G

 

Gabe ist der Vorgang und der Gegenstand der Übergabe einer Sache oder eines Menschen an einen Menschen. Nach einem jüngeren Rechtssprichwort soll in der älteren Zeit gegolten haben: G. schielt nach Entgelt. Demgegenüber kennt das römische Recht die unentgeltliche G. (-> Schenkung).

Lit.: Kaser; Hübner 575; Köbler, DRG 74; Heusler, A., Institutionen, Bd. 2 1885f., 370ff.; Pappenheim, M., Über die Rechtsnatur der altgermanischen Schenkung, ZRG GA 53 (1933), 35

gabella (F.) emigrationis (lat.) ist die im 11./12. Jh. erscheinende, vor allem in der frühen Neuzeit verbreitete Auswanderungsabgabe (Abfahrtsgeld, vgl. ALR II 17 §§ 141ff.) in Höhe von rund 10% des inländischen Vermögens.

gabella (F.) hereditaria (lat.) ist im Mittelalter eine Erbschaftsabgabe beim Erbfall Fremder an König, Landesherrn oder Stadt. Ein Gesetz Kaiser Friedrichs II. von 1220 hebt sie auf, wird aber nicht beachtet.

Lit.: Meynal, E., Études sur la gabelle, TRG 3 (1922), 119

gafol (ae.) Abgabe, Zins

Gagern, Wilhelm August Heinrich Freiherr von (Bayreuth 20. 8. 1799 - Darmstadt 22. 5. 1888), nach dem Rechtsstudium Regierungsrat und am 5. 3. 1848 Leiter des Staatsministeriums Hessen-Darmstadts, wird am 19. 5. 1848 Präsident der deutschen Nationalversammlung.

Lit.: Wentzcke, P., Zur Geschichte Heinrich von Gagerns, 1910

Gaill, Andreas (Köln 12. 11. 1526 - 11. 12. 1587), Patrizierssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Köln, Orléans, Löwen und Bologna (1555) Anwalt in Köln, 1558 Beisitzer am Reichskammergericht in Speyer, 1569 Reichshofrat in Wien und 1583 Kanzler in Köln. In seinen (lat.) Practicarum observationum libri (M.Pl.) duo (Zwei Bücher praktischer Beobachtungen) (1578) bemüht er sich wie schon zuvor -> Mynsinger um eine systematische Darstellung der Entscheidungen des -> Reichskammergerichts.

Lit.: Köbler, DRG 143; Kempis, K. v., Andreas Gaill, 1988

Gaius ist der in der Mitte des 2. Jh.s n. Chr. lebende, hauptsächlich in der Provinz tätige, nicht mit dem (lat.) ius (N.) respondendi (Antwortrecht) begabte Verfasser (eines Kommentars zu dem in den Provinzen üblichen Rechtsschutzregister des Privatrechtes und) des Lehrbuches -> Institutionen (159?, 161?). Er gehört der Rechtsschule der Sabinianer (-> Julian) an. Sein auf (lat.) -> ius (N.) civile (römisches Recht) und (lat.) -> ius (N.) gentium (Fremdenrecht) als Rechtsquellen beschränktes, in einer späteren Fassung vor allem durch eine wohl dem 5. Jh. entstammende, 1816 in Verona aufgefundene Palimpsesthandschrift und zwei in Ägypten gefundene Handschriftenbruchstücke unmittelbar überliefertes System der Einrichtungen des Rechts (lat. institutiones) wird von dem oströmischen Kaiser Justinian in dessen Institutionen (533) übernommen.

Lit.: Kaser § 2; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 34; Söllner §§ 5, 7, 16, 19, 20, 22, 23; Köbler, DRG 30, 52, 54; Honoré, A., Gaius, 1962; Nelson, H./David, M., Überlieferung, Aufbau und Stil von Gai Institutiones, 1981; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988, 131; Nelson, H./Manthe, U., Gai Institutiones III 1-87, 1992; Vano, C., Il nostro autentico Gaio, 2000

Gaius von Autun (lat. Gaius [M.] Augustodunensis) ist ein in größeren Fragmenten einer Palimpsesthandschrift aus Autun erhaltener klassizistisch-spätnachklassischer Kommentar wohl des 5. Jh.s zu -> Gaius.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39 II 2; Köbler, DRG 52

Galater -> Kelte

Galeerenstrafe ist die seit dem 15. Jh. im Mittelmeerraum (Rom 1471, Spanien 1502, Kirchenstaat 1511, 1516) verhängte Strafe, auf einer Galeere angeschmiedet als Ruderer zu sühnen. In den österreichischen Erblanden und Böhmen wird die G. von 1556 bis 1768 verwendet. In Frankreich endet sie sachlich mit der Aufgabe der Galeeren (1748), wird aber rechtlich erst am 27. 3. 1852 abgeschafft. In der Türkei wird sie bis zum 20. Jh. gebraucht.

Lit.: Frauenstädt, P., Zur Geschichte der Galeerenstrafe in Deutschland, Z. f. ges. StrafRWiss. 16 (1896), 518; Carlen, L., Die Galeerenstrafe in der Schweiz, Z. f. d. ges. StrafRWiss. 88 (1976), 557; Schlosser, H., Die Strafe der Galeere, ZNR 10 (1988), 19

Galgen ist eine meist aus zwei Pfosten und einem Querholz bestehende künstliche Vorrichtung zur Tötung von Menschen durch Aufhängen an einem Strick. Bereits die Germanen hängen den Volksverräter. Seit wann dazu der G. verwendet wird, ist unklar. Im Hochmittelalter ist Erhängen am G. eine ehrenmindernde Strafe. Seit 1871 ist die -> Todesstrafe in Deutschland durch Enthaupten zu vollziehen. Die Alliierten bestrafen die nationalsozialistischen Kriegsverbrecher 1946 durch Erhängen.

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 2 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 257f.; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Frank, H., Im Angesicht des Galgens, 1953

Galicien ist die im Nordwesten der iberischen Halbinsel gelegene Landschaft, die zunächst von Kelten besiedelt ist. Nach dem Ende der römischen Herrschaft dringen im 5. und 6. Jh. Sweben (Sueben) und Westgoten, 711/8 Araber ein. Mit der Lösung von den Arabern fällt G. meist an -> Leon und mit diesem an -> Kastilien. 1979 erhält G. in Spanien Autonomie.

Lit.: Tranoy, A., La Galice Romaine, 1981; García Oro, J., Galicia, 1987

Galizien (Halic-Volhynien, -> Wolhynien) ist die nördlich der Karpaten gelegene Hügellandschaft, welche nach dem Abzug der Germanen im 6. Jh. von Slawen (Polen im Westen, Ukrainer im Osten) besetzt wird. Im 11. bzw. 12. Jh. entsteht ein Fürstentum G. (Galitsch). G. gelangt im Spätmittelalter (1349/1387) an -> Polen. 1772 wird das östliche G. dem österreichischen Königreich G. und Lodomerien zugeteilt, 1795 kommen weitere Gebiete hinzu (-> Westgalizien). 1918 annektiert das wiedergebildete Polen G. Ostgalizien wird 1939 von der Sowjetunion in Besitz genommen.

Lit.: Köbler, DRG 131; Köbler, Historisches Lexikon; Baltl/Kocher; Stupnicki, H., Das Königreich Galizien und Lodomerien, 1853; Pohl, D., Nationalsozialistische Judenverfolgung in Ostgalizien, 1996; Röskau-Reidel, I., Galizien, Bukowina, Moldau, 1999; Bachmann, K., Ein Herd der Feindschaft gegen Russland, 2001

Gallicus -> mos Gallicus

Gallien (lat. [F.] Gallia) ist das Gebiet zwischen Apennin und Alpen (Gallia citerior) und seit Caesar (58-51 v. Chr.) das Land der Gallier zwischen Rhein, Alpen, Mittelmeer, Pyrenäen und Atlantik (Gallia ulterior). Nach der Eroberung Galliens durch die Römer (225-51 v. Chr.) wird G. romanisiert. Um 500 ist es fast vollständig im Besitz der -> Franken. -> Frankreich

Lit.: Stroheker, K., Der senatorische Adel im spätantiken Gallien, 1948; Lerat, L., La Gaule romaine, 1977; Gallien in der Spätantike, hg. v. Römisch-Germanischen Zentralmuseum, 1980; Wightman, E., Gallia Belgica, 1985; King, A., Roman Gaul, 1990; Recht im frühmittelalterlichen Gallien, hg. v. Siems, H. u. a., 1995; Woolf, G., Becoming Roman, 1998; Freyberger, B., Südgallien, 1999

Galway an einer irischen Atlantikbucht erscheint 1124 erstmals. Im 14. Jh. wird es Stadt. 1845 erlangt es eine Universität.

Gandinus (de Gandino), Albertus (Crema um 1245-1311) wird nach dem Rechtsstudium in Padua (1265-75) Richter in Lucca, Bologna, Siena, Florenz und Bologna, 1305 Herr (Podestà) in Fermo und 1310 Höchstrichter in Florenz. 1286/7 veröffentlicht er eine in erster Fassung in Perugia verfasste Sammlung berühmter Rechtsfragen (vor allem des Odofredus und des Guido de Suzaria), die erweitert und erstmals systematisiert (5 Verfahrensarten [lat. accusatio, denunciatio, inquisitio, exceptio, notorium], gemeinsame Fragen dieser Verfahrensarten [Ladung, Stellvertretung, Bann usw.], Strafrecht) 1299 in Siena und 1300 in Perugia erscheint, als (lat.) Tractatus (M.) de maleficiis (Abhandlung von Verbrechen) bekannt ist und in Deutschland im 15. Jh. (-> Klagspiegel, -> Constitutio Criminalis Bambergensis 1507) aufgenommen wird. Daneben stellt er (lat.) Quaestiones (F.Pl.) statutorum (Fragen der Statuten) zusammen (Bologna 1289).

Lit.: Kantorowicz, H., Geschichte des Gandinus-Textes, ZRG RA 42 (1921), 1, 43 (1922), 1; Kantorowicz, H., Leben und Werk des Albertus Gandinus, ZRG RA 44 (1924), 224

Ganerbe ist der Angehörige einer rechtlich ungeteilten Erbengemeinschaft, insbesondere in der Ritterschaft. Eine Ganerbschaft kann auch durch Vertrag begründet werden. Ziel ist dabei die Erhaltung des Familiengutes. Ihm dient auch die Begründung eines -> Familienfideikommisses. Trotz dessen Vordringens bestehen ritterliche Ganerbschaften bis zum 19. Jh.

Lit.: Hübner 157f., 251, 429; Köbler, WAS; Wippermann, E., Über Ganerbschaften 1873; Alsdorf, F., Untersuchungen zur Rechtsgestalt und Teilung der Ganerbenburgen, 1980

Gans, Eduard (Berlin 23. 3. 1797 - 5. 5. 1839), aus norddeutscher jüdischer Hoffaktorenfamilie, wird nach dem Rechtsstudium in Berlin, Göttingen und Heidelberg und nach der Taufe (1825) 1826 in Berlin außerordentlicher, 1828 ordentlicher Professor für römisches und bürgerliches Recht in Berlin. Im Streit mit -> Savigny tritt er gegen die Erforschung von geschichtlichen Einzelheiten und für der Aufklärung verpflichtete philosophisch-universalgeschichtliche Studien (Das Erbrecht in weltgeschichtlicher Entwicklung, Bd. 1ff. 1824ff., Neudruck 1963) ein.

Lit.: Reissner, H., Eduard Gans, 1965; Eduard Gans, hg. v. Waszek, N., 1991; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 45; Braun, J., Judentum, 1997

Gant ist im mittelalterlichen deutschen Recht die Versteigerung im Wege der Zwangsvollstreckung. Sie entsteht in der Stadt. Sie will die Selbsthilfe eindämmen und den Schuldner vor übermäßigem Wertverlust sichern. Zu diesem Zweck werden besondere Gantordnungen (z. B. Augsburg 1447) erlassen. Danach muss das vom Büttel oder Fronboten verwahrte (bewegliche) Pfand öffentlich zum Kauf angeboten und an den Meistbietenden gegen Barzahlung ausgehändigt werden.

Lit.: Köbler, DRG 116; Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung, Bd. 1 1912, 680

Garantie ist die einem anderen gegenüber abgegebene Beteuerung der Richtigkeit einer Erklärung. Sachlich wirkt sich der Gedanke der G. bereits in der (lat. [F.]) custodia des römischen Rechts aus. Als eigener Vertrag erscheint der Garantievertrag wohl erst im 20. Jh.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.

García Goyena, Florencio (1783-1835) wird nach dem Rechtsstudium in Madrid und Salamanca Verwaltungsbeamter, Richter und Justizminister (1847). 1851 legt er einen an Frankreich, Preußen und Österreich orientierten, das partikulare Recht Spaniens missachtenden Entwurf eines (span.) Codigo civil (Zivilgesetzbuches) vor. Erst 1888/9 gelingt ein spanisches Zivilgesetzbuch.

Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,  3,1,497

Gareis, Karl (24. 4. 1844 - München 15. 1. 1923) wird nach dem Rechtsstudium Professor in Bern, Gießen und München (Das deutsche Handelsrecht, 9. A. 1909, Enzyklopädie und Methodologie der Rechtswissenschaft, 5. A. 1920).

Lit.: Schwab, D., Geschichtliches Recht und moderne Zeiten, FS H. Hübner, 1984, 215

Garten ist das durch Hecke oder Zaun abgegrenzte, intensiv durch Pflanzenanbau bewirtschaftete Grundstück. Da der G. die Allgemeinheit von der Mitbenutzung ausschließt, bedarf seine Einrichtung zeitweise der Zustimmung der Grundherrschaft oder Gemeinde.

Lit.: Bader, K., Gartenrecht, ZRG GA 75 (1958), 252

Gascogne im Südwesten des Frankenreichs ist ein nach den mit den Basken verwandten Wasconen benanntes, seit 768 selbständiges Herzogtum, das 1052 an Aquitanien fällt.

Lit.: Histoire de la Gascogne, hg. v. Bordes, M., 1978

Gasparri, Pietro (Ussita 5. 5. 1852 - Rom 18. 11. 1934) wird nach der Ausbildung in Rom Doktor der Philosophie, Theologie und Kanonistik, 1880 Professor für kanonisches Recht und 1901 Sekretär einer Kurienkongregation. Auf seine Anregung, ein neues kirchliches Gesetzbuch zu schaffen, ernennt ihn Papst Pius X. 1904 zum Sekretär der für die Gesetzgebung eingerichteten Kardinalskommission. 1917 wird der -> Codex iuris canonici veröffentlicht.

Lit.: Stickler, A., Historia iuris canonici latini, Bd. 1 1950, 376; Müller, A./Elsener, F./Huizing, P., Vom Kirchenrecht zur Kirchenordnung?, 1968, 29

Gast ist der in den Schutz eines Gastgebers aufgenommene Mensch, insbesondere der Fremde. Für ihn entwickeln sich schon früh einige besondere Rechtssätze.

Lit.: Kaser § 13 I 2b; Köbler, DRG 15; Schultze, A., Über Gästerecht und Gastgerichte, HZ 101 (1908), 473; Hellmuth, L., Gastfreundschaft und Gastrecht bei den Germanen, 1984

Gastalde ist im frühmittelalterlichen Italien ein vielleicht um 590 geschaffener langobardischer Amtsträger teils des Königs, teils der Herzöge. Er bleibt in Oberitalien trotz der teilweisen Umwandlung in den Grafen bis in das Hochmittelalter bedeutsam.

Lit.: Mor, C., Lo stato longobardo nel VII secolo, Sett. di Spoleto V 1969, Bd. 1 ,271

Gastung ist die einem -> Gast meist auf Grund einer Verpflichtung zu erbringende Leistung.

Lit.: Brühl, C., Fodrum, gistum, servitium regis, Bd. 1f. 1968

Gattungskauf ist der -> Kauf einer nur der Gattung nach bestimmten Sache. Er ist dem römischen Recht erst in der Form des Kaufes einer zu einem Vorrat gehörigen Sache bekannt.

Lit.: Kaser § 41 II 2; Ernst, W., Gattungskauf und Lieferungskauf, ZRG RA 114 (1997), 272, Ernst, W., Kurze Rechtsgeschichte des Gattungskaufs, ZEuP 1999

Gattungsschuld ist die bereits dem römischen Recht bekannte, auf die Leistung eines nur der Gattung (lat. [N.] genus) nach bestimmten Gegenstandes gerichtete -> Schuld. Bei ihr trägt die Gefahr des zufälligen Unterganges der Schuldner, der so lange leisten muss, wie die Gattung nicht erschöpft ist.

Lit.: Kaser § 34 III 2

Gau ist eine als besondere Einheit angesehene kleinere (, wasserreiche, siedlungsgünstige) Landschaft. Sie hat insbesondere im Frühmittelalter Bedeutung, in welchem der G. nach umstrittener Ansicht den örtlichen Tätigkeitsbereich eines -> Grafen bezeichnet, ohne dass auch in nur einem einzigen Fall die Deckungsgleichheit der Gauangaben der Quellen und der jeweils gegebenen Bezirke der Grafen erwiesen und ohne dass von einem lückenlosen unveränderlichen Netz von Gauen ausgegangen werden kann. Im Dritten Reich wird - vorbereitet durch die Romantik des 19. Jh.s - der G. künstlich wiederbelebt.

Lit.: Köbler, WAS; Baumann, F., Die Gaugrafschaften im Wirtembergischen Schwaben, 1879; Curs, O., Deutschlands Gaue im 10. Jahrhundert, Diss. phil. Göttingen 1908; Werneburg, R., Gau, Grafschaft und Herrschaft in Sachsen, 1910; Bauer, A., Gau und Grafschaft in Schwaben, 1927; Prinz, J., Pagus und comitatus in den Urkunden der Karolinger, AUF 17 (1941); Hamm, E., Herzogs- und Königsgut, Gau und Grafschaft im frühmittelalterlichen Bayern, Diss. phil.. München 1949 (masch.schr.); Hessler, W., Mitteldeutsche Gaue, 1957; Polenz, P. v., Landschafts- und Bezirksnamen im frühmittelalterlichen Deutschland, 1961; Wagner, G., Die Verwaltungsgliederung im karolingischen Reich, 1963; Heinemeyer, W., Der pagus des frühen Mittelalters in Hessen, 1968; Hüttenberger, P., Die Gauleiter, 1969; Nonn, U., Pagus und comitatus in Niederlothringen, 1983; Borgolte, M., Geschichte der Grafschaften Alemanniens, 1984; Puhl, R., Die Gaue und Grafschaften des frühen Mittelalters im Saa-Mosel-Raum, 1999

Gaudenzi -> Fragmenta Gaudenziana

Gauner ist eine vielleicht auf Ionier (Griechen) anspielende, aus dem Westjiddischen kommende Bezeichnung für Spieler oder Verbrecher, welche zeitweise eine aus unterschiedlichen Gegebenheiten erwachsende Schicht von nichtseßhaften Rechtsbrechern bilden, die im 18. und 19. Jh. eine gewisse Dichte erreicht.

Lit.: Ave-Lallemant, F., Das deutsche Gaunertum, Bd. 1ff. 1858ff.; Frauenstädt, P., Das Gaunertum des deutschen Mittelalters, Z. f. d. ges. StrafRWiss. 18 (1898), 331; Radbruch, G./Gwinner, H., Geschichte des Verbrechens, 1951, 291; Blauert, A./Wiebel, E., Gauner- und Diebslisten, 2001; Danker, U., Die Geschichte der Räuber und Gauner, 2001

Gebärde ist die eine innerliche Einstellung ausdrückende äußerliche Haltung eines Menschen, insbesondere des Gesichtes und der Hände. Bestimmte Gebärden können in bestimmter Umgebung eine rechtliche Bedeutung haben (z. B. Erheben der Schwurhand bei einem Eid). Der Untersuchung rechtsgeschichtlicher Gebärden widmet sich die Rechtsarchäologie.

Lit.: Sittl, C., Die Gebärden, 1890; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899ff., Neudruck 1922, 1989, 1994; Amira, K. v., Die Handgebärden in den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels, 1905; Künßberg, E. Frhr. v., Schwurgebärde und Schwurfingerdeutung, 1941; Schwerin, C. Frhr. v., Einführung in die Rechtsarchäologie, 1943; Garnier, F., Le langage de l’image, 1981; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Kocher, G., Zeichen und Symbole des Rechts, 1992; Kresse, D./Feldmann, G., Handbuch der Gesten, 1999

Gebäude ist das von Menschen geschaffene Bauwerk. Es ist im älteren deutschen Recht Fahrnis und kann daher einen anderen Eigentümer haben als das Grundstück, auf welchem es errichtet ist. Mit der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter wird es mehr und mehr als wesentlicher Bestandteil des Grundstücks angesehen. Seit dem 17. Jh. wirkt sich das -> Baurecht immer stärker auf die Errichtung von Gebäuden aus.

Lit.: Hübner 188f.

Geblütsrecht ist das auf Grund der Verwandtschaft bestehende Recht oder Anrecht auf einen Gegenstand. In bezug auf das deutsche Königtum kann sich ein G. gegenüber dem Wahlgrundsatz nicht entscheidend durchsetzen. Dagegen steigert sich in den Ländern das G. sogar zum Erbrecht (Erbmonarchie).

Lit.: Mitteis, H., Die deutsche Königswahl, 2. A. 1944, Neudruck 1965, 1981, 28; Rörig, F., Geblütsrecht und freie Wahl, Abh. d. Akad. d. Wiss. Berlin, 1948

Gebot ist die hoheitliche Anordnung eines bestimmten Verhaltens (, im Zivilverfahrensrecht im Rahmen der Zwangsvollstreckung das Angebot zu einem öffentlichrechtlichen Vertrag). Das G. findet sich, wo immer Hoheitsgewalt besteht. Seine besondere Bedeutung zeigt sich bei der Entstehung des -> Staates.

Lit.: Köbler, DRG 139; Willoweit, D., Gebot und Verbot im Spätmittelalter, Hess. Jb. f. LG. 30 (1980), 94

gebotenes Ding ist das durch einzelnes -> Gebot besonders festgesetzte -> Ding.

Gebrauchsmuster ist die Gestaltung einer Arbeitsgerätschaft oder eines Gebrauchsgegenstandes oder eines Teiles davon, die dem Arbeitszweck oder Gebrauchszweck durch eine neue Gestaltung, Anordnung oder Vorrichtung dienen soll. In Deutschland wird 1891 das erste Gebrauchsmustergesetz erlassen.

Lit.: Müller, E., Die Entwicklung des Erfindungsschutzes, 1898

Gebühr ist eine Geldleistung, die als Gegenleistung für eine besondere, vom einzelnen veranlasste Inanspruchnahme der Verwaltung verlangt wird. Sie ist als (lat. [F.]) sportula bereits dem römischen Recht bekannt. Im Mittelalter entwickeln die Landesherren aus den auf sie übergegangenen Regalien Einnahmequellen. Auch die Kirche verlangt für bestimmte Handlungen Gegenleistungen, selbst für den besonderen Sündenerlass. Eine eindeutige Trennung zwischen G. und Steuer vollzieht erst das späte 19. Jh. (Preußen Landgemeindeordnung vom 3. 7. 1891, Kommunalabgabengesetz vom 14. 7. 1893).

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 36 II 4; Moll, W., Über Gebühren, 1916; Domschke, M., Der Gebührenbegriff, 1928; Waitz, H., Die Entwicklung des Begriffs der Regalien, Diss. jur. Frankfurt am Main 1939

Geburt ist der Vorgang, durch den die Leibesfrucht des Menschen (oder eines höheren Tieres) aus dem mütterlichen Körper an die Außenwelt gelangt. Nach dem römischen Recht wird zwar das noch ungeborene Kind (lat. -> nasciturus) für die Erbfolge nach seinem Vater als bereits geboren fingiert, doch beginnt im übrigen erst mit der G. die -> Rechtsfähigkeit. Nach mittelalterlichem und vermutlich germanischem Recht muss das Kind nach der G. vom Vater bzw. der Familie besonders aufgenommen werden. Verschiedentlich wird auch eine gewisse Lebenskraft als Voraussetzung für einen Rechtserwerb verlangt. Für die christliche Kirche wird der Mensch erst durch die Taufe zur Person.

Lit.: Kaser § 13 II; Hübner § 6; Köbler, DRG 75, 120, 129; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 248, 253; Labouvie, E., Andere Umstände, 2. A. 2000; Uebe, A., Die rechtliche Situation der Hebammen in der Geburtshilfe, 2000

Geburtenregister ist das durch das Konzil von Trient (1545-63) in der Kirche vorgesehene, die -> Geburten festhaltende Verzeichnis. Es geht am Ende des 19. Jh.s auf den Staat über (-> Personenstandsgesetz).

Geburtsstand ist im römischen und mittelalterlichen Recht der durch die -> Geburt erworbene Stand (z. B. Adliger, Freier, Unfreier, Sklave).

Gedanken sind frei.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 123 (Franck 1541)

Gedinge ist im mittelalterlichen Recht eine Vereinbarung oder auch eine Verhandlung. In Frankreich und England wird im 12. Jh. der Vereinbarung der Vorrang vor dem allgemeinen Recht gewährt, in Deutschland anscheinend im 14. Jh.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, WAS; Stölzel, A., Geding, Appellation, Hof, Hofgericht und Räte, Abschied und Urteil, 1912; Hagemann, H., Gedinge bricht Landrecht, ZRG 87 (1970), 114

Gefahr ist die Wahrscheinlichkeit des Eintrittes eines Schadens. Grundsätzlich muss jeder Mensch sich selbst vor Schäden schützen, weshalb im römischen Recht der Grundsatz gilt (lat.) casum sentit dominus (den Fall spürt der Herr). Vor der G. des Verfahrensverlustes durch Verfahrensfehler soll im hochmittelalterlichen Recht der -> Fürsprech schützen. Beim Kauf teilt das römische Recht die G. (lat. [N.] periculum) des zufälligen Untergangs der Kaufsache vor Vertragserfüllung dem Käufer zu, der den Kaufpreis zahlen muss, obwohl er die Kaufsache nicht erhält.

Lit.: Kaser §§ 34, 41, 42, 62; Siegel, H., Die Gefahr vor Gericht und im Rechtsgang, SB. d. Akad. d. Wiss. Wien 51, 1866; Mitteis, H., Rechtsfolgen des Leistungsverzugs beim Kaufvertrag, 1913; Wolfgang, E., Das klassische römische Recht der Gefahrtragung, Diss. jur. Bonn 1981; Bauer, M., Periculum emptoris, 1998; Müller, C., Gefahrtragung bei der locatio conductio, 2002

Gefährdungshaftung ist ein einseitig verpflichtendes gesetzliches Schuldverhältnis, in dessen Rahmen der Schaden zu ersetzen ist, der durch eine erlaubte, abstrakt gefährliche Betätigung oder Anlage entsteht. Die G. ist eine Art der Erfolgshaftung. Sie entsteht als G. in der Zeit, in welcher sich auf der Grundlage des Liberalismus der Verschuldensgrundsatz des Schadensersatzrechts durchsetzt. Beispielhaft verwirklicht wird die G. durch § 25 des preußischen Eisenbahngesetzes von 1838. Mit der sozialversicherungsrechtlichen Lösung der Haftung bei Arbeitsunfall durch pauschale Versicherungsbeiträge des Arbeitgebers schwindet das Bedürfnis nach einer allgemeinen Regelung der G. Diese wird Einzelgesetzen überlassen (1871 Reichshaftpflichtgesetz, 1900 Wildschaden, Tierhaltung [im BGB, 30. 5. 1908 gemildert], 1909 Automobilgesetz, 1. 8. 1922 Luftfahrzeuge, 29. 4. 1940 Sachschäden durch Eisenbahn und Straßenbahn, 15. 8. 1943 Energieanlagen, 1957 Wasserhaushaltsgesetz, 1959 Stromgesetz, 1990 Produkthaftungsgesetz, 1991 Umwelthaftungsgesetz). In der Regel ist der Umfang der Haftung summenmäßig beschränkt.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 216, 242; Ogorek, R., Untersuchungen zur Entwicklung der Gefährdungshaftung, 1975; Baums, T., Die Einführung der Gefährdungshaftung, ZRG GA 104 (1987), 277; Gadow, O. v., Die Zähmung des Automobils, 2002

Gefahrenabwehr -> Gefahr, -> Polizei

gefahrgeneigte Tätigkeit ist im 20. Jh. in Deutschland diejenige Tätigkeit eines Arbeitnehmers, welche mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden des Arbeitnehmers, Arbeitgebers oder eines Dritten führt, für welche der Schädigende aus sozialen Gründen nicht nach den allgemeinen Haftungsgrundsätzen einstehen soll, so dass der Arbeitgeber ohne Verschulden einstehen muss. 1995 dehnt das Bundesarbeitsgericht diese Risikoverteilung auf alle Arbeitsverhältnisse aus, so dass die g. T. als solche überflüssig wird.

Lit.: Köbler, G., Mittlere Fahrlässigkeit und dogmatische Einordnung der Arbeitnehmerhaftung, AcP 1969, 404; Ehrenberg, S., Die rechtshistorischen Wurzeln des Begriffs der gefahrgeneigten Arbeit, Diss. jur. Frankfurt am Main 1998; Brandt, P., Geschichtliche Entwicklung, 1998

Gefahrtragung -> Gefahr

Gefälle sind im mittelalterlichen deutschen Recht Abgaben und Einkünfte.

Lit.: Kroeschell, DRG 2

Gefängnis ist ein für einen meist hoheitlich angeordneten Freiheitsentzug eines Menschen verwendetes Gebäude. Im Gegensatz zu dem deutlich älteren Freiheitsentzug durch Kriegsgefangenschaft oder zur Untersuchung wird der auch in Rom unbekannte Freiheitsentzug als Strafe erst seit dem 15. Jh. bedeutsamer. Das G. dieser Zeit ist einfach und unmenschlich, wogegen sich erstmals John Howard ([engl.] State of prisons in England and Wales, 1777, Der Zustand der Gefängnisse in England und Wales) wendet. Mit dem Allgemeinen Landrecht Preußens (1794) wird die Freiheitsstrafe wichtigste Strafe. Am 7. 6. 1923 vereinbaren die Länder des Deutschen Reiches Grundsätze für den Vollzug von Freiheitsstrafen. 1969 wird das G. verbal beseitigt (Justizvollzugsanstalt).

Lit.: Köbler, DRG 205; Quanter, R., Deutsches Zuchthaus- und Gefängniswesen, 1905, Neudruck 1970; Bohne, G., Die Freiheitsstrafe, Bd. 1f. 1922ff.; Hippel, R. v., Deutsches Strafrecht, Bd. 1 1925; Blesken, H., Ältere deutsche Gefängnisnamen, ZRG GA 80 (1963), 357; Lawn, E., Gefangenschaft, 1977; Zwicky, J., Das Gefängniswesen zur Zeit der Helvetik, Diss. jur. Zürich 1982; The Oxford History of the Prison, ed. by Morris, N., 1996; Schildt, B., Tumult und Aufruhr in Bernburg, in: Rechtsgeschichte in Halle, hg. v. Lieberwirth, R., 1998, 53; Krause, J., Gefängnisse im römischen Reich, 1996; Nutz, T., Strafanstalt als Besserungsmaschine, 2001

Gefolgschaft ist im germanischen Recht möglicherweise eine Gruppe (lat. [M.] comitatus, Begleitung) von um einen Adligen gescharten jungen Kriegern. Die Verbindung zu jüngeren Erscheinungen (z. B. Vasallität) ist ungesichert.

Lit.: Schlesinger, W., Herrschaft und Gefolgschaft in der deutschen Verfassungsgeschichte, HZ 176 (1953), 225; Kuhn, H., Die Grenzen der germanischen Gefolgschaft, ZRG GA 77 (1960), 1; Kroeschell, K., Haus und Herrschaft im frühen deutschen Recht, 1968; Olberg, G. v., Freie, Nachbarn und Gefolgsleute, 1983; Kristensen, A., Tacitus’ germanische Gefolgschaft, 1983; Kroeschell, K., Studien zum frühen und mittelalterlichen deutschen Recht, 1995, 183

Gegen den Lügner gibt es keine Redlichkeit. -> Lüge

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 231 (Graf/Dietherr 1864)

Gegenreformation ist die mit Hilfe staatlicher Gewalt ausgeführte Gegenbewegung der katholischen Kirche gegen die kirchliche Reformation Martin -> Luthers (1517) zwischen 1555 und 1648 bzw. die gewaltsame Rekatholisierung protestantisch gewordener Gebiete. Sie beruht gedanklich auf dem im Augsburger Religionsfrieden gesicherten Grundsatz (lat.) -> cuius regio, eius religio. Sie wirkt sich deutlich in Bayern, Fulda, Würzburg, Österreich (Böhmen), Oberpfalz und Kurpfalz aus, bis der Friede von Münster und Osnabrück 1648 den Untertanen den Bekenntnisstand des Jahres 1624 gewährt. In Spanien, Italien und Frankreich, Ungarn, Polen und dem Baltikum ist die G. ebenfalls erfolgreich, in England, den Niederlanden und Skandinavien scheitert sie.

Lit.: Köbler, DRG 130; Brandi, K., Gegenreformation und Religionskriege, 2. A. 1941; Zeeden, E., Das Zeitalter der Gegenreformation, 1967; Lutz, H., Reformation und Gegenreformation, 4. A. 1997; Herzig, A., Der Zwang zum rechten Glauben, 2000

Gegenzeichnung ist die Unterschrift eines zweiten Menschen nach der Unterschrift eines zu einer Handlung in erster Linie zuständigen Menschen. Sie wird seit dem 19. Jh. als G. eines Ministers (Preußen 1808) zur Einschränkung der Rechte des Monarchen verwendet.

Lit.: Köbler, DRG 193, 194; Schulz, A., Die Gegenzeichnung, 1978; Weber, C., Das Gegenzeichnungsrecht, 1997

Gehalt ist die alimentierende Vergütung des -> Beamten.

gehegtes Ding -> Hegung, Ding

geheimer Rat ist die Gesamtheit der den Fürsten nichtöffentlich beratenden Personen. Der geheime Rat entsteht zu Beginn der frühen Neuzeit in Frankreich und Burgund (1604). Er berät oder entscheidet in den wichtigsten Angelegenheiten (mit anderen Behörden). Er wird im 19. Jh. durch das Ministerium verdrängt. Der Titel Geheimer Rat wird 1919 beseitigt.

Lit.: Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsche Rechtsgeschichte, 19. A. 1992, §§ 35, 41; Hess, U., Geheimer Rat und Kabinett in den ernestinischen Staaten Thüringens, 1962; Matthias, E., Zwischen Räten und Geheimräten, 1970

geheimer Vorbehalt -> Mentalreservation

geheime Staatspolizei -> Gestapo

Lit.: Heuer, H., Geheime Staatspolizei, 1995

Gehilfenhaftung ist die Haftung eines Herrn für einen Gehilfen. Sie findet sich schon im römischen Recht ([lat.] -> noxae datio [F.]). Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) wird zwischen -> Erfüllungsgehilfen des rechtsgeschäftlichen Bereiches und -> Verrichtungsgehilfen des außerrechtsgeschäftlichen Bereiches unterschieden.

Lit.: Köbler, DRG 27, 214; Seiler, Die deliktische Gehilfenhaftung, JZ 1967, 525; Bodenhausen, E. Frhr. v., Haftung des Geschäftsherrn für Verrichtungsgehilfen, 2000

Geisel ist der in Gewahrsam genommene Mensch, der mit Freiheit oder Leben für die Erfüllung bestimmter Pflichten (oder das Erreichen eines sonstigen Zieles) haftet. Das vereinbarte Stellen und das einseitige Nehmen einer G. sind sehr alt. Sie finden sich sowohl unter Völkern wie auch unter einzelnen. Der bzw. die G. darf anfangs bei Nichterfüllung getötet oder verknechtet werden. Im Privatrecht endet das Tötungsrecht bereits früh und wird das Stellen oder Nehmen von Geiseln schon im frühen Mittelalter durch andere Sicherungsmittel ersetzt.

Lit.: Hübner; Köbler, DRG 74, 128; Köbler, WAS; Gierke, O., Schuld und Haftung im älteren deutschen Recht, 1910, 50, 127; Lutteroth, A., Der Geisel im Rechtsleben, 1922; Ogris, W., Die persönlichen Sicherheiten im Spätmittelalter, ZRG GA 82 (1965), 140

Geisteskranker ist der an einer erheblichen Störung der Geistestätigkeit leidende Mensch. Er ist als (lat. [M.]) -> furiosus im römischen Recht ohne weiteres geschäftsunfähig und deliktsunfähig. Auch das mittelalterliche deutsche Recht schließt den Geisteskranken vom Handeln im Rechtsverkehr aus. Am Ende des Spätmittelalters wird das römische Recht aufgenommen. Der Geisteskranke kann durch -> Entmündigung unter Vormundschaft gestellt werden. Zum 1. 1. 1992 wird in Deutschland die Entmündigung durch die -> Betreuung ersetzt.

Lit.: Kaser § 14 IV; Hübner; Köbler, DRG 36; Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981, Kap. III 6; Selesnick, S., Geschichte der Psychiatrie, 1969; Kuban, S., Das Recht der Verwahrung und Unterbringung, 1997; Platen-Hallermund, A., Die Tötung Geisteskranker, 3. unv. A. 1998

geistiges Eigentum -> Urheberrecht

Lit.: Wadle, E., Das geistige Eigentum in der Reichsverfassung, in: Verfassungsrecht und Völkerrecht, 1989, 929; Wadle, E., Geistiges Eigentum, Bd. 1f. 1996ff.

Geistliche Bank ist die Gesamtheit der geistlichen Fürsten eines Verfassungsgremiums (insbesondere des Reichstages des Heiligen Römischen Reiches [deutscher Nation]). 1792 umfasst die g. B. dort 35 Virilstimmen und 2 Kuriatstimmen der schwäbischen und rheinischen Prälatenbank mit zusammen zuletzt etwa 40 Mitgliedern.

Lit.: Domke, W., Die Virilstimmen im Reichsfürstenrath von 1495-1654, 1882; Conrad, H., Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 2 1966, 97

Geistlicher ist der Inhaber eines höheren kirchlichen Amtes der anerkannten öffentlichrechtlichen Religionsgemeinschaften (z. B. Priester). Er wird schon im Altertum vom Laien durch besonderes Recht geschieden. Infolge seiner Schriftkundigkeit ist er seinen Mitmenschen auch im Mittelalter überlegen. Zahlreiche Rechtsvorschriften gewähren ihm besonderen Schutz.

Lit.: Köbler, DRG 99; Prochnow, F., Das Spolienrecht und die Testierfreiheit der Geistlichen, 1919, Neudruck 1965; Reinhard, U., Untersuchungen zur Stellung der Geistlichkeit bei den Königswahlen, 1975; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983

Geistlicher Fürst ist der Landesherr (-> Fürst) des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation), dem seine Landesherrschaft auf Grund seines geistlichen Amtes zusteht (z. B. Erzbischof von Mainz). Am Beginn des 19. Jh.s umfassen die weltlichen Herrschaftsgebiete der (66) geistlichen Fürsten des Heiligen Römischen Reichs rund 95000 Quadratkilometer mit mehr als drei Millionen Einwohnern.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Geistliche Staaten in Oberdeutschland im Rahmen der Reichsverfassung, hg. v. Wüst, W., 2003

geistlicher Vorbehalt (lat. reservatum [N.] ecclesiasticum) ist der für den Fall eines Übertrittes eines Inhabers eines geistlichen Amtes vom katholischen Glauben zum protestantischen Glauben im Augsburger Religionsfrieden (1555) festgelegte Vorbehalt gegenüber dem Grundsatz (lat.) cuius regio, eius religio, dass der Inhaber des geistlichen Amtes zwar seine persönliche Rechtsstellung behält, aber sein geistliches Amt und die damit verbundenen Rechte aufgeben muss und das für die Besetzung der Stelle zuständige Gremium einen katholischen Nachfolger wählen kann. 1648 wird eine Garantie des Besitzstandes vom 1. 1. 1624 vereinbart.

Lit.: Brandi, K., Reformation und Gegenreformation, 1927

geistliches Recht (lat. ius [N.] canonicum) ist das die christliche(n) Kirche(n) betreffende, im Gegensatz zum weltlichen Recht (lat. ius [N.] civile) stehende Recht. -> Kirchenrecht

Lit.: Köbler, DRG 106; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983

Geld ist das (von einem Staat oder einer durch ihn ermächtigten Stelle beglaubigte,) zum Umlauf in der Öffentlichkeit bestimmte Zahlungsmittel. Im altrömischen Recht ist Tauschmittel anfangs das Vieh (lat. [N.] pecus -> lat. pecunia [F.] G.). Dann wird Rohkupfer zuerst gewichtsmäßig gehandelt und im 4. Jh. v. Chr. nach kleinasiatischem Vorbild (7. Jh., Griechenland 6. Jh. v. Chr.) in feste Größen mit zugehörigen Gewichtsangaben gebracht. Um 300 v. Chr. werden Münzen von 330 g (lat. libra [F.] Pfund) geschaffen, denen später Silbermünzen  (187 v. Chr. Silberdenar mit 10 As von 4,55 g Gewicht), seit Caesar (+ 44 v. Chr.) Goldmünzen (lat. [M.Pl.] aurei) folgen. Die Germanen kennen zwar römische Münzen, verwenden sie aber nicht als G. Im Frühmittelalter sind Pfennig, Schilling und Pfund hauptsächlich Rechnungseinheiten, wenn auch in karolingischer Zeit ein königlicher Silberdenar geprägt wird. Als Grabbeigaben aufgefundene Feinwaagen deuten darauf hin, dass auch bei Münzen das Gewicht des Metalls noch entscheidend ist. Im Hochmittelalter bewirkt das als einfachstes Tauschmittel anerkannte und damit als Zahlungsmittel wieder vorherrschende G. die Umwandlung der Naturalwirtschaft in die Geldwirtschaft. Seit der frühen Neuzeit tritt zum Metallgeld (Münze) das Papiergeld (18. Jh.) hinzu, seit der Mitte des 19. Jh.s zum Hartgeld und Zeichengeld das durch Guthaben bei einer Kontostelle gebildete unkörperliche Buchgeld (Giralgeld), seit dem Ende des 20. Jh.s das elektronisch gespeicherte Guthaben (Plastikgeld, Netzgeld). Für Münzen und Geldscheine gilt im wesentlichen das Recht der Sachen. Ungelöst ist die Problematik der Geldentwertung (Inflation), die aus dem Ungleichgewicht zwischen Geldmenge und Gütermenge erwächst.

Lit.: Kaser §§ 26 III, 32 II; Hübner; Köbler, DRG 96, 97, 119; Köbler, WAS; Taeubner, W., Geld und Kredit im Mittelalter, 1933; Nau, E., Epochen der Geldgeschichte, 1972; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte 1484-1914, 1975; Kiefner, H., Geld und Geldschuld in der Privatrechtsdogmatik des 19. Jahrhunderts, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 5 1980, 27; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte seit 1914, 1986; Spufford, P., Money, 2. A. 1989; North, M., Das Geld, 1994; Duncan-Jones, R., Money and Government, 1994; Howgego, C., Geld in der antiken Welt, 2000; Sprenger, B., Das Geld der Deutschen, 3. A. 2001; Ott, K., Geld und Geldwerttheorien, 1998; Weatherford, J., Eine kurze Geschichte des Geldes, 1999

Geldkondemnation (lat. condemnatio [F.] pecuniaria) ist im klassischen römischen Recht die (notwendige) Verurteilung des Schuldners auf den Schätzwert (lat. quanti ea res erit, was die Sache wert ist) einer streitigen bestimmten Sache im -> Formularverfahren. Sie soll es auch einem Dritten gestatten, den Beklagten auszulösen. Sie tritt im -> Kognitionsverfahren zurück.

Lit.: Kaser § 35 I 2; Söllner § 9; Köbler, DRG 33, 34, 42

Geldschuld ist die in Geld zu erfüllende Schuld. Die G. wird schon im römischen Recht als Gattungsschuld angesehen. Mit Ausweitung der Geldwirtschaft wird sie immer häufiger.

Lit.: Kiefner, H., Geld und Geldschuld in der Privatrechtsdogmatik des 19. Jahrhunderts, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H., Bd. 2 1977, 74ff.; Ahrens, M., Der mittellose Geldschuldner, 1994

Geldstrafe ist die auf Geldleistung an den Staat lautende -> Strafe. Vielleicht aus dem plebejischen Bereich stammend, ist sie bereits dem späteren altrömischen Recht bekannt. Im Frühmittelalter herrscht die davon zu unterscheidende, in Geld nur berechnete Buße des -> Kompositionensystems vor, von der nur ein Teil (lat. [M.]-> fredus) an die Allgemeinheit fällt. Die hoch- und spätmittelalterlichen peinlichen Strafen sind in Geld nur ablösbar. In der frühen Neuzeit schließt zwar die Constitutio Criminalis Carolina (1532) die G. aus, doch sehen die Reichspolizeiordnung von 1530, Landesordnungen und Stadtrechte in vielen Fällen G. vor. Das preußische Allgemeine Landrecht (1794) droht G. bei Münzdelikten, Bestechung, Wucher, Fälschung und Betrügerei an. Das preußische Strafgesetzbuch (1851) und das Reichsstrafgesetzbuch (1871) dehnen die G. aus. Die Strafrechtsreformen (9. 4. 1923, 1969, 1975) des 20. Jh.s verstärken diese Entwicklung. Dabei wird nach skandinavischem Vorbild die Höhe der G. von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters abhängig (sog. Tagessätze).

Lit. Köbler, DRG 20, 119, 158, 205, 236; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Gudian, G., Geldstrafrecht und peinliche Strafe im späten Mittelalter, FS A. Erler 1977, 273; Rüping, H., Grundriß der Strafrechtsgeschichte, 3. A. 1998; Stapenhorst, H., Die Entwicklung des Verhältnisses von Geldstrafe zu Freiheitsstrafe seit 1882, 1993

Geldwäsche

Lit.: Remmers, B., Die Entwicklung der Gesetzgebung zur Geldwäsche, 1998

Geldwirtschaft ist die auf den Gebrauch von -> Geld als Zahlungsmittel aufbauende Wirtschaft (z. B. seit dem Hochmittelalter). Die G. verdrängt die Naturalwirtschaft.

Lit.: Köbler, DRG 29, 96, 97

Gelegenheit macht Diebe.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 71 (Pistorius 1716)

gelehrter Richter ist der durch universitäre Ausbildung gekennzeichnete Richter. Der gelehrte Richter erscheint im 13. Jh. im kirchlichen Gericht (als -> Offizial). Im königlichen Kammergericht des Reiches begegnen Doktoren der Rechte seit dem Beginn des 15. Jh.s. Im Reichskammergericht muss 1495 die Hälfte der Beisitzer gelehrt sein. Erst später wird es üblich, dass der Richter als der Vorsitzende gelehrt ist. Im übrigen sind die Mitglieder der Gerichte bis in das 18. Jh. vielfach Laien. Im 18. Jh. werden die Assessorstellen der Obergerichte mit nach besonderen Vorschriften geprüften Juristen besetzt.

Lit.: Stölzel, A., Die Entwicklung des gelehrten Richtertums in deutschen Territorien, Bd. 1f. 1872; Lenel, P., Scheidung von Richter und Urteilern, ZRG RA 34 (1913), 440; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953, 53; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Gelehrte im Reich, hg. v. Schwinges, R., 1996; Verger, J., Le gens de savoir, 1997

gelehrtes Recht ist das an der Universität durch Lehre vermittelte Recht. G. R. ist demnach das römische (weltliche) Recht und das kirchliche (geistliche) Recht. Dem gelehrten Recht steht das einheimische Recht der einzelnen Rechtsgebiete gegenüber. In den Rechtsquellen der Neuzeit werden g. R. und einheimisches Recht in vielfältiger Weise zu neuen Einheiten verknüpft (-> Reformation, -> Kodifikation).

Lit.: Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechtes in Deutschland, 1962; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967; Budischin, H., Der gelehrte Zivilprozess in der Praxis geistlicher Gerichte, 1974; Fried, J., Die Entstehung des Juristenstandes im 12. Jahrhundert, 1974; Nörr, K., Zum institutionellen Rahmen der gelehrten Rechte im 12. Jahrhundert, FS H. Coing 1982, 233; Gouron, A., Zu den Ursprüngen des gelehrten Strafrechts, FS H. Thieme 1986, 43

Geleit ist die Begleitung und meist auch sichere Führung eines Reisenden (oder einer Sache durch Bewaffnete gegen Entgelt). Das G. zu gewähren ist im Mittelalter ein bedeutsames, Einkünfte und Gewalt vermittelndes Recht, das vom König auf den Landesherrn übergeht (Regal, Westfalen 1180). Freies G. ist das Recht auf ungehinderte Hinreise und Rückreise.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 113; Fiesel, L., Zum früh- und hochmittelalterlichen Geleitsrecht, ZRG GA 41 (1920), 1; Wiederkehr, G., Das freie Geleit, 1976; Müller, U., Das Geleit, 1991

Gelnhausen ist ein 1133 erstmals bezeugter Ort im unteren Kinzigtal, in dessen Pfalz 1180 das Verfahren gegen Herzog -> Heinrich den Löwen stattfindet, in dem er nach Landrecht in Acht getan und nach Lehnrecht seiner Herzogtümer -> Sachsen und -> Bayern verlustig erklärt wird, so dass die Herzogtümer in -> Länder aufgeteilt werden können. -> Konrad von G.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Güterbock, F., Die Gelnhäuser Urkunde und der Prozess Heinrichs des Löwen, 1920; Der Reichstag von Gelnhausen, hg. v. Patze, H., 1981; Zunft- und Handwerksurkunden der freien Reichsstadt Gelnhausen, hg. v. Weyrauch, T., 1996

Gelöbnis ist eine Erklärung, mit der jemand zustimmt (z. B. -> Erbenlaub) oder verspricht. Das G. erscheint bereits im Frühmittelalter (z. B. Urteilserfüllungsgelöbnis). Die Folgen des Bruches des Gelöbnisses hängen von verschiedenen Umständen ab und reichen von der Leistungsklage über die Schadensersatzklage, die Buße und die Geldstrafe bis zur -> Strafe an Leib und Leben.

Lit.: Hübner 521, 632, 677; Köbler, DRG 15; Puntschart, P., Schuldvertrag und Treugelöbnis, 1896; Gierke, O., Schuld und Haftung, 1910; His, R., Schlichtes Gelöbnis und Gelöbnis auf Treue, ZRG GA 41 (1920), 386; Strätz, H., Treu und Glauben, 1974

Geltung ist die Anwendbarkeit und die Anwendung. Ein Rechtssatz gilt rechtsdogmatisch, wenn eine entsprechende Sollensanforderung besteht. Er gilt rechtssoziologisch, wenn er tatsächlich angewendet wird.

Lit.: Vienken, T., Die Geltungsdauer rechtlicher Dokumente im früh- und hochmittelalterlichen Reich, 1942; Luig, K., Der Geltungsgrund des römischen Rechts im 18. Jahrhundert, in: Formazione storica, Bd. 2 1977, 819; Nehlsen, H., Aktualität und Effektivität der ältesten germanischen Rechtsaufzeichnungen, in: Vorträge und Forschungen 23 1977, 449; Wagner, W., Geltungsbereiche ausländischer Kodifikationen im Deutschen Reich, Ius commune 14 (1987), 203; Wesener, G., Einflüsse und Geltung des römisch-gemeinen Rechts in den altösterreichischen Ländern, 1989

Gemara (F.) -> Mischna

Gemeinde ist die einfache unmittelbare kommunale Gebietskörperschaft mit (vom Staat abgeleiteter) Gebietshoheit zur Selbstverwaltung universal überlassener örtlicher Aufgaben und zur Fremdverwaltung zugewiesener Aufgaben. Als solche Gemeinden sind im Altertum außer Rom (und anderen Stadtstaaten) die Provinzstädte anzusehen, für welche die Kaiser Gemeindeordnungen erlassen (z. B. Salpensa, Malaca, Irni[um]). Im deutschen Reich erscheint die G. (Stadt, Dorf) seit dem Hochmittelalter (12./13. Jh.). In der frühen Neuzeit verliert sie ihre älteren Rechte durch (vereinheitlichende) Maßnahmen des absoluten Staates (und der Grundherrschaft). Im 19. Jh. erhält die G. -> Selbstverwaltung (Preußen 19. 11. 1808 Städteordnung, 17. 3. 1831 revidiert, Bayern 1818/39, Württemberg 1822, Baden 1831 Gemeindegesetz, Sachsen 1832, Kurhessen 1834, Braunschweig 1834, Hannover 1851, Westfalen 1841 Landgemeindeordnung, Rheinprovinz 1845 Gemeindeordnung, Preußen 30. 9. 1853 Städteordnung, Bayern 1869 Gemeindeordnung, Preußen 1872 Kreisordnung, 1875 Provinzialordnung, 3. 7. 1891 Landgemeindeordnung [, Österreich 1849 provisorisches Gemeindegesetz, 1862 Reichsgemeindegesetz]). Vorübergehend beseitigen Drittes Reich und Deutsche Demokratische Republik die in Art. 127, 17 II WRV (und 28 GG) verfassungsmäßig garantierte Selbstverwaltung. Insgesamt bleibt die G. aber in durch Verwaltungsreformen vergrößertem Umfang bestehen.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 32 I 4; Köbler, DRG 197; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 726; Köbler, WAS; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Die Anfänge der Landgemeinde und ihr Wesen, hg. v. Mayer, T., Bd. 1f. 1964; Handbuch der bayerischen Ämter, Gemeinden und Gerichte 1799-1980, hg. v. Volkert, W., 1983; Steiner, P., Die Gemeinden, Räte und Gerichte im Nidwalden des 18. Jahrhunderts, Diss. jur. Basel 1986; Weiß, J., Die Integration der Gemeinden in den modernen bayerischen Staat, 1986; Wunder, H., Die bäuerlichen Gemeinden in Deutschland, 2. A. 1986; Ennen, E., Die europäische Stadt des Mittelalters, 4. A. 1987; Landgemeinde und Stadtgemeinde, hg. v. Blickle, P., 1991; Schachner-Blazizek, A., Gemeinderecht und Gemeindeverwaltung, 1995, Gemeinde und Staat im Alten Europa, hg. v. Blickle, P., 1997; Information, Kommunikation und Selbstdarstellung in mittelalterlichen Gemeinden, hg. v. Haverkamp, A., 1998; Gemeindeleben, hg. v. Rudert, T. u. a. 2001

Gemeinderecht ist die Gesamtheit der die -> Gemeinde betreffenden Rechtssätze. Im römischen Altertum erhalten die einzelnen Gemeinden in Italien zunächst eine ziemlich verschiedene Stellung als (lat.) oppidum (N.), colonia (F.) oder municipium (N.) mit teils eigener, teils römischer Verwaltung, bis vermutlich unter Caesar eine in Magistrate, Senat (lat. ordo [M.] decurionum, Gemeinderat) und Volksversammlung gegliederte, einheitliche Kommunalverfassung eingerichtet wird ([lat.] lex [F.] Iulia municipalis, julisches Stadtgesetz). Im deutschen Reich ist das G. unterschiedlich. Umfassende staatliche Regelungen werden erst im 19. Jh. geschaffen. 1935 wird eine einheitliche Deutsche Gemeindeordnung erlassen. Nach 1945 ist das G. wieder Landesrecht, so dass es sich von Land zu Land unterscheidet.

Lit.: Köbler, DRG 197, 198, 234, 259; Oberndorfer, P., Gemeinderecht und Gemeindewirklichkeit, 1971; Engeli, C./Haus, W., Quellen zum modernen Gemeindeverfassungsrecht in Deutschland, 1975; Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.; Low, P., Kommunalgesetzgebung im NS-Staat, 1992; Die bayerischen Gemeindeordnungen, hg. v. Knemeyer, F., 1994

Gemeinderschaft ist die aus der (von Brüdern gebildeten) Erbengemeinschaft der bäuerlichen Miterben entwickelte gesamthänderische Personenvereinigung des deutschen mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Rechts. Sie wird später weitgehend durch den Teilungsgrundsatz einerseits und durch das Anerbenrecht andererseits verdrängt.

Lit.: Hübner 154ff.; Huber, M., Die Gemeinderschaft der Schweiz, 1897

Gemeiner Pfennig ist die am 7. 8. 1495 im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) für vier Jahre eingeführte Abgabe (versuchte Kopfsteuer für die gesamte Bevölkerung). Der Gemeine Pfennig ist je nach Vermögen auf 1/24 Gulden, ½ Gulden und 1 Gulden festgesetzt. Er wird nur teilweise eingesammelt und nur teilweise an die sieben dazu bestimmten Schatzmeister abgeliefert.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Gothein, E., Der Gemeine Pfennig auf dem Reichstage von Worms, 1877; Schmidt, P., Der gemeine Pfennig von 1495, 1989

gemeines deutsches Privatrecht ist das dem gemeinen (römischen Privat-)Recht seit dem 17. Jh. (Conring, Thomasius, Beyer) gegenübergestellte Privatrecht deutschrechtlicher Herkunft (-> deutsches Privatrecht). Mit der Schaffung des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches (1896/1900) verliert es seine unmittelbare Geltung.

Lit.: Köbler, DRG 186, 205; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967

gemeines Recht ist das allgemeine Recht im Gegensatz zu einem besonderen Recht. Schon im römischen Recht ist eine derartige Gegenüberstellung eines (lat.) ius (N.) commune und mehrerer besonderer Rechte etwa der römischen Bürger oder eines räumlich bzw. ständisch bzw. personal abgegrenzten Bereiches bekannt. Sie findet sich vereinzelt auch im frühen Mittelalter, häufiger seit dem Hochmittelalter. Als g. R. kann dabei das römische Recht, das kirchliche Recht, das römische und kirchliche Recht oder auch ein sonstiges allgemeines Recht im Gegensatz zu einem besonderen Recht (einschließlich eines Privileges) bezeichnet werden. Im Verhältnis beider entwickeln die Juristen der oberitalienischen Städte im Hochmittelalter den Vorrang des eigenen besonderen Stadtrechts (Statutes) vor dem gemeinen Recht. Dem folgt § 3 der Reichskammergerichtsordnung von 1495, der wohl die redlichen ehrbaren und leidlichen Ordnungen, Statuten und Gewohnheiten der Fürstentümer, Herrschaften und Gerichte dem gemeinen Recht vorgehen lässt. Allerdings müssen sie redlich, ehrbar und leidlich sein und besonders vorgebracht, d.h. nachgewiesen werden. Weil die Anforderungen an diese Voraussetzungen verschärft werden, hat im 17. Jh. das gemeine Recht in der Form des römischen Rechts die Vermutung der Anwendbarkeit für sich. Im 18. Jh. wird das gemeine Recht durch die von ihm mitgeprägten Kodifikationen (ALR, ABGB) zurückgedrängt. Mit dem Inkrafttreten des -> deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches (1. 1. 1900) endet für 16,5 Millionen Menschen in Hessen, Thüringen, Braunschweig, Hannover, Oldenburg, Mecklenburg, Neuvorpommern, Rügen, Schleswig-Holstein usw. (insgesamt in 93 verschiedenen Gebieten) die unmittelbare Geltung des gemeinen Rechts in Deutschland. -> Allgemeines deutsches Recht, -> common law

Lit.: Söllner §§ 2, 3, 25; Köbler, DRG 107, 137, 184; Linck, H., De dubia ac difficili iuris communis definitione, 1680; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967; Bellomo, M., L’Europa del diritto comune, 1988; Gemeines Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft, hg. v. Müller-Graf, 1993; Schlosser, H., Grundzüge der Neueren Privatrechtsgeschichte, 8. A. 1996; Nève, P., (Europäisches) ius commune und (nationales) gemeines Recht, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997

gemeines Sachsenrecht ist das auf der Grundlage des -> Sachsenspiegels (1221-24), der Glosse zum Sachsenspiegel und der sog. Richtsteige (sowie des sächsischen Weichbildrechts [str.]) entwickelte, in Sachsen mehr oder weniger allgemein anerkannte Recht, dessen Durchsetzung vor allem die Schöffenstühle von Magdeburg, Leipzig und Halle, die juristischen Fakultäten in Leipzig, Wittenberg und Jena sowie die verschiedenen Hofgerichte fördern. Die Gesetze einzelner Länder engen zwar den Geltungsbereich des gemeinen Sachsenrechts ein, entwickeln dieses aber auch durch ihre Grundgedanken fort. Die Geltung des gemeinen Sachsenrechts betrifft das Kurfürstentum Sachsen (bis 1863/5), Schlesien, Brandenburg, die sachsen-ernestinischen Teilfürstentümer (z. B. Sachsen-Weimar-Eisenach, Sachsen-Coburg-Gotha, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Altenburg: „Thüringen“ bis 1900), Schwarzburg, Reuß, Anhalt (bis 1900), Hannover, Lüneburg, Lauenburg, Holstein, Braunschweig (bis 16. Jh.) und dazwischenliegende kleinere Länder. Mit dem Sächsischen Bürgerlichen Gesetzbuch (1863/5) und dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1. 1. 1900) wird die Geltung des gemeinen Sachsenrechts beendet.

Lit.: Weiske, J., Die Quellen des gemeinen sächsischen Rechts, 1846; Haubold, C., Lehrbuch des königlich-sächsischen Privatrechts, 3. A. 1847; Emminghaus, G., Pandekten des gemeinen sächsischen Rechts, 1848; Schultze von Lasaulx, H., Die Krise des gemeinen Sachsenrechts, FS J. Hedemann, 1938, 51

gemeines Strafrecht ist das auf der Grundlage der -> Constitutio Criminalis Carolina (1532), welche den örtlichen Gewohnheiten und Satzungen nachgehen will, gebildete deutsche Strafrecht des 16. bis 18. Jh.s.

Lit.: Kroeschell, DRG 2

Gemeinfreier ist der allgemeine -> Freie der germanischen Zeit und des frühen Mittelalters. Im Gegensatz zur klassischen Lehre der deutschen Rechtsgeschichte ist es in der Gegenwart streitig geworden, ob es in der fraglichen Zeit eine breite, „den Staat tragende“ Schicht freier Leute unter einem Adel mit schwach ausgeprägten Vorrechten gegeben hat. In jedem Fall nimmt die Zahl der Freien im Frühmittelalter infolge der Ausbreitung der -> Grundherrschaft ab.

Lit.: Köbler, DRG 71; Mayer, T., Königtum und Gemeinfreiheit im frühen Mittelalter, DA 6 (1943), 239; Das Problem der Freiheit, hg. v. Mayer, T., 4. unv. A. 1981

Gemeinschaft ist eine durch eine Gemeinsamkeit verbundene Mehrheit von Personen, insbesondere im Schuldrecht die gemeinschaftliche Inhaberschaft eines einzelnen Rechtes durch mehrere. G. ist im klassischen römischen Recht die vielleicht in den letzten vorchristlichen Jahrhunderten aus wirtschaftlichen Gründen entwickelte (lat.) -> communio (F.) pro indiviso, bei der über die ganze Sache alle Gemeinschafter zusammen verfügen können und jeder Gemeinschafter unabhängig von den anderen über seinen (rechnerischen) Anteil. Aufgelöst wird diese G. mit Hilfe der jederzeit möglichen allgemeinen Teilungsklage (lat. actio [F.] communi dividundo). Seit dem Spätmittelalter wird die römischrechtliche, dem Gesamthandsgrundsatz widersprechende G. in Deutschland übernommen.

Lit.: Kaser § 23 IV; Köbler, DRG 25; Conrad, H., Individuum und Gemeinschaft in der Privatrechtsordnung des 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts, 1956; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 293, 549

Gemeinschaftsrecht -> Europäische Gemeinschaft

Lit.: Emmerich, W., Gemeinschaftsrecht und nationale Rechte, 1971; Nicolaysen, G., Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1979

Gemeinwerk ist die vielleicht aus der mittelalterlichen Grundherrschaft entwickelte Pflicht der Mitglieder einer örtlichen Gemeinschaft zur tatsächlichen Leistung persönlicher Dienste zu Gunsten der Gemeinschaft. Seit dem 18. Jh. wird sie durch Abgaben bzw. Steuern ersetzt.

Lit.: Gremler, F., Die Naturaldienste im preußischen Gemeinderecht, Diss. jur. Bonn 1912; Durgiai, E., Das Gemeinwerk, Diss. jur. Bern 1943

Gemeinwohl (lat. salus [F.] publica) ist das allgemeine Wohl einer Gesellschaft. Das G. ist vielfach Ziel eines Staates (Wohlfahrtsstaat). Es kann dabei missbraucht werden.

Lit.: Stolleis, M., Gemeinwohlformeln im nationalsozialistischen Recht, 1974; Honsell, T., Gemeinwohl und öffentliches Interesse, ZRG RA 95 (1978), 93; Hibst, P., Utilitas publica, 1991; Gemeinwohl, Freiheit, Vernunft, Rechtsstaat, hg. v. Ebel, F., 1995; Gemeinwohl und Gemeinsinn. Historische Semantiken politischer Leitbegriffe, hg. v. Münkler, H. u. a., 2001

Genealogie (F.) Familienkunde

Lit.: Köbler, DRG 2; Forst de Battaglia, O., Wissenschaftliche Genealogie, 1948; Melville, G., Vorfahren und Vorgänger, in: Die Familie als sozialer und historischer Verband, 1987, 203; Europäische Stammtafeln, hg. v. Schwennicke, D., 1998

Genehmigung ist die Erklärung des Einverständnisses mit dem Verhalten eines anderen. Sie ist bereits dem römischen Recht bekannt. Sie entwickelt sich im Verwaltungsrecht zu einer Erlaubnis oder zu einer nachträglichen Billigung, im Privatrecht zur nachträglichen Zustimmung zu einem Rechtsgeschäft.

Lit.: Kaser §§ 11 IV, 49 II, 53 I; Kroeschell, DRG 2

Generalauditeur ist im 17. Jh. nach schwedischem Vorbild im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) der Leiter der Rechtspflege des Heeres. 1898 wird der G. durch die Militärstrafgerichtsordnung beseitigt.

Lit.: Meyer, O., Die Stellung des preußischen Generalauditeurs, Arch. Mil.R. 3 (1911/2), 138, 4 (1912/3), 349

Generaldirektorium (Generaloberfinanzkriegs- und -domänendirektorium) ist die aus einer zentralen Fachbehörde der Domänenverwaltung und aus dem Generalkriegskommissariat erwachsene oberste Behörde in -> Preußen im 18. Jh.

Lit.: Hartung, F., Die Entwicklung des Generaldirektoriums in Preußen 1723-1876, FuF 18 (1942), 110

Generalhypothek ist die im römischen Recht mögliche -> Hypothek am ganzen Vermögen eines Pfandschuldners. Sie wird teilweise in der Neuzeit in Deutschland aufgenommen. Sie verunsichert durch fehlende Offenkundigkeit das Kreditwesen, weshalb sie später beseitigt wird.

Lit.: Kaser § 31; Köbler, DRG 41; Wagner, H., Voraussetzungen, Vorstufen und Anfänge der römischen Generalverpfändung, 1967; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Generalklausel ist ein nur einen allgemeinen Grundsatz aufstellender, die konkrete Bestimmung im Einzelfall den Gerichten überlassender Rechtssatz. Die G. hat den Vorzug der Offenheit für nichtvorhersehbare Umstände für sich und den Nachteil der Rechtsunsicherheit gegen sich. Im 20. Jh. wird dem Gesetzgeber die Flucht in die Generalklauseln vorgehalten.

Lit.: Köbler, DRG 229; Hedemann, J., Die Flucht in die Generalklauseln, 1933; Börner, F., Die Bedeutung der Generalklauseln, 1989

Generalprävention ist derjenige -> Strafzweck, welcher auf allgemeine Vorbeugung gegenüber Straftaten durch Abschreckung auch unbekannter Dritter gerichtet ist (Feuerbach 1813).

Lit.: Köbler, DRG 204; Rüping, H., Grundriß der Strafrechtsgeschichte, 3. A. 1998

Generalstaatsanwalt ist der oberste Leiter einer gesamten Staatsanwaltschaft (z. B. DDR).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.

Generalstände (M.Pl.) allgemeine -> Stände

Lit.: Bulst, L., Die französischen Generalstände, 1992

Genf am Ausfluss der Rhone aus dem Genfer See wird um 400 Sitz eines Bischofs. Seit 1536 wirkt dort Calvin reformatorisch. 1815 wird G. Mitglied der Eidgenossenschaft der -> Schweiz. Im frühen 19. Jh. werden Privatrecht und Prozessrecht gesetzlich geregelt (-> Bellot). 1873 erlangt G. eine Universität.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,450, 3,2,1866; Histoire de Genève, hg. v. Guichonnet, P., 3. A. 1986

Genfer Konvention ist eine (seit dem 22. 8. 1864) in Genf abgeschlossene völkerrechtliche Vereinbarung (z. B. zur Humanisierung des Kriegsrechts).

Lit.: Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994

Genosse -> Genossenschaft

Genossenschaft ist eine Personenvereinigung zur Erfüllung der von ihren Mitgliedern (Genossen) angestrebten Zwecke, insbesondere der Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaft mittels gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebs. Ihre ältesten Formen betreffen die vielleicht von Verwandtschaften ausgehende gemeinsame Nutzung von Land. Bedeutsam ist die möglicherweise noch ins Frühmittelalter reichende -> Markgenossenschaft. Besondere Erwähnung verdient auch die durch eidlich bestärkte Vereinbarung entstehende -> Eidgenossenschaft. Eine stärkere Verfestigung zeigt die im 12. Jh. sichtbare (als G. erklärbare) Stadtgemeinde. Genossenschaftlich organisiert sind im Hochmittelalter auch -> Gemeinderschaft, -> Zunft, Bruderschaft, -> Universität, bergrechtliche -> Gewerkschaft, Waldgenossenschaft und Deichgenossenschaft. In der frühen Neuzeit drängt der Einfluss der gelehrten Rechte die G. zugunsten der römischrechtlichen (lat. [F.]) -> societas bzw. (lat. [F.]) -> universitas zurück. Die hierauf gegründete Theorie des 19. Jh.s, dass die -> juristische Person eine Fiktion sei, wird von Georg von -> Beseler und Otto von -> Gierke (Theorie der realen Verbandspersönlichkeit) bekämpft. In Preußen bzw. dem Norddeutschen Bund wird 1867/8, in Österreich am 9. 4. 1873 ein Gesetz betreffend die G. (Gesellschaft mit offener Mitgliederzahl, bei Eintragung in das Genossenschaftsregister juristische Person) geschaffen (Konsumgenossenschaft, Raiffeisengenossenschaft, Wohnungsbaugenossenschaft).

Lit.: Hübner 123ff.; Köbler, DRG 96, 121, 174, 177, 207, 218; Köbler, WAS; Gierke, O. v., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1ff. 1868ff.; Bader, K., Das mittelalterliche Dorf, Bd. 1ff. 1957ff.; Faust, H., Geschichte der Genossenschaftsbewegung, 1965; Bludau, K., Nationalsozialismus und Genossenschaften, 1968; Laufs, A., Genossenschaftsdoktrin und Genossenschaftsgesetzgebung vor 100 Jahren, JuS 1968, 311; Spindler, H., Von der Genossenschaft zur Betriebsgemeinschaft, 1982; Schröder, J., Zur älteren Genossenschaftstheorie, Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/3), 399; Gericht, Genossenschaft und Policey, hg. v. Dilcher, G. u. a., 1986; Hettrich, E./Pöhlmann, P., Genossenschaftsgesetz, 1995; Hardtwig, W., Genossenschaft, Sekte, Verein, 1997; Helin, I., Vom Brodverein zur co op, 1998; Zinke, J., Die Entwicklung der landwirtschaftlichen Genossenschaften in der Weimarer Republik, 1999; Kattinger, D., Die gotländische Genossenschaft, 1999; Peters, M., Die Genossenschaftstheorie Otto von Gierkes, 2002; Schneider, R., Altrechtliche Personenzusammenschlüsse, 2003

Genossenschaftsgesetz -> Genossenschaft

Genozid (N., M.,) -> Völkermord

Lit.: Grenke, A., der Genozid in der Weltgeschichte, 2001

Gent an der Leie (7./8. Jh. [lat.] pagus [M.] Gandao) erscheint im 10. Jh. als Handelsort. Im 12. Jh. erlangen die Kaufleute wichtige Rechte. 1879 wird G. Sitz einer Universität.

Lit.: Verhulst, A., Die Frühgeschichte der Stadt Gent, FS Edith Ennen, 1972, 108; Gent, red. Decavele, J., 1989

Gentechnologie seit 20. 6. 1990 Gesetz

Gentile ist der Angehörige eines Sippenverbandes (lat. [F.] gens) im römischen Recht. Er ist nachrangig Erbe.

Lit.: Kaser § 12 I 1; Söllner §§ 4, 8; Köbler, DRG 21

Gentili, Alberico (1552-1608) wird nach dem Rechtsstudium in Perugia Richter in Ascoli. Auf der Flucht der Familie vor der Inquisition gelangt er 1581 nach Oxford (1587 Professor für civil law) und veröffentlicht vor allem bedeutende völkerrechtliche (kriegsrechtliche) Werke (De iure belli commentationes [F.Pl.] tres, 1588f., Drei Abhandlungen zum Kriegsrecht). Nach 1590 wird er als Anwalt tätig.

Lit.: Hugo Grotius and International Relations, hg. v. Bull, H. u. a., 1990, 133

gentry (engl.) Landadel (seit 15. bzw. 16. Jh.)

Lit.: Gentry, hg. v. Jones, M., 1986

Genua am südlichen Steilabfall der Alpen zum Mittelmeer kommt über Römer, Ostgoten, Byzantiner und Langobarden an die Franken. Seit dem 10. Jh. erlangt es eine eigene Verwaltung. Vielfach unter fremder Herrschaft, wird es 1815 mit dem Königreich Sardinien-Piemont (1861 Italien) vereinigt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,162; Airaldi, G., Genova, 1986

genus perire non censetur (lat.). Von einer Gattung wird nicht angenommen, dass sie untergeht.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 80, Nr. 7

Gény, François (1861-1959) kommt über Algier (1887) und Dijon (1892) nach Nancy (1901, 1905 ordentlicher Professor für bürgerliches Recht) und verfasst bedeutsame Studien über Natur und Methode des Privatrechts (Méthode d’interprétation et sources en droit privé positif, 1899, Science et technique en droit privé positif, 1913ff.).

Lit.: Dabin, J. u. a., Le centenaire du doyen François Geny, 1963

geometricus -> mos geometricus

Georgenberger Handfeste ist die umfangreichere (von mehreren) Urkunde(n) über den am 17. 8. 1186 auf dem im Bereich der Stadt Enns liegenden St. Georgsberg (Georgenberg) (mündlich) abgeschlossenen Erbvertrag zwischen Herzog Otakar IV. von -> Steiermark und Herzog Leopold V. von -> Österreich, auf Grund dessen mit dem Tod Otakars IV. 1192 die Steiermark an Österreich fällt.

Lit.: Köbler, DRG 94; Baltl/Kocher; Spreitzhofer, K., Die Georgenberger Handfeste, 1986

Gerade ist vielleicht schon im germanischen Recht die Ausrüstung der Braut für die Verheiratung (vgl. rhedo in der [lat.] Lex [F.] Thuringorum [802] und mahalareda in der [lat.] Lex [F.] Burgundionum [um 500]). Im Hochmittelalter umfasst sie im Verbreitungsgebiet des Sachsenspiegels Schmuck, Kleider, Gefäße und Hausrat (Bett, Kiste, Gebetbuch, vielleicht Gänse, Enten, Schafe). Beim Tod des Hausvaters fällt sie (vor allem in der Stadt) als Voraus an die Ehefrau, beim Tod der Frau (vor allem auf dem Land) an eine bestimmte nichtverheiratete weibliche Verwandte (oder einen Geistlichen).

Lit.: Hübner 664, 739; Köbler, DRG 89, 123, 162; Frommhold, E., Das Recht der Gerade, Diss. jur. Leipzig 1934; Bungenstock, W., Heergewäte und Gerade, Diss. jur. Göttingen 1966; Ottenjohann, H., Das Sondervermögen „Gerade“, in: Aus dem Leben gegriffen, 1995, 379; Gottschalk, K., Streit um Frauenbesitz, ZRG GA 114 (1997), 182

Gerber, Karl Friedrich Wilhelm (Ebeleben 11. 4. 1823 - Dresden 23. 9. 1891) wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig und Heidelberg (Hänel, Albrecht, Puchta, Mittermaier, Vangerov) 1844 außerordentlicher Professor in Jena, 1847 ordentlicher Professor in Erlangen, 1851 Tübingen und 1863 Leipzig. 1871 wird er Kultusminister Sachsens. 1846 legt er eine Untersuchung über das wissenschaftliche Prinzip des ->gemeinen deutschen Privatrechts vor, in der er das deutsche Recht statt als Rechtsquelle als bloßes System von Rechtsgedanken (Geist des deutschen Rechts) versteht. Hierauf gründet er sein erfolgreiches romanistisch beeinflusstes Lehrbuch System des deutschen Privatrechts (1848/9), in welchem er den Geist des deutschen Rechts in konkrete juristische Sätze fasst. 1852 lässt er die auf den Willensäußerungen der einzelnen als Glieder der Volksverbindung beruhende Untersuchung über öffentliche Rechte folgen, die 1865 zu Grundzügen eines Systems des deutschen Staatsrechts (mit den vier Abteilungen Staatsgewalt [Willensmacht des Staates], Organe des Staates, [Formen der] Willensäußerungen des Staates, Rechtsschutz) werden, die den -> Staat als -> juristische Person verstehen und die moderne deutsche Staatsrechtswissenschaft begründen.

Lit.: Köbler, DRG 205; Wilhelm, W., Zur juristischen Methodenlehre im 19. Jahrhundert, 1958; Pauly, W., Der Methodenwandel im deutschen Spätkonstitutionalismus, 1993

gerechter Krieg (lat. bellum [N.] iustum) ist der gerechtfertigte Fall einer gewaltsamen Auseinandersetzung von Völkern oder Staaten. Nach Cicero (106-43 v. Chr.) begründen Rache und Vertreibung von Feinden allein den gerechten Krieg. In gleicher Weise anerkennt das Christentum (Augustinus 354-430) Verteidigung und Strafe als Grund eines gerechten Krieges, zu dem noch die rechte Gesinnung des Kriegführenden hinzukommen muss. Thomas von Aquin (um 1270) fordert die (lat. [F.]) auctoritas des Herrschers, den gerechten Grund und die rechte Einstellung. Francisco de Vitoria begründet die Lehre vom beiderseits gerechten Krieg. Nach Alberico Gentili (1588) schränkt Grotius (1583-1643) demgegenüber dahin ein, dass zwar nur einer der Kriegsführenden im Recht sein könne, beide aber in gutem Glauben streiten könnten. Im 18. Jh. wird auf eine Untersuchung von ungerechten Kriegen und gerechten Kriegen verzichtet. Im 19. Jh. herrscht die Lehre vom freien Kriegsführungsrecht der souveränen Staaten. Dagegen erfolgt nach dem Ersten Weltkrieg eine Rückkehr zur Lehre vom gerechten Krieg, so dass der Angriffskrieg verboten wird.

Lit.: La Paix, 1961, Recueils de la Société Jean Bodin 15; Tooke, J., The Just War in Aquinas and Grotius, 1965; Russel, F., The Just War, 1975; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994

gerechter Preis -> Preis

Gerechtigkeit ist das zeitlos gültige Maß richtigen Verhaltens. Bereits Aristoteles (384-322 v. Chr.) unterscheidet die ausgleichende G. (lat. iustitia [F.] commutativa) zwischen den einzelnen und die austeilende G. (lat. iustitia [F.] distributiva) zwischen Allgemeinheit und einzelnen. Ulpian (170-223) erklärt die G. (lat. [F.] iustitia) als den ständigen Willen, jedem sein Recht dadurch zu gewähren, dass man ehrbar lebt, den anderen nicht verletzt und jedem das Seine gibt. Das Christentum bestimmt die G. durch die in der Natur sich zeigende göttliche Ordnung. Seit der Neuzeit versucht der Mensch die G. mit Hilfe der (der Natur des Menschen entsprechenden) Vernunft zu ermitteln. Die G. vollkommen zu verwirklichen, muss dabei wohl als wünschenswertes Ideal angesehen werden, das tatsächlich nicht oft genug erreicht wird.

Lit.: Köbler, DRG 2, 254; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1984, 231; Welzel, H., Naturrecht und materiale Gerechtigkeit, 4. A. 1962; Kissel, O., Die Iustitia, 2. A. 1997; Schimmler, B., Recht ohne Gerechtigkeit, 1984; Dickhuth-Harrach, H. v., Gerechtigkeit statt Formalismus, 1986; Recht und Gerechtigkeit im Spiegel der europäischen Kunst, hg. v. Pleister, W. u. a., 1988; Gerechtigkeit, hg. v. Assmann, J. u. a., 1997; Manthe, U., Beiträge zur Entwicklung des antiken Gerechtigkeitsbegriffes, ZRG RA 114 (1997), 1; Prodi, P., Eine Geschichte der Gerechtigkeit, 2003

Gerhabe ist eine mittelalterliche Bezeichnung für den -> Vormund.

Gericht ist die (staatliche) Einrichtung, welche die Entscheidung in Streitigkeiten durch Rechtsanwendung ausüben soll. Das altrömische Recht unterscheidet dabei (im Zivilverfahren) zwischen dem G. (lat. [N.] ius) und dem Richter (lat. [M.] iudex). Das G. findet auf dem Markt (lat. [N.] forum) vor dem zuständigen Magistrat (seit 367 v. Chr. lat. [M.] praetor) statt, der darüber entscheidet, ob die Rechtsordnung für das Begehren des Verfolgers einen Schutz (lat. [F.] actio) enthält und danach gegebenfalls unter Auswahl oder Auslosung seitens der Parteien den Richter ermittelt. Seit Augustus (63 v. Chr. - 14 n. Chr.) tritt an die Stelle von Magistrat und Richter der einheitliche öffentliche Amtsträger des -> Kognitionsverfahrens, der untersucht und entscheidet. Bei den Germanen finden demgegenüber die Entscheidungen in Streitigkeiten anfangs vermutlich in der vom König oder mehreren Großen geleiteten -> Volksversammlung unter freiem Himmel statt, wobei ein Entscheidungsvorschlag aus dem -> Umstand vorgebracht wird. Im Frühmittelalter leitet zunächst der König oder der (fränkische) (lat.-ad. [M.]) -> thunginus (Dingmann) die Versammlung auf dem -> Malberg, und -> Rachinburgen schlagen ein Urteil vor. Später verdrängt der -> Graf den thunginus. Zwischen 770 und 780 ersetzt Karl der Große die Rachinburgen durch -> Schöffen als Urteiler. Im geistlichen Gericht (Lüs. aus lat. [F.] correctio?) des fränkischen Reiches entsprechen dem Bischof bzw. Archidiakon bzw. Archipresbyter und Sendschöffen, bis seit dem späten 12. Jh. (Reims, Mainz), allgemeiner seit 1246 der gelehrte -> Offizial des Bischofs als ständiger, ordentlicher (berufsmäßiger) Einzelrichter, der selbst entscheidet, erscheint. Noch im Reichskammergericht (1495) ist der Richter grundsätzlich nur Verhandlungsleiter und ist die Hälfte der Beisitzer (Assessoren) nur adlig und (zunächst) nicht rechtsgelehrt. Im Laufe der frühen Neuzeit wird das mehr und mehr in festen Gebäuden tagende G. aber zunehmend mit rechtsgelehrten Berufs­juristen besetzt. Demgegenüber belebt der Liberalismus des 19. Jh.s das Laienelement wieder (-> Schwurgericht). In der Gegenwart ist in Deutschland die -> Gerichtsbarkeit in unterschiedliche Zweige von Gerichten (ordentliches Gericht, Arbeitsgericht, Finanzgericht, Sozialgericht, Verfassungsgericht, Verwaltungsgericht) gegliedert. Diese sind in mehrere Instanzen gestuft (z. B. Amtsgericht, Landgericht, Oberlandesgericht, Bayerisches Oberstes Landesgericht, Bundesgerichtshof). Die meisten der sehr vielen Rechtsstreitigkeiten werden durch Berufsrichter entschieden.

Lit.: Kaser §§ 80ff.; Köbler, DRG 111, 116, 150; Köbler, WAS; Luschin von Ebengreuth, A., Geschichte des älteren Gerichtswesens in Österreich, 1879; Rosenthal, E., Geschichte des Gerichtswesens und der Verwaltungsorganisation Baierns, Bd. 1 1889, Neudruck 1968, 1984; Lenel, P., Die Scheidung von Richter und Urteilern, ZRG RA 34 (1913), 440; Braun, E., Die Entwicklung der Gerichtsstätten in Deutschland, Diss. jur. Erlangen 1944; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Eberhard, H., Die Gerichtsorganisation der Landgrafschaft Thüringen im Mittelalter, ZRG 75 (1958), 108; Köbler, G., Richten, Richter, Gericht, ZRG GA 87 (1970), 57; Müller-Volbehr, J., Die geistlichen Gerichte in den Braunschweig-Wolfenbüttelschen Landen, 1972; Köbler, G., Gericht und Recht in der Provinz Westfalen (1815-1945), FS G. Schmelzeisen, 1980, 166; Schubert, W., Die deutsche Gerichtsverfassung 1869-1877, 1981; Drüppel, H., Iudex civitatis, 1981; Keller, O., Die Gerichtsorganisation des Raumes Marburg im 19. und 20. Jahrhundert, 1982; Handbuch der bayerischen Ämter, Gemeinden und Gerichte, hg. v. Volkert, W., 1983; Schumacher, U., Staatsanwaltschaft und Gericht im Dritten Reich, 1985; Turner, R., The English Justiciary, 1985; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Recht, Gericht, Genossenschaft und Policey, hg. v. Dilcher, G. u. a., 1986; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Prozessflut?, hg. v. Blankenburg, E., 1989; Das Oberste Gericht der DDR, 1989; Klemmer, K./Wassermann, R./Wessel, T., Deutsche Gerichtsgebäude, 1993; Justizgebäude in Sachsen, 1995; Ishikawa, T. Das Gericht im Sachsenspiegel, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Lück, H., Die kursächsische Gerichtsverfassung, 1997; Zehetmayer, R., Kloster und Gericht, 2001

gerichtliche Medizin ist die rechtlich bzw. verfahrensrechtlich bedeutsame Medizin. Im Mittelalter werden allmählich ärztliche Sachverständige in das Verfahren vor Gericht eingeführt. Die erste bekannte richterliche Leichenöffnung findet in Bologna 1302 statt. Die Constitutio Criminalis Carolina (1532) behandelt die Bedeutung verständiger Frauen und verständiger Ärzte für das Strafverfahren allgemein. Im 18. Jh. erscheint die (lat.) medicina (F.) forensis als Vorlesung an den Universitäten. Eigene Lehrstühle folgen etwas später nach (Wien 1804, Prag 1807). 1901 wird im Deutschen Reich g. M. Pflichtfach des Studiums.

Lit.: Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 1970; Bader, K., Ärztliche Sachverständige im Mittelalter, 1976

Gerichtsakte ist die (seit dem 14. Jh. einsetzende) -> Akte eines Gerichts.

Lit.: Kroeschell, DRG 2

Gerichtsbarkeit ist die auf Verwirklichung der bestehenden Rechtsordnung gerichtete Tätigkeit (des Staates bzw. der Allgemeinheit) (Judikative). -> Gericht

Lit.: Kaser §§ 80, 87; Brand, E., Eidgenössische Gerichtsbarkeit, Bd. 1ff. 1952ff.; Hirsch, H., Die hohe Gerichtsbarkeit, 2. A. 1958; Tomaschek, Die höchste Gerichtsbarkeit des deutschen Königs und Reiches im 15. Jahrhundert, 1965; Hageneder, O., Die geistliche Gerichtsbarkeit in Ober- und Niederösterreich, 1967; Laufs, A., Die Anfänge einheitlicher höchster Gerichtsbarkeit in Deutschland, JuS 1969, 256; Nordhoff-Behne, H., Gerichtsbarkeit und Strafrechtspflege in der Reichsstadt Schwäbisch-Hall, 1971; Modéer, K., Gerichtsbarkeiten der schwedischen Krone im deutschen Reichsterritorium, Bd. 1 1975; Müller-Kinet, H., Die höchste Gerichtsbarkeit im deutschen Staatenbund 1806-1866, 1975; Globig, G., Gerichtsbarkeit als Mittel sozialer Befriedung, 1985; Schild, W., Alte Gerichtsbarkeit, 2. A. 1987; Schild, W., Geschichte der Gerichtsbarkeit, 1995; Oberste Gerichtsbarkeit, hg. v. Diestelkamp, B., 1996; Harendil, H., Gesellschaftliche Gerichtsbarkeit, 1997; Royer, J., Histoire de la justice en France, 1997; Albert, D., Der gemeine Mann vor dem geistlichen Richter, 1998; Drecktrah, V., Die Gerichtsbarkeit in den Herzogtümern Bremen und Verden, 2002

Gerichtsbuch ist das bei einem -> Gericht geführte Buch über gerichtliche Handlungen der streitigen oder freiwilligen Tätigkeit (z. B. Urteile, Rügen, Klagen, Protokolle, Vergleiche, Rechtsgeschäfte). Gerichtsbücher sind beispielsweise überliefert aus den Städten Worms, Bamberg, Bingen, Stralsund, Luckau und aus vielen Dörfern (z. B. Niederingelheim, Eppelsheim, Hamm, Erpolzheim, vor allem in Bayern, Pfalz, Schlesien und Brandenburg).

Lit.: Rehme, P., Über Stadtbücher als Geschichtsquelle, 1913; Schultheiß, W., Über spätmittelalterliche Gerichtsbücher aus Bayern und Franken, FS H. Liermann, 1964, 264

Gerichtsgebrauch ist die an einem oder mehreren Gerichten geübte besondere Art der Rechtsanwendung.

Lit.: Schumacher, D., Das Rheinische Recht, 1970

Gerichtsgefälle sind die an ein -> Gericht zu erbringenden Leistungen. Sie dienen der Unterhaltung der mit der Gerichtsbarkeit betrauten Menschen. Zu ihnen gehört z. B. das Friedensgeld. Seit dem Mittelalter begegnen sich Geldleistungen für einzelne Gerichtshandlungen, wie beispielsweise auch für die Tätigkeit des -> Gerichtsschreibers. Hieraus entwickeln sich bis zum Beginn der Neuzeit an vielen Stellen besondere Ordnungen für im voraus zu erhebende -> Gebühren, welche der im Verfahren Unterliegende zu erstatten hat. Später finden die G. über den allgemeinen Staatshaushalt Verwendung zur Besoldung des Gerichtspersonals mit festen Gehältern.

Lit.: Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953, 75ff.

Gerichtshof ist ein mit mehreren Richtern besetztes (oberes) Gericht bzw. ein Hof, an dem Gericht gehalten wird.

Lit.: Zimmermann, R., Der oberste Gerichtshof für die britische Zone (1948-1950), ZNR 3 (1981), 158

Gerichtsmedizin ist die für gerichtliche Zwecke notwendige medizinische Betrachtung.

Lit.: Lorenz, M., Kriminelle Körper – Gestörte Gemüter, 1999; Herber, F., Gerichtsmedizin unterm Hakenkreuz, 2002

Gerichtsordnung ist die Gesamtheit der für ein -> Gericht unmittelbar geltenden Rechtssätze. Sie entwickelt sich aus dem von der Kirche geförderten Gedanken, dass ein rechtliches Verfahren in klarer Weise geordnet sein soll (lat. ordo [M.] iudiciarius). In der Neuzeit wird hieraus die -> Prozessordnung.

Lit.: Meier, A., Die Geltung der Peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karls V. im Gebiete der heutigen Schweiz, 1910; Meyer, D., Gerichtsverfahren und Zivilprozess nach der Solmser Gerichtsordnung von 1571, Diss. jur. Göttingen 1972; Kleinheyer, G., Die Regensburger peinliche Gerichtsordnung, FS H. Krause 1975, 110; Dank, E., Die Appellationsvorschriften der bayerischen Gerichtsordnung von 1520, 1977; Loschelder, M., Die Österreichische Allgemeine Gerichtsordnung von 1781, 1978; Bader, K., Landes- und Gerichtsordnungen im Gebiet des Fürstentums Fürstenberg, FS G. Schmelzeisen, 1980, 9

Gerichtsschreiber ist der wohl seit dem 14. Jh. an einzelnen -> Gerichten zur Aufzeichnung von Rechtshandlungen bestellte besondere -> Schreiber. Seine Rechtskenntnisse sind vielfach denen des ungelehrten Richters und der ungelehrten Schöffen überlegen. 1923/7 wird im Deutschen Reich die Amtsbezeichnung G. durch Urkundsbeamter ersetzt.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Battenberg, F., Gerichtsschreiberamt und Kanzlei des Reichshofgerichts 1235-1491, 1974; Dumke, D., Vom Gerichtsschreiber zum Rechtspfleger, 1993

Gerichtsstab -> Richterstab

Lit.: Rintelen, M., Der Gerichtsstab in den österreichischen Weistümern, FS H. Brunner, 1910, 631; Kocher, G., Richter und Stabübergabe, 1971

Gerichtsstand ist die örtliche, teilweise auch sachliche Zuständigkeit eines Gerichts. Nach dem G. entscheidet sich, ob eine an einem Gericht erhobene Klage zulässig ist. Der G. ist spätestens seit dem Hochmittelalter sehr bedeutsam.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Battenberg, F., Die Gerichtsstandsprivilegien der deutschen Kaiser und Könige, 1983; Hubig, S., Die historische Entwicklung des § 23 ZPO, 2002

Gerichtsverfahren ist das vor und von -> Gerichten durchgeführte Verfahren. Dabei wird bereits im altrömischen Recht zwischen Zivilverfahren und Strafverfahren und zwischen Erkenntnisverfahren und Vollstreckungsverfahren unterschieden. Allerdings setzt sich das G. nur langsam gegenüber der -> Selbsthilfe des Verletzten durch. Mit der Entwicklung Roms zum Weltreich wird dabei die gerichtliche Tätigkeit des Staates immer umfassender. Umgekehrt ist auch in den germanischen Anfängen das G. gegenüber der -> Selbsthilfe (-> Fehde) selten. König und Kirche fördern das G. seit dem Frühmittelalter. Auf die Klage des Verletzten und die Klagantwort des Beklagten entscheiden die unter der Leitung des -> Richters versammelten -> Schöffen den Streit durch ein meist zweizüngiges -> Urteil. Entlastet sich der Beklagte nicht (durch Eid), so siegt der Kläger. Die Vollstreckung führt der Kläger selbst durch. Eine Überprüfung des Urteils steht nur dem König zu. Wohl erst im Hochmittelalter (str.) treten Zivilverfahren und Strafverfahren auseinander. Im Strafverfahren gewinnt die amtliche Untersuchung an Bedeutung. Das Zivilverfahren wandelt sich unter oberitalienisch-kanonistischem Einfluss (Schriftlichkeit). Die Berufung (Appellation) an ein Obergericht wird möglich. In England ändert sich das G. am stärksten zwischen 1154 und 1272. In der Neuzeit erlangt eine Sonderstellung auch das Gebiet des sächsischen Rechts. Im 19. Jh. beeinflusst das freiere Verfahren der französischen Gesetze Zivilprozess und Strafprozess in den deutschen Staaten.

Lit.: Wetzell, G., System des ordentlichen Zivilprozesses, 3. unv. A. 1978; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973; Bartmann, J., Das Gerichtsverfahren vor und nach der Münsterischen Landgerichtsordnung von 1571, 1908; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Leiser, W., Der gemeine Zivilprozess in den badischen Markgrafschaften, 1961; Wesener, G., Das innerösterreichische Landschrannenverfahren, 1963; Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 3. A. 1965; Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichtsprozess, Diss. jur. Münster 1966; Meyer, D., Gerichtsverfahren und Zivilprozess nach der Solmser Gerichtsordnung von 1571, Diss. jur. Göttingen 1972; Fowler-Magerl, I., Ordo iudiciorum vel ordo iudicicarius, 1984; Green, F., Verdict According to Conscience, 1985

Gerichtsverfassung ist die organisatorische Gestaltung der Rechtspflege. Sie ist anfangs ziemlich einfach, entwickelt sich aber seit dem hohen Mittelalter mit dem Übergang wesentlicher Teile der Gerichtsbarkeit vom König auf die Landesherren zu vielfältigen Gestaltungen. 1877/9 wird im Deutschen Reich die partikuläre G. durch das Gerichtsverfassungsgesetz vereinheitlicht (Amtsgericht, Landgericht, Oberlandesgericht, Reichsgericht, in Österreich Jurisdiktionsnorm von 1895 mit Bezirksgerichten, Landesgerichten, Oberlandesgerichten und Oberstem Gerichtshof). -> Gericht

Lit.: Kaser §§ 80, 87; Söllner §§ 9, 17; Köbler, DRG 183, 200; Kühns, F., Geschichte der Gerichtsverfassung und des Prozesses der Mark Brandenburg, Bd. 1f. 1865ff., Neudruck 1969; Sohm, R., Die fränkische Reichs- und Gerichtsverfassung, 1871; Probst, K., Die Entwicklung der Gerichtsverfassung und des Zivilprozesses in Kurhessen, 1911; Meister, E., Ostfälische Gerichtsverfassung, 1912; Lenel, P., Die Scheidung von Richter und Urteilern, ZRG RA 34 (1913), 440; Knapp, H., Alt-Regensburgs Gerichtsverfassung, Strafverfahren und Strafrecht, 1914, Neudruck 1978; Wohlhaupter, E., Hoch- und Niedergericht in der mittelalterlichen Gerichtsverfassung Bayerns, 1929; Blankenhorn, R., Die Gerichtsverfassung der Carolina, Diss. jur. Tübingen 1939; Baltl, H., Die ländliche Gerichtsverfassung Steiermarks, Archiv f. österreich. Gesch. 118 (1951); Schlesinger, W., Zur Gerichtsverfassung des Markengebietes östlich der Saale, Jb. f. d. Gesch. Mittel- und Ostdeutschlands 2 (1953); Beiträge zur Geschichte des Gerichtswesens im Lande Braunschweig, 1954; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Lohmann, U., Gerichtsverfassung und Rechtsschutz in der DDR, 1966; Weinkauff, H./Wagner, A., Die Umgestaltung der Gerichtsverfassung und des Verfahrens- und Richterrechts im nationalsozialistischen Staat, 1968; Weiss, U., Die Gerichtsverfassung in Oberhessen, 1979; Schubert, W., Die deutsche Gerichtsverfassung (1869-1877), 1981; Holthöfer, E., Ein deutscher Weg zu moderner und rechtsstaatlicher Gerichtsverfassung, 1997; Lück, H., Die kursächsische Gerichtsverfassung, 1997; Holthöfer, E., Ein deutscher Weg zu moderner und rechtsstaatlicher Gerichtsverfassung, 1997; Grilli, A., Die französische Justizorganisation am linken Rheinufer, 1998; Forster, M., Die Gerichtsverfassung und Zivilgerichtsbarkeit in Straubing, Diss. jur. Regensburg 1999

Gerichtsverfassungsgesetz -> Gerichtsverfassung

Gerichtsvollzieher ist seit dem 19. Jh. der mit den Zustellungen, Ladungen und Vollstreckungen zu betrauende Beamte. Zuvor werden seine Aufgaben vom Büttel, Fronboten oder Gerichtsdiener wahrgenommen.

Lit.: Köblr, DRG 202; Kern, E.,. Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954

Gerichtszeugnis ist vor allem die Aussage des -> Gerichts (Richter und Schöffen) über Handlungen und Ereignisse vor Gericht. Das G. wird im Hochmittelalter häufig. Es erbringt vollständigen Beweis einer Behauptung und kann nicht gescholten werden. Sachlich kann ein G. auch in einer Gerichtsurkunde enthalten sein.

Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 2 1897, 157; Brunner, H., Abhandlungen zur Rechtsgeschichte, 1985; Kornblum, U., Das Beweisrecht des Ingelheimer Oberhofes, Diss. jur. Frankfurt am Main 1960; Battenberg, F., Reichsacht und Anleite, 1986

Germane ist der Angehörige derjenigen Völker, welche sich von den Indogermanen abgespaltet haben und die besondere gemeinsame Sprache Germanisch sprechen. Die Germanen werden vielleicht in der ersten Hälfte des 2. Jt.s v. Chr. in Norddeutschland (und Südskandinavien) sichtbar. Sie lassen sich in mehrere Großgruppen (z. B. Nordgermanen, Ostgermanen, Westgermanen, im einzelnen str.) und viele kleinere, seit 325 v. Chr. im griechisch-römischen Schrifttum genannte Völker gliedern. Ihr nicht sicher deutbarer Name ist um 90 v. Chr. bei dem antiken Schriftsteller Poseidonios erstmals bezeugt. Seit dem 1. Jh. v. Chr. dringen sie nach Süden (Teutonen 102 v. Chr. bei Aix, Kimbern 101 v. Chr. bei Vercellae von den Römern geschlagen). Im 4. Jh. überwinden sie den ab 84 n. Chr. von den Römern gegen sie errichteten Grenzwall (lat. [M.] -> limes) und brechen ab 375 in der -> Völkerwanderung in das weströmische Reich ein. 476 setzt der Söldnerführer -> Odowakar den weströmischen Kaiser Romulus Augustulus ab. Es entstehen im Zuge einer Umgestaltung der römischen Welt verschiedene Reiche einzelner, aus den G. hervorgegangener Stämme (Franken, Goten, Burgunder, Alemannen, Langobarden, Vandalen, Angelsachsen). Das Wissen über die G. entstammt im Wesentlichen den römischen Schriftstellern (Caesar, Tacitus).

Lit.: Köbler, DRG 66; Kossinna, G., Die Herkunft der Germanen, 1911; Die Germanen, hg. v. Krüger, P., 5. A. 1988; Mildenberger, G., Sozial- und Kulturgeschichte der Germanen, 2. A. 1977; Uslar, R. v., Die Germanen, 1980; Germanenprobleme aus heutiger Sicht, hg. v. Beck, H., 1986; Price, A., The Germanic Warrior Clubs, 2. A. 1996; Wolfram, H., Die Germanen, 7. A. 2002; Günnewig, B., Das Bild der Germanen und Britannier, 1998; Todd, M., Die Germanen, 2000; Pohl, W., Die Germanen, 2000; Ernst, P./Fischer, G., Die germanischen Sprachen, 2001; Krause, A., Die Geschichte der Germanen, 2002; Hermand, J./Niedermeier, M., Revolutio germanica. Die Sehnsucht nach der alten Freiheit der Germanen 1750-1820, 2002; Maier, B., Die Religion der Germanen, 2003; Arminius und die Varusschlacht, hg. v. Wiegels, R. u. a., 3. A. 2003

Germania (bzw. De origine et situ Germaniae) ist ein 98 n. Chr. (?) verfasstes Werk des römischen Schriftstellers Publius Cornelius Tacitus (um 55 - nach 115, 97 Konsul). Die G.  schildert das Naturvolk der Germanen als ein gegen den Sittenverfall in Rom nachzuahmendes Vorbild. Deshalb bedürfen die Aussagen dieser für die germanische Zeit wichtigsten Geschichtsquelle sorgfältiger Prüfung. Überliefert ist die G. durch eine Hersfelder bzw. Fuldaer, 1455 nach Italien gebrachte und dort in ihrem die G. betreffenden Teil verschollene Sammelhandschrift des 9. oder 10. Jh.s.

Lit.: Die Germania des Tacitus, hg. v. Much, R. u. a., 3. A. 1967; Beiträge zum Verständnis der Germania des Tacitus, Teil 1f., hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1989ff.; Wolfram, H., Die Germanen, 7. A. 2002

germanisches Recht ist die Gesamtheit der bei den verschiedenen Stämmen der -> Germanen geltenden Rechtssätze. Das germanische Recht ist infolge der bescheidenen Überlieferung nur teilweise bekannt oder erschließbar. Es ist vermutlich größtenteils als Gewohnheitsrecht entstanden, wenngleich auch einzelne Rechtssetzungsakte wahrscheinlich sind. Ein mythischer Gesetzgeber ist ebensowenig anzunehmen wie ein germanischer Rechtsgott. Die einzelne, in Raum und Zeit individuelle germanische Völkerschaft behandelt ihre allgemeinen Angelegenheiten in der von einem König oder mehreren Vornehmen geleiteten -> Volksversammlung. Dort ergehen auch Urteile in Streitigkeiten. Eine allgemeine Verfolgung findet nur bei wenigen Verhaltensweisen (Volksverrat, Unzucht) statt. In der Familie steht der Hausvater an der Spitze. Die Ehe ist grundsätzlich Einehe und wird vom Gewalthaber über die Frau mit dem Mann abgeschlossen. Sie kann durch Einverständnis der Eheleute oder durch Erklärung des Mannes aufgelöst werden. Beim Tod fallen die Güter an die Kinder oder weiteren Verwandten. Ein Testament gibt es nicht. Streitig ist, ob neben Haus und Hof auch Acker und Wiese einzeln zugeordnet sind und der Berechtigte über sie verfügen kann. Die wohl seltenen Tauschgeschäfte und Vergabungen erfolgen als Handgeschäfte. Unrechtserfolge ziehen die -> Fehde nach sich, doch ist ein Ausgleich durch Leistungen, die teils an den Verletzten, teils an die Allgemeinheit gehen, möglich.

Lit.: Wilda, W., Das Strafrecht der Germanen, 1842, Neudruck 1960; Brunner, H., Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 1 2. A. 1906, Neudruck 1958; Beyerle, F., Das Entwicklungsproblem im germanischen Rechtsgang, 1915; Amira, K., Die germanischen Todesstrafen, 1922; Wiebrock, I., Die Sippe bei den Germanen der Frühzeit, 1979; Murray, Germanic Kinship Structure, 1983; Joswig, D., Die germanische Grundstücksübertragung, 1984; Kroeschell, K., Germanisches Recht als Forschungsproblem, FS H. Thieme, 1986; Landau, P., Prinzipien germanischen Rechts als Grundlage nationalistischer und völkischer Ideologie, in: Zur Geschichte und Problematik der Nationalphilologien in Europa, hg. v. Fürbeth, F., 1999

Germanist ist der sich mit den (Germanen und) Deutschen befassende Rechtswissenschaftler oder Sprachwissenschaftler. Er steht in Gegensatz zum Romanisten. Die Unterscheidung entwickelt sich seit dem (17. Jh. [Conring, H.], De origine iuris Germanici, 1643, Hauschild 1741, bzw.) 19. Jh. (Eichhorn, Grimm, Brunner). Sie verliert mit der Internationalisierung des Rechtes an Bedeutung.

Lit.: Marx, H., Die juristische Methode der Rechtsfindung aus der Natur der Sache, Diss. jur. Göttingen 1967; Gierke, O. v., Die historische Rechtsschule und die Germanisten, 1903; Dilcher, G./Kern, B., Die juristische Germanistik des 19. Jahrhunderts, ZRG GA 101 (1984), 1; Zur Geschichte und Problematik der Nationalphilologien in Europa, hg. v. Fürbeth, F. u. a., 1999, 327

Gerüfte ist im mittelalterlichen deutschen Recht die durch Geschrei erfolgende Verlautbarung eines (rechtswidrigen) Geschehens (z. B. einer Vergewaltigung) oder einer drohenden Gefahr. Dem G. ist zwecks Hilfestellung Folge zu leisten. Es befreit den Rufenden von dem Verdacht der Verheimlichung.

Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 70; Köbler, WAS; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 190, 517; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1ff. 1920ff., Neudruck 1964

Gesamtgläubigerschaft ist diejenige Gläubigerschaft, bei welcher jeder Gläubiger die gesamte Schuld verlangen kann, der Schuldner aber nur einmal zu leisten verpflichtet ist.

Lit.: Riedler, A. Gesamt- und Teilgläubigerschaft, 1998

Gesamthand ist eine Mehrheit von Menschen, denen ein Sondervermögen in besonderer Art und Weise (gesamthänderisch) zusteht. Vielleicht fällt in einfachen Gesellschaften der Nachlass eines Menschen an mehrere Erben allgemein in der Art und Weise an, dass der einzelne Beteiligte über seinen Anteil am Nachlass (und einzelnen Nachlassgegenständen) nicht (allein) verfügen kann. Jedenfalls deuten die mittelalterlichen Rechtsquellen auf eine derartige Gestaltung (zu gesamter Hand) in Deutschland (-> Ganerbschaft, -> Gemeinderschaft, -> Handelsgesellschaft). In der frühen Neuzeit behandelt die Rechtswissenschaft diese Verbindungen meist als (lat. [F.]) -> societas oder -> communio. Im 19. Jh. versteht Georg -> Beseler (1809-1888) unter der G. eine Gemeinschaft, welche für bestimmte Beziehungen die Grenzen der Persönlichkeit ihrer Glieder aufhebt und dieselbe gleichmäßig über die den Gliedern gemeinsam gewordene Rechtssphäre erweitert, ohne dass jedoch ein neues selbständiges Rechtssubjekt in der Vereinigung begründet wird. Nach dem Protest Otto von -> Gierkes (1888/9), dass ein Bürgerliches Gesetzbuch, das deutsch sein wolle, den deutschen, sozialen Gemeinschaftsgedanken nicht aus dem Recht weisen dürfe, wird die G. als Prinzip, als dessen Kennzeichen die gemeinsame Verfügung der mehreren Beteiligten über den Gegenstand und die Anwachsung der Berechtigung beim Wegfall eines Beteiligten (an die Berechtigungen der Verbleibenden) angesehen werden, an einzelnen Stellen noch in die in Kraft gesetzte Fassung des deutschen -> Bürgerlichen Gesetzbuches (1. 1. 1900) aufgenommen (Gesellschaft, eheliche Gütergemeinschaft, Erbengemeinschaft). Die G. ist nicht juristische Person. Ihre rechtliche Gestaltung ist streitig.

Lit.: Hübner 154, 250, 570, 680; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 122, 207; Gierke, O., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2 1873, 923; Buchda, G., Geschichte und Kritik der deutschen Gesamthandslehre, 1936; Wächter, T., Die Aufnahme der Gesamthandsgemeinschaften in das Bürgerliche Gesetzbuch, 2002

Gesamtrechtsnachfolge (Universalsukzession) ist die Nachfolge in einen Inbegriff von Vermögensgegenständen ohne einzelne Übertragungsakte. Sie ist schon dem römischen Recht bei der -> Erbfolge bekannt. An tatsächlicher Bedeutung wird sie aber von der im übrigen vorgesehenen Einzelrechtsnachfolge übertroffen.

Lit.: Kaser § 65 II; Köbler, DRG 37, 59, 210; Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 2. A. 1995, 93

Gesamtschuld ist diejenige Schuld, welche mehrere in der Weise schulden, dass jeder die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet, der Gläubiger aber die Leistung insgesamt nur einmal zu fordern berechtigt ist. Sie ist bereits dem klassischen römischen Recht (lat. [N.] [debitum] in solidum) bekannt. Wegen ihrer Brauchbarkeit für den Gläubiger mehrerer Schuldner hat sie sich bis zur Gegenwart behauptet.

Lit.: Kaser § 56 II 1; Köbler, DRG 44; Ehmann, H., Die Gesamtschuld, 1972; Winter, H., Teilschuld, Gesamtschuld und unechte Gesamtschuld, 1985; Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985, 51 (Solidarität)

Gesandter ist der diplomatische Vertreter eines Staates bei einem anderen Staat oder einer internationalen Organisation. Bereits im römischen Recht ist der fremde Gesandte unverletzlich. Im 15. Jh. wird in Italien der ständige Gesandte geschaffen. Im 19. Jh. wird das diesbezügliche Völkerrecht genauer ausgestaltet (Wiener Reglement vom 19. 3. 1815, Aachener Protokoll vom 21. 11. 1818, danach Wiener Übereinkommen vom 18. 4. 1961).

Lit.: Krauske, O., Zur Entwicklung der ständigen Diplomatie, 1885; Menzel, V., Deutsches Gesandtschaftswesen im Mittelalter, 1892; Cuttino, G., English Medieval Diplomacy, 1985; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994

Geschäftsfähigkeit ist die Fähigkeit, mit rechtlicher Wirkung durch eigene Handlung Rechtsgeschäfte vorzunehmen. Sie wird bereits vom römischen Recht dem Kind (lat. [M.] infans) (unter 7) abgesprochen. Der etwas ältere Unmündige (lat. [M.] impubes infantia maior) kann rechtlich unvorteilhafte Geschäfte nur mit Einverständnis des Vormundes vornehmen. Um 200 v. Chr. sieht eine (lat.) lex (F.) Laetoria vor, dass die noch nicht 25jährigen geschützt werden, woraus die Möglichkeit entwickelt wird, durch Wiederherstellung des früheren Zustandes (lat. in integrum restitutio [F.]) die Leistungen und sonstigen benachteiligenden Maßnahmen wieder rückgängig zu machen. Im germanischen Recht steht das Kind bis zu seiner Verselbständigung unter der Hausgewalt des Hausvaters oder bis zur Wehrhaftmachung bzw. Geschlechtsreife unter der Hausgewalt des Vormundes. Zwar sind die Geschäfte von Unmündigen wohl an sich wirksam, aber die Unmündigen können die von ihnen oder vom Inhaber der Personalgewalt getätigten Geschäfte nach Erreichen der Mündigkeit widerrufen und umgekehrt Geschäfte, durch die sie verpflichtet werden, nicht erfüllen, solange ihr Vermögen von einem Gewalthaber verwaltet wird. Mit der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter werden dessen Regeln (abgeändert) übernommen. Geschäfte der Geschäftsunfähigen sind nichtig (Kinder unter 7, Entmündigte, Geisteskranke), Geschäfte der beschränkt Geschäftsfähigen bedürfen der Genehmigung des gesetzlichen Vertreters, soweit sie nicht lediglich rechtlich vorteilhaft sind. Der Ausdruck G. wird am 12. 7. 1875 in Preußen verwendet.

Lit.: Kaser § 14 I; Hübner 55; Köbler, DRG 160, 207; Knothe, H., Die Geschäftsfähigkeit der Minderjährigen, 1983

Geschäftsführung ohne Auftrag ist ein gesetzliches, unvollkommen zweiseitiges Schuldverhältnis, das dadurch entsteht, dass ein Geschäftsführer (ohne Auftrag) für einen anderen (Geschäftsherrn) ein Geschäft besorgt, obwohl zwischen ihnen noch kein Rechtsverhältnis (Auftrag) besteht. Die G. o. A. (lat. negotia [N.Pl.] gesta, geführte Geschäfte) ist im römischen Recht entsprechend ihrer Stellung im Edikt des Prätors vermutlich von der Vertretung im Rechtsstreit ausgegangen. Die Verpflichtungen aus der Tätigkeit (Herausgabe des vom Geschäftsführer Erlangten, Ersatz der Aufwendungen des Geschäftsführers) werden wie beim Auftrag auf die Treue (lat. [F.] fides) begründet. Justinian ordnet die G. o. A. als Quasikontrakt ein. Mit der Aufnahme des römischen Rechtes wird die G. o. A. als gesetzliches Schuldverhältnis in Deutschland übernommen.

Lit.: Kaser § 44 II; Söllner § 9; Köbler, DRG 47; Wollschläger, C., Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, § 98

Geschäftsgrundlage -> clausula rebus sic stantibus

Lit.: Zirker, M., Vertrag und Geschäftsgrundlage, 1996; Reiter, C., Vertrag und Geschäftsgrundlage im deutschen und italienischen Recht, 2002

Geschäftsordnung ist die einer Geschäftsführung einer Gruppe von Menschen zugrundegelegte Ordnung.

Lit.: Hayungs, C., Die Geschäftsordnung des hannoverschen Landtages, 1999

Geschäftsunfähigkeit -> Geschäftsfähigkeit

Geschäftszeuge ist der zu einem Geschäft als -> Zeuge zugezogene Mensch. Er findet sich bereits im frühen römischen und im germanischen Recht. Mit Vordringen der Schriftlichkeit verliert er seit dem Hochmittelalter an Bedeutung.

Lit.: Ruth, R., Zeugen und Eideshelfer, 1922

Geschichte ist das in der Dimension Zeit Geschehene und die damit befasste Wissenschaft. Besondere Gebiete der G. sind beispielsweise das Recht, die Gesellschaft oder die Wirtschaft. Methode der G. ist das Verstehen des Vergangenen durch den gegenwärtigen Betrachter.

Lit.: Fuchs, K./Raab, H., Wörterbuch Geschichte, 11. A. 1998; Baumgart, W., Bücherverzeichnis zur deutschen Geschichte, 7. A. 1988; Brandt, A., Werkzeug des Historikers, 14. A. 1996; Simon, C., Historiographie, 1996; Demandt, A., Geschichte der Geschichte, 1997; Burkardt, J., Die historischen Hilfswissenschaften in Marburg, 1997; Iggers, G., Deutsche Geschichtswissenschaft, 4. A. 1997; Hauptwerke der Geschichtsschreibung, hg. v. Reinhardt, V., 1997; Das europäische Geschichtsbuch, 1998; Kirste, S., Die Zeitlichkeit des positiven Rechts, 1998; Goetz, H., Geschichtsschreibung und Geschichtsbewusstsein, 1999; Das Jahrtausend im Spiegel der Jahrhunderte, hg. v. Gall, L., 1999; Chun, J., Das Bild der Moderne in der Nachkriegszeit, 2000; Geschichtskultur, hg. v. Mütter, B. u. a., 2000; Mehl, A., Römische Geschichtsschreibung, 2001; Kompass der Geschichtswissenschaft, hg. v. Lottes, G. u. a., 2001; Internet-Handbuch Geschichte, hg. v. Jenks, S. u. a., 2001; Wolfrum, E., Geschichte als Waffe, 2001; Die Nation schreiben, hg. v. Conrad, C. u. a., 2002; Geschichtswissenschaft um 1950, hg. v. Duchhardt, H., 2002; Lexikon Geschichtswissenschaft, hg. v. Jordan, S., 2002Fellner, F., Geschichtsschreibung und nationale Identität, 2002; Formen römischer Geschichtsschreibung von den Anfängen bis Livius, hg. v. Eigler, U., 2003

Geschlechtsvormundschaft -> Vormundschaft, Frau

Geschmacksmuster ist ein ästhetisch wirkendes gewerbliches Muster oder Modell, welches durch Gesetz zugunsten des Urhebers besonders geschützt ist. Seine Anfänge gehen auf Zunftordnungen in Florenz (1418), Genf (1432), Flandern und Burgund zurück. Staatliche Regelungen werden im 18. Jh. in Frankreich (1711, 1744) und England (1787) erlassen. Eine Unterscheidung zwischen Kunstwerk und G. findet Frankreich (1787, 1806). In Deutschland wird am 11. 1. 1876 das Geschmacksmustergesetz geschaffen.

Lit.: Schmid, P., Die Entwicklung des Geschmacksmusterschutzes, 1896; Werner, H., Die Geschichte des deutschen Geschmacksmusterrechtes, Diss. jur. Erlangen 1954

Geschworener (lat. [M.] iuratus) ist der Mensch, der einen Schwur (-> Eid) abgelegt hat (, eine Handlung rechtmäßig auszuführen). Geschworene treten im römischen Recht und auch im Frühmittelalter im deutschen Recht auf. Insbesondere Inhaber eines Amtes müssen einen Eid leisten, ihr Amt rechtmäßig auszuüben (z. B. Richter, Schöffe, Bürgermeister, Ratmann). Im 19. Jh. wird das -> Schwurgericht mit besonderen Geschworenen besetzt.

Lit.: Söllner §§ 8, 9, 11; Köbler, DRG 263; Biener, F., Beitrag zur Geschichte des Inquisitionsprozesses und der Geschworenengerichte, 1827, Neudruck 1965; Gneist, R. v., Die Bildung der Geschworenengerichte in Deutschland, 1849, Neudruck 1967; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Behrends, O., Die römische Geschworenenverfassung, 1970; Kleinz, A., Individuum und Gemeinschaft in der juristischen Germanistik, 2001

Geselle ist ursprünglich derjenige, der im selben Raum lebt. Im 18. Jh. wird G. zur Bezeichnung des Handwerkers, der nach einer Lehrzeit eine Prüfung bestanden hat und noch nicht Meister ist.

Lit.: Köbler, WAS; Schanz, G., Zur Geschichte der deutschen Gesellenverbände, 1877; Wissel, R./Hahm, K., Des alten Handwerks Recht und Gewohnheit, Bd. 1ff. 2. A. 1981; Schulz, K., Handwerksgesellen und Lohnarbeiter, 1985

Gesellschaft ist eine Gesamtheit von Menschen, insbesondere im Privatrecht die Vereinigung mehrerer Menschen (ausnahmsweise auch die Tätigkeit eines einzigen Menschen) durch Rechtsgeschäft zur Erreichung eines (gemeinsamen) Zweckes. Im altrömischen Recht schließt sich die G. an die Hauserbengemeinschaft (lat. [N.] -> consortium) an. Daneben entwickelt sich in den letzten vorchristlichen Jahrhunderten ein formfreier Zusammenschluss zu gemeinschaftlichen Handelsunternehmungen. Aus beiden entsteht die G. (lat. [F.] -> societas). Wohl auch im Anschluss an die Miterbengemeinschaft bilden sich im Hochmittelalter vertragliche Zusammenschlüsse zu Handelszwecken unterschiedlicher Ausgestaltung (stille G., offene G., beschränkte Haftung, unbeschränkte Haftung, Mitarbeit, Kapitaleinsatz). Hieraus werden allmählich die offene Handelsgesellschaft, die Kommanditgesellschaft und die stille G. Nach Entdeckung der Neuen Welt bewirken hoher Kapitalbedarf und großes Risiko die Ausbildung der -> Aktiengesellschaft (Anfang 17. Jh.). Im 19. Jh. wird das Recht der G. genauer geregelt. 1892 wird durch Gesetz eine besondere -> G. mit beschränkter Haftung geschaffen. Die Grundform der nichtrechtsfähigen G. wird im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) als -> Gesamthand ausgestaltet. In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s wird zunächst bei der G. mit beschränkter Haftung die -> Einmanngesellschaft zugelassen.

Lit.: Kaser § 43; Hübner § 41; Köbler, DRG 14, 17, 29, 45, 46, 51, 64, 67, 98, 121, 135, 146, 167, 176, 207, 225, 252; Köbler, WAS; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 801; Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Lehmann, K., Die geschichtliche Entwicklung des Aktienrechts, 1895, Neudruck 1968; Weber, M., Zur Geschichte der Handelsgesellschaften, 1898; Lévy-Bruhl, H., Histoire juridique des Sociétés de Commerce en France, 1938; Lutz, E., Die rechtliche Struktur süddeutscher Handelsgesellschaften, 1976; Servos, R., Die Personenhandelsgesellschaften und die stille Gesellschaft, Diss. jur. Köln 1984; Weißen-Micus, M., Tatbestandsmerkmale des Gesellschaftsvertrags im 19. Jahrhundert, 1985; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, § 107; Misera, K., Klagen manente societate, FS R. Nirk, 1992, 697; Cordes, A., Spätmittelalterlicher Gesellschaftshandel im Hanseraum, 1998; Hartung, W., Geschichte und Rechtsstellung der Compagnie in Europa, Diss. jur. Bonn 2000; Hofmeister, J., Die Entwicklung des Gesellschafterwechsels, 2002

Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist eine rechtsfähige Kapitalgesellschaft, welche 1892 im Deutschen Reich durch besonderes Gesetz geschaffen wird und welche im 20. Jh. beachtliche Verbreitung erfährt.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 218, 272; Schubert, W., Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/3), 589; Stroth, R.., Das Recht der GmbH, Diss. jur. Tübingen 1991; Stupp, M., GmbH-Recht im Nationalsozialismus, 2002

Gesellschaftsrecht ist die Gesamtheit der (handelsrechtliche) -> Gesellschaften betreffenden Rechtssätze. Das G. verselbständigt sich als besonderes Rechtsgebiet seit dem 19. Jh.

Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,2969; Neuere Tendenzen im Gesellschaftsrecht, hg. v. Crone, H. v. d., 2003

Gesellschaftsvertrag ist politisch der von den Mitgliedern der menschlichen Gesellschaft zur Beseitigung des Kampfes aller gegen alle (idealtypisch) geschlossene Vertrag (Jean Jacques -> Rousseau, [frz.] contrat [M.] social), privatrechtlich der zwischen den Gesellschaftern einer -> Gesellschaft abgeschlossene Vertrag.

Lit.: Söllner § 9; Köbler, DRG 191; Crezelius, G., Neuzeitliche Gesellschaftsverträge, 1987

Gesetz ist die abstrakte und allgemeine, in einem festgelegten Verfahren durch Festsetzung geschaffene rechtliche Regelung. Sein Kern ist die bewusste Festsetzung eines Inhaltes durch besondere Handlung. Als G. erscheint - (nach dem Codex des babylonischen Königs -> Hammurapi (1728-1686 v. Chr.),) nach den Festsetzungen -> Lykurgs, -> Solons und -> Drakons in griechischen Stadtstaaten sowie nach sagenhaften römischen Königsgesetzen - in Rom 451/450 v. Chr. in das -> Zwölftafelgesetz (lat. lex [F.] duodecim tabularum). In der Folge gibt es zahlreiche römische, jeweils nach ihrem Urheber benannte Einzelgesetze (-> lex). Seit Augustus (63 v. Chr. - 14 n. Chr.) greift der Herrscher (Prinzeps, Kaiser) vielfach zur Festsetzung (lat. [F.] constitutio), um das Recht zu gestalten. Dabei werden am Ende des Altertums umfassende Gesetzbücher (lat. [M.Pl.] codices) in Kraft gesetzt (-> Codex Theodosianus, -> Codex). Demgegenüber ist bei den Germanen die Setzung von Recht wohl selten. Die fränkischen Herrscher schließen deshalb in Konstitutionen und Kapitularien eher an römische Vorbilder an. Im 12. Jh. tritt der Setzungsgedanke wieder hervor (-> Landfriede). Er bleibt im Heiligen Römischen Reich aber wegen der Schwerfälligkeit des Gesetzgebungsverfahrens eher Ausnahme. Dagegen wird der absolutistische Landesherr vielfach gesetzgeberisch tätig. Die gewichtigsten Zeugnisse dieses Wirkens sind die -> Polizeiordnungen, -> Reformationen und vor allem die naturrechtlichen Gesetzbücher (-> Kodifikationen) der Wende vom 18. zum 19. Jh. (ALR, ABGB, Cc). Mit dem 19. Jh. beginnt eine noch immer steigende, vom Rechtsstaatsgedanken nicht unwesentlich beeinflusste Gesetzesflut.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Köbler, DRG 4, 6, 31, 50, 52, 78, 101, 138, 181, 189, 199, 254; Köbler, WAS; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 863; Schubert, A., Augustins Lex-aeterna-Lehre, 1924; Wengler, L., Die Quellen des römischen Rechts, 1953; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Gagnér, S., Studien zur Ideengeschichte der Gesetzgebung, 1960; Kirschenmann, D., „Gesetz“ im Staatsrecht und in der Staatsrechtslehre des Nationalsozialismus, 1970; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; Willoweit, D., Gesetzespublikationen und verwaltungsinterne Gesetzgebung, Gedächtnisschrift H. Conrad, 1979, 601; Berman, H., Law and Revolution, 1983; Zum römischen und neuzeitlichen Gesetzesbegriff, hg. v. Behrends, O. u. a., 1987; Karpen, U., Entwicklung des Gesetzesbegriffes in Deutschland, Gedächtnisschrift W. Martens, 1987; Hattenhauer, H., Richter und Gesetz (1919-79), ZRG GA 106 (1989), 46; Das Gesetz in Spätantike und Frühmittelalter, hg. v. Sellert, W., 1992; Nomos und Gesetz, hg. v. Behrends, O. u. a., 1995; Klemmer, M., Geseetzesbindung und Richterfreiheit, 1996; Schilling, L., Gesetzgebung im Frankreichs Ludwigs XIII., Ius commune 24 (1997), 91; Simon, T., Krise oder Wachstum?, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Gesetz und Gesetzgebung im Europa der frühen Neuzeit, hg. v. Dölemeyer, B. u. a., 1998; Weber, R., Das Gesetz bei Philon von Alexandria und Flavius Josephus, 2001; Igwecks, T., Die drei Lesungen von Gesetzen im deutschen Bundestag, 2002; Elster, M., Die Gesetze der mittleren römischen Republik, 2003

Gesetzblatt ist das amtliche Druckwerk, in dem Gesetze (und Rechtsverordnungen) zu veröffentlichen sind (z. B. 1849 Österreich Reichsgesetzblatt).

Lit.: Silvestri, G., Die deutschsprachigen Gesetzblätter Österreichs, 1967; Willoweit, D., Gesetzespublikationen und verwaltungsinterne Gesetzgebung in Preußen vor der Kodifikation, Gedächtnisschrift H. Conrad 1979, 601

Gesetzbuch ist das umfassende Gesetz. Es findet sich bereits im Altertum (Codex Theodosianus, Codex Justinianus). Danach erscheint es wieder in der frühen Neuzeit (ALR, Code civil, ABGB usw.).

Gesetzesauslegung -> Auslegung, -> Interpretation, -> Gesetz

Lit.: Wesel, U., Rhetorische Statuslehre und Gesetzesauslegung der römischen Juristen, 1967; Pauly, S., Organisation, Geschichte und Praxis der Gesetzesauslegung des königlich preußischen Oberverwaltungsgerichts 1875-1933, 1987

Gesetzespositivismus ist diejenige Form des Positivismus im Recht, welche im letzten Drittel des 19. Jh.s das Recht allein auf das den Volkswillen verkörpernde -> Gesetz gründet. Der G. geht davon aus, dass das ordnungsmäßige Zustandekommen des Gesetzes Willkür ausschließt und Gerechtigkeit gewährleistet. Deshalb bindet er den Richter fest an das Gesetz.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 189

Gesetzessammlung, Gesetzsammlung, ist die Zusammenstellung von einzelnen Gesetzen zwecks Vermehrung der Rechtssicherheit. Sie erfolgt im Altertum zunächst privat (-> Codex Gregorianus 294, -> Codex Hermogenianus) und danach im besonderen Gesetzbuch (-> Codex Theodosianus, -> Codex). Auch in der Neuzeit erweisen sich teils amtliche, teils private Gesetzessammlungen als notwendig oder sinnvoll.

Lit.: Köbler, DRG 181; Codex Austriacus, 1704, 1748, 1752, 1777; Justizgesetzsammlung (Österreichs), 1780-1848; Politische Gesetzsammlung (Österreichs) 1793-1848; Quellensammlung zum deutschen Reichsstaatsrecht, hg. v. Triepel, H., 5. A. 1931

Gesetzessprecher ist der für Island (930-1262/71) gesicherte bzw. abgeändert auch für Norwegen (um 1100) und Schweden wahrscheinliche, auf Zeit oder Lebenszeit gewählte Rechtskundige, der in der Volksversammlung (-> Ding) das Recht mündlich vorträgt. Die Herkunft des Gesetzessprechers ist unbekannt. In Island verschwindet der G. im 13. Jh. wieder.

Lit.: Köbler, DRG 70; Maurer, K., Das Alter des Gesetzessprecheramtes in Norwegen, FG L. Arndt, 1875, 1; Schröder, R., Gesetzsprecheramt und Priestertum bei den Germanen, ZRG GA 4 (1883), 215; Haff, K., Der germanische Rechtssprecher als Träger der Kontinuität, ZRG GA 66 (1948), 364; Rehfeldt, B., Saga und Lagsaga, ZRG GA 72 (1955), 34; See, K. v., Altnordische Rechtswörter, 1964, 44, 82, 107, 195

Gesetzesumgehung -> Umgehungsgeschäft

Lit.: Schröder, J., Gesetzesauslegung und Gesetzesumgehung, 1985

Gesetzgeber ist der Urheber eines -> Gesetzes. In monarchisch geprägten Zeiten ist dies der -> Monarch (z. B. Augustus, Diokletian, Justinian), in demokratisch strukturierten Gesellschaften das -> Parlament als die Vertretung des Volkes.

Lit.: Lieberich, H., Kaiser Ludwig der Baier als Gesetzgeber, ZRG GA 76 (1959), 173; Archi, G., Giustiniano legislatore, 1970; Hesse, H., Gesetzgeber und Gesetzgebung in Bayern 1848-1870, 1984; Kipper, E., Johann Paul Anselm Feuerbach, 2. A. 1989; Hölkeskamp, K., Schiedsrichter, Gesetzgeber und Gesetzgebung, 1999; Miersch, M., Der sogenannte réferé législatif. Eine Untersuchung zum Verhältnis Gesetzgeber, Gesetz und Richtermat, 2000

Gesetzgebung ist die Schaffung eines (formellen) -> Gesetzes. Sie ist im Altertum in erheblichem Umfang üblich. Im Frühmittelalter ist sie möglich. Im Hochmittelalter wird sie verstärkt aufgegriffen. Die größte Bedeutung erlangt sie seit dem Absolutismus und der Aufteilung der Gewalten sowie der Anerkennung des Rechtsstaats.

Lit.: Köbler, DRG 191; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Hattenhauer, H., Die Bedeutung der Gottes- und Landfrieden, Diss. jur. Marburg 1958; Gagnér, S., Studien zur Geschichte der Gesetzgebung, 1960; Mühl, M., Untersuchungen zur altorientalischen und althellenischen Gesetzgebung, 1963; Wolf, A., Typen der Gesetzgebung im Mittelalter, Ius commune 1 (1967); Vanderlinden, J., Le concept de code en Europe occidentale, 1967; Birtsch, G., Gesetzgebung und Repräsentation im späten Absolutismus, HZ 208 (1969), 265; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971; Dilcher, H., Die sizilianische Gesetzgebung Kaiser Friedrichs II., 1975; Ziller, G., 30 Jahre Bundesgesetzgebung, in: Bulletin der Bundesregierung 11. September 1979, Nr. 103, 960; Kussmaul, P., Pragmaticum und lex, 1981; Kocher, G., Zur Funktion der Gesetzgebung im 18. Jahrhundert, in: Das achtzehnte Jahrhundert, Bd. 1 1983, 44; Jakobs, H., Wissenschaft und Gesetzgebung im bürgerlichen Recht, 1983; Gesetzgebung als Faktor der Staatsentwicklung, 1984; Biesemann, J., Das Ermächtigungsgesetz als Grundlage der Gesetzgebung im nationalsozialistischen Staat, 1985; Renaissance du pouvoir législatif et génèse de l´État, hg. v. Gouron, A. u. a., 1988; Wolf, A., Gesetzgebung in Europa 1100-1500, 2. A. 1996; Simon, T., Krise oder Wachstum? FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Ullrich, N., Gesetzgebungsverfahren und Reichstag, 1996; Gesetz und Gesetzgebung in der frühen Neuzeit, hg. v. Dölemeyer, B. u. a., 1998; Legislation und Justice, hg. v. Padoa Schioppa, A. u. a., 1995; Fuhrmann, J., Theorie und Praxis in der Gesetzgebung des Spätmittelalters in Deutschland, 2001; Prudentia legislatoria, hg. v. Maier, H. u. a., 2003

gesetzlicher Richter ist der vom Gesetz durch allgemeine Regeln festgelegte zuständige Richter. Mit dieser Einrichtung soll im Rechtsstaat unlauterer persönlicher Einflussnahme vorgebeugt werden. Nach älteren, bis ins Mittelalter zurückreichenden Ansätzen wird sie in den Verfassungen des 19. Jh.s verwirklicht (Baden 1818 ordentlicher Richter, Hessen 1820 g. R.).

Lit.: Köbler, DRG 200; Kern, E., Der gesetzliche Richter, 1927; Scupin, H., Der gesetzliche Richter im Bonner Grundgesetz, Diss. jur. Tübingen 1963; 2003; Seif, U., Recht und Justizhoheit, 2003

Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ist die Bindung der Tätigkeit der staatlichen Verwaltungsbehörden an rechtliche Vorschriften. Die G. d. V. wird erstmals 1810 von W. J. Behr zur Verhinderung übermäßiger Einschränkungen der menschlichen Handlungsfreiheit eingefordert (System der allgemeinen angewandten Staatslehre).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 199

Gesinde ist die Gesamtheit der in einem Hauswesen beschäftigen und der Personalgewalt des Hausvaters unterstehenden Dienstboten (um 1800 10% der Bevölkerung). Zu unterscheiden ist dabei zwischen unfreiem und freiem G. Für das unfreie G. gelten zunächst die allgemeinen Regeln der -> Grundherrschaft. Für das freie G. entwickeln sich in den Städten im Spätmittelalter besondere Gesindevorschriften (z. B. Freiberg um 1300). Im 18. Jh. werden zahlreiche Gesindeordnungen erlassen und werden dann auch in Kodifikationen allgemeine Regeln festgelegt.

Lit.: Köbler, DRG 127; Köbler, WAS; Hertz, G., Die Rechtsverhältnisse des freien Gesindes, 1881, 2. A. 1935; Kähler, W., Gesindewesen und Gesinderecht in Deutschland, 1896; Könnecke, O., Rechtsgeschichte des Gesindes in West- und Süddeutschland, 1912, Neudruck 1970; Vormbaum, T., Politik und Gesinderecht im 19. Jahrhundert, 1981; Haus und Familie in der spätmittelalterlichen Stadt, hg. v. Haverkamp, A., 1984; Schröder, R., Das Gesinde war immer frech und unverschämt, 1992; Dürr, R., Gesinde in der Stadt, 1995; Gesinde im 18. Jahrhundert, 1995

gesta (N.Pl.) municipalia (lat.) sind im ausgehenden Altertum gemeindliche Verzeichnisse oder öffentliche Akten.

Lit.: Hirschfeld, B., Die gesta municipalia, Diss. Marburg 1904; Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977

Geständnis (lat. [F.] confessio) ist das Eingestehen der Wahrheit einer von einem anderen behaupteten Tatsache durch einen Verfahrensbeteiligten. Das G. gehört, weil es weiteren Streit entbehrlich macht, schon in die Anfänge des Verfahrensrechts. Dort wird es später als Königin der Beweismittel angesehen. Seiner Erzielung dient lange die -> Folter.

Lit.: Kaser § 84 I 2; Köbler, DRG 117; Beyerle, F., Das Entwicklungsproblem im germanischen Rechtsgang, 1914, 400; Kleinheyer, G., Zur Rolle des Geständnisses im Strafverfahren, Gedächtnisschrift H. Conrad, 1980, 367ff.

Gestapo (geheime Staatspolizei) ist die aus meist fähigen und harten, dem Staat aus Überzeugung dienenden, selbst vor brutalsten Maßnahmen nicht zurückschreckenden Polizisten zusammengesetzte politische Polizei (z. B. im nationalsozialistischen Deutschen Reich).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Weyrauch, W., Gestapo V-Leute, 1989; Gellately, R., Die Gestapo und die deutsche Gesellschaft, 2. A. 1994; Heuer, H., Geheime Staatspolizei, 1995; Die Gestapo, hg. v. Paul, G. u. a., 1995; Johnson, E., Nazi Terror, 1999; Stolle, M., Die Geheime Staatspolizei in Baden, 2001

gestio (lat. [F.]) Betragen, Führung

gesundes Volksempfinden ist im Dritten Reich (1933-45) die der Ideologie entsprechende allgemeine Anschauung, die als Korrektiv eines formaljuristisch gefundenen, dem -> Nationalsozialismus unannehmbar erscheinenden richterlichen Ergebnisses verwendet wird.

Lit.: Rückert, J., Das „gesunde Volksempfinden“ - eine Erbschaft Savignys, ZHF 10 (1983), 199

geteiltes Eigentum ist das an mindestens zwei in unterschiedlicher Stärke berechtigte Personen aufgeteilte „Eigentum“ (z. B. Obereigentum, Untereigentum). Es wurde vor allem von -> Thibaut (1801) abgelehnt und vom deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ausgeschlossen. Es lebt in veränderter Form im Vorbehaltseigentum, im Sicherungseigentum oder in der Wohnraummiete fort.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Krauss, F., Das geteilte Eigentum im 19. und 20. Jahrhundert, 1999

Gewährleistung ist das Einstehen für die Mangelfreiheit einer Sache oder eines Werkes. Sie findet sich bereits im römischen Kaufrecht (-> Wandelung, -> Minderung). Mit der Aufnahme des römischen Rechts wird sie den einheimischen Grundsatz „Augen auf, Kauf ist Kauf“ zurückdrängend übernommen.

Lit.: Kaser § 41; Hübner; Köbler, DRG 46, 214; Lautner, J., Grundsätze des Gewährleistungsrechts, 1937

Gewährschaft ist das Einstehen des Veräußerers einer Sache für den Fall, dass ein Dritter von dem Erwerber die Sache herausverlangt. Im römischen Recht erhält der Erwerber aus der (lat. [F.]) mancipatio das Recht, in einem solchen Fall den Veräußerer als seinen (lat. [M.]) auctor zu prozessualer Beistandschaft zu veranlassen, um die Sache gegen den Dritten zu verteidigen. Verweigert der Veräußerer die Unterstützung oder erteilt er sie erfolglos, so dass der Dritte die Sache erhält, so haftet der Veräußerer dem Erwerber auf den doppelten Kaufpreis. Außerhalb der (lat. [F.]) mancipatio wird dieses Ergebnis durch eine vertragliche Abrede auf Leistung des doppelten Kaufpreises erreicht. Im deutschen Recht entwickelt sich im Frühmittelalter (str.) eine Gewährschaftsbürgschaft und daraus eine allgemeine G.

Lit.: Kaser § 41 V; Hübner 577f.; Rabel, E., Die Haftung des Verkäufers wegen Mangels im Recht, 1902; Gillis, F., Gewährschaftszug und laudatio auctoris, 1911; Partsch, G., Zur Entwicklung der Rechtsmangelhaftung des Veräußerers, ZRG GA (1960), 87

Gewalt ist der Einsatz von Kraft zur Erreichung eines Zieles sowie die Möglichkeit hierzu. Der moderne Staat strebt das Gewaltmonopol an. Deswegen versucht er die G. des einzelnen möglichst auszuschließen. -> väterliche Gewalt

Lit.: Köbler, WAS; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 817; Böckenförde, E., Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 2. A. 1981; Buisson, L., Potestas und caritas, 2. A. 1982; Wenninger, L., Geschichte der Lehre vom besonderen Gewaltverhältnis, 1982; Richardi, H., Schule der Gewalt, 1983; Willoweit, D., Die Herausbildung des staatlichen Gewaltmonopols, in: Konsens und Konflikt, hg. v. Randelzhofer, A. u. a., 1986, 313; Roth, A., Kollektive Gewalt und Strafrecht, 1989; Die Gewalt in der Geschichte, hg. v. Sieferle, R., 1998; Violence in Medieval Society, hg. v. Kaeuper, R., 2000

Gewaltenteilung ist die Aufteilung der staatlichen Hoheitsgewalt in mehrere sich gegenseitig kontrollierende und beschränkende, von unterschiedlichen Menschen innegehabte Gewalten. Die Vorstellung von der Notwendigkeit der G. entsteht unabhängig von älteren Gedankengängen (z. B. Herodot, Plato, Aristoteles, Cicero) und Wirklichkeitsansätzen (römische Republik) in der frühen Neuzeit als Folge der gegen den -> Absolutismus eines Monarchen gerichteten Aufklärung. Vielleicht schon vor 1690 entwickelt John -> Locke (1632-1704) in England zur Sicherung der Freiheit des einzelnen die Trennung von ausführender Gewalt (executive power) und gesetzgebender Gewalt (legislative power) (1690 Two Treatises of Government, Zwie Abhandlungen über die Regierung). 1748 gestaltet dies Charles de Secondat Baron de la Brède et de -> Montesquieu (1689-1755) in die Dreiteilung Exekutive, Legislative und Judikative um (De l’ésprit des lois, Vom Geist der Gesetze). In Frankreich greifen dies 1789 die Déclaration des droits de l’homme et du citoyen (Erklärung der Menschenrechte und Bürgerrechte) und 1791, 1795 und 1848 die Verfassungen auf. In Deutschland nehmen die meisten Verfassungen der deutschen Einzelstaaten in ihren Text (nur) die Bestimmung auf, dass alle Gesetze der Zustimmung des Landtages bedürftig seien, welche die Freiheit oder das Eigentum der Staatsangehörigen betreffen. Später wird das Gewaltenteilungsschema leitendes Ordnungsprinzip.

Lit.: Köbler, DRG 190, 197, 200; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 923; Klimowski, E., Die englische Gewaltenteilungslehre bis zu Montesquieu, 1927; Kägi, O., Zur Entstehung, Wandlung und Problematik des Gewaltenteilungsprinzips, 1937; Imboden, M., Montesquieu und die Lehre von der Gewaltentrennung, 1959; Gewaltentrennung im Rechtsstaat, hg. v. Merten, D., 1989; Pahlow, L., Justiz und Verwaltung, 2000

Gewann ist eine vielleicht in der Grundherrschaft ausgebildete Unterteilung der Ackerflur des mittelalterlichen Dorfes in Gruppen gleichförmiger und einheitlich zu bewirtschaftender Streifen. Die Gewanne werden wegen ihrer gegenwärtigen Unwirtschaftlichkeit durch die Flurbereinigung beseitigt.

Lit.: Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957, 42

Gewerbe ist die erlaubte, auf Dauer und Gewinnerzielung (str.) gerichtete selbständige Tätigkeit. In Rom finden sich neben der Plantagenwirtschaft von Großgrundherren auch mit Hilfe von Sklaven betriebene Manufakturen für Textilien, Metallwaren und Keramik, welche noch keinen Maschineneinsatz kennen. In den Wirren des 3. Jh.s n. Chr. verfällt die gewerbliche Produktion. Sie beginnt neu in der frühmittelalterlichen Grundherrschaft (Schmied, Töpfer, Weber), gelangt aber erst in der hochmittelalterlichen Stadt zu größerer Bedeutung. Dort wird das G. in der -> Zunft organisiert und reglementiert. Im 19. Jh. löst der Liberalismus die Zwangsordnung auf und schafft die -> Gewerbefreiheit.

Lit.: Köbler, DRG 67, 78, 97, 134, 175, 225, 250; Schulte, E., Das Gewerberecht der deutschen Weistümer, 1909; Mannert, L., Die öffentliche Förderung der gewerblichen Produktionsmethoden, 1930; Henning, F., Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 1ff. 1973f.; Vom Gewerbe zum Unternehmen, hg. v. Scherner, K. u. a., 1982; Weyrauch, T., Städtische Amts- und Gewerbeordnungen, 1987; Reininghaus, W., Gewerbe in der frühen Neuzeit, 1990; Ziekow, J., Freiheit und Bindung des Gewerbes, 1992; Kraushaar, M., Die Gewerbegerichte, in: Arbeit und Recht, 1995, 313; Rohde, J., Das Recht der genehmigungsbedürftigen Anlagen im Gewerbe- und Immissionsschutzrecht von 1810, 2000

Gewerbefreiheit ist die Freiheit der gewerblichen Betätigung (Frankreich 1791, Preußen 1807/10/11/45, England 1814, Österreich 1859). Sie ist im einzelnen im Deutschen Reich durch die -> Gewerbeordnung von 1869 näher ausgestaltet.

Lit.: Köbler, DRG 175, 176; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,3527; Vogel, B., Allgemeine Gewerbefreiheit, 1983

Gewerbeordnung ist die rechtliche Regelung des Rechts der -> Gewerbe, insbesondere im Norddeutschen Bund das am 21. 6. 1869 geschaffene Gesetz.

Gewerbesteuer ist die vom Gewerbeertrag zu leistende Steuer.

Lit.: Köbler, DRG 55; Heni, G., Historische Analyse und Entwicklungen der Gewerbesteuer, 1991; Schnädter, H., Die Geschichte des Gewerbesteuerrechts, Diss. jur. Köln 1993

gewerblicher Rechtsschutz ist der gewerbliche Rechte betreffende Schutz durch die Rechtsordnung. Er umfasst das Recht der Patente (Venedig 1474, England 1623/4, Frankreich 1791), der Gebrauchsmuster (Deutschland 1871), der Geschmacksmuster (Frankreich 1711, Deutschland 1876), der Zeichen (Deutschland 30. 11. 1874, 12. 5. 1894, 5. 5. 1936) und des unlauteren Wettbewerbs (Deutschland 12. 5. 1894, 7. 6. 1909).

Lit.: Zimmermann, P., Frühe Beispiele aus der Welt der gewerblichen Eigentumsrechte, GRUR 69 (1969), 173; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,4205; Simon, J., Das allgemeine Persönlichkeitsrecht und seine gewerblichen Erscheinungsformen, 1981; Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, hg. v. Beier, F., Bd. 1f. 1991

Gewere ist im mittelalterlichen deutschen Recht ein (sachenrechtlicher Vorgang [Einkleidung eines Menschen mit einer Sache oder einem Amt, lat. investitura] und das aus diesem Vorgang erwachsende) Verhältnis eines Menschen zu einer Sache oder einem Amt, kraft dessen der Träger vor allem rechtswidrige Zugriffe auf den Gegenstand abwehren und den Gegenstand nach Wegnahme herausverlangen darf. Die G. gilt der herrschenden Meinung als urtümliche Grundfigur des germanischen Sachenrechts. Wahrscheinlich wird sie aber im spätantiken Kirchenrecht zur Sicherung gegenüber sich wandelnden Sachenrechtsverhältnissen entwickelt. Sie wird formelhaft als Kleid (d.h. äußere Erscheinungsform) des (als gedanklichen Gebildes unsichtbaren) Sachenrechtes (z. B. Eigentum an einem Grundstück) beschrieben. Sie zeigt sich augenscheinlich beispielsweise im Innehaben und Benutzen des Gegenstandes. Der Aufteilung des Sachenrechtes auf mehrere Berechtigte (z. B. Obereigentümer, Untereigentümer) entspricht die Aufteilung in eine ideelle (unkörperliche) und eine leibliche (körperliche) G. Der G. werden eine Offensivfunktion, eine Defensivfunktion und eine Translativfunktion zugeschrieben. Mit der Aufnahme des römischen Rechts seit dem späten Mittelalter wird das Wort G. durch das zu (lat. [F.]) possessio gebildete Wort Besitz abgelöst, innerhalb dessen zwischen mittelbarem und unmittelbarem Besitz unterschieden wird.

Lit.: Hübner 198, 430; Köbler, DRG 74, 90, 123, 162; Köbler, WAS; Albrecht, W., Die Gewere, 1828; Heusler, A., Die Gewere, 1872; Huber, E., Die Bedeutung der Gewere im deutschen Sachenrecht, 1894; Levy, E., The Law of Property, 1975; Köbler, G., Die Herkunft der Gewere, TRG 43 (1975), 195; Ishikawa, T., Die Gewere im Sachsenspiegel, FS H. Thieme, 1986, 59

Gewerkschaft ist ein Zusammenschluss von Menschen zu einem gewerblichen Zweck, insbesondere im Arbeitsbereich der freiwillige Zusammenschluss von Arbeitnehmern zur Sicherung und Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen. Im Bergrecht ist die G. eine wohl im 13. Jh. aus älteren Arbeitsgenossenschaften gebildete Gesellschaftsform ohne festes Grundkapital. Die vor dem Allgemeinen Berggesetz für die Preußischen Staaten vom 24. 6. 1865 gebildete ältere bergrechtliche G. ist -> Gesamthand (mit herkömmlich 128 Wertanteilen [Kuxen] am Gesellschaftsvermögen), die G. neueren Rechts ist juristische Person mit zwischen 100 und 10000 Kuxen. Im Arbeitsrecht bildet sich aus älteren Gesellenvereinen die G. (engl. trade union) zuerst in England, wo sie durch Gesetz (Combination Laws von 1799 bzw. 1800) bis 1824 verboten wird. In Deutschland entwickelt sich die G. nach unbedeutenden Anfängen in der Mitte des 19. Jh.s als arbeitsrechtliche G. nach der Aufhebung gesetzlicher Vereinigungsverbote (Sachsen 1861, Preußen 1867, Norddeutscher Bund 21. 6. 1869 [§ 152 I Gewerbeordnung]). 1868 entsteht ein allgemeiner deutscher Arbeiterschaftsverband (von 12 sog. freien Gewerkschaften), 1869 ein Verband der deutschen Gewerkenvereine. 1890 gründen die freien Gewerkschaften die Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands (1919 Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund). 1894 entwickeln sich christliche Gewerkschaften. Nach Auflösung der freien Gewerkschaften und Einbeziehung der übrigen Gewerkschaften in die Deutsche Arbeitsfront im Dritten Reich (1933-45) wird 1949 in der Bundesrepublik der Deutsche Gewerkschaftsbund mit (16) Einzelgewerkschaften gegründet, dem die Deutsche Angestelltengewerkschaft und der Deutsche Beamtenbund zur Seite stehen. Die G. ist regelmäßig nichtrechtsfähiger -> Verein.

Lit.: Hübner 312; Köbler, DRG 167, 177, 218, 24; Gierke, O. v., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1 1868, Neudruck 1954, 971; Deutsch, J., Geschichte der österreichischen Gewerkschaftsbewegung, Bd. 1f. 1908ff.; Weber, A., Der Kampf zwischen Kapital und Arbeit, 6. A. 1954; Jühe, R./Niedenhoff, H./Pege, W., Gewerkschaften in der Bundesrepublik Deutschland, 2. A. 1982; Hägermann, D./Ludwig, K., Europäisches Montanwesen, 1986; Schulte Beerbrühl, M., Vom Gesellenverein zur Gewerkschaft, 1991; Schneider, M., Kleine Geschichte der Gewerkschaften, 2. A. 2000; Stadtland, H., Herrschaft nach Plan und Macht der Gewohnheit, 2001

Gewette ist in Ostfalen im Hochmittelalter die vom Täter an den Richter zu erbringende Leistung, die neben der Leistung an den verletzten Kläger steht. -> fredus, Bann

Lit.: Friese, V., Das Strafrecht des Sachsenspiegels, 1898, 196

Gewicht -> Maß

Gewissensfreiheit ist die Freiheit der Gewissensbildung wie der Gewissensbetätigung. Sie wird in Frankreich um 1600 erkannt. Sie wird fester Bestandteil der -> Grundrechte.

Lit.: Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 2. A. 1995, 300

Gewohnheitsrecht ist das durch langdauernde Übung in der Überzeugung, damit recht zu handeln, von dem Beteiligten geschaffene Recht. Vermutlich erwachsen die ersten Rechtssätze allgemein aus Gewohnheiten und entsteht erst zusätzlich hierzu die bewusste Setzung von Recht durch -> Gesetz. In Rom wird in der Spätantike neben der kaiserlichen Konstitution auch die von Kaiser Konstantin (319) noch bekämpfte Gewohnheit (lat. [M.] mos, [F.] consuetudo) als Quelle neuen Rechtes anerkannt. Im Mittelalter wird das partikuläre G. zusammen mit einzelnen Gesetzen in -> Volksrechten und Rechtsbüchern (-> Landrechten) aufgezeichnet. In der Neuzeit wendet sich der absolute Staat mit seiner Gesetzgebung (Kodifikation) gegen das G. (vgl. Einl. § 60 zum ALR, § 10 ABGB). Auch der liberale Rechtsstaat des 19. Jh.s bevorzugt trotz der abweichenden Einschätzung durch die -> historische Rechtsschule das Gesetz. Dennoch gibt es noch in der Gegenwart gewohnheitsrechtliche Rechtsbildung.

Lit.: Köbler, DRG 4, 52, 101, 142, 185, 227, 254; Puchta, G., Das Gewohnheitsrecht, Bd. 1f. 1828ff.; Brie, S., Die Lehre vom Gewohnheitsrecht, 1899; Kaser, M., Mores maiorum und Gewohnheitsrecht, ZRG RA 59 (1939), 52; Schmiedel, B., Consuetudo im klassischen und nachklassischen römischen Recht, 1966; Köbler, G., Zur Frührezeption der consuetudo in Deutschland, Hist. Jb. 89 (1969), 337; Fürst, C., Zur Rechtslehre Gratians, ZRG KA 57 (1971), 276; Bühler, T., Gewohnheitsrecht, Enquête, Kodifikation, 1977; Diestelkamp, B., Das Verhältnis vom Gesetz und Gewohnheitsrecht im 16. Jahrhundert, FS H. Thieme, 1977, 1; Gilissen, J., La coutume, 1982; Gewohnheitsrecht und Rechtsgewohnheiten im Mittelalter, hg. v. Dilcher, G., 1992; Overdijk, D., De gewoonte, 1999; Geyer, P., Das Verhältnis von Gesetzes- und Gewohnheitsrecht in den privatrechlichen Kodifikationen, Diss. jur. Göttingen 1998

Gewohnheitsverbrechergesetz

Lit.: Müller, C., Das Gewohnheitsverbrechergesetz, 1997

Gibraltar ist die an der Südspitze Spaniens gelegene Kronkolonie Großbritanniens (6,5 Quadratkilometer, 27100 Einwohner). G. hat seinen Namen von dem 711 n. Chr. hier eine Befestigung anlegenden arabischen Feldherrn Tarik. 1462 wird G. von Spanien zurückerobert und 1704 von England besetzt. Dementsprechend ist sein Recht nacheinander islamisch, spanisch und englisch beeinflusst.

Gierke, Otto von (Stettin 11. 1. 1841 - Berlin 10. 10. 1921), Sohn des Stadtsyndikus von Stettin, wird nach dem Rechtsstudium in Berlin und Heidelberg und nach der Promotion (1860, Homeyer) und Habilitation in Berlin (1867, Beseler) Professor in Breslau (1871), Heidelberg (1884) und Berlin (1887). In seiner mehrbändigen Untersuchung Das deutsche Genossenschaftsrecht (Bd. 1ff. 1868ff.) unternimmt er den Versuch der Ermittlung der großen Entwicklungslinien der Geschichte der menschlichen Verbände, in seinem Deutschen Privatrecht (Bd. 1ff. 1895ff.) den Versuch der umfassenden Darstellung der deutschen Privatrechtsentwicklung aus deutschrechtlicher Sicht. Rechtspolitisch beeinflusst er die Gestaltung des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches (1900) und des deutschen Rechtes in sozialrechtlicher Richtung (Der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches und das deutsche Recht, 1888/9, -> Gesamthand).

Lit.: Köbler, DRG 207; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967, 543; Jobs, F., Otto von Gierke und das moderne Arbeitsrecht, Diss. jur. Frankfurt am Main, 1968; Janssen, A., Otto von Gierkes Methode der geschichtlichen Rechtswissenschaft, 1974; Spindler, H., Von der Genossenschaft zur Betriebsgemeinschaft, 1982; Haack, T., Otto von Gierkes Kritik, 1997; Pfennig, C., Die Kritik Otto von Gierkes, 1997; Peters, M., Die Genossenschaftstheorie Otto von Gierkes, 2002

 

Gießen an der Lahn ist seit 1607 Sitz einer juristischen Fakultät.

Lit.: Köbler, G., Gießener juristische Vorlesungen 1607-1982, 1982; Köbler, G., Zur Herkunft der Gießener Rechtslehrer des 19. Jahrhunderts, FS W. Mallmann, 1978, 117; Baumgarten, M., Vom Gelehrten zum Wissenschaftler, 1988; Chroust, P., Gießener Universität und Faschismus, 1994

Gilde ist eine Vereinigung mehrerer Menschen im mittelalterlichen nördlichen Europa. Eine G. wird erstmals 688-726 in England als Empfänger von -> Wergeld erwähnt. In Skandinavien erscheint die G. im 12. Jh. Im Hochmittelalter bilden die Gewerbetreibenden Gilden. -> Zunft

Lit.: Köbler, DRG 121; Köbler, WAS; Wilda, W., Das Gildenwesen im Mittelalter, 1831, Neudruck 1964; Pappenheim, M., Die altdänischen Schutzgilden, 1885; Weider, M., Das Recht der Deutschen Kaufmannsgilden im Mittelalter, 1931; Black, A,. Guilds, 1984; Gilden und Korporationen, hg. v. Friedland, K., 1984; Gilden und Zünfte, hg. v. Schwineköper, B., 1985; Anz, C., Gilden im mittelalterlichen Skandinavien, 1998

Giphanius (van Giffen), Hubert (Buren 1533/4 - Prag 1604) wird nach dem Studium in (Löwen,) Orléans, Bourges, Paris und Orléans teils gefeierter, teils umstrittener Professor in Straßburg (1570), Altdorf (1583) und Ingolstadt (1590) und 1599 Reichshofrat.

Lit.: Wolff, H., Geschichte der Ingolstädter Juristenfakultät, 1973, 134

Glanvill, Ranulf de (Suffolk um 1140? - Akkon 1190), aus normannischer (?), begüterter Familie, wird 1163 als Sheriff von Yorkshire (bis 1170) und 1173 als Sheriff von Lancashire genannt und 1180 zum ersten Rechtsberater (lat. [M.] capitalis iustitiarius) König Heinrichs II. von England erhoben. Seit dem 13. Jh. wird ihm der durch mehr als 30 Handschriften überlieferte (lat.) Tractatus (M.) de legibus et consue­tudinibus regni Angliae (Treatise on the Laws and Customs of England, Abhandlung von den Gesetzen und Gewohnheiten Englands) zugeschrieben, eine kurze, klare, in einfachem Latein vielleicht zwischen 1187 und 1189 verfasste Darstellung des englischen, von den Gerichten geformten Rechtes (Buch 1-13 Zivilklagen mit 76 Formularen eines königlichen writ [Buch 7 Erbrecht], Buch 14 Strafklagen), in dem die römischrechtlichen und kirchenrechtlichen Einflüsse den Kern des einheimischen Rechtes nicht berühren. Der Tractatus ist das älteste book of authority des -> common law. Es wird von Henry de -> Bracton benutzt.

Lit.: Holdsworth, W., A History of English Law, Bd. 2 4. A. 1936, 188; Peter, H., Actio und writ, 1957, 20, 105; The Treatise on the Laws, hg. v. Hall, G., 1965; Caenegem, R. van, The Birth of the English Common Law, 2. A. 1988

Glarus ist ein seit 1352 zur Eidgenossenschaft der Schweiz gehöriges, 1803 als Kanton anerkanntes Gebiet an der Linth, das sich am 22. 5. 1887 eine Verfassung gibt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,461; Die Rechtsquellen des Kantons Glarus, hg. v. Stucki, F., Bd. 1ff. 1983ff.; Schießer, F., Entstehung und Inhalt der Verfassung des Kantons Glarus, Jb. d. hist. Ver. d. Kantons Glarus 71 (1986)

Glaser, Julius (bzw. Josua) (Postelberg 19. 3. 1831 - Wien 26. 12. 1885), Kaufmannssohn, wird 1856/60 Strafrechtsprofessor in Wien und erarbeitet als liberaler Justizminister (1871-9) die österreichische Strafprozessordnung des Jahres 1873.

Lit.: Unger, J., Julius Glaser, 1885; Sinzheimer, H., Jüdische Klassiker der deutschen Rechtswissenschaft, 1953, 127; Juristen in Österreich, hg. v. Brauneder, W., 1987, 184

Glasgow in Schottland erhält um 548 eine erste Kirche. 1136 wird es Sitz eines Bischofs. Sein Marktrecht von 1189 wird 1689 in Stadtrecht umgewandelt. 1451 bzw. 1796 entstehen zwei Universitäten.

Lit.: Durkan, J./Kirk, J., The University of Glasgow, 1977

Glaubensfreiheit ist die Freiheit, einen eigenen religiösen Glauben zu bilden und dafür zu werben. -> Religionsfreiheit

Gläubiger (lat. [M.] -> creditor) ist der aus einem Schuldverhältnis zu einer Leistung Berechtigte. Er ist bereits dem römischen Recht allgemein bekannt. Wird er benachteiligt, so gewährt der Prätor während des Vollstreckungsverfahrens die Wiederherstellung des vorherigen Zustandes (lat. -> in integrum restitutio [F.]) und nach dem Vollstreckungsverfahren ein wiederherstellendes Edikt, woraus sich bei Justinian die (lat.) -> actio (F.) Pauliana (Gläubigeranfechtungsrecht) entwickelt, welche in Deutschland seit dem Spätmittelalter aufgenommen und mit ähnlichen Gestaltungen des mittelalterlichen Stadtrechts verbunden wird.

Lit.: Kaser § 32 I; Hübner; Oertel, R., Entwicklung und Bedeutung des Grundsatzes anteiliger Gläubigerbefriedigung im älteren deutschen Recht, 1901; Schultze, A., Über Gläubigeranfechtung und Verfügungsbeschränkungen des Schuldners, ZRG GA 41 (1920), 210

Gläubigerbenachteiligung ist die bereits dem römischen Recht bekannte, durch Verschiebung von Vermögensteilen des Schuldners erfolgende Benachteiligung von Gläubigern. Ihr sollen besondere gesetzliche Regeln (Anfechtungsgesetz) entgegenwirken.

Lit.: Kaser § 9 III

Gläubigerverzug ist die bereits dem römischen Recht bekannte Verzögerung der Erfüllung durch Fehlen eines zum Eintritt der Erfüllung notwendigen Verhaltens (z. B. Annahme) des Gläubigers.

Lit.: Kaser § 37 III; Köbler, DRG 44; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

glebae adscriptus (lat. [M.]) Schollengebundener (Kolone bzw. Bauer)

Gleichberechtigung ist die Gleichstellung bezüglich der Rechte (für Frauen und Männer). Der Grundsatz der G. wird in Abkehr von der älteren patriarchalischen Familienstruktur im Gefolge der Aufklärung seit der Mitte des 19. Jh.s (1848) verlangt, nachdem zuvor die Ausnahme von der Gleichheit als angesichts der Schwachheit der Frau und ihrer mangelnden Begabung zu vernünftiger Erkenntnis notwendige Schutzmaßnahme erklärt worden war. Danach werden 1869 in Preußen wichtige Einschränkungen der Handlungsfähigkeit der Frau aufgehoben und wird 1877 die Prozessunfähigkeit der Ehefrau beseitigt. Nach 1900 wird die Frau zum Universitätsstudium zugelassen, 1919 erhält sie das aktive und passive Wahlrecht, seit 1922 kann sie die Befähigung zum Richteramt erwerben. Am 29. 7. 1959 entscheidet das deutsche Bundesverfassungsgericht gegen den Vorrang des Mannes bei der gesetzlichen Vertretung der Kinder (Gleichberechtigungsgesetz).

Lit.: Hübner 71, 656; Köbler, DRG 238; Hippel, T. v., Über die bürgerliche Verfassung der Weiber, 1792; Wollstonecraft, M., Vindication of the rights of Women, 1793; Boehmer, G., Die Teilreform des Familienrechts durch das Gleichberechtigungsgesetz, 1962; Ramm, T., Gleichberechtigung und Hausfrauenehe, JZ 23 (1968), 41, 90; Dann, O., Gleichheit und Gleichberechtigung, 1980; Leicht-Scholten, C., Die Gleichberechtigung im Grundgesetz, 2000; Wendrich, J., Die Entwicklung der familienrechtlichen Entscheidungsbefugnisse der Ehefrau, 2002

Gleichheit -> Gleichberechtigung, -> Gleichheitsgrundsatz

Gleichheitsgrundsatz ist der Grundsatz, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Die Gleichheit der Menschen bejahen theoretisch schon die antiken Philosophen (Stoa, Cicero) und das Christentum. Dennoch sind antike und mittelalterliche Gesellschaft durch die Ungleichheit oder die nur stufenförmige Gleichheit gekennzeichnet. Erst in der Aufklärung des 18. Jh.s wird die Beseitigung der ständischen Ungleichheit zur politischen Forderung (-> Montesquieu, -> Voltaire, -> Rousseau). Seit 1776 nehmen die Verfassungen den G. auf (Frankreich [égalité] 1791, Bayern 1818, Preußen 1850, Weimarer Reichsverfassung 1919).

Lit.: Köbler, DRG 206, 252; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 997; Adams, W., Das Gleichheitspostulat in der amerikanischen Revolution, HZ 212 (1977), 59; Erler, A., Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich, 1967; Dann, O., Gleichheit und Gleichberechtigung, 1980; Kleinheyer, G., Aspekte der Gleichheit, Der Staat Beiheft 4, 1980, 7; Maldeghem, C. v., Die Evolution des Gleichheitssatzes, 1997; Frenz, B., Gleichheitsdenken in deutschen Städten, 2000

Glorious Revolution ist die Bezeichnung für den 1688 durch Eingreifen des Parlamentes unblutigen Wechsel vom 1672 katholisch gewordenen König Jakob II. aus dem Hause Stuart zu Maria II. Stuart und ihrem protestantischen Ehemann Wilhelm III. von Oranien. Obwohl die G. R. keine wirkliche Revolution ist, sondern die aristokratische Ordnung vordergründig eher festigt, legt die in der -> Bill of Rights (1689) errungene Sicherung der Rechte des -> Parlaments die Grundlage für die weitere verfassungsmäßige Entwicklung zum Parlamentarismus.

Lit.: Kroeschell, DRG 2

glossa -> Glosse

glossa (F.) ordinaria (lat., ordentliche Glosse) ist die Zusammenfassung aller einzelnen -> Glossen zum römischen bzw. kirchlichen Recht zu einer kettenförmig um den Text gelegten Einheit durch Accursius (1182/5-1260/3, 96940 Einzelglossen, 22365 zum Digestum vetus, 17969 zum Digestum infortiatum, 22243 zum Digestum novum, 17814 zum Codex [1-9], 4737 zu den Institutionen, 7013 zum Authenticum, 680 zu den Libri feudorum in insgesamt 5 Bänden, durch etwa 1200 Handschriften belegt) bzw. Johannes Teutonicus (1216). Die bereits 1258 in Florenz wenig später in Frankreich (Toulouse 1275-1300), Spanien und Portugal sowie gegen Ende des 13. Jh.s in Deutschland (Johannes von Erfurt 1285, Brügge 1291) verwendete g. o. des Accursius enthält u. a. etwa 10400 als von früheren Verfassern (z. B. Irnerius 330, Martinus 590, Bulgarus 315) stammend gekennzeichnete Glossen.

Lit.: Accursii Glossa, 1487ff., Neudruck 1968ff.; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997

Glossator -> Glosse

Glosse ist das ungewöhnliche und deshalb erklärungsbedürftige Wort, dessen Erklärung und die Gesamtheit aller Erklärungen erklärungsbedürftiger Wörter eines Textes (z. B. der Bibel). Im Recht beginnt die Glossierung mit dem Ziel der analysierenden Aufschließung des Textes, dann der Erleichterung des Verständnisses und schließlich der synthetizierenden Entwicklung der justinianischen Texte einer widerspruchsfreien Einheit wohl mit Irnerius (1060? - 1125?) in Bologna. Ihm folgen vor allem die vier Doktoren Bulgarus, Hugo, Jacobus und Martinus. Seit etwa 1160 werden die Glossen durch Namenssiglen gekennzeichnet. Nach 1215 wird die Tätigkeit der Glossatoren durch Begutachtung und Kommentierung ersetzt. -> Malbergische Glosse, Sachsenspiegelglosse

Lit.: Söllner §§ 3, 25; Köbler, DRG 106, 107; Köbler, LAW; Savigny, C., Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, Bd. 3ff. 2. A. 1834ff.; Schulte, J. v., Die Glosse zum Dekret Gratians, 1872; Engelmann, W., Die Wiedergeburt der Rechtskultur in Italien, 1938; Calasso, F., I glossatori e la teoria della sovranità, 2. A. 1951; Dilcher, H., Die Theorie der Leistungsstörungen bei Glossatoren, Kommentatoren und Kanonisten, 1960; Söllner, A., Die causa im Kondiktionen- und Vertragsrecht des Mittelalters, ZRG RA 77 (1960), 182; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967; Otte, G., Dialektik und Jurisprudenz, 1971; Villata di Renzo, G., La tutela, 1975; Dolezalek, G., Repertorium manuscriptorum veterum Codicis Iustiniani, 1985; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Otte, G., Logische Einteilungstechniken bei den Glossatoren, in: Dialektik und Rhetorik, hg. v. Fried, J., 1997, 157; Mittelalterliche volkssprachige Glossen, hg. v. Bergamnn, R. u. a., 2001

GmbH -> Gesellschaft mit beschränkter Haftung

Gnade -> Begnadigung

Lit.: Beyerle, K., Von der Gnade im deutschen Recht, 1910; Butz, H., Gnadengewalt und Gnadensachen, 1975; Mickisch, C., Die Gnade im Rechtsstaat, 1996

Gneist, Heinrich Rudolf Hermann Friedrich von (Berlin 13. 8. 1816 - 22. 7. 1895), Justizkommissarssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Berlin (Savigny) 1845 außerordentlicher Professor und 1858 ordentlicher Professor (1857/60 Das heutige englische Verfassungs- und Verwaltungsrecht). Er wirkt als Politiker zunächst gegen Bismarck und später Bismarck unterstützend gegen Sozialisten und Klerikale und fördert maßgeblich das Zustandekommen der Reichsjustizgesetze (1877/9) und die Einführung des richterlichen Prüfungsrechts, der freien Rechtsanwaltschaft und der gerichtlichen Überprüfung der Verwaltungstätigkeit.

Lit.: Schiffer, E., Rudolf von Gneist, 1929; Weber, D., Die Lehre vom Rechtsstaat, Diss. jur. Köln 1968; Luig, K., Soziale Monarchie oder soziale Demokratie, ZRG GA 111 (1994), 464; Hahn, E., Rudolf von Gneist, 1996; Eßer, D., Gneist als Zivilrechtslehrer, 2003

Go ist der hochmittelalterliche Dorfschaftsverband (Landgemeinde) in Sachsen. Meist zweimal jährlich findet eine Versammlung der Gobewohner statt (Goding). Das Alter des G. ist ebenso streitig wie die Herkunft. Im 16./17. Jh. beseitigt der Landesherr den G. zugunsten des Amtes.

Lit.: Heck, P., Der Sachsenspiegel und die Stände der Freien, 1905, 118, 137; Kroeschell, K., Zur Entstehung der sächsischen Gogerichte, FS K. Hugelmann, Bd. 1 1960, 295; Schmeken, E., Die sächsische Gogerichtsbarkeit, Diss. phil. Münster 1961; Landwehr, G., Gogericht und Rügegericht, ZRG GA 83 (1966), 127

Gobler, Justin (St. Goar um 1503 - Frankfurt am Main 21. 5. 1567) wird nach dem Rechtsstudium (u. a. Bourges [Alciat]) Rat, Richter und Publizist. Er übersetzt und kommentiert als erster (vor 1543) die -> Constitutio Criminalis Carolina Karls V. von 1532 ins Lateinische. Durch sein umfangreiches, vielfach angefeindetes Gesamtwerk fördert er sowohl die Aufnahme des römischen Rechtes in Deutschland wie auch die Kenntnis deutschen Rechtes im europäischen Umfeld.

Lit.: Stintzing, R., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1 1880, Neudruck 1957, 1978, 582; Kantorowicz, H., Goblers Karolinenkommentar, 1904

Gode (M.) altisländischer Priester(häuptling) (um 1000)

Lit.: See, K. v., Altnordische Rechtswörter, 1964, 107; Karlsson, G., Godar og baendur, 1972

Godefroy (Gothofredus), Denis (Dionysius) (Paris 17. 10. 1549 - Straßburg 7. 9. 1622), adliger Parlamentsratssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Paris (Baudoin), Löwen, Köln, Heidelberg und Orléans (1579) als hugenottischer Glaubensflüchtling Professor in Genf, Straßburg (1591), Heidelberg (1600), Straßburg (1601) und Heidelberg (1604-21). Er veröffentlicht 1583 eine humanistisch gebesserte kritische Ausgabe der justinianischen Gesetzbücher (lat. [N.] -> corpus iuris civilis), die bis 1776 die allgemein anerkannte Edition bleibt.

Lit.: Söllner §§ 22, 23; Köbler, DRG 143; Godefroy-Ménilglaise, D., Les savants Godefroys, 1873, Neudruck 1971; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967

Godefroy (Gothofredus), Jacques (Jacobus) (Genf 1587-1652), Sohn des Denis Godefroy (Dionysius Gothofredus [1549-1622]), wird nach dem Rechtsstudium in Bourges (1611) und weiteren Studien in Paris 1619 Professor des Rechts in Genf, Ratsmitglied, Syndikus und Diplomat. Er veröffentlicht 1665 eine kommentierte, kritische Ausgabe des -> Codex Theodosianus in sechs Bänden, die bis zur Gegenwart nicht ersetzt ist. Neben kleineren Quelleneditionen verfasst er ein sehr erfolgreiches Handbuch der (römischen) Rechtsgeschichte (lat. Manuale [N.] iuris, 1632).

Lit.: Jacques Godefroy (1587-1652), hg. v. Schmidlin, B. u. a., 1991

Goethe, Johann Wolfgang (Frankfurt am Main 28. 8. 1749 - Weimar 22. 3. 1832), Sohn des Juristen und kaiserlichen Rates Johann Kaspar Goethe und einer Stadtschultheißentochter, wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig (1765-1768) und Straßburg (1770, Lizentiat, nicht zum Doktor promoviert) Advokat in Frankfurt und Praktikant am Reichskammergericht in Wetzlar und 1775 bzw. 1776 Rat des Herzogs von Sachsen-Weimar, für den er vor allem in den ersten zehn Jahren für mehr als 20000 Verwaltungsangelegenheiten vielleicht ein Drittel seiner Zeit aufwendet. In sein berühmtes dichterisches Werk fließen auch seine rechtlichen Erfahrungen ein.

Lit.: Meisner, J., Goethe als Jurist, 1885; Schubart-Fikentscher, G., Goethes Straßburger Thesen vom 6. 8. 1771, 1949; Goethe-Zitate für Juristen, hg. v. Pausch, A. u. a., 4. A. 2000; Pausch, A./Pausch, J., Goethes Juristenlaufbahn, 1996; Unwandelbar G., hg. v. Schünemann, P., 1998; Boyle, N., Goethe, Bd. 1ff. 1999ff.; Heinze, M., Der Advokat Goethe, NJW 1999, 1897; Goethes Amtliche Schriften, Band 5 Kalendarium über Goethes amtliche Tätigkeit 1776-1819, hg. v. Wahl, V., 2000

Gogericht (Goding) ist das Gericht des Gografen über die Gogemeinde in Sachsen im Mittelalter. Seine Zuständigkeit ist im Sachsenspiegel (1221-4) hauptsächlich auf Fälle niederer Strafgerichte eingeschränkt, umfasst aber nach den Zeugnissen der Wirklichkeit weitere Bereiche. Alter und Herkunft des Gogerichts sind streitig.

Lit.: Schröder, R., Die Gerichtsverfassung des Sachsenspiegels, ZRG GA (1884), 1; Hömberg, A., Grafschaft, Freigrafschaft, Gografschaft, 1949; Kroeschell, K., Zur Entstehung der sächsischen Gogerichte, FS K. Hugelmann, Bd. 1 1960, 295; Landwehr, G., Gogericht und Rügegericht, ZRG GA 83 (1966), 127; Bemmann, K., Neue Aspekte zur Entstehung der sächsischen Gogerichte, ZRG GA 109 (1992), 95; Laur, W., Goding und Gogericht in Holstein und Niedersachsen, ZRG GA 111 (1994), 536; Hachenberg, W., Die Gogerichte, Diss. jur. Münster 1997

Goldast von Haiminsfeld, Melchior (Bischofszell 6. 1. 1578 - Gießen 11. 8. 1635) wird nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Ingolstadt und Altdorf und der Promotion in Heidelberg (1603) Herausgeber einheimischer Quellen (z. B. Imperatorum ... statuta, 1607) und Rat (Weimar 1613, Bückeburg 1615, Kaiser 1627).

Lit.: Schecker, H., Melchior Goldast von Haiminsfeld, 1930

Goldene Bulle ist das vor allem die Rechte der -> Kurfürsten regelnde, seit 1400 nach dem seinen sieben erhaltenen Ausfertigungen (5 für Kurfürsten, je eine für Frankfurt und Nürnberg) anhängenden, nach byzantinischem Vorbild im 9. Jh. im Westen eingeführten goldenen Siegel benannte, lateinisch gefasste, vielleicht weitgehend vom Hofkanzler Johann von Neumarkt formulierte Reichsgesetz Kaiser Karls IV. vom 10. 1. 1356 (Kapitel 1-23) bzw. 25. 12. 1356 (Kapitel 24-31). Obwohl die G. B. sich als Privileg darstellt, fasst sie eigentlich nur bereits weitgehend anerkannte Sätze zusammen. Dabei festigt sie das Wahlrecht der sieben Kurfürsten, erkennt die unbeschränkte Gerichtshoheit, das Berg-, Juden- und Zollregal, das Münzrecht und die Landerwerbsberechtigung der Kurfürsten an und regelt das kurfürstliche Erbfolgerecht (Kapitel 7 Primogeniturerbfolge im unteilbaren Fürstentum).

Lit.: Köbler, DRG 95, 101; Lindner, T., Die Goldene Bulle und ihre Originalausfertigungen, MIÖG 5 (1884), 96; Zeumer, K., Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV., 1908, Neudruck 1972; Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Reichsverfassung, hg. v. Zeumer, K., 2. A. 1913, 192ff.; Petersen, E., Studien zur Goldenen Bulle von 1356, DA 22 (1966), 227; Eisenhardt, U., Die Rechtswirkung der in der Goldenen Bulle genannten privilegia, ZRG GA 86 (1969), 97; Hergemöller, B., Fürsten, Herren und Städte zu Nürnberg 1355/6, 1983; Die Goldene Bulle. König Wenzels Handschrift, Kommentar von Wolf, A., 2002

Goldene Regel ist vielleicht seit 1724 der Name für die schon dem Alten Testament bekannte, lateinisch quod ab alio odis fieri tibi, vide ne alteri tu aliquando facias und deutsch was du nicht willst, dass man dir tu, das füg´ auch keinem andern zu.

Lit.: Mayer-Maly, T., Der Weg der Goldenen Regel, FS A. Söllner, 2000

Goldschmidt, Levin (Danzig 30. 5. 1829 - Berlin 16. 7. 1897), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Berlin, Bonn, Heidelberg und Berlin (Dissertation De societate en commandite) 1855 in Heidelberg habilitiert, 1860 außerordentlicher Professor, 1866 ordentlicher Professor sowie 1875 in Berlin Inhaber der ersten deutschen Handelsrechtsprofessur. In seinen handelsrechtlichen und handelsrechtsgeschichtlichen Arbeiten (Handbuch des Handelsrechts, 1864ff., Universalgeschichte des Handelsrechts, [Bd. 1 3. A.] 1891, Neudruck 1957) bemüht er sich auch um die Verbindung von römischrechtlichen und nichtrömischrechtlichen Sätzen, um Einbeziehung wirtschaftswissenschaftlicher Erkenntnisse und um Berücksichtigung der praktischen Rechtsanwendung mit dem Ziel einer möglichst vielseitigen Sehweise. 1874 ist er Mitglied einer Kommission zur Vorbereitung des Bürgerlichen Gesetzbuches.

Lit.: Sinzheimer, H., Jüdische Klassiker der deutschen Rechtswissenschaft, 2. A. 1952; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993; Weyhe, L., Levin Goldschmidt, 1996

Gönner, Nikolaus Thaddäus von (Bamberg 18. 12. 1764 - München 18. 4. 1827) wird zunächst in Bamberg, seit 1799 in Ingolstadt bzw. 1800 in Landshut Professor und wechselt 1811 in den Justizdienst Bayerns. Vom Reichsstaatsrecht (Teutsches Staatsrecht, 1804) kommend wendet er sich der politischen Entwicklung folgend der einzelstaatlichen Gesetzgebung zu (Hypothekengesetz 1822). Bedeutsam sind auch seine öffentlichrechtliche Erfassung der Rechtsgrundlagen des Berufsbeamtentums (Der Staatsdienst, 1808) und sein auf die Natur der Sache ausgerichtetes Handbuch des deutschen gemeinen Prozesses (Bd. 1ff. 1801ff.).

Lit.: Koch, J., Nikolaus Thaddäus von Gönners Staatslehre, 1902; Schaffner, L., Nikolaus Thaddäus von Gönner, Diss. jur. Würzburg 1955 (masch.schr.); Stolleis, M., Das Bayerische Hypothekenbankgesetz von 1822, in: Wissenschaft und Kodifikation im 19. Jahrhundert, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 3 1976

Görlitz an der Neiße wird 1071 erstmals erwähnt und hat um 1500 rund 10000 Einwohner. Das Görlitzer Rechtsbuch ist ein in einer in der ersten Hälfte des 14. Jh.s (um 1300?) geschriebenen Abschrift (101 Blätter) erhaltenes Stadtrechtsbuch für Görlitz, das eine wortgetreue ungereimte Übersetzung des (lat.) -> Auctor (M.) vetus de beneficiis ins Mittel(mittel)deutsche (Artikel 1-30 von insgesamt 47) mit Auszügen aus dem Landrecht des Sachsenspiegels, dem Weichbildrecht, vermutlich auch dem Sächsischen Landfrieden (1221) und der Magdeburg-Görlitzer Rechtsweisung (1304) verbindet und dabei in seinem zweiten Teil vielleicht auf dem (verlorenen) lateinischen Auctor vetus (Sachsenspiegel Landrecht) beruht.

Lit.: Köbler, DRG 103; Buhr, J., Das Görlitzer Rechtsbuch, Diss. jur. Bonn 1941 (verloren); Auctor vetus, hg. v. Eckhardt, K., 1966; Lemper, E., Görlitz, 4. A. 1980; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 30; Anders, I./Wolfrum, P., Görlitz, 1996

Goslar am Harz ist Ort einer bedeutenden Königspfalz, neben der eine Stadt entsteht, welcher der Staufer Friedrich II. am 13. 7. 1219 einen großen Freiheitsbrief gibt. Zu Beginn des 14. Jh.s erringt sie die Reichsunmittelbarkeit und zeichnet vermutlich zwischen 1348 und 1360 ihr Recht in den Goslarischen Statuten auf.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Ebel, W., Studie über ein Goslarer Ratsurteilsbuch des 16. Jahrhunderts, 1961; Ebel, W., Das Stadtrecht von Goslar, 1968

Gote ist der Angehörige eines in der Völkerwanderungszeit von der Ostsee (Gotland) über den Südosten (Krim) 375 n. Chr. in das Römische Reich eindringenden germanischen Volkes, das sich in -> Ostgoten (Italien) und -> Westgoten (Gallien, Spanien) aufteilt. Zwischen 25 und 50% der als Goten bezeichneten Menschen dürften nach ihrer volksmäßigen Herkunft Goten gewesen sein. Ihr Ursprung in Skandinavien wird bezweifelt.

Lit.: Burn, T., A History of the Ostrogoths, 1984; Teillet, S., Des Goths à la nation gothique, 1984; Köbler, G., Gotisches Wörterbuch, 1989; Wolfram, H., Die Goten, 4. A. 2001; Heather, P., Goths and Romans, 1991; Köbler, G., Neuhochdeutsch-gotisches Wörterbuch, 1993; Heather, P., The Goths, 1996; Sonderegger, S., Tradition und Erneuerung der germanischen Rechtssprache aus der Sicht des Gotischen, FS K. Kroeschell, 1997; Mussot-Goulard, R., Les Goths, 1999; Wolfram, H., Die Goten und ihre Geschichte, 2001; Christensen, A., Cassiodorus, Jordanes and the History of the Goths, 2002

Göteborg am Kattegat wird 1619 angelegt und 1621 mit Stadtrecht begabt. 1891 erhält es eine Universität.

Gothofredus -> Godefroy

Gott ist nach jüdischer und christlicher Lehre der Schöpfer des Himmels und der Erde. Er ist der Herr über das Recht, das er als Gebot und Verbot den Menschen gegeben hat (-> Dekalog). Im jüngsten Gericht zieht er den Menschen zur Rechenschaft.

Lit.: Köbler, DRG 108; Bibel und Recht, hg. v. Eckert, J. u. a., 1994; Lang, B., Jahwe der biblische Gott, 2002; Eckart, O., Gottes Recht als Menschenrecht, 2002

Gottesfriede (lat. [F.] pax Dei) ist das im späten Frühmittelalter ([Le Puy um 975,] Charroux 989, Narbonne um 990, Limoges 994, Le Puy 994, Poitiers 1000) von der Kirche ausgehende Friedensgebot, dessen Verletzung kirchliche Folgen nach sich zieht. Der G. erreicht von Südfrankreich aus gegen Ende des 11. Jh.s das Reich (Lüttich 1082, Köln 1083, Bamberg 1085). Inhaltlich sehen beschworene Beschlüsse geistlicher und weltlicher Herren Exkommunikation, Verfluchung, Bußen für Mord, Diebstahl, Raub usw. vor. Besonders geschützt werden Mönche, Kaufleute, Bauern, Frauen, Kirchen oder Vieh. Besondere Zeiten des Friedens sind die hohen Feste und die Tage von Donnerstag bis Sonntag. Seit dem ausgehenden 11. Jh. weicht der G. dem -> Landfrieden.

Lit.: Köbler, DRG 118; Achter, V., Über den Ursprung der Gottesfrieden, 1955; Hattenhauer, H., Die Bedeutung der Gottes- und Landfrieden, Diss. jur. Marburg 1958; Hoffmann, H., Gottesfriede und Treuga Dei, 1964; Körner, T., Iuramentum und frühe Friedensbewegung, 1977; Goetz, H., Gottesfriede und Gemeindebildung, ZRG GA 105 (1988), 122; Wadle, E., Gottesfrieden und Landfrieden, in: Funktion und Form, hg. v. Kroeschell, K. u. a., 1996, 63

Gotteslästerung (vgl. Leviticus 24,11-16) ist die im römischen Recht (Todesstrafe) und seit dem Spätmittelalter (1495) strafbare, besonders verletzende öffentliche Kundgabe der Missachtung des christlichen Gottes, die seit dem 18. Jh. problematisiert wird (von 1813 bis 1827 in Bayern straflos) und 1969 in Deutschland straflos wird.

Lit.: Köbler, DRG 19; Ettinger, J., Zur Lehre von den Religionsregeln, 1919, 29; Leutenbauer, S., Das Delikt der Gotteslästerung, 1984

Gottesstaat ist die Vorstellung von der Herrschaft des christlichen Gottes auf der Erde. Sie wird maßgeblich von Augustinus (354-430) geprägt, der in seinem Werk (lat.) De civitate Dei (413-26) einen Gegensatz von (lat.) civitas (F.) Dei (Staat Gottes) und (lat.) civitas (F.) terrena (irdischer Staat) bildet.

Lit.: Köbler, DRG 82; Loewenich, W. v., Augustin, 1965

Gottesurteil ist das Urteil (eines?) Gottes in einer menschlichen Streitfrage. Im mittelalterlichen, wohl insofern von der christlichen Kirche beeinflussten Recht ist das G. die Entscheidung über die Schuld oder die Unschuld eines Beschuldigten durch ein auf (den christlichen) -> Gott zurückgeführtes äußeres Zeichen (z. B. [folgenloses] Tragen eines glühenden Eisens, [folgenloses] Schreiten über glühende Pflugscharen, [folgenloses] Eintauchen des Armes in siedendes Wasser, [folgenloses] Treten vor die Leichenbahre eines Toten usw.). Streitig ist, ob Zweikampf und Los Gottesurteile sind. Die Stellung der Kirche zum G. ist lange Zeit uneinheitlich. 1219/22 wendet sie sich deutlicher gegen das G. Dennoch erhält sich das G. bis in das 17. Jh., bis es vielleicht durch die Aufnahme des römischen Rechts oder die zunehmende Vernünftigkeit verschwindet.

Lit.: Köbler, DRG 86; Nottarp, H., Gottesurteile, 1949; Nottarp, H., Gottesurteilsstudien, 1956; Hexeter, R., Equivocal Oaths and Ordeals, 1975; Bartlett, R., Trial by fire and water, 1986; Köbler, G., Welchen Gottes Urteil ist das Gottesurteil des Mittelalters?, FS W. Trusen, hg. v. Brieskorn, N., 1994, 89

Göttingen an der Leine (953 Gutingi) wird 1737 Sitz einer aufgeklärten, im 18. Jh. in Deutschland führenden Universität (-> Pütter, -> Hugo). Am 18. 11. 1837 protestieren sieben Göttinger Professoren (u. a. Jacob Grimm und Wilhelm Grimm) gegen die Aufhebung der 1833 gewährten Verfassung seitens des Königs von Hannover und verlieren dadurch ihr Amt.

Lit.: Köbler, DRG 136, 170; Smend, R., Die Göttinger Sieben, 1951; Ebel, W., Zur Geschichte des Rechtsstudiums und der Juristenfakultät an der Universität Göttingen, 1961; Rechtswissenschaft in Göttingen, hg. v. Loos, F., 1987; Göttingen, hg. v. Denecke, D., 1987; Die Universität Göttingen unter dem Nationalsozialismus, hg. v. Becker, H. u. a., 1987; Dilcher, G., Der Protest der Göttinger Sieben, 1988; Die Geschichte der Verfassung und der Fachbereiche der Georg-August-Universität, hg. v. Schlotter, H., 1994; See, K. v., Die Göttinger Sieben, 1997; Boockmann, H., Göttingen, 1997; Jeske, R., Bürgertum in der Universitätsstadt, 1998; Jeske, R., Bürgertum in der Universitätsstadt Göttingen, 1999; Szabó, A., Vertreibung, Rückkehr, Wiedergutmachung, 2000; See, K. v., Die Göttinger Sieben – Kritik einer Legende, 3. A. 2000; Göttinger Gelehrte, hg. v. Arndt, K. u. a., 2001

Goudelin -> Gudelinus

Graf (lat. [M.] comes) ist im Mittelalter ein ursprünglich königlicher Amtsträger. Der Titel comes findet sich im römischen Altertum seit Kaiser Diokletian (284-313/6) für hohe Höflinge und danach für örtliche Amts­träger (u. a. auch [lat.] comes civitatis). Der frühmittelalterliche fränkische comes soll den Frieden wahren, Übeltäter verfolgen und Schutzbedürftige sichern. Daneben kennt die fränkische (lat. [F.]) Lex Salica einen vielleicht zu got. gagrefts, Befehl, zu stellenden afrk. grafio, der auf Verlangen eines Rechtsuchenden Sachen wegnehmen oder unerwünschte Siedler vertreiben soll und der möglicherweise ein örtlicher königlicher Befehlshaber ist. In der Mitte des 8. Jh.s verschmilzt dieser grafio anscheinend mit lat. comes, dessen Aufgaben in karolingischer Zeit in der Erhaltung des Königsgutes, der Aufbietung der Heerfolgepflichtigen, der Erhebung von Zöllen, der Einziehung von verfallenem Gut und der Leitung des Rechtsstreits um Freiheit und Grund bestehen. Zwar ist der G. absetzbar, doch wird seine Stellung in vornehmen Familien bald erblich. Die richterlichen Aufgaben treten in den Vordergrund. Seit dem 11. Jh. gerät die gräfliche Gewalt unter den Einfluss nichtköniglicher Mächte. Der Grafentitel wird zu einer Standesbezeichnung. Ein Teil der Grafen wird mittelbarer landsässiger Adel, die reichsständischen Grafen treten im Reichsfürstenrat zusammen (schwäbische, wetterauische, fränkische und westfälisch-niedersächsische Grafenkurie). Mit dem Ende des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) verliert auch der reichsunmittelbare G. seine selbständige Bedeutung. G. wird zum verliehenen höheren Adelstitel.

Lit.: Köbler, DRG 84, 86; Köbler, WAS; Ficker, F., Vom Reichsfürstenstand, Bd. 1 1861, 72, 95; Fehr, H., Fürst und Graf im Sachsenspiegel, 1906; Schlesinger, W., Die Entstehung der Landesherrschaft, 1941, Neudruck 1964; Krüger, S., Studien zur sächsischen Grafschaftsverfassung im 9. Jahrhundert, 1950; Guttenberg, E. v., Iudex hoc est comes aut grafio, FS E. Stengel 1952, 93; Sprandel, R., Dux und comes in der Merowingerzeit, ZRG GA 74 (1957), 41; Schölkopf, R., Die sächsischen Grafen, 1957; Bosl, K., Franken um 800, 2. A. 1980; Schulze, H., Grundprobleme der Grafschaftsverfassung, Z. f. württemberg. LG. 44 (1985), 265; Borgolte, M., Die Grafen Alemanniens, 1986; Zotz, T., Grafschaftsverfassung und Personengeschichte, ZGO 136 (1988), 1

Grafenbann ist der vom König im Frühmittelalter dem -> Grafen verliehene -> Bann von 15 Schillingen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1

grafio -> Graf

Grafschaft ist der Amtsbezirk des -> Grafen. Im Gegensatz zu älteren Forschungen werden trotz etwa der erheblichen Anstrengungen von Herrschern wie Pippin des Jüngeren oder Ludwig des Frommen in der Gegenwart die Vorstellung einer Deckungsgleichheit von Gauangaben der Quellen und jeweils gegebenen Bezirken von Grafen und die Vorstellung eines lückenlosen Systems von Grafschaften für das Frühmittelalter abgelehnt (Amtsgrafschaften neben auf versteuerten Königsgut gegründeten Streugrafschaften). Zu einer stärkeren Geschlossenheit von Amtsbezirken scheint es mit der Festigung der Landesherrschaft zu kommen.

Lit.: Köbler, WAS; Krüger, S., Studien zur sächsischen Grafschaftsverfassung im 9. Jahrhundert, 1950; Schulze, H., Die Grafschaftsverfassung, 1973; Borgolte, M., Geschichte der Grafschaften Alemanniens, 1984; Schulze, H., Grundprobleme der Grafschaftsverfassung, Z. f. württemberg. LG. 44 (1985), 265; Hoffmann, H., Grafschaften in Bischofshand, DA 46 (1990), 375

Gragas (Graugans) ist die auf einem Irrtum beruhende, 1548 nachweisbare, seit dem 17. Jh. übliche Bezeichnung für das aus Gesetzen, Gutachten, privaten Aufzeichnungen und Formelsammlungen zusammengesetzte, zwischen 1258 und 1271 aufgezeichnete und durch das Königsbuch (Konungsbok, [lat.] Codex [M.] regius) und das Stadarholsbuch (Stadarholsbok, [lat.] Codex [M.] Arnamagaeanus) der zweiten Hälfte des 13. Jh.s überlieferte, altisländische Recht ([930-1264] Christenrecht, Strafrecht, Eherecht, Erbrecht, Grundgüterrecht und Vertragsrecht). Die Geltung der G. auf Island wird nach der Unterwerfung -> Islands unter Norwegen (1262/4) 1271/81 durch das Gesetzbuch König Magnus Hakonarsons (->Jarnsida, -> Jonsbok) aufgehoben.

Lit.: Isländisches Recht, hg. v. Heusler, A., 1937; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 120; Foote, P., Some Lines in Logréttutháttr, FS P. Foote, 1984, 155

Granada an der Sierra Nevada geht auf eine keltische Gründung zurück. Im Mittelalter ist es Mittelpunkt eines maurischen Königreiches (1030-50, 1238-1492). 1526/31 erhält es eine Universität.

Lit.: Ladero Quesada, M., Granada, 1988

Grande ordonnance de réformation du royaume ist ein französisches Gesetz von 1302, durch das der König den Schutz der Kirche auch in den Gebieten der Landesherren (Herzöge, Grafen, Barone) übernimmt.

Grangie ist der hochmittelalterliche klösterliche Wirtschaftshof vor allem der Zisterzienser.

Lit.: Wiswe, H., Grangien niedersächsischer Zisterzienserklöster, Braunschweig. Jb. 34 (1953), 5; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957, 175f.; Villa, curtis, grangia, hg. v. Janssen, W. u. a., 1983

Gratian (Carraria um 1100 - Bologna? nach 1143 [um 1150?]), (kamaldulensischer Mönch? und) Magister der Theologie in Bologna, verfasst zwischen 1125 und 1140 die -> concordia discordantium canonum (-> Decretum Gratiani). Er begründet mit diesem vielleicht 3800 Kapitel kirchenrechtlicher Quellen zusammenfassenden, die Widersprüche kommentierend auflösenden Werk die kirchenrechtliche Wissenschaft.

Lit.: Köbler, DRG 102, 105; Plöchl, W., Das Eherecht des Magisters Gratianus, 1935; Kuttner, S., Graziano, 1953, 20; Weigand, R., Die Naturrechtslehre der Legisten und Dekretisten, 1967, 132; Kuttner, S., Research on Gratian, in: Seventh International Congress of medieval Canon Law, 1984; Weigand, R., Das kirchliche Wahlrecht im Dekret Gratians, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997, 1331; ; Winroth, A., The Making of Gratian’s Decretum, 2000

Graubünden ist ein aus antihabsburgischen Bündnissen (1367 Gotteshausbund, 1395 Oberer oder Grauer Bund) entstandener, seit 1497ff. zur -> Eidgenossenschaft in Beziehung tretender Kanton (1803/15) der -> Schweiz.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Bündner Urkundenbuch, Bd. 1ff. bearb. v. Meyer-Marthaler, E. u. a., 1947ff.; Die lex Romana Curiensis, hg. v. Meyer-Marthaler, E., 1959; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,451; Bundi, M., Zur Besiedlungs- und Wirtschaftsgeschichte Graubündens, 1982; Geschichte und Kultur Churrätiens, 1986; Rathgeb, C., Die Verfassungsentwicklung Graubündens im 19. Jahrhundert, 2003

gravamen (lat. [N.]) Last, Beschwerde (im Gegensatz zu Vorteil, Gewinn)

Gravina, Gian Vincenzo (1664-1718), nach dem Studium in Scaela (Caloprese) und Neapel (Biscardi) seit 1689 in Rom, wird Professor zunächst für Zivilrecht, 1703 für kirchliches Recht. Sein Hauptwerk sind die 1701 veröffentlichten (lat.) Origines (F.Pl.) iuris civilis (Ursprünge des weltlichen Rechts).

Lit.: Ghisalberti, C., Gian Vincenzo Gravina, 1962

Graz (zu slaw. gradec, Bürglein) an der Mur wird 1164 als Markt neben einer Burg genannt. Seit 1379 ist es Residenz. 1584 erhält es zum Zweck der Gegenreformation eine Universität, an der auch juristischer Unterricht stattfindet.

Lit.: 850 Jahre Graz, hg. v. Steinböck, W., 1978

Gregorius ist der Verfasser des -> Codex Gregorianus.

Gregor von Tours (Clermont 30. 11. 538/9 - Tours 17. 11. 594), seit 573 Bischof von Tours, überliefert in seinen zehn Büchern Geschichte (lat. Decem libri [M.Pl.] historiarum) wichtige Gegebenheiten der merowingischen Frankenzeit.

Lit.: Weidemann, M., Kulturgeschichte der Merowingerzeit, 1982; Goffart, W., The Narrators of Barbarian History, 1988; Heinzelmann, M., Gregor von Tours, 1994

Greife ist der Angehörige eines vor 1124 christianisierten Herzogsgeschlechts der Pomoranen (Pommern), das seit 1215 einen Greifen im Wappen führt und 1631 ausstirbt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Wehrmann, M., Genealogie des pommerschen Herzoghauses, 1937

Greifswald nahe der Ostsee mit -> lübischem Stadtrecht erhält 1456 eine Universität (1456-1524 3317 Immatrikulationen).

Lit.: Molitor, E., Die Greifswalder Juristenfakultät, FS zur 500-Jahrfeier der Universität Greifswald, Bd. 2 1956; Lorenz, S., Aktenversendung und Hexenprozess, 1983; Feltkamp, K./Biederstedt, R., Greifswald, 1983; Vorholz, I., Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät, 2000; Das älteste Greifswalder Stadtbuch (1291-1332), bearb. v. Poeck, D., 2000; Matthiesen, H., Greifswald in Vorpommern, 2000; Link, A., Auf dem Weg zur Landesuniversität, 2000; Greifswald, hg. v. Wernicke, H., 2000

Grenze ist die Trennungslinie zwischen zwei Bereichen, insbesondere zwei Staaten. Ursprünglich nur wenig genau bestimmt, wird die G. mit wachsender Bevölkerungsdichte und zunehmender Territorialisierung immer eindeutiger gekennzeichnet und gesichert. Für die Grenzfestlegung entwickeln sich besondere technische Verfahren, deren Einhaltung strafrechtlich bewehrt wird.

Lit.: Hübner; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 2 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 69; Deutschlands Grenzen in der Geschichte, hg. v. Demandt, A., 3. A. 1993; Simmerding, F., Grenzzeichen, 1997; Grenze und Differenz im frühen Mittelalter, hg. v. Pohl, W. u. a., 2000

Grieche ist der Angehörige des die griechische Sprache sprechenden, von den Indogermanen abstammenden Volkes, das im 2. Jt. v. Chr. in den Südosten Europas eindringt. Nach dunklen, erst mit den 27803 Versen von Ilias und Odysee sich lichtenden Jahrhunderten (1200-800 v. Chr.) bilden die Griechen in der Mitte des 1. Jt.s v. Chr. den Stadtstaat (polis) aus (Sparta, Athen und viele andere). Sie führen die Wissenschaften auf einen hohen Stand (Thales, Anaximander, Anaximenes, Xenophanes, Heraklit, Demokrit, Pythagoras, Sokrates, Plato, Aristoteles). Ihr Recht ist durch schon im 7. Jh. einsetzende Gesetzgebung (Lykurg, Solon, Drakon) und die rechtsphilosophische Unterscheidung von natürlichem Recht (-> Naturrecht) und gesetztem Recht gekennzeichnet.

Lit.: Köbler, DRG 15, 16, 29; Zachariae von Lingenthal, K., Geschichte des griechisch-römischen Rechts, 3. A. 1892, Neudruck 1955; Mühl, M., Untersuchungen zur altorientalischen und althellenischen Gesetzgebung, 1963; Mummenthey, H., Zur Einführung: Griechisches Recht, JuS 1969, 307; Wolff, H., Das Recht der griechischen Papyri Ägyptens, 1978; Biscardi, Diritto greco antico, 1982; Triantaphyllopoulos, Das Rechtsdenken der Griechen, 1985; Greek Law, hg. v. Foxhall, L. u. a., 1996; Burkert, W., Die Griechen und der Orient, 2003

Griechenland ist ein südosteuropäischer, seit 1. 1. 1981 der -> Europäischen Gemeinschaft (1993 -> Europäischen Union) angehörender Staat. Sein anfangs durch viele Stadtstaaten (z. B. -> Athen) gekennzeichnetes Gebiet wird seit 336 v. Chr. unter Makedonien vereinigt, gelangt 146 v. Chr. unter die Herrschaft der Römer, wird 330 n. Chr. Ostrom bzw. -> Byzanz zugeteilt und fällt 1453 an die Osmanen. Seit dem 4. 3. 1821 erheben sich die Griechen gegen die osmanische Herrschaft. Nach Erringung der Unabhängigkeit wird 1828 der -> Hexabiblos als vorläufiges Zivilgesetzbuch bestimmt. Am 3. 2. 1830 wird G. als unabhängige Erbmonarchie anerkannt, zu dessen König 1832 der bayerische Prinz Otto von Wittelsbach bestimmt wird. Das danach geschaffene Recht ist vom deutschen Recht geprägt (1832-4 Georg Ludwig von Maurer Strafgesetz, Strafprozessordnung, Gerichts- und Notariatsordnung, Zivilprozessordnung, Vorbereitung eines Zivilgesetzbuches). 1940 wird das vom deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch beeinflusste Zivilgesetzbuch geschaffen, dessen Inkrafttreten am 23. 2. 1946 die Geltung des gemeinen Rechts (-> Hexabiblos) beendet. Am 21. 4. 1967 putscht die Armee gegen den König, am 1. 6. 1973 wird die Republik ausgerufen.

Lit.: Lipsius, Das attische Recht, Bd. 1ff. 1905ff., Neudruck 1984; Jones, The Law and Legal Theory of the Greeks, 1956; Sontis, J., Das griechische Zivilgesetzbuch, ZRG RA 78 (1961), 355; Woodhouse, C., The story of modern Greece, 1968; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,5,473; Bengtson, H., Griechische Geschichte, 8. A. 1994; Schuller, Griechische Geschichte, 4. A. 1995; Inschriftliche Gesetzestexte der frühen griechischen Polis, hg. v. Hallof, K., 1993; Selb, W., Antike Rechte im Mittelmeerraum, 1993; Passow, F., Handwörterbuch der griechischen Sprache, 5. A. 1993; Inschriftliche Gesetzestexte, hg. v. Hallof, K., 1993; Argyriades, C., Staatsbilder und Rechtspraktiken, 1994; Christ, C., Griechische Geschichte, 1996; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 1997; Rhodes, P./Lewis, D., The Decrees of the Greek States, 1997; Einleitung in die griechische Philologie, hg. v. Nesselrath, H., 1997; Hölkeskamp, J., Schiedsrichter, Gesetzgeber und Gesetzgebung, 1999; Große Gestalten der griechischen Antike, hg. v. Brodersen, K., 1999; Price, S., Religions of the Ancient Greeks, 1999; Thomas, C./Conant, C., Citadel to City-State, 1999; Botsiou, K., Griechenlands Weg nach Europa, 1999; Hölkeskamp, K., Schiedsrichter, Gesetzgeber und Gesetzgebung im antiken Griechenland, 1999; Rosen, K., Griechische Geschichte erzählt, 2000; Riemer, P./Weißenberger, M./Zimmermann, B., Einführung in das Studium der Gräzistik, 2000; Verfassungsgeschichte und Staatsrechtslehre. Griechisch-deutsche Wechselwirkungen, hg. v. Kassimatis, G. u. a., 2000; Lotze, D., Griechische Geschichte, 5. A. 2003; Rose, H., Griechische Mythologie, (10. A.) 2003

Grimm, Jakob (Hanau 4. 1. 1785 - Berlin 20. 9. 1863), Amtmannssohn, wird nach dem nicht abgeschlossenen Rechtsstudium in Marburg (Savigny) Bibliothekar in Kassel und 1829/30 Professor der Germanistik in Göttingen. 1837 wird er als einer der Göttinger Sieben (-> Göttingen) des Amtes enthoben, 1840 nach Berlin an die Akademie der Wissenschaft geholt. 1828 erscheinen nach den Kinder- und Hausmärchen (1812ff., zusammen mit Wilhelm Grimm [24. 2. 1786 - 16. 12. 1859]), den Deutschen Sagen (1816ff.) und der Deutschen Grammatik (1819) seine Deutschen Rechtsaltertümer, über welche er in Berlin auch Vorlesungen hält, seit 1840 seine Deutschen Weistümer sowie 1854ff. sein Deutsches Wörterbuch, durch welche J. G. den germanistischen Teil der historischen Rechtsschule nicht unmaßgeblich beeinflusst.

Lit.: Köbler, DRG 188; Grimm, J., Von der Poesie im Recht, Z. f. gesch. Rechtswissenschaft 2, 1 (1816), 25; Grimm, J./Grimm, W., Deutsches Wörterbuch, Bd. 1ff. 1854ff.; Wieacker, F., Gründer und Bewahrer, 1959, 144; Ebel, W., Jakob Grimm und die deutsche Rechtswissenschaft, 1963; Seitz, G., Die Brüder Grimm, 1984; Dilcher, G., Jakob Grimm als Jurist, JuS 1985, 931

Grolman, Karl Ludwig Wilhelm von (Gießen 23. 6. 1775 - Darmstadt 14. 2. 1829) wird nach dem Rechtsstudium in Gießen und Erlangen Professor in Gießen und 1819 Staatsminister in Hessen-Darmstadt. Er setzt sich für die Auffassung ein, dass es Sinn der Strafe sei, durch Einwirkung auf Straftäter künftigen Verbrechen vorzubeugen (-> Spezialprävention).

Lit.: Esselborn, K., Grolman, in: Hessische Biographien, Bd. 3 1934, 157; Röger, M., Karl Ludwig Wilhelm von Grolman, Diss. jur. Gießen 1995

Groningen wird im Jahre 1000 erstmals erwähnt. 1559 wird es Sitz eines Bischofs. 1614 erhält es eine Universität.

Lit.: Peters, C., Oud Groningen, 1907

Grönland ist die verwaltungsmäßig zu -> Dänemark gehörende größte Insel der Erde. G. wird wohl schon 900 von -> Wikingern entdeckt. Die 982 anschließende Besiedlung geht im Spätmittelalter unter. 1721 beginnt eine Neubesiedlung unter Dänemark, unter dem dänischen Recht erhält G. 1979 Selbstverwaltung.

Lit.: Gad, F., The History of Greenland, 1965; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,525

Großbritannien ist ein nordwesteuropäischer, seit 1. 1. 1973 der -> Europäischen Gemeinschaft bzw. -> Europäischen Union angehörender Staat. Er entsteht 1707 durch die Überführung der 1603 gebildeten Personalunion zwischen England und Schottland in eine -> Realunion (Vereinigung des englischen und schottischen Parlamentes). Sein amtlicher Name lautet United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland (Selbstverwaltung 1999, zeitweise aufgehoben). Seine ungeschriebene Verfassung nähert sich unter dem Einfluss des Europarechts den kontinentaleuropäischen Verfassungen an (1998 Human Rights Act zur Aufnahme der Europäischen Menschenrechtskonvention). -> England, -> Schottland, -> Irland

Lit.: Hrebek, R./Keutsch, W., Gesellschaft und Staat in Großbritannien, 1971; Ritter, G., Parlament und Demokratie in Großbritannien, 1972; Wellenreuther, H., Der Aufstieg des ersten britischen Weltreichs, 1987; Metz, K., Industrialisierung und soziale Sicherheit, 1988; British Biographical Index, hg. v. Bank, D., 1990; Speck, W., A Concise History of Britain, 1993; Rubin, G., Private Property, 1994; Händel, H./Gossel, D., Großbritannien, 3. A. 1994; Hübner, E./Münch, U., Das politische System Großbritanniens, 1998; Brodersen, K., Das römische Britannien, 1998; The Oxford History of the British Empire, Bd. 1f., hg. v. Marshall, P., 1998ff.; Ottow, R., Eine kommentierte Bibliographie zum britischen Verfassungsdenken der frühen Neuzeit, 1999; Todd, M., Romain Britain, 3. A. 1999; A Handbook of Dates, for Students of British History, ed. by Cheney, C. R., revised by Jones, M., 2000; Tompson, R., Islands of law, 2000; Schnurmann, C., Vom Inselreich zur Weltmacht, 2001; Wende, P., Großbritannien 1500 bis 2000, 2001; Schieren, S., Die stille Revolution – Der Wandel der britischen Demokratie unter dem Einfluss der europäischen Integration, 2001; Moeder, R., Inzidente Gesetzesprüfung im Vereinigten Königreich, 2002

Großherzog ist ein Fürstentitel (Toskana 1569, Berg, Hessen-Darmstadt 1806, Luxemburg 1815).

Grotius (de Groot), Hugo (Huig) (Delft 10. 4. 1583 - Rostock 28. 8. 1645), Patrizierssohn, wird nach dem 1594 begonnenen Studium in Leiden und der Promotion in Orléans (1598) 1599 Anwalt und danach Syndikus. 1606-8 erarbeitet er das Werk (lat.) De iure praedae (Vom Recht der Beute), wobei er den Grundsatz der Freiheit der Meere vertritt. 1619 wird er aus politischen Gründen zu lebenslanger Haft verurteilt, aus welcher er 1621 nach Frankreich flieht. In der Gefangenschaft verfasst er die 1621 veröffentlichte niederländische, der Systematik der Institutionen Justinians folgende Inleydinge tot de Hollandsche Rechts-Geleertheyd, in der Verbannung sein Hauptwerk (lat.) De iure belli ac pacis libri tres (, 1625, Drei Bücher Kriegs- und Friedensrecht [einschließlich etwa von Eigentum, Vertrag, unerlaubter Handlung oder Strafe]). Dabei überführt er die aus der Moraltheologie stammenden Naturrechtslehren in die Rechtswissenschaft.

Lit.: Köbler, DRG 144, 146; Wehberg, H., Hugo Grotius, 1956; Dießelhorst, M., Die Lehre des Hugo Grotius vom Versprechen, 1959; ter Meulen, J./Diermanse, P., Bibliographie des écrits sur Hugo Grotius imprimés au 17e siècle, 1961; De Pauw, F., Grotius and the Law of Sea, 1965; Brandt, R., Eigentumstheorien von Grotius bis Kant, 1974; Link, C., Hugo Grotius als Staatsdenker, 1983; The World of Hugo Grotius, 1984; Hugo Grotius and International Relations, hg. v. Bull, H. u. a., 1990, 133; Schnepf, R., Naturrecht und Geschichte bei Hugo Grotius, ZNR 1998, 1

Grundbuch ist ein vom Grundbuchamt geführtes, alle die Rechtsverhältnisse an Grundstücken betreffenden Beurkundungen aufnehmendes öffentliches Register. Seine Ursprünge liegen im Mittelalter (-> Köln um 1130 -> Schreinskarten, Metz [1197], Andernach [12. Jh.], Lübeck [1284], österreichische Städte [14. Jh.]). Die Ordnung erfolgt zunächst nach Geschehniszeitpunkten oder nach Personen, in Anklam (1401) und Hannover (1428) bereits nach einzelnen Grundstücken (Realfoliensystem). Die Aufzeichnung dient anfangs der Gedächtnisstützung, gewinnt später aber selbständigen (konstitutiven) Rechtswert. Die Aufnahme des römischen Rechts drängt das G. zurück. Zunächst nur in Sachsen, seit dem 19. Jh. allgemein (Sachsen 1843, Österreich 1871, Preußen 1872, Deutsches Reich 24. 3. 1897), setzt es sich aus Verkehrsbedürfnissen durch (Dreiteilung in Eigentümer, Reallasten usw., Hypotheken usw.). 1995 beschließt Griechenland als (bislang) letzter Mitgliedsstaat der Europäischen Union, (bis 2009) ein G. einzurichten.

Lit.: Hübner 235; Köbler, DRG 125, 163, 212; Mascher, H., Das deutsche Grundbuch- und Hypothekenwesen, 1869; Randa, A., Die geschichtliche Entwicklung des Institutes der öffentlichen Bücher in Österreich, Z. f. d. Privat- und öffentl. Recht 6 (1879), 81; Grundbuch des Kölner Judenviertels 1135-1425, bearb. v. Kober, A., 1920, Neudruck 2000; Hedemann, J., Die Fortschritte des Zivilrechts im 19. Jahrhundert, II, 2, 1935; Conrad, H., Liegenschaftsübertragung und Grundbucheintragung, 1935; Demelius, H., Österreichisches Grundbuchsrecht, 1948; Deckwirth, H., Das Haus- und Verlassungsbuch der Altstadt Hannover, Hans. Geschichtsbll. N.F. (1971), 1; Böhringer, W., Historie und Vergleich, Rechtspfleger-Studienhefte 1997, 33

Grunddienstbarkeit ist diejenige -> Dienstbarkeit (lat. [F.] servitus), bei der ein Grundstück zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines anderen Grundstücks in der Weise belastet wird, dass dieser das Grundstück in einzelnen Beziehungen benutzen darf, dass auf dem Grundstück gewisse Handlungen nicht vorgenommen werden dürfen oder dass die Ausübung eines Rechts ausgeschlossen ist. Dem älteren deutschen Recht ist die G. fremd. Mit der Zunahme der Siedlungsdichte entwickeln sich Nutzungsrechte an fremden Grundstücken. Mit der Aufnahme des römischen Rechts im ausgehenden Mittelalter dringt die Unterscheidung von bloß bestimmten Personen zustehenden Dienstbarkeiten und den dem jeweiligen Eigentümer eines Grundstücks zustehenden Dienstbarkeiten ein.

Lit.: Köbler, DRG 41; Naendrup, H., Zur Geschichte deutscher Grunddienstbarkeiten, 1900; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Grundeigentum ist das -> Eigentum an einem -> Grundstück. Im Mittelalter ist das Grundstück vielfach lehnsrechtlich oder grundherrschaftlich gebunden. Im 19. Jh. werden diese Bindungen aufgehoben.

Lit.: Judeich, Die Grundentlastung in Deutschland, 1863; Hausmann, S., Die Grundentlastung in Bayern, 1892; Dyckerhoff, E., Die Entstehung des Grundeigentums und die Entwicklung der gerichtlichen Eigentumsübertragung, 1909; Habermann, N., Die preußische Gesetzgebung zur Herstellung eines frei verfügbaren Grundeigentums, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a.., Bd. 3 1976, 3; Goeke, U., Das Grundeigentum im Luftraum und im Erdreich, 1999

Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist die Verfassung(surkunde) der Bundesrepublik Deutschland vom 23. 5. 1949. Das G. entsteht auf Veranlassung der westlichen Besatzungsmächte des Deutschen Reiches. Ein von den 11 Ministerpräsidenten berufener Verfassungskonvent arbeitet vom 10. bis 23. 8. 1948 auf Herrenchiemsee einen Entwurf eines vorläufigen Organisationsstatuts aus. Dieser wird von einem -> Parlamentarischen Rat in Bonn überarbeitet, von den drei westlichen Militärgouverneuren genehmigt und von den Vertretungen von 10 der 11 damaligen Länder angenommen. Er gliedert sich in einen Grundrechtsteil und einen Organisationsteil (Bundesstaat, Bundestag, Bundesrat, Bundespräsident, Bundeskanzler, Bundesverfassungsgericht und [5] Bundesgerichte).

Lit.: Köbler, DRG 256; Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland, hg. v. Becker, J., 1979; Buchner, P., Der Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee, 1981; Diestelkamp, B., Die Verfassungsentwicklung in den Westzonen, NJW 1989, 1312; Das Grundgesetz und die Bundesrepublik Deutschland, hg. v. Benz, W. u. a., 1989; Robbers, G., Die Änderungen des Grundgesetzes, NJW 1989, 1125; Das Grundgesetz. Dokumentation seiner Entstehung, hg. v. Schneider, H., 1990ff.; Wehner, G., Die Westalliierten und das Grundgesetz, 1994; Kahl, W., Die Entstehung des Grundgesetzes, JuS 1997, 1083; Bauer, A./Jaestedt, M., Das Grundgesetz im Wortlaut, 1997; Niclauß, K., Der Weg zum Grundgesetz, 1998; Niclauß, K., Der Weg zum Grundgesetz, 1998; Wilms, H., Ausländische Einwirkungen auf die Entstehung des Grundgesetzes, 1999; Wilms, H., Die Entstehung des Grundgesetzes, 1999; Schneider, H., 50 Jahre Grundgesetz, NJW 1999, 1497; Die Entstehung des Grundgesetzes, hg., v. Feldkamp, M., 1999; Auf dem Weg zum Grundgesetz, hg. v. Brakelmann, G., 1999, Wilms, H., Ausländische Einwirkungen auf die Entstehung des Grundgesetzes, 1999

Grundherr -> Grundherrschaft

Grundherrschaft ist eine von einem (weltlichen oder geistlichen) Grundherrn (z. B. König, Bischof) beherrschte Gesamtheit von Gütern, welche dieser von einem Haupthof (-> Fronhof, Salhof) aus mit Hilfe abhängiger Bauern (Grundholden, Hintersassen) bewirtschaftet. Bereits im Altertum finden sich Verbindungen von umfangreichem Eigentum an Grundstücken und Herrschaftsrechten über Menschen. Wie weit die Germanen Vorformen der G. kennen, ist trotz der Hinweise Tacitus’ nicht sicher. Jedenfalls ist bereits im Frühmittelalter die G. (mit bis zu 5000 Höfen) weit verbreitet. In sie treten Bauern durch Vergebung ihres Hofes ein. Die meist unfreien Hintersassen haben für die Nutzung des ihnen überlassenen Grundstückes -> Abgaben und -> Dienste zu leisten. Die G. ist ein wichtiger Ausgangspunkt für die Bildung von Landesherrschaft. Mit dem Eindringen der Geldwirtschaft im Hochmittelalter wird die G. zur ->Rentengrundherrschaft. Im Nordosten des Reiches entwickelt sie sich seit dem Spätmittelalter zur -> Gutsherrschaft. Der Grundherr erlangt vielfach Patrimonialgerichtsbarkeit und Polizeigewalt. Seit dem ausgehenden 18. Jh. wird die G. bis zur Mitte des 19. Jhs. allgemein beseitigt (-> Bauernbefreiung, Ablösungsgesetzgebung). Grundsätzlich ist die (bäuerliche) G. vom (adligen) -> Lehen streng zu trennen.

Lit.: Köbler, DRG 16, 28, 32, 51, 77, 96, 111, 133, 174; Wittich, W., Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland, 1896; Kötzschke, R., Studien zur Verwaltungsgeschichte der Großgrundherrschaft Werden, 1901; Hofbauer, S., Die Ausbildung der großen Grundherrschaften im Reiche der Merowinger, 1927; Perrin, C., Recherches sur la seigneurie rurale, 1935; Dopsch, A., Herrschaft und Bauer in der deutschen Kaiserzeit, 1939; Lütge, F., Die mitteldeutsche Grundherrschaft, 2. A. 1957; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Sprandel, R., Das Kloster St. Gallen, 1958; Lennard, R., Rural England, 1959; Feigl, H., Die niederösterreichische Grundherrschaft, 1964; Lindkvist, T., Landborna i Norden, 1979; Die Grundherrschaft im späten Mittelalter, hg. v. Patze, H., 1983; Vassberg, D., Land and Society in Golden Age Castile, 1984; Strukturen der Grundherrschaft im frühen Mittelalter, hg. v. Rösener, W., 1989; Rösener, W., Grundherrschaft im Wandel, 1991; Kuchenbuch, L., Grundherrschaft, 1991; Simon, T., Grundherrschaft und Vogtei, 1995; Grundherrschaft und bürgerliche Gesellschaft im Hochmittelalter, hg. v. Rösener, W., 1995; Strutture e trasformazioni della signoria rurate, hg. v. Dilcher, G. u. a., 1996; Otto, G., Die Arbeitsverfassung der bayerischen Grundherrschaft, 1998

Grundholde -> Grundherrschaft

Grundlagenvertrag ist der am 21. 12. 1972/6. 6. 1973 zwischen Bundesrepublik Deutschland und Deutscher Demokratischer Republik abgeschlossene Vertrag.

Lit.: Nakath, D., Die Verhandlungen zum deutsch-deutschen Grundlagenvertrag 1972, 1993

Grundpfandrecht ist das in der Verpfändung eines Grundstücks bestehende beschränkte dingliche Recht. -> Hypothek, -> Grundschuld

Lit.: Köbler, DRG 212; Planitz, H., Das deutsche Grundpfandrecht, 1936, Neudruck 1983; Schulin, H., Zur Entwicklung des Grundpfandrechts in der Schweiz, in: Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 3 1976

Grundrecht ist das dem einzelnen zustehende, verfassungsmäßig verbürgte elementare Recht. Eine Vorform des Grundrechts wird in den Rechten sichtbar, welche der englische König Johann Ohneland am 15. 6. 1215 den Baronen in der (lat.) -> Magna Charta (F.) libertatum (große Urkunde der Freiheiten) verbriefen muss (z. B. Steuerbewilligung, Pairsgericht). Zur gleichen Zeit sehen einzelne naturrechtliche Theoretiker (Thomas von Aquin 1225-1274) Leben, Freiheit und Eigentum als dem Zugriff des Staates entzogene allgemeine Rechte des Menschen an. In der Neuzeit betonen die Erklärung vom Dordrecht (15./16. 7. 1572) in den Niederlanden sowie Petition of Rights (1628), Habeas-Corpus-Act (1679) und Declaration of Rights (1689) besondere Rechte des einzelnen. In den Einzelstaaten Amerikas finden zu Beginn des Unabhängigkeitskrieges gegen England auch fundamentale Rechte ([engl.] inherent rights, unalienable rights, [franz.] 1770 droits fundamentaux) des einzelnen in die formellen Verfassungen Eingang. Dem folgen deutsche Verfassungen im 19. und 20. Jh. (Preußen 1850, nicht die Verfassung von 1871, Österreich 21. 12. 1867), wobei sich viele Grundrechte bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vom politischen Programmsatz zum einlösbaren Rechtsanspruch wandeln. Inhaltlich bilden die verschiedenen Formen der -> Freiheit und der -> Gleichheit (-> Gleichheitsgrundsatz) den Kern der in erster Linie gegen den Staat gerichteten Grundrechte. -> Menschenrecht

Lit.: Köbler, DRG 191, 194, 195, 231, 232, 257; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 1047; Mommsen, T., Die Grundrechte des deutschen Volkes, 1849, Neudruck 1969; Fürstenau, H., Das Grundrecht der Religionsfreiheit, 1891; Eckhardt, E., Die Grundrechte vom Wiener Kongreß bis zur Gegenwart, 1913; Jellinek, G., Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, 4. A. 1927; Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, hg. v. Nipperdey, H., Bd. 1ff. 1929ff.; Rimscha, W. v., Die Grundrechte im süddeutschen Konstitutionalismus, 1973; Huber, E., Grundrechte im Bismarkschen Reichssystem, FS U. Scheuner, 1973, 163; Oestreich, G., Geschichte der Menschenrechte und Grundfreiheiten, 2. A. 1978; Grundrechte im 19. Jahrhundert, hg. v. Dilcher, G. u. a., 1982; Starck, C., Entwicklung der Grundrechte, 1982; Sutter, B., Die Entwicklung der Grundrechte, 1982; Loew, W., Die Grundrechte, 2. A. 1982; Köck, H., Der Beitrag der Schule von Salamanca zur Entwicklung der Lehre von den Grundrechten, 1987; Eisenhardt, U., Die gerichtliche Überprüfung, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, 1987, 75; Brauneder, W., Geschichte der Grundrechte in Österreich, 1992; Dreier, H., Dimensionen der Grundrechte, 1993; Böhme, H., Politische Rechte des einzelnen in der Naturrechtslehre, 1993; Schmale, W., Archäologie der Grund- und Menschenrechte, 1997; Kröger, K., Grundrechtsentwicklung, 1998; Mohnhaupt, H., Von den leges fundamentales, Ius commune 25 (1998), 121; Hufen, E., Entstehung und Entwicklung der Grundrechte, NJW 1999, 1504; Lamprecht, R., Vom Untertan zum Bürger, 1999; Müller, J., Grundrechte in der Schweiz, 1999; Eisenhardt, U., Zur Entwicklung des Grundrechtsverständnisses, FS A. Söllner, 2000; Die Grundrechte im Spiegel des Plakats, hg. v. Artinger, K., 2000; Austermühle, G., Zur Entstehung und Entwicklung eines persönlichen Geheimsphärenschutzes, 2002; Das Menschenbild der Grundrechte, hg. v. Schünemann, B. u. a., 2002; Schäfer, H., Die ungeschriebenen Freiheitsrechte in der schweizerischen Bundesverfassung, 2002; Quellen zur Entstehung der Grundrechte in Deutschland, hg. v. Fikentscher, W. u. a., 2002

Grundrente ist der Ertrag, den der Grund (Grundstück) ohne Arbeitsaufwand und Kapitalaufwand des Eigentümers abwirft. Die G. ist eine vermögensrechtliche -> Reallast. Sie hat sich vermutlich aus der -> Erbleihe entwickelt. Später wird die G. durch -> Rentenkauf geschaffen. Seit dem 14. Jh. überwiegt die Geldrente die Rente in Naturalleistungen. In der Neuzeit wird die G. durch das verzinsliche hypothekarisch gesicherte -> Darlehen ersetzt.

Lit.: Hübner 397

Grundruhr ist die Berührung des Grundes durch ein Schiff (beim Schiffbruch). Die anfängliche Folge der G. ist, dass das Gut dem zufällt, der es in Besitz nimmt. Seit dem 12. Jh. wird dies von Kirche und Kaiser bekämpft und durch das Strandregal zu ersetzen versucht. Das Völkerrecht der Gegenwart gesteht ein Strandrecht bzw. Bergerecht dem Küstenstaat zu.

Lit.: Nittemaa, V., Das Strandrecht in Nordeuropa im Mittelalter, 1955

Grundschuld ist eine Belastung eines Grundstückes in der Weise, dass an denjenigen, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, eine bestimmte Geldsumme aus dem Grundstück zu zahlen ist. Die in Mecklenburg ausgebildete G. wird 1900 in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 213; Buchholz, S., Abstraktionsprinzip und Immobiliarrecht, 1978

Grundsteuer ist die von -> Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten zu entrichtende -> Steuer. Sie wird bereits von dem römischen Kaiser Diokletian (284-313/6) erhoben. Der frühneuzeitliche Staat greift dies wieder auf. Wegen der bisher eher geringen Höhe ist künftig mit verstärkter Abschöpfung zu rechnen.

Lit.: Köbler, DRG 55, 152; Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 3. unv. A. 1992

Grundstück ist der abgegrenzte Teil der Erdoberfläche (, der im Bestandsverzeichnis eines Grundbuchblattes unter einer besonderen Nummer gebucht ist). Im römischen Recht sind die italischen Grundstücke (lat.) -> res (F.Pl.) mancipi. Im deutschen Recht wird das G. vielfach anders behandelt als die bewegliche Sache. Im 20. Jh. ist der Erwerb landwirtschaftlich genutzter Grundstücke durch das Erfordernis staatlicher Genehmigung eingeschränkt (Grundstücksverkehrsbekanntmachung vom 15. 3. 1918, Grundstücksverkehrsgesetz vom 28. 7. 1961, österreichische Grundverkehrsordnung vom 9. 8. 1915, Grundverkehrsgesetz 1919).

Lit.: Kaser §§ 18, 28; Hübner 181; Köbler, DRG 90; Hallermann, H., Die Erbleihe an Grundstücken in den westfälischen Städten, 1925; Richter, G., Die Grundstücksübertragung im ostfälischen Sachsen, 1934; Mayer-Edenhauser, T., Das Recht der Liegenschaftsübereignung in Freiburg, 1937; Köbler, G., Die rechtliche Regelung des Eigentumserwerbs an Grundstücken in Preußen, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 3 1967, 201; Joswig, D., Die germanische Grundstücksübertragung, 1984

Gründungsstadt ist die durch bewusste Gründungshandlung geschaffene -> Stadt (z. B. Freiburg im Breisgau 1120?).

Lit.: Kroeschell, DRG 2

Grundvertrag -> Grundlagenvertrag

Gudelinus (Goudelin), Petrus (Ath 1550 - Löwen 1619) wird nach dem Rechtsstudium (1567) in Löwen und einer Tätigkeit als Advokat 1582 Professor in Löwen. In seinen posthum veröffentlichten Werken verbindet er römisches Recht mit den Gewohnheitsrechten der Niederlande und Frankreichs.

Lit.: Leuven. 550 jaar universiteit, 1976, 301

Gulathingsbok ist das in einer Handschrift der Mitte des 13. Jh.s (um 1250) und in weiteren Fragmenten überlieferte, vielleicht in verschiedenen Redaktionen (Olavstext, Magnustext) des späten 11. bis 13. Jh.s gefasste Recht des Things von Gula (Gulen) nahe dem Sognefjord, welches die älteste norwegische Rechtsaufzeichnung darstellt. 1267 setzt König -> Magnus Hakonarson eine neue, nur in ihrem Christenrecht erhaltene G. in Kraft. Zahlreiche Bestimmungen werden 1274 in das norwegische Reichsrecht (Landslag) übernommen.

Lit.: Norwegisches Recht. Das Rechtsbuch des Gulathings, hg. v. Meißner, R., 1935; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 112; Sveaas Andersen, P., Samlingen av Norge, 1977, 247

Gülte, Gült, ist eine Bezeichnung für die mittelalterliche -> Grundrente.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 116

Gundling, Nicolaus Hieronymus (Kirchensittenbach 25. 2. 1671 - Halle 9. 12. 1729), Pfarrerssohn, wird nach dem Studium der Theologie in Altdorf, Jena, Leipzig und Altdorf Hofmeister in Halle. Als Schüler Thomasius’ wird er Professor für Beredsamkeit und Naturrecht in Halle (Abriß zu einer rechten Reichshistorie, 1708).
Lit.: Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1 1988, 302

Gutachten ist die Beurteilung einer Frage durch einen Fachmann. Bereits die klassische römische Rechtswissenschaft ist dadurch gekennzeichnet, dass seit Augustinus (63 v. Chr. - 14 n. Chr.) einzelnen Juristen (Respondierjuristen) das Recht verliehen wird, auf eine Anfrage im Namen des Staatsoberhauptes (lat. [M.] princeps) eine gutachtliche Antwort (lat. [N.] responsum) zu erteilen, welcher der (lat. [M.] iudex) Richter zu folgen hat. Seit dem 13. Jh. erteilen die oberitalienischen Juristen (-> Konsiliatoren, z. B. Johannes Bassianus als Schüler des -> Bulgarus, Azo [1150?-1220]) G. Mit der -> Aktenversendung beginnt eine reiche gutachterliche Tätigkeit der juristischen Fakultäten (bis 1877/9). Die Technik des Gutachtens geht von der Frage aus und folgert von Voraussetzungen auf ein Ergebnis hin.

Lit.: Söllner §§ 9, 10, 14, 15, 17; Köbler, DRG 107; Seeger, H., Die strafrechtlichen Consilia Tubingensia, 1877; Kohler, J./Liesegang, E., Das Römische Recht am Niederrhein, Bd. 1f. 1896ff.; Klugkist, E., Die Göttinger Juristenfakultät als Spruchkollegium, Diss. jur. Göttingen 1951 masch.schr.; Baumgärtel, G., Die Gutachter- und Urteilstätigkeit der Erlanger Juristenfakultät, Diss. jur. Erlangen 1952; Schott, C., Rat und Spruch der Juristenfakultät Freiburg im Breisgau, 1965; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967; Schikora, A., Die Spruchpraxis an der juristischen Fakultät zu Helmstedt, 1972; Kempter, F., Die Gutachten- und Urteilstätigkeit der Juristenfakultät Ingolstadt-Landshut-München, Diss. jur. Mannheim 1976

Gutalagh ist das wohl nach 1285 (str.) in der Volksversammlung nach norwegischem Vorbild entstandene, in zwei Handschriften (um 1350, [1470 bzw.] 1587) und zwei Übersetzungen überlieferte Recht der Insel Gotland, das um 1400 auch in die deutsche Sprache übersetzt wird.

Lit.: Wessén, E., Lex Gotlandiae, 1945; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 108; Sjöholm, E., Gesetze als Quellen mittelalterlicher Geschichte, 1976

Gütergemeinschaft ist der (vertragliche) Güterstand, bei dem grundsätzlich das gesamte Vermögen der Ehegatten, das sie bei Eingehung der -> Ehe haben oder später erwerben, kraft Gesetzes gemeinschaftliches Vermögen (Gesamtgut) wird. Die G. findet sich bereits im Frühmittelalter bei Franken und Westfalen in der Form der -> Errungenschaftsgemeinschaft. Im Hochmittelalter dringt sie in örtlich recht verschiedener Form weiter vor, wobei die Verwaltung der Güter grundsätzlich dem Mann zusteht. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) wird die für rund 11 Millionen Menschen bestehende allgemeine Gütergemeinschaft zu einem vertraglich festlegbaren Ehegüterstand (Wahlgüterstand), für den der Grundsatz der -> Gesamthand gilt.

Lit.: Hübner; Köbler, DRG 88, 122, 161, 207, 210, 267; Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland, Bd. 1ff. 1863ff., Neudruck 1967; Possel-Dölken, P., Das westfälische eheliche Güterrecht im 19. Jahrhundert, 1978

guter Glaube ist das Vertrauen auf die Richtigkeit eines Anscheins. Im römischen Recht (D. 50, 17, 54) gilt der Grundsatz (lat.) -> nemo plus iuris transferre potest quam ipse haberet (niemand kann mehr Rechte übertragen als er hat), so dass nur der wahre Berechtigte ein Recht übertragen kann. Demgegenüber schützen hochmittelalterliche Quellen den Erwerber von Sachen, die der Berechtigte freiwillig aus der Hand gegeben hat, ohne dass Unkenntnis des Rechtsmangels vom Dritten verlangt wird. Der (lat.) Codex (M.) Theresianus (1766) lässt den sofortigen Erwerb durch den gutgläubigen Erwerber zu. Gedanklich beeinflusst könnte dabei die Formulierung g. G. von der lateinischen bona fides (F.) (guten Treue) sein.

Lit.: Hübner 433; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 212; Bruns, C., Das Wesen der bona fides bei der Ersitzung, 1872; Hübner, H., Der Rechtsverlust im Mobiliarsachenrecht, 1955; Kofferath, G., Stand der Forschung über die geschichtlichen Grundlagen des Gutglaubensschutzes (§§ 932ff. BGB), Diss. jur. Bonn 1962; Kaiser, M., Der gute Glaube im Codex iuris canonici, 1965; Söllner, A., Der Erwerb vom Nichtberechtigten in romanistischer Sicht, FS H. Coing, 1982, 389; Hinz, W., Die Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs, 1991; Good Faith in European Contract Law, ed. by Zimmermann, R. u. a., 2000

Güterrecht -> Ehegüterrecht

Gütertrennung ist der Ehegüterstand, bei dem jeder Ehegatte alleiniger Berechtigter der ihm bei der Eheschließung gehörigen Güter bleibt und alleiniger Berechtigter der von ihm in der Ehe erworbenen Güter wird. Bei den Germanen wird, sofern die Frau Gut (Aussteuer, Unterhaltssicherung) in die Ehe einbringt, dieses Gut wohl vom Mann (nur) verwaltet. Dieser Güterstand der grundsätzlichen Gütertrennung mit Verwaltungseinheit auf der Seite des Mannes, besteht anscheinend im Frühmittelalter bei den deutschen Stämmen mit Ausnahme der Franken und Westfalen. Später wird die G. von der -> Gütergemeinschaft zurückgedrängt. Die neuzeitlichen Kodifikationen behandeln die G. als einen Regelgüterstand. In Österreich sieht § 1237 ABGB (1811/2) Gütertrennung vor, welche aber infolge verschiedener unklarer Vermutungen inhaltlich als „vermutete“ Verwaltungsgemeinschaft verstanden wird. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist die G. ein Wahlgüterstand. Die mit dem Gleichberechtigungsgesetz vom 18. 6. 1957 als Regelgüterstand festgelegte -> Zugewinngemeinschaft ist inhaltlich G. mit Wertausgleich der Zugewinne beider Ehegatten nach Auflösung der Ehe. Daneben ist die einfache G. zulässig.

Lit.: Hübner; Köbler, DRG 88, 122, 161, 210, 267; Schröder R., Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland, Bd. 1ff. 1863ff., Neudruck 1967; Martitz, F., Das eheliche Güterrecht des Sachsenspiegels, 1867; Brauneder, W., Die Entwicklung des Ehegüterrechts in Österreich, 1973

gutes altes Recht ist ein Schlagwort für die von Fritz Kern verbreitete Ansicht, dass das germanische Recht deswegen gegolten habe, weil es alt und gut gewesen sei, so dass im Mittelalter Recht nicht geschaffen, sondern nur nach Beseitigung der von den Menschen bewirkten Verdunkelung wiederentdeckt habe werden können. Diese Ansicht widerspricht der germanischen und mittelalterlichen Wirklichkeit, in der sich Recht unablässig entsprechend den menschlichen Bedürfnissen ausformt. Sie deckt sich allerdings mit der christlichen Trias von Paradies, Sündenfall und Erlösung, der im Recht der göttliche Dekalog, die menschliche Verirrung (Rechtsverdunkelung) und die (Möglichkeit der) Rückkehr zum von Gott gegebenen (und deswegen notwendigerweise guten, alten) Recht entspricht, wie sie die christliche Kirche auch im Mittelalter verkündet.

Lit.: Kern, F., Über die mittelalterliche Anschauung vom Recht, HZ 115 (1916), 496; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971; Rückert, J., Die Rechtswerte der germanistischen Rechtsgeschichte im Wandel der Forschung, ZRG GA 111 (1994), 272; Köbler, G., Recht, Gesetz und Ordnung im Mittelalter, in: Funktion und Form, hg. v. Kroeschell, K. u. a., 1996, 93; Willoweit, D., Vom guten alten Recht, Jb. d. historischen Kollegs, 1997, 23

gute Sitten (lat. -> boni mores [M.Pl.]) sind die vom Recht für anerkennenswert gehaltenen Verhaltensweisen. Im römischen Recht werden Geschäfte, die das (gute) Herkommen der Vorfahren (lat. [boni] mores [M.Pl.] maiorum) verletzen, wie beispielsweise die Schenkung einer erwarteten Erbschaft eines noch lebenden Dritten, von den Juristen und den Kaisern als rechtswidrig bekämpft. Mit der Aufnahme des römischen Rechtes seit dem Spätmittelalter werden die guten Sitten als Bewertungsmaßstab übernommen.

Lit.: Kaser § 9 II; Köbler, DRG 43; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 414

Gutglaubensschutz -> guter Glaube

gutgläubiger Erwerb ist der Erwerb einer nicht dem Veräußerer gehörigen Sache zu Lasten des Berechtigten durch einen Erwerber, der -> guten Glauben in bezug auf das Recht des Veräußerers haben muss. Der gutgläubige Erwerb dient dem Verkehrsinteresse.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Hinz, W., Die Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs, 1991; Hinz, W., Die Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs, ZEuP 1995, 398 Engstfeld, J., Der Erwerb vom Nichtberechtigten, 2002

Gutsherrschaft ist das geschlossene, in Eigenwirtschaft durch Tagelöhner bewirtschaftete Großgrundeigentum (-> Grundherrschaft), in welchem der Eigentümer meist auch die unteren hoheitlichen Befugnisse (Gerichtsbarkeit, Polizei) ausübt. Sie entsteht als Folge der mittelalterlichen Ostsiedlung, in welcher der oft ritterliche Siedlungsunternehmer Vorrechte erlangt. Seit dem Spätmittelalter sieht sich der adlige, im Kriegswesen entbehrlich werdende Ritter darauf verwiesen, seine Eigenwirtschaft auszuweiten. Unter Verwendung der ihm vom Landesherrn überlassenen Herrschaftsrechte verdrängt er seit der Mitte des 16. Jh.s die Bauern von ihren Höfen (Bauernlegen). Seit dem Ende des 18. Jh.s wird die G. von der Aufklärung bekämpft. Im 19. Jh. werden viele Güter aufgeteilt, 1945 findet eine sozialistische Enteignung der (ostdeutschen) Gutsherren statt.

Lit.: Köbler, DRG 134; Maybaum, H., Die Entstehung der Gutsherrschaft im nordwestlichen Mecklenburg, 1926; Spies, K., Gutsherr und Untertan in der Mittelmark Brandenburg zu Beginn der Bauernbefreiung, 1972; Die Grundherrschaft im späten Mittelalter, hg. v. Patze, H., 1983; Konflikt und Kontrolle, in: Haak, H., Die Gutsherrschaft, 1991; Gutsherrschaftsgesellschaften, hg. v. Peters, J., 1997; Schleinert, D., Die Gutswirtschaft im Herzogtum Pommern-Wolgast, 2001; Maur, E., Gutsherrschaft und zweite Leibeigenschaft in Böhmen, 2001

 

H

 

Haager Landkriegsordnung ist das auf den Friedenskonferenzen in Den Haag (Niederlande) 1899/1907 geschlossene Abkommen über die Gesetze und Gebräuche des Landkrieges.

Lit.: Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994

Haarscheren ist eine Form der Körperstrafe oder sonstigen kennzeichnenden Behandlung.

Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964

Habeas-corpus-Akte ist das 1679 zum Schutz der Freiheit erlassene englische Gesetz, nach welchem niemand ohne richterlichen Haftbefehl verhaftet oder ohne richterliche Überprüfung in -> Haft gehalten werden darf.

Lit.: Kluxen, K., Englische Verfassungsgeschichte, 1987

Habilitation ist der Nachweis vertiefter wissenschaftlicher Befähigung zu Lehre und Forschung in Deutschland seit dem frühen 19. Jahrhundert (Berlin 1810/1816, um 1870 in Tübingen erst 58 Prozent der ordentlichen Professoren habilitiert).

Lit.: Bruch, R. vom, Forschung und Lehre, 2000, 69

Habsburg (Habichtsburg) ist eine um 1020 von Bischof Werner von Straßburg an der oberen Aare (in der heutigen Nordostschweiz) errichtete Burg, nach welcher sich seit 1090 eine südwestdeutsche, bis in das 10. Jh. zurückzuverfolgende Adelsfamilie benennt, die 1273 den deutschen König (Rudolf von H.) stellt. Sie belehnt sich 1282 in den Söhnen des Königs mit -> Österreich und baut von dort eine Hausmacht auf. Vom Spätmittelalter bis 1806 stammt der König bzw. Kaiser des Heiligen Römischen Reichs (deutscher Nation) fast durchgehend aus dieser Familie. Von 1806 bis 1918 herrscht sie im selbständig gewordenen Österreich(-Ungarn) weiter.

Lit.: Köbler, DRG 95, 129, 131; Köbler, Historisches Lexikon; Das Habsburgische Urbar, Bd. 1f. 1894ff.; Die Auflösung des Habsburgerreiches, 1970; Wandruszka, A., Das Haus Habsburg, 1978; Wachter, D., Der Aufstieg der Habsburger, 1982; Die Habsburger, hg. v. Hamann, B., 1988; Kamm, R., Geschichte des Habsburgerreiches, 1990; Krieger, K., Die Habsburger im Mittelalter, 1994; Bankl, H., Die kranken Habsburger, 1998; Hansert, A., Welcher Prinz wird König, 1998; Noflatscher, H., Räte und Herrscher, 1998; Die Habsburger im deutschen Südwesten, hg. v. Quarthal, F./Faix, G., 1999; Erbe, M., Die Habsburger, 2000; Heimann, H., Die Habsburger, 2001; Leidinger, H./Moritz, V./Schippler, B., Schwarzbuch der Habsburger, 2003

Hafen ist der Landeplatz und die Liegestelle für Schiffe. Der H. erscheint schon im Altertum.

Lit.: See- und Flusshäfen vom Hochmittelalter bis zur Industrialisierung, hg. v. Stoob, H., 1986; Rademacher, M., Die Geschichte des Hafen- und Schiffahrstsrechts in Hamburg, Bd. 4 1999 (Selbstverlag)

Haflidaskra ist das 1117/8 in -> Island eingeführte, nicht überlieferte Recht, das in der -> Gragas aufgeht.

Lit.: Johannesson, Islands Historie, 1969

Haft ist die amtliche Entziehung der Bewegungsfreiheit vor allem zum Zweck der Untersuchung oder Bestrafung und der Erzwingung einer Handlung. Ihre Voraussetzungen sind zunächst nicht festgelegt. Bereits die englische -> Habeas-corpus-akte (1679) verlangt aber einen richterlichen Haftbefehl bzw. eine richterliche Untersuchung. Im Rechtsstaat des 19. Jh.s wird jeder staatliche Eingriff in die Freiheit von einer gesetzlichen Gestattung abhängig gemacht (Bayern 1818, Baden 1818, Württemberg 1819 usw.).

Lit.: Köbler, DRG 205; Thissen, M., Das Verhaftungsrecht, Diss. jur. Bonn 1961; Hermes, T., Der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr, 1992; Ollinger, T., Die Entwicklung des Richtervorbehalts im Verfassungsrecht, 1997

Haftbefehl ist die schriftliche Anordnung eines Richters, eine Person in Haft zu nehmen. Vorstufen des Haftbefehls sind sowohl der englische warrant of commitment, der dem Büttel (constable) aufgibt, den Beschuldigten in das Gefängnis zu bringen, wie auch der französische -> lettre de cachet, der oft den königlichen Befehl enthält, sich in ein Gefängnis zu begeben. Demgegenüber bestimmt nach der englischen -> Habeas-corpus-akte (1679) die französische -> Déclaration des droits de l’homme et du citoyen (1789), dass kein Mensch in Haft genommen oder gefangengehalten werden darf, außer in den durch Gesetz bestimmten Fällen und nach den vom Gesetz vorgeschriebenen Förmlichkeiten. Die französische Verfassung von 1791 fordert für jede Verhaftung einen polizeilichen oder gerichtlichen H. Nach der Verfassung von 1795 muss der H. den Haftgrund und die Rechtsgrundlage enthalten und dem Verhafteten abschriftlich ausgehändigt werden. Die Verfassung von 1799 verlangt einen richterlichen H. Der 1808 erlassene Code d’instruction criminelle unterscheidet vier Arten von Haftbefehlen und wirkt in der Folge auf das deutsche Strafverfahrensrecht ein (Bayern 1813, Deutsches Reich 1848, Reichsstrafprozessordnung 1877/9).

Lit.: Speck, H., Die Geschichte der Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft, Diss. jur. Kiel 1969

Haftpflichtversicherung ist die für den Fall der gesetzlichen Verpflichtung zu einer -> Haftung abzuschließende oder abgeschlossene -> Versicherung (z. B. [1939] des Halters eines Kraftfahrzeuges).

Lit.: Bar, C. v., Das Trennungsprinzip, AcP 181 (1981), 289

Haftung ist das Unterworfensein des Schuldners als Person mit seinem Vermögen unter den Vollstreckungszugriff des Gläubigers. Die H. ermöglicht deshalb die Erzwingung der Erfüllung, welche der Schuld als solcher (vermutlich) fehlt. Dementsprechend gibt es (einzelne Fälle von) H. ohne Schuld und Schuld ohne H. Im römischen Recht ist nach Ersetzung des ursprünglichen rächenden Zugriffsrechts des Verletzten gegenüber dem unrecht handelnden Täter durch eine Sühnegabe auch die künstliche Herstellung einer H. durch Geschäft möglich (z. B. lat. [N.] -> nexum, [F.] -> sponsio - stipulatio). Später tritt neben der H. auch der Gedanke der Schuld hervor. Spätestens in der jüngeren Republik wird in der (lat. [F.]) -> obligatio neben der H. die Schuld mitverstanden. Ähnliche Verhältnisse sind auch für das germanische Recht anzunehmen. Dementsprechend setzt sich seit dem Frühmittelalter die Auffassung durch, dass jede Schuld auch ohne besondere zusätzliche Vereinbarung eine H. zur Folge habe. Auf dieser Grundlage wird seit dem Spätmittelalter mit der Aufnahme des römischen Rechts auch die römische Vorstellung von der (lat. [F.]) obligatio aufgenommen. Die älteste Form der leiblichen Haftung endet dabei im Jahre 1868. Im übrigen steht neben der Haftung eines einzelnen bestimmten Gegenstandes (Sache, Recht) die allgemeine, grundsätzlich unbeschränkte Vermögenshaftung. Vertraglich ist jeweils auch eine Haftungsbeschränkung möglich.

Lit.: Kaser § 32 II; Köbler, DRG 26, 59, 127, 167; Gierke, O. v., Schuld und Haftung nach älterem deutschem Recht, 1910, Neudruck 1969; Schneider-Horn, W., Die Haftung des Verkäufers für Rechtsmängel nach lübischem Recht, Diss. jur. Hamburg 1969; Benöhr, H., Zur außervertraglichen Haftung im gemeinen Recht, FS M. Kaser, 1976, 689; Diestelkamp, B., Die Lehre von Schuld und Haftung, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 6 1982, 21; Schubert, W., Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/3), 589; Eska, A., Schuld und Haftung, Diss. jur. Potsdam 1998; Jansen, N., Die Struktur des Haftungsrechts, 2003

Hagenrecht ist ein im 12. Jh. im Weserbergland sichtbar werdendes günstiges Bodennutzungsrecht der hochmittelalterlichen deutschen Rodungssiedlung.

Lit.: Engel, F., Das Rodungsrecht der Hagensiedlungen, 1949; Kroeschell, K., Waldrecht und Landsiedelrecht, Hess. Jb. f. LG. 4 (1954), 117; Molitor, E., Verbreitung und Bedeutung des Hägerrechts, in: Adel und Bauern, 2. A. 1967, 331; Asch, J., Grundherrschaft und Freiheit, Nds. Jb. 1978, 107

Hagerup, Francis (1853-1921), Beamtensohn, wird nach dem Rechtsstudium in München, Leipzig und Paris 1887 Professor und 1895 Ministerpräsident. Durch eine Reihe von wichtigen Beiträgen zu verschiedenen Rechtsgebieten (Privatrecht, Methodenlehre, Strafprozess, Zivilprozess, Strafrecht) wird er zu einem der bedeutendsten Rechtswissenschaftler -> Norwegens.

Lit.: Kaartvedt, A., Hoyres Historie, Bd. 1 1984, 133

Hale, Sir Matthew (1609-1676), früh verwaist, wird nach kurzem Theologiestudium in Cambridge (1626) 1628 Mitglied von Lincoln’s Inn in London, 1636 Anwalt, 1654 Richter und Parlamentsmitglied, nach der Wiedereinsetzung des englischen Königs Karl II. 1660 Richter am Court of Exchequer und 1671 Chief Justice of the King’s Bench. In seinen nach seinem Tod teilweise gedruckten Schriften versucht er eine Ordnung des englischen Strafrechts (Pleas of the Crown), eine methodische Erfassung des Rechts (Analysis of the Civil Part of the Law), eine Geschichte des Strafrechts (History of the Pleas of the Crown) und eine Geschichte des Common Law (History of the Common Law).

Lit.: Burnet, G., Life and Death of Sir Matthew Hale, 1682; Holdsworth, W., History of English Law, Bd. 6 1937, 574

Halle an der Saale ist ein wegen des dortigen Salzvorkommens schon um 1000 v. Chr. besiedelter Ort, der wohl im 12. Jh. Stadt wird. Nach dem 1680 erfolgten Übergang an den Markgrafen von Brandenburg richtet dieser 1694 eine aufgeklärte Modelluniversität in H. ein (->Thomasius).

Lit.: Köbler, DRG 136; Gaupp, E., Das alte magdeburgische und hallische Recht, 1826; Schildt, B., Die Spruchtätigkeit der Halleschen Juristenfakultät, Diss. jur. Halle 1980; Halle, 2. A. 1983; 300 Jahre Universität Halle, hg. v. Speler, R., 1994; Maier, H., Aufklärung, Pietismus, Staatswissenschaft, HZ 261 (1995), 769; Hallesche Rechtsgelehrte jüdischer Herkunft, hg. v. Pauly, W., 1996; Hüls, T., Die Juristenausbildung an der Universität Halle, 1997; Rechtsgeschichte in Halle, hg. v. Lieberwirth, R., 1998; Jelowik, L., Tradition und Fortschritt, 1998; Rüdiger, A., Staatslehre und Staatsbildung, 2000

Halm ist der Stengel des Grases, der im mittelalterlichen Recht vielfach als Symbol der -> Investitur mit einem Gut verwendet wird.

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, Bd. 1, 168 u. ö.

Haloander (Meltzer), Gregor (Zwickau 1500-1531) gibt 1528-31 auf der Grundlage der Vorarbeiten Polizians und Bolognins sowie der Florentiner Handschrift eine (humanistische) unglossierte Ausgabe der justinianischen Rechtstexte mit unvollständigen griechischen Bestandteilen in Pandekten und Codex und griechischen Novellen heraus, in welcher er die mittelalterliche Gliederung der Pandekten beseitigt, die In­skrip­tionen beachtet und im Codex die Subskriptionen herstellt.

Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,645

Hals und Hand ist im deutschen Mittelalter eine Paarformel für die Lebensstrafe bzw. Leibesstrafe.

Halseisen ist im deutschen Mittelalter eine Vorrichtung, mit deren Hilfe ein Straftäter am -> Pranger befestigt wird.

Lit.: Preu, A., Pranger und Halseisen, Diss. jur. Erlangen 1949

Halsgericht (13. Jh. [1296]) -> Hals und Hand, Halsgerichtsordnung

Halsgerichtsordnung ist eine Bezeichnung für eine Strafverfahrensordnung am Beginn der frühen Neuzeit ([Nürnberg 1314,] Ellwangen 1466, Nürnberg 1485, Tirol 1499, (Volkach 1504,) Radolfzell 1506, Bamberg 1507, Laibach 1514, Krain 1535, Niederösterreich 1514/1540, Kärnten, Steiermark, Oberösterreich 1559). Als H. wird auch die -> Constitutio Criminalis Carolina Karls V. von 1532 benannt. In den Halsgerichtsordnungen ist zu erkennen, wie sich das Schwergewicht des Verfahrens auf das ermittelnde Vorverfahren verlagert.

Lit.: Köbler, DRG 139; Schmidt, E., Die Maximilianischen Halsgerichtsordnungen, 1949; Schultheiß, W., Geschichte des Nürnberger Ortsrechts, 1957, 10; Weber, H., Die peinliche Halsgerichtsordnung Karls V., ZRG GA 77 (1960), 288; Schild, W., Die Halsgerichtsordnung der Stadt Volkach, 1997

Hambacher Fest ist das vom 27. - 30. 5. 1832 auf der Burgruine von Hambach (Maxburg) in der Pfalz auf Einladung des Schriftstellers Philipp Jakob Siebenpfeiffer (1785-1849) als politische Kundgebung des Liberalismus mit etwa 25000 Teilnehmern durchgeführte Fest. Die geplante Wahl einer provisorischen Nationalregierung zwecks Abschaffung der Monarchie und Bildung eines Bundes von Republiken nach amerikanischem Muster scheitert. Die Hauptverantwortlichen werden auf Drängen Österreichs und Preußens zu Haft verurteilt. -> Deutscher Bund

Lit.: Wirth, J., Das Nationalfest der Deutschen zu Hambach, Teil 1f. 1832; Das Hambacher Fest, hg. v. Baumann, K., 2. A. 1982

Hamburg ist ein vielleicht aus einem Königshof Karls des Großen nahe der Mündung der Alster in die Elbe erwachsener Stadtstaat. 1189 bestätigt Kaiser Friedrich I. Barbarossa der Neustadt H. umfangreiche Handels-, Zoll- und Schiffahrtsrechte. Um 1270 wird das Recht im sog. Ordeelbook aufgezeichnet, 1292 erhält die Stadt vom Stadtherrn das Recht der eigenen Rechtssetzung. Am Beginn des 15. Jh.s wird die Reichsunmittelbarkeit anerkannt (1460 Reichsstadt). 1497 wird das Recht in einer Bilderhandschrift neu gefasst, 1603 nach dem Vorbild Nürnbergs reformiert.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Baumann, H., Das Privatrecht der freien und Hansestadt Hamburg, Bd. 1f. 1856; Ipsen, H., Hamburgs Verfassung und Verwaltung, 1965; Bolland, J., Das hamburgische Ordeelbook, ZRG GA 72 (1956), 83; Die Bilderhandschrift des Hamburger Stadtrechts 1497, erl. v. Reincke, H., 1968; Hamburger Testamente, bearb. v. Loose, H., 1970; Hamburg, hg. v. Loose, H., 1982; Voß, J. v., Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Hamburg, 1988; Stadtgeschichte Hamburg, red. v. Schöller, A., 1990; Hochschulalltag im Dritten Reich, hg. v. Krause, E. u. a., 1991; Hoppe, C., Die Bürgschaft im Rechtsleben Hamburgs, 1997; Rademacher, R., Die geschichte des Hafen- und Schiffahrtsrechts in Hamburg, Bd. 3 1997

Hammurapi (1793-1750 bzw. 1728-1686 v. Chr.), König von Babylon, veranlasst die wichtige eine 1901/2 auf einer Dioritstele entdeckte Rechtssammlung des orientalischen Altertums (Codex Hammurapi) mit 280 Abschnitten. Noch älter ist der -> Codex Urnammu.

Lit.: Driver/Miles, The Babylonian Laws, 1952ff.; Nörr, D., Studien zum Strafrecht im Kodex Hammurapi, 1954; Haase, R., Einführung in das Studium keilschriftlicher Quellen, 1965; Ringer, J., Noch einmal: Was war der „Kodex“ Hammurapi, in: Rechtskodifikation, hg. v. Gehrke, H., 1994; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 1997

Hand ist ein menschliches Gliedmaß, das als Teil des Menschen im Recht vielfach symbolisch verwendet wird. -> Hals und Hand

Lit.: Grimm, Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Jursch, H./Jursch, L., Hände als Symbol und Gestalt, 8. A. 1951

Handel ist der Ankauf und Verkauf von Waren auf dem Weg vom Hersteller zum Verbraucher. An seinem Anfang steht der -> Tausch. Mit der Verwendung von -> Geld beginnt der -> Kauf den Tausch abzulösen. Bedeutsam ist der H. im Stadtstaat des Altertums und seit dem Hochmittelalter in der Stadt. Mit dem 19. Jh. tritt die Selbstversorgung allgemein hinter der Versorgung durch Markt und Handel zurück.

Lit.: Köbler, DRG 13, 16, 29, 67, 78, 97, 167, 176, 217, 225, 242, 271; Stein, W., Handels- und Verkehrsgeschichte der deutschen Kaiserzeit, 1922, Neudruck 1967; Untersuchungen zu Handel und Verkehr der vor- und frühgeschichtlichen Zeit in Mittel- und Nordeuropa, Bd. 1ff. hg. v. Düwel, K., 1985ff. (Bd. 3 Der Handel im frühen Mittelalter); Siems, H., Handel und Wucher im Spiegel frühmittelalterlicher Rechtsquellen, 1992; North, M., Kommunikation, Handel, Geld und Banken, 2000; Gassert, M., Kulturtransfer durch Fernhandelskaufleute, 2001; Hornbogen, J., Travail national – nationale Arbeit – die handelspolitische Gesetzgebung in Frankreich und Deutschland, 2002

Handelsbuch ist das seit dem Spätmittelalter vom Händler über seine Geschäfte geführte -> Buch, das in der Neuzeit auch rechtlich den Beweis erleichtert (ALR [1794]).

Lit.: Köbler, DRG 167

Handelsgericht ist das für Handelssachen zusständige Gericht.

Lit.: Schön, D., Die Handelsgerichtsbarkeit im 19. Jahrhundert, Diss. jur. Bonn 1999

Handelsgesellschaft ist die -> Handel treibende -> Gesellschaft. Sie erscheint zum einen im Mittelmeerraum (Venedig, Genua), wobei die (lat. [F.]) commenda (Seedarlehen) gegenüber der H. (lat. societas [F.] maris) zumindest zeitweise den Vorrang hat. Aus der Erbengemeinschaft entwickelt sich die -> offene H. Sie wird in Florenz 1408 durch die Beschränkung der Haftung abgeändert, woraus sich im 16. Jh. als neue Form die -> Kommanditgesellschaft ergibt. Im nordischen Bereich finden sich ebenfalls genossenschaftliche Unternehmungen. Bedeutsam sind hierbei die Kommission (-> sendeve) und das Darlehen  (wederlegginge). In Oberdeutschland bilden Familien offene Handelsgesellschaften (z. B. Fugger). Mit der Entdeckung der Neuen Welt seit 1492 werden hohes Kapital und breite Gefahrenstreuung notwendig. Hieraus entwickelt sich die -> Aktiengesellschaft (1602 Niederländische ostindische Handelskompagnie). Allgemein befasst sich der deutsche Gesetzgeber mit der H. im Allgemeinen Landrecht (Preußens) von 1794. Frankreich, das bereits 1673 und 1681 ordonnances zum Handel erlassen hatte, setzt 1808 einen eigenen (franz.) Code de commerce (Handelsgesetzbuch) in Kraft, der die Aktiengesellschaft (franz.) société (F.) anonyme gesetzlich regelt. Im Deutschen Bund behandelt 1861 das -> Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch die offene Handelsgesellschaft, die Kommanditgesellschaft, die Aktiengesellschaft und die stille Gesellschaft. Das Handelsgesetzbuch von 1897 nimmt zusätzlich die Kommanditgesellschaft auf Aktien auf. Mit dem 20. 4. 1892 wird die -> Gesellschaft mit beschränkter Haftung geschaffen, mit dem 30. 1. 1937 die Aktiengesellschaft in einem eigenen Gesetz verselbständigt.

Lit.: Köbler, DRG 127; Weber, M., Zur Geschichte der Handelsgesellschaften, 1889; Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913; Schulte, A., Geschichte der großen Ravensburger Handelsgesellschaft, Bd. 1 1923; Bruhl-Lévy, H., Histoire juridique des Sociétés de Commerce en France, 1938; Lopez, R., The Commercial Revolution of the Middle Ages, 1971; Lutz, E., Die rechtliche Struktur süddeutscher Handelsgesellschaften, 1976; Hagemann, H., Basler Handelsgesellschaften im Spätmittelalter, FS F. Vischer, 1983, 557

Handelsgesetzbuch ist das den Handel regelnde besondere Gesetzbuch. Es erscheint 1808 als (franz.) Code (M.) de commerce in Frankreich, wo schon -> ordonnances von 1673 und 1681 vorangegangen waren (-> Spanien 1829 [Código de comercio], -> Portugal 1833, -> Niederlande 1838). Im -> Deutschen Bund wird nach einem vergeblichen Versuch von 1848 auf bayerischen Antrag und unter Verwendung preußischer und österreichischer Vorlagen 1861 ein -> Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch geschaffen, welches die einzelnen Mitgliedsstaaten als eigenes Gesetz in ihrem Staatsgebiet einführen. Es wird 1897 in das Handelsgesetzbuch mit auf den Kