Festpreise. Sie wird in verschiedenen Zeiten versucht (Spätantike, Spätmittelalter, Merkantilismus, 20. Jh. [10. 4. 1948]). Das deutsche Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 27. 7. 1957 erlaubt die vertikale Preisbindung für Markenartikel, Verlagserzeugnisse und landwirtschaftliche Erzeugnis. 1973 wird sie grundsätzlich aufgegeben, für Bücher aber beibehalten.
Lit.: Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913; Kelter, E., Die obrigkeitliche Preisregelung, 1935; Bog, I., Der Reichsmerkantilismus, 1959; Aubin, H./Zorn, W., Handbuch der deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 1 1971, 486
Premis (Bremse) ist eine von dem magdeburgischen Bürger Hermann von Oesfeld um 1350 verfasste, handschriftlich seit 1408 belegte kurze Anweisung, wie man vor Gericht den Gegner zu eindeutigen Erklärungen veranlassen kann. -> Cautela
Lit.: Oppitz, K., Die deutschen Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 66
Premysl -> Przemyslide
Presbyter (Älterer) ist in den Anfängen des Christentums der Angehörige eines kollegialen Gemeindeleitungsorganes. Später setzt sich der Bischof als Erstverantwortlicher durch, doch bilden Bischof und P. (-> Priester) gemeinsam ein Presbyterium. Die Weihe zum P. ist eine besondere kirchenrechtliche Handlung. In der protestantischen Kirche ist P. ein von der Gemeinde in den Gemeindekirchenrat gewählter Vertreter.
Lit.: Campenhausen, H. v., Kirchliches Amt, 2. A. 1963; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983
Preßburg (Bratislava), nördlich von Wien, wird nach der Neugründung um die Jahrtausendwende von -> Bayern besiedelt. Nach der 1217 erfolgten Verleihung des Stadtrechts wird es 1405 Freistadt Ungarns. Etwa zu dieser Zeit entwickelt sich ein besonderes Grund- und Satzbuch in P. (1439). Zwischen 1467 und 1471 hat P. eine juristische Fakultät an der 1467 bis 1490 bestehenden, danach wegen fehlender materieller Grundlagen verfallenden Universität. Von 1526 bis 1784 ist P. Hauptstadt des habsburgischen Ungarn. Am 26. 12. 1805 verliert Österreich im Frieden von P. für kurze Zeit große Gebiete. 1919 wird P. Sitz einer Universität.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Städte im Donauraum, hg. v. Marsina, R., 1993
Presse ist seit dem Anfang des 16. Jh.s die Druckmaschine und dem folgend seit der Mitte des 16. Jh.s die Gesamtheit der zur Verbreitung geeigneten und bestimmten Druckerzeugnisse (1650 Leipziger Einkommende Zeitungen sechsmal wöchentlich).
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 899; Groth, O., Die unerkannte Kulturmacht, Bd. 1ff. 1960ff.; Rohls, J., Der Begriff der Presse, Diss. jur. Frankfurt am Main 1969; Eisenhardt, U., Die kaiserliche Aufsicht über den Buchdruck, Buchhandel und Presse, 1970; Eisenhardt, U., Der Deutsche Bund und das badische Pressegesetz von 1832, Gedächtnisschrift H. Conrad, 1980; Fischer, H., Handbuch der politischen Presse in Deutschland, 1981; Kurzweg, M., Presse zwischen Staat und Gesellschaft, 1999; Stöber, R., Deutsche Pressegeschichte, 2000; Pressewesen der Aufklärung, hg. v. Doering-Manteuffel, S. u. a., 2001; Spiegel, S., Pressepolitik und Presspolizei in Bayern, 2001; Unter Druck gesetzt, hg. v. Wilke, J., 2002
Pressefreiheit ist die Freiheit der Verbreitung von Meinungen, Nachrichten, Mitteilungen und sonstigem Gedankengut durch Druckerzeugnisse. Ihr geht die von der Kirche nach Erfindung des Buchdruckes (in Mainz 1485 und) allgemein 1487 den Bischöfen übertragene Vorzensur voraus, in deren Gefolge es der Reichstag des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) den Reichsfürsten 1530 zur Pflicht macht, den Druck und die Verbreitung von Neuem in Sachen des Glaubens zu verhindern. Demgegenüber beseitigt England 1695 die -> Zensur (Licensing Act von 1662). 1776 verlangen die Virginia Bill of Rights und 1789 die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte in Frankreich, einige deutsche Landesverfassungen (Nassau 1814, Sachsen-Weimar-Eisenach 1816, Bayern 1818) und 1848 die Frankfurter Paulskirchenverfassung P. (Preßfreiheit). Seitdem wird die P. mehrfach durch Gesetz eingeschränkt.
Lit.:
Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 171, 193; Krempel, O. Das Zensurrecht, Diss.
jur. Würzburg 1921; Scheuner, U., Pressefreiheit, 1965; Czajka, D.,
Pressefreiheit und öffentliche Aufgabe der Presse, 1968; Eisenhardt, U., Die
Garantie der Pressefreiheit in der Bundesakte von 1815, Der Staat 10 (1971),
339; Schwab, D., Pressefreiheit als Menschenrecht, FS W. Mallmann, 1978, 245;
Grund- und Freiheitsrechte im Wandel von Gesellschaft und Geschichte, hg. v.
Birtsch, G., 1981, 205; Kaller, P., Druckprivileg und
Urheberrecht, 1992; Mann, R., Die Garantie der Pressefreiheit, 1993;
Schroeder-Angermund, C., Von der Zensur zur Pressefreiheit, 1993; Westerkamp, D.,
Pressefreiheit und Zensur im Sachsen des Vormärz, Diss. jur. Hagen 1999;
Blumenauer, E., Journalismus zwischen Pressefreiheit und Zensur, 2000;
Rumphorst, R., Journalisten und Richter, 2001
Presserecht ist die Gesamtheit der die -> Presse betreffenden Rechtssätze. Damit beginnt das P. in der Kirche bereits seit 1485, im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) mit einem Edikt Karls V. von 1521. Mit dem 18. Jh. verlagert sich das Schwergewicht von den religiösen Schriften auf die politischen Schriften (z. B. 1715). Allerdings ist das P. partikular unterschiedlich. Einheitlich bleibt es aber bis 1848 im großen und ganzen bei einem Pressepolizeirecht. Eine freiheitliche Regelung bringt erst das Pressegesetz Badens vom 28. 12. 1831 (bis 5. 7. 1832) und 1. 3. 1848 bzw. 10. 4. 1849, in dem jede Zensur beseitigt ist. Am 17. 5. 1874 schafft das Deutsche Reich ein einheitliches Reichspreßgesetz, das seit 1949 durch Landespressegesetze ersetzt wird.
Lit.:
Mannheim, H., Preßrecht, 1927; Löffler, M./Ricker, R., Handbuch des
Presserechts, 1978;
Dunkhase, D., Das Pressegeheimnis, 1998
pretium (lat. [N.]) Preis, -> iustum p.
Preuß, Hugo (Berlin 28. 10. 1860 - 9. 10. 1925), wohlhabender Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Berlin und Heidelberg Privatgelehrter und Politiker, 1906 Professor an der Handelshochschule in Berlin. 1918 beruft ihn der die Geschäfte des Reichskanzlers ausführende Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei (Ebert) als Innenminister und beauftragt ihn mit dem Entwurf einer -> Verfassung.
Lit.: Köbler, DRG 227, 230; Schmoller, G., W. Rathenau und H. Preuß, 1920; Feder, E., Hugo Preuß, 1926; Schmitt, C., Hugo Preuß, 1930; Gillessen, G., Hugo Preuß, 1955, Neudruck 2000; Grassmann, S., Hugo Preuß und die deutsche Selbstverwaltung, 1965; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 428; Faatz, A., Hugo Preuß, Diss. jur. Trier 1999; Immel, J., Hugo Preuß und die Weimarer Reichsverfassung, 2002
Preußen ist zunächst das nach den baltischen Pruzzen (um 965 Brus) bezeichnete Gebiet zwischen Weichselmündung und Memelmündung. Über den die -> Ostsiedlung betreibenden -> Deutschen Orden gelangt es 1618 in Personalunion an Brandenburg. 1701 wird es als einziges voll souveränes Land der Kurfürsten von Brandenburg zur Keimzelle des Königreichs P., in dem der Kurfürst sich selbst zum König in P. krönt. Im 18. Jh. wird P. vor allem unter Friedrich dem Großen europäische Großmacht. 1794 kodifiziert P. sein Recht im -> Allgemeinen Landrecht. Im 19. Jh. ringt es mit Österreich im -> Deutschen Bund um den Vorrang. 1867 schafft es den -> Norddeutschen Bund, dem 1871 das zweite -> Deutsche Reich folgt. In ihm hat P. eine dominierende Stellung. 1920 wird es Freistaat. Mit Gesetz Nr. 46 des Alliierten Kontrollrates vom 25. 2. 1947 wird es unter Aufteilung seiner Gebiete auf zum Teil neue Länder als Staat aufgelöst.
Lit.:
Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 93, 131, 132, 140,
149, 155, 169, 170, 171, 172, 186, 193, 206, 211, 232, 245, 256; Ranke, L. v.,
Zwölf Bücher preußischer Geschichte, 2. A. 1874ff.; Bornhak, C., Preußische
Staats- und Rechtsgeschichte, 1903, Neudruck 1979; Hinze, O., Die Hohenzollern
und ihr Werk, 1915, Neudruck 1980; Schmidt, E., Rechtsentwicklung in Preußen,
2. A. 1929, Neudruck 1961; Koselleck, R., Preußen zwischen Reform und
Revolution, 1967; Schoeps, H., Preußen, 8. A. 1968; Hubatsch, W., Friedrich der
Große und die preußische Verwaltung, 1973; Grundriß der deutschen
Verwaltungsgeschichte, hg. v. Hubatsch, W., 1975ff.; Schulze, R., Die
Polizeigesetzgebung, 1978; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
3,2,1491,2645, 3,3,2880,3687; Thadden, R. v., Fragen an Preußen, 1981;
Litewski, W., Landrecht des Herzogtums Preußen von 1620, Bd. 1ff. 1980ff.;
Rosenau, K., Hegemonie und Dualismus, 1986; Landwehr, G., Staatszweck und
Staatstätigkeit in Preußen, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v.
Köbler, G., 1987, 249; Das nachfriderizianische Preußen 1786-1806, hg. v.
Hattenhauer, H. u. a., 1988; Willoweit, D. War das Königreich Preußen ein
Rechtsstaat?, in: Staat, Kirche, Wissenschaft in einer politischen
Gesellschaft, 1989; Boockmann, H., Deutsche Geschichte im Osten Europas, 1992;
Kühne, T., Handbuch der Wahlem, 1994; Beck, C., The Origins of the
Authoritarian Welfare State in Prussia, 1996; Preußen und das Reichsgericht,
hg. v. Schubert, W. u. a., 1998; Ebel, F., „Der papierene Wisch“, 1998; Schade,
J., Die Anfrage bei der Gesetzkommission, Diss. jur. Bochum 1998;
Stribrny, W., Die Könige von Preußen als Fürsten von Neuenburg-Neuchâtel
(1707-1848), 1998;Schubert,
W., Preußen im Vormärz, 1999; Ohlff, H., Preußens Könige, 1999; Preußens Herrscher,
hg. v. Kroll, F., 2000; Kroll, F., Das geistige Preußen, 2000; Preußen, hg. v.
Schoeps, J., 2000; Preisendörfer, B., Staatsbildung
als Königskunst, 2000; Krockow, C. Graf v., Preußen, 2001; Straub, E., Eine
kleine Geschichte Preußens, 2001; Kroll, F., Das geistige Preußen, 2001;
Vondenhoff, C., Hegemonie und Gleichgewicht im Bundesstaat, 2001; Preußens Weg
in die politische Moderne, hg. v. Holtz, B. u. a., 2001; Preußische Stile, hg.
v. Bahners, Patrick, 2001; Neugebauer, W., Geschichte Preußens, 2002; Kunisch,
J., Friedrich der Große und die preußische Königskrnung von 1701, 2002; Die
preußische Rangerhöhung und Königskrönung 1701, hg. v. Barmeyer, H., 2002;
Päsler, R., Deutschsprachige Sachliteratur im Preußenland bis 1500, 2003;
Dierk, W., Preußische Heeresreformen 1807-1870, 2003
Priester ist allgemein der mit der Vornahme kultischer Handlungen besonders betraute Mensch. -> Presbyter
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 14; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Groenbech, W., Kultur und Religion der Germanen, Bd. 1f. 9. A. 1980; Köbler, G., Ewart. Ein Beitrag zur Lehre vom altgermanischen Priesteramt, ZRG KA 89 (1972), 306; Zollitsch, R., Amt und Funktion des Priesters, 1974
Priesterweihe ist im katholischen Kirchenrecht das Sakrament, in dem in einer rituellen Handlung der Bischof einem Menschen den Heiligen Geist und die Befähigung zur Vornahme heiliger Handlungen (amtliche Verkündigung des Wortes Gottes, Spendung von Sakramenten, unterstützende Leitung des Volk Gottes) vermittelt. Die P. kann nur einem Mann gespendet werden, der dafür geeignet, befähigt und vorgebildet ist, vorher die Diakonatsweihe erhalten hat und sich zu einem ehelosen Leben verpflichtet. Die P. unterscheidet den Amtsträger wesentlich vom einfachen Gläubigen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Hinschius, P., System des katholischen Kirchenrechts, Bd. 1 1869, 1; Müller, H., Zum Verhältnis zwischen Episkopat und Presbyterat, 1971; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983
Primas (Oberbischof) ist ein hervorragender Bischof (z. B. Karthago 4. Jh., Thessaloniki, Arles 5. Jh., Toledo, Pisa, Canterbury, York, St. Andrews, Armagh, Reims, Rouen, Lyon, Narbonne, Bourges, Vienne, Lund, Gnesen, Gran, Prag, Mainz, Trier, Köln, Hamburg, Bremen, Magdeburg, Salzburg, Tarragona, Mecheln, Warschau 19. Jh.), seit 1971 nur noch der Papst.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972
Primogenitur (Erstgeburt, Erstgeburtsrecht) (Ansätze in Flandern, Brabant, Savoyen 1252, Henneberg 1310, Hessen 1311, Katzenelnbogen 1331, Bayern 1341, Holland 1347, Braunschweig 1351, Württemberg 1361, Lippe 1368, Hanau 1375, Baden 1380)
Lit.: Schulze, H., Das Recht der Erstgeburt, 1851; Der dynastische Fürstenstaat, hg. v. Kunisch, J., 1982
princeps (lat. [M.]) ist im klassischen römischen Recht der von Augustus (63 v. Chr. - 14 n. Chr.) angenommene Titel und im germanisch-deutschen Bereich der Erste, Große oder Fürst.
Lit.: Söllner § 14; Köbler, DRG 29, 30, 69, 71, 83, 311; Kelly, J., Princeps iudex, 1957; Koller, H., Die Bedeutung des Titels „princeps“ in der Reichskanzlei, MIÖG 68 (1960), 75; Bleicken, J., Prinzipat und Dominat, 1978
princeps legibus solutus est (lat.) ist die lateinische Formulierung des Satzes, dass der Fürst nicht an die Gesetze gebunden ist. In Rom gibt es eine Freistellung von Gesetzen bereits in vorchristlicher Zeit. In Digesten 1. 3. 31 wird die auf Ulpian zurückgeführte Formel princeps legibus solutus von Justinian übernommen. Kaiser Friedrich II. greift hierauf 1245 wieder zurück. Dem folgen Rudolf von Habsburg 1282 oder der König von Frankreich, so dass -> Baldus den König im Königreich dem Kaiser gleichstellen kann. In der frühen Neuzeit ist die Bedeutung umstritten. Teils hält man im Anschluss an Jean -> Bodin (1576) an der Formel fest, teils schwächt sich ihre Geltungskraft unter dem Einfluss von Jacques Cujas und danach der Aufklärung ab. Im 19. Jh. wird der Herrscher an die Gesetze gebunden (Bayern 1818, Württemberg 1819, Preußen 1850).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Wyduckel, D., Princeps legibus solutus, 1979; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 161, Nr. 94 (Vespasian, 69-79, Ulpian, um 170-223, Digesten 1, 3, 31)
Prinz (M.) Fürstensohn, Prinz, Fürst
Prinzeps -> princeps, Prinzipat
Prinzipalkommissar ist im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) der seit dem 15. Jh. erscheinende Vertreter des Kaisers auf dem Reichstag seit der Einrichtung des immerwährenden (ständig tagenden) Reichstages in Regensburg (1663).
Lit.: Moser, J., Deutsches Staatsrecht, Bd. 44 1751, 145; Bussi, E., Il
diritto pubblico del Sacro romano impero, Bd. 2 1959, 9
Prinzipat ist im römischen Recht die Herrschaft des princeps (Augustus 27 v. Chr. - 14 n. Chr.) vom Ende der Republik bis zum Übergang zum Dominat.
Lit.:
Söllner §§ 14, 19; Dulckeit/Schwarz/Waldstein §§ 25ff.; Köbler, DRG 32;
Schönbauer, E., Wesen und Ursprung des römischen Prinzipats, ZRG RA 47 (1927),
264; Kornemann, Doppelprinzipat und Reichsteilung, 1930; Nörr, D., Imperium und
Polis, 2. A. 1969; Volkmann, H., Zur Rechtsprechung im Prinzipat des Augustus,
2. A. 1969;
Prinzipat und Kultur, hg. v. Kühnert, B. u. a., 1995
Prinzregent ist der regierende -> Prinz.
Lit.: Schamari, H., Kirche und Staat, Bd. 1f. 1983
Prior (M.) Stellvertreter, Abt
prior tempore potior iure (lat.). Wer zuerst kommt, hat das bessere Recht.
Lit.: Kaser § 31 III 3; Wacke, A., Wer zuerst kommt, mahlt zuerst, JA 1981, 94; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 162, Nr. 98
Pristavel (M.) slawischer Ortsvorsteher, Fischereiaufseher (1375-1907)
Lit.: Vogel, W., Der Verbleib der wendischen Bevölkerung, 1960, 83
Privatautonomie ist der Grundsatz, dass der einzelne berechtigt ist, seine Lebensverhältnisse im Rahmen der Rechtsordnung eigenverantwortlich zu gestalten. Die P. ist der Ausgangspunkt menschlichen Lebens. Sie wird mit zunehmender Verstaatlichung eingeschränkt und deswegen in der Aufklärung als allgemeiner Grundsatz (lat. autonomia [F.] privata) hervorgehoben und vom Liberalismus betont.
Lit.: Köbler, DRG 214, 270; Püls, J., Parteiautonomie, 1995
Privatfürstenrecht ist das den Fürsten als Privatperson betreffende Recht, das nach älteren Ansätzen bei Grotius und Pufendorf im 18. Jh. als eigenes Rechtsgebiet erkannt wird. Es betrifft vor allem Erbrecht und Familienrecht, nach 1806 die Standesherren. Es endet in Deutschland mit dem Übergang zur Republik (Art. 109 II WRV).
Lit.: Struve, B., Jurisprudentiae heroicae, Bd. 1ff. 1743ff.; Mayer, C., Allgemeine Einleitung ins Privatfürstenrecht, 1783; Rehm, H., Modernes Fürstenrecht, 1904; Albers, B., Begriff und Wirklichkeit des Privatfürstenrechts, 2001; Mizia, R., Der Rechtsbegriff der Autonomie und die Begründung des Privatfürstenrechts, 1995
Privatgerichtsbarkeit ist die Gerichtsbarkeit im grundherrschaftlichen Hofgericht, Märkerding, Niedergericht und Patrimonialgericht. Sie endet spätestens 1877/9.
Privatrecht ist die Gesamtheit aller Rechtssätze, bei denen Berechtigter oder Verpflichteter nicht ausschließlich ein Träger hoheitlicher Gewalt in seiner Eigenschaft als solcher ist. Ein (lat.) -> ius (N.) privatum (privates Recht) unterscheidet bereits das römische Recht. Zu einer Herausbildung eines besonderen (lat.) ius (N.) publicum (öffentlichen Rechts) kommt es danach erst seit dem 16. Jh. Eine grundsätzliche Trennung zwischen öffentlichem Recht und P. erfolgt im 18. und 19. Jh. Sachlich zählen zum P. Personenrecht, Schuldrecht, Sachenrecht, Erbrecht und Familienrecht sowie Handelsrecht und (teilweise) Arbeitsrecht. Geprägt ist das P. besonders durch die Aufnahme römischen Rechtes seit dem Spätmittelalter.
Lit.: Kaser
§ 3 II; Söllner § 18; Hübner; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 1, 8, 54, 159,
184, 189; Eichhorn, H., Einleitung in das deutsche Privatrecht, 5. A. 1845;
Hedemann, J., Die Fortschritte des Zivilrechts im 19. Jahrhundert, Bd. 1 1910,
Neudruck 1963; Wieacker, F., Das Sozialmodell der klassischen
Privatrechtsgesetzbücher, 1953; Wilhelm, W., Zur juristischen Methodenlehre im
19. Jahrhundert, 1958; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A.
1967; Luig, K., Die Anfänge der Wissenschaft vom deutschen Privatrecht, Ius
commune 1 (1967), 195; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.;
Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, hg. v.
Coing, H. u. a., Bd. 1ff. 1974ff.; Steindl, H., Zur Genese des Privatrechts als
„allgemeinem Wirtschaftsrecht“, in: FG H. Coing, 1982, 349; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere
deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985; ; Godding, P., Le droit privé
dans les Pays-Bas méridionaux du 12e au 18e siècle, 1987; Schlosser, H., Grundzüge der neueren
Privatrechtsgeschichte, 8. A. 1996; Schröder, J., Privatrecht und öffentliches
Recht, FS J. Gernhuber, 1993, 961; Kocher, G., Privatrechtsentwicklung und
Rechtswissenschaft, 1997; Wolf, W., Vom alten zum neuen Privatrecht, 1998; Das
Öffentliche und Private in der Vormoderne, hg. v. Melville, G., 1998; Repgen,
T., Die soziale Aufgabe des Privatrechts, 2001; Hamza,
G., Die Entwicklung des Privatrechts auf römischrechtlicher Grundlage, 2003
Privatrechtsgeschichte ist die Geschichte des -> Privatrechts. Sie wird als P. der Neuzeit 1935 besonders eingerichtet. Sie ist Teil der umfassenden -> Rechtsgeschichte.
Lit.:
Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967; Wesenberg,
G./Wesener, G., Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985; Ourliac,
P./Gazzaniga, J., Histoire du droit privé, 1985; Floßmann, U., Österreichische
Privatrechtsgeschichte, 3. A. 1996; Schlosser, H., Grundzüge der neueren
Privatrechtsgeschichte, 8. A. 1996; Kocher,
G., Privatrechtsentwicklung, 2. A. 1997; Textbuch zur Privatrechtsgeschichte
der Neuzeit, hg. v. Hattenhauer, H. u. a., 2. A. 2002
Privatrechtssystem ist die Erfassung des Privatrechts in einem System. Ein solches P. ist dem römischen Recht höchstens in Ansätzen bekannt (z. B. -> Gaius) und auch dem Mittelalter fremd. Erst die Naturrechtslehrer des 17. Jh.s versuchen, (lat.) more geometrico (in geometrischer Art) ein P. zu entwickeln (-> Grotius, -> Pufendorf, -> Wolff, -> Nettelbladt), auf dessen Grundlage Kodifikationen geschaffen werden. Im 19. Jh. entstehen zeitgebundene geschlossene Systeme des Privatrechts (-> Savigny, -> Puchta, -> Gerber).
Lit.: Coing, H., Bemerkungen zum überkommenen Zivilrechtssystem, FS H. Dölle Bd. 1 1963, 25; Luig, K., Die Theorie der Gestaltung eines nationalen Privatrechtssystems, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 1 1974, 217; Schlosser, H., Das wissenschaftliche Prinzip der germanistischen Privatrechtssysteme, Gedächtnisschrift H. Conrad, 1979, 491; Otte, G., Der sog. Mos geometricus in der Jurisprudenz, Quaderni Fiorentini 8 (1979), 179; Lipp, M., Die Bedeutung des Naturrechts für die Ausbildung der Allgemeinen Lehren des deutschen Privatrechts, 1980
Privatstrafe ist die privat verhängte Strafe. Sie kommt dem Verletzten zugute oder wird von ihm vollzogen. Die P. wird mit der Verstaatlichung des gesellschaftlichen Lebens durch die öffentliche Strafe abgelöst.
Lit.: Levy, E., Privatstrafe und Schadensersatz im klassischen römischen Recht, 1915; Lange, H., Schadensersatz und Privatstrafe in der mittelalterlichen Rechtstheorie, 1955; Wieling, H., Interesse und Privatstrafe vom Mittelalter bis zum BGB, 1970; Liebs, D., Die Klagenkonkurrenz im römischen Recht, 1972
Privaturkunde ist für das Mittelalter die nicht von Kaiser, König oder Papst ausgestellte Urkunde, im heutigen Verständnis die von einer nicht hoheitlich tätigen Person ausgestellte Urkunde. Nach Brunner ist im Frühmittelalter (lat. [F.]) notitia die schlichte, objektiv gehaltene Beweisurkunde, (lat. [F.]) carta die dispositive, subjektiv gehaltene Konstitutivurkunde.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 4; Brunner, H., Carta und notitia, FS T. Mommsen 1877, 570; Posse, O., Die Lehre von den Privaturkunden, 1887, Neudruck 1974; Redlich, O., Die Privaturkunden des Mittelalters, 1911, Neudruck 1969; Steinacker, H., Die antiken Grundlagen der frühmittelalterlichen Privaturkunde, 1967; Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977
Privileg ist das einem oder mehreren einzelnen von einem Zuständigen im Gegensatz zur Allgemeinheit eingeräumte Vorrecht. Im altrömischen Recht ist (lat. [N.]) privilegium das Sondergesetz für den einzelnen dadurch nicht benachteiligten Menschen, später das Sonderrecht zugunsten bestimmter Menschengruppen. Im Mittelalter ist P. die begünstigende, als ausschließlich behauptete Herrschaftsrechte gewissermaßen weiterreichende Herrschaftshandlung zugunsten eines einzelnen, die meist in einer Urkunde festgehalten wird (z. B. etwa 900 Königsurkunden zur Immunität, 1400 Königsurkunden zur Gerichtsbarkeit). Die Gewährung eines Privilegs verändert Recht zugunsten des Empfängers. Seit dem 12. Jh. führt man die Befugnis zur Privilegierung auf die Gesetzgebungszuständigkeit zurück. In der Französischen Revolution (1789) werden in Frankreich alle Privilegien beseitigt. Im übrigen wird das P. im 19. Jh. durch den -> Gleichheitsgrundsatz eingeschränkt. Diese Entwicklung verstärkt sich im 20. Jh. noch
Lit.: Kaser
§ 3 VI; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 101, 102, 104, 114, 153, 167;
Lindner, D., Die Lehre vom Privileg, 1917; Ebel, W., Geschichte der
Gesetzgebung in Deutschland, 2. A. 1958, Neudruck 1988, 39; Mohnhaupt, H.,
Untersuchungen zum Verhältnis Privileg und Kodifikation, Ius commune 5 (1975),
71; Krause, H., Der Widerruf von Privilegien im frühen Mittelalter, Archival.
Z. 75 (1979), 118; Eisenhardt, U., Die kaiserlichen privilegia de non
appellando, 1980; Schulze, R., Geschichte der neueren vorkonstitutionellen
Gesetzgebung, ZRG GA 98 (1981), 185; Österreichische Fabriksprivilegien, hg. v.
Otruba, G. 1981; Diestelkamp, B., Einige Beobachtungen zur Geschichte des
Gesetzes, ZHF 1983, 396; Lucha, G., Kanzleischriftgut, 1993; Gieseke, L., Vom
Privileg zum Urheberrecht, 1995; Das Privileg im europäischen Vergleich, hg. v.
Dölemeyer, B. u. a., Bd.
1f. 1997ff.
privilegium (N.) de non appellando (lat.) Privileg des Ausschlusses der -> Appellation an die Reichsgerichtsbarkeit (bis zur Mitte des 15. Jh.s im weitem Umfang erteilt)
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3
privilegium (N.) de non evocando (lat.) Privileg des Ausschlusses der Ansichziehung (Evokation) eines Rechtsstreites seitens des Königs (bis 1487 bedeutsam)
privilegium (N.) dotis (lat.) Vorrecht der Mitgift nach römisch-gemeinem Recht
Lit.: Kaser § 31 III 3; Hübner 413, 689
privilegium (N.) impressorium (lat.) Druckprivileg
privilegium (N.) maius (lat.) sind die 1358/9 unter Rudolf IV. von -> Österreich hergestellten, fünf falschen Urkunden, in denen zwecks Gleichstellung mit den Kurfürsten und Benachteiligung der Brüder vom Fälscher Österreich bzw. seinem Herrscher zahlreiche Rechte gewährt werden (Erhebung zum Pfalzerzherzog, Unteilbarkeit, Ältestenerbrecht [des Sohnes und hilfsweise der Tochter], Belehnung in Österreich, Ausschließung des königlichen Hofgerichts, Beschränkung der Heerfolge auf eine symbolische Handlung, Beseitigung der Hoffahrtspflicht). Das auch für die zukünftig beherrschten Länder Österreichs gelten wollende (gefälschte) p. m wird von Kaiser Karl IV. nicht anerkannt. Die Anerkennung erfolgt aber unter den Habsburgern Friedrich III. (1442, 1453), Karl V. (1530) und Karl VI. (1729). Im 19. Jh. wird die plumpe Fälschung entlarvt und als p. m. (1852) bezeichnet.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 95, 111; Baltl/Kocher; Lhotsky, A., Privilegium maius, 1957; Appelt, H., Privilegium minus, 2. A. 1977; Fälschungen im Mittelalter, hg. v. Fuhrmann, H., Bd. 3 1988, 201
privilegium (N.) minus (lat.) ist das am 17. 9. 1156 von -> Friedrich I. Barbarossa dem Babenberger Heinrich Jasomirgott erteilte, seit 1852 als p. m. bezeichnete Privileg. Es beruht darauf, dass der nach dem Tod des aus Sachsen kommenden Kaisers Lothar von Süpplingenburg 1138 als Enkel Kaiser Heinrichs IV. zum König gewählte -> Staufer Konrad III. dem unterlegenen, mit einer Tochter Lothars verheirateten Mitbewerber Heinrich dem Stolzen aus der Familie der -> Welfen aus machtpolitischen Überlegungen das Herzogtum Bayern mit der Begründung entzieht, dass niemand gleichzeitig Herzog in zwei Herzogtümern sein könne, und es seinem Stiefbruder Leopold IV. aus der Familie der -> Babenberger als dem Markgrafen der Markgrafschaft -> Österreich zuteilt, Friedrich I. aber als Nachfolger Konrads III. den gegen den Entzug aufbegehrenden, inzwischen mündig gewordenen welfischen Vetter -> Heinrich den Löwen zufriedenstellen will. Zu diesem Zweck gewährt er trotz Widerspruchs des Babenbergers Heinrich Jasomirgott 1154 Bayern den Welfen zurück, löst hieraus aber 1156 Österreich als selbständiges, territorial (nicht völlig klar) gekennzeichnetes -> Herzogtum heraus. Der neue Herzog und seine Gattin werden gemeinsam belehnt. Es wird ihnen und ihren Nachfolgern die Erblichkeit im männlichen und im weiblichen Stamm (Weiberlehen) zugesichert. Bei Kinderlosigkeit sollen der belehnte Herzog und seine Gattin das Recht (lat. [N.] ius) haben, den Nachfolger frei zu bestimmen (lat. [Gen. Sg.] affectandi). Ohne Zustimmung des Herzogs soll niemand eine Gerichtsbarkeit im neuen Herzogtum ausüben. Die Pflicht des Herzogs, zu Hoftagen zu erscheinen, wird auf Hoftage in Bayern und die Pflicht zur Heerfolge auf Kriegszüge in benachbarten Ländern des Herzogtums beschränkt. Die notwendigen lehnrechtlichen Handlungen werden feierlich vollzogen (Rückgabe von sieben Fahnen für Bayern und Österreich durch Heinrich Jasomirgott an Friedrich I., Hingabe dieser sieben Fahnen durch Friedrich I. an Heinrich den Löwen, Rückgabe von zwei Fahnen durch Heinrich den Löwen an Friedrich I., Erhebung Österreichs zum Herzogtum, Überreichung zweier dies versinnbildlichender Fahnen durch Friedrich I. an Heinrich Jasomirgott). Vom p. m. ist das Original nicht erhalten, da es vermutlich 1358/9 bei der Erstellung des gefälschten privilegium maius vernichtet wird. Erhalten ist eine Abschrift der Mitte des 13. Jh.s aus Klosterneuburg.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 94; Baltl/Kocher; Appelt, H., Privilegium minus, 2. A.1977
privilegium (N.) Ottonianum (lat.) ist das in einer gleichzeitigen Prunkausfertigung erhaltene, die Rechte des Papstes einschließlich der karolingischen Schenkungen und der Vereinbarungen über die Papstwahl bestätigende Privileg Kaiser Ottos I. für Papst Johannes XII.
Lit.: Sickel, T., Das Privilegium Ottos I., 1983; Zimmermann, H., Das dunkle Jahrhundert, 1971, 134
probatio (lat. [F.]) Beweis
proceres (lat. [M.Pl.]) Vornehme, Große
Proculus (20/10 v. Chr. - 50/70 n. Chr.) ist ein römischer Jurist, der seit 33 n. Chr. Haupt der nach ihm benannten Rechtsschule ist, zu der -> Labeo filius und -> Nerva pater zählen und der die Rechtsschule des -> Sabinus gegenübersteht. Sein wichtigstes Werk sind (lat. [F.Pl.]) epistulae in wohl 12 Büchern. Daneben wird er von vielen bekannten Juristen zitiert.
Lit.: Söllner § 16; Köbler, DRG 30; Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 123; Krampe, C., Proculi Epistulae, 1970
procurator (lat. [M.]) ist im römischen Recht der Prozessvertreter oder Verwalter.
Lit.: Kaser §§ 11 II 1b, 20 I 1, 44 II 1, 49 II 4, 82 IV; Köbler, DRG 33, 44, 47, 57; Köbler, LAW
prodigus (lat. [M.]) ist bereits im altrömischen Recht der vom Magistrat durch Interdiktion entmündigte Verschwender, für den ein (lat. [M.]) curator (Pfleger) treuhänderisch handelt.
Lit.: Kaser §§ 14 V, 64 IV; Köbler, DRG 22
Produkthaftung ist die in Deutschland ab 1. 1. 1990 geltende, durch eine Richtlinie der -> Europäischen Gemeinschaft veranlasste -> Gefährdungshaftung des Herstellers eines Produktes. Sie steht neben der von der Rechtsprechung entwickelten Produzentenhaftung, ohne sie verdrängen zu können.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 271; Bartl, H., Produkthaftung nach neuen EG-Recht, 1989; Honsell, H., Produkthaftungsgesetz und allgemeine Deliktshaftung, JuS 1995, 211
Produzentenhaftung ist die in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s von der Rechtsprechung nach amerikanischem sowie französischem Vorbild entwickelte deliktische Haftung (Verschuldenshaftung) des Produzenten für von seinen Erzeugnissen verursachten Schaden (vgl. BGHZ 51, 91 Hühnerpest). Für bestimmte Pflichtverletzungen besteht dabei eine Verschuldensvermutung, wodurch die Bejahung von Schadensersatzansprüchen erleichert wird. Seit 1990 ist die P. durch eine Produkthaftung ergänzt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 271
Profess (lat. professio [F.] religiosa) ist die Ablegung des Ordensgelübdes (Armut, Keuschheit, Gehorsam). Bestimmte kirchenrechtliche Wirkungen (z. B. Erwerbsunfähigkeit, Ehehindernis, Erbunfähigkeit) treten seit dem 18./19. Jh. nach weltlichem Recht nicht mehr ein.
Lit.:
Hübner 57; Martin, A., Die Bedeutung des Ordensgelübdes, 1924; Erler, A.,
Kirchenrecht, 5. A. 1983
professio (F.) iuris (lat.) Bekenntnis zu einem für den Bekennenden anwendbaren Recht (vor allem zu einem -> Volksrecht im Frühmittelalter)
Lit.: Calasso, F., Medio evo del diritto, 1954,
117f., 186, 259
Professor ist seit dem Hochmittelalter (13. Jh.) vor allem der Universitätslehrer.
Lit.:
Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 143, 186; Schwarz, A., Der Einfluss der
Professoren auf die Rechtsentwicklung, in: Rechtsgeschichte und Gegenwart,
1960, 181; Ebel, W., Catalogus professorum Gottingensium 1734-1962, 1962; Pick,
E., Die Professoren des Rechts, FS O. v. Mühl, 1981, 509; Belloni, A.,
Professori giuristi a Padova, 1986; Geschichte der Universität in Europa, hg.
v. Rüegg, W., Bd. 1 1993, 139;
Schmeiser, M., Akademischer Hasard, 1994; Baumgarten, M., Professoren und
Universitäten, 1997; Willett, O., Sozialgeschichte Erlanger Professoren, 2001
Profos (zu lat. [M.] praepositus) Ankläger im Heer, Vollstreckungsbediensteter
pro herede gestio (lat [F.]) ist im klassischen römischen Recht das Verhalten wie ein Erbe, durch welches die Außenerben die Erbschaft annehmen.
Lit.: Kaser § 71 II 2a; Köbler, DRG 38
Prokulianer -> Proculus
Prokura ist die seit der Neuzeit vom Inhaber eines Handelsgeschäfts oder seinem gesetzlichen Vertreter erteilte besondere Vertretungsmacht.
Lit.:
Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 2. A. 1995, 342
Prokurator (lat. [M.] procurator) ist der Vertreter einer Partei in einem gerichtlichen Verfahren bezüglich der formgerechten Vornahme der Prozesshandlungen vor Gericht. Der vom Advokaten geschiedene P. ist dem römischen Recht wie dem kirchlichen Recht bekannt. Beim Reichskammergericht wird nach 1521 die Trennung beseitigt. Allgemein wird sie in Deutschland 1877/9 aufgegeben.
Lit.:
Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 43, 117, 153; Döhring, E., Geschichte der
deutschen Rechtspflege, 1953, 119; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht,
1966, 156, 453; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971, 161,
207, 211, 217;
Baumann, A., Das Reichskammergericht in Wetzlar, ZRG GA 115 (1998), 498;
Baumann, A., Anwälte am Reichskammerericht, 2001
Proletariat (N.) besitzlose Klasse
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 17, 177; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1984
promissio (lat. [F.]) Versprechen
Promptuarium (N.) iuris (lat.) ist ein alphabetisch geordnetes, 1408 bis 1422 von Ulrich von Albeck verfasstes Rechtslexikon, dessen Handschrift in Graz liegt.
Lit.: Pfaff, I., Das promptuarium iuris des Reichskanzlers und Bischofs Ulrich von Albeck, ZRG RA 42 (1921), 158
Property Acts (1922-5) sind neun das Sachenrecht betreffende Einzelgesetze des -> englischen Rechts.
Lit.: Baker, J., An
Introduction to English Legal History, 3. A. 1990
proprietas (lat. [F.]) Eigentum
Lit.: Kaser § 22 II 2; Köbler, DRG 60, 124; Köbler, G., Eigen und Eigentum, ZRG GA 95 (1978), 1
Propst ist im frühmittelalterlichen Kloster der dem Abt folgende Vorgesetzte, der teils vom -> Prior verdrängt wird, teils das Amt des -> Archidiakons erlangt. In der evangelischen Kirche lebt der P. bis zur Gegenwart fort.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Rauch, G., Pröpste, Propstei und Stift von S. Bartholomäus in Frankfurt, 1975
proscriptio (lat. [F.]) Ächtung
Lit.: Dufour, F.,
Weltgeschichte der Prostitution, 1905; Stumpp, B., Prostitution in der
römischen Antike, 1998; Falck, U., VEB Bordell, 1998; Gleß, S., Die
Reglementierung von Prostitution, 1999; Stumpp, E., Prostitution in der
römischen Antike, 2000
Protektorat ist seit dem 19. Jh. die Schutzherrschaft eines Staates oder mehrerer Staaten über einen Staat bzw. dessen Gebiet (z. B. 1806 Rheinbund, 1815 Republik Krakau, 1881 Tunesien, 1912 Marokko, 1914 Ägypten).
Lit.: Kienz., J., Die Staatenverbindungen, 1929, 288; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994
Protest ist allgemein die Rechtsverwahrung, die bis zu einem Akt politischer Opposition reichen kann (Hannover 1837). Im Wechselrecht ist P. seit der frühen Neuzeit die öffentliche Beurkundung der Verweigerung der Annahme oder Zahlung bei Vorlage bestimmter Wertpapiere.
Lit.: Kück,
H., Die „Göttinger Sieben“, 1934; Becker, H., Protestatio, Protest, ZHF 5
(1978), 385;
Ehls, M., Protest und Propaganda, 1997
Protestant ist allgemein der Protestierende, insbesondere der gegen die kaiserliche Religionspolitik des 16. Jh.s und einen Beschluss der katholischen Reichstagsmehrheit im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) (in Speyer am 19. 4. 1529) für eine bestimmte religiöse Einstellung Protestierende.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 130; Hinschius, P., Das Kirchenrecht der Katholiken und
Protestanten, Bd. 1ff. 1869ff., Neudruck 1959; Reingrabner, G., Protestanten in
Österreich, 1981; Graf, E., Der Protestantismus,
2000
protestatio facto contraria non valet (lat.) Die im Widerspruch zum Handeln stehende Verwahrung gilt nicht.
Lit.: Teichmann, A., Protestatio facto contraria, FS K. Michaelis, 1972, 294; Köhler, H., Kritik der Regel, JZ 1981, 454; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 165, Nr. 125 (Glosse Protestetur zu Liber sextus 1, 6, 25)
Protokoll ist im engeren Sinn ein Teil einer Urkunde, im weiteren Sinn eine durch Unterschrift oder Genehmigung als richtig anerkannte Niederschrift über eine Verhandlung.
Lit.: Kaser § 87 II 6; Kroeschell, DRG 2, 3; Protocolle der deutschen Bundesversammlung, 1816-1848, 1851-1866; Protocolle der Commission zur Ausarbeitung eines allgemeinen deutschen Obligationenrechts, Dresden 1866, 1984; Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs, bearb. v. Achilles, A. u. a., Bd. 1ff. 1987ff., Neudruck 1984; Frenz, T., Papsturkunden, 1986
Protonotar (M.) oberster Schreiber
protonotarius (lat. [M.]) ist der oberste Schreiber, der im Deutschen Reich seit dem 12. Jh. (1150 Reichskanzlei) erscheint.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Bresslau, H., Handbuch der Urkundenlehre, Bd. 1 2. A. 1912
Provence ist das die älteste römische Provinz in Gallien bildende Gebiet zwischen Mittelmeer, Rhone, Var und Alpen. Die P. kommt 1032 an das -> Deutsche Reich, 1481 an -> Frankreich. Sie ist dort ein Gebiet des Schriftrechts (römischen Rechts).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Busquet, R., Histoire de la Provence, 4. A. 1966; Poly, J., La Provence, 1976
Provinz ist ein räumlicher Teil eines Staates oder einer sonstigen Einrichtung (z. B. nach römischem Vorbild seit dem 4. Jh. die christliche Kirche) seit dem römischen Altertum (227 v. Chr.). In Rom steht ein Statthalter an der Spitze der 297 n. Chr. mehr als 100 Provinzen. Im Frühmittelalter entspricht die P. dem Siedlungsgebiet eines Volkes. In der Neuzeit teilen verschiedene Staaten ihr Gebiet in Provinzen (Frankreich bis 1789, Preußen 1815).
Lit.:
Söllner §§ 12, 14; Holtzmann, R., Französische Verfassungsgeschichte, 1910;
Wagner, P., Die geschichtliche Entwicklung der Metropolitangewalt, Diss. phil.
Bonn 1917 masch.schr.; Jeserich, K., Die preußischen Provinzen, 1931; Feine,
H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A.
1983; Die
Provinzen des römischen Reiches, hg. v. Bechert, T.,
1998
Provinziallandtag ist der Landtag einer Provinz.
Lit.:
Croon, G., Der rheinische Provinziallandtag bis zum Jahre 1874, 1918; Schubert, W., Preußen
im Vormärz, 1999
Provinzialrecht ist das besondere Recht einer Provinz im Verhältnis zum allgemeinen Recht.
Lit.: Kamptz, v., Die Provinzial- und statutarischen Rechte der preußischen Monarchie, Bd. 1ff. 1804ff.
Provinzialstand ist ein die -> Provinz betreffender -> Stand (Landstand, z. B. in Preußen).
Lit.: Stephan, J., Die Entstehung der Provinzialstände in Preußen 1823, Diss. phil. Berlin 1914; Roebers, R., Die Einrichtung der Provinzialstände in Westfalen, Diss. phil. Münster 1915; Birtsch, G., Gesetzgebung und Repräsentation, HZ 208 (1969), 265
pro viribus hereditatis (lat.) (für die Mittel der Erbschaft) ist die Beschränkung der Haftung des Erben auf den Wert des Nachlasses.
Lit.: Köbler, DRG 162
Provision ist im Kirchenrecht seit dem Mittelalter die Übertragung eines freien Kirchenamtes durch die zuständige Stelle an einen geeigneten Menschen.
Lit.:
Bauer, H., Päpstliche Provisionen für niedere Pfründen, 1911; Schmidt-Rimpler,
W., Geschichte des Kommissionsgeschäfts, 1915; Feine, H., Kirchliche
Rechtsgeschichte, 5. A. 1972
provocatio (lat. [F.]) Anrufung der Volksversammlung gegen ein magistratisches Strafurteil
Lit.: Köbler, DRG 20; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
Prozess ist ein rechtlich geordneter, von Lage zu Lage sich entwickelnder Vorgang zur Gewinnung einer (richterlichen) Entscheidung über ein behauptetes materielles Rechtsverhältnis. Das gerichtliche Verfahren entsteht vermutlich aus der rechtlichen Ordnung des außergerichtlichen Streites wegen der mit der -> Selbsthilfe verbundenen schädlichen Folgen ganz allmählich. Bereits das altrömische Recht verlangt dabei, dass in allen nicht ganz eindeutigen Streitfällen eine Überprüfung in einem öffentlichen Verfahren (Erkenntnisverfahren) stattfindet und dass der verfolgende Zugriff (Vollstreckungsverfahren) nur in bestimmten Formen erfolgt. Kennzeichnend ist die wohl der Entlastung der Höchstmagistrate und zugleich der Rechtssicherheit der Betroffenen dienende Zweiteilung des Verfahrens in zwei Abschnitte (lat. in iure, vor Gericht bzw. apud iudicem, vor dem Richter). In Fällen allgemeiner Bedeutung befindet vielleicht anfangs der König, danach ein einzelner Magistrat, gegen deren Entscheidung jeder männliche freie Bürger die Volksversammlung anrufen kann (lat. [F.] -> provocatio). Später wird das Legisaktionenverfahren (-> legisactio) zum -> Formularverfahren und dieses zum -> Kognitionsverfahren. Über Verfahren bei den Germanen berichtet Tacitus (98 n. Chr.) in Umrissen. Das Frühmittelalter überliefert eine Reihe von Berichten über einzelne Verfahren, welche das Nebeneinander von Richtern und Urteilern (Rachinburgen, Schöffen) erkennen lassen. Seit dem 12. Jh. wird in Anknüpfung an das römische Recht Prozessrechtsliteratur sichtbar. Seit dem Spätmittelalter wird der in Oberitalien ausgebildete römisch-kanonische P. (-> Schriftlichkeit, tatsächlicher Anwaltszwang, Artikulierung, -> Berufsrichter, -> Appellation, Reichskammergerichtsprozess, Reichshofratsprozess, sächsischer Prozess) aufgenommen und der Strafprozess verselbständigt. Im 19. Jh. setzt sich der in Frankreich ausgebildete liberale P. durch. Die Zahl der Prozesse ist groß.
Lit.: Kaser
§§ 80ff.; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 19f. u. ö.; Hübner, R., Der
Immobiliarprozess der fränkischen Zeit, 1893; Quellen zur Geschichte des
römisch-kanonischen Prozesses, hg. v. Wahrmund, L., Bd. 1ff. 1905ff.; Klibansky,
E., Gerichtsszene und Prozessform, 1925; Buchda, G., Die Rechtsmittel im
sächsischen Prozess, ZRG GA 75 (1958), 274; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht,
1966; Nörr, K., Die Stellung des Richters im gelehrten Prozess der Frühzeit,
1967; Behrends, O., Der Zwölftafelprozess, 1974; Werkmüller, D., „Et ita est
altercatio finita“, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G.,
1987, 592; Macht und Recht, hg. v. Demandt, A., 1990; Prozessflut?, hg. v.
Blankenburg, E., 1989; Große Prozesse, hg. v. Schultz, U., 3. A. 2001; Große Prozesse der römischen
Antike, hg. v. Manthe, U. u. a., 1997; Dubischar, R., Prozesse die Geschichte
machten, 1997; Prozessakten als Quelle, hg. v. Baumann, Anette, 2001; Zwicky,
M., Prozess und Recht im alten Zug, 2002
Prozessbuße ist die Buße einer Partei, eines Richters, Urteilers, Zeugen oder Schelters bei Verletzung einer Regel im - > Prozess. Sie findet sich vom Frühmittelalter bis in die Neuzeit.
Lit.: Sohm, R., Der Prozess der Lex Salica, 1867, Neudruck 1971; Bethmann Hollweg, M. v., Der Zivilprozess des gemeinen Rechts, Bd. 5 1873, 176; Lampe, W., Die dilatura im germanischen Recht, Diss. jur. Göttingen 1921 masch.schr.; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971, 435; Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichtsprozess am Ende des alten Reiches, Diss. jur. Münster 1966; Wesener, G., Römisch-kanonisches Prozessrecht, FS G. Schmelzeisen, 1980, 360
Prozessfähigkeit ist die Fähigkeit Prozesshandlungen selbst oder durch einen Prozessbevollmächtigten wirksam vorzunehmen oder entgegenzunehmen. Sie wird erst im 19. Jh. von der Parteifähigkeit und der Postulationsfähigkeit getrennt. Im älteren Recht ist sie entsprechend der Geschäftsfähigkeit ständisch geprägt und im einzelnen örtlich und zeitlich verschieden gestaltet.
Lit.: Kaser § 82 II 3e; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1879, Neudruck 1973, 167; Etzbach, E., Die Stellung der Parteien im Prozess, Diss. jur. Köln 1973
Prozessformel ist bereits im altrömischen Recht die zu jeder -> Legisaktion gehörige, genau vorgeschriebene Spruchformel. Sie besteht nach ihrer Vermehrung im Formularprozess aus (lat. [F.]) praescriptio, intentio und condemnatio. Auch das englische Prozessrecht kennt seit dem Hochmittelalter eine beschränkte Zahl von Formularen des -> writ.
Lit.: Kaser § 83; Köbler, DRG 19, 33
Prozessgefahr ist im Hochmittelalter die Gefahr (mhd. vare), den -> Prozess durch bloßes Versprechen beim Vortrag vor Gericht zu verlieren. Ihre Herkunft ist unklar (germanisch?, gelehrt). Zur Umgehung bedient man sich des -> Fürsprechers als eines Vertreters im Wort, dessen Vortrag die Partei genehmigen muss. Sichtbar wird die P. in Stadtrechten, die ihren Ausschluss als Privilegierung erwähnen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 116; Siegel, H., Die Gefahr vor Gericht und im Rechtsgang, 1866
Prozesshandlung ist die prozessgestaltende Beteiligung der Partei und der Streitgehilfen bzw. ihrer Vertreter an einem -> Prozess (z. B. Klage). Als allgemeiner Begriff wird die P. von -> Nettelbladt (1719-1791) erkannt.
Lit.: Köbler, DRG 156
Prozesskosten sind die bei einem -> Prozess entstehenden Kosten. Sie trägt bereits im spätantiken römischen Recht die unterliegende Partei. Seit dem Spätmittelalter lösen die dem Staat zustehenden P. die dem Richter unmittelbar anfallenden Ansprüche ab. Dabei wird der Grundsatz, dass der Unterliegende die Kosten zu tragen habe, durch zahlreiche Ausnahmen durchbrochen. Seit dem Ende des 18. Jh.s werden diese Ausnahmen zurückgedrängt.
Lit.: Kaser § 87 I 8; Köbler, DRG 56; Weber, A., Über die Prozesskosten, 5. A. 1811; Smend, R., Das Reichskammergericht, 1911, Neudruck 1965, 333; Sellert, W., Die Akzessorietät von Kostentragung und Prozesserfolg, FS A. Erler, 1976, 509
Prozesskostenhilfe ist die in Deutschland 1980 das ältere -> Armenrecht ablösende finanzielle Unterstützung einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Führung eines Prozesses nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann.
Lit.: Köbler, DRG 263; Birkl, N., Prozesskosten- und Beratungshilfe, 2. A. 1981
Prozessmaxime ist ein leitender Grundsatz des Verfahrensrechts (z. B. Mündlichkeit/Schriftlichkeit, Öffentlichkeit/Heimlichkeit, Parteibetrieb/Amtsbetrieb, Verhandlungsgrundsatz, Untersuchungsgrundsatz, Instruktionsmaxime, Eventualmaxime, Unmittelbarkeit, Konzentrationsmaxime). Bewusst formuliert werden die Prozessmaximen erst im 19. Jh.
Lit.: Gönner, N., Handbuch des deutschen gemeinen Prozesses, 1801; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Jauernig, O., Verhandlungsmaxime, Inquisitionsmaxime und Streitgegenstand, 1967; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971, 332; Caenegem, R., History of European Civil Procedure, 1973; Damrau, J., Die Entwicklung einzelner Prozessmaximen, 1975
Prozessordnung ist die gesetzliche Ordnung des -> Prozesses auf der Grundlage des seit dem 12. Jh. erscheinenden Schriftums. -> Zivilprozessordnung, Strafprozessordnung -> Gerichtsordnung
Lit.: Marquordt, G., Vier rheinische Prozessordnungen, 1938
Prozesspartei ist die -> Partei im -> Prozess.
Lit.: Kaser § 82; Söllner § 9; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1879, Neudruck 1973, 167; Köbler, G., Klage, klagen, Kläger, ZRG GA 92 (1975), 1
Prozessrecht ist das für den -> Prozess geltende Recht. Es ist in der älteren Zeit vielfach Gewohnheitsrecht, seit dem Spätmittelalter zunehmend gesetztes Recht. Im 19. Jh. werden P. und materielles Recht stärker getrennt.
Lit.: Söllner §§ 8, 9, 16; Kroeschell, DRG 2; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Simshäuser, W., Zur Entwicklung des Verhältnisses von materiellem Recht und Prozessrecht, 1965; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Endres, P., Die französische Prozessrechtslehre, 1985; Wolf, K., Privatrecht, Prozessrecht und Notariat, Diss. jur. Gießen 1988
Prozessverschleppung ist die gewollte Verzögerung eines Rechtsstreits durch verspätetes Vorbringen von Behauptungen und Beweismitteln. Sie ist bereits für den spätantiken römischen Prozess ein Problem. Dieses wird auch im mittelalterlichen gelehrten Prozessrecht erkannt. Die im 16./17. Jh. zur Abhilfe eingeführte -> Eventualmaxime erreicht ihren Zweck ebensowenig wie preußische Beschleunigungsmaßnahmen von 1781 und 1793. Auch die deutsche Zivilprozessordnung von 1877/9 löst die Frage nicht erfolgreich.
Lit.: Söllner § 8; Kroeschell, DRG 2; Wesener, G., Das innerösterreichische Landschrannenverfahren, 1963; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966, 413, 496; Schubert, W., Das Streben nach Prozessbeschleunigung, ZRG GA 85 (1968), 127; Damrau, J., Die Entwicklung einzelner Prozessmaximen, 1975
Prozessvertretung ist die Vertretung des Klägers oder des Beklagten im -> Prozess. Sie ist im römischen Recht zulässig, doch wirkt der im Namen eines anderen geführte Prozess nicht ohne weiteres für und gegen den Vertretenen, so dass die vom (lat. [M.]) cognitor oder procurator erzielten Wirkungen besonders auf den Vertretenen übergeleitet werden müssen. Im Mittelalter wird zur Vermeidung der -> Prozessgefahr ein -> Fürsprecher und allmählich auch ein Vertreter in der Sache zugelassen (Königsgericht, Stadtrechte 13. Jh., Kammergerichtsordnung 1471). Seit der Wiederentdeckung des römischen Rechts zieht dabei der gelehrte Jurist als -> Advokat oder -> Prokurator die P. mehr und mehr an sich.
Lit.: Kaser § 82 IV; Köbler, DRG 116; Bethmann Hollweg, M. v., Der germanisch-romanische Zivilprozess, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1f. 1989, Neudruck 1973
Prügelstrafe ist die mit einem Prügel vollzogene Leibesstrafe. Sie ist anscheinend in älterer Zeit eine auf Unfreie und später auch niedrige Freie beschränkte Maßnahme. Seit dem Hochmittelalter wird sie auch allgemeiner an Freien vollzogen. Im 19. Jh. wird die P. beseitigt (Nassau 1809, Baden 1831, Braunschweig 1837, Darmstadt 1841, Preußen 1848, Österreich 1848 [bis 1852], Bayern 1861, Mecklenburg 1871).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961, 983; Quanter, R., Die Leibes- und Lebensstrafen, 2. A. 1906, Neudruck 1970, 329; Malfér, S., Die Abschaffung der Prügelstrafe, ZRG GA 102 (1985), 206; Gebhardt, J., Prügelstrafe und Züchtigungsrecht, 1994
Przemyslide (Premyslide) ist der Angehörige eines
sich auf einen Przemysl bzw. Premysl (den Pflüger) zurückführenden, vor 890
sichtbaren Geschlechts, welches die Herrschaft in -> Böhmen erlangt, aber
1306 erlischt.
Lit.: Köbler,
Historisches Lexikon; Wegener, W., Die Premysliden, 1957; Handbuch der
Geschichte der böhmischen Länder, hg. v. Bosl, K., Bd. 1 1966; Zemlicka, J.,
Premysl Otakar I., 1990
Pseudoisidorische Fälschungen (Isidor Mercators) sind mehrere (zugunsten der Bischöfe) fälschende Sammlungen kirchenrechtlicher Bestimmungen der Mitte des 9. Jh.s mit rund 10000 Einzelteilen (unter Verwendung etwa der Historia tripartita des Epiphanius-Cassiodor der einstmals Corbier Handschrift Sankt Petersburg, Russische Nationalbibliothek Lat. F. v. I. 11 oder der Konzilsakten von Chalkedon in der Version des Rusticus der einstmals Corbier Handschrift Paris, Bibliothèque Nationale Lat. 11611). Vermutlich werden die pseudoisidorischen Fälschungen (auf dem politischen Hintergrund des Streits um die Einheit des Karolingerreichs zwischen 829 und 835 unter dem kaiserfeindliche Bischöfe maßregelnden Kaiser Ludwig dem Frommen) im westfränkischen Gebiet zwischen 847 und 852 von mehreren Verfassern (unter Abt Paschasius Ratbertus von Corbie an der Somme?) hergestellt. Der Gesamtnachweis der Fälschung gelingt erst der neuzeitlichen Wissenschaft.
Lit.: Fuhrmann,
H., Einfluss und Verbreitung der pseudoisidorischen Fälschungen, Bd. 1ff.
1972ff.; Fälschungen im Mittelalter, hg. v. Fuhrmann, H., Bd. 2 1988, 111; Zechiel-Eckes, K., Fälschung hinter Klostermauern, 2001
(Konstanzer Arbeitskreis); Fortschritt durch Fälschungen?, hg. v. Hartmann, W.
u. a. 2002
publicanus (lat. [M.]) ist im klassischen
römischen Recht der wohl seit dem 4. Jh. zur Verwirklichung eines Systems
indirekter Finanzverwaltung tätige, im Prinzipat durch öffentliche Verwaltung
ersetzte Steuerpächter.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 18; Köbler, DRG 32; Baldian, E., Zöllner und Sünder, 1997
Publikation (F.) Veröffentlichung (von Gesetzen)
Lit.: Liebenow, W., Die Promulgation, Diss. jur. Greifswald 1901; Englisch, P., Die Publikation der Gesetze und Verordnungen, Diss. jur. Breslau, 1912; Hubrich, E., Die Entwicklung der Gesetzespublikation in Preußen, 1918; Wolf, A., Gesetzgebung und Stadtverfassung, 1968
Publizistik (F.) Veröffentlichungskunde, Gesamtheit der Veröffentlichungen, Staatsrechtslehre
Lit.: Wende, P., Die geistlichen Staaten, 1966; Darmstadt, R., Der deutsche Bund in der zeitgenössischen Publizistik, 1971; Roeck, B., Reichssystem und Reichsherkommen, 1984; Das Publikum politischer Theorie, hg. v. Miethke, J., 1992
Publizität ist die Offenkundigkeit bzw. die mit einer jedermann erkennbaren Eintragung in ein öffentliches Register verbundene Rechtswirkung. Das Prinzip der P. findet sich in verschiedener Gestalt in fast allen Zeiten. Seine Zurückdrängung in der frühen Neuzeit wird im 19. Jh. wieder beseitigt.
Lit.: Kaser §§ 18 I 3a, 22 II 2b, 24 II 1, 32 II 4c, 76 II 2; Hübner 15f., 147; Ramella, A., La publicità nel diritto moderno, 1901; Meyer, H., Das Publizitätsprinzip, 1909; Keim, O., Das sog. Publizitätsprinzip, 1930; Planitz, H., Das deutsche Grundpfandrecht, 1936
Puchta, Georg Friedrich (Cadolzburg 31. 8. 1798 - Berlin 8. 1. 1846), Justizamtmannssohn, wird nach der Schule in Nürnberg (Hegel) und dem Rechtsstudium in Erlangen 1823 außerordentlicher Professor in Erlangen, 1828 ordentlicher Professor in München, 1835 in Marburg, 1837 in Leipzig und 1842 als Nachfolger Savignys in Berlin. Nach P. ist der von den -> Juristen geprägte -> Volksgeist die Quelle des zugleich geschichtlichen und vernünftigen Rechts. Da das Recht vernünftig ist, bildet es ein System. In Erkenntnis dieses Systems fördert die Wissenschaft durch Deduktion neu entstehende Rechtssätze zutage (-> Begriffsjurisprudenz). In seinen Lehrbüchern stellt P. allerdings im wesentlichen nur das geltende Recht systematisch dar. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s wird seine zeitgebundene, Außerjuristisches ausschließende Betrachtungsweise zunehmend abgelehnt.
Lit.: Köbler, DRG 185, 186, 188; Puchta, G., Das Gewohnheitsrecht, Bd. 1f. 1828ff.; Puchta, G., Lehrbuch der Pandekten, 1838; Puchta, G., Cursus der Institutionen, Bd. 1f. 1841f., 10. A. 1893ff.; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967; Bohnert, J., Über die Rechtslehre Georg Friedrich Puchtas, 1975; Bohnert, J., Beiträge zu einer Biographie Georg Friedrich Puchtas, ZRG 96 (1979), 229; Ogorek, R., Richterkönig oder Subsumtionsautomat?, 1986, 198; Landau, P., Puchta und Aristoteles, ZRG RA 109 (1992), 1; Hannes, F., Puchta als Kirchenrechtler, Diss. jur. Bonn 1995
puer (lat. [M.) Knabe, Knecht
Pufendorf, Friedrich Esajas von (Bückeburg 12. 9. 1707 - Celle 25. 8. 1785), Oberappellationsgerichtsratssohn und Großneffe Samuel von Pufendorfs, wird nach dem Rechtsstudium in Halle (Böhmer, Thomasius, Wolff) Advokat in Celle und 1739 Richter. Neben anderem verfasst er (bis 1772?) einen Entwurf eines Landrechtes von -> Hannover in 128 Titeln und 1570 Paragraphen.
Lit.: Ebel, W., Friedrich Esajas Pufendorfs Entwurf eines hannoverschen Landrechts, 1970
Pufendorf, Samuel von (Dorfchemnitz bei Sayda 8. 1. 1632 - Berlin 26. 10. 1694), Pfarrerssohn, wird nach der Schule in Grimma und einem mehrseitigen Studium in Leipzig und Jena Hauslehrer, 1661 Professor des Natur- und Völkerrechts der philosophischen Fakultät in Heidelberg, 1670 Professor in Lund, dann Hofgeschichtsschreiber in Stockholm und 1688 in Berlin. 1667 veröffentlicht er unter dem Namen Severinus de Monzambano das kritische Werk (lat.) De statu imperii Germanici (Vom Zustand des deutschen Reichs), 1672 De iure naturae et gentium libri octo (Vom Naturrecht und Völkerrecht acht Bücher) und in kürzerer Fassung 1673 De officio hominis et civis (Von der Pflicht des Menschen und Bürgers). Dabei verwertet er die neuen naturwissenschaftlichen Erkenntnisse umfassend und bildet in geometrischer Art für das private Recht ein Gesamtsystem von Vernunftsätzen, die dem vernünftigen einzelnen einleuchten müssen (Naturrecht als Pflichtenlehre).
Lit.:
Köbler, DRG 144, 146, 147, 148, 159, 165, 166, 206; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967, 306; Denzer, H.,,
Moralphilosophie und Naturrecht bei Samuel von Pufendorf, 1972; Stolleis, M.,
Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1 1988, 232, 282; Döring, D.,
Pufendorf-Studien, 1992; Über die Pflicht des Menschen und des Bürgers, hg. v.
Luig, K., 1994; Behme,
T., Samuel von Pufendorf, 1995; Samuel Pufendorf und die Frühaufklärung, hg. v.
Palladini, F. u. a., 1996;
Samuel Pufendorf, Gesammelte Werke, hg. v. Schmidt-Biggemann, W., Bd. 1ff
1996ff.; Samuel Pufendorf und seine Wirkungen, hg. v. Geyer, B. u. a., 1997;
Palladini, F., La Biblioteca di Samuel Pufendorf, 1999; Müller S., Gibt es
Menschenrechte bei Samuel Pufendorf? 2000
punitur ne peccetur (lat.). Bestraft wird, damit kein Unrecht geschieht.
Lit.:
Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A.
1991, 166, Nr. 131
punitur quia peccatum est (lat.). Bestraft wird, weil Unrecht begangen wurde.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 166, Nr. 132
Pupillarsubstitution ist im klassischen römischen Recht die Bestimmung eines Erben für einen als Ersatzerben eingesetzten Abkömmling durch den Erblasser.
Lit.: Kaser § 68 II 5b; Söllner § 11; Köbler, DRG 38
Purgold, Johannes (um 1470 - Eisenach nach 1534) ist von 1490 bis 1534 Stadtschreiber von -> Eisenach. 1503/4 bearbeitet er das Eisenacher Rechtsbuch des Johannes Rothe in einem in 3 Handschriften erhaltenen, in 12 Bücher eingeteilten Rechtsbuch, das er später ergänzt. Er hat juristische Kenntnisse, ohne dass er als Student der Rechtswissenschaft nachweisbar ist.
Lit.: Das Rechtsbuch Johannes Purgoldts, hg. v. Ortloff, F., 1860, Neudruck 1967; Johannes Rothe, Eisenacher Rechtsbuch, hg. v. Rondi, P., 1950, XIV; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 57f.
Pütter, Johann Stephan (Iserlohn 23. 6. 1725 - Göttingen 12. 8. 1807), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Marburg (1738, Wolff), Halle (Heineccius, Böhmer, Ludewig), Jena (Estor) und Marburg 1744 Rechtslehrer in Marburg und 1746 Professor in -> Göttingen. Dort wird er der bedeutendste Staatsrechtslehrer seiner Zeit. Daneben ist er der erste wirkliche Verfassungsgeschichtler, gibt den Anstoß zu Überlegungen zu juristischer Systematik, bereitet die moderne Rechtsvergleichung vor und legt mit dem -> geistigen Eigentum den Grund für ein fortschrittliches -> Urheberrecht.
Lit.: Pütter, J., Neuer Versuch einer juristischen Encyclopädie und Methodologie, 1767; Pütter, J., Institutiones iuris publici Germanici, 1770; Pütter, G., Der Büchernachdruck, 1774; Pütter, G., Historische Entwicklung der heutigen Staatsverfassung, Teil 1ff. 1786, Neudruck 2001; Mohl, R. v., Die Geschichte und Literatur der Staatswissenschaften, Bd. 2 1856, 425; Schlie, U., Johann Stephan Pütters Reichsbegriff, 1961; Marx, H., Die juristische Methode der Rechtsfindung, Diss. jur. Göttingen 1967; Ebel, W., Der Göttinger Professor Johann Stephan Pütter, 1975; Rechtswissenschaft in Göttingen, hg. v. Loos, F., 1987, 75
Q
Quadripartitus ist ein um 1114 entstandenes, in vier Teile gegliedertes, in zwei Teilen erhaltenes anglolateinisches Rechtsbuch, in welchem ein Weltgeistlicher kontinentaler Herkunft angelsächsische Gesetze in die lateinische Sprache übersetzt und um 1100 entstandene Staatsschriften sammelt. Teil 3 ist vermutlich in den (lat.) -> Leges (F.Pl.) Henrici Primi erhalten.
Lit.: Liebermann, F., Quadripartitus, 1892; Richardson, H./Sayles, G., Law and Legislation, 1966
quadrupes (lat. [Adj., M., F.]) vierfüßig, Vierfüßler
Lit.: Köbler, DRG 27, 48
quadruplum (lat. [N.]) Vierfaches
Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 48, 65
quaestio (lat. [F.]) Frage, Untersuchung
Lit.: Köbler, DRG 34; Bazan, B./Wippel, J., Les questions
disputées, 1985;
Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Quaestiones ac monita (lat.) ist der Name für eine vielleicht zwischen 967 und 1019 entstandene, in einer Handschrift des 11. Jh.s der Abtei Susa (Piemont) gefundene Sammlung von kurzen Stücken des salfränkischen, langobardischen und römischen Rechts.
Lit.: Conrat, M., Geschichte der Quellen, 1891, 67, 274
quaestor (lat. [M.]) Sucher, Frager, Ermittler (von Vermögenswerten)
Lit.: Söllner § 6; Köbler, DRG 18
quanti interest (lat.) was es ihm wert ist
Lit.: Köbler, DRG 42
quanto locupletior (lat.) um wieviel reicher
Lit.: Köbler, DRG 36
quarta (F.) Falcidia (lat.) ist im klassischen römischen Recht das falzidische Viertel des Vermögens, das nach einer lex Falcidia (40 v. Chr.) der Erblasser zugunsten der Erben von Belastungen durch Vermächtnisse unberührt lassen muss.
Lit.: Kaser §§ 67 II 3, 76 V 2, 77 II 6; Söllner § 15; Köbler, DRG 39
Quartierlast ist die nach Anfängen in Spätantike und Frühmittelalter seit dem 15. Jh. deutlicher erkennbare Belastung der Bevölkerung mit einer Unterbringungslast zugunsten von Soldaten.
Lit.: Löbel, K., Naturalleistungen, Diss. jur. Leipzig 1908; Böhmert, H., Die Quartierleistungspflicht, Diss. jur. Leizpig 1937; Paetzold, F., Das Bundesleistungsgesetz, Diss. jur. Göttingen 1961
Quasidelikt ist das dem Delikt nahestehende Schuldverhältnis des spätantiken römischen Rechts (z. B. Schädigung durch Übernahme einer überfordernden Aufgabe).
Lit.: Kaser §§ 36 IV, 46 III 3, 51 VI; Köbler, DRG 62; Feenstra, R., Die Quasi-Delikte bei Hugo Grotius, in: Iurisprudentia universalis, 2002, 175
Quasikontrakt ist das dem Vertrag nahestehende Schuldverhältnis des spätantiken römischen Rechts (z. B. Gemeinschaft).
Lit.: Kaser §§ 38 I 2, 43 II 2, 44 II 1; Köbler, DRG 62
quattuor doctores (lat. [M.Pl.) vier Lehrer des römischen Rechts im 12. Jh. (Bulgarus, Hugo, -> Jacobus, -> Martinus)
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 106; Pace, G., Garnerius
Theutonicus, Rivista internazionale di diritto comune 2 (1991), 123; Lange, H., Römisches
Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
querela (F.) inofficiosi testamenti (lat.) ist seit dem klassischen römischen Recht die Beschwerde des pflichtwidrigen Testamentes, mit der Kinder und Geschwister eines freigeborenen Erblassers ein Testament vor den Zentumviri, später im Kognitionsverfahren, anfechten können, wenn es gegen die sittliche Pflicht verstößt, dem Berechtigten mindestens ein Viertel des ihm nach natürlicher Erbfolge zustehenden Anteils zu hinterlassen.
Lit.: Kaser §§ 9 I 1, 59 I, 65 II 2, 70 I; Köbler, DRG 38, 60
Quesnay, François (1694-1774) ist der bekannteste Vertreter des -> Physiokratismus.
Lit.: Köbler, DRG 134; Guyot, Y., Quesnay et la physiocratie, 1896
quidquid non agnoscit glossa, non agnoscit curia (lat.). Was die -> Glosse (als Ergebnis der Tätigkeit der -> Glossatoren) nicht anerkennt, anerkennt das Gericht nicht.
qui tacet consentire videtur (lat.). Wer schweigt, scheint zuzustimmen.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 176, Nr. 80 (Bonifaz VIII. um 1235-1303, Liber sextus 5, 13, 43)
Quittung ist das bereits dem klassischen römischen Recht bekannte schriftliche Empfangsbekenntnis des Gläubigers einer Schuld.
Lit.: Kaser
§ 53 I 1; Dilloo, W., Die Quittung, Diss. jur. Berlin 1895; Dryander, G., Die
rechtliche Bedeutung der Quittung, Diss. jur. Greifswald 1899
quod non est in actis non est in mundo (lat.). Was nicht in den Akten ist, ist nicht auf der Welt (frühe Neuzeit).
Lit.:
Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A.
1991, 179, Nr. 196
quod omnes tangit debet ab omnibus approbari (lat.). Was alle betrifft, muss von allen gutgeheißen werden.
Lit.: Post, G., Studies in Medieval Legal Thought, 1964, 163; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 180, Nr. 113 (Codex Justinianus 5, 59, 5 § 2 am Ende, 534)
quot homines tot sententiae (lat.). Wie viele Menschen, so viele Meinungen.
Lit.:
Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 183, Nr. 136 (Terenz, 2. Jh. n. Chr., Phormio 454)
Quote (F.) Anteil
Lit.: Honsell, T., Die Quotenteilung im Schadensersatzrecht, 1977
R
Rabel, Ernst (Wien 28. 1. 1874 - Zürich 27. 9. 1955), Rechtsanwaltssohn, wird nach dem Studium in Wien (Ludwig Mitteis) und einer kurzen Tätigkeit als Anwalt außerordentlicher Professor in Leipzig, ordentlicher Professor in Basel (1906), Kiel (1910), Göttingen (1911), München (1916) und Berlin (1926), ehe er unter dem Druck des -> Nationalsozialismus 1939 in die Vereinigten Staaten von Amerika auswandert. Von der vergleichenden Rechtsgeschichte herkommend fördert er maßgeblich die Rechtsvergleichung zwecks Findung allgemein annehmbarer Lösungen moderner Rechtsprobleme.
Lit.: Rabel, E., Das Recht des Warenkaufs, Bd. 1f. 1936ff.; Wolff, H., Ernst Rabel, ZRG RA 73 (1956), XI; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 571ff.
Rache ist die Vergeltung einer tatsächlichen oder vermeintlichen Rechtsverletzung durch den Verletzten. Sie ist -> Selbsthilfe (-> Fehde). Sie wird seit dem frühen Recht vom staatlichen Gewaltmonopol zurückgedrängt und allmählich vollständig ausgeschlossen.
Lit.: Kaser § 32 II 1; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 26, 70, 71, 74, 91
Rachinburge (lat.-afrk. rachinburgius [M.]) ist vom 6. bis zum 8. Jh. der erfahrene Franke, der auf dem Malberg gemeinschaftlich mit meist 6 anderen Rachinburgen das Urteil findet. Er wird teils als Ratsbürge, teils als Rechenbürge erklärt. Zwischen 770 und 780 ersetzt König Karl der Große die Rachinburgen durch ständige -> Schöffen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 86; Sohm, R., Die fränkische Reichs- und Gerichtsverfassung, 1871, 372; Hübner, R., Gerichtsurkunden der fränkischen Zeit, 1891; Nehlsen-von Stryk, K., Die boni homines, 1981, 50; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Köbler, G., Wörterbuch des althochdeutschen Sprachschatzes, 1993
Radbruch, Gustav Lambert (Lübeck 21. 11. 1878 - Heidelberg 23. 11. 1949), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in München, Leipzig (Sohm, Binding) und Berlin in Heidelberg (Lilienthal) außerordentlicher Professor, danach ordentlicher Professor in Königsberg, 1919 in Kiel, 1926 in Heidelberg sowie nach Ende der im Mai 1933 angeordneten Entlassung aus dem öffentlichen Dienst 1945 wieder in Heidelberg. 1921/2 und 1923 wirkt er als sozialdemokratischer Reichsjustizminister, der sich für Sicherung und Resozialisierung als Strafzwecke einsetzt. In seinen neukantianischen Grundzügen der Rechtsphilosophie betont er zunächst unter Verneinung des Naturrechts Rechtssicherheit, Gerechtigkeit und soziale Zweckmäßigkeit, nach 1945 vor allem den Vorrang des übergesetzlichen Rechtes vor dem mit Hilfe eines Gesetzes geschaffenen Unrecht.
Lit.:
Köbler, DRG 236; Radbruch, G., Rechtsphilosophie, 8. A. 1973; Spendel, G.,
Gustav Radbruch, 1967; Radbruch, G., Gesamtausgabe, Bd. 1ff.
1987ff.(Bd. 20 Gesamtregister 2003);
Adomeit, K., Gustav Radbruch, NJW 1999, 3465
Rädelsführer ist, wer eine führende Rolle in einer Gruppe von Menschen einnimmt. Der R. wird in der Neuzeit in einzelnen Straftatbeständen besonders hervorgehoben.
Rädern ist die jedenfalls bereits im Frühmittelalter bezeugte, unter Verwendung eines Rades erfolgende -> Todesstrafe entweder durch Brechen des Rückgrates oder der Körperglieder.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His,
H., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 496; Amira, K. v.,
Die germanischen Todesstrafen, 1922, 106, 204; Scheele, F., `di sal man alle
radebrechen, Bd. 1 1992; Am Anfang war das Rad, hg. v. Kemper, P., 1997
Radizierung (F.) Verdinglichung, Verknüpfung mit einem Recht an einer Liegenschaft
Radolfzell am Bodensee wird 1100 Begünstigter eines von Kaiser Heinrich IV. dem Abt von Reichenau für R. verliehenen Marktrechts. 1267 wird es Stadt. Am 18. 12. 1506 erlässt König Maximilian für die im 14. Jh. an Habsburg gelangte Stadt eine handschriftlich überlieferte, die malefitz-Recht benannte Halsgerichtsordnung, welche eine Indizienlehre für die Folter noch nicht kennt.
Lit.: Ruoff, F., Die Radolfzeller Halsgerichtsordnung von 1506, 1912; Die Maximilianischen Halsgerichtsordnungen, hg. v. Schmidt, E., 1949; Geschichte der Stadt Radolfzell, hg. v. Götz, F., 1967
Raetia -> Rätien
Raiffeisengenossenschaft ist eine von Friedrich Wilhelm Raiffeisen (Hamm/Sieg 30. 3. 1818 - Neuwied 11. 3. 1888) nach 1847 gegründete ländliche Selbsthilfekreditgenossenschaft.
Lit.:
Köbler, DRG 174, 177; Werner, W., Zur Vorgeschichte der österreichischen
Raiffeisenbewegung, 1993;
Klein, W., Werk und Nachwirkung des Genossenschaftsgründers Friedrich Wilhelm
Raiffeisen, 1997
Raimund von Peniaforte -> Raymundus de Penyafort
Raitkammer (Rechnungskammer, Finanzbehörde [König Maximilians in Tirol])
Raleigh, William (+1250) wird 1214 Schreiber bei dem Richter Martin Pateshul, 1229 Richter, 1234 Richter an King’s Bench, 1239 Bischof von Norwich und 1252 Bischof von Winchester. Er gilt teilweise als bedeutendster Richter des mittelalterlichen -> England.
Lit.: Meekings, C., Studies in the 13th Century
justice, 1981
Randa, Antonín (1834-1914) wird nach dem Rechtsstudium in Prag dort 1862 außerordentlicher Professor, 1868 ordentlicher Professor und 1904 Minister. Er ist der wichtigste Vertreter der tschechischen Rechtswissenschaft des 19. Jh.s.
Lit.: Randa jubilejni památnik, 1934; Antologie ceské právní vedy, 1993, 113
Rang ist eine bestimmte Stufe innerhalb einer Ordnung. Bedeutsam ist dabei vor allem auch ein R. eines Sachenrechtes für die Reihenfolge der Befriedigung bei zur Befriedigung aller Gläubiger nicht ausreichendem Vermögen des Schuldners in der Einzelzwangsvollstreckung. Hier gilt bereits im römischen Recht der Grundsatz der Priorität (einer bestimmten vom Recht dafür festgelegten Handlung), der allerdings durchbrochen werden kann. Im geltenden deutschen Recht dient auch die -> Vormerkung der Sicherung des Ranges.
Lit.: Kaser §§ 31 I 1c, 31 III 3; Hübner; Hedemann, J., Die Fortschritte des Zivilrechts im 19. Jahrhundert, Bd. 2, 2, 1935, 5, 21, 78 u. ö.; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Ranshofen am Inn ist Ort einer bayerischen Pfalz, in der 985/95 ein Gesetz (lat. [F.] constitutio) des Herzogs erlassen wird, das sich mit der Flucht und den Handlungen Unfreier befasst.
Lit.: Wohlhaupter, E., Hoch- und Niedergericht, 1929, 167
Rantzau bei Plön ist Sitz einer reichsunmittelbaren Grafschaft, in deren Gut Ascheberg der Graf 1739 mit der Abschaffung der Leibeigenschaft beginnt.
Lit.: Köbler, DRG 174; Ranert, M., Die Grafschaft Rantzau, 1840
Ranulf de -> Glanvill
rapina (lat. [F.]) Raub
Lit.: Kaser § 51 IV; Köbler, DRG 49, 65; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961
raptus (lat. [M.]) Raub, Vergewaltigung
Rasen ist die grasbewachsene Erde. Der R. kann als Rechtssymbol Verwendung finden. Im altnordischen Recht erscheint das Gehen unter den R. bei der Begründung der Blutsbrüderschaft, beim Gottesurteil und bei der Sühne eines Unrechtserfolges.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, Bd. 1, 163; Maurer, K., Vorlesungen über altnordische Rechtsgeschichte, Bd. 5 1910, 672
Rasse ist die durch kennzeichnende gleiche Merkmale abgrenzbare Art einer Gattung von Lebewesen. In Anlehnung an die Vererbungslehre Gregor Mendels entwickelt Adolf -> Hitler die ideologische Vorstellung vom Vorzug der arischen Rasse insbesondere gegenüber den Juden und „Nichtariern“. Die Anwendbarkeit der Vorstellung der R. auf den Menschen ist in der Gegenwart zweifelhaft geworden.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 221; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1984, 135; Nicolai, Grundsätzliches über das Verhältnis von Rasse und Recht, Deutsches Recht 1934, 74; Stuckart/Globke, H., Reichsbürgergesetz, Blutschutzgesetz, Ehegesundheitsgesetz, 1936; Schmuhl, H., Rassenhygiene, Nationalsozialismus, Euthanasie, 1987; Rüthers, B., Recht als Waffe des Unrechts, NJW 1988, 2825; Weingart, P./Kroll, J./Bayertz, K., Rasse, Blut, Gene, 1988; Historische Rassismusforschung, hg. v. Danckwortt, B. u. a., 1995; Hetzel, M., Die Anfechtung der Rassenmischehe, 1997; Zwerger, J., Was ist Rassismus? 1997; Senn, M., Die Verrechtlichung der Volksgesundheit, ZRG 116 (1999), 407; Puschner, U., Die völkische Bewegung, 2001; Simon, J., Kriminalbiologie und Zwangssterilisation, 2001; Essner. C., Die Nürnberger Gesetze, 2002
Rat ist ein Vorschlag für ein Verhalten und von dort abgeleitet eine Gruppe beratender Menschen. In der Stadt erscheint nach antikem und italienischem Vorbild (Pisa, Mailand, Asti, Genua, Arezzo, z.T. noch 11. Jh.) seit dem Ende des 12. Jh.s ein R. (Speyer 1188, Basel 1190) als oberstes, den Stadtherrn ablösendes oder ergänzendes Herrschaftsgremium der ratsfähigen Geschlechter (mit meist zwischen 12 und 20, gelegentlich aber auch bis zu 400 Ratsherren, sowie dem -> Bürgermeister als Vorsitzendem). Wenig später umgeben sich auch König und Landesherren mit einem R. (Hofrat, Reichshofrat, Staatsrat). Verstärkt werden dabei seit 1430 Juristen einbezogen. In der späteren Neuzeit entwickelt sich etwa auch ein Bundesrat, Reichsrat, Nationalrat, Ministerrat, Rat der Volksbeauftragten, Parlamentarischer Rat, Zentralrat oder Europarat.
Lit.:
Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 11, 112, 113, 115, 149, 150, 153; Hoch, C. Frhr.
v., Der österreichische Staatsrath, 1879, Neudruck 1972; Domke, W., Die
Virilstimmen im Reichsfürstenrat, 1882; Koehne, C., Der Ursprung der
Stadtverfassung, 1890; Köthe, J., Der fürstliche Rat, 1938; Vogelgesang, G.,
Kanzlei- und Ratswesen, 1939; Schlotterose, B., Die Ratswahl in den deutschen
Staaten des Mittelalters, Diss. phil. Münster 1953 masch.schr.; Pitz, E., Die
Entstehung der Ratsherrschaft in Nürnberg, 1956; Heiß, U., Geheimer Rat, 1962;
Eisenhardt, U., Aufgabenbereich und Bedeutung des kurkölnischen Hofrates, 1963;
Laufs, A., Die Verfassung und Verwaltung der Stadt Rottweil, 1963; Schott, C.,
Rat und Spruch der Juristenfakultät Freiburg im Breisgau, 1965; Rabe, H., Der
Rat der niederschwäbischen Reichsstädte, 1966; Moraw, P., Beamtentum und Rat
König Ruprechts, ZGO 116 (1968), 59; Bauer, W., Der Kurfürstenrat, 1973;
Histoire comparée de l’Administration, hg. v. Paravicini, W. u. a., 1980;
Heydenreuter, R., Der landesherrliche Hofrat, 1981; Schulten, G., Entstehung
und Entwicklung des Ratswesens, Diss. phil. Tübingen 1982; Sprinkart, P.,
Kanzlei, Rat und Urkundenwesen, 1986; Rat und Verfassung im mittelalterlichen
Braunschweig, 1986; Die Rolle der Juristen, hg. v. Schnur, R., 1986; Fischer,
S., Der Geheime Rat, 1987; Rosch, G., Der venezianische Adel, 1989; Engel, E.,
Die deutsche Stadt des Mittelalters, 1993; Koch, B., Räte auf deutschen
Reichsversammlungen, 1999; Noflatscher, H., Räte und Herrscher, 1999; Godding, P., Le Conseil de Brabant sous le règne de Philippe le
Bon (1430-1467), 1999; Ratsprotkolle der Stadt Kaiserslautern 1566-1571, hg. v.
Dolch, M. u. a., 2002; Poeck, D., Rituale der Ratswahl, 2003
Rat der Volksbeauftragten ist ein am 10. 11. 1918 gebildetes vorläufiges Regierungsorgan des Deutschen Reiches mit 6 Mitgliedern, das am 11. 11. 1918 mit den alliierten Siegermächten des Ersten Weltkrieges einen Waffenstillstand schließt und am 10. 2. 1919 die Macht an die Nationalversammlung abgibt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 221; Melzer, L., Die Gesetzgebung des Rates der Volksbeauftragten, Diss. jur. Hamburg 1988; Roß, S., Biographisches handbuch der Reichsrätekongresse, 2000
Rätebewegung ist eine politische Bewegung des 20. Jh.s, welche die Lenkung eines Gemeinwesens durch Räte (Arbeiterräte usw.) anstrebt.
Lit.:
Kroeschell, 20. Jh.; Tormin, W., Zwischen Rätediktatur und sozialer Demokratie,
1951; Kolb, E., Die Arbeiterräte, 1962; Oertzen, P. v., Betriebsräte in der
Novemberrevolution, 1963; Der Zentralrat der Deutschen Sozialistischen
Republik, hg. v. Kolb, E. u. a., 1968; Matthias, E., Zwischen Räten und
Geheimräten, 1970;
Die Rätebewegung, hg. v. Hillmann, 1970; Dähn, Rätedemokratische Modelle, 1975
Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe -> Comecon
Rathaus ist das vom Rat der Stadt für seine Bedürfnisse seit dem 13. Jh. geschaffene Haus (z. B. Volterra, Siena, Florenz, Lübeck, Stralsund, Brügge, Brüssel, Goslar, Paderborn, Rothenburg, Nürnberg, Schwäbisch Hall oder Augsburg).
Lit.: Stiehl, O., Das deutsche Rathaus, 1905; Gruber, K., Das deutsche Rathaus, 1943; Das Rathaus im Kaiserreich, hg. v. Mai, E. u. a., 1982; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988
Rätien ist das Siedlungsgebiet der nichtindogermanischen Räter um den oberen Inn, das 15 v. Chr. von den Römern erobert wird und im 5. Jh. an die Alemannen übergeht. Im Frühmittelalter gilt dort die (lat.) -> Lex (F.) Romana Curiensis.
Lit.: Köbler, DRG 28; Heuberger, R., Rätien, 1932; Die Bayern und ihre Nachbarn, Bd. 1 1985; Clavadetscher, O., Rätien im Mittelalter, 1994
Rationalismus ist die von René Descartes (1596-1650) begründete Denkhaltung, welche allein von der Vernunft und von allgemeinen logischen Ableitungen aus Grundeinsichten (Axiomen) her deduktiv zur Wahrheit gelangen will.
Lit.:
Köbler, DRG 136; Cassirer, E., Descartes, 1939; Schmidt, G., Aufklärung und
Metaphysik, 1965; Flasch, K., Das philosophische Denken im Mittelalter, 1986; Engfer, H., Empirismus
versus Rationalismus? 1996
Ratsgerichtsbarkeit ist die seit dem ausgehenden 12. Jh. vom -> Rat der Stadt von der niederen Strafgerichtsbarkeit her allmählich erlangte Zuständigkeit in Gerichtsangelegenheiten. Sie ist in den Einzelheiten örtlich ziemlich verschieden gestaltet.
Lit.: Wackernagel, J., Die Entstehung der städtischen Ratsgerichtsbarkeit im Mittelalter, FG der Basler Juristenfakultät zum Schweizer Juristentag, 1920, 113; Ebel, W., Bürgerliches Rechtsleben, 1954; Lübecker Ratsurteile, hg. v. Ebel, W., Bd. 1ff. 1958ff.; Hirsch, H., Die hohe Gerichtsbarkeit, 2. A. 1958; Ebel, W., Studie über ein Goslarer Ratsurteilsbuch, 1961; Wiener Ratsurteile des Spätmittelalters, hg. v. Demelius, H., 1980
Ratsherr ist das einzelne Mitglied des -> Rates einer -> Stadt.
Lit.: Planitz, H., Die deutsche Stadt, 5. A. 1980; Rabe, H., Der Rat der niederschwäbischen Reichsstädte, 1966; Spieß, W., Die Ratsherren der Hansestadt Braunschweig 1231-1671, 2. A. 1970
Ratsurteil -> Ratsgerichtsbarkeit
Ratsverfassung -> Rat
Raub (lat. [F.] rapina) ist die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache mit Gewalt gegen einen Menschen oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben in der Absicht, sich dieselbe rechtswidrig zuzueignen. Im Mittelalter gilt der R. als weniger verbrecherisch als der Diebstahl. Rechtsfolge ist meist die Enthauptung.
Lit.:
Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 49, 123, 158; Köbler, WAS; Mommsen, T.,
Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des
deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Radbruch, G., Der Raub
in der Carolina, FS M. Pappenheim, 1931, 37; Dahm, G., Das Strafrecht Italiens,
1931, 482; Radbruch, G./Gwinner, H., Geschichte des Verbrechens, 1951;
Landmesser, M., Der Raub, Diss. jur. Mainz 1966; Küther, C., Räuber und Gauner
in Deutschland, 1976; Danker, U., Räuberbanden im alten Reich, 1988; Lange, K.,
Gesellschaft und Kriminalität, 1994; Danker,
U., Die Geschichte der Räuber und Gauner, 2001;Schüßler, M., Raubüberfälle auf
Hansekaufleute, ZRG 120 (2003), 355
Raubehe ist die angeblich durch -> Raub einer -> Frau begründbare -> Ehe.
Lit.: Hübner 626
Räuber -> Raub
Raubritter ist der im Spätmittelalter nach
Verlust seiner Bedeutung im Heereswesen Raub als Unterhaltsgewinnungsmittel betreibende
Ritter (z.
B. Eppelein von Gailingen in Franken).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Rösener, W., Zur Problematik des spätmittelalterlichen Raubrittertums, FS B. Schwineköper, 1982, 469; Görner, R., Raubritter, 1987; Raubritter, hg. v. Andermann, K, 1997
Ravanis -> Jacobus de Ravanis
Ravenna im Mündungsdelta des Po ist im 5. Jh. Residenz des weströmischen Kaisers und seiner Nachfolger (u. a. Theoderichs des Großen). Vielleicht besteht dort im 11. Jh. eine Rechtsschule. 1440 gelangt R. an Venedig, 1509 an den Kirchenstaat und 1870 an -> Italien (1861).
Lit.:
Savigny, F., Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, Bd. 1 2. A. 1834,
337; Deichmann, F., Ravenna, Bd. 1ff. 1969ff.;
Storia di Ravenna, hg. v. Susini, G. u. a., Bd. 1ff. 1990ff.; Lange, H., Römisches
Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Ravensburg an der Schussen wird vielleicht schon vor 1276 Reichsstadt. Zwischen 1380 und 1530 ist R. Sitz der großen Ravensburger Handelsgesellschaft der Patrizier Humpiß, Mötteli und Muntprat, welche Leinwandhandel im Süden und Westen Europas betreibt. Sie unterliegt am Beginn der Neuzeit der neueren Wirtschaftsgesinnung der Augsburger Kaufleute.
Lit.: Heyd, W., Beiträge zur Geschichte des deutschen Handels, 1890; Schulte, A., Geschichte der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft, Bd. 1ff. 1923, Neudruck 1964; Dreher, A., Geschichte der Stadt Ravensburg, 1972; Lutz, E., Die rechtliche Struktur süddeutscher Handelsgesellschaften, 1976; Eitel, P., Die Große Ravensburger Handelsgesellschaft, 1985
Raymundus de Penyafort (Raimund von Peniaforte) (Villafranca de Penades bei Barcelona um 1180 - Barcelona 6. 1. 1275), hochadliger Katalane, wird nach dem Rechtsstudium in Bologna Rechtslehrer in Bologna, Dominikaner und Pönitentiar an der Kurie, 1238 Generalmagister der Dominikaner. 1222/9 verfasst er eine (lat.) Summa (F.) de casibus conscientiae (Summe über Fälle des Gewissens) bzw. Summa de poenitentia, mit der er die Entwicklung des Strafrechts beeinflusst, und 1230/4 den die nachgratianischen -> Dekretalen der Päpste sammelnden (lat.) -> Liber (M.) extra.
Lit.: Köbler, DRG 102; Schwertner, T., St. Raymond of Pennafort, 1935; Valls Taberner, F., San Ramon de Peniaforte, 1936; Kuttner, S., Zur Entstehungsgeschichte der Summa de casibus poenitentiae, ZRG KA 70 (1953), 419; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972, 287
Raymund von Wiener Neustadt (?) ist der unbekannte Verfasser einer (lat.) Summa (F.) legum brevis levis et utilis (Kurze, leichte und nützliche Gesetzessumme) des ausgehenden 13. oder frühen 14. Jh.s, welche das römische Privatrecht, Staatsrecht, Strafrecht und Strafverfahrensrecht im dreigeteilten Schema von Personen, Sachen und Klagansprüchen populär darstellt. Die Summe stammt vielleicht aus Italien (Neapel?). Die Mehrheit der in der Gegenwart bekannten 15 Handschriften ist im polnisch-slowakischen Gebiet erhalten, zu dem auch sachlich gewisse Bezüge bestehen könnten.
Lit.: Tomaschek, J., Über eine in Österreich in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts geschriebene Summa legum, 1883; Die Summa legum brevis levis et utilis, hg. v. Gál, A., 1926
real (sachlich, körperlich, tatsächlich)
Realfolium ist das für ein Grundstück unabhängig von der Person des jeweiligen Eigentümers angelegte Blatt des -> Grundbuches.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 125
Realkontrakt -> Realvertrag
Reallast ist die dingliche Belastung eines Grundstücks mit aus dem Grundstück zu entrichtenden wiederkehrenden Leistungen (z. B. Verköstigung). Sie ist zwar dem klassischen römischen und justinianischen Privatrecht unbekannt, findet sich aber im gesamten römischen öffentlichen Recht und auch im Frühmittelalter. Seit dem Spätmittelalter nähert sich die R. der Darlehenshypothek. In der frühen Neuzeit wird die R. teilweise als hypothekarisch gesichertes Forderungsrecht angesehen, teils als deutschrechtliche -> Dienstbarkeit. In Frankreich wird die mit feudalem Herrschaftsrecht zusammenhängende R. durch Dekret vom 17. 7. 1793 entschädigungslos aufgehoben. Im Gegensatz zum österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (1811/2) nimmt das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) die R. als beschränktes dingliches Recht auf.
Lit.: Kaser § 28 I 3; Hübner; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 125, 213; Schwind, E. v., Die Reallastenfrage, Jh. Jb. f. d. Dogmatik 33 (1894), 1; Ogris, W., Der mittelalterliche Leibrentenvertrag, 1961
real property (engl. [N.]) Liegenschaft, unbewegliche Sache
Realteilung (F.) tatsächliche Aufteilung
Realunion ist die verfassungsmäßig festgelegte Vereinigung zweier selbständiger Staaten unter einheitlichem Staatsoberhaupt und mit gemeinschaftlichen Einrichtungen bzw. Organen (z. B. Norwegen-Island seit 1263, Österreich-Ungarn seit 1867, Norwegen-Schweden 1815, Dänemark-Island 1918).
Lit.: Jellinek, G., Die Lehre von den Staatenverbindungen, 1882; Hatschek, J., Das Recht der modernen Staatenverbindung, 1909; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994
Realvertrag oder Realkontrakt ist im klassischen römischen Recht und dem ihm folgenden Rechten der durch Hingabe einer Sache erst wirklich zustande kommende -> Vertrag (Darlehen, Leihe, Verwahrung, Pfand).
Lit.: Kaser § 38 II 1a; Köbler, DRG 45, 74, 91, 126, 208
rebus sic stantibus omnis promissio intellegetur (lat.). Bei jedem Versprechen wird davon ausgegangen, dass die Umstände gleichbleiben werden.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 185, Nr. 9 (Seneca, 4-65 n. Chr., De
beneficiis 4, 34, 3-4, 35, Thomas von Aquin, 1225?-1274, Summa theologica 2, 2,
110, 3, rat. 5)
receptum (lat. [N.]) Garantieerklärung (z. B. des Bankiers [r. argentarii], des Wirtes, des Schiffers oder des Stallwirtes)
Lit.: Kaser §§ 37 III 2, 46 III; Köbler, DRG 47, 64
recessus (M.) imperii (lat.) Reichsabschied
Rechnungshof ist das die Rechnung, die Wirtschaftlichkeit und die Ordnungsmäßigkeit der Haushaltsführung des Staates überprüfende staatliche Organ seit dem 19. Jh.
Lit.: Städtehaushalt und Rechnungswesen, hg. v. Maschke, E. u. a., 1977; Brodersen, C., Rechnungsprüfung für das Parlament in der konstitutionellen Monarchie, 1977; Zavelberg, H., 275 Jahre staatliche Rechnungsprüfung, in: Die Kontrolle der Staatsfinanzen, 1989, 43; Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 2. A. 1995, 706
Rechnungsprüfung ist die Überprüfung einer
Rechnungsgestaltung. Sie beruht auf der im 12. Jh. sich ausbildenden
Rechnungslegung.
Lit.: List, H., Die
geschichtliche Entwicklung der Rechnungsprüfung, Diss. jur. Tübingen 1998;
Mersiowsky, M., Die Anfänge territorialer Rechnungslegung, 1999
Recht (lat. ius [N.]) ist eine menschliche Sollensordnung (R. im objektiven Sinn) und der in ihr dem einzelnen zustehende Anspruch (R. im subjektiven Sinn). Das R. ist ein Ergebnis des menschlichen Zusammenlebens. Es entsteht anfangs wohl regelmäßig aus der Sitte als dem Üblichen. Hinzu kommt zu einem unbekannten Zeitpunkt die bewusste Setzung (Gesetz, z. B. Codex -> Hammurapi des babylonischen Königs Hammurapi [1728-1686 v. Chr.]?, Lykurg, Solon, Drakon, -> Zwölftafelgesetz in Rom 451/450 v. Chr.). In Rom erfolgt die Auslegung des Gesetzes wegen der Nähe von R. und Religion zuerst durch Priester, danach durch den rechtswissenschaftlich gebildeten Fachmann (-> Juristen). Verstanden wird diese Tätigkeit als (lat.) ars (F.) boni et aequi (Kunst des Guten und Gerechten, Celsus filius 129 n. Chr.). Der oströmische Kaiser -> Justinian (527-65) fasst am Ende der spätrömischen Zeit das römische R. in -> Institutionen, -> Codex und -> Pandekten (sowie -> Novellen) zusammen. Das R. der Germanen ist ungeschrieben und wohl weitgehend durch Übung entstanden. Auf einen Rechtsgott wird es ebensowenig zurückgeführt wie in Rom. Als Gemenge von hergebrachten Sätzen (-> Weistümer) und neuen Beschlüssen (-> Konstitutionen) zeichnen die von den Germanen abstammenden Einzelvölker nach dem Vorbild der Römer und der Kirche ihr R. in den sog. -> Volksrechten zwischen dem 5. und 9. Jh. auf. Dieses R. muss nicht notwendig alt und gut sein, obwohl es vielfach alt und anerkannt ist. Seit dem 12. Jh. wird das R. nicht mehr personal, sondern territorial bestimmt (-> Landrecht, -> Stadtrecht). Neben das partikulare R. tritt das allgemeine (-> gemeine) R. (kirchliches R., wiederentdecktes römisches R.). Seit dem Spätmittelalter wird dieses -> gelehrte R. fast überall teilweise aufgenommen, an die zeitgenössischen Bedürfnisse angepaßt und geordnet. Seit dem 17. Jh. wird es verstärkt auf seine Natürlichkeit bzw. Vernünftigkeit überprüft (-> Vernunftrecht, säkulares -> Naturrecht). Im Ergebnis wird es vielfach in nationalen Gesetzbüchern festgelegt (Preußen 1794, Frankreich 1804ff., Österreich 1811/2, Spanien 1829ff., Italien 1865ff., Deutschland 1871ff.). Bis zur Gegenwart steigt die Flut rechtlicher Regelungen auf allen Ebenen (Vereinte Nationen, Europa, Staat, Provinz/Region/Land, Kommune usw.) ins Unüberschaubare an (Deutschland 1996 ca. 85000 bundesgesetzliche Regelungen). Besondere Bedeutung erlangt dabei die -> Verfassung.
Lit.:
Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 1, 3, 14, 29, 47, 51, 69, 79, 108, 113, 137,
140, 149, 180, 191, 205, 226, 229, 253; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4
1984, 231; Grimm, J., Von der Poesie im Recht, Z. f. geschichtliche
Rechtswissenschaft 2, 1 (1816), 25; Puchta, G., Das Gewohnheitsrecht, Bd. 1f. 1828ff., Neudruck 1965; Kern, F., Über die mittelalterliche
Anschauung vom Recht, HZ 115 (1916), 496; Wengler, L., Die Quellen des
römischen Rechts, 1953; Das subjektive Recht, hg. v. Coing, H., 4. A. 1962;
Kaser, M., Der römische Anteil am deutschen bürgerlichen Recht, JuS 1967, 337;
Böckenförde, E., Der Rechtsbegriff, Archiv f. Begriffsgesch. 12 (1968), 145;
Zippelius, R., Das Wesen des Rechts, 2. A. 1969; Köbler, G., Das Recht im
frühen Mittelalter, 1971; Schubert, W., Französisches Recht in Deutschland,
1977; NS-Recht in historischer Perspektive, 1981; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Das römische Recht im Mittelalter, hg. v.
Schrage, E., 1986; Grimm, D., Recht und Staat der
bürgerlichen Gesellschaft, 1987; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen
Rechts in Deutschland, Bd. 1f. 1988ff.; Rüthers, B., Entartetes Recht, 2. A.
1989; Gewohnheitsrecht und Rechtsgewohnheiten, hg. v. Schulze, R., 1992;
Rückert, J., Die Rechtswerte der germanistischen
Rechtsgeschichte, ZRG GA 111 (1994), 275; Kroeschell, K., Der Rechtsbegriff der
Rechtsgeschichte, ZRG GA 111 (1994), 315; Jacoby, S., Allgemeine
Rechtsgrundsätze, 1997; Gaudemet, J., Les naissances du droit, 1997; Recht und
Verfassung im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit, Bd. 1, hg. v. Boockmann, H.
u. a., 1998; Blanke, H., Das Recht als Mittel der Machtpolitik, 2002
Recht am Bild ist im 20. Jh. ein -> Persönlichkeitsrecht eines Menschen an den von ihm angefertigten Abbildungen.
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ist im deutschen Recht der Gegenwart ein absolut geschütztes Recht des § 823 I BGB.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Recht und Dichtung
Lit.: Fehr, H., Das Recht in der Dichtung, 1931; Fehr, H., Die Dichtung im Recht, 1936; Schmidt-Wiegand, R., Recht und Dichtung, HRG, Bd. 4 1985, 232
rechtliches Gehör ist die rechtmäßige Anhörung eines Betroffenen. Die bereits dem griechischen (attischen) Verfahren im Altertum bekannte Notwendigkeit des rechtlichen Gehöres für ein einwandfreies Entscheidungsverfahren wird schon bei Seneca (4 v. Chr. - 65 n. Chr., lat. audiatur et altera pars, es werde auch die andere Seite gehört) betont. Als eigenständiger Grundsatz tritt das rechtliche Gehör erst im Gefolge der Aufklärung hervor.
Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Rüping, H., Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs, 1976, 12; Wacke, W., Audiatur et altera pars, Jur. Arbeitsblätter 12 (1980), 594
Rechtlosigkeit ist das Fehlen der -> Rechtsfähigkeit. Die R. ist in gewissem Umfang Begleiterscheinung der ständischen Verschiedenheit vom Altertum bis ins 19. Jh. (Frankreich 1789 egalité).
Lit.: Kaser; Hübner § 14; Budde, J., Über Rechtlosigkeit, Ehrlosigkeit und Echtlosigkeit, 1842
Rechtsaltertum ist eine erkennbare Erscheinung vergangenen Rechts (Gegenstände, Symbole, Quellen, Institute).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994
Rechtsanwalt ist der unabhängige fachmännische Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten. Er ist rechtswissenschaftlich geschult. Er erscheint seit dem 12. Jh., wobei zeitweise zwischen -> Advokat und -> Prokurator unterschieden wird. Im Gegensatz zum -> Fürsprecher ist er Vertreter in der Sache. Nach Freigabe der Rechtsanwaltschaft 1879 entwickelt sich der Rechtsanwaltsberuf zumal in Berlin zu einer klassisch jüdischen Profession (1933 54 Prozent jüdische Rechtsanwälte in Berlin). Im 20. Jh. nimmt die Zahl der Rechtsanwälte stark zu.
Lit.:
Weißler, A., Geschichte der Rechtsanwaltschaft, 1905; Hachenburg, M.,
Lebenserinnerungen eines Rechtsanwalts, 1927; Kollmann, Zur Entwicklung des
Ausbildungs- und Prüfungswesens, FS Laforet, 1952, 445; Heinrich, R., 100 Jahre
Rechtsanwaltskammer München, 1979; Ostler, F., Die deutschen Rechtsanwälte
1871-1971, 2. A. 1982; Entstehung und Quellen der Rechtsanwaltsordnung von
1878, hg. v. Schubert, W., 1985; König, S., Vom Dienst am Recht, 1987; Holly,
G., Geschichte der Ehrengerichtsbarkeit der deutschen Rechtsanwälte, 1989;
Siegrist, H., Advokat, Bürger und Staat, 1995; Die Geschichte des deutschen
Anwaltsvereins, hg. v. Deutschen Anwaltverein, 1997; Rechtsanwälte und ihre
Selbstverwaltung, hg. v. d. Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main, 1998;
Eckert, J., Gesetzesbegriff und Rechtsanwendung, Der Staat 1998, 571; Roth, C.,
Der Weg zu einem einheitlichen anwaltlichen Berufsrecht im wiedervereinigten
Deutschland, Diss. jur. Regensburg 1999; Fortitudo
temperantia Die Rechtsanwälte am Reichsgericht und beim Bundesgerichtshof, hg.
v. d. Verein der beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwälte, 2000;
Officium advocati, hg. v. Mayali, L. u. a., 2000; Schümann, D., Ein Beitrag zur
Geschichte der mecklenburgischen Anwaltschaft, 2000; Königseder, A., Recht und
nationalsozialistische Herrschaft – Berliner Anwälte 1933-1945, 2001
Rechtsanwendung (Zuordnung oder Zurechnung von einzelnen Sachverhalten zu allgemeinen Tatbeständen, -> Subsumtion) ist die bewertende Anwendung der abstrakten Rechtssätze auf konkrete Sachverhalte. Sie entsteht mit den Anfängen von Rechtsvorstellungen. Sie erfolgt durch jedermann, insbesondere durch Urteiler und fachlich Vorgebildete.
Lit.: Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre der Rezeptionszeit, 1977
Rechtsarchäologie ist die bewusste Beschäftigung mit den Gegenständen des vergangenen Rechts (Örtlichkeiten, Geräten, Darstellungen, Handlungen [str.]). Die R. wird bereits im 17. Jh. sichtbar. Am nachdrücklichsten ist sie wissenschaftliches Untersuchungsobjekt bei Karl von -> Amira.
Lit.:
Köbler, DRG 5; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899, Neudruck 1922,
1989, 1994; Fehr, H., Das Recht im Bilde, 1923; Funk, W., Alte deutsche
Rechtsmale, 1939; Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v., Rechtsarchäologie, 1943;
Baltl, H., Rechtsarchäologie des Landes Steiermark, 1957; Forschungen zur
Rechtsarchäologie und zur rechtlichen Volkskunde, Bd. 1ff. 1978ff.; Carlen, L.,
Rechtsarchäologie in der Schweiz, FS H. Baltl, 1978; Schild, W., Alte
Gerichtsbarkeit, 2. A. 1989; Köbler, G., Bilder aus der deutschen
Rechtsgeschichte, 1988; Maisel, W., Rechtsarchäologie Europas, 1992; Kocher,
G., Zeichen und Symbole des Rechts, 1992; Bilder, Texte, Rituale, hg. v. Schreiner,
K. u. a., 2000
Rechtsbesitz ist der Besitz eines Rechtes. Seine Möglichkeit hängt ab von dem Verständnis des -> Besitzes. Dort wo dieser nur die tatsächliche Herrschaft über körperliche Gegenstände (Sachen [im körperlichen Sinn]) betrifft, ist R. systemwidrig.
Lit.: Köbler, DRG 162; Wesener, G., Zur Dogmengeschichte des Rechtsbesitzes, FS W. Wilburg, 1975, 453; Graff, J., Die Lehren vom Rechtsbesitz, Diss. jur. Köln 1983
Rechtsbeugung ist die mindestens bedingt vorsätzliche falsche Anwendung oder Nichtanwendung von Recht durch einen Richter, anderen Amtsträger oder Schiedsrichter bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache zugunsten oder zum Nachteil einer Partei. Im römischen Recht ist dies ein Fall des (lat. [N.]) falsum, das eine Strafe nach sich zieht. Im Mittelalter werden Rechtsweigerung und R. nicht klar getrennt, so dass als Folge vielfach nur ein verfahrensrechtlicher Rechtsbehelf gewährt wird. Ein besonderer Straftatbestand des Amtsverbrechens der R. wird erst von Martin 1825 gefordert. Bis zur Mitte des 19. Jh.s setzt er sich trotz geringer tatsächlicher Bedeutung durch.
Lit.:
Kroeschell, 20. Jh.; Martin, C., Lehrbuch des deutschen gemeinen
Kriminalrechts, Bd. 1f. 1821ff.; Cohn, G., Die Verbrechen im öffentlichen
Dienst, 1876; Stock, U., Entwicklung und Wesen des Amtsverbrechens, 1932;
Schmitt-Weigand, A., Rechtspflegedelikte in der fränkischen Zeit, 1962;
Schmidt-Speicher, U., Hauptprobleme der Rechtsbeugung, 1982; Spendel, G.,
Rechtsbeugung durch Rechtsprechung, 1984; Kraut, G., Rechtsbeugung, 1997;
Möller-Heilmann, B., Die Strafverfolgung 1999
Rechtsbuch ist die umfassende Aufzeichnung des geltenden Rechts durch eine Privatperson. Das R. ist insbesondere im Hochmittelalter und Spätmittelalter bedeutsam, in denen es die durch spärliche Gesetzgebungstätigkeit gelassene Lücke füllt. Das R. ist nur Rechtserkenntnisquelle. Bekannte Beispiele sind die (lat.) Constituta (N.Pl.) usus et legis bzw. Constitutum (N.) usus von Pisa (Mitte 12. Jh.), der Liber feudorum, der -> Sachsenspiegel, -> Deutschenspiegel, -> Schwabenspiegel, das Kleine Kaiserrecht, das Eisenacher R., das Freisinger R., das Görlitzer R., das Mühlhäuser Reichsrechtsbuch oder das Zwickauer R., die -> Coutumes, die -> Fueros, die -> Siete Partidas, der (lat.) Liber legis Scaniae, -> Gragas, -> Ostgötalagh, -> Westgötalagh oder die Werke des Ranulf de -> Glanvill und des Henry de -> Bracton. Teilweise werden auch das (lat.) Corpus (N.) iuris civilis oder einzelne römischrechtliche Werke (Florentiner R., Tübinger R.) als R. verstanden.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 102; Siegel, H., Die deutschen Rechtsbücher, 1899; Theuerkauf, G., Lex, speculum, compendium iuris, 1968; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990
Rechtsbuch nach Distinktionen -> Meißener Rechtsbuch
Rechtsbuch von der Gerichtsverfassung -> Weichbild
Rechtseinheit ist die Einheit des geltenden Rechts in einem bestimmten Gebiet. -> Kodifikationsstreit
Lit.: Söllner § 1; Hübner 24; Kroeschell, DRG 3; Getz, H., Die deutsche Rechtseinheit im 19. Jahrhundert, 1966
Rechtsentscheid ist in Deutschland seit 1990 die Entscheidung des
Oberlandesgerichts oder Bundesgerichtshofs in Wohnraummietvertragsrechtsfragen
bei Abweichungswillen eines Landgerichts von der Rechtsprechung der
Obergerichte.
Lit.: Willingmann, A., Rechtsentscheid, 2000
Rechtsenzyklopädie ist die umfassende Darstellung des Rechtes in alphabetisch oder systematisch geordneter Form. Sie erscheint seit dem Spätmittelalter (-> Durantis, W., Speculum iuris [Rechtsspiegel], E. 13. Jh., -> Lagus, K., Iuris utriusque methodica traditio [Methodische Behandlung beider Rechte], 1543, -> Gothofredus, J., Manuale iuris [Rechtshandbuch], 1654, Hunnius, H., Encyclopaedia universi iuris [Enzyklopädie des gesamten Rechts], 1642ff. u. a.). Eine wissenschaftliche Grundlegung erfährt sie durch -> Leibniz (Nova methodus discendae docendaeque iurisprudentiae, Neue Methode des Lernens und Lehrens der Rechtswissenschaft, 1667). Auf ihr bauen die entsprechenden Werke von -> Nettelbladt (1749), -> Pütter (1757), Reitemeier (1785) und -> Hugo (1792) auf. Seit dem 19. Jh. tritt die R. zu Lasten des Rechtsüberblicks der Studierenden wieder zurück.
Lit.:
Ortloff, H., Die Encyclopädie der Rechtswissenschaft, 1857; Buschmann, A.,
Enzyklopädie und Jurisprudenz, Archiv f. KG. 51 (1969), 296; Volk, K., Die
Juristische Enzyklopädie des Nikolaus Falck, 1970; Enzyklopädien der frühen Neuzeit, hg.
v. Eybl, F. u. a., 1995; Mohnhaupt, H., Methode und Ordnung der Rechtsdisziplinen
und ihrer Hilfswissenschaften in den Rechtsenzyklopädien, ZNR 1999, 85
Rechtserkenntnisquelle ist die Rechtserkenntnis ermöglichende Quelle (z. B. -> Rechtsbuch). Sie bringt nicht notwendigerweise neues Recht zur Entstehung.
Lit.: Köbler, DRG 4, 80, 82
Rechtsethnologie ist die vergleichende rechtliche Volkskunde, welche aus dem Vergleich einzelner tatsächlicher Rechtskulturen allgemeine rechtliche Entwicklungsregeln erschließen und nach Möglichkeit dadurch rechtsgeschichtliche Überlieferungslücken schließen will.
Lit.: Bibliographische Einführung in die Rechtsgeschichte und Rechtsethnologie, hg. v. Gilissen, J. u. a. (Bd. Deutschland 1970, Österreich 1979, Schweiz/Suisse 1963); Schulze, R., Das Recht fremder Kulturen, Hist. Jb. 110 (1990), 446
Rechtsetzung ist
die bewusste Setzung von Recht durch ein willensgetragenes Verhalten. Der
wichtigste Fall der R. ist die Gesetzgebung.
Lit.: Scholz, J., Der brandenburgische Landrechtsentwurf von
1594, 1973; Lillig, K., Rechtssetzung im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken, 1985
Rechtsfähigkeit ist die Fähigkeit einer Person, Träger von Rechten (z. B. Eigentum) und Pflichten (z. B. Steuerschuld) zu sein. Eine allgemeine gleiche R. ist bis in das 19. Jh. nicht anerkannt. Vielmehr sprechen alle ständischen Gesellschaften Rechte in unterschiedlicher Weise zu oder ab. Im Laufe des 19. Jh.s setzt sich die Vorstellung der allgemeinen gleichen R. aller Menschen von der Geburt bis zum Tod (hilfsweise bis zur Todeserklärung) aber durch. Daneben wird auch die R. der juristischen Person allgemein anerkannt.
Lit.: Kaser § 13 I, II; Hübner 50ff.; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 160, 167, 206, 207, 238; Ostheim, R., Zur Rechtsfähigkeit von Verbänden, 1967; Vormbaum, T., Die Rechtsfähigkeit der Vereine, 1976
Rechtsfolge ist die vom Recht an ein Verhalten (-> Tatbestand bzw. Sachverhalt) geknüpfte Folge. Sie ergibt sich aus dem Aufbau des Rechtssatzes als einer bewehrten Sollensregel. Im Rechtssatz wird festgelegt, unter welchen Voraussetzungen (Tatbestand, Sachverhalt) eine bestimmte R. eintreten soll.
Lit.: Kaser § 1ff.; Hübner; Mitteis, H., Rechtsfolgen des Leistungsverzuges, 1913
Rechtsgang ist eine Bezeichnung für das an einen Unrechtserfolg anschließende -> Verfahren im germanischen und frühmittelalterlichen Recht.
Lit.: Beyerle, F., Das Entwicklungsproblem im germanischen Rechtsgang, 1915; Ziekow, J., Recht und Rechtsgang, 1986
Rechtsgeltungsquelle ist die Quelle dafür, dass etwas als Recht gilt. Rechtsgeltungsquellen sind bereits im altrömischen Recht -> Gesetz und -> Gewohnheit(srecht). Im klassischen römischen Recht stehen Volksgesetze, Plebiszite und Senatuskonsulte sowie die praktische Rechtspflege durch die Prätoren nebeneinander, zu denen die -> Auslegung durch die Juristen hinzukommt. Seit der Zeitenwende bildet sich daneben eine unmittelbare Rechtssetzung des Prinzeps in Entscheidungen (lat. [N.Pl.] decreta), Antworten (rescripta) und Dienstanweisungen (mandata) heraus, die bald als gesetzesgleich (lat. [F.Pl.] constitutiones) gelten. Im spätantiken Recht richtet der Herrscher Konstitutionen als Erlasse an das Volk oder den Senat oder als Anordnung an einzelne Amtsträger. Bei den Germanen wie im Frühmittelalter steht das Gewohnheitsrecht im Vordergrund, ohne dass Rechtssetzung ausgeschlossen ist. Seit dem Hochmittelalter wird das Gesetz immer bedeutsamer.
Lit.: Köbler, DRG 4 u. a.
Rechtsgeschäft ist ein auf dem Parteiwillen aufbauender Gesamttatbestand, der einen mit einer Willenserklärung angestrebten Rechtserfolg herbeiführt. Das R. entsteht mit der Ausbildung von Verkehrsgeschäften (Tausch, Gabe). Als rechtswissenschaftliche Grundfigur des Privatrechts wird es erst am Beginn des 19. Jh.s erfasst. Es gibt einseitige Rechtsgeschäfte (z. B. Auslobung, Testament) und zweiseitige (z. B. Vertrag).
Lit.: Kaser § 5 I; Hübner 10, 521; Köbler, DRG 164, 208, 238, 266; Krampe, C., Die Konversion des Rechtsgeschäfts, 1980; Müller, M., Die Bestätigung nichtiger Rechtsgeschäfte, 1989; Scheerer, B., Die Abgrenzung des Rechtsgeschäfts, 1990; Repgen, T., Die Kritik Zitelmanns an der Rechtsgeschäftslehre des ersten Entwurfs, ZRG GA 114 (1997), 73
Rechtsgeschichte ist die (Lehre von) vergangene(n) rechtliche(n) Sollensordnung(en). Ein rechtsgeschichtlicher Abriß findet sich bereits bei -> Pomponius (Mitte 2. Jh. n. Chr.). Auch einige Prologe der Volksrechte liefern Nachrichten über die Rechtsentwicklungen. Rechtsgeschichtliche Überblicke des Spätmittelalters sind nicht erhalten. Die erste R. bietet -> Aymar du Rivail (Aymarus Rivallius) 1515 (lat. Historia [F.] iuris, Rechtsgeschichte). Für das deutsche Recht bildet Hermann -> Conrings (lat.) De origine iuris Germanici (1643, Vom Ursprung des deutschen Rechts) den Beginn. In der Folge sind besonders -> Eichhorn (Deutsche Staats- und Rechtsgeschichte, Bd. 1ff. 1808ff.) und -> Brunner (Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 1f. 2. A. 1906, 1928, Neudruck 1958/61) hervorzuheben. 1935 werden in der Absicht einer im Ergebnis verfehlten Studienreform die Privatrechtsgeschichte der Neuzeit und die -> Verfassungsgeschichte der Neuzeit aus der allgemeinen Rechtsgeschichte ausgesondert, finden danach aber überwiegend wieder zurück. Seit etwa 1975 wird eine besondere juristische -> Zeitgeschichte aus naheliegenden Gründen gefordert. Die erste sämtliche Teile der R. zusammenfassende Darstellung stammt von Gerhard Köbler (5. A. 1995). Die erste europäische Rechtsgeschichte ist von Hans Hattenhauer verfasst (2. A. 1994, 3. A. 1999).
Lit.:
Söllner § 2; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 1, 3, 7, 30, 142; Mitteis,
H./Lieberich, H., Deutsche Rechtsgeschichte, 19. A. 1992; Ebel, F./Thielmann, G.,
Rechtsgeschichte, Bd. 1f. 2. A. 1998; Köbler, G., Wege deutscher
Rechtsgeschichte, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G.,
1987, 182; Köbler, G., Zur Geschichte der römischen Rechtsgeschichte, in:
Geschichtliche Rechtswissenschaft: Ars tradendo innovandoque aequitatem
sectandi, hg. v. Köbler, G. u. a., 1990, 207ff.; Europäische Rechts- und
Verfassungsgeschichte, hg. v. Schulze, R., 1991; Rechtsgeschichte in den beiden
deutschen Staaten, hg. v. Mohnhaupt, H., 1991; Caenegem, R. van, Legal History, 1991;
Robinson/Fergus/Gordon, European Legal History, 2. A. 1994; Hoke, R.,
Österreichische und deutsche Rechtsgeschichte, 2. A. 1996; Kroeschell, K., Der
Rechtsbegriff der Rechtsgeschichte, ZRG GA 111 (1994), 310; Die deutsche Rechtsgeschichte
in der NS-Zeit, hg. v. Rückert, J. u. a., 1995; Nunnweiler, A., Das Bild der
deutschen Rechtsvergangenheit, 1996; Rückert, J.,
Die Rechtswerte der germanistischen Rechtsgeschichte im Wandel der Forschung,
ZRG GA 111 (1994), 275;
Senn, M., Rechtsgeschichte, 1997; Norm und Tradition, hg. v. Caroni, P. u. a.,
1998; Hattenhauer, H., Europäische Rechtsgeschichte, 3. A. 1999; Eisenhardt,
U., Deutsche Rechtsgeschichte, 3. A. 2000; Lupoi,
M., The Origins of the European Legal Order, 2000; Wesel, U., Geschichte des
Rechts, 2. A.
2001; Kunkel, W./Schermaier, M., Römische
Rechtsgeschichte, 13. A. 2001; Het nut van rechtsgeschiedenis, hg. v. Heirbaut,
D./Lambrecht, D., 2000; Meder, S. Rechtsgeschichte, 2002; Der praktische Nutzen
der Rechtsgeschichte, hg. v. Eckert, J., 2003; Ebel, F./Thielmann, G.,
Rechtsgeschichte, 3. A. 2003
Rechtsgewohnheit ist nach einer am Ende des 20. Jh.s ausgebildeten Ansicht die rechtlich bedeutsame, aber noch nicht zum Recht gewordene Gewohnheit als Vorstufe des -> Gewohnheitsrechts im Mittelalter.
Lit.: Gewohnheitsrecht und Rechtsgewohnheiten im Mittelalter, hg. v. Dilcher, G., 1992
Rechtshängigkeit ist das Schweben einer Streitsache in einem Urteilsverfahren. Die R. ist bereits dem altrömischen Recht bekannt, in dem mit der Streiteinsetzung (lat. -> litis contestatio [F.]) der Parteien durch den Magistrat diese sich dem Spruch des Richters unterwerfen und ein zweiter Streit über das geltend gemachte Recht ausgeschlossen ist.
Lit.: Kaser § 82; Köbler, DRG 44
Rechtshilfe ist die Hilfe, welche von Gerichten und von Verwaltungsbehörden gegenüber Gerichten im Hinblick auf eine Tätigkeit der Rechtspflege geleistet werden kann. Sie ist bereits dem Altertum bekannt. Im Hoch- und Spätmittelalter erfolgt sie einigermaßen unförmlich auf Grund von Vereinbarungen oder Gewohnheiten. In der frühen Neuzeit wird sie innerhalb desselben Staates selbstverständlich. Gesetzlich geregelt wird sie 1869 für den Norddeutschen Bund und 1874 für das Deutsche Reich. Darüber hinaus wird 1958 das Haager Abkommen über den Zivilprozess geschlossen.
Lit.: Endemann, W., Die Rechtshilfe, 1869
Rechtsirrtum ist der Irrtum über die bestehende Rechtslage (z. B. über ein rechtliches Verbot). Bereits das römische Recht berücksichtigt den R. weniger stark als den Irrtum über eine Tatsache. Dies wird im Hochmittelalter von den Juristen fortgeführt, während die Moraltheologen auf die tatsächliche Kenntnis einer Vorschrift abstellen. Auch die neuzeitlichen Kodifikationen halten insgesamt an der Schlechterstellung des Rechtsirrtums fest. Im deutschen Strafrecht der Gegenwart wird die Einsichtsfähigkeit des Täters berücksichtigt.
Lit.: Kaser §§ 8 II 4, 26 II 3; Engelmann, W., Die Schuldlehre der Postglossatoren, 1895, Neudruck 1965, 41; Lichti, J., Der Rechtsirrtum, 1950; Mayer-Maly, T., Error iuris, in: Ius humanitatis, hg. v. Miehsler, H. u. a., 1980, 147; Winkel, L., Error iuris nocet, 1983
Rechtskraft ist formell die Unanfechtbarkeit einer Entscheidung, materiell die Maßgeblichkeit des Inhalts einer Entscheidung. Bereits das römische Recht kennt mit der Mehrstufigkeit des Verfahrens die formelle R. Wieweit das Mittelalter sich der Vorstellung der R. bewusst ist, ist zweifelhaft. Erst mit der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter wird die R. deutlich sichtbar. Die materielle R. setzt sich nur allmählich in der Neuzeit durch. Im Dritten Reich wird die R. teilweise zu Lasten Angeklagter eingeschränkt.
Lit.: Kaser §§ 84 II 3a, 87 II 7b; Köbler, DRG 56; Gál, A., Rechtskraft des fränkischen Urteils?, ZRG GA 33 (1912), 315; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat, 1973, 367; Gaul, H., Die Entwicklung der Rechtskraftlehre seit Savigny, FS W. Flume, Bd. 1 1978, 443; Dickhuth-Harrach, H. v., Gerechtigkeit statt Formalismus, 1986
Rechtsmangel ist die Nichterfüllung der Verpflichtung, einen Gegenstand frei von Rechten Dritter zu verschaffen. Bereits im klassischen römischen Recht muss der Verkäufer (bei -> Entwerung des Käufers) dafür einstehen, dass die Sache nicht von Dritten auf Grund eines Rechtes herausverlangt werden kann und deswegen gegebenenfalls den doppelten Kaufpreis (lat. [N.] duplum) leisten. Im Hochmittelalter muss der Verkäufer den Käufer gegen Ansprüche Dritter auf die verkaufte Sache schirmen und damit gegen Rechtsmangel Gewähr leisten, andernfalls den Kaufpreis erstatten und teilweise noch eine Buße erbringen. Seit dem Ende des 18. Jh.s wird der Verkäufer verpflichtet, das Eigentum zu verschaffen.
Lit.: Kaser § 41 V; Hübner 577; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 46, 64, 127, 165; Rabel, E., Die Haftung des Verkäufers für Rechtsmängel, Diss. jur. Hamburg 1969; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Rechtsmissbrauch ist die unberechtigte Ausübung eines an sich bestehenden Rechtes, welcher mit unterschiedlichen Mitteln vorsichtig begegnet wird (u. a. Treu und Glauben). Die heutige Rechtsmissbrauchslehre wird als Ergebnis nationalsozialistischen Rechtsdenkens eingeordnet.
Lit.: Kaser
§ 4 IV; Köbler, DRG 24; Kroeschell, 20. Jh.; Haferkamp, Die heutige Rechtsmissbrauchslehre,
1995
Rechtsmittel ist ein Mittel, mit dem eine Partei eine ihr ungünstige Entscheidung vor Rechtskraft im Wege der Nachprüfung durch ein höheres Gericht zu beseitigen sucht (z. B. -> Berufung, -> Revision, Beschwerde, -> Appellation). Als erstes allgemeines R. entsteht unter Augustus (63 v. Chr. - 14 n. Chr.) die Appellation. Seit dem Spätmittelalter werden R. mit dem gelehrten Prozess aufgenommen. Das gewöhnliche R. ist dabei die Appellation, neben der Oberappellation, Revision, -> Supplikation und Restitution stehen können. Die -> Nichtigkeit (Nullität) wird mit der Nichtigkeitsklage geltend gemacht, doch werden Appellation und Nichtigkeitsklage in der Verfahrenswirklichkeit einander vielfach angenähert. In der deutschen Zivilprozessordnung von 1877/9 wird das R., das den Rechtsstreit in vollem Umfang zur Neuverhandlung bringt (-> Berufung), von dem R., das nur auf die Verletzung des Rechts gestützt werden kann (-> Revision), unterschieden. Gegen Beschlüsse wird die Beschwerde gewährt. Die außerordentlichen R. des gemeinen Rechts sind als Wiederaufnahmeklage gestaltet.
Lit.: Kaser
§ 87 I 9; Buchda, G., Die Rechtsmittel im sächsischen Prozess, ZRG GA 75
(1958), 274; Gilles, P., Rechtsmittel im Zivilprozess, 1972; Weitzel, J., Der
Kampf um die Appellation, 1976; Oer, R. Freiin v., Der
münsterische „Erbmännerstreit“, 1998
Rechtsnorm ist der aus -> Tatbestand und Rechtsfolge zusammengesetzte Rechtssatz. Die Bezeichnung erscheint im späteren 19. Jh.
Lit.: Schumacher, D., Das Rheinische Recht, 1970
Rechtsordnung ist die in eine Ordnung gebrachte Gesamtheit der Rechtsnormen (Rechtssätze) einer Rechtsgemeinschaft. Diese Vorstellung erscheint erst seit der frühen Neuzeit, wird aber von dort aus auf ältere Rechtsgemeinschaften zurückübertragen.
Lit.: Hippel, F. v., Die Perversion von Rechtsordnungen, 1955; Conrad, H., Individuum und Gesellschaft in der Privatrechtsordnung, 1956; Kaufmann, E., Aequitatis iudicium, 1959; Krause, H., Königtum und Rechtsordnung, ZRG GA 82 (1965), 1; Emmerich, W., Gemeinschaftsrecht und nationale Rechte, 1971; Wieacker, F., Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung, 1974; Die Schweizerische Rechtsordnung, 1988; Börner, F., Die Bedeutung der Generalklauseln, 1989
Rechtspflege -> Gericht, -> Prozess
Lit.:
Tezner, F., Verwaltungsrechtspflege in Österreich, 1897ff.; Döhring, E.,
Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Wüllner, W., Zivilrecht und
Zivilrechtspflege, 1964; Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der
deutschen Strafrechtspflege, 3. A. 1965; Luig, K., Zivilrecht und
Zivilrechtspflege, in: Panorama der Fridericianischen Zeit, Bd. 1, hg. v.
Ziechmann, J., 1985, 381; Langen, T., Zur Geschichte der Zivilrechtspflege in
Köln, Diss. jur. Köln 1987; Sellert, W./Rüping, H., Studien- und Quellenbuch
zur Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, Bd. 1f. 1989ff.; Cesare Beccaria, hg. v. Deimling, G.,
1989
Rechtspfleger ist ein Beamter des gehobenen Dienstes in Deutschland, dem zur Entlastung des Richters im frühen 20. Jh. bestimmte Aufgaben der Rechtspflege übertragen werden.
Lit.: Dumke, D., Vom Gerichtsschreiber zum Rechtspfleger, 1993; Meyer-Stolte, K. u. a., Rechtspflegergesetz, 4. A. 1994; Walden, K., Für Führer, Volk und Vaterland, 1995
Rechtsphilosophie ist die Lehre von den Grundfragen und Grundwerten des Rechts. Rechtsphilosophische Fragestellungen finden sich spätestens seit der griechischen Philosophie. Die R. entwickelt sich im 19. Jh. aus dem -> Naturrecht. Strömungen im 19. Jh. sind vor allem -> Idealismus, -> Materialismus und -> Positivismus, im 20. Jh. -> Neuhegelianismus und -> Neukantianismus.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Larenz, K., Deutsche Rechtserneuerung und
Rechtsphilosophie, 1934; Schefold, C., Die Rechtsphilosophie des jungen Marx,
1970; Rode,
Geschichte der europäischen Rechtsphilosophie, 1974; Recht,
Rechtsphilosophie und Nationalsozialismus, hg. v. Rottleuthner, H., 1983;
Hellmuth, E., Naturrechtsphilosophie und bürokratischer Werthorizont, 1985;
Thomann, M., Rechtsphilosophie und Naturrecht bei Gottlieb Konrad Pfeffel, in:
Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 536; Kants
Rechtsphilosophie, hg. v. Kusters, G., 1988; Coing, H., Grundzüge der
Rechtsphilosophie, 5. A. 1993; Strömholm, S., Kurze Geschichte der
abendländischen Rechtsphilosophie, 1991; Decker, C., Katalog der
rechtsphilosophischen und strafrechtlichen Literatur vor 1990,1995; Zippelius,
R., Das Wesen des Rechts, 5. A. 1997; Kaufmann, A., Rechtsphilosophie, 2. A.
1997; Goller, P., Naturrecht, Rechtsphilosophie oder Rechtstheorie? 1997; Roca,
M., Eine europäische Geschichte der Rechts- und Staatsphilosophie, JZ 1997,
881; Changing structures in modern legal systems, hg. v. Bulygin, E., 1998;
Texte zur Rechtsphilosophie, hg. v. Seelmann, K., Bd. 1 2000; Schröder, I., Zur
Legitimationsfunktion der Rechtsphilosophie im Nationalsozialismus, 2002
Rechtspositivismus ist die das Recht betreffende positivistische Haltung. Sie bezieht sich auf ein hierarchisches System von rein juristischen, positiven und von der gesellschaftlichen Wirklichkeit und damit auch von der Geschichte gelösten Begriffen, aus denen Lösungen gewonnen werden. Der Gesetzespositivismus gründet das Recht auf das den Volkswillen verkörpernde -> Gesetz.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 228; Kelsen, H., Reine Rechtslehre, 2. A. 1960; Rottleuthner, H., Rechtspositivismus und Nationalsozialismus, in: Recht und Politik 1983, 195
Rechtsprechung ist die Entscheidung konkreter Rechtsfragen durch die dafür zuständige Stelle. Sie reicht sachlich in die Frühzeit der Rechtsgeschichte zurück. -> Gericht
Lit.:
Kroeschell, DRG 3; Stölzel, A., Die Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung,
Bd. 1f. 1901ff.; Hertz, F., Die Rechtsprechung der höchsten Reichsgerichte,
MIÖG 69 (1961), 331; Dreisbach, Der Einfluss der Carolina auf die
Rechtsprechung, Diss. jur. Marburg, 1969; Volkmann, H., Zur Rechtsprechung im
Prinzipat des Augustus, 2. A. 1969; Walter, G., Die französische
Rechtsprechung, Diss. jur. Frankfurt am Main 1972; Spendel, G., Rechtsbeugung
durch Rechtsprechung, 1984; Repertorium ungedruckter Quellen zur
Rechtsprechung, hg. v. Dölemeyer, B., 1995; Maiwald, K., Die Herstellung von Recht,
1997
Rechtsquelle ist der Ursprungsort von Rechtssätzen. -> Rechtserkenntnisquelle, -> Rechtsgeltungsquelle
Lit.: Söllner § 15; Richthofen, K. v., Friesische Rechtsquellen, 1840, Neudruck 1960; Stobbe, O., Geschichte der deutschen Rechtsquellen, Bd. 1f. 1860ff., Neudruck 1965; Sammlung schweizerischer Rechtsquellen, Bd. 1ff. 1894ff.; Brunner, H., Geschichte der englischen Rechtsquellen, 1909; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953, Neudruck 1984; Wenger, L., Die Quellen des römischen Rechts, 1953; Dießelhorst, M., Die Natur der Sache als außergesetzliche Rechtsquelle, 1968; Wolter, U., Ius canonicum in iure civili, 1975; Jakobs, H., Wissenschaft und Gesetzgebung, 1983; Wiegand, W., Die privatrechtlichen Rechtsquellen, in: Akten des 26. Deutschen Rechtshistorikertages, 1987, 237
Rechtsreformation -> Reformation
Rechtssatz -> Rechtsnorm
Rechtsschein ist der äußerliche Anschein des Bestehens eines in Wirklichkeit nicht bestehenden Rechtes. Er kann Rechtswirkungen äußern (z. B. unrichtiges Grundbuch). Ihn gibt es seit Entstehung des Rechts.
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2; Meyer, H., Vom Rechtsschein des Todes, 1912; Canaris, C., Vertrauenshaftung, 1971
Rechtsschule ist eine Lehrstätte (in der Spätantike in Rom, Karthago, Konstantinopel [zwei Rechtslehrer mit nur wenig Entgelt leistenden Hörern], Beirut [Beryt], Athen, Alexandria und Caesarea) oder Geistesrichtung innerhalb der Rechtswissenschaft. -> freie Rechtsschule, -> historische Rechtsschule, -> Prokulianer, -> Sabinianer, -> Ravenna, -> Pavia, -> Verona, -> Bologna, -> Universität
Lit.: Söllner §§ 16, 21; Köbler, DRG 53, 187, 189; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973, 39, Bd. 2, 1,2ff.; Elsener, F., Die Schweizer Rechtsschulen, 1975; Coing, H., Die französische Rechtsschule zu Koblenz, FS F. Wieacker, 1978, 195
Rechtsschutz ist der durch die -> Rechtsordnung gewährleistete Schutz von Rechtsgütern. -> Gericht, Rechtsnorm, Strafrecht
Lit.: Köbler, DRG 208; Rüfner, W., Verwaltungsrechtsschutz in Preußen, 1962; Das subjektive Recht, hg. v. Coing, H., 1962; Lohmann, U., Gerichtsverfassung und Rechtsschutz in der DDR, 1986
Rechtssicherheit ist die Beständigkeit der bei einem Verhalten eintretenden Rechtsfolgen. Die R. steht in einem Spannungsverhältnis zur Einzelfallgerechtigkeit. Verstärkt strebt man nach R. seit der Aufklärung. Im Dritten Reich wird unter dem Schlagwort der R. der Rechtsstaat ausgehöhlt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Meyer, A., Die Notariatsordnungen, 1971; Göring, H., Die Rechtssicherheit, 1935
Rechtssoziologie ist die Lehre von der sozialen Wirklichkeit des Rechts. Sie entwickelt sich ansatzweise seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s (-> Marx, -> Ihering, -> freie Rechtsschule). Nach Unterbrechung durch den Nationalsozialismus gewinnt die R. unter amerikanischem Einfluss in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s an Boden.
Lit.: Köbler, DRG 228; Dombeck, B., Das Verhältnis der Tübinger Schule zur deutschen Rechtssoziologie, 1969; Rehbinder, M., Rechtssoziologie, 3. A. 1993
Rechtsspiegel -> Rechtsbuch
Rechtssprache ist die besondere Sprache, in der Recht zum Ausdruck gebracht wird. Die R. ist in der Gegenwart die Fachsprache des wissenschaftlich gebildeten -> Juristen. Ihre Besonderheiten betreffen vor allem den Wortschatz, daneben auch Syntax und Grammatik. Besonders bedeutsam für die deutsche R. ist das Verhältnis von lateinischer Überlieferung und volkssprachiger Rechtswirklichkeit.
Lit.:
Deutsches Rechtswörterbuch, Bd. 1ff. 1914ff.; Günther, L., Recht und Sprache,
1898; Kalb, W., Wegweiser in die römische Rechtssprache, 1912, Neudruck 1961;
Merk, W., Werdegang und Wandlungen der deutschen Rechtssprache, 1939; Dölle,
H., Vom Stil der Rechtssprache, 1949; Sonderegger, S., Die ältesten Schichten
einer germanischen Rechtssprache, FS K. Bader, 1965, 419; Munske, H., Der
germanische Rechtswortschatz, 1973; Köbler, G., Deutsche Sprachgeschichte und
Rechtsgeschichte, in: Sprachgeschichte, hg. v. Besch, W. u. a., 1984, 56;
Hattenhauer, H., Zur Geschichte der deutschen Rechts- und Gesetzessprache,
1987; Kühn, P., Deutsche Wörterbücher, 1978; Köbler, G.,
Lateinisch-germanistisches Lexikon, 2. A. 1984; Schmidt-Wiegand, R.,
Stammesrecht und Volkssprache, 1991; Speer, H., Das deutsche Rechtswörterbuch,
1991; Heller, M., Reform der deutschen Rechtssprache im 18. Jahrhundert, 1992;
Köbler, G., Juristisches Wörterbuch, 8. A. 1996; Köbler, G., Etymologisches
Rechtswörterbuch, 1995;
Sieber, A., Deutsche Fachsprache des Rechts, in: Kontinuitäten und Zäsuren,
1999, 149; Görgen, A., Rechtsgrenzen folgen Sprachgrenzen, ZRG GA 115 (1998),
389; Köbler, G., Liber exquisiti xenii, 1999; Garovi, A.,
Rechtssprachlandschaften der Schweiz, 1999
Rechtssprecher -> Gesetzessprecher
Rechtssprichwort ist das einen rechtlichen Tatbestand erfassende Sprichwort (z. B. -> Aller guten Dinge sind drei). Seine Volkstümlichkeit ist vielfach zweifelhaft. Deutsche Rechtssprichwörter, deren Zahl die neueste Zusammenstellung mit etwa 1800 benennt, lassen sich nicht vor dem Hochmittelalter sicher belegen.
Lit.: Graf, E./Dietherr, M., Deutsche Rechtssprichwörter, 2. A. 1869; Schmidlin, B., Die römischen Rechtsregeln, 1970; Foth, A., Gelehrtes römisch-kanonisches Recht in deutschen Rechtssprichwörtern, 1971; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, 5. A. 1991; Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996 (Neuausgabe 2002)
Rechtsstaat ist der bewusst auf die Verwirklichung von Recht ausgerichtete Staat. Dieses Staatsziel wird am Ende des 18. Jh.s in Ablösung des absolutistischen Wohlfahrtsstaates von den Vertretern der liberalen Aufklärung gefordert. Als Grundlage werden -> Verfassung und -> Gesetzgebung durch eine Volksvertretung angesehen. Nach 1848 verengt sich dies auf den formalen Rechtsschutz im Zivilprozess (1877/9) und in Verwaltungsangelegenheiten (1863ff.). Das Handeln der Verwaltung wird allgemein nachprüfbar, wobei Ermessensbegriffe weniger und unbestimmte Rechtsbegriffe stärker erfasst werden. Der Nationalsozialismus beseitigt die dadurch erreichten Errungenschaften. Nach 1945 wird der R. verstärkt ausgebaut.
Lit.:
Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 198, 199; Bähr, O., Der Rechtsstaat, 1864;
Gneist, R., Der Rechtsstaat und die Verwaltungsgerichte, 1872, Neudruck 1968;
Maier, H., Zur Frühgeschichte des Rechtsstaats in Deutschland, Neue Polit. Lit.
7 (1962), 234; Badura, P., Das Verwaltungsrecht des liberalen Rechtsstaates,
1967; Weber, D., Die Lehre vom Rechtsstaat bei Otto Bähr und Rudolf von Gneist,
Diss. jur. Köln 1968; Schmidt, E., Kammergericht und Rechtsstaat, 1968; Laufs,
A., Die rechtsstaatlichen Züge des Bismarck-Reiches, FS H. Thieme, 1977, 72;
Koch, B., Rechtsbegriff und Widerstandsrecht, 1985; Willoweit, D., War das Königreich Preußen ein ,Rechtsstaat‘?, in:
Staat, Kirche, Wissenschaft in einer pluralistischen Gesellschaft, 1989, 451;
Schröder, J., 40 Jahre Rechtspolitik im freiheitlichen Rechtsstaat, 1989; Der
europäische Rechtsstaat, hg. v. Brand, J. u. a., 1994; Gemeinwohl, Freiheit,
Vernunft, Rechtsstaat, hg. v. Ebel, F., 1995; Vertrauen in den Rechtsstaat, hg.
v. Goydke, J. u. a., 1995; Rechtsstaatlichkeit
in Europa, hg. v. Hofmann, R. u. a., 1996; Wetzler, C., Rechtsstaat und
Absolutismus, 1997
Rechtsstudium -> Rechtswissenschaft, Studium, Universität
Rechtssubjekt ist der Träger von Rechten und Pflichten. Sachlich gibt es Rechtssubjekte mit der Entstehung von Recht. Als solche erfasst werden sie aber erst im 19. Jh.
Lit.: Kaser § 13 I 1; Köbler, DRG 206
Rechtssumme ist die zusammenfassende Darstellung eines Titels oder mehrerer Titel des (lat.) -> corpus (N.) iuris civilis oder auch anderer gelehrter Rechtstexte. Rechtssummen finden sich vor allem in Oberitalien im 12. bis 14. Jh. (z. B. Summa aurea [Goldene Summe] des Hostiensis, Summa de casibus poenitentiae [Summe über Bußfälle], Summa legum brevis levis et utilis [Kurze, leichte und nützliche Rechtssumme], Summa Johannis [Bruder Bertholds 1300/40 in 80 Handschriften überlieferte deutsche Darstellung des Kirchenrechts für Laien]).
Lit.: Trusen, W., Anfänge der gelehrten Rechte in Deutschland, 1962, 119; Coing, H., Römisches Recht in Deutschland, 1964, in: Ius Romanum medii aevi 5, 6; Placentini Summa Codicis, hg. v. Calasso, F., 1962; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967, 67, 172; Die Rechtssumme Bruder Bertholds, hg. v. Hamm, M. u. a., 1980; Weck, H., Die Rechtssumme Bruder Bertholds, 1982
Rechtssymbol ist eine Handlung oder ein Gegenstand, die bzw. der ein Rechtsgeschäft oder Rechtsverhältnis versinnbildlicht.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Amira, K. v., Der Stab in der germanischen Rechtssymbolik, 1909; Gathen, A., Die Rolande als Rechtssymbole, 1960; Bauer, W. u. a., Lexikon der Symbole, 7. A. 1985; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Kocher, G., Zeichen und Symbole des Rechts, 1992
Rechtssystem ist eine Gesamtheit von Rechtseinrichtungen in einleuchtender Ordnung. Ein R. ist den Römern noch fremd. Es findet sich erst bei -> Leibniz (1646-1716) und -> Wolff. Neu gefasst wird es von -> Savigny und -> Puchta. Der Gegenwart ist es zweifelhaft, ob es ein geschlossenes R. geben kann. -> System
Lit.: Savigny, F., System des heutigen Römischen Rechts, Bd. 1
1840; Hatschek, J., Bentham und die Geschlossenheit des Rechtssystems, Archiv
f. öff. Recht 24 (1909), 442, 26 (1910), 458; Coing, H., Geschichte und
Bedeutung des Systemgedankens, 1956; Wilhelm, W., Zur juristischen
Methodenlehre im 19. Jahrhundert, 1958; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte
der Neuzeit, 2. A. 1967; Canaris, C., Systemdenken und Systembegriff, 1969;
Luig, K., Die Theorie der Gestaltung eines nationalen Privatrechtssystems, in:
Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 1 1974, 217;
Schröder, J., Wissenschaftstheorie und Lehre der „praktischen Jurisprudenz“,
1976; Schlosser, H., Das „wissenschaftliche Prinzip“ der germanistischen
Privatrechtssysteme, Gedächtnisschrift H. Conrad, 1979, 491; Björne, L.,
Deutsche Rechtssysteme, 1984; Mayer, D., Grundlagen des nationalistischen
Rechtssystems, 1987; David, R./Grasmann, G., Einführung in die großen
Rechtssysteme der Gegenwart, 2. A. 1988; Changing structures in modern legal systems, hg. v. Bulygin, E., 1998
Rechtstag -> endlicher Rechtstag
Rechtstheorie ist die Beschäftigung mit den allgemeinen Fragen des Rechtes, insbesondere mit seiner logischen Struktur. Die R. als Gegensatz zur Rechtspraxis wird schon in philosophisch-rhetorischen Fragestellungen des Altertums sichtbar. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s wird sie aber bewusst von Naturrecht und Rechtsphilosophie abgesetzt und auch auf frühere Zeiten zurückübertragen.
Lit.:
Kroeschell, 20. Jh.; Ramm, T., Staat und Recht, Diss. jur. Marburg 1950; Lange,
H., Schadensersatz und Privatstrafe, 1955; Gernhuber,
J., Das völkische Recht, FS E. Kern, 1968, 167; Reich, N., Marxistische
Rechtstheorie, 1973; Paul, W., Marxistische Rechtstheorie, 1974; Rückert, J.,
August Ludwig Reyschers Leben und Rechtstheorie, 1974; Flechtheim, O., Hegels
Strafrechtstheorie, 2. A. 1975; Probleme der marxistischen Rechtstheorie, hg.
v. Rottleuthner, H., 1975; Schröder, J., „Communis opinio“, in: Wege
europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 404; Scherner, K., Arme
und Bettler in der Rechtstheorie des 17. Jahrhunderts, ZNR 1988, 129; Brockmöller, A., Die
Entstehung der Rechtstheorie im 19. Jahrhundert,
1997; Kelly, J., A short history of Western legal theory, 1997
Rechtsunterricht -> Juristenausbildung
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, G., Erlanger juristische Vorlesungen des 18. und 19. Jahrhunderts, Jb. f. fränk. Landesforschung 27 (1967), 241; Weimar, P., Die legistische Literatur, Ius commune 2 (1969), 43; Scheltema, H., L’enseignement de droit, 1970; Finke, K., Die Tübinger Juristenfakultät 1477-1534, 1972; Köbler, G., Gießener juristische Vorlesungen, 1982; Schulen und Studium, hg. v. Fried, J., 1986; Meier, J., Der Rechtsunterricht an den Universitäten Köln und Bonn, Diss. jur. Köln 1987
Rechtsvergleichung ist die vergleichende Betrachtung verschiedener Rechtsordnungen, insbesondere räumlich verschiedener, gleichzeitig geltender Rechtsordnungen. Sie wird ansatzweise bereits im Altertum betrieben. Besondere Bedeutung erlangt sie in der jüngeren Vergangenheit (19./20. Jh., z. B. -> Feuerbach, -> Gans, -> Bachofen, -> Mittermaier, -> Rabel).
Lit.:
Constantinesco, L., Rechtsvergleichung, Bd. 1f. 1971f.; Coing, H.,
Rechtsvergleichung als Grundlage der Gesetzgebung, Ius commune 7 (1978), 160;
Großfeld, B., Macht und Ohnmacht der Rechtsvergleichung, 1984; Wadle, E.,
Einhundert Jahre Rechtsvergleichende Gesellschaften, 1994; Stolleis, M.,
Nationalität und Internationalität, 1998
Rechtsverweigerung ist die Verweigerung des rechtlich Gebotenen, insbesondere eines rechtlichen Verfahrens durch die zuständige Person. Sie findet sich an unterschiedlichen Stellen (z. B. sind nach -> Lex Salica 57 urteilsverweigernde Rachinburgen bußpflichtig, wird das -> Reichskammergericht 1495 für Fälle von R. zuständig oder kann im Deutschen Bund bei Verweigerung einer gerichtlichen Entscheidung durch die Gerichtsbarkeit die -> Bundesversammlung angerufen werden). In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s gewährt die deutsche Verfassung demgegenüber eine Rechtsweggarantie.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 92, 153, 200; Perels, K., Die Justizverweigerung im alten Reiche, ZRG GA 25 (1904), 1; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Schmitt-Weigand, A., Rechtspflegedelikte in der fränkischen Zeit, 1962; Wollschläger, C., Ungleiche Justizgewähr und Zivilprozesshäufigkeit, FS H. Coing, 1982, 435
Rechtsweisung -> Weistum
Rechtswidrigkeit ist der Widerspruch zur Rechtsordnung. Die R. erscheint zusammen mit dem Recht. Sie ist besondere Voraussetzung für verschiedene Rechtsfolgen (z. B. Strafe, Schadensersatz).
Lit.: Kaser § 36 II 5; Köbler, DRG 204; Wolzendorff, K., Staatsrecht und Naturrecht, 1916; Koch, B., Rechtsbegriff und Widerstand, 1985
Rechtswissenschaft ist die die rechtliche Sollensordnung betreffende Wissenschaft. R. entsteht im klassischen römischen Recht, verliert sich danach aber mit dem Zurücktreten der Juristen in Rom (3. Jh. n. Chr.) weitgehend. Seit dem Ende des 11. Jh.s wird die R. in Bologna neu begründet (-> Glossatoren). Von hier breitet sie sich als universitär betriebene Wissenschaft über ganz Europa aus (-> Kommentatoren, -> usus modernus, -> Naturrecht, -> historische Rechtsschule, -> Pandektistik). In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s nimmt die Zahl der rechtswissenschaftlichen Bildungsstätten nochmals sprunghaft zu. Um 1995 gibt es rund 750000 Studierende der R. in Europa.
Lit.:
Söllner § 11, 16; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 2, 8, 29, 51, 105, 143,
184, 228, 254; Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen
Rechtswissenschaft, Abt. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978; Quellenbuch zur
Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, hg. v. Wolf, E., 1950; Schmitt,
C., Die Lage der europäischen Rechtswissenschaft, 1950; Schulz, F., Geschichte
der römischen Rechtswissenschaft, 1961; Gmür, R., Savigny und die Entwicklung
der Rechtswissenschaft, 1962; Ogris, W., Der Entwicklungsgang der
österreichischen Privatrechtswissenschaft, 1968; Philosophie und
Rechtswissenschaft, hg. v. Blühdorn, J. u. a., 1969; Stephanitz, O. v., Exakte
Wissenschaft und Recht, 1970; Jörgensen, S., Grundzüge der Entwicklung der
skandinavischen Rechtswissenschaft, JZ 25 (1970), 529; Kleinheyer, G./Schröder,
J., Deutsche und europäische Juristen aus neun Jahrhunderten, 4. A. 1996;
Köbler, G., Vorstufen der Rechtswissenschaft, ZRG GA 100 (1983), 75; Herberger,
M., Rechtswissenschaftsgeschichte, Rechtshistorisches Journal 3 (1984), 150; Gouron, A., La science du
droit le Midi, 1984; Historische Soziologie der Rechtswissenschaft, hg. v.
Heyen, E., 1986; Juristen in Österreich, hg. v. Brauneder, W., 1987;
Rechtswissenschaft in Göttingen, hg. v. Loos, F., 1987; Radding, C., The Origins
of Medieval Jurisprudence, 1988; Bürge, A., Neue Quellen zur
Begegnung der deutschen und französischen Rechtswissenschaft im 19.
Jahrhundert, ZRG GA 110 (1993), 546; Lange, H., Die Anfänge der modernen Rechtswissenschaft,
1993; Juristen, hg. v. Stolleis, M., 1995; Kiesow, R., Das Naturgesetz des
Rechts, 1997
Rechtswohltat -> beneficium
Lit.: Kaser § 32 III; Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985
Rechtswort -> Rechtssprache
Lit.: Köbler, DRG 10; Deutsches Rechtswörterbuch, Bd. 1ff. 1914ff.: Freudenthal, K., Arnulfingisch-karolingische Rechtswörter, 1949; Schmidt-Wiegand, R., Studien zur historischen Rechtswortgeographie, 1978; Köbler, G., Etymologisches Rechtswörterbuch, 1995; Köbler, G., Juristisches Wörterbuch, 8. A. 1996
Rechtszug ist der jeweils einem bestimmten Gericht zugeordnete Verfahrensabschnitt eines Rechtsstreites. Voraussetzung für einen R. ist eine mehrstufige Gerichtsbarkeit. Sie entsteht in Rom seit Augustus (63 v. Chr. - 14 n. Chr.) und danach wohl neu im Hochmittelalter. Die deutsche ordentliche Gerichtsbarkeit kennt seit 1877/9 den meist dreistufigen Rechtszug, dem in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s noch die Überprüfung einer Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht und europäische Gerichte nachfolgen kann. Nur in einem weiteren Sinn ist R. auch die Einholung einer Rechtsauskunft bei einer anderen Stelle (z.B -> Oberhof).
Lit.: Kaser
§ 87 I 9; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 86; Seelmann, W., Der Rechtszug im
älteren deutschen Recht, 1910; Kern, E., Geschichte des
Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Kaufmann, E., Aequitatis iudicium, 1959;
Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Weitzel, J., Der Kampf
um die Appellation, 1976; Ebel, F., Statutum und ius fori, ZRG GA 93 (1976),
100; Müller, H., Oberhof und neuzeitlicher Territorialstaat, 1978; Weitzel, J.,
Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Baker, J., An Introduction to English Legal
History, 3. A. 1990
recognitio (lat. [F.]) Beglaubigung
Lit.: Classen, P., Kaiserreskript und Königsurkunde, 1977
records sind die bis 1731 in lateinischer Sprache geführten Protokolle der Gerichte des -> englischen Rechts.
Lit.: Baker, J., An
Introduction to English Legal History, 3. A. 1990; Baker, J., The Common Law Tradition,
2000
Reconquista (F.) Wiedergewinnung Spaniens durch die Christen gegen die Araber (8.-15. Jh.)
Lit.:
Lomax, D., Die Reconquista, 1980; Vones, L., Geschichte der iberischen
Halbinsel, 1993
Rectitudines (F.Pl.) singularum personarum (lat.) sind ein im -> Quadripartitus enthaltener lateinischer Traktat des frühen englischen Rechts (Mitte 10. Jh., überarbeitet um 1020 ?) über die Pflichten der Hintersassen nach Hofrecht.
Lit.: Brunner, H., Geschichte der englischen Rechtsquellen, 1909; Loyn, H., Anglo-Saxon England and the Norman Conquest, 1962
rector (lat. [M.]) Leiter, Richter
recuperator (lat. [M.]) Wiederbeschaffer
Lit.: Söllner § 9; Köbler, DRG 19; Schmidlin, B., Das Rekuperatorenverfahren, 1963
recursus (lat. [M.]) Rücklauf, Rekurs
recursus (M.) ab abusu (lat.) ist in Frankreich seit dem Spätmittelalter die Beschwerde bei den staatlichen Gerichten gegen den Missbrauch der geistlichen Gewalt.
Lit.: Eichmann, E., Der recursus ab abusu, 1903; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983, Kap. 18
recursus (M.) ad comitia (lat.) ist im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) seit dem Ende des 17. Jh.s die Anfechtung von Urteilen des Reichskammergerichts und des Reichshofrates vor dem Reichstag. Der r. a. c. bleibt meist ohne Auswirkung.
Lit.: Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat, 1973, 398
Redefreiheit -> Parlament, Meinungsfreiheit
reditus, redditus (lat. [M.]) Rückkehr, Einkunft, Abgabe
redintegranda (zurückgewährend) ist das Anfangswort eines auf die pseudoisidorischen Dekretalen des 9. Jh.s zurückgehenden canons -> Gratians (um 1140), nach dem ein vertriebener Bischof gegen ein Strafverfahren gegen ihn eine Einrede hat, so lange er nicht wieder in sein Amt eingesetzt wird, und jedes Urteil, das vor dieser Wiedereinsetzung ergeht, fehlerhaft ist. Später entwickelt sich über die (lat.) actio (F.) spolii hieraus die Besitzschutzklage.
Lit.: Hübner § 29 III 2b; Bruns, C., Die Besitzklagen, 1874
redjeva (Ratgeber) ist im hochmittelalterlichen Recht Frieslands ein Berater von Richter und -> asega, der in der Mitte und im Osten bald den asega ersetzt.
Lit.: Richthofen, K. v., Friesische Rechtsquellen, 1840, Neudruck 1960; Gerbenzon, P., Apparaat voor de studie van oudfries recht, Teil 1f. 1981; Köbler, G., Altfriesisch-neuhochdeutsches und neuhochdeutsch-altfriesisches Wörterbuch, 1983
Reederei ist die Verbindung mehrerer Schiffseigner. Sie findet sich der Sache nach bereits im Altertum. Eine umfassende gesetzliche Regelung bringen das preußische -> Allgemeine Landrecht von 1794, das -> Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch von 1861 und das -> Handelsgesetzbuch von 1897/1900.
Lit.: Hübner; Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Seamen in Society, hg. v. Adam, P., 1980; Schmidt, K., Die Partenreederei, 1995
Referendar (lat. [M.] referendarius) ist im spätantiken römischen Recht (427 n. Chr.) der kaiserliche Berichterstatter. Als Titel für hohe Amtsträger erscheint R. auch im Mittelalter (z. B. in Italien im 7.Jh., in der päpstlichen Kanzlei im 14. Jh.). Seit 1748 ist in -> Preußen der angehende Jurist nach zwei von insgesamt drei Prüfungen R., seit 1869 nach einer von insgesamt zwei Prüfungen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Jescheck, H., Die juristische Ausbildung in Preußen und im Reich, 1939; Bleek, W., Von der Kameralausbildung zum Juristenprivileg, 1972; Mehrlein, A., Die Zweiteilung der Juristenausbildung, Diss. jur. Frankfurt am Main 1976; Classen, P., Kaiserreskript, 1977
Referendum (N.) Volksabstimmung
Reform (F.) Wiederherstellung einer (früheren) Form
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Koselleck, R., Preußen zwischen Reform und Revolution, 1967; Weis, E., Montgelas, 1971; Bradler-Rottmann, E., Die Reformen Kaiser Josephs II., 1973; Angermeier, H., Die Reichsreform, 1984; Revolution, Reform, Restauration, hg. v. Mohnhaupt, H., 1988
reformatio in peius iudici appellato non licet (lat.). Die Rechtsmittelinstanz darf das Urteil nicht zu Lasten des Anfechtenden abändern. Im Dritten Reich wird das Verbot der r. i. p. eingeschränkt.
Lit.: Köbler, DRG 235; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 186, Nr. 15 (Ulpian, um 170 - 223, Digesten 49, 1, 1, pr.)
Reformatio (F.) Sigismundi (lat.) ist eine vermutlich am Ende des Jahres 1439 in Basel in kurzer Zeit entstandene, in 16 Handschriften überlieferte Reformschrift eines unbekannten Verfassers. Sie fordert von den Geistlichen eine Beschränkung auf geistliche Aufgaben und von den weltlichen Herren Aufhebung der Unfreiheit, der Freizügigkeitsbeschränkung sowie Schutz vor Wucher und überhöhten Abgaben. Sie ist Ausdruck eines Verlangens nach Veränderung noch vor dem eigentlichen Beginn der Neuzeit.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Angermeier, H., Der Ordnungsgedanke in den Reichsreformbestrebungen, Diss. phil. München 1954 masch.schr.; Reformation Kaiser Siegmunds, hg. v. Koller, H., 1964; Struve, T., Reform oder Revolution?, ZGO 126 (1978), 73; Krieger, K., König, Reich und Reichsreform, 1992, 117
Reformation ist die Zurückbildung eines gegenwärtigen (schlechten) Zustandes in einen ursprünglichen (einwandfreien) Zustand bzw. die Veränderung zum Guten. In der christlichen Kirche ist R. die von Martin -> Luther am 31. 10. 1517 durch Anschlag von 95 Thesen an die Schloßkirche von Wittenberg in Gang gesetzte Erneuerungsbewegung, welche die Erlösung des sündigen Menschen statt auf (käufliche) gute Werke (-> Ablass) auf die Gnade Gottes zurückführt und welche nach wechselvollem Verlauf eines Religionskrieges 1555 im -> Augsburger Religionsfrieden anerkannt wird. Im Recht ist R. die unterschiedlich weit reichende Veränderung des einheimischen Rechts durch Aufnahme römisch-kanonistischer Rechtsregeln in neu gefasste Stadtrechte und Landrechte (z. B. -> Nürnberg 1479/84, -> Tübingen 1497, -> Worms 1499, -> Frankfurt 1509, -> Bayern 1518, -> Freiburg 1520, Brandenburg 1527, Innerösterreich 1533, Württemberg 1555, Solms 1571, Kursachsen 1572) während des 15. bis 17. Jh.s. Dabei werden der Süden und das Schuldrecht, Fahrnisrecht und Erbrecht stärker verändert als der Norden und das Liegenschaftsrecht und das Ehegüterrecht.
Lit.:
Kroeschell, DRG 2, 232; Köbler, DRG 129, 130, 138; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 4 1984, 313; Burdach, K., Reformation, Renaissance,
Humanismus, 1918; Coing, H., Die Frankfurter Reformation von 1578, 1935;
Heckel, J., Lex charitatis, 1953; Knoche, H., Ulrich Zasius und das Freiburger
Stadtrecht, 1957; Moeller, B., Reichsstadt und Reformation, 1962; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967; Lortz, J., Die Reformation in
Deutschland, Bd. 1f. 6. A. 1982f.; Weltwirkung der Reformation und
Gegenreformation, 2. A. 1982; Wohlfeil, R., Einführung in die Geschichte der
Reformation, 1982; Martin Luther und die Reformation im Reich (Katalog), hg. v.
Boll, G., 1983; Reformation der Stadt Nürnberg, hg. v. Köbler, G., 1984; Der Statt
Wormbs Reformation, hg. v. Köbler, G., 1985; Sendler, B., Die Rechtssprache in
den süddeutschen Stadtrechtsreformationen, 1990; Blickle, P., Die Reformation im
Reich, 3. A. 2000; Wolgast, E., Hochstift und Reformation, 1995; Lutz, H.,
Reformation und Gegenreformation, 4. A. 1997; Keune, H., Die Durchsetzung der
Reformation in den Territorien, Diss. jur. Bonn 1999; Die deutsche Reformation
zwischen Spätmittelalter und früher Neuzeit, hg. v. Brady, T., 2001; Oberman,
H., Zwei reformationen, 2003
Regal ist das vom König beanspruchte Recht (lat. [ius] regale), das seit 1122 so bezeichnet wird. In Roncaglia erfolgt 1158 eine unvollständige Aufzählung. Einzelne Regale oder Regalien sind etwa Salzregal, Bergregal, Judenregal, Zollregal, Marktregal, Münzregal, Schatzregal, Bodenregal, Wegeregal, Geleitsregal, Stromregal, Wasserregal, Mühlenregal, Forstregal, Jagdregal, aber auch Gesetzgebung, Priviligienerteilung, Kriegserklärung, Universitätsgründung oder Verleihung des Doktorgrades. Seit dem 12. Jh. gehen die Regale vom König auf die Landesherren über und es entstehen nur noch vereinzelt neue Regale (z. B. Postregal). In der Hand des Landesherrn werden die Regale Teil der allgemeinen Staatsgewalt (Hoheitsrecht) bzw. privatrechtlich-fiskalisches Recht.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 109, 113, 124, 150, 167; Pöschl, A., Die Regalien der mittelalterlichen Kirchen, 1928; Thieme, H., Die Funktion der Regalien im Mittelalter, ZRG GA 62 (1942), 57; Lot, F./Fawtier, R., Histoire des institutions françaises, Bd. 2 1985; Waitz, H., Die Entwicklung des Begriffs der Regalien, Diss. jur. Frankfurt am Main 1939; Howell, M., Regalian Right in Medieval England, 1962; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975
Regensburg an der Donau wird nach römischen Anfängen (80 n. Chr.) im Frühmittelalter Hauptsitz des bayerischen Herzogs, im Hochmittelalter Reichsstadt (1245). Von 1663 bis 1806 tagt dort der immerwährende -> Reichstag. 1962 wird R. Sitz einer Universität.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Lindner, L., Das bürgerliche Recht der Reichsstadt Regensburg, Diss. jur. Erlangen 1909; Regensburger Urkundenbuch, Bd. 1 1913; Knapp, H., Alt-Regensburgs Gerichtsverfassung, 1914, Neudruck 1978; Die Traditionen des Hochstifts Regensburg, hg. v. Widemann, J., 1943; Fürnrohr, Der immerwährende Reichstag zu Regensburg, 1963; Kleinheyer, G., Die Regensburger peinliche Gerichtsordnung, FS H. Krause, 1975, 110; Kraus, A., Regensburg 1989; Schmid, A., Regensburg, 1994; Schmuck, J., Ludwig der Bayer und die Reichsstadt Regensburg, 1997
Regent ist der Herrscher oder Fürst oder derjenige, welcher für einen anderen im Falle einer Verhinderung die Regierungsgewalt ausübt.
Lit.: Fricke, H., Reichsvikare, Reichsregenten und Reichsstatthalter, Diss. phil. Göttingen 1949 masch.schr.; Heckmann, M., Stellvertreter, 2002; Elpers, B., Regieren, Erziehen, Bewahren, 2003
Regesten sind meist chronologisch unter Angabe von Ausstellungsdatum, Ausstellungsort, Aussteller, Adressat, Inhalt und Fundstelle geordnete Urkundenverzeichnisse (z. B. der Kaiser und Könige des deutschen Reichs [Bd. 1 Die Regesten des Kaiserreichs unter den Karolingern 751-918, Bd. 2 Sächsisches Haus 919-1024, Bd. 3 Salisches Haus 1024-1125, Bd. 4 Ältere Staufer 1125-1197, Bd. 5 Die Regesten des Kaiserreichs unter Philipp, Otto IV., Friedrich II. Heinrich usw., Bd. 14 Ausgewählte Regesten des Kaiserreiches unter Maximilian I. 1493-1519]).
Lit.: Köbler, DRG 145; Bresslau, H., Handbuch der
Urkundenlehre, Bd. 1f. 4. A. 1968ff.; Brandt, A., Regesten der Lübecker
Bürgertestamente des Mittelalters, Bd. 1ff. 1964ff.; Die
Regesta Imperii, hg. v. Zimmermann, H., 2000;
REGESTA IMPERII online – RI OPAC online http://www.regesta-imperii.org
Regierung ist ein kollegiales Verfassungsorgan, dem die Staatsleitung zusteht bzw. eine mittlere Landesbehörde. Von R. wird seit dem ausgehenden Spätmittelalter gesprochen. In der konstitutionellen Monarchie gewinnt die R. als Spitze der ausführenden Gewalt tatsächlich allmählich eine gewisse Eigenständigkeit gegenüber dem Herrscher, im parlamentarischen System ist sie vom Vertrauen des Parlamentes abhängig und wird deshalb von der Mehrheitspartei oder einer Mehrheitskoalition gestellt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 197, 247; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1984, 361; Schlitter, H., Die Regierung Josephs II., 1900; Meyer, F., Der Begriff der Regierung im Rechtsstaat, 1948; Press, V., Calvinismus und Territorialstaat, 1970; Knemeyer, F., Regierungs- und Verwaltungsreformen in Deutschland, 1970; Gesellschaft, Parlament und Regierung, hg. v. Ritter, G., Teil 1 1974; Frotscher, W., Regierung als Rechtsbegriff, 1975; Stürmer, M., Regierung und Reichstag, 1975; Die Regierung der deutschen Mittel- und Kleinstaaten, hg. v. Schwabe, K., 1983; Reuschling, H., Die Regierung des Hochstifts Würzburg, 1984
Regiment (N.) Leitung, Heeresteil
Regino von Prüm (Altrip um 840 ? - Trier 892), aus fränkischem Adel (?), wird 892 Abt von Prüm (893 Anlegung des Prümer Urbars) und nach Vertreibung 899 Abt von St. Martin in Trier. Um 906 verfasst er das in zwei Bücher geteilte kirchenrechtliche Handbuch (lat.) De synodalibus causis et disciplinis ecclesiasticis (Über Synodalsachen und kirchliche Disziplinen) mit 96 Fragen an den Pfarrer und 89 Fragen an die Gemeindeglieder. Es wird von -> Burchard von Worms verwertet.
Lit.: Libri duo de synodalibus causis, hg. v. Wasserschleben, F., 1840; Koeniger, A., Die Sendgerichte in Deutschland, Bd. 1 1907; Hellinger, W., Die Pfarrvisitation nach Regino von Prüm, ZRG KA 48 (1962), 1, 49, (1963), 76; Lotter, F., Ein kanonistisches Handbuch über die Amtspflichten, ZRG KA 62 (1976), 1; Schmitz, G., Ansegis und Regino, ZRG KA 74 (1988), 95
Register (N.) Verzeichnis (z. B. römischer Behörden im Altertum, der Kirche seit dem 4. Jh. n. Chr. oder allgemein üblich seit dem 12./13. Jh.)
Lit.: Silagi, G., Landesherrliche Kanzleien, 1984
regnum (lat. [N.]) Reich, Königreich
Lit.: Staat- und Volkwerdung, hg. v. Brühl, C., 1995
regnum (N.) Teutonicum (lat.) deutsches Reich (um 1000)
Lit.: Müller-Mertens, E., Regnum Teutonicum, 1970
Regredienterbe (M.) weichender Erbe
Regreß ist der Rückgriff eines zunächst zu einer Leistung Verpflichteten auf einen weiteren, vielfach nur im Innenverhältnis zur Erbringung der Leistung Verpflichteten. Er findet sich bereits im römischen Recht. Von der dortigen Verpflichtung des Gläubigers, dem leistenden Bürgen seine Forderung gegen den Schuldner abzutreten, ausgehend entwickelt sich für viele unterschiedliche Fälle des Regresses ein allgemeiner Forderungsübergang kraft Gesetzes.
Lit.: Kaser § 52 II 2; Schulz, F., Rückgriff und Weitergriff, 1907; Selb, W., Schadensbegriff und Regreßmethoden, 1963
regula (lat. [F.]) Richtschnur, Regel (z. B. regula iuris)
Lit.: Söllner § 15; Köbler, DRG 53
regula (F.) aurea (lat.) (goldene [Verhaltens-]Regel) ist die schon dem Altertum geläufige Vorstellung, dass man so handeln solle, wie man wünsche, dass alle handeln würden bzw. alles unterlassen solle, von dem man wünsche, dass es andere unterlassen würden.
Lit.: Philippidis, L., Die Goldene Regel, 1929; Dihle, A., Die Goldene Regel, 1962; Spendel, G., Die Goldene Regel als Rechtsprinzip, FS F. v. Hippel, 1967, 491
regula (F.) Benedicti (lat.) ist die in der ersten Hälfte des 6. Jh.s von Benedikt von Nursia (um 480-557) für den von ihm geleiteten ältesten abendländischen Mönchsorden (-> Benediktiner) als (lat. [F.]) lex geschaffene, in 73 Kapitel gegliederte Klosterregel (Verfassung, Tugendlehre, Gottesdienst, Strafe, Verwaltung, Wahl, Aufnahme). Ihre Quellen sind die Bibel, Augustinus, monastisches Schriftum und die nach 500 (Rom 1. Viertel 6. Jh.) entstandene anonyme (lat.) regula (F.) magistri (Regel des Meisters).
Lit.:
Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Die Benediktusregel, hg. v.
Steidle, B., 4. A. 1980; Jakobs, U., Die Regula Benedicti als Rechtsbuch, Diss.
jur. Frankfurt am Main 1985; Regula
Benedicti, 1992
regulae (F.Pl.) Ulpiani sind ein vermutlich am Ende des 3. oder Anfang des 4. Jh.s aus Schriften des Gaius, Ulpian und Modestin hergestellter römischer Rechtstext, von dem ein Auszug in einer Handschrift der ersten Hälfte des 4. Jh.s erhalten ist.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39 II 2b; Köbler, DRG 52
Regularkanoniker ist der sich einer weitergehenden Lebensordnung (Regel) unterstellende -> Kanoniker.
Lit.: Weinfurter, S.,
Neuere Forschungen zu den Regularkanonikern, HZ 224 (1977), 379
Regulierungsedikt ist das am 14. 9. 1811 in -> Preußen erlassene Edikt die Rechte der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse betreffend, das nach dem 1798 im linksrheinischen Gebiet verwirklichten Vorbild Frankreichs dem einzelnen Bauern Eigentum an Grund und Boden verschafft. -> Bauernbefreiung
Lit.: Köbler, DRG 174; Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 2. A. 1995, 432
Reich ist das Herrschaftsgebiet eines Herrschers. Dabei steht im Altertum das (lat.) imperium (N.) Romanum (Römische Reich) im Vordergrund. Von den dessen weströmischen Teil auflösenden Reichen einzelner germanisch/germanistischer Völker gewinnt das fränkische Reich die größte Bedeutung. Unter dem Karolinger Karl dem Großen wird es an Weihnachten 800 zum Kaiserreich. Nach seiner Teilung (843/887) bleibt die Kaiserwürde im ostfränkischen Reichsteil, der sich zum deutschen R. entwickelt. Hier treten bald König/Kaiser und -> Reichsstände einander gegenüber. An diesem Gegensatz zerbricht das R. am 6. 8. 1806 als Heiliges Römisches R. (deutscher Nation). Das von Bismarck 1871 geschaffene zweite Deutsche R., das Adolf Hitler 1933 zum -> Dritten R. umwandelt, ist demgegenüber ein eher kurzlebiger Nationalstaat. Nach 1945 ist der Begriff R. für die Gegenwart durch Bund ersetzt.
Lit.:
Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 94, 101, 109, 112, 133, 138, 147, 150, 169,
172, 233; Köbler, WAS; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1984, 423; Zeumer,
K., Heiliges römisches Reich deutscher Nation, 1910; Heine, H., Das Werden des
deutschen Reichs, 2. A. 1944; Thamm, M., Die Terminologie des Wortes „Reich“,
Diss. phil. Frankfurt 1959; Binder, H., Reich und Einzelstaaten während der
Kanzlerschaft Bismarcks, 1971; Moraw, P., König, Reich und Territorium, 1971;
Duchhardt, H., Protestantisches Kaisertum und Altes Reich, 1977; Schubert, E.,
König und Reich, 1979; Das
römisch-deutsche Reich im politischen System Karls V., hg. v. Lutz, H., 1982;
Kaiser und Reich, hg. v. Buschmann, A., 1984; Schulze, H., Vom Reich der
Franken zum Land der Deutschen, 1987; Aretin, K., Frhr. v., Das Reich, 1988; Weisert, H., Der
Reichstitel bis 1806, Archiv für Diplomatik 40 (1994), 441; Alternativen zur
Reichsverfassung, hg. v. Press, V. u. a., 1995; Vogler, G., Absolutistische
Herrschaft und ständische Gesellschaft, 1996; Neue Studien zur
frühneuzeitlichen Reichsgeschichte, hg. v. Kunisch, J.,
1997; Recht und Reich im Zeitalter der Reformation, hg. v. Roll, C., 2. A. 1997; Schulze, H., Kaiser und Reich, 1998; Schatz,
J., Imperium, Pax et Iustitia, 2000; Gotthard, A., Das Alte Reich 1495-1806,
2003
Reichenau ist eine Insel im unteren Bodensee, auf der um 724 eine rasch bedeutend werdende Bendediktinerabtei gegründet wird, aus welcher eine Formelsammlung des späten 8. Jh.s überliefert ist.
Lit.: Die Kultur der Reichenau, Bd. 1, hg. v. Beyerle, K., 1925; Schmidt, R., Reichenau und St. Gallen, 1985; Richter, M., Neues zu den Anfängen, ZGO 144 (1996), 1; Rappmann, R./Zettler, A., Die Reichenauer Mönchsgemeinschaft, 1998
Reichsabschied (lat. recessus [M.] imperii) ist seit 1497 die in Deutsch gehaltene Zusammenfassung der Beschlüsse des Reichstages am Ende der Tagung. Der R. enthält die jeweils vom Reichstag geschaffenen Gesetze. Der R. erlangt mit der Verlesung in einer Schlusssitzung Gesetzeskraft. Die weitere Verbreitung des Reichsabschiedes ist den Reichsständen überlassen. Der jüngste R. stammt von 1654.
Lit.:
Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 6, 148; Neue und vollständige Sammlung der
Reichsabschiede, hg. v. Schmauß, J. u. a., Teil 1ff. 1747, Neudruck 1967;
Schubert, F., Die deutschen Reichstage, 1966, 134; Laufs, A., Der jüngste
Reichsabschied von 1654, 1975;
Hof, Hoftag und Reichstag, hg. v. Moraw, P., 1994
Reichsabt ist der Abt einer reichsunmittelbaren Abtei.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, Historisches Lexikon; Vogtherr, T., Die Reichsabteien der Benediktiner, 2000
Reichsacht ist die im Hoch- und Spätmittelalter für das gesamte -> Reich verhängte -> Acht. Die hofgerichtliche und kammergerichtliche R. können nur gegen denjenigen ausgesprochen werden, der trotz dreimaliger Ladung vor den König oder das königliche Gericht ausbleibt. Löst sich der Geächtete nicht aus der R., kann gegen ihn die Reichsaberacht verhängt werden.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Poetsch, J., Die Reichsacht, 1911; Battenberg, F., Reichsacht und Anleite im Spätmittelalter, 1984
Reichsadel ist der mit dem -> Reich besonders verbundene -> Adel. Dies ist insbesondere der reichsunmittelbare Adel. Im weiteren Sinn zählt hierzu auch der durch das Reich seit dem 14. Jh. (1346) geschaffene Briefadel.
Lit.: Bornhak, C., Deutsches Adelsrecht, 1929
Reichsadler ist der als Symbol des -> Reiches verwendete -> Adler.
Reichsamt ist eine im zweiten Deutschen Reich seit 1870/1 zur Abwehr der liberalen Wunschvorstellungen eines verantwortlichen Reichsministeriums (Reichskanzleramtes) gebildete selbständige Reichsbehörde (1870/1 Auswärtiges Amt, 1872 Admiralität, 1873 Reichseisenbahnamt, 1876/80 Reichspostamt, 1877 Reichsjustizamt, 1879 Amt für Inneres, 1879 Reichsschatzamt). Der Leiter eines Reichsamtes wird bald dem Kaiser unmittelbar verantwortlich. Die Zahl der Reichsämter erhöht sich später noch.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 196
Reichsapfel ist eine als Symbol des Reiches verwendete Kugel, welche auf der Grundlage antiker Vorbilder im Mittelalter (Heinrich II., Heinrich IV. [1106], Heinrich VI. [1191]) erscheint. Der noch vorhandene R. stammt vielleicht noch aus dem 12. Jh.
Lit.: Fillitz, H., Die Insignien und Kleinodien, 1954
Reichsarbeitsdienst ist der auf der Grundlage früherer freiwilliger Arbeitsdienste der studentischen Arbeitslagerbewegung von Adolf -> Hitler 1935 zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit eingerichtete Arbeitsdienst mit einer halbjährigen Arbeitsdienstpflicht.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Reichsarchiv ist das 1919 in Potsdam gegründete zentrale Archiv des Deutschen Reiches. Ältere Versuche der Einrichtung eines Reichsarchivs bleiben erfolglos.
Lit.: Lünig, J., Teutsches Reichsarchiv, Bd. 1ff. 1713ff.; Rühle, G., Das Dritte Reich, Bd. 1ff. 1934ff.
Reichsbank ist die am 1. 1. 1876 errichtete Zentralnotenbank des zweiten Deutschen Reiches zur Regelung des Geldumlaufes, Erleichterung der Zahlungsausgleichungen und Nutzbarmachung des verfügbaren Kapitals, die tatsächlich 1945 und formal am 2. 8. 1961 aufgelöst wird.
Lit.: Beutler, R., Die Reichsbank, 1909; Wussow, H., Die Zentralbanken, Diss. jur. Frankfurt am Main 1955 masch.schr.
Reichsbistum ist das im fränkisch-deutschen Reich bestehende Bistum bzw. das reichsunmittelbare Bistum.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Feine, H., Die Besetzung der Reichsbistümer, 1921, Neudruck 1964
Reichsbürgergesetz ist das im Dritten Reich am 15. 9. 1935 geschaffene Gesetz, das als Reichsbürger nur die Staatsbürger deutschen oder artverwandten Blutes ansieht.
Lit.: Köbler, DRG 222; Stuckart/Globke, H., Reichsbürgergesetz, 1936
Reichsdeputation ist ein vom Reichstag des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) seit dem 16. Jh. gebildeter Ausschuß. Die R. kann ordentliche R. oder außerordentliche R. sein.
Lit.: Schubert, F., Die deutschen Reichstage, 1966, 74, 253
Reichsdeputationshauptschluss ist der Beschluss (Hauptschluss) der letzten außerordentlichen mit Mainz, Böhmen, Sachsen, Brandenburg, Bayern, Hessen-Kassel, Württemberg und dem Hoch- und Deutschmeister besetzten -> Reichsdeputation des Heiligen Römischen Reichs (deutscher Nation) vom 25. 2. 1803 (Genehmigung des Kaisers). Der R. beendet auf Grund eines von -> Frankreich und -> Russland vorgelegten Entwurfes rechtsrheinisch für drei Kurfürstentümer (Köln, Trier, Pfalz), 24 Fürstentümer, 44 Reichsabteien und 41 Reichsstädte (112 Reichsstände) die Selbständigkeit und teilt ihr Gebiet zur Entschädigung für linksrheinische Verluste an Frankreich anderen Reichsständen (Baden, Bayern, Preußen, Württemberg) zu. Mit dem Ende des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) endet auch der R., doch wirken die durch ihn geschaffenen Veränderungen fort.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 132; Wende, P., Die geistlichen Staaten, 1966; Hömig, K., Der Reichsdeputationshauptschluss, 1969; Schroeder, K., Der Reichsdeputationshauptschluss, JuS 1989, 351; Der Reichsdeputationshauptschluss von 1803, hg. v. Hufeld, U., 2003
Reichsdienstmann ist der im Dienst des -> Reiches stehende Dienstmann oder Ministeriale. Seit der karolingischen Zeit steigt er aus der Unfreiheit in den niederen Adel (14. Jh.) auf. 1128 wird er erstmals als (lat.) ministerialis (M.) regni ausdrücklich genannt.
Lit.: Köbler, DRG 98; Weimann, K., Die Ministerialität im späten Mittelalter, 1924; Bosl, K., Die Reichsministerialität, Bd. 1f. 1950f.; Wadle, E., Reichsgut und Königsherrschaft, 1969
Reichsdorf ist das reichsunmittelbare Dorf. Aus dem umfänglichen Reichsgut lassen sich später noch etwas mehr als 100 Reichsdörfer (120 Reichsflecken und Reichshöfe) sichern. Sie sind frei von grundherrlichen Lasten und Träger von gerichtlichen Rechten. Bis zum Jahre 1803 geraten sie außer Gochsheim, Sennfeld, Sulzbach, Soden und den freien Leuten auf der Leutkircher Heide unter eine Landesherrschaft.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 110; Hugo, Verzeichnis der freien Reichsdörfer, Z. f. Archivkunde 2 (1836), 446; Weber, F., Geschichte der fränkischen Reichsdörfer Gochsheim und Sennfeld, 1913; Kaufmann, E., Geschichte und Verfassung der Reichsdörfer Soden und Sulzbach, Diss. phil. Frankfurt am Main 1951, Neudruck 1984
Reichserbhofgesetz ist das die Testierfreiheit des Eigentümers eines Erbhofes zugunsten der Wirtschaftsfähigkeit einschränkende deutsche Reichsgesetz vom 1. 10. 1933.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 239; Grundmann, F., Agrarpolitik im „Dritten Reich“, 1979; Schliepkorte, J., Entwicklungen des Erbrechts zwischen 1933 und 1953, 1989; Weitzel, J., Sonderprivatrecht aus konkretem Ordnungsdenken, ZNR 14 (1992), 55
Reichsexekution ist die Vollstreckung von Urteilen des Reichskammergerichts und des Reichshofrates sowie die Sicherung des Landfriedens im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation). Die Ordnung der R. ist in verschiedenen Reichsabschieden des 16. Jh.s behandelt (vor allem 1555). Die rechtstatsächliche Bedeutung der R. ist gering.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Kroeschell, 20. Jh.; Ernst, V., Die Entstehung der Exekutionsordnung von 1555, Württemberg. Vjh. f. LG. N.F. 10 (1901), 1; Laufs, A., Der schwäbische Kreis, 1971
Reichsfahne ist die vor allem als Kriegsfahne als Symbol des Reiches verwendete -> Fahne. Ihre anfängliche Farbe ist streitig (rot?, gold?, gold und silbern?, gold und rot?, weiß und rot?). Im 12. Jh. wird der -> Adler in sie aufgenommen. 1848 werden Schwarz-Rot-Gold, 1871 Schwarz-Weiß-Rot und 1919 Schwarz-Rot-Gold als Farben festgelegt. Das Hakenkreuz des Dritten Reiches bleibt kurzes Zwischenspiel.
Lit.: Schramm, P., Herrschaftszeichen und Staatssymbol, Bd. 2 1955, 643
Reichsfarben -> Reichsfahne
Lit.: Wentzcke, P., Die deutschen Farben, 2. A. 1955
Reichsfinanzen sind die Einkünfte des -> Reiches. Sie bestehen im Mittelalter vor allem aus den Erträgnissen der Königshöfe, aus jährlichen Gaben und aus Bannabgaben, Friedensgeldern, Zöllen und Münzabgaben. Durch die Vergabung des Königsgutes werden sie geringer. Im zweiten Deutschen Reich stehen dem Reich die Zölle und Verbrauchsabgaben bis zur Höhe von 130 Millionen Mark, die Posteinkünfte und Beiträge der Einzelstaaten (Matrikularbeiträge) zu. Seit 1881 werden zur Verbesserung der bedrängten Finanzlage besondere Reichssteuern festgesetzt.
Lit.: Köbler, DRG 196, 233; Isenmann, E., Reichsfinanzen und Reichssteuern, ZHF 7 (1980), 1; Schulze, W., Reichskammergericht und Reichsfinanzverfassung, 1989
Reichsfinanzhof ist das mit Gesetz vom 26. 7. 1918 geschaffene, in
München zum 1. 10. 1918 eingerichtete oberste deutsche Gericht in
Finanzstreitigkeiten bzw. Steuersachen. Sein Nachfolger ist der
Bundesfinanzhof.
Reichsfiskal -> Fiskal
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Reichsforst -> Forst
Reichsfürst ist der sich im 12./13. Jh. aus dem
Reichsadel aussondernde reichsunmittelbare Fürst (um 1190 92 geistliche und 22 weltliche
Reichsfürsten). Er kann weltlicher R. (Herzog oder herzogsgleich) oder
geistlicher R. (Erzbischof, Bischof, Abt, Äbtissin) sein. Mehr als einfacher R.
ist der -> Kurfürst. Im Hochmittelalter beträgt die Zahl der Reichsfürsten
etwa 110 bis 120, von denen drei Viertel geistliche Reichsfürsten sind. Es
gibt weder landrechtlich noch lehnrechtlich eindeutige rechtliche, die
Reichsfürsten von anderen hochadligen Geschlechtern abhebende Voraussetzungen.
Lit.:
Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 110, 135, 148, 153; Engelbert, Die Erhebungen
in den Reichsfürstenstand, Diss. phil. Marburg 1948 (masch.schr.); Ficker,
J./Puntschart, P., Vom Reichsfürstenstand, Bd. 1f. 1861ff., Neudruck 1961;
Hinz, G., Territorialstaatsbewusstsein und Reichsgedanke, 1956; Schubert, E.,
König und Reich, 1979; Klein,
T., Die Erhebungen in den weltlichen Reichsfürstenstand 1500-1806, Bll. f. dt.
LG 122 (1986) 137ff.; Vom Reichsfürstenstande, hg. v. Heinemeyer, W., 1987;
Arnold, B., Princes and Territories, 1991;
Willoweit, D., Fürst und Fürstentum in den Quellen der
Stauferzeit, Rhein. Vjbll. 63 (1999); Schlinker, S., Fürstenamt und Rezeption,
1999
Reichsfürstenrat ist der seit dem 15. Jh. (1471, 1486) von den -> Reichsfürsten, reichsständischen Grafen und Herren und den nicht gefürsteten Prälaten gebildete Rat innerhalb des Reichstages. Er besteht aus einer geistlichen, vom Herzog (Pfalzerzherzog) von Österreich angeführten Bank und einer weltlichen, vom Herzog von Bayern angeführten Bank. Nach der Reformation verbleibt eine katholische Mehrheit der Stimmen. 1792 weist der R. 94 (35 geistliche und 59 weltliche) Virilstimmen und 6 (2 geistliche und 4 weltliche) Kuriatstimmen auf, 1803 127 Virilstimmen und 4 Kuriatstimmen.
Lit.: Domke, W., Die Virilstimmen im Reichsfürstenrat, 1882; Schubert, E., König und Reich, 1979
Reichsgebiet ist das Gebiet des -> Reiches.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kirn, P., Politische Geschichte der deutschen Grenzen, 4. A. 1958; Deutschlands Grenzen in der Geschichte, hg. v. Demandt, A., 3. A. 1993
Reichsgericht ist allgemein das für das -> Reich zuständige Gericht. Dies ist für das fränkisch-deutsche Reich das Gericht des Königs, seit 1495 das -> Reichskammergericht und danach neben ihm der -> Reichshofrat. Für das zweite Deutsche Reich wird am 1. 10. 1879 ein neues R. mit fünf Zivilsenaten und drei Strafsenaten in Leipzig geöffnet, das dem Reichsoberhandelsgericht bzw. dem Bundesoberhandelsgericht nachfolgt. Es ist hauptsächlich Revisionsgericht. Ihm organisatorisch eingegliedert und personell mit ihm verknüpft sind Staatsgferichtshof und Reichsarbeitsgericht. Am 19. 4. 1945 bzw. nach der Bildung einer Kommission zur Bewahrung der Sachwerte des Reichsgerichts innerhalb der sowjetischen Besatzungszone am 8. 10. 1945 wird es geschlossen. -> Bundesgerichtshof
Lit.:
Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 195, 200, 215, 218, 231; Fünfzigjahrfeier des
Reichsgerichts, 1929; Die Reichsgerichtspraxis, hg. v. Schreiber, O., Bd. 1ff.
1929; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Schorn, H., Der
Richter im Dritten Reich, 1959; Hertz, F., Die Rechtsprechung der höchsten
Reichsgerichte, MIÖG 69 (1961), 331; Kaul, F., Geschichte des Reichsgerichts,
1971; Hafke, H., Zuständigkeit in geistlichen Streitigkeiten, 1972; Kolbe, D.,
Reichsgerichtspräsident Dr. Erwin Bumke, 1975; Schubert, W., Die Aufhebung des
Berliner Obertribunals, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler,
G., 1987, 419; Wiegendrucke
der Bibliothek des Reichsgerichts, bearb. v. Otto, J., 1994; Das
Reichsgericht, hg. v. Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig, 1995; Sammlung sämtlicher
Erkenntnisse des Reichsgerichts in Zivilsachen, hg. v. Schubert, W., 1992ff.; Grimm, D., Das Reichsgericht in Wendezeiten, NJW
1997, 2719; Müller, K., Die Hüter des Rechts, 1997; Weidenthaler, H., Die
Strafsenate des Reichsgerichts, Diss. jur. Würzburg 1999; Dorsch, T., Der Reichsgerichtsbau in Leipzig, 1999; Fortitudo temperantia Die Rechtsanwälte am Reichsgericht und
beim Bundesgerichtshof, hg. v. d. Verein der beim Bundesgerichtshof
zugelassenen Rechtsanwälte, 2000; Möller, K., Die Rechtsprechung des
Reichsgerichts in Zivilsachen, 2001; Westphal, S.,
Kaiserliche Rechtsprechung und herrschaftliche Stabilisierung.
Reichsgerichtsbarkeit in den thüringischen Territorialstaaten 1648-1806, 2002
Reichsgesetz ist ein vom -> Reich geschaffenes bzw. für das Reich geltendes -> Gesetz. Im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) ist das R., von einigen Ausnahmen abgesehen (z. B. Constitutio Criminalis Carolina, Reichskammergerichtsordnung, Reichspolizeiordnung), nicht sehr bedeutsam. Dagegen wird im zweiten Deutschen Reich durch R. das Reichsrecht auf fast allen Gebieten vereinheitlicht (-> Strafgesetzbuch, -> Strafprozessordnung, -> Zivilprozessordnung, -> Bürgerliches Gesetzbuch).
Lit.: Köbler, DRG 148; Hartz, W., Die Gesetzgebung des Reichs, 1931; Klingelhöfer, E., Die Reichsgesetze, 1955; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Diestelkamp, B., Die deutsche Reichsgesetzgebung im 19. und 20. Jahrhundert, in: Särtryk ur Rättshistorika studier (Serien II) Bd. 7 1982, 206
Reichsgesetzgebung -> Reichsgesetz
Reichsgraf ist seit der frühen Neuzeit der zum
-> Reich in unmittelbarer Beziehung stehende -> Graf.
Lit.: Krieger, K., König,
Reich und Reichsreform, 1992
Reichsgut ist im Mittelalter das dem -> Reich zustehende Gut (Eigen, Lehen usw.). Die Abgrenzung vom Hausgut ist kaum sicher durchzuführen. Seit dem Spätmittelalter ist das alte R. dem König verloren. Er muss sich allein auf sein Hausgut stützen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 112, 150; Metz, W., Das karolingische Reichsgut, 1960; Landwehr, G., Die Verpfändung der deutschen Reichsstädte, 1967; Wadle, E., Reichsgut und Königsherrschaft, 1969; Boshof, E., Königtum und Königsherrschaft, 1993
Reichshaftpflichtgesetz ist das vor allem die -> Gefährdungshaftung für Personenschäden beim Betrieb einer Eisenbahn anordnende Gesetz des zweiten Deutschen Reichs von 1871.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 216; Schubert, W., Das Reichshaftpflichtgesetz 100 (1983), 238
Reichsheer -> Heer
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Frauenholz, E. v., Entwicklungsgeschichte des deutschen Heerwesens, Bd. 1ff. 1935ff.; Conrad, H., Geschichte der deutschen Wehrverfassung, Bd. 1 1939; Huber, E., Heer und Staat in der deutschen Geschichte, 2. A. 1943
Reichsheimstättengesetz ist ein am 10. 5. 1920 nach amerikanischem Vorbild zur Sicherung einkommensschwacher Familien geschaffenes deutsches Reichsgesetz, das dem Staat eine Art Obereigentum an der Heimstätte vorbehält.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh., 52
Reichshistorie ist im 17. und 18. Jh. eine Hilfswissenschaft des deutschen Staatsrechts, welche vor allem in Gießen, Marburg, Jena, Helmstedt, Halle und Göttingen gepflegt wird (-> Thomasius, -> Ludewig, -> Gundling, -> Pütter).
Lit.: Hammerstein, N., Jus und Historie, 1972; Roeck, B., Reichssystem und Reichsherkommen, 1984; Aufklärung und Geschichte, hg. v. Bödeker, H., 1986; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1 1988
Reichshofgericht -> Hofgericht
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 114; Franklin, O., Das Reichshofgericht, Bd. 1f. 1867ff., Neudruck 1967; Wohlgemuth, Das Urkundenwesen des deutschen Reichshofgerichts, 1973; Battenberg, F., Gerichtsschreiberamt und Kanzlei des Reichshofgerichts, 1974; Urkundenregesten zur Tätigkeit des deutschen Königs- und Hofgerichts, bearb. v. Battenberg, F. u. a., 1987
Reichshofkanzlei ist eine 1558/9 für den Schriftverkehr des Reiches eingerichtete Kanzlei in Wien, welche neben der Reichskanzlei und der Kanzlei des Reichskammergerichts steht. Sie nimmt die Kanzleigeschäfte des Reichshofrats wahr.
Lit.: Groß, L., Die Geschichte der deutschen Reichshofkanzlei, 1933
Reichshofrat bzw. anfangs königlicher oder kaiserlicher Hofrat ist der nach mittelalterlichen Vorläufern 1497/8 begründete Hofrat des Königreichs bzw. Kaisers des Heiligen Römischen Reichs (deutscher Nation) in Wien. Er wird zunächst zur obersten Regierung und Justizbehörde bestimmt. Er entwickelt sich aber allmählich zu einem mit dem -> Reichskammergericht konkurrierenden Gericht des Kaisers. Es ist mit dem Hofratspräsidenten als Vertreter des Kaisers und mit 12 bis 34 Räten besetzt. Es ist zuständig für kaiserliche Reservatrechte und Privilegien, Reichslehnssachen und Kriminalklagen gegen Reichsunmittelbare. Allmählich gewinnt der R. im Verhältnis zum Reichskammergericht das größere Gewicht. Geordnet ist sein wenig strenges Verfahren in Reichshofratsordnungen (z. B. 1527, 1537, 1541, 1559). Von 1559 bis 1806 sind 445 Reichshofräte tätig.
Lit.:
Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 150, 153, 200; Fahnenberg, E., Literatur des
kaiserlichen Reichskammergerichts und Reichshofrats, 1792; Gschließer, O. v.,
Der Reichshofrat, 1942; Sellert, W., Über die Zuständigkeitsabgrenzung zwischen
Reichshofrat und Reichskammergericht, 1965; Landes, D., Achtverfahren vor dem
Reichshofrat, Diss. jur. Frankfurt am Main 1964; Sellert, W., Prozessgrundsätze
und Stilus Curiae am Reichshofrat, 1973; Die Ordnungen des Reichshofrates, hg.
v. Sellert, W., 1981ff.; Jessen, P., Der Einfluss des Reichshofrates und des
Reichskammergerichts, 1986; Reichshofrat und
Reichskammergericht, hg. v. Sellert, W., 1999; Ortlieb, E., Im Auftrag des
Kaisers. Die kaiserlichen Kommissionen des Reichshofrats, 2001;
Hartmann-Polomski, C., Die Regelung der gerichtsinternen Organisation und des
Geschäftsgangs der Akten als Maßnahmen der Prozessbeschleunigung am
Reichshofrat, 2001
Reichshofratsprozess ist der seit dem Ende des 16. Jh.s vom -> Reichshofrat ausgebildete besondere -> Prozess. Er ist nicht durch ausführliche Prozessordnungen überliefert, weil der Reichshofrat sich stets auch als politisches Organ versteht. Er übernimmt den Reichskammergerichtsprozess nur soweit dies zweckmäßig erscheint und schränkt die Formalitäten des Prozesses stark ein. Dennoch ist er schriftlich. Die Artikulation hat nur geringe Bedeutung. Es gilt die Eventualmaxime. Ein Beweisinterlokut fehlt. Endurteile sind ziemlich selten. Gegen Urteile sind Revision, Nichtigkeitsklage und (lat.) -> recursus (M.) ad comitia zugelassen.
Lit.: Gschließer, O. v. Der Reichshofrat, 1942; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat, 1973; Die Ordnungen des Reichshofrates, hg. v. Sellert, W., 1981ff.
Reichsinsignien sind die (weltlichen) symbolischen Zeichen des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation). -> Insignien, Reichskleinodien
Lit.: Fillitz, H., Die Insignien und Kleinodien, 1954
Reichsitalien ist der von 774 bis 1806 zum fränkisch-deutschen -> Reich gehörige Teil -> Italiens. Seine Zugehörigkeit ist im Hochmittelalter am deutlichsten. Eine genaue Kenntnis über alle Herrschaftsrechte in R. (um 1530 Mailand, Savoyen-Piemont, Parma-Piacenza, Modena-Reggio, Mantua, Montferrat, Florenz, Siena, Genua, Lucca und etwa 250 kleinere Lehen) besteht anscheinend zu keiner Zeit.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Pugliese, S., Le prime strette dell’Austria in Italia, 1932; Manaresi, C., I placiti del „Regnum Italiae“, Bd. 1ff. 1955ff.; Dilcher, G., Die Entstehung der lombardischen Stadtkommune, 1967; Brühl, C., Fodrum, gistum, servitium regis, 1968; Waley, D., Die italienischen Stadtstaaten, 1969; Haverkamp, A., Herrschaftsformen der Frühstaufer in Reichsitalien, Bd. 1f. 1970f.; Keller, H., Adelsherrschaft und städtische Gesellschaft in Oberitalien, 1979; Pauler, R., Das regnum Italiae, 1982
Reichsjustizamt ist das im zweiten Deutschen Reich seit 1877 für das Recht zuständige -> Reichsamt.
Lit.: Köbler, DRG 196; Vom Reichsjustizamt zum Bundesministerium der Justiz, Festschrift zum 100jährigen Gründungstag des Reichsjustizamtes, 1977
Reichsjustizgesetze sind die zum Anfang des Jahres 1877 veröffentlichten, am 1. 10. 1879 in Kraft getretenen, die Gerichtsbarkeit betreffenden Gesetze des zweiten Deutschen Reichs (Gerichtsverfassungsgesetz, Zivilprozessordnung, Strafprozessordnung, Konkursordnung, Rechtsanwaltsordnung und Gerichtskostengesetz).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 182; Müller, H., Die Entstehungsgeschichte des Gerichtsverfassungsgesetzes, Diss. jur. Tübingen 1939; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Sellert, W., Die Reichsjustizgesetze von 1877, JuS 17 (1977), 781
Reichskammergericht ist das als Gericht der Reichsstände im Zuge der Reform des Heiligen Römischen Reichs (deutscher Nation) 1495 aus dem königlichen Kammergericht entstehende Gericht der Reichsstände. Seine Verfassung ist in der Reichskammergerichtsordnung von 1495 sowie späteren Reichskammergerichtsordnungen (z. B. 1555) geregelt. Es ist mit einem Kammerrichter (Vorsitzer) und erst 16, 1556 32, später bis zu 41, grundsätzlich je zur Hälfte adligen und gelehrten Beisitzern (Assessoren, Urteilern), die anfangs zwei (1530), später vier Senaten zugeteilt sind, zu schwach und meist nicht vollständig besetzt. Es ist 1495 in Frankfurt am Main, 1527 in Speyer und 1693 in Wetzlar untergebracht. Zuständig ist es teils in erster, teils in letzter Instanz vor allem für Rechtsverweigerung, Landfriedensbruch, bürgerliche Klagen gegen Reichsunmittelbare sowie die angesichts der sich häufenden Nichtappellationsprivilegien immer selteneren noch zulässigen Appellationen (auch in Polizeisachen). In Anspruch genommen wird es bei durchschnittlich etwa 250 Eingängen im Jahr (um 1500 70, um 1600 700, um 1700 200) örtlich vor allem am Rhein, ständisch hauptsächlich von städtischer Oberschicht und adliger Unterschicht sowie sachlich in bezug auf Geldwirtschaft und Landfrieden (bis 1550 etwa 10000, bis 1594 etwa 30000, bis 1693 etwa 55000, bis 1760 etwa 60000, bis 1806 etwa 75000 Streitsachen, davon acht tatsächlich durchgeführte Revisionsverfahren). Es urteilt nach den hergebrachten örtlichen Gewohnheiten und Statuten sowie theoretisch subsidiär, praktisch aber vorrangig nach den gemeinen Rechten (römisch-kanonischem Recht des -> usus modernus pandectarum). In sein Umfeld gehören Fiskalprokurator, Prokuratoren und -> Advokaten. Vielleicht lässt sich eine steigende Zahl von Klagen im ausgehenden 18. Jh. mit einem neuen Glauben an alte Freiheiten in alten Urkunden erklären, der Frankreichs revolutionäre Vernichtung der alte Unfreiheiten bezeugenden alten Urkunden gegenübersteht. Mit dem Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) geht es 1806 unter. Seine Akten werden danach auf zahlreiche Archive verteilt. Erhalten sind in der Gegenwart noch 69000 Prozessakten und Entscheidungen (einschließlich von Zwischenurteilen) in den noch erhaltenen Urteilsbüchern zu 47500 Prozessen (vorwiegend zwischen 1684 und 1806).
Lit.:
Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 137, 147, 153, 200; Fahnenberg, E.,
Literatur des kaiserlichen Reichskammergerichts und Reichshofrats, 1792; Smend,
R., Das Reichskammergericht, 1911, Neudruck 1965; Repertorium der Akten des
Reichskammergerichts, bearb. v. Koser, O., Bd. 1f. 1933ff.; Wiggenhorn, H., Der
Reichskammergerichtsprozess, Diss. jur. Münster 1966; Heusinger, B., Vom
Reichskammergericht, 1972; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am
Reichshofrat, 1973; Die Reichskammergerichtsordnung von 1555, hg. v. Laufs, A.,
1976; Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation, 1976; Diestelkamp, B., Das
Reichskammergericht im Rechtsleben des 16. Jahrhunderts, FS A. Erler, 1976,
435; Dick, B., Die Entwicklung des Kameralprozesses, 1981; Eberling, H.,
Findbuch zu den Reichskammergerichtsakten 1551-1806, 1985; Diestelkamp, B., Vom
königlichen Hofgericht zum Reichskammergericht, FS A. Erler, 1986, 44; Ranieri,
F., Recht und Gesellschaft im Zeitalter der Rezeption, 1986; Jessen, P., Der
Einfluss des Reichshofrates und des Reichskammergerichts, 1986; Ranieri, F.,
Die Arbeit des Reichskammergerichts in Wetzlar, 1988; Das Reichskammergericht
in der deutschen Geschichte, hg. v. Diestelkamp, B., 1990; Die politische
Funktion des Reichskammergerichts, hg. v. Diestelkamp, B., 1993; Frieden durch
Recht. Das Reichskammergericht von 1495 bis 1806, hg. v. Scheurmann, I., 1994;
Fern vom Kaiser, hg. v. Hausmann, J., 1995; Diestelkamp, B., Rechtsfälle aus
dem alten Reich, 1995;
Friedenssicherung und Rechtsgewährung, hg. v. Diestelkamp, B. u. a., 1997;
Sailer, R., Untertanenprozesse vor dem Reichskammergericht, 1999; Oer, R.
Freiin v., Der münsterische „Erbmännerstreit“, 1999; Reichshofrat und
Reichskammergericht, hg. v. Sellert, W., 1999; Weitzel, J., Das Inventar der
Akten des Reichskammergerichts, ZNR 1999, 408; Volk, O., Die Wohnungen der
Kameralen in Wetzlar, 2001; Fuchs, B., Die Sollicitatur am
Reichskammergericht, 2002; Klass, A., Standes- oder Leistungselite?, 2002; Das
Reichskammergericht am Ende des alten Reiches und sein Fortwirken im 19.
Jahrhundert, hg. v. Diestelkamp, B., 2002; Prange, W., Vom Reichskammergericht
in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, 2002
Reichskammergerichtsprozess ist der -> Prozess vor dem Reichskammergericht. Er wird bereits in der Reichskammergerichtsordnung des Jahres 1495 erstmals und lückenhaft und in insgesamt mehr als 15 Reichskammergerichtsordnungen (z. B. 1555) vertieft geregelt. Er beruht auf dem in Oberitalien entwickelten römisch-kanonischen Prozessrecht des Spätmittelalters. Der R. ist schriftlich. Es gelten der Verhandlungsgrundsatz, die Dispositionsmaxime und das Prinzip der Artikulation. Nach Litiskontestation (-> litis contestatio) und Ablegung des -> Kalumnieneides kann der Beklagte auf den artikulierten Prozessvortrag des Klägers antworten. Über die bestrittenen Artikel wird Beweis erhoben. Nach der Beweisaufnahme kann der Beklagte artikuliert Einwände erheben. Da hierdurch die Prozessdauer verlängert wird, bemüht sich das Reichskammergericht bereits 1521 um Beschleunigung. 1654 wird die Artikulation beseitigt.
Lit.: Ludolff, G., Corpus iuris cameralis, 1724; Smend, R., Das Reichskammergericht, 1911, Neudruck 1965; Maass, P., Die Zivilprozessreform des Jüngsten Reichsabschiedes, Diss. jur. Münster 1925; Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichtsprozess, Diss. jur. Münster 1965; Hinz, M., Der Mandatsprozess des Reichskammergerichts, Diss. jur. Berlin 1966; Die Reichskammergerichtsordnung von 1555, hg. v. Laufs, A., 1976; Dick, B., Die Entwicklung des Kameralprozesses, 1981
Reichskanzlei ist die -> Kanzlei des -> Reiches bzw. Hofes. Ihr steht 870 erstmals, seit 965 auf Dauer, seit dem 11. Jh. als Reichserzkanzler der -> Erzbischof von -> Mainz vor. Seit Beginn des 17. Jh.s hat die R. ihren festen Sitz in Wien. Im zweiten Deutschen Reich ist (seit 1879) die R. die Geschäftsstelle des Leiters der Reichsregierung.
Lit.:
Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 150; Forstreiter, E., Die deutsche
Reichskanzlei, Diss. phil. Wien 1924; Walter, A., Die deutsche Reichskanzlei,
1938; Akten der Reichskanzlei. Regierung Hitler 1933-1938, hg. v. Repgen, K.,
Teil 1 Bd. 1 1983;
Neumann, M., Von der Reichskanzlei zum Bundeskanzleramt, AöR 1999, 1; Schütz,
A., Kronrat und Reichskanzlei als Zentralbehörden des Reiches unter Ludwig dem
Bayern, 2002
Reichskanzler ist der Leiter der Reichskanzlei bzw. im zweiten Deutschen Reich der Leiter der Reichsregierung.
Lit.:
Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 195, 196, 222, 230;
Anschütz, G., Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. A. 1933, Neudruck 1968;
Conze, W., Brüning als Reichskanzler, HZ 214 (1972), 310; Der Mainzr Kurfürst als Reichserzkanzler,
hg. v. Hartmann, P., 1997; Kurmainz, das Reicherszkanzleramt und das Reich, hg.
v. Hartmann, P., 1998
Reichskirche ist die -> Kirche im fränkisch-deutschen Reich. Dies betrifft in der älteren Zeit die dem König bzw. Kaiser unmittelbar zugeordneten Erzbistümer, Bistümer, Klöster, Stifter und Kirchen, später nur das reichsunmittelbare Kirchenwesen. 1803 wird die bestehende R. säkularisiert und mediatisiert.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 77; Boerger, R., Die Belehnungen der deutschen geistlichen Fürsten, 1901; Hauck, A., Die Entstehung der geistlichen Territorien, 1909; Feine, H., Die Besetzung der Reichsbistümer, 1921, Neudruck 1964; Heckel, J., Staat und Kirche, 1968; Köhler, O., Die ottonische Reichskirche, FS G. Tellenbach, 1968, 141; Investiturstreit und Reichsverfassung, 1973; Zielinski, H., Der Reichsepiskopat, 1984; Boshof, E., Königtum und Königsherrschaft, 1993
Reichskirchensystem ist im 10. und 11. Jh. die Heranziehung der Kirche zur Reichsverwaltung. Seit Kaiser Otto I. werden geistliche Würdenträger mit weltlichen Aufgaben (z. B. Grafschaften) betraut. Dieses R. findet im -> Investiturstreit sein Ende, doch lebt es in der veränderten Form der geistlichen Reichsfürsten fort.
Lit.:
Köbler, DRG 85; Santifaller, L., Zur Geschichte des ottonisch-salischen
Reichskirchensystems, 2. A. 1964; Beumann, H., Reformpäpste als Reichsbischöfe,
FS F. Hausmann, 1977, 21; Bührer-Thierry, G., Évêques
et pouvoir dans le royaume de Germanie, 1997
Reichskleinodien sind der das Heilige Römische
Reich (deutscher Nation) sichtbar darstellende, bei
den Krönungen in Aachen bzw. Frankfurt verwendete Reichsschatz (einziger nahezu unverändert erhaltener
Kronschatz Europas). Zu den R. zählen die -> Krone (Reichskrone), das Reichskreuz, das
Reichsreliquiar, die heilige Lanze, der -> Reichsapfel, das Zepter, das
Reichsschwert (Mauritiusschwert),
der Krönungsmantel (Krönungsornat)
und einige weitere Kleinode (und
Reliquien) (sowie der Säbel Karls des Großen, die Stephansburse und das
Reichsevangeliar als sog. Aachener Kleinodien). Sie begleiten anfangs
den König auf seinen Zügen. In salischer Zeit sind sie meist im Dom in Speyer,
danach in der Reichsfeste Trifels, seit 1273 in der habsburgischen Kiburg, seit
1350 in Prag bzw. der Karlsfeste (Karlsstein),
1421 in Blutenburg in Ungarn, seit 1424 in Nürnberg, seit 1800 über Regensburg
(1796) und Passau in Wien (1938 bis 1946 nochmals in Nürnberg). ->
Insignien, Reichsinsignien
Lit.:
Schlosser, J., Die deutschen Reichskleinode, 1920; Fillitz, H., Die Insignien
und Kleinodien, 1954; Grass, N., Reichskleinodienstudien, 1965; Kubin, E., Die
Reichskleinodien, 1991;
Die Reichskleinodien, hg. v. d. Gesellschaft für staufische Geschichte, 1997;
Gsell, K., Die Rechtsstreitigkeiten um den Reichsschatz, 2001
Reichskonkordat ist das am 20. 7. 1933 unterzeichnete und am 10. 9. 1933 in Kraft getretene -> Konkordat zwischen dem Deutschen Reich und der katholischen Kirche.
Lit.: Volk, L., Das Reichskonkordat, 1972; Listl, J., Die Fortgeltung und die gegenwärtige staatskirchenrechtliche Bedeutung des Reichskonkordats, FS L. Carlen, 1989, 309
Reichskreis ist der 1500 bzw. 1512 im Zuge der Reichsreform geschaffene Kreis im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation). Es werden insgesamt 6 bzw. 10 Reichskreise gebildet (österreichischer, burgundischer, kurrheinischer, fränkischer, bayerischer, schwäbischer, oberrheinischer, niederrheinisch-westfälischer, obersächsischer, niedersächsischer R.), in welche die meisten Gebiete des Reiches eingegliedert werden. Nur im Südwesten (Schwaben, Franken, Oberrhein) erlangt der R. über längere Zeit eine gewisse Bedeutung für die Landfriedenswahrung, Urteilsexekution und Truppenkontingentierung.
Lit.:
Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 147; Wallner, E.,
Die kreisansässigen Reichsterritorien, MIÖG Ergänzungsbd. 11 (1929), 681;
Brusatti, A., Die Entstehung der Reichskreise, 1950; Sicken, B., Der fränkische
Reichskreis, 1970; Laufs, A., Der schwäbische Kreis, 1972; Der Kurfürst von
Mainz und die Kreisassoziation, hg. v. Aretin, K. Frhr. v., 1975, 1; Schneider,
A., Der niederrheinisch-westfälische Kreis, 1985; Dotzauer, W., Der
kurrheinische Reichskreis, Nass. Ann. 98 (1987), 61; Magen, F.,
Reichsexekutive und regionale Selbstverwaltung, 1992; Gittel, U., Die
Aktivitäten des Niedersächsischen Reichskreises, 1997; Hartmann, P., Der
bayerische Reichskreis, 1997; Dotzauer, W., Die deutschen Reichskreise, 1998; Reichskreis und Territorium, hg. v. Wüst, W., 2000
Reichskrieg ist der auf Grund einer Reichskriegserklärung des Kaisers und der Reichsstände zwischen 1648 und 1806 gegen einen fremden Staat geführte -> Krieg.
Lit.: Weigel, H., Die Kriegsverfassung des alten Deutschen Reichs, 1912
Reichskristallnacht (Novemberpogrom) ist die Nacht vom 8. auf den 9. 11. 1938, in welcher der deutsche Reichsinnenminister Goebbels während eines Kameradschaftsabends der nationalsozialistischen Parteiführer im alten Münchener Rathaussaal durch mündliche Weisung die Beschädigung von jüdischen Einrichtungen einleitet, weil ein 17jähriger Jude in Paris einen deutschen Legationssekretär tötete. Im Verlauf der R. werden etwa 200 Synagogen zerstört, 7500 jüdische Geschäfte demoliert und 91 Juden getötet. Eine Verordnung vom 12. 11. 1938 verpflichtet die jüdischen Gewerbetreibenden zur Schadensbeseitigung und zu einer Sühneleistung von 1 Milliarde Reichsmark.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 238; Gruchmann, L., „Reichskristallnacht“ und Justiz im „ Dritten Reich“, NJW 1988, 2856; Graml, H., Reichskristallnacht, 1988; Kropat, W., Reichskristallnacht in Hessen, 1988; Kropat, W., Reichskristallnacht, 1997
Reichsland Elsaß-Lothringen -> Elsaß, Lothringen
Reichslandfriede -> Landfriede
Reichslandvogtei ist eine von König Rudolf von Habsburg (1273-91) eingerichtete Verwaltungseinheit für Reichsgut (z. B. in Schwaben, Elsaß, Speyergau, Mittelrhein, Wetterau). Die R. geht im Spätmittelalter in den Ländern auf.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schreibmüller, H., Die Landvogtei im Speiergau, 1905; Becker, J., Geschichte der Reichslandvogteien im Elsaß, 1905; Schwind, F., Die Landvogtei in der Wetterau, 1972; Hofacker, H., Die schwäbischen Reichslandvogteien, 1980
Reichslehen ist das vom König des deutschen Reichs verliehene -> Lehen. Durch die Annahme des Titels Kaiser von Österreich durch Franz II. wird der Reichslehensverband 1804 aufgelöst.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Krieger, K., Die Lehnshoheit der deutschen Könige, 1979; Rödel, V., Reichslehenswesen, Ministerialität, Burgmannschaft und Niederadel, 1979; Schubert, E., König und Reich, 1979
Reichsmatrikel ist die für das Heilige Römische Reich (deutscher Nation) geführte -> Matrikel.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Sieber, J., Zur Geschichte des Reichsmatrikelwesens, 1910
Reichsmerkantilismus -> Merkantilismus
Reichsministeriale -> Reichsdienstmann
Reichsmünze -> Münze
Lit.: Klimpert, R., Lexikon der Münzen, 2. A. 1896, Neudruck 1972; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte, 1975
Reichsnotariatsordnung -> Notar
Reichsoberhandelsgericht ist das durch gesetzliche Umbenennung vom 16. 4. 1871 (2. 9. 1871 Plenarbeschluss) und örtliche Ausdehnung auf die süddeutschen Staaten vom 22. 4. 1871 aus dem am 12. 6. 1869 in Leipzig geschaffenen -> Bundesoberhandelsgericht hervorgegangene oberste Gericht in Handelssachen des zweiten Deutschen Reichs in Leipzig. Es geht am 1. 10. 1879 im -> Reichsgericht auf.
Lit.:
Köbler, DRG 195; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954, 83; Weiß, A., Die
Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts in Strafsachen, 1997; Winkler, S.,
Das Bundes- und spätere Reichsoberhandelsgericht, 2001
Reichspfand -> Pfand
Reichspolizeiordnung ist eine für das Heilige Römische Reich (deutscher Nation) geschaffene -> Polizeiordnung (z. B. 1530, 1548, 1577).
Lit.:
Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 138; Segall, L., Geschichte und Strafrecht der
Reichspolizeiordnungen, Diss. jur. Gießen 1914;
Weber, M., Die Reichspolizeiordnungen von 1530, 1548 und 1577, 2002
Reichspräsident ist das Staatsoberhaupt des zweiten Deutschen Reichs von 1919 bis 1934 (Ebert, Hindenburg). Funktionell ist der R. als Nachfolger des Kaisers mit bedeutsamen Befugnissen ausgestattet. Nach dem 12. 8. 1934 übernimmt -> Hitler seine Aufgaben.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 230; Anschütz, G., Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. A. 1933, Neudruck 1968; Pünder, Der Reichspräsident, 1961; Friedrich Ebert als Reichspräsident, hg. v. Kolb, E., 1997
Reichspublizistik ist das das deutsche Reich bzw. das Heilige Römische Reich (deutscher Nation) betreffende politisch-juristische Schrifttum (z. B. des -> Manegold von Lautenbach, -> Petrus Crassus, Deusdedit, Anselm von Lucca, Bonizo von Sutri, -> Petrus de Vinea, -> Jordan von Osnabrück, -> Alexander von Roes, -> Engelbert von Admont, Tolomeo von Lucca, -> Marsilius von Padua, -> Wilhelm von Ockham, -> Lupold von Bebenburg, Konrad von -> Megenberg, Nikolaus von -> Kues oder -> Peter von Andlau im Mittelalter bzw. -> Goldast, -> Freher, Hermann Vultejus, Gottfried Antonius, -> Arumaeus, -> Limnaeus, -> Reinkingk, -> Althusius, -> Conring, -> Pufendorf, -> Lünig, -> Thomasius, -> Ludewig, -> Gundling, -> Mascov, Schmauß, -> Pütter, -> Wolff oder -> Moser) in der frühen Neuzeit.
Lit.: Pütter, J., Litteratur des teutschen Staatsrechts, Bd. 1ff. 1776ff.; Mirbt, C., Die Publizistik im Zeitalter Gregors VII., 1894, Neudruck 1965; Fauser, A., Die Publizisten des Investiturstreites, Diss. phil. München 1934; Schubert, H., Die deutschen Reichstage, 1960; Schömbs, E., Das Staatsrecht Johann Jakob Mosers, 1968; Bussi, E., Il diritto pubblico des Sacro romano impero, 2. A. 1970; Hammerstein, N., Jus und Historie, 1972; Neumaier, K., Ius publicum, 1974; Ullmann, W., Law and Politics in the Middle Ages, 1975; Pick, E., Mainzer Reichsstaatsrecht, 1977; Wyduckel, D., Princeps legibus solutus, 1979; Wyduckel, D., Ius publicum, 1984; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1f. 1988ff.; Peters, W., Späte Reichspublizistik und Frühkonstitutionalismus, 1993
Reichsrat ist ein Staatsorgan des 19. Jh.s (Österreich -> Oktoberdiplom vom 20. 10. 1860, -> Februarpatent vom 26. 2. 1861, -> Dezemberverfassung vom 21. 12. 1867 mit einem aus Herrenhaus und Abgeordnetenhaus bestehenden R.) bzw. des 20. Jh.s (Deutsches Reich 14. 8. 1919). Hier kann der R., in dem jedes Land mindestens eine und -> Preußen als vorherrschendes Land höchstens zwei Fünftel aller Stimmen hat, gegen Gesetze einen Einspruch erheben, der aber vom Reichstag überstimmt werden kann. Am 14. 2. 1934 wird der R. aufgelöst. Im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) ist R. das -> Reichsregiment von 1500 bzw. 1521.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 230, 232; Baltl/Kocher; Anschütz, G., Die Verfassung des Deutschen Reiches, 14. A. 1933, Neudruck 1968; Rose, G., Der Reichsrat der Weimarer Republik, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1964; Der Bundesrat, hg. v. Bundesrat, 1974
Reichsrecht ist das ein -> Reich betreffende Recht. Es steht meist im Gegensatz zu einem Recht eines örtlich kleineren Gebietes (z. B. Landesrecht), zum Recht eines anderen Staates oder zum internationalen Recht (z. B. Völkerrecht). Im zweiten Deutschen Reich bricht R. Landesrecht.
Lit.: Köbler, DRG 102, 227, 231; Baltl/Kocher; Mitteis, L., Reichsrecht und Volksrecht, 1891, Neudruck 1963; Pfundtner/Neubert, Das neue deutsche Reichsrecht, 1933ff.; Diestelkamp, B., Zur Krise des Reichsrechts im 16. Jahrhundert, in: Säkulare Aspekte der Reformationszeit, hg. v. Angermeier, H., 1983, 49
Reichsrechtsbuch -> Mühlhausen
Reichsreform ist (seit 1850) die Gesamtheit der Reformbestrebungen im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) zwischen 1410 und 1555. Als Ergebnisse der R. sind -> Reichskammergericht und -> Reichskreise hervorzuheben. -> Reformatio Sigismundi
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 147; Molitor, E., Die Reichsreformbestrebungen, 1921, Neudruck 1969; Laufs, A., Reichsstädte und Reichsreform, ZRG GA 84 (1967), 172; Angermeier, H., Die Reichsreform, 1984; Krieger, K., König, Reich und Reichsreform, 1992; Quellen zur Reichsreform im Spätmittelalter, hg. v. Weinrich, L., 2001
Reichsregierung ist die Regierung eines Reichs, insbesondere die aus Reichskanzler und Staatssekretären bzw. Ministern bestehende Regierung des zweiten Deutschen Reiches.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 196, 230; Baltl/Kocher
Reichsregiment oder -> Reichsrat ist im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) 1500 und 1521 ein dem Kaiser zur Seite gestelltes, im Ergebnis aber gescheitertes Reichsorgan der Reichsstände.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Kraus, V. v., Das Nürnberger Regiment, 1883, Neudruck 1969; Grabner, A., Zur Geschichte des zweiten Nürnberger Regimentes, 1903, Neudruck 1965; Das Wappenbuch des Reichsherolds Caspar von Sturm, bearb. v. Arndt, J., 1984; Roll, C., Das zweite Reichsregiment, 1996
Reichsritter ist im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) der dem Reich unmittelbar verbundene Ritter. Er erscheint seit dem frühen 15. Jh. (1422), organisiert sich seit etwa 1540 in drei 1577 vereinigten Ritterkreisen (Schwaben, Franken, Rhein) mit 14 Kantonen und muss 1802/5 die Mediatisierung (von etwa 1730 Rittergütern mit 450000 Einwohnern) in den Territorien hinnehmen. Im Reichstag ist der R. nicht vertreten.
Lit.:
Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 130, 132; Roth von
Schreckenstein, C., Geschichte der ehemals freien Reichsritterschaft, Bd. 1f.
1859ff.; Eberbach, O., Die deutsche Reichsritterschaft, 1913; Danner, W., Die
Reichsritterschaft im Ritterkantonsbezirk Hegau, 1971; Hellstern, D., Der
Ritterkanton Neckar-Schwarzwald, 1971; Mauchenheim, H. v., Des Heiligen
römischen Reichs unmittelbar freie Ritterschaft zu Franken Ort Steigerwald,
1972; Stetten, W. v., Die Rechtsstellung der unmittelbaren freien
Reichsritterschaft, 1973; Teuner, R., Die fuldische Ritterschaft, 1982; Adel in
der Frühneuzeit, hg. v. Endres, R., 1991; Ulrichs, C., Vom Lehnhof zur
Reichsritterschaft, 1997; Riedenauer, E., Fränkische Landesgeschichte und
historische Landeskunde, 2001
Reichsschluss (lat. conclusum [N.] imperii) ist der nach Zustimmung des Kaisers zu den Ergebnissen der Beratung der Reichsstände entstehende Gesetzesbeschluss des Heiligen Römischen Reichs (deutscher Nation), der dem -> Reichsabschied vorausgeht.
Lit.: Wenkebach, H., Bestrebungen zur Erhaltung der Einheit des Heiligen römischen Reichs in den Reichsschlüssen, 1970
Reichssiegel ist das vom Herrscher oder anderen Organen für das -> Reich verwendete Siegel.
Lit.: Ewald, W., Siegelkunde, 1914, Neudruck 1969; Posse, O., Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige, Bd. 1ff. 1909ff.; Battenberg, F., Das Hofgerichtssiegel, 1979
Reichsstaatsrecht -> Reichspublizistik, Staatsrecht
Lit.: Quellensammlung zum deutschen Reichsstaatsrecht, hg. v. Triepel, H., 5. A. 1931; Kaiser und Reich, hg. v. Buschmann, A., 1984
Reichsstadt ist im Heiligen Römischen -> Reich (deutscher Nation) die dem Reich bzw. Kaiser unmittelbar, d.h. nicht mittels eines Landesherrn unterstehende -> Stadt. Sie entsteht seit der Stauferzeit des 13. Jh.s. Die R. kann dauerhaft die Ratsverfassung sichern und die stadtherrlichen Rechte an sich bringen. Zeitweise gibt es bis zu 125 Reichsstädte (z. B. Regensburg, Nürnberg, Speyer, Worms, Besançon, Frankfurt am Main, Wetzlar, Dortmund), die zusammen den dritten -> Reichsstand im Reichstag bilden (schwäbische Städtebank, rheinische Städtebank). In der frühen Neuzeit geht die Zahl zugunsten der Territorialstaaten zurück. 1803 werden die meisten (45) noch verbleibenden Reichsstädte mediatisiert. Die letzten Überreste bilden 1803 Frankfurt am Main (bis 1866), Hamburg, Bremen, Lübeck (bis 1937), Augsburg (bis 1806), und Nürnberg (bis 1806), in der Gegenwart die Stadtstaaten Bremen und Hamburg.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 110, 111, 132, 148; Dannenbauer, H., Die Entstehung des Territoriums der Reichsstadt Nürnberg, 1928; Moeller, B., Reichsstadt und Reformation, 1962; Landwehr, G., Die Verpfändung der deutschen Reichsstädte im Mittelalter, 1967; Batori, J., Die Reichsstadt Augsburg, 1969; Schroeder, K., Das alte Reich und seine Städte, 1991
Reichsstand ist im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) das auf dem Reichstag vertretene Kollegium (Kurfürsten [1356], [Reichs-]Fürsten, Reichsstädte [1471]). Am Ende des 18. Jh.s gibt es bei drei Reichsständen 9 -> Kurfürsten, 33 geistliche und 61 weltliche Fürstentümer, 2 Prälatenbänke (40 Mitglieder), 4 Grafen- und Herrenbänke (103 Mitglieder) (-> Reichsfürsten) und 2 Städtebänke (51 Mitglieder) (-> Reichsstädte).
Lit.:
Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 110, 148, 150; Moser, J., Von der Landeshoheit
der teutschen Reichsstände, 1773; Reuter, R., Der Kampf um die Reichsstandschaft
der Städte, 1919; Schubert, F., Die deutschen Reichstage, 1966; Aretin, K.
Frhr. v., Heiliges Römisches Reich, Bd. 1 1967; Kulenkampff, A., Einungen und
Reichsstandschaft, 1971; Reichsstände und Landstände, hg. v. Rausch, H., 1975;
Decker, K., Frankreich und die Reichsstände, 1981; Rheden-Dohna, A. v.,
Reichsstandschaft und Klosterherrschaft, 1982; Wild, W., Steuern und
Reichsstandschaft, 1984; Krieger, K., König, Reich und Reichsreform, 1992; Reichsständische Libertät, hg. v. Duchhardt, H. u. a., 1999
Reichsstatthalter ist im Dritten Reich seit 7. 4. 1933 der über die Landesregierung gestellte Vertreter des Reichskanzlers, der die Landesregierung ernennt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 232; Baltl/Kocher
Reichssteuer ist die dem -> Reich zustehende -> Steuer. Im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) ist der Versuch, allgemeine Reichssteuern einzuführen, erfolglos. Im zweiten Deutschen Reich gelingt er seit 1881 (Stempelsteuer, 1902 Schaumweinsteuer, 1906 Erbschaftsteuer u. a., 1913 außergewöhnliche Einkommensteuer, 1916 Vorläufer der Umsatzsteuer, 1917 Beförderungsteuer).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 148, 196; Zeumer, K., Die deutschen Städtesteuern, 1878; Müller, H., Reichssteuern und Reichsreformbestrebungen, 1880; Lohmann, K., Das Reichssteuergesetz von 1654, Diss. Bonn 1892/3; Gerlot, W., Die Finanz- und Zollpolitik des Deutschen Reichs, 1913; Bussi, E., Il diritto pubblico del sacro Romano impero, Bd. 2 1959; Metz, W., Staufische Güterverzeichnisse, 1964; Schulze, W., Reichstage und Reichssteuern, ZHF 2 (1975), 43; Isenmann, E., Reichsfinanzen und Reichssteuern, ZHF 7 (1980), 1
Reichsstift ist das besondere -> Stift des Reichs.
Lit.: Kellner, W., Das Reichsstift St. Bartholomäus zu Frankfurt am Main, 1962; Rauch, G., Pröpste, Propstei, und Stift von St. Bartholomäus in Frankfurt, 1975
Reichsstrafgesetzbuch ist das 1871 aus dem Strafgesetzbuch des Norddeutschen Bundes und damit aus dem preußischen, stark vom französischen Code pénal beeinflussten Strafgesetzbuch von 1871 entwickelte Strafgesetzbuch des Deutschen Reichs.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 181
Reichsstraße ist die mit dem Reich besonders verbundene, dem überörtlichen Verkehr dienende -> Straße. Aus ihr entwickelt sich 1949 die Bundesstraße.
Lit.: Germershausen, A., Das Wegerecht und die Wegeverwaltung in Preußen, Bd. 1f. 1890; Zeumer, K., Straßenzwang und Straßenregal, ZRG GA 23 (1902), 101; Landau, G., Beiträge zur Geschichte der alten Heer- und Handelsstraßen in Deutschland, 1958
Reichssynode ist eine die Geistlichkeit des -> Reichs erfassende -> Synode.
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Reichstag ist das die Gesamtheit des Volkes repräsentierende, bei der Gesetzgebung mitwirkende Kollegialorgan des Reichs. Der R. des Heiligen Römischen Reichs (deutscher Nation) entwickelt sich aus der Einladung des Königs zwecks Rates und Hilfe an die Großen des Reichs an seinen Hof (Hoftag). Seit 1356 sollen sich dabei die Kurfürsten jährlich beim König versammeln. Möglich sind auch königslose Treffen. Seit dem frühen 15. Jh. gehen Kurfürsten und Reichsstädte aus Not Selbstverpflichtungen ein. Hinzu kommen später Fürsten, Grafen und Herren. Kurz vor 1500 ist diese von oben ausgehende Entwicklung zu einem aus drei -> Reichsständen gebildeten R. abgeschlossen und die Teilhabe an der Leitung des Reichs bis zu dessen Ende gesichert. Als bekannte Reichstage werden dabei im übrigen hervorgehoben die Reichstage von (Aachen [802/3],) Augsburg (1529), Frankfurt (1442), Freiburg (1498), Köln (1512), Konstanz (1507), Lindau (1496), (Mainz [1085],) Nürnberg (1524), Regensburg (1532, seit 1663 Gesandtenkongreß als immerwährender R.), (Roncaglia [1158],) Speyer (1526) und Worms (1231, 1495, 1521) (sowie Würzburg [1168]). Im 19. Jh. ist demgegenüber der R. in der Verfassung der Frankfurter Nationalversammlung von 1849 ein aus Staatenhaus und Volkshaus zusammengesetztes Organ, das aber nicht verwirklicht wird. Im Norddeutschen Bund (1867) und im zweiten Deutschen Reich (1871) ist R. die hinter Kaiser und Bundesrat an dritter Stelle stehende, durch Mehrheitswahlrecht bestimmte Volksvertretung, die an der Gesetzgebung entscheidend mitwirkt. Am 28. 10. 1918 wird der Reichskanzler vom Vertrauen des Reichstages abhängig. 1933 überträgt das Ermächtigungsgesetz das Gesetzgebungsrecht des Reichstags auf die Reichsregierung. Am 27. 2. 1933 steckte der niederländische Kommunist van der Lubbe das Gebäude des deutschen Reichstags in Brand. In Österreich erscheint ein aus Senat und Abgeordnetenkammer bestehender R. bereits in der Aprilverfassung des Innenministers -> Pillersdorf vom 25. 4. 1848 (1860 Reichsrat).
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3;
Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 94, 101, 106, 110, 131, 135, 148, 177, 193,
194, 195, 230; Baltl/Kocher; Sammlung sämtlicher Drucksachen des Reichstages,
1871ff.; Bemmann, R., Zur Geschichte des deutschen Reichstages im 15.
Jahrhundert, 1907; Borell, A., Die soziologische Gliederung des
Reichsparlaments, Diss. phil. Gießen 1933; Stoltenberg, G., Der deutsche
Reichstag, 1955; Deuerlein, E., Der Reichstag von 1871 bis 1933, 1962;
Fürnrohr, Der immerwährende Reichstag zu Regensburg, 1963; Schwarz, M.,
Mitglieder des Reichstages, 1965; Schubert, F., Die deutschen Reichstage, 1966;
Stürmer, M., Regierung und Reichstag, 1974; Brandt, D., Die politischen
Parteien, 1975; Rauh, M., Die Parlamentarisierung des Deutschen Reichs, 1977;
Schubert, E., König und Reich, 1979; Moraw, P., Versuch über die Entstehung des
Reichstages, in: Politische Ordnung und soziale Kräfte im Alten Reich, hg. v.
Weber, H., 1980, 1; Der Reichstag, 1981; Regierung, Bürokratie und Parlament,
hg. v. Ritter, G., 1983; Moraw, P., Hoftag und Reichstag, in: Parlamentsrecht
und Parlamentspraxis, 1989, 3; Schindling, A., Die Anfänge des immerwährenden
Reichstags, 1991; Schindling,
A., Die Anfänge des Immerwährenden Reichstasgs, 1991; Hubert, P., Uniformierter Reichstag,
1992; Martin, T., Auf dem Weg zum Reichstag, 1993; Härter, K., Reichstag und
Revolution 1789-1806, 1992; Hof, Hoftag und Reichstag, hg. v. Moraw, P., 1994;
Speicher, S., Der Reichstag, 1995; Ullrich,
N., Gesetzgebungsverfahren und Reichstag, 1996; Bahar, A./Kugel, W., Der
Reichstagsbrand, 2000; Biefang, A., Bismarcks Reichstag, 2002; Mergel,
T., Parlamentarische Kultur in der Weimarer Republik, 2002; Deutscher Königshof, Hoftag und Reichstag,
hg. v. Moraw, P., 2003
Reichstagsakten sind die in der Arbeit des -> Reichstages des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) entstandenen, seit 1857 zur Veröffentlichung vorbereiteten Akten (zwischen 1376 und 1662).
Lit.: Deutsche Reichstagsakten, Ältere Reihe, Bd. 1ff. 1867, Neudruck 1956f.; Deutsche Reichstagsakten, Mittlere Reihe, Bd. 1ff. 1972ff.; Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe, Bd. 1ff. 1893ff., Neudruck 1962f.; Schubert, F., Die deutschen Reichstage, 1966
Reichstagsbrand ist der wohl von einem einzelnen verursachte Brand des Gebäudes des Deutschen Reichstages in Berlin am 27. 2. 1933, als dessen Folge von -> Hitler zahlreiche Grundrechte außer Kraft gesetzt werden.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 222; Tobias, F., Der Reichstagsbrand, 1962; Mommsen, H., Der Reichstagsbrand, Vjh. f. Zeitgesch. 12 (1964), 351
Reichsteilung ist die Aufteilung eines -> Reiches. Im August 843 teilen die Söhne Lothar, Ludwig und Karl des fränkischen Kaisers Ludwig des Frommen in Verdun das Reich, woraus sich ungeplant die Entwicklung zu -> Deutschland und -> Frankreich ergibt.
Lit.: Köbler, DRG 76; Kornemann, E., Doppelprinzipat und Reichsteilung im Imperium Romanum, 1930; Der Vertrag von Verdun, hg. v. Mayer, T., 1943; Ganshof, F., Zur Entstehungsgeschichte und Bedeutung des Vertrages von Verdun, DA 12 (1956), 313
Reichsunmittelbarkeit ist die unmittelbare d.h. nicht durch einen anderen (Landesherrn) vermittelte Zugehörigkeit von Gütern oder Personen zum Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation). Sie entsteht ansatzweise im Hochmittelalter (13. Jh.). 1471 sieht die Kriegssteuerordnung vor, dass die der Verteidigung gegen die Türken dienende Reichssteuer durch den jeweiligen Landesherrn von seinen Untertanen einzuheben ist. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit die R. im Einzelfall festzulegen. R. haben -> Kurfürsten, -> Reichsfürsten, Reichsgrafen, -> Reichsstädte, -> Reichsritter und -> Reichsdörfer. Persönliche R. kommt Reichshofräten, Reichskammergerichtsassessoren und Domkapiteln während der Sedisvakanz und Angehörigen reichsständischer Familien zu. Die R. endet 1806.
Lit.: Köbler, DRG 94, 110, 135; Moser, J., Von denen Teutschen Reichsständen, 1767, Neudruck 1967; Engelbert, G., Die Erhebungen in den Reichsfürstenstand, Diss. phil. Marburg 1948 masch.schr.; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975
Reichsurteil -> Reichsweistum
Reichsverfassung ist die Grundordnung eines -> Reichs bzw. die formelle Verfassung eines Reichs seit dem 19. Jh. (z. B. 27. 3. 1849, 16. 4. 1871). -> Heiliges Römisches Reich (deutscher Nation), Deutsches Reich, Österreich, Kaiser, Reichstag
Lit.:
Laband, P., Das Staatsrecht des Deutschen Reichs, 1876; Quellensammlung zur
Geschichte der Deutschen Reichsverfassung, hg. v. Zeumer, K., 2. A. 1913;
Bergsträßer, L., Geschichte der Reichsverfassung, 1914; Beyerle, K., Zehn Jahre
Reichsverfassung, 1929; Dürig, G./Rudolf, W., Texte zur deutschen
Verfassungsgeschichte, 2. A. 1979; Das Staatsrecht des Heiligen römischen
Reichs deutscher Nation, hg. v. Wagner, W., 1968; Becker, W., Der
Kurfürstenrat, 1973; Schmidt, G., Der Städtetag in der Reichsverfassung, 1984;
Kühne, J., Die Reichsverfassung der Paulskirche, 1985; Grimm, D., Deutsche
Verfassungsgeschichte 1776-1866, 1988; Kröger, K., Einführung in die jüngere deutsche
Verfassungsgeschichte, 1988;
Buschmann, A., Reichsgrundgesetze und Reichsverfassung des Heiligen Römischen
Reiches, FS H. Baltl 1998, 21; Burgdorf, W., Reichskonstitution und Nation
Reichsversicherungsamt ist die oberste Behörde der -> Sozialversicherung im zweiten Deutschen Reich seit 1884. Im März 1945 stellt das R. seine Tätigkeit ein. Nachfolger wird teilweise 1954 das Bundessozialgericht.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Staatsbürger und Staatsgewalt, hg. v. Külz, H. u. a., R., Bd. 1 1963; Festschrift zum 25jährigen Bestehen des Bundessozialgerichts, Bd. 1 1979; Festgabe aus Anlass des 100jährigen Bestehens der sozialgerichtlichen Rechtsprechung, hg. v. Deutschen Sozialrechtsverband, 1984
Reichsversicherungsordnung ist das die Sozialversicherungsgesetze des zweiten Deutschen Reichs vom 15. 6. 1883 (Krankenversicherung), 6. 7. 1884 (Unfallversicherung) und 22. 6. 1889 (Altersversicherung und Invalidenversicherung) zusammenfassende Gesetz vom 19. 7. 1911. Die R. wird am Ende des 20. Jh.s abschnittsweise vom -> Sozialgesetzbuch abgelöst.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 183
Reichsverwaltungsgericht ist das nach jahrzehntelangem Drängen durch Erlass vom 3. 4. 1941 unter Zusammenlegung mehrerer Gerichte und Ämter (Oberwaltungsgericht Preußens, Verwaltungsgerichtshof [Österreichs], Reichsdienststrafhof u. a.) geschaffene oberste Gericht der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Deutschen Reich. Seine Entscheidungen sind in zwei Bänden veröffentlicht. 1945 wird es aufgelöst. Funktionell folgt ihm das -> Bundesverwaltungsgericht.
Lit.: Gulden, H., Das künftige Reichsverwaltungsgericht, Diss. jur. Heidelberg 1928; Frank, H., Das Reichsverwaltungsgericht, Deutsches Recht 1941, 1169; Gaiser, H., Das Reichsverwaltungsgericht, Diss. jur. Tübingen 1948; Kohl, W., Das Reichsverwaltungsgericht, 1991
Reichsverweser ist ein Verwalter eines -> Reichs (z. B. Dänemark 1023/4, Erzherzog Johann am 29. 6. 1848 für das geplante Deutsche Reich).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Huber, E., Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 2. A. 1975, 623
Reichsvikar ist ein Verwalter eines -> Reichs. Im Hochmittelalter wird der R. zu einer festen Einrichtung für die Zeit zwischen dem Tod eines Königs und der Wahl des neuen Königs des deutschen Reiches. (z. B. 1276/81 Pfalzgraf bei Rhein, 1356 auch der Herzog von Sachsen).
Lit.: Fricke, H., Reichsvikare, Reichsregenten und Reichsstatthalter, Diss. phil. Göttingen 1949 masch.schr.; Wendehorst, A., Das Reichsvikariat nach der Goldenen Bulle, 1951; Hermkes, W., Das Reichsvikariat in Deutschland, 1968; Heckmann, M., Stellvertreter, 2002
Reichsvogt ist der vom -> Reich im Hochmittelalter zur Verwaltung von Reichsgut bestellte -> Vogt (z. B. in Aachen, Wetzlar oder Goslar).
Lit.: Interthal, K., Die Reichsvogtei Wetzlar, Diss. phil. Gießen 1928; Wilke, S., Das Goslarer Reichsgebiet, 1970; Flach, D., Untersuchungen zur Verfassung und Verwaltung des Aachener Reichsgutes, 1976
Reichsvogteistadt ist die bischöfliche Stadt des Heiligen Römischen Reichs (deutscher Nation), deren Vogtei das Reich hat (Augsburg, Konstanz, Basel, Chur).
Lit.: Landwehr, G., Die Verpfändung der deutschen Reichsstädte, 1967
Reichswald ist der seit dem Mittelalter dem -> Reich zustehende Wald (z. B. Dreieich, Büdingen, Aachen, Kleve, Unterelsaß, Kaiserslautern, Nürnberg).
Lit.: Zeyher, M., Der Schönbuch, 1938; Kaspers, H., Comitatus nemoris, 1957; Nieß, W., Die Forst- und Jagdgeschichte der Grafschaft Ysenburg, 1974; Rabus, I., Der Nürnberger Reichswald, 1974; Bäcker, H., Reichswald und Reichswaldgenossenschaft, Diss. jur. Mainz 1978
Reichswappen ist das Wappen eines -> Reichs. Im 12. Jh. erscheint der -> Adler im Wappen des Kaisers. Am Ende des 13. Jh.s zeigt das vom Wappen des Königs geschiedene R. den schwarzen einköpfigen Adler im goldenen Schild. Seit 1400 wird der Doppeladler R. 1847/8 übernimmt die Bundesversammlung den schwarzen Doppeladler. 1871 führt das zweite Deutsche Reich den einköpfigen schwarzen Adler im goldenen Schild als R. ein.
Lit.: Korn, J., Adler und Doppeladler, Diss. phil. Göttingen, 2. A. 1976
Reichswehr ist die Bezeichnung des durch den Versailler Friedensvertrag auf 100000 Mann beschränkten Heeres des zweiten Deutschen Reichs (Gesetz v. 23. 3. 1921) bis zur Einführung der allgemeinen Wehrpflicht am 16. 3. 1935.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 221; Vogelsang, T., Die Reichswehr und die Politik, 1959
Reichsweistum ist eine von den Reichsfürsten im Mittelalter urteilsartig gegebene Entscheidung (z. B. Rhens 1338). Die Abgrenzung zum Urteil wie zum Gesetz ist zweifelhaft.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Franklin, O., Sententiae curiae regiae, 1870; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Diestelkamp, B., Reichsweistümer als normative Quellen, in: Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977, 281
Reichswirtschaftsgericht ist eine 1919 aus dem 1915 geschaffenen Reichsschiedsgericht für Kriegsbedarf hervorgegangene, 1920 in ein Gericht umgewandelte Behörde. 1941 geht das R. im -> Reichsverwaltungsgericht auf.
Lit.: Jahn, J., Das Reichswirtschaftsgericht, 1940; Klinger, H., Reichswirtschaftsgericht und Kartellgericht, in: Staatsbürger und Staatsgewalt, hg. v. Külz, H. u. a., Bd. 1 1963, 103
Reichszivilprozessordnung -> Zivilprozessordnung
Reims an der Vesle, aus dem römischen Durocortorum der Remer hervorgegangen, ist seit 290 Bistum, seit dem 8. Jh. Erzbistum. R. beansprucht die Stellung als Krönungsort des französischen Königs. Seit dem Hochmittelalter tritt es als Machtmittelpunkt hinter -> Paris zurück. Seit 1969 ist R. Sitz einer Universität.
Lit.: Brühl, C., Reims als Krönungsstadt des französischen Königs, Diss. phil. Frankfurt am Main 1950; Devisse, J., Hincmar, archevêque de Reims, Bd. 1ff. 1972ff.; Desportes, P., Reims et les Remois, 1979; Kaiser, R., Bischofsherrschaft zwischen Königtum und Fürstenmacht, 1981
Reimvorrede ist eine gereimte Vorrede (z. B. des Sachsenspiegels).
Lit.: Fehr, H., Die Dichtung im Recht, 1936; Ignor, A., Über das allgemeine Rechtsdenken Eike von Repgows, 1984
reine Rechtslehre ist die auf der positivistischen Grundlage der neukantianischen Zuordnung der Rechtsnorm zum Sollen von Hans -> Kelsen (1881-1973) entwickelte Rechtslehre. In ihr stellt die Rechtsordnung einen Erzeugungszusammenhang von Rechtsnormen dar, der sich letztlich auf eine hypothetische Grundnorm zurückführen lässt. Diese hypothetische Grundnorm hat rechtserzeugenden Charakter, der Zwangsakt als Endpunkt des Rechtserzeugungsvorgangs nur rechtsanwendenden Charakter.
Lit.: Kelsen, H., Reine Rechtslehre, 1934, 2. A. 1960; Schild, W., Die reinen Rechtslehren, 1975; Der Einfluss der reinen Rechtstheorien, Bd. 1ff. 1978ff.; Dreier, H., Rechtslehre, Staatssoziologie und Demokratie bei Hans Kelsen, 1984
Reinhart Fuchs ist eine nach 1192 von einem elsässischen Dichter geschaffene, das Verfahren des ausgehenden 12. Jh.s volkssprachig darstellende Dichtung.
Lit.: Der Reinhart Fuchs, hg. v. Düwel, K., 1984
Reinigungseid ist der Eid des Beschuldigten, mit dem er seine Unschuld erweisen kann. Er entspricht einem Beweisrecht. Er verschwindet mit dem 18. Jh.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der Strafrechtspflege, 3. A. 1965
Reinkingk (Reinking), Dietrich (Theodor) (Windau in Kurland 10. 3. 1590 - Glückstadt 15. 12. 1664), Gutsherrnsohn, wird nach dem Rechtsstudium in Köln, Marburg (Vultejus) und Gießen (Antonius) 1617 außerordentlicher Professor in Gießen, 1618 Hofrat, 1625 Vizekanzler und 1632 Kanzler (zuerst in Schwerin, 1636 in Bremen, 1648 in Schleswig und Holstein). Sein 1619 erschienenes kaiserfreundliches Hauptwerk (lat. Tractatus [M.] de regimine seculari et ecclesiastico, Abhandlung über weltliche und kirchliche Herrschaft) räumt dem Kaiser Souveränität ein und wird damit seit 1648 der Wirklichkeit nicht mehr voll gerecht.
Lit.: Jessen, H., Biblische Policey, Diss. jur. Freiburg im Breisgau, 1962; Staatsdenker im 17. und 18. Jahrhundert, hg. v. Stolleis, M., 3. A. 1995
reipersekutorisch (sachverfolgend)
Lit.: Köbler, DRG 19
reipus (lat.-afrk. [M.]) Reifgeld, Verlobungsgebühr, vor 819
rei vindicatio (lat. [F.]) ist die Herausgabeklage des Eigentümers des klassischen römischen Rechtes, bei welcher der nichtbesitzende Eigentümer dem besitzenden Nichteigentümer (z. B. Dieb) gegenübersteht. Aus ihr entwickelt sich im Hochmittelalter auch die zeitweise bedeutsame Unterscheidung von -> Obereigentum und Untereigentum. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch von 1900 entspricht ihr § 985.
Lit.: Kaser §§ 4 I 1a, 21 I 2b, 22 II, 27 I, 59 II 7b, 81 II 1, 83 II 5; Söllner § 9; Köbler, DRG 41, 48, 61, 124; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 174, 191, 294, 297, 307
Rekkesvind (Reccesvinth) ist ein für die Fortbildung der (lat.) -> Lex (F.) Visigothorum bedeutsamer westgotischer König (653-72).
Lit.: Köbler, DRG 80, 82; García-Moreno, L., Historia de España Visigoda, 1989
Reklamationsrecht (N.) Beschwerderecht beim fränkischen König
Lit.: Kaufmann, E., Aequitatis iudicium, 1959; Weitzel, J., Über Oberhöfe, Recht und Rechtszug, 1981
Rekognitionszins (M.) Anerkennungszins
Rektor ist der Leiter, insbesondere der Leiter einer Universität.
Lit.: Köbler, Jurist; Schwinges, R., Rektorwahlen, 1992
Rekuperator -> (lat.) recuperator (M.)
Relation (lat. [F.] relatio) ist aus dem römisch-kanonischen gelehrten Prozessrecht kommend in der Neuzeit der Bericht im Rahmen der juristischen Tätigkeit. Die R. besteht im Zivilverfahrensrecht aus der Erzählung der unstreitigen Tatsachen, der Prozessgeschichte einschließlich der Beweise und einem Entscheidungsvorschlag.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Koch, C., Anleitung zum Referieren bei preußischen Gerichtshöfen, 2. A. 1836; Berger, H., Die Entwicklung der zivilrechtlichen Relation, Diss. jur. Frankfurt am Main 1976; Schröder, J., Wissenschaftstheorie und Lehre der „praktischen Jurisprudenz“, 1979; Flasch, K., Das philosophische Denken, 1986
relativ (verhältnismäßig) z. B. Mehrheit, Naturrecht, Unwirksamkeit
Religion ist das Ergriffenwerden vom Göttlichen. Indogermanen, Römer und Germanen kennen in ihrer R. eine Vielzahl von an Naturerscheinungen angelehnten, durch menschenähnliche Züge gekennzeichneten Göttern, die an unterschiedlichen Orten verehrt werden. Seit dem 1. Jh. n. Chr. breitet sich im römischen Weltreich die von Jesus Christus auf jüdischer Grundlage gestiftete christliche R. aus, welche zur Staatsreligion wird und seit dem 3./4. Jh. auch auf die Germanen übergreift. Zwischen der Taufe Chlodwigs und der Salbung Pippins des Jüngeren erlangt die christliche R. im Frankenreich eine beherrschende Stellung. Glaubenssätze verändern in vielfacher Weise das hergebrachte Recht. Seit dem Hochmittelalter wird abstrakt auch in weltlicher Sicht das (angeblich gute, alte) -> Recht auf Gott zurückgeführt. Mit der Reformation Martin -> Luthers (1517) beginnen grundsätzliche Zweifel an der selbstverständlichen Richtigkeit religiöser Aussagen. Die Aufklärung wendet sich allgemein gegen unkritisch akzeptierte Dogmen. Seit dem 19. Jh. wird der Einfluss der R. auf das Recht zurückgedrängt (-> Kulturkampf) und die Trennung von Kirche und Staat bejaht. In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s dringt die Vorstellung einer multikulturellen Gesellschaft vor.
Lit.:
Groenbech, W., Kultur und Religion der Germanen, 9. A. 1980; Heck, E., Der
Begriff religio, 1971; Heiler, F., Die Religionen der Menschheit, 4. A. 1982;
Feil, E., Religion, 1986; Buchholz, S., Recht, Religion und Ehe, 1988;
Hattenhauer, H., Europäische Rechtsgeschichte, 2. A. 1994; Ruthmann, B., Die
Religionsprozesse am Reichskammergericht, 1996; Kippenberg, H., Die Entdeckung
der Religionssgeschichte, 1997; Religion in Geschichte und Gegenwart, hg. v.
Betz, H. u. a., 4. A. Bd. 1f. 1998ff.; Handbuch der
Religionsgeschichte, hg. v. Dinzelbacher, P., Bd. 1ff. 1999ff.; Küng, H., Die
Weltreligionen auf dem Weg, 1999; Zwischen Krise und Alltag, hg. v. Batsch, C.
u. a., 1999; Metzler Lexikon Religion, hg. v. Auffarth, J. u. a., Bd. 1ff. 1999ff.; Rémond, R., Religion und Gesellschaft in Europa,
2000; Feil, E., Religio, Bd. 3 2000; Müller-Karpe, H., Grundzüge antiker
Menschheitsreligion, 2000; Rüpke, J., Die Religion der Römer, 2001; Religion in
den germanischen Provinzen Roms, hg. v. Spickermann, W., 2001; Elsas, C.,
Religionsgeschichte Europas, 2002; Ohlig, K., Religion in der Geschichte der
Menschheit, 2002; Heckel, M., Der Rechtsstatus des Religionsunterrichts, 2002;
Frömmigkeit im Mittelalter, hg. v. Schreiner, K., 2002; Kippenberg,
H./Stuckrad, K. v., Einführung in die Religionswissenschaft, 2003; Oberste, J.,
Zwischen Heiligkeit und Häresie, 2003; Multireligiosität im vereinten Europa,
hg. v. Lehmann, H., 2003
Religionsfreiheit ist die Freiheit der Religion und ihrer Ausübung. Die R. entwickelt sich seit der -> Reformation Martin -> Luthers. 1526, 1552 bzw. 1555 wird sie den Landesherren zuerkannt. 1648 wird sie auf das reformierte Bekenntnis ausgedehnt. 1788 gewährt Preußen im sog. Wöllnerschen Religionsedikt persönliche Gewissensfreiheit, 1803/18 Bayern, 1818 Baden, 1819 Württemberg und 1831 das Kurfürstentum Hessen. Allerdings bleibt bis 1918 die R. ein Recht des einzelnen gegenüber dem andersgläubigen Staat. Die Weimarer Reichsverfassung vom 11. 8. 1919 begründet dann allgemeine R. (Bekenntnisfreiheit, Kultusfreiheit, religiöse Vereinigungsfreiheit).
Lit.:
Kroeschell, DRG 3; Fürstenau, H., Das Grundrecht der Religionsfreiheit, 1891,
Neudruck 1975; Listl, J., Das Grundrecht der Religionsfreiheit, 1971; Lutz, H.,
Zur Geschichte der Toleranz und Religionsfreiheit, 1977; Zippelius, R., Religionsfreiheit,
Staat und Kirche, 1997
Religionsfriede ist der zur Beendigung eines Religionskrieges vereinbarte Friede (z. B. Augsburger R. vom 25. 9. 1555).
Lit.: Wolf, G., Der Augsburger Religionsfriede, 1890; Rabe, H., Der Augsburger Religionsfrieden und das Reichskammergericht, 1976
Religionskrieg ist der wegen der -> Religion geführte -> Krieg (z. B. 1419-36 Hussitenkriege, 1547 Schmalkaldischer Krieg, Dreißigjähriger Krieg 1618-48).
Lit.: Köbler, DRG 95, 130
Religionsmündigkeit ist die -> Mündigkeit in Religionsangelegenheiten. Nach dem Gesetz über die religiöse Kindererziehung vom 15. 7. 1921 erlangt das Kind mit 10, 12 und 14 Jahren stufenweise R.
Lit.: Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983
Religionsverbrechen ist die an unterschiedlichen Orten in unterschiedlichen Zeiten gegen die jeweilige -> Religion gerichtete, mit einer Strafe verfolgte Handlung (z. B. Zauberei u. a.).
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 1; Kießling, E., Zauberei in den germanischen Volksrechten, 1941
religiöse Kindererziehung ist die Erziehung von Kindern in Religionsangelegenheiten. Im Mittelalter ist die christliche r. K. durch die Eltern unstreitig. Dementsprechend verbietet es die Kirche, Judenkinder gegen den Willen ihrer Eltern zu taufen. Zum Problem wird die r. K. mit der Reformation und der Aufklärung. Hier entwickelt sich der Grundsatz, dass in glaubensverschiedenen Ehen zunächst die zwischen den Eltern getroffene Vereinbarung, hilfsweise die Religion des Vaters entscheidet (Preußen 1803, dagegen das Geschlecht des Kindes nach dem Allgemeinen Landrecht von 1794). Nach Landesrecht entstehen bis 1921 31 verschiedene Rechtsgebiete. Mit Reichsgesetz vom 15. 7. 1921 wird eine 1939 auch auf Österreich erstreckte einheitliche Regelung getroffen, wonach beide Eltern die r. K. gemeinsam bestimmen, nach Vollendung des 12. Lebensjahres das Kind nicht gegen seinen Willen in einem anderen Bekenntnis als bisher erzogen werden kann und nach Vollendung des 14. Lebensjahres das Kind über seine Religion selbst bestimmen kann.
Lit.:
Hübler, B., Die religiöse Erziehung der Kinder, 1888; Pfordten, v. d.,
Religiöse Kindererziehung, 1922;
Kammerloher-Lis, S., Die Entstehung des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung,
1999
Reliquie ist in der christlichen -> Religion ein Überrest eines herausgehobenen Menschen (z. B. eines Heiligen). Die Verehrung einer R. wird vermutlich seit dem 4. Jh. in der westlichen christlichen Kirche aus älteren Ansätzen (z. B. Heroenverehrung in Griechenland) übernommen. Sie gewinnt im Mittelalter große Bedeutung. In der Gegenwart ist sie fragwürdig (z. B. bei Windel Christi, Grabtuch Christi u. a.).
Lit.: Pfister, F., Der Reliquienkult im Altertum, 1909ff.; Heinerth, H., Die Heiligen und das Recht, 1939; Braun, J., Die Reliquiare des christlichen Kultus, 1940; Angenendt, A., Heilige und Reliquien, 1994
Remissorium (N.) ist ein knappes, alphabetisch geordnetes Nachschlagwerk (Inhaltsverzeichnis) des 15. Jh.s hauptsächlich zum sächsischen Recht (z. B. das in 19 Handschriften von 1452 bis 1472 überlieferte R. des Dietrich von Bocksdorf, das R. des Tammo von Bocksdorf, das R. des Kaspar Popplau, das R. Zu fromen und bequemikeit, das R. Summa totius Brodii oder das R. zum Meißener Rechtsbuch).
Lit.: Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 78
Renaissance (Wiedergeburt) ist die kulturelle Wiederanknüpfung an das Vorbild des Altertums zu Beginn der Neuzeit. Die R. nimmt ihren Ausgang von Italien. Von einer karolingischen R. wird für die Zeit Karls des Großen gesprochen, von einer R. des 12. Jh.s für die Zeit der Staufer.
Lit.: Köbler, DRG 79, 135; Burckardt, J., Die Kultur der
Renaissance in Italien, 10. A. 1976;
Andersen, E., The Renaissance of Legal Science after the Middle Ages, 1974; Die
Renaissance der Wissenschaften im 12. Jahrhundert, hg. v. Weimar, P., 1969,
1981; Cortese, E., Il Rinascimento giuridico medievale,
1992; Hale, J., Die Kultur der Renaissance, 1994; Das 16. Jahrhundert,
hg. v. Kuester, E., 1995; Lexikon der Renaissance (CD-ROM), hg. v.
Gurst, G., 1996; Burke, B., Die europäische Renaissance, 1998; Die Renaissance
und ihre Antike, hg. v. Rudolph, E., 1998; Lexikon der Renaissance, hg. v.
Münkler, R. u. a., 2000; Reinhardt, V., Die Renaissance in Italien, 2002
Renner, Karl (Unter Tannowitz in Südmähren 14. 12. 1870 - Wien 31. 12. 1950), Winzerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Wien Bibliothekar und austromarxistischer Politiker, von Oktober 1918 bis März 1919 Leiter der Staatskanzlei, von März 1919 bis Juni 1920 Regierungschef (Staatskanzler) und von 1931 bis 1933 Nationalratspräsident (Rücktritt am 4. 3. 1933). Er befürwortet 1938 den -> Anschluss an das Deutsche Reich und 1945 als Staatskanzler einer provisorischen Regierung die Wiederherstellung der Republik Österreich, deren Präsident er wird.
Lit.: Köbler, DRG 248; Baltl/Kocher; Juristen in Österreich, hg. v. Brauneder, W., 1987, 280
renovatio (lat. [F.]) Erneuerung (z. B. renovatio imperii [Romanorum], Erneuerung des Römischen Reichs im Mittelalter)
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Schramm, P., Kaiser, Rom und Renovatio, Bd. 1 1929; Charlemagne’s Heir, hg. v. Godman, P. u. a., 1990
Rente ist das auf Vermögen, Versicherungsanspruch oder Versorgungsanspruch beruhende Einkommen. Die privatrechtliche R. entsteht im Hochmittelalter aus der Vereinbarung, dass vom Rentenschuldner regelmäßige Leistungen an den Rentengläubiger zu erbringen sind. Diese Vereinbarung wird vielfach bei Zahlung bzw. Hingabe einer Geldsumme (Kapital) geschlossen und ersetzt das verbotene verzinsliche -> Darlehen. Sie kann als Reallast so mit einem Grundstück verknüpft sein, dass dessen jeweiliger Eigentümer als jeweiliger Verpflichteter erscheint. Vielleicht ist sie aus der Erbleihe entstanden (str.). Bei der Verpflichtung ist zwischen der auf Dauer angelegten, nicht durch Erfüllung tilgbaren Stammverpflichtung und der zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt erzeugten selbständigen Einzelverpflichtung zu unterscheiden. Die Einzelverpflichtung kann auf Geld oder Naturalleistung lauten. Die wichtigste Erscheinungsform dieser privatrechtlichen R. ist die -> Leibrente. Die -> Ewigrente kann nur unter besonderen Umständen (z. B. Verzug, Wiederkaufsrecht, einverständliche Auflösung, Gesetz) enden. Mit dem Vordringen des verzinslichen Darlehens und der Hypothek tritt die privatrechtliche R. seit dem 18. Jh. zurück. Die sozialversicherungsrechtliche R. entsteht seit 1881 (Bismarcksche Sozialversicherungsgesetzgebung) als öffentlichrechtlicher Anspruch des (zwangsweise) Sozialversicherten gegen den Sozialversicherungsträger im Sozialversicherungsfall (Krankheit, Unfall, Invalidität, Alter).
Lit.:
Hübner 195; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 125, 135; Ogris, W., Der
mittelalterliche Leibrentenvertrag, 1961;
Geschichte und Gegenwart der Rentenversicherung, hg. v. Fisch, S. u. a., 2000
Rentenbank ist das im 19. Jh. geschaffene landwirtschaftliche Kreditinstitut, welches den von grundherrschaftlichen -> Hintersassen zu Eigentümern gewordenen Bauern die Tilgung ihrer Entschädigungsverpflichtung durch langfristige verzinsliche Darlehen ermöglicht.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 174
Rentengrundherrschaft ist die seit dem Hochmittelalter von Naturalleistungen auf Geldleistungen umgestellte Grundherrschaft, in welcher der Nebenhof vom Haupthof gelöst und Land auf Zeit gegen Geld verpachtet wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 96
Rentenkauf ist das der Begründung der privatrechtlichen -> Rente durch Hingabe einer Geldsumme („Kauf“) dienende, seit dem Hochmittelalter sichtbare Rechtsgeschäft. R. ist daneben auch der kaufweise erfolgende Erwerb einer bereits bestehenden Rente.
Lit.: Hübner 395; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 125; Winiarz, A., Erbleihe und Rentenkauf in Österreich, 1906; Gattjen, B., Der Rentenkauf in Bremen, 1928; Cremer, O., Der Rentenkauf im mittelalterlichen Köln, Diss. jur. Köln 1937; Trusen, W., Spätmittelalterliche Jurisprudenz und Wirtschaftsethik, 1961; Gabrielsson, P., Struktur und Funktion der Hamburger Rentengeschäfte, 1971; Haberland, H., Der Lübecker Renten- und Immobilienmarkt, 1974; Ellermeyer, J., Stade 1300-1399, 1975
Rentenschuld ist die im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) zugelassene, in der Weise bestellte Grundschuld, dass in regelmäßig wiederkehrenden Zeitpunkten eine bestimmte Geldsumme aus dem Grundstück zu zahlen ist.
Lit.: Köbler, DRG 213
Rentenwirtschaft -> Rentengrundherrschaft
Renuntiation ist der Verzicht auf eine rechtliche Möglichkeit. Vom 13. Jh. bis zum 17. Jh. erscheinen in Urkunden zahlreiche Renuntiationsklauseln, in denen auf -> Einreden des römischen Rechtes (z. B. Arglisteinrede, Nichtzahlungseinrede) verzichtet wird. Ihre weite Verbreitung könnte dadurch ermöglicht sein, dass der Verzicht auf Rechte als solcher bereits unabhängig vom römischen Recht bekannt ist.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Schlosser, H., Die Rechts- und Einredeverzichtsformeln (renuntiationes), 1963; Köbler, G., Verzicht und Renuntiation, ZRG GA 85 (1968), 211
Reparation (F.) Kriegsschadensersatzleistung
Lit.:
Kroeschell, 20. Jh.
repetundae (lat. [F.Pl.]) bei Provinzausbeutung Zurückzuverlangendes
Lit.: Kaser § 8 IV 2; Köbler, DRG 34
replicatio (lat. [F.]) Gegenrede
Lit.: Kaser §§ 82 II 4c, 83 II 11
Replik (zu lat. [F.] replicatio) ist die Entgegnung des Klägers auf eine prozesshindernde Einrede des Beklagten im Zivilverfahren vor dem -> Reichskammergericht (Kameralprozess). Im 19. Jh. wendet sich die R. auch gegen die Begründetheit der Klage.
Lit.: Köbler, DRG 155; Dick, B., Die Entwicklung des Kameralprozesses, 1981, 162
Repräsentation ist die Verkörperung einer Gesamtheit durch Vertreter. Auf kirchlicher Grundlage erscheint R. im 13. Jh. als die R. der Herrschaft Gottes in der Monarchie. Von den Vertretern des Mehrheitsprinzips wird R. durch Papst und Konzil vertreten. Bodin geht von der R. des Staates durch den Monarchen aus. Demgegenüber werden die Stände in den Ländern des Heiligen Römischen Reichs (deutscher Nation) erst spät als R. des Volkes angesehen. In England unterscheidet bereits John Locke zwischen R. durch den König und R. durch die beiden Kammern des Parlamentes. In Frankreich tritt die R. der Nationalversammlung 1789 an die Stelle und 1791 neben die R. durch den König. In den Staaten des Deutschen Bundes ist die Frage der R. streitig.
Lit.:
Hübner 766; Kroeschell, DRG 2; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 509;
Brandt, H., Landständische Repräsentation im Vormärz, 1968; Zur Theorie und
Geschichte der Repräsentation und Repräsentativverfassung, hg. v. Rausch, H.,
1968; Hofmann, H., Repräsentation, 3. unv. A. 1998; Bosl, K.,
Die Geschichte der Repräsentation in Bayern, 1974; Ehrle, P., Volksvertretung
im Vormärz, 1979; Kimme, J., Das Repräsentativsystem, 1988; Höfische
Repräsentation, hg. v. Ragotzky, H. u. a., 1990; Vec, M., Zeremonialswissenschaft im
Fürstenstaat, 1997; Die Repräsentation der Gruppe, hg. v. Oexle, G., u. a.,
1998; Herrschaftsrepräsentation im ottonischen Sachsen, hg. v. Althoff, G. u.
a., 1998; Hartmann, J., Staatszeremoniell, 3. A. 2000
Repräsentativsystem ist das die Teilnahme der Herrschaftsunterworfenen an allen wichtigen Entscheidungen durch eine aus Repräsentanten gebildete Vertretungskörperschaft ermöglichende politische System. Vom R. wird in den Vereinigten Staaten von Amerika seit dem ausgehenden 18. Jh., in den Staaten des Deutschen Bundes seit der Mitte des 19. Jh.s gesprochen. Das R. wird zumeist durch ein -> Parlament verwirklicht.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Zur Theorie und Geschichte der Repräsentation und Repräsentativverfassung, hg. v. Rausch, H., 1968; Kimme, J., Das Repräsentativsystem, 1988
Repressalie ist die Beantwortung einer Rechtsverletzung mit einer gleichwertigen, angemessenen, auf die Wiederherstellung eines völkerrechtsgemäßen Zustandes gerichteten Maßnahme. Die R. findet sich bereits im Frühmittelalter. Sie wird seit dem Spätmittelalter juristisch erfasst (Bartolus, Francisco de Vitoria, Grotius). Das 19. Jh. schränkt die R. in zweiseitigen Abkommen und in der Pariser Seerechtsdeklaration von 1856 ein.
Lit.: Goerlitz, T., Die Haftung des Bürgers und Einwohners für Schulden der Stadt und ihrer Bewohner, ZRG GA 56 (1936), 150; Hohl, F., Bartolus de Saxoferrato: tractatus repressaliarum, Diss. jur. Bonn 1954 masch.schr.; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994
Republik (lat. res [F.] publica) ist im römischen Recht die Gesamtheit der Angelegenheiten von allgemeinem Nutzen. Bereits das Altertum kennt aber auch R. als einen die Staatsform kennzeichnenden, der Monarchie entgegengesetzten Begriff (Aristoteles, Cicero). Dieser wird im Hochmittelalter aufgenommen (Ptolemäus von Lucca) und von -> Machiavelli (1469-1527) dem Fürstentum gegenübergestellt. Mit dieser Staatsform verknüpft -> Montesquieu wiederum Gemeinsinn, Vaterlandsliebe und Gesetzestreue. Der in Frankreich 1792 verwirklichten R. folgen nach dem gescheiterten Versuch von 1848 das Deutsche Reich und Österreich 1918. Allerdings tritt die Frage der äußeren Staatsform insgesamt als weniger bedeutsam hinter dem Gesichtspunkt der Herrschaft des Volkes durch eine Repräsentativverfassung zurück. Der bloße Name R. verbürgt auch keineswegs Rechtsstaatlichkeit (-> Deutsche Demokratische Republik).
Lit.:
Söllner §§ 2, 6, 9, 12; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 18, 170, 171, 220, 230,
248; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 549; Merkl, A., Die Verfassung
der Republik Deutschösterreich, 1919; Christ, K., Krise und Untergang der
römischen Republik, 1979; Bleicken, J., Die Verfassung der römischen Republik, 7. A. 1995;
Bundesrepublik Deutschland - Deutsche Demokratische Republik, hg. v. Hamel, H., 1977; Kolb, B., Die Weimarer Republik, 1984; The Invention of the
Modern Republic, hg. v. Fontana, B., 1994; Bleicken, J.,
Geschichte der römischen Republik, 5. A. 1999; Republikbegriff und Republiken
seit dem 18. Jahrhundert, hg. v. Reinalter, H., 2000
Republikanischer Richterbund ist ein 1922 zum Schutz der Weimarer -> Republik gegen antirepublikanische Bestrebungen gegründeter Bund von Richtern.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Schulz, B., Der Republikanische Richterbund (1912-1933), 1982
repudium (lat. [N.]) Verstoßung (der Ehefrau)
Lit.: Kaser § 58 VII 2a
res (lat. [F.]) ist im römischen Recht die körperliche Sache bzw. das Rechtsobjekt (einschließlich der Sklaven, bei Gaius [um 160 n. Chr.] auch der Obligationen) bzw. das gesamte Vermögen (z. B. Erbschaft). Eigentum gibt es nur an körperlichen Sachen und Sklaven. Der enge römische Begriff der r. ist in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) aufgenommen.
Lit.: Kaser § 18 I; Köbler, DRG 30, 39; Köbler, LAW
res (F.) communis omnium (lat.) ist im römischen Recht die allen gemeinsame Sache (z. B. Luft, Regenwasser, Meer).
Lit.: Kaser § 18 I 2b
res (F.) corporalis (lat.) körperliche Sache im Gegensatz zum unkörperlichen Gegenstand (lat. res incorporalis bei Gaius)
Lit.: Kaser § 19 I 1
res (F.Pl.) cottidianae (lat.) ist eine von -> Gaius geschaffene oder im 3. Jh. auf Grund von Gaius entstandene römischrechtliche Schrift, aus der Bruchstücke in den Digesten überliefert sind.
Lit.: Dulckeit/Kaser/Waldstein § 39; Köbler, DRG 52
rescriptum (lat. [N.]) ist im nachchristlichen römischen Recht die Antwort des Prinzeps auf eine Anfrage, welche bald als gesetzesgleich gilt.
Lit.: Kaser § 2 II 3a; Köbler, DRG 31
res (F.) divini iuris ist die unter der Herrschaft der Götter stehende Sache des römischen Rechts (z. B. Tempel, Grabstätte, Stadttor, Grenzrain).
Lit.: Kaser § 18 I 2a
reservatio (F.) mentalis (lat.) geheimer Vorbehalt bzw. -> Mentalreservation
Lit.: Kaser § 8 III
Reservatrecht ist in der frühen Neuzeit das dem Kaiser des Heiligen Römischen Reichs (deutscher Nation) vorbehaltene Recht.
Lit.: Köbler, DRG 147; Pratje, J., Die kaiserlichen Reservatrechte, 1958
reservatum (N.) ecclesiasticum (lat.) ist der geistliche Vorbehalt, dass bei einem Religionswechsel eines geistlichen Landesherrn der frühen Neuzeit der Grundsatz (lat.) -> cuius regio, eius religio nicht gilt.
Lit.: Köbler, DRG 130
res (F.) extra commercium (lat.) ist im römischen Recht die nichtprivatrechtsfähige Sache (z. B. res divini iuris, res communis omnium, res publica).
Lit.: Kaser § 18 I 2; Evans Jones, R./MacCormack,
G., The sale of the res extra commercium, ZRG RA 112 (1995), 330
Residenz (F.) Wohnort, Hauptstadt
Lit.: Residenz, hg. v. Andermann, K., 1992
res (F.) iudicata (lat.) entschiedener Rechtsstreit
Lit.: Kaser § 84 II 1
Reskript (zu lat. [N.] rescriptum) ist das eine Rechtsansicht zu einer Rechtsanfrage enthaltende Schreiben des römischen Kaisers. Es wird im 5. Jh. vom Papst übernommen und bis in die Gegenwart beibehalten. Im weltlichen Recht wird das R. dagegen später nur ganz vereinzelt verwendet (z. B. Reskriptprozess vor dem Reichshofrat).
Lit.: Kaser § 87 IV; Söllner § 15; Gaudemet, J., La formation du droit séculier et du droit de l’église, 2. A. 1979; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat, 1973, 181
res (F.) mancipi (lat.) ist seit dem altrömischen Recht die in der Spätantike aufgegebene handhabbare Sache (italisches Grundstück, Sklave, Rind, Pferd, Esel, Maulesel, Feldservitut). Nur für die r. m. ist die (lat. [F.]) -> mancipatio möglich.
Lit.: Kaser §§ 7 I 1c, 18 I 3a, 22 II 2b; Söllner §§ 8, 9, 12; Köbler, DRG 24, 39, 40, 60
res (F.) nec mancipi ist seit dem altrömischen Recht jede Sache, die nicht -> res mancipi ist. Sie wird durch (lat. [F.]) -> traditio (Übergabe) erworben.
Lit.: Kaser § 18 I 3a; Söllner §§ 8, 9, 12; Köbler, DRG 24, 39, 60
Resozialisierung ist die Wiedereingliederung eines gegen Straftatbestände als Gesellschaftsregeln verstoßenden Straftäters in die Gesellschaft. Die R. als Strafzweck wird nach älteren frühneuzeitlichen Ansätzen in England und in den Niederlanden (-> Zuchthaus) von Franz von -> Liszt im Marburger Programm (1882) für verbesserliche Zustandstäter aufgegriffen. Seitdem gewinnt sie erheblich an Bedeutung, ohne andere Strafzwecke vollständig verdrängen zu können.
Lit.: Köbler, DRG 204, 264, 265; Rüping, H., Grundriß der Strafrechtsgeschichte, 3. A. 1998
Respondierjurist ist im römischen Recht der vom Prinzeps durch das Recht, auf eine Anfrage in seinem Namen eine gutachtliche Antwort (lat. [N.] responsum) zu geben, hervorgehobene Jurist.
Lit.: Söllner §§ 14, 15, 16; Köbler, DRG 30; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
res (F.) privata (lat.) ist im spätantiken römischen Recht das Staatsland, an dem ein unbefristetes Pachtverhältnis begründet werden kann.
Lit.: Kaser § 30 I 2
res (F.) publica (lat.) ist im römischen Recht die Gesamtheit der Römer und die im Eigentum des Staates stehende Sache (z. B. Straße, Fluss, Wasserleitung). -> Republik
Lit.: Kaser §§ 17 II 1a, 18 I 2c
res (F.) religiosa (lat.) ist im römischen Recht die in gewisser Weise nichtprivatrechtsfähige Grabstätte.
Lit.: Kaser § 18 I 2a
res (F.) sacra (lat.) ist im römischen Recht die nichtprivatrechtsfähige geweihte Sache (z. B. Tempel). Nach katholischem Kirchenrecht darf die r. s. nicht zu weltlichem Gebrauch verwendet werden.
Lit.: Kaser § 18 I 2a; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 274
res (F.) sancta (lat.) ist im römischen Recht die unter göttlichem Schutz stehende weltliche Sache (z. B. Stadttor, Grenzrain).
Lit.: Kaser § 18 I 2a
Ressort (N.) Arbeitsgebiet, Zuständigkeitsbereich
Restauration (F.) Wiederherstellung eines früheren Zustandes (z. B. des klassischen römischen Rechts durch Justinian, älterer politischer Zustände in England 1660-88, Frankreich 1815 oder im Deutschen Bund 1815-48)
Lit.: Köbler, DRG 62; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1984, 179; Haller, C. v., Restauration der Staatswissenschaft, Bd. 1ff. 2. A. 1820ff., Neudruck 1964; Bertier de Sauvigny, G. de, La Restauration, 1955; Kann, R., The problem of restoration, 1968; Deutschland zwischen Revolution und Restauration, hg. v. Berding, H. u. a., 1981; Revolution, Reform, Restauration, hg. v. Mohnhaupt, H., 1988; Sellin, V., Die geraubte Revolution, 2001
restituere (lat.) einen Zustand herstellen oder wiederherstellen
Lit.: Kaser §§ 27 I 7, 34 II 3, 37 IV, 50 II 6; Köbler, DRG 42
restitutio (F.) in integrum (lat.) ist im klassischen römischen Recht die vom Prätor in bestimmten Fällen verfügbare Wiederherstellung des früheren Zustandes (z. B. nach einem Betrug, bei Zwang). Verfahrensmäßig betrifft die r. i. i. die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bzw. die Wiederaufnahme des Verfahrens.
Lit.: Köbler, DRG 33, 43; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 177, 197, 264, 413, 420
Restitutionsedikt ist der Erlass Kaiser
Ferdinands II. vom 6. 3. 1629, der die Rückerstattung bestimmter an
Protestanten gelangter Güter anordnet, 1648 aber zugunsten des Besitzstandes
vom 1. 1. 1624 (-> Normaljahr) aufgegeben werden muss (zwei
Erzbistümer, 13 Bistümer, mehr als 500 Klöster, Stifte und Kirchengüter).
Lit.: Frisch, M., Das
Restitutionsedikt, Diss. jur. Tübingen 1991; Heckel, M., Das Restitutionsedikt,
FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997
retentio (lat. [F.]) Zurückbehaltung
Lit.: Kaser §§ 26, 27, 37, 38, 48, 59
Retraktrecht -> Näherrecht
Reugeld ist eine vereinbarte Geldleistung, von deren Bewirkung die Wirksamkeit eines Rücktritts abhängig gemacht sein kann.
Lit.: Hübner
Reunion ist die Wiederangliederung eines verlorenen Gebietes (z. B. Frankreichs 1679-86).
Lit.: Wysocki, J., Kurmainz und die Reunion, Diss. phil. Mainz 1961
Reuß ist eine Grafschaft im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) und ein Mitglied des Deutschen Bundes. R. geht am 1. 5. 1920 in -> Thüringen auf.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon
Reval ist Sitz eines 1219 vom König von Dänemark gegründeten Bistums, dessen Bischof seit 1512 als Reichsfürst des Heiligen Römischen Reichs (deutscher Nation) gilt. 1230 entsteht R. als deutsche Stadt, die 1226 rigisches, 1257 lübisches Recht übernimmt. 1918 wird R. (estnisch Tallinn „Dänenburg“) Hauptstadt der Republik -> Estland. Das lübische Recht gilt bis zur Annexion durch die Sowjetunion (1944).
Lit.:
Köbler, Historisches Lexikon; Die Quellen des Revaler Stadtrechts, hg. v.
Bunge, F. v. u. a., 1843ff.; Ebel, W., Lübisches Recht, Bd. 1 1971, 87, 203;
Reval und die baltischen Länder, hg. v. Hehn, J. v. u. a., 1980; Gierlich, E., Reval,
1991
Reversalie (F.) Wechselseitigkeitszusage
Revigny -> Jacobus de Ravanis
Revindikation (F.) Wiedererlangung, Wiedergeltendmachung
Revision ist ein -> Rechtsmittel zur Nachprüfung eines Urteils in rechtlicher Hinsicht. Die R. ist vermutlich der römischrechtlichen (lat.) supplicatio (F.) ad imperatorem (Bittschrift an den Kaiser) nachgebildet. Für die R. ist am Reichskammergericht die Visitationskommission zuständig, welche ihre Aufgabe (etwa 2000 Revisionen) aber nicht ausführt. Gleichwohl wird die R. in den Ländern aufgenommen und durch die Reichsjustizgesetze von 1877/9 einheitlich eingeführt.
Lit.:
Köbler, DRG 153, 202, 203, 235, 263; Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichtsprozess,
1965, 237; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966, 511; Sellert, W.,
Prozessgrundsätze und Stilus Curiae, 1973, 373; Dick, B., Die Entwicklung des
Kameralprozesses, 1981, 215; Kocher, G., Tiroler Rechtsleben vor dem ABGB, FS
E. Hellbling, 1981, 597; Mencke, K., Zur Entwicklung der ordentlichen
Visitationen, 1984; Braun S., Geschichte der Revision im Strafverfahren, 1996; Oer, R. Freiin v., Der münsterische „Erbmännerstreit“, 1998
Revokationsrecht (zu lat. [F.] revocatio) (Rückrufsrecht) -> Näherrecht
Lit.: Köbler, DRG 57
Revolution ist die plötzliche grundlegende Umgestaltung eines bestehenden gesellschaftlichen Zustandes. Über einen von Nikolaus Kopernikus geprägten Buchtitel (1543) wird das lateinische Femininum revolutio (Umwälzung) 1688 in England auf die Glorious Revolution angewendet. Eindrucksvollstes Beispiel der R. ist die R. in Frankreich (1789). Ihr folgen weitere bekannte, teilweise erfolgreiche Revolutionen in Frankreich (1830, 1848), im Deutschen Bund (1848), Rußland (1917) und Deutschland (1918).
Lit.:
Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 32, 179; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5
1984; Helfert, K., Geschichte der österreichischen Revolution, Bd. 1f. 1907ff.;
Grieswank, K., Der neuzeitliche Revolutionsbegriff, 2. A. 1969; Revolution und
Gesellschaft, hg. v. Schieder, T., 1973; Reinalter, H., Aufgeklärter
Absolutismus und Revolution, 1979; Deutschland zwischen Revolution und
Restauration, hg. v. Berding, H. u. a., 1981; Deutschland und die Französische
Revolution, hg. v. Voss, J., 1982; Berman, H., Law and Revolution, 1983; Revolution,
Reform, Restauration, hg. v. Mohnhaupt, H., 1988;
Schulin, E., Die Französische Revolution, 1988; Berteaud, J., Alltagsleben
während der Französischen Revolution, 1989; Goldstone, J., Revolution and
Rebellion, 1991; Berman, H., Recht und Revolution, 1991; Hein, D., Die
Revolution von 1848/9, 1998; 1848. Revolution in Deutschland, hg. v. Dipper, C.
u. a., 1998; Mommsen, W., 1848 – Die ungewollte Revolution, 1998; Die deutsche
Revolution, hg. v. Beutin, W. u. a., 1999; Zwischen Königtum und
Volkssouveränität, hg. v. Görtemaker, M. u. a., 1999; Die Revolutionen von
1848, hg. v. Gall, L., 1999; Die Revolutionen von 1848, hg. v. Langewiesche,
D., 2000; Große Revolutionen der Geschichte, hg. v. Wende, P.,
2000; RIEM; A:; Was sollten Regenten thun, um sich gegen Revolutionen zu
sicher?, hg. v. Welker, K., 2000; Moore, R., Die erste
europäische Revolution, 2001; Erbe, M., Revolutionäre Erschütterungen und
erneuertes Gleichgewicht, 2002
rex (lat. [M.]) König
rex non potest peccare (lat.). Der König kann kein Unrecht tun.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 191, Nr. 59
Reykjavik auf Island wird 877 von Wikingern angelegt und wird Hauptstadt -> Islands. 1911 erhält es eine Universität.
Reyscher, August Ludwig (Unterrixingen in Württemberg 10. 7. 1802 - Cannstatt 1. 4. 1880), Pfarrerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen 1829 Privatdozent, 1831 außerordentlicher Professor und 1837 ordentlicher Professor. 1851 muss er seine Universitätstätigkeit aus politischen Gründen aufgeben und wird Anwalt. In seinen zahlreichen vielseitigen Werken bemüht er sich als liberaler Pragmatiker um Fortschritte in zeitgenössischen Grundfragen.
Lit.: Rückert, J., August Ludwig Reyschers Leben und Rechtstheorie, 1974
Rezeption ist die Aufnahme des antiken römischen Rechts im mittelalterlich-neuzeitlichen Europa. Die R. beginnt mit der Wiederentdeckung der Digesten in Italien im späten 11. Jh. Sie vollzieht sich über den Rechtsunterricht an den neu entstehenden Universitäten (Bologna, Padua, Perugia, Paris, Oxford, Cambridge, Salamanca u. a.) und über die fachmännisch besetzte kirchliche Gerichtsbarkeit. Die Gründe für den Erfolg der R. sind streitig. Daran, dass das einheimische Recht neu entstehende Rechtsfragen nicht hätte beantworten können, kann es, wie die Aussparung mancher Gebiete (Hansestädte, England) beweist, nicht gelegen haben. Am ehesten wird man annehmen dürfen, dass die geschlossene große Masse der vernunftmäßig einleuchtenden, schriftlich festgelegten und in jahrhundertelanger Feinarbeit wissenschaftlich durchdrungenen Konfliktlösungen sich gegenüber der unübersichtlichen und verwirrenden Vielfalt der aus verschiedensten Quellen stammenden einheimischen Sätze der ungelehrten Laienurteiler als überlegen erweist. Den Ausgangspunkt der R. bilden die -> Glossatoren und -> Kommentatoren in Italien. Beschleunigt wird die R. im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) durch § 3 der Reichskammergerichtsordnung von 1495. In Erscheinung tritt die R. über die Urteile der Gerichte hinaus in -> Reformationen (Nürnberg 1479/84, Worms 1499, Frankfurt 1509, Freiburg 1520) und in der zunächst populären, dann wissenschaftlichen Literatur (-> usus modernus pandectarum). Noch nach den römischrechtlich beeinflussten -> Kodifikationen des Vernunftrechts erfolgt über -> historische Rechtsschule und -> Begriffsjurisprudenz im 19. Jh. ein weiterer Schub von R. Im übrigen ist die R. des römischen Rechts in Europa nur ein besonders eindrucksvoller Fall von Rechtsrezeption überhaupt.
Lit.: Kaser
§ 1 III 3; Söllner §§ 1, 2, 17, 25; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 5, 28,
108, 137, 159, 205; Baltl/Kocher; Savigny, F., Geschichte des römischen Rechts
im Mittelalter, Bd. 1ff. 2. A. 1834ff.; Coing, H., Die Rezeption des römischen
Rechts in Frankfurt am Main, 2. A. 1962; Engelmann, W., Die Wiedergeburt der
Rechtskultur in Italien, 1938; Krause, H., Kaiserrecht und Rezeption, 1952;
Trusen, F., Anfänge des gelehrten Rechts in Deutschland, 1962; Koschaker, P.,
Europa und das römische Recht, 4. A. 1966; Coing, H., Römisches Recht in
Deutschland, in: Ius Romanum medii aevi V 6, 1964; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967; Dolezalek, G., Verzeichnis der
Handschriften zum römischen Recht bis 1600, Bd. 1f. 1972; Handbuch der Quellen
und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing,
H., Bd. 1ff. 1973ff.; Fried, P., Die Entstehung des Juristenstandes, 1974;
Wolter, U., Ius canonicum in iure civili, 1975; Wesener, G., Römisches Recht
und Naturrecht, 1978; Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre der
Rezeptionszeit, 1977; Bender, P., Die Rezeption des römischen Rechts, 1979;
Herberger, M., Dogmatik, 1981; Stelzer, W., Gelehrtes Recht in Österreich,
1982; Köbler, G., Vorstufen der Rechtswissenschaft, ZRG GA 100 (1983), 75;
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1ff. 1985ff.; Wesener, G., Einflüsse
und Geltung, 1989; Fried, J., Die Rezeption bologneser Rechtswissenschaft in
Deutschland im 12. Jahrhundert, in: Viator 21 (1990), 103; Bellomo, M., L’Europa del diritto comune, 5. A. 1991;
The Reception of Continental Ideas in the Common Law World, hg. v. Reimann, M., 1993; Scholl, T., Die
Rezeption des kontinental-europäischen Privatrechts in Lateinamerika, 1999; Der neue Pauly. Enzyklopädie der Antike in fünfzehn Bänden. Rezeptions- und
Wissenschaftsgeschichte, in Verbindung, hg. v. Landfester, M., Band 13ff. 1999ff.; Schlinker,
S., Fürstenamt und Rezeption, 1999; Janssen, H., Die Übertragung von
Rechtsvorstellungen auf fremde Kulturen am Beispiel des englischen
Kolonialrechts, 2000
Rezess (lat. [M.]) Rückschritt, Vergleich
Rheinbund ist (nach einem älteren Bündnis zwischen 15. 8. 1658 und 15. 8. 1668) der am 12. 7. 1806 auf Druck -> Napoleons von zunächst 16 dem Rhein benachbarten deutschen Fürsten (u. a. Bayern, Württemberg, Baden, Mainz, Hessen-Darmstadt, Berg, Kleve, Nassau) geschlossene Bund (Staatenbund?), der sich zur französischen Heerfolge und zur widerrechtlichen Trennung vom Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) verpflichtet. Am 1. 8. 1806 treten die Mitglieder aus dem Reich aus. Der später noch erweiterte R. (Würzburg, Sachsen, Westphalen) löst sich im Oktober 1813 auf. Voraus geht ihm im übrigen ein R. vom 15. 8. 1658 (Mainz, Trier, Köln, Pfalz, Münster u. a. mit Schweden und Frankreich), der am 15. 8. 1668 aufgelöst wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 133, 192; Klüber, G., Staatsrecht des Rheinbundes, 1808; Beck, C., Zur Verfassungsgeschichte des Rheinbundes, 1890; Bitterauf, T., Geschichte des Rheinbundes, Bd. 1 1905; Fehrenbach, E., Der Kampf um die Einführung des Code Napoléon, 1973
Rheinischer Bund ist ein im Juli 1254 von Städten und Landesherren am mittleren Rhein abgeschlossener, später von Basel bis Bremen und Aachen bis Regensburg reichender nach Frieden strebender Bund, der nach der Doppelwahl zum deutschen König im Januar 1257 endet.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Bielfeldt, E., Der Rheinische Bund von 1254, 1937; Voltmer, E., Der Rheinische Bund, 1986
Rheinischer Städtebund von 1381 ist ein am 20. 3. 1381 von Städten am Rhein geschlossener, 1388/9 dem Pfalzgrafen bei Rhein unterlegener Bund.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Erler, A., Ingelheimer Prozesse nach dem Städtekrieg von 1388, 1981
rheinisches Recht ist das links des Rheins im 19. Jh. eingeführte französische Recht, das durch die Gesetzbücher des Deutschen Reiches (1871-1900) abgelöst wird.
Lit.:
Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 180; Cretschmar, Das rheinische Civilrecht,
4. A. 1896; Die Gutachten der
rheinischen Immediat-Justiz-Kommission und der Kampf um die rheinische Rechts-
und Gerichtsverfassung 1814-1819, bearb. v. Landsberg, E., 1914, Neudruck 2000;
Schumacher, D., Das Rheinische Recht, 1969; Faber, K., Recht und Verfassung,
1970; Fehrenbach, E., Traditionale Gesellschaft und revolutionäres Recht, 1974;
Schubert, W., Französisches Recht in Deutschland, 1977; Becker, H., Das
rheinische Recht, JuS 25 (1985), 338; Rheinisches Recht und europäische
Rechtsgeschichte, hg. v. Schulze, R., 1998; Grilli, A., Die französische
Justizorganisation am linken Rheinufer, 1998; Kleinbreuer, S., Das rheinische
Strafgesetzbuch, Diss. jur. Bonn 1999; Schäfer, Markus, Der Übergang vom
rheinischen Recht zu den Reichsjustizgesetzen am Beispiel des
Landgerichtsbezirkes Bonn, Diss. jur. Bonn 2001; Seynsche, G., Der rheinische
Revisions- und Kassationsgerichtshof in Berlin (1819-1852), 2003
Rheinland-Pfalz ist ein am 30. 8. 1946 aus Teilen Bayerns und Preußens geformtes Land, das Bundesland der 1949 entstehenden Bundesrepublik Deutschland wird.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Rheinland-Pfalz, hg. v. Götz, W., 1967; Dotzauer, W., Der historische Raum des Bundeslandes Rheinland-Pfalz, Bd. 1f. 1992f.
Rheinprovinz ist die 1822 aus den vor allem 1815 an Preußen gelangten Gebieten bzw. aus der Provinz Jülich-Kleve-Berg und dem Großherzogtum Niederrhein gebildete Provinz mit Sitz in Koblenz, die 1945/6 in Rheinland-Pfalz bzw. Nordrhein-Westfalen aufgeht.
Lit.:
Köbler, Historisches Lexikon; Die Weistümer der Rheinprovinz, Bd. 1 1900; Bär,
M., Die Behördenverfassung der Rheinprovinz seit 1815, 1919; Romeyk, H.,
Verwaltungs- und Behördengeschichte der Rheinprovinz, 1985; Smets, J., Les pays
rhénans, 1997
Rheinschifffahrt -> Binnenschiffahrt
Rheinschifffahrtsgericht ist das im 19. Jh. (15. 8. 1804, 24. 3. 1815, 13. 3. 1831, 17. 10. 1868) völkervertragsrechtlich geschaffene Gericht für Streitigkeiten in Rheinschiffahrtsangelegenheiten. Für dieses gilt ein besonderes Gesetz von 1937 bzw. 1952. Das R. ist Abteilung des Amtsgerichts in Kehl, Mannheim, Mainz, St. Goar und Duisburg-Ruhrort sowie des Oberlandesgerichts in Köln und Karlsruhe.
Lit.:
Festschrift zum 150jährigen Bestehen des Oberlandesgerichts Köln, hg. v.
Wolffram, J. u. a., 1969; Kissel, O., Gerichtsverfassungsgesetz, 2. A. 1994; Scherner, K., Die
Rheinakten von 1831 und 1868, Z. f. europ. Privatrecht, 1997, 58
Rhens (bei Koblenz), früher Rhense -> Kurverein
Rhetorik ist die im Altertum entwickelte Redekunst. Sie befasst sich besonders mit der Rede vor Gericht. Vermutlich von dort aus beginnt seit dem 11. Jh. die Wiederbeschäftigung mit dem -> römischen Recht.
Lit.: Söllner §§ 9, 11; Köbler, DRG 16, 106; Wesel, U.,
Rhetorische Statuslehre, 1967; Köbler, G., Stadtrecht und Bürgereinung bei
Notker von St. Gallen, 1974; Dronke, P., Mittelalterliche Rhetorik, 1982;
Köbler, G., Vorstufen der Rechtswissenschaft, ZRG GA 100 (1983), 75; Köbler,
G., Burgreht und diotreht, FS Schmidt-Wiegand, R., 1987; Classen, C., Recht,
Rhetorik. Politik, 1985; Copeland, R., Rhetoric, 1991; Historisches Wörterbuch
der Rhetorik, hg. v. Ueding, G., Bd. 1ff. 1992ff.; Fuhrmann,
M., Die antike Rhetorik, 4. A. 1995; Dialektik und Rhetorik, hg. v. Fried, J., 1997; A Handbook of Classical
Rhetoric, hg. v. Porter, S., 1997
Rhodos -> lex Rhodia
Lit.: Wiemer, H., Krieg,
Handel und Piraterie, 2003
Richert, Johan Gabriel (1784-1864) wird nach dem Rechtsstudium in -> Lund Richter. In verschiedenen Gesetzgebungskommissionen setzt er sich für liberales Recht ein. 1845 erreicht er die Gleichstellung von Söhnen und Töchtern im Erbrecht, 1863 ein modernes Kriminalgesetzbuch.
Lit.: Warburg, K., Johan Gabriel Richert, 1905; Den historika skolan och Lund, hg. v. Modéer, K., 1982, 53
Richten ohne Urteil ist ein im Mittelalter anscheinend mögliches Entscheidungsverfahren des Richters ohne Zuziehung von Urteilern, für das aber kein feststehender Gesichtspunkt erkennbar ist.
Lit.: Planck, W., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 2 1879, Neudruck 1973, 403
Richter ist das zur Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten berufene Organ der Rechtspflege. Im zweigeteilten römischen Verfahren ist dies der vom Magistrat ermittelte, ehrenamtlich tätige (lat. [M.]) -> iudex, im Kognitionsverfahren der öffentliche Amtsträger. Bei den Germanen leiten ein König oder mehrere Vornehme die -> Volksversammlung und damit auch die Streitentscheidung. Im fränkischen Frühmittelalter erfüllt diese Aufgabe an Stelle des Königs der (lat.-afrk. [M.]) -> thunginus bzw. später der -> Graf. Ihm obliegt grundsätzlich nicht das den Rachinburgen oder -> Schöffen überlassene Urteilen. Im Hochmittelalter wird in der Kirche der gelehrte -> Jurist Einzelrichter. Von hier aus verdrängt der R. in der frühen Neuzeit den Schöffen aus der Urteilstätigkeit. Der Liberalismus des 19. Jh.s führt den ehrenamtlichen Laienrichter wieder teilweise in die Gerichtsbarkeit zurück, in welcher der R. allgemein -> Unabhängigkeit (Unabsetzbarkeit, Weisungsfreiheit) erlangt.
Lit.:
Kaser §§ 80 II 5, 81 II 2, 82 II 5, 87 I; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG
84, 86, 114, 115, 197, 124, 201, 202, 228, 234, 235, 262; Köbler, WAS; Lenel,
P., Die Scheidung von Richtern und Urteilern, ZRG GA 34 (1913), 440; Kern, E.,
Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Schorn, H., Der Richter im
Dritten Reich, 1959; Clavadetscher, O., Die geistlichen Richter des Bistums
Chur, 1964; Flume, W., Richter und Recht, 1966; Nörr, K., Zur Stellung des
Richters im gelehrten Prozess der Frühzeit, 1967; Köbler, G., Richten, Richter
und Gericht, ZRG GA 87 (1970), 57; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher
Zivilprozess, 1971; Olzen, D., Richter und Sachverständige, ZRG GA 97 (1980),
164; Hübner, H., Kodifikation und Entscheidungsfreiheit des Richters, 1980;
Drüppel, H., Iudex civitatis, 1981; Rechtsbehelfe, Beweis und Stellung des
Richters im Spätmittelalter, hg. v. Sellert, W., 1985; Weitzel, J.,
Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Ogorek, R., Richterkönig oder
Subsumtionsautomat?, 1986; Hattenhauer, H., Richter und Gesetz, ZRG GA 106
(1989), 46; Ormond, T., Richterwürde und Regierungstreue, 1994; Europäische und
amerikanische Richterbilder, hg. v. Gouron, A. u. a., 1996; Le juge et le jugement, hg. v. Jacob,
R., 1996; Immisch, L., Der sozialistische Richter, 1997; Gritschneder, O.,
Furchtbare Richter, 1998; Albert, T., Der gemeine Mann vor dem geistlichen
Richter, 1998; Höner, M., Die Diskussion um das richterliche Prüfungsrecht und
das monarchische Verordnungsrecht, 2001; Nobili, M., Die freie richterliche
Überzeugungsbildung, 2001; Lepsius, Susanne, Der Richter und die Zeugen, 2003;
Seif, U., Recht und Justizhoheit, 2003
Richterablehnung ist die Zurückweisung eines Richters wegen Befangenheit. Die R. ist bereits dem spätantiken Verfahren bekannt. Sie wird im Mittelalter im gelehrten Verfahren übernommen, doch kennt auch das einheimische Recht Einschränkungen der richterlichen Tätigkeit.
Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1 1879, Neudruck 1973, 111, 119; Wesener, G., Das innerösterreichische Landschrannenverfahren, 1963, 33, 71; Kaser, M., Das römische Zivilpozessrecht, 1966, 424, 440; Dick, B., Die Entwicklung des Kameralprozesses, 1981, 77
Richterbrief ist im Dritten Reich das der Lenkung der Tätigkeit des Richters dienende parteipolitisch beeinflusste Rundschreiben.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 235; Richterbriefe, hg. v. Boberach, H., 1975; Wahl, B., Die Richterbriefe, Diss. jur. Heidelberg 1981
Richterrecht ist das von dem im gewaltengeteilten Staat für die Rechtsprechung zuständigen -> Richter geschaffene Recht. Seine Zulässigkeit ist streitig. Insbesondere die -> freie Rechtsschule befürwortet allgemein R. Tatsächlich setzt es sich vor allem dort durch, wo der Gesetzgeber nicht entscheidungsfähig ist.
Lit.:
Kroeschell, DRG 2, 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 4, 227, 254; Planck, J.,
Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1 1879, Neudruck 1973; Larenz, K., Richterliche
Rechtsfortbildung als methodisches Problem, NJW 1965, 1; Rehbinder, M., Zur
Rechtsqualität des Richterspruchs, JuS 1991, 542; Zitscher, H., Elterlicher
Status in Richterrecht und Gesetzesrecht, 1996; Ollinger, T., Die Entwicklung
des Richtervorbehalts im Verhandlungsrecht, 1997
Richterstuhl ist der Sitz des Richters.
Lit.: Fehr, H., Das Recht im Bilde, 1923; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988
Richthofen, Karl Otto Johannes Theresius (Damsdorf 30. 5. 1811 - 6. 3. 1888) wird nach dem Rechtsstudium in Breslau, Berlin (Savigny, Eichhorn) und Göttingen (Jacob Grimm) außerordentlicher Professor in Berlin. 1840 veröffentlicht er die friesischen Rechtsquellen und ein altfriesisches Wörterbuch, 1863 die (lat.) -> Lex (F.) Frisionum.
Lit.: Brunner, H., Karl von Richthofen, ZRG GA 9 (1888), 247
Richtlinie ist ein Grundsatz oder eine Anweisung für ein bestimmtes Verhalten. Insbesondere kann in der -> Europäischen Union der Rat oder die Kommission eine verbindliche R. für den staatlichen Gesetzgeber erlassen.
Lit.: Das Sonderrecht für die Juden im NS-Staat, hg. v. Walk, J., 1981
Richtschwert ist das Schwert als Vollzugsgerät der -> Todesstrafe.
Lit.: Kühn, U., Inschriften und Verzierungen auf Richtschwertern, Diss. jur. Erlangen-Nürnberg 1969; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988
Richtstätte ist der Ort des Vollzuges der Todesstrafe (z. B. Galgenbühl).
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988
Richtsteig Landrechts ist das vom märkischen Hofrichter Johann von Buch (1285/90 - nach 1356) verfasste Werk über das Gerichtsverfahren nach dem -> Sachsenspiegel. Der R. L. ist vermutlich zwischen 1325 und 1333/4 entstanden. Er folgt gelehrtem Vorbild (Gerichtsperson, Klagearten). Er ist durch 75 Handschriften in fünf vor allem regionalsprachlich verschiedenen Formen überliefert.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 103, 107; Homeyer, C., Der Richtsteig Landrechts nebst Cautela und Premis, 1857; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 64
Richtsteig Lehnrechts ist ein vermutlich in der zweiten Hälfte des 14. Jh.s vielleicht von Gerke von Kerkow verfasstes Werk über das Verfahren des sächsischen Lehnrechts in anfangs wohl 31 Artikeln, das in 20 Handschriften überliefert ist.
Lit.: Homeyer, C., Des Sachsenspiegels zweiter Teil, Bd. 1 1842, 409; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 65
Riegger, Joseph Anton Stephan von (Innsbruck 1742 - Prag 1795), Rechtsprofessorensohn, wird 1764 Privatdozent in Wien und 1765 Professor in Freiburg im Breisgau, 1778 in Prag. In Freiburg hält er als erster deutsche Vorlesungen.
Lit.: Wander von Grünwald, J., Biographie der beiden Ritter von Riegger, 1797
Riegger, Paul Joseph (Freiburg im Breisgau 1705 - Wien 1775) wird nach dem Rechtsstudium in Freiburg im Breisgau 1733 Professor in Innsbruck und 1753 in Wien. Er tritt für den Vorrang des Staates gegenüber der Kirche ein.
Lit.: Seifert, E., Paul Joseph Riegger, 1973
Riga an der Düna wird 1201 als Markt deutscher Kaufleute gegründet und kommt 1582 an Polen, 1621 an Schweden und 1710 an Rußland. 1285 nimmt die Stadt hamburgisches und später auch lübisches Recht auf. Das daraus entwickelte rigische Recht wird an viele umliegende Städte weitergegeben. Von 1918 bis 1940 und seit 1991 ist R. Hauptstadt von -> Lettland.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon; Die Quellen des rigischen Stadtrechts, hg. v. Napiersky, J., 1876, Neudruck 1976; Wittram, R., Baltische Geschichte, 1954; Lenz, W. jun., Riga, 1968; Hellmann, M., Livland und das Reich, 1989
Ring ist ein kreisförmiges Gebilde, das als Symbol für ein Recht oder Rechtsverhältnis verwendet wird (z. B. Ehering).
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Köstler, R., Ringwechsel und Trauung, ZRG KA 22 (1933), 1; Labhart, V., Zur Rechtssymbolik der Bischofsringe, 1963; Chadour, A., Ringe, 1994
Ripert, Georges (1880-1958) wird nach dem Rechtsstudium in Aix-en-Provence Rechtslehrer in Aix-en-Provence (1906) und Paris (1918). Er führt den (franz.) Traité élémentaire de droit civil -> Planiols fort und erweitert ihn zu einem 14bändigen Gesamtwerk. Dabei geht er von der Überlegenheit des Gesetzesanwenders gegenüber dem Gesetz aus.
Lit.: Rousselet, M., Notice sur la vie et les travaux de Georges Ripert,
1960
Ripuarier (Ribvarier) ist der Angehörige eines um Köln liegenden Gebiets oder eines um Köln fassbaren Teilstammes der Franken, dessen Recht vielleicht schon im 7. Jh., jedenfalls 763/4 und in einer etwas jüngeren Fassung in der (lat.) -> Lex (F.) Ribvaria aufgezeichnet wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 81; Nonn, U., Pagus und comitatus, 1983
Ritter (lat. [M.] eques, miles) ist der Angehörige eines durch reiterliches Verhalten gekennzeichneten Menschengruppe. Bereits das klassische römische Altertum kennt einen hervorgehobenen Stand der (lat. [M.Pl.]) equites (ordo equester Geldadel). Seit dem Frühmittelalter (9. Jh.) entsteht der im 11. Jh. vielleicht zuerst im westfränkischen Bereich sichtbare, spätestens um 1250 durch Ritterbürtigkeit nach unten abgeschlossene und damit zum Geburtsstand werdende Berufsstand der durch Reiterdienst aus der Allgemeinheit herausgehobenen, auf der Burg vorbildlich lebenden R. Er bildet bald den niederen Adel, der zu einem der -> Landstände wird. Allerdings erweisen sich die Ritterheere im 14. Jh. als schlagbar (Sempach 1386), weshalb der R. an Bedeutung verliert. Auf der Suche nach einer anderweitigen Lebensgrundlage wird der R. vielfach Gutsherr, Beamter, verschiedentlich aber auch -> Raubritter. Seit dem 15. Jh. schließen sich die -> Reichsritter besonders zusammen, verlieren ihre reichsunmittelbare Stellung aber 1803.
Lit.:
Söllner §§ 6, 9, 12, 13, 14; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 29, 79, 98, 111,
112, 121, 199; Köbler, WAS; Arnswaldt, C. v., Die Lüneburger Ritterschaft,
1969; Reuter, H., Die Lehre vom Ritterstand, 2. A. 1974; Das Rittertum, hg. v.
Borst, A., 1976; Bumke, J., Studien zum Ritterbegriff,
2. A. 1976; Das ritterliche Turnier im Mittelalter, hg. v. Fleckenstein, J.,
1985; Bardelle, B., Die altwestfälischen Ritterschaftskorporationen, Diss. jur.
Münster 1987; Keen, M., Das Rittertum, 1987; Curialitas, hg. v. Fleckenstein, J., 1990; Gasparri, S., I milites cittadini, 1992; Paravicini, W., Die
ritterlich-höfische Kultur, 1994; Erkens, F., Militia und Ritterschaft, HZ 258
(1994), 623; Böninger, L., Die Ritterwürde in Mittelitalien, 1995; Stemmler,
M., Eques Romanus, 1997; Fleckenstein, J., Rittertum und ritterliche
Welt, 2002
Ritterbund ist der im 14./15. Jh. sichtbare Zusammenschluss von -> Rittern zu gemeinsamem Handeln (z. B. Sterner, St. Jörgenschild).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Mau, H., Die Rittergesellschaft mit St. Jörgenschild, 1941; Obenaus, H., Recht und Verfassung der Gesellschaft mit St. Jörgenschild, 1961; Deutscher Adel, hg. v. Rössler, H., 1965; Ranft, A., Adelsgesellschaften, 1994
Rittergut ist das einem Ritter (Adeligen) übertragene Landgut, mit dessen Besitz die Landstandschaft verbunden ist. Es ist meist Lehen. Der Inhaber ist von Steuern befreit. Das R. ist oft Mittelpunkt einer -> Grundherrschaft oder Gutsherrschaft, der Inhaber meist Träger von Polizeigewalt und Patrimonialgerichtsbarkeit.
Lit.:
Reinicke, W., Landstände im Verfassungsstaat, 1975, 318; Eisenhardt, U.,
Deutsche Rechtsgeschichte, 2. A. 1995, 434; Flügel,
A., Bürgerliche Rittergüter, 2000
Ritterorden ist der von -> Rittern seit dem 12. Jh. gebildete -> Orden (z. B. Templerorden 1118/9, -> Deutscher Orden 1190/8, Johanniterorden, Malteserorden, Schwertbrüderorden 1202).
Lit.: Riley-Smith, J., The Knights of St. John, 1967; Pernoud, R., Les Templiers, 2. A. 1977; Die geistlichen Ritterorden Europas, hg. v. Fleckenstein, J. u. a., 1980; Ranft, A., Adelsgesellschaften, 1994; Demurger, A., Die Ritter des Herrn, 2003
Ritterschaft ist die Gesamtheit von -> Rittern.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 3; Arnswaldt, C. v., Die Lüneburger Ritterschaft, 1969; Teuner, R., Die fuldische Ritterschaft, 1982; Bardelle, B., Die altwestfälischen Ritterschaftskorporationen, Diss. jur. Münster 1987
Ritterspiegel ist ein in einer Handschrift überliefertes, wohl zwischen 1410 und 1420 von Johannes -> Rothe verfasstes Gedicht in mittelthüringischer Sprache über die Stellung und Aufgaben des Ritters.
Lit.: Johannes Rothe, Der Ritterspiegel, hg. v. Neumann, H., 1936
Rivail -> Aymar du Rivail
Rivallius -> Aymar du Rivail
Robe ist die Amtstracht des Richters, Staatsanwaltes oder Rechtsanwaltes. Sie geht auf den langen schwarzen Mantel zurück, den seit der frühen Neuzeit die Gelehrten als doktoralisches Ehrenkleid anlegen. Zuerst in Frankreich tragen dann auch die -> Richter als Justizbeamte einen solchen Talar als eine besondere Standeskleidung. 1790 wird das zwischenzeitlich prunkvoll gestaltete Gewand durch einen schwarzen Talar ersetzt. Mit dem französischen Recht dringt diese Bekleidung in deutsche Staaten vor. Durch die Reichsjustizreform von 1879 wird sie vereinheitlicht und wenig später auf alle Richter ausgedehnt (Österreich 1897, 1962).
Lit.: Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953, 225; Liermann, H., Richter, Schreiber, Advokaten, 1957; Hülle, W., Historisches über Gerichtsroben, Dt. Richterzeitung 58 (1980), 345; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988
Robot (F.) Frondienst
Rodung ist die Urbarmachung von bewaldetem Land. Sie kann im Mittelalter zu Freiheit oder rechtlicher Besserstellung führen (z. B. in der -> Ostsiedlung).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 102; Schulze, H., Rodungsfreiheit und Königsfreiheit, HZ 219 (1974), 529
Roes -> Alexander von
Roesler, Hermann (1834-1894) wird nach dem Studium von Recht und Wirtschaft in Erlangen und München 1861 Professor für Staatswissenschaft in Rostock. 1878 wird er juristischer Berater -> Japans. Er gestaltet das Handelsgesetzbuch (1890) und die Verfassung (1889) maßgeblich mit. 1893 kehrt er nach Europa zurück.
Lit.: Siemes, J., Die Gründung des modernen japanischen Staates und das deutsche Staatsrecht, 1975
Roland ist der am 15. 8. 778 beim Rückzug Karls des Großen aus Spanien gefallene Markgraf der bretonischen Mark. Er ist die Hauptgestalt des wohl um 1080 von einem unbekannten Verfasser geschaffenen Rolandsliedes. Möglicherweise gehen auf ihn die Rolandssäulen zurück, welche sich seit dem Hochmittelalter auf Marktplätzen vor allem Norddeutschlands (als Symbol der Kaiserrechte ? oder des Rechts allgemein ?) finden (z. B. in Bremen).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Hoede, K., Deutsche Rolande, 1934; Goerlitz, T., Der Ursprung und die Bedeutung der Rolandsbilder, 1934; Gathen, A., Rolande als Rechtssymbole, 1960; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Rempel, H., Die Rolandsstatuen, 1989
Rôles d’Oléron -> Oléron
Rom ist die nach antiker Tradition 753 v. Chr. von Romulus gegründete Hauptstadt des 519 v. Chr. (?) vom Königreich zur Republik und 27 v. Chr. von der Republik zum Prinzipat gewordenen römischen Weltreiches (um 500 v. Chr. 10000?, 25000? oder 50000? Einwohner, um 0 1000000, um 300 n. Chr. 500000). In ihr hat der Papst seinen Sitz. 754/6 erhält er Rom durch den fränkischen König Pippin als Gabe. Während des Mittelalters krönt er dort den deutschen König zum Kaiser. Zwischen 1143 und 1155 richten die Bürger wieder einen Senat ein.1870 fällt R. an Italien, 1871 wird es dessen Hauptstadt.
Lit.:
Köbler, DRG 16, 28, 51; Schramm, P., Kaiser, Rom und renovatio, 2. A. 1957;
Schneider, F., Rom und Romgedanke im Mittelalter, 2. A. 1959; Dahlheim, W., Stadt und
Imperium, 1992; Storia di Roma, hg. v. Schiavone, A., 1993; Roma, hg. v.
Hubert, E., 1993;
Lunliffe, B., Rom und sein Weltreich, 4. A. 1994; Bellen, H., Grundzüge der
römischen Geschichte, 1994; Bengtson, H., Römische Geschichte, 7. A. 1995; Kolb, F., Rom, 2. A.
2002; Christ, K., Geschichte der römischen Kaiserzeit, 4. A. 2002; Fuhrmann,
F., Rom in der Spätantike, 2. A. 1995; Krautheimer, R., Rom, 2. A. 1996; Die
römischen Kaiser, hg. v. Clauss, M., 1997; Schulz, R., Herrschaft und
Regierung, 1997; Die späte römische Republik, hg. v. Bruhns, H. u. a., 1997;
Flach, D., Römische Geschichtsschreibung, 3. A. 1998; Bellen, H., Grundzüge der
römischen Geschichte, 1998; Heuß, A., Römische Geschichte, 8. A. 2001;
Ausbüttel, F., Die Verwaltung des römischen Kaiserreiches, 1998; Bleicken, J.,
Geschichte der römischen Republik, 5. A. 1999; Strothmann, J., Kaiser und
Senat, 1998; Witschel, C., Krise, Rezession, Stagnation, 1999; Dahlheim, W., An
der Wiege Europas, 2000; König, I., Kleine römische Geschichte, 2001;
Carandini, A., Die Geburt Roms, 2001; Fellmeth, U., Brot und Politik, 2001; Kuhoff,
W., Diokletian und die Epoche der Tetrarchie, 2001; Ball, W., Rome in the East,
2000; Bringmann, Klaus, Geschichte der römischen Republik, 2002; Kolb, F., Rom,
2. A. 2002; Schuller, W., Das römische Weltreich, 2002; Syme, R., Die römische
Revolution, 2003; Bringmann, K., Römische Geschichte, 7. A. 2003
Roma ist eine Eigenbezeichnung für die früher meist als -> Zigeuner benannten Angehörigen einer Volksgruppe.
Lit.: Reemtsma, K., Sinti
und Roma, 1996; Sinti und Roma in der deutschsprachigen Gesellschaft und
Literatur, hg. v. Tebbutt, S., 2001; Bastian, T.,
Sinti und Roma im Dritten reich, 2001; Weyrauch, W., Das Recht der Roma und
Sinti, 2002
Roma locuta causa finita (lat.). Hat Rom gesprochen, ist die Angelegenheit beendet.
Lit.: Adam, K., Causa finita est, FS A. Ehrhard, 1922, 1; Liebs,
D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991,
191 (Augustus, 354-430, Sermones 131, 10)
Romanist ist seit dem 19. Jh. der Vertreter des römischen Rechts oder der vom Lateinischen abgeleiteten Sprachenfamilie im Gegensatz zum -> Germanisten.
Lit.:
Kroeschell, DRG 3; Schlösser, R., Die romanischen
Sprachen, 2001
Romantik ist eine geistige, sich von der Vernunft als allein bestimmendem Umstand abkehrende, das Gefühl, den Traum und das Irrationale betonende Bewegung in Europa zwischen 1790 und 1830. Sie beeinflusst die -> historische Rechtsschule (Savigny, Grimm). Sowohl Märchen wie Liedgut und Recht werden auf das eigene Volk bezogen (-> Volksgeist).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 178; Busse, G., Die Romantik, 1982
Römer ist der Bewohner -> Roms bzw. der Angehörige der das römische Weltreich tragenden Bevölkerung.
Lit.:
Köbler, DRG 16; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Christ, K., Die Römer,
3. A. 1994; Fischer, T., Die Römer in Deutschland, 1999; Wolters, R., Die Römer
in Germanien, 2000
Römermonat ist die Bezeichnung für die 1541 auf 128000 Gulden berechneten Kosten der monatlichen Unterhaltung und Besoldung des Heeres im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation), welche mit Hilfe der -> Reichsmatrikel auf die einzelnen Reichsstände verteilt werden.
Lit.: Weigl, H., Die Kriegsverfassung des alten Deutschen Reiches, 1912, 15
Römerstadt ist die im Römischen Reich zur -> Stadt entwickelte Siedlung. Sie bildet auch nach Ende des weströmischen Reiches im Frühmittelalter vielfach den Ausgangspunkt für eine Stadt (z. B. Nyon, Augst, Trier, Köln, Neuss, Bonn, Xanten, Mainz, Straßburg, Augsburg, Kempten, Regensburg, Passau, Wien). Die Zusammenhänge sind im einzelnen aber sehr unterschiedlich.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 5. A. 1980
Römerstraße ist die von den Römern im Altertum angelegte, meist sehr gerade und gepflasterte Straße.
Lit.: Pekáry, T., Untersuchungen zu den römischen Reichsstraßen, 1968; Bender, H., Römische Straßen, 1975
römischer König ist ein zeitweise vom deutschen König verwendeter Titel.
Lit.: Beumann, H., Der deutsche König als „Romanorum rex“, 1981
römisches Recht ist die Gesamtheit der von Römern geschaffenen Rechtssätze. Die wichtigsten römischen Rechtsquellen sind die -> Zwölftafelgesetze (451/450 v. Chr.), die Werke der römischen -> Rechtswissenschaft (3. Jh. v. - 3. Jh. n. Chr.) und die Gesetzgebung (Codex, Institutionen, Digesten bzw. Pandekten, Novellen) des oströmischen Kaisers -> Justinian (527-565). Sachlich ist das Privatrecht von besonderer Bedeutung. Das römische, im spätantiken römischen Reich nur in Rechtsschulen in Rom, Kathago, Konstantinopel, Beirut, Athen (bis 529), Alexandria und Caeserea (bis 533) gelehrte Recht wird auch nach dem Untergang Westroms (476 n. Chr.) in gewisser Weise fortgeführt sowie seit dem ausgehenden 11. Jh. wiederbelebt und in vielen Gebieten Europas in umfangreichen Teilen aufgenommen (rezipiert). Es gilt subsidiär als -> gemeines Recht (lat. ius [N.] commune) bis zu den Kodifikationen der mittleren Neuzeit und hat auch im Zuge der europäischen Einigung in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s noch gewisse Ausstrahlungskraft.
Lit.: Kaser
§§ 1ff.; Dulckeit/Schwarz/Waldstein §§ 1ff.; Söllner §§ 1ff.; Kroeschell, DRG
1, 2; Köbler, DRG 1, 16, 101, 137, 159; Savigny, F., Geschichte des römischen
Rechts im Mittelalter, Bd. 1ff., 2. A. 1834ff.; Savigny, F., System des
heutigen römischen Rechts, Bd. 1ff. 1840ff.; Conrat, M., Geschichte der Quellen
und Literatur des römischen Rechts im früheren Mittelalter, Bd. 1 1891; Halban,
A. v., Das römische Recht in den germanischen Volksstaaten, Teil 1ff. 1899ff.;
Kalb, W., Wegweiser in die römische Rechtssprache, 1912, Neudruck 1961;
Engelmann, W., Die Wiedergeburt der Rechtskultur, 1938; Heumann, G./Seckel, E.,
Handlexikon zu den Quellen des römischen Rechts, 10. A. 1958; Wengler, L., Die
Quellen des römischen Rechts, 1953; Feine, H., Vom Fortleben des römischen
Rechts in der Kirche, ZRG KA 73 (1956), 1; Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechts
in Deutschland, 1962; Coing, H., Römisches Recht in Deutschland, in: Ius
Romanum medii aevi V 6, 1964; Koschaker, P., Europa und das römische Recht, 4.
A. 1966; Kaser, M., Der römische Anteil am deutschen bürgerlichen Recht, JuS
1967, 337; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967; Sturm,
F., Das römische Recht in der Sicht von G. W. Leibniz, 1968; König, H., Pothier
und das römische Recht, Diss. jur. Frankfurt am Main 1976; Wesener, G.,
Römisches Recht und Naturrecht, 1978; Bender, P., Die Rezeption des römischen
Rechts, 1979; Stelzer, W., Gelehrtes Recht in Österreich, 1982; Römisches Recht
in der europäischen Tradition, 1985; Das römische Recht im Mittelalter, hg. v.
Schrage, E., 1986; Zulueta, F., de/Stein, P., The Teaching of Roman Law, 1990; Kunkel, W., Römische
Rechtsgeschichte, 12. A. 1990; Bretone, M., Geschichte des römischen Rechts, 2. A. 1998; Liebs, D.,
Römisches Recht, 5. A. 1999; Hausmaninger, Casebook
zum römischen Vertragsrecht, 5. A. 1993; Hausmaninger, Casebook zum römischen
Sachenrecht, 8. A. 1995; Stein, P., Römisches Recht und Europa, 1996; Lange, H., Römisches
Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Hausmaninger, H./Selb, W., Römisches
Privatrecht, 8. A. 1997; Stemmler, M., Eques Romanus, 1997; Honsell, H.,
Römisches Recht, 5. A. 2001; Mayer-Maly, T., Römisches Recht, 2. A. 1999;
Bürge, A., Römisches Privatrecht, 1999; Ermann, J., Strafprozess, öffentliches
Interesse und private Strafverfolgung, Diss. jur. Saarbrücken 1998; Stein, P.,
Roman Law in European History, 1999; Manthe, U., Geschichte des römischen
Rechts, 2000; Kunkel, W./Schermaier, M.,
Römische Rechtsgeschichte, 13. A. 2001; Fögen, M., Römische Rechtsgeschichten,
2002; Elster, M., Die Gesetze der mittleren römischen Republik, 2003
römisches Recht in Deutschland ist das seit dem Mittelalter in Deutschland in einem Rationalisierungsvorgang (Rezeption) aufgenommene -> römische Recht. Es wird damit ein Teil des -> deutschen Rechtes.
Lit.: Köbler, DRG 1ff.; Schaeffner, W., Das römische Recht in Deutschland, 1859; Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechts in Deutschland, 1962; Coing, H., Römisches Recht in Deutschland, in: Ius Romanum medii aevi V, 6, 1964; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Die Rolle des Juristen bei der Entstehung des modernen Staates, hg. v. Schnur, R., 1986; Wesener, G., Einflüsse und Geltung des römisch-gemeinen Rechts in den altösterreichischen Ländern, 1989; Stein, P., Römisches Recht und Europa, 1996
römisches Vulgarrecht -> Vulgarrecht
Römische Verträge sind die am 25. 3./27. 7. 1957 in Rom zwischen Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien, Luxemburg und den Niederlanden abgeschlossenen Verträge über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft.
Lit.: Köbler, DRG 246; Schweitzer, M./Hummer, W., Europarecht, 5. A. 1996
römisch-kanonisches Verfahren ist das in Oberitalien im Hoch- und Spätmittelalter auf der Grundlage des römischen Verfahrensrechtes entwickelte, in Deutschland seit dem Spätmittelalter aufgenommene gelehrte Verfahren (-> Prozess).
Lit.: Köbler, DRG 117; Bethmann Hollweg, M. v., Der germanisch-romanische Zivilprozess im Mittelalter, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Dick, B., Die Entwicklung des Kameralprozesses, 1981
Romulus Augustulus (* um 459) ist der am 4. 9. 476 von -> Odowakar abgesetzte letzte weströmische Kaiser.
Lit.: Söllner § 19; Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Köbler, DRG 50,
67; Wes, M., Das Ende des Kaisertums, 1967;
Henning, D., Periclitans res publica, 1999
Roncaglia bei Piacenza ist seit dem 11. Jh. mehrfach der Ort von deutschen Hoftagen, auf denen auch Recht geschaffen wird (z. B. 1136, 1154, 1158). Zu den sog. ronkalischen Gesetzen zählen das Privileg der Scholaren auf Freiheit und Sicherheit („Habita“, 1154 ?) und die von Juristen verfasste Darlegung der Regalien („Regalia sunt“, 1158). Sie werden teilweise in die -> (lat.) Libri (M.Pl.) feudorum aufgenommen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 94, 101, 106; Colorni, V., Die drei verschollenen Gesetze des Reichstages bei Roncaglia, 1969; Stelzer, W., Zum Scholarenprivileg Friedrich Barbarossas, DA 34 (1978), 123; Engels, O., Die Staufer, 6. A. 1994
Ross, Alf (1899-1979) wird nach Rechtsstudien in Dänemark, Österreich, Frankreich und England 1938 Professor in Kopenhagen. Seine Arbeiten sind von Hans -> Kelsen beeinflusst. Seine Rechtsmetaphysik ablehnende Rechtsquellenlehre stellt vor allem auf die Rechtswirklichkeit ab.
Lit.: Tamm, D., Dansk retsvidenskabs historie, 1992, 243
Rostock an der Warnow wird nach einer wendischen Siedlung um 1200 Sitz deutscher Kaufleute, welcher 1218 lübisches Recht erhält. 1419 wird in R. die erste Universität Norddeutschlands errichtet.
Lit.:
Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon; Haalck, J., Die Rostocker
Juristenfakultät, in: Wiss. Z. d. Univ. Rostock 8 (1958/9); Das älteste
Rostocker Stadtbuch, hg. v. Thierfelder, H., 1967; Geschichte der Universität
Rostock, hg. v. Heidorn, G. u. a., Bd. 1f. 1969; Schnitzler, E., Die Gründung
der Universität Rostock, 1974;
777 Jahre Rostock, hg. v. Pelc, O., 1995
Rota (F.) ist der Name der in einem Saal mit radförmigem Fußbodenmosaik in Avignon im 14. Jh. beratschlagenden Richter (lat. [M.Pl.] auditores), dessen Name auch nach der Rückkehr des Papstes nach Rom bestehen bleibt. Für das Verfahren bei (einem Richter) der R. entwickeln sich eigene Rechtssätze, die für viele andere Gerichte vorbildlich werden. Im Jahre 1908 richtet Papst Pius X. die Sacra Romana R. als Instanzgericht vor allem für Eheprozesse ein.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Dolezalek, G., Die handschriftliche Verbreitung von Rechtsprechungssammlungen der Rota, ZRG KA 89 (1972), 1; Puza, R., Res iudicata, 1973; Nörr, K., Ein Kapitel aus der Geschichte der Rechtsprechung, Ius commune 5 (1975), 192
Rotes Kreuz ist eine von dem Schweizer Henri Dunant als Folge seiner Eindrücke von der Schlacht bei Solferino (24. 6. 1859) aufgebaute internationale humanitäre Hilfsorganisation mit nationalen Gesellschaften vom Roten Kreuz und internationalen Dach- und Hauptorganisationen (Liga der Rot-Kreuz-Gesellschaften, Internationales Komitee vom Roten Kreuz).
Lit.:
Dunant, H., Un souvenir de Solférino, 1862; Zorn, P., Die beiden Haager
Friedenskonferenzen, 1915; Das Genfer Rotkreuzabkommen vom 12. Aug. 1949, 5. A.
1965; Heudtlass, W./Gruber, W., J. Henri Dunant, 4. A. 1985; Riesenberger, D., Für
Humanität und Frieden, 1992
Roth, Paul (Nürnberg 11. 7. 1820 - München 28. 3. 1892) wird nach dem Rechtsstudium in München 1850 außerordentlicher Professor in Marburg, 1853 ordentlicher Professor in Rostock, 1858 in Kiel und 1863 in München. Seine rechtsgeschichtlichen Arbeiten sind von Georg -> Waitz stark beeinflusst. 1858 veröffentlicht er zusammen mit Victor von Meibom den ersten Band eines noch partikularistisch motivierten kurhessischen Privatrechts, 1871ff. trotz allmählichen Standortwechsels in der Kodifikationsfrage drei Bände Bayerisches Civilrecht und 1880ff. ein System des Deutschen Privatrechts. Roths Bedeutung für die Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuches (1900) ist nicht sicher festzustellen.
Lit.: Gagnér, S., Zielsetzungen und Werkgestaltungen in Paul Roths Wissenschaft, FS H. Krause, hg. v. Krause, H. u. a., 1975, 276
Rothe, Johannes (Creutzberg/Thüringen vor 1360 - Eisenach 1434), aus begüterter Familie, wird Geistlicher, Ratsschreiber und Notar in -> Eisenach. Er verfasst zwischen 1380 und 1394 das in einer Handschrift überlieferte Eisenacher Rechtsbuch und verschiedene poetische Werke (u. a. -> Ritterspiegel).
Lit.: Eisenacher Rechtsbuch, hg. v. Rondi, P., 1950; Fortuna vitrea 6, hg. v. Haug, W. u. a., 1991, 69
Rotteck, Karl Wenzeslaus Rodecker von (Freiburg im Breisgau 18. 7. 1775 - 26. 11. 1840), Medizinprofessorensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Freiburg 1798 Professor für Weltgeschichte, 1818 für Vernunftrecht und Staatswissenschaft. Neben wenig erfolgreichen Lehrbüchern für Staatsrecht und Vernunftrecht verfasst er nach politisch begründetem Verlust seiner Professur (1832-40) zusammen mit Welcker ab 1834 das aufgeklärt-liberale Staatslexikon (mit Stichwörtern wie „Constitution“, „Freiheit“, „Naturrecht“).
Lit.: Köbler, DRG 179; Zehntner, H., Das Staatslexikon von Rotteck und Welcker, 1929; Ehmke, H., Karl von Rotteck, 1964
Rotterdam an der neuen Maas wird nach 1240 auf einem Schutzdamm der Rotte errichtet. 1299/1340 erhält es Stadtrecht. Seine Universität wird 1912/73 eingerichtet.
Rottweil am oberen Neckar, in dessen Gebiet eine Römerstadt liegt, wird 771 als Königshof genannt und entwickelt sich im 14. Jh. zur Reichsstadt mit ansehnlichem Gebiet. Seit dem 13. Jh. ist ein bis 1784 bestehendes kaiserliches Hofgericht in R. bezeugt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Laufs, A., Die Verfassung und Verwaltung der Stadt Rottweil, 1963; Grube, G., Die Verfassung des Rottweiler Hofgerichts, 1969; Weber, E., Städtische Herrschaft und bäuerliche Untertanen, 1992
rotulus (lat. [M.]) Rädchen, Rolle -> Andernach
Rotwelsch (N.) „unverständlicher“ Wortschatz der Bettler, Gauner und Diebe seit dem 14. Jh. (z. B. Moos statt Geld)
Lit.:
Kluge, F., Rotwelsch, 1901; Wolf, S., Wörterbuch des Rotwelschen, 1956; Wexler,
P., Three Heirs to a Judeo-Latin Legacy, 1988;
Weiland, T., Das Hundeshagener Kochum, 2003
Rousseau, Jean-Jacques (Genf 28. 6. 1712 - Ermenonville/Oise 2. 7. 1778), Uhrmacherssohn, wird nach schwieriger Jugend Lakai und Schriftsteller. In seinem Du contrat social (1762) entwickelt er die aufklärende Lehre vom -> Gesellschaftsvertrag, nach welcher alles menschliche Gemeinleben auf einem Vertrag aller beteiligten einzelnen beruht. Die Staatsgewalt steht deshalb dem Volk zu, das den mit seiner Führung Beauftragten (z. B. König) bei Erfolglosigkeit seines Amtes entheben kann (-> Französische Revolution).
Lit.: Köbler, DRG 136, 148, 191; Vossler, O., Rousseaus
Freiheitslehre, 1963; Spaemann, R., Rousseau, 1980; Stackelberg, J. v., Jean-Jacques Rousseau, 1999; Sturma, D.,
Jean-Jacques Rousseau, 2001 ; Kersting, W., Jean-Jacques Rousseaus
„Gesellschaftsvertrag“, 2002; Hentig, H., v., Rousseau, 2003^ppotsdam
Rubrum (N.) (Rotes) ist der früher mit roter Tinte geschriebene Kopf eines Urteils, wie er sich im gelehrten Prozessrecht entwickelt.
Rückfall ist das erneute Begehen einer vorsätzlichen Straftat nach zwischenzeitlicher Verurteilung. Der R. wird nach älteren, einfacheren Ansätzen im französischen -> Code pénal von 1810 als allgemeiner Strafschärfungsgrund behandelt. In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s werden die Voraussetzungen für die Bejahung eines Rückfalles in Deutschland eingeengt. 1986 wird die Rückfallvorschrift ganz aufgehoben. Im deutschen Privatrecht ist der R. das Zurückfallen von Gütern bei fehlenden Abkömmlingen an die sie ursprünglich erbringende Seite.
Lit.: Hübner; Friedländer, G., Der Rückfall, 1872; Effertz, J., Die strafrechtliche Behandlung des Rückfalls, 1927; Wesener, G., Geschichte des Erbrechts in Österreich, 1957, 39; Frosch, H., Die allgemeine Rückfallvorschrift, 1976
Rückgriff -> Regreß
Lit.: Kaser §§ 52 II 2, 56 II 4, 57 II 4a
Rückkauf ist der Kauf des verkauften Gutes durch den Verkäufer. Er findet sich auch im Umkreis des Näherrechtes.
Lit.: Kaser §§ 10 I 2a, 41 VII; Kroeschell, DRG 1
Rücktritt ist die vom Handelnden ausgehende nachträgliche Zurücknahme einer Handlung durch ein entgegengesetztes Verhalten. Der R. von einem -> Rechtsgeschäft ist im Privatrecht auf vielleicht kirchenrechtlicher Grundlage auf Grund einer Vereinbarung oder auf Grund einer Rechtsvorschrift (z. B. Wandlungsrecht im Kaufrecht) möglich. Im Strafrecht kann der Täter vom -> Versuch zurücktreten.
Lit.: Hübner; Köbler, DRG 270; Mitteis, H., Rechtsfolgen des Leistungsverzuges, 1913; Scherner, K., Rücktritt wegen Nichterfüllung, 1965; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 443, 450; Müller, M., Die geschichtliche Entwicklung des Rücktritts vom Versuch, 1995
Rückwirkung ist die Auswirkung eines Ereignisses auf die vorangehende Zeit. Sie ist im Recht teilweise möglich. Im Strafrecht ist sie zu Lasten eines Handelnden aus rechtsstaatlichen Gründen ausgeschlossen.
Lit.: Kaser
§ 10 I 1f.; Köbler, DRG 236, 267; Schiemann, G., Pendenz und Rückwirkung der
Bedingung, 1973;
Werber, W., Analogie- und Rückwirkungsverbot, Diss. jur. Bonn 1998; Stüsser,
J., Rückwirkende Rechtsprechungsänderungen, Diss. jur. Bonn 1998
Rudolf IV. (1. 11. 1339 – Mailand 27. 7. 1365), der Stifter (der Domkirche zu Sankt Stephan in Wien) und Gründer der Universität Wien, habsburgischer Herzog von Österreich, lässt 1358/1359 zum Ausgleich der Privilegierung der Kurfürsten in der Goldenen Bulle (1356) von einem unbekannten Fälscher das (lat.) sog. -> privilegium (N.) maius herstellen.
Lit.:
Baltl/Kocher; Köbler, DRG 95; Winter, E., Rudolf IV. von Österreich, 1934; Baum, W., Rudolf IV.
der Stifter, 1996
Rudolf von Habsburg (Limburg im Breisgau 1. 5. 1218 - Speyer 15. 7. 1291) ist der erste habsburgische deutsche König. Er versucht den im -> Interregnum eingetretenen Verlust des -> Reichsgutes rückgängig zu machen. 1282 belehnt er seine Söhne mit -> Österreich.
Lit.: Baltl/Kocher; Köbler, DRG 95; Redlich, O., Rudolf von
Habsburg, 1903; Wolf, A., Warum konnte Rudolf von Habsburg (+1291) König
werden?, ZRG GA 109 (1992), 48;
Rudolf von Habsburg, hg. v. Boshof, E. u. a., 1993; Kunze, U., Rudolf von
Habsburg, 2001; Krieger, K., Rudolf von Habsburg, 2003
Rufinus (- vor 1192) wird nach dem Rechtsstudium in Bologna Kirchenrechtslehrer, dann Bischof von Assisi und zwischen 1180 und 1186 Erzbischof von Sorrent. Um 1164 verfasst er die (lat.) Summa (F.) decretorum (Summe der Dekrete). Sie bildet die Grundlage der späteren Dekretistik.
Lit.: Singer, H., Rufinus‘ von Bologna „Summa decretorum“, 1902; Weigand, R., Frühe
Kanonisten, ZRG KA 76 (1990), 138; Rufinus
von Sorrent, De bono pacis, hg. v. Deutinger, R., 1997
Rüge ist die Behauptung einer Rechtsverletzung. Vermutlich gibt es bereits im Frühmittelalter die Pflicht, bestimmte Geschehnisse (öffentlich) in bestimmter Form vorzubringen. In späterer Zeit finden sich verschiedene davon vielleicht beeinflusste Einrichtungen (z. B. -> Sendgericht, -> Feme). Ungewiß ist der Zusammenhang der R. mit dem sie seit dem Hochmittelalter allmählich verdrängenden -> Inquisitionsprozess.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Vogt, A., Die Anfänge des Inquisitionsprozesses, ZRG GA 68 (1951), 234; Landwehr, G., Rügegericht und Gogericht, ZRG GA 83 (1966), 127; Spieß, P., Rüge und Einung, 1988
Rügisches Landrecht ist das auf der Osteeinsel Rügen geltende, von dem studierten Gerichtsschreiber Matthäus Neumann (um 1490 - Stralsund 25. 4. 1556) in mittelniederdeutscher Sprache aufgezeichnete Gewohnheitsrecht. Es ist in mehreren Fassungen in rund 20 Handschriften überliefert. Ausführlich behandelt es das Recht der freien Bauern und des Adels. Es enthält nur wenige römisch-rechtliche Merkmale.
Lit.: Das Rügische Landrecht, hg. v. Frommhold, G., 1896; Steudtner, K., Matthäus Neumann und sein Werk, Greifswald-Stralsunder Jb. 11 (1977), 42; Herrmann, Slawen, 2. A. 1985
Ruhrgebiet ist das an der Ruhr gelegene, nach 1918 von Frankreich begehrte deutsche Industriegebiet, zu dessen Kontrolle 1951 die -> Montanunion geschaffen wird.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 246
Rumänien oberhalb der unteren Donau ist zunächst von Dakern besiedelt, deren Gebiet im Altertum romanisiert wird. Nach dem Durchzug von Germanen, Hunnen, Slawen und Awaren erscheint im 13. Jh. das Volk der Rumänen. Die Fürstentümer -> Moldau und Walachei sind den -> Osmanen bis in das 18. Jh. tributpflichtig. Am 24. 1. 1862 ruft der moldawische Oberst Cuza die Vereinigung der Fürstentümer Moldau und Walachei als R. aus. Nach seiner Abdankung 1866 tritt Karl I. von Hohenzollern-Sigmaringen die Nachfolge an. 1919/20 erhält R. die Bukowina, die Dobrudscha, Siebenbürgen und Banat. 1940 verliert es Bessarabien und Teile der Bukowina an die Sowjetunion. Am 30. 12. 1947 dankt der König ab. 1948 wird R. Volksrepublik. Der Diktator Ceaucescu wird 1991 im Zuge der Lösung aus der Bevormundung durch die -> Sowjetunion getötet. Moldau löst sich ab.
Lit.: Huber, M., Grundzüge der Geschichte Rumäniens, 1973; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3, 5, 91; Verseck, K., Rumänien, 1988; Völkl, E., Rumänien, 1995; Hitchins, K., Rumania, 1994; Die Rumänen und Europa, hg. v. Heppner, H., 1997; Oschlies, W., Ceausescus Schatten schwindet, 1998; Mileck, J., Zum Exodus der Rumäniendeutschen, 1999; Mitu, S., Die ethnische Identität der Siebenbürger Rumänen, 2003
Rumelien ist das europäische Gebiet der Herrschaft der -> Osmanen (Türken) seit 1352/4, das um 1850 Thrakien und -> Makedonien umfasst.
Lit.: Inalcik, H., The
Runde, Justus Friedrich (Wernigerode 27. 5. 1741 - Göttingen 28. 2. 1807) wird nach dem Studium der Theologie in Halle und des Rechts in Göttingen 1771 Professor in Kassel, 1785 in Göttingen. 1791 verfasst er Grundsätze des allgemeinen deutschen Privatrechts in deutscher Sprache. Als Rechtsquelle verwendet er im Zweifel allgemeine, aus der Natur der Sache selbst entnommene Rechtsgrundsätze.
Lit.: Köbler, DRG 205; Marx, H., Die juristische Methode der Rechtsfindung aus der Natur der Sache, Diss. jur. Göttingen 1967; Neusüß, W., Gesunde Vernunft und Natur der Sache, 1970, 93; Kroeschell, K., Zielsetzung und Arbeitsweise der Wissenschaft vom gemeinen deutschen Privatrecht, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 1 1974, 249
Rundfunk ist die drahtlose Übertragung von Nachrichten durch
ursprünglich aus elektrischen Funken entwickelte elektromagnetische Wellen.
Diese werden 1856 von J. C. Maxwell erkannt und seit 1895 von G. Marconi in
Großbritannien zur Nachrichtenübermittlung genutzt. Am 22. 12. 1920 überträgt
die Hauptfunkstelle Königswusterhausen ein Konzert.
Lit.: Dussel, K., Deutsche
Rundfunkgeschichte, 1999
Rune ist das von Germanen wohl im 1. Jh. n. Chr.
nach norditalienischem Vorbild entwickelte, im Hochmittelalter den lateinischen
Buchstaben unterliegende Schriftzeichen (anfangs
24 Zeichen, seit dem Frühmittelalter 16 Zeichen)(rund 2300 Inschriften des 10.
und 11. Jh.s bekannt).
Lit.:
Köbler, DRG 66; Düwel, K., Runenkunde, 2. A. 1983; Runische Schriftkultur, hg. v. Düwel,
K., 1994; Sawyer, B., The Viking-age Rune-stones, 2000; Gronvik, O., Über die
Bildung des älteren und des jüngeren Runenalphabets, 2001
Ruprecht von Freising (um 1270 - nach 1328) ist der als Fürsprecher in und um Freising erkennbare, ungelehrte, den -> Schwabenspiegel verwendende Verfasser des -> Freisinger Rechtsbuchs von 1328.
Lit.: Köbler, DRG 103; Freisinger Rechtsbuch, hg. v. Claußen, H., 1941, XV
Rus -> Rußland
Russland geht auf die alte, ihrer Herkunft nach
umstrittene Bezeichnung Rus für (germanistische) Stämme zurück, die vermutlich
unter dem skandinavisch-warägischen Heerführer Rurik in slawischem Gebiet im 9.
Jh. ein Reich um Kiew gründen. Dieses zunehmend slawisierte, unter Wladimir dem
Heiligen (977-1015) christianisierte Reich zerfällt um 1125. 1236 dringen von
Osten Mongolen vor, die unter Führung des
sich im späten 15. Jh. Zar nennenden Fürsten von -> Moskau bis 1480
wieder zurückgedrängt werden. Das einheimische, von oströmisch-byzantinischem
Recht beeinflusste Gewohnheitsrecht (Strafrecht, Erbrecht, Handelsrecht,
Verfahrensrecht) wird als Russkaja Prawda (russische Wahrheit) bereits in der
ersten Hälfte des 11. Jh.s aufgezeichnet (erhalten in Abschriften seit dem späten
13. Jh.). Dazu kommt das kirchlich-byzantinische Recht (slaw. -> Kormcaja).
In der frühen Neuzeit wird R. ein autokratischer, nach Osten (Sibirien 1582)
und Süden (Ukraine 1654) ausgreifender Einheitsstaat (1547 Zar), der sich im
18. Jh. dem Westen und der Aufklärung nähert (Katharina die Große). Sankt
Petersburg wird Hauptstadt. Deutsche Siedler (Rußlanddeutsche) werden geholt.
Das weltliche Recht wird 1645 auf der Grundlage der Russkaja Prawda und
späterer Rechtsbücher im Codex Aleksy Michailovic in 25 Kapiteln und 963
Artikeln zusammengefasst (Privatrecht, Zivilprozessrecht, Strafrecht,
Handelsrecht, Verwaltungsrecht, Kirchenrecht). Kodifikationsversuche scheitern.
1755 erhält Moskau eine Universität. Im 19. Jh. ist R. europäische Großmacht,
die als Führerin des Panslawismus handelt. Bemühungen, das Recht nach dem Vorbild
des -> Code civil Frankreichs zu kodifizieren, scheitern nach dem
erfolglosen Angriff Napoleons auf R. 1813. Eine neue, anfangs
chronologisch, später aber unter Aussonderung überholter Sätze lose systematisch
geordnete, rechtswissenschaftlich rückständige, im wesentlichen nur das
bestehende ständische Recht zusammenfassende Sammlung der Gesetze (Svod Zakonov
Rossijskoj Imperii) in 8 Teilen, 15 Bänden und 60000 Artikeln entsteht 1833. Sie
dient hauptsächlich dem Behördengebrauch. Sie wird durch die Rechtsprechung
ergänzt und überholt. 1845 wird ein Strafgesetzbuch geschaffen. Die
Leibeigenschaft wird 1861 beseitigt. Die Gewaltentrennung wird 1864 eingeführt.
Gleichzeitig erfolgt eine westlich orientierte Justizreform. Das neue Recht
wird aber tatsächlich fast nur in den Städten angewendet. Entwürfe einer seit
1882 an einem Zivilgesetzbuch arbeitenden Kommission werden (1899, 1903) nicht
in Kraft gesetzt. Im März 1917 wird in einer Revolution der Zar gestürzt
(Abdankung am 2. 3. 1917). Im Oktober 1917 gewinnen die Sozialisten
(Bolschewisten) unter Uljanow (Lenin 1870-1924) die Oberhand. Rußland wird in
die Räterepublik der -> Sowjetunion verwandelt. 1918 werden revolutionäre
Gesetzbücher für Eherecht, Familienrecht, Vormundschaftsrecht und Arbeitsrecht
geschaffen, 1922 für R. ein Zivilgesetzbuch erlassen. Bis 1935 wird unter
Stalin (Jossif Wissarionowitsch Dschugaschwili aus Georgien, 1878-1953, 1922
Generalsekretär der Kommunistischen Partei) in der Sowjetunion eine
sozialistische (marxistische) Rechtsordnung begründet. 1960 wird ein neues
Strafgesetzbuch eingeführt. 1964 werden Zivilgesetzbuch (458 Artikel) und
Zivilprozessordnung erneuert. Auf der Grundlage von Grundlagengesetzen der
Sowjetunion (1968/70) erlässt R. ein Familiengesetzbuch vom 30. 7. 1969 und ein
Arbeitsgesetzbuch vom 9. 12. 1971. Nach einer von Michael Gorbatschow
eingeleiteten Reformbewegung wird 1991 die Union der sozialistischen
Sowjetrepubliken (Sowjetunion) in die Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS)
überführt, deren wichtigstes Mitglied das erneuerte R. unter Boris Jelzin ist.
Zum 1. 1. 1995 tritt hier der erste Teil eines neuen Zivilgesetzbuches in
Kraft. 1996 wird in R. zum 1. 1. 1997 das Strafgesetzbuch erneuert.
Lit.: Kroeschell, DRG 3;
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Russkaja Prawda (F.) russische Wahrheit -> Russland
Rutscherzins ist im Mittelalter der bei nicht rechtzeitiger Leistung erhöhte (rutschende) Grundzins in der -> Grundherrschaft.
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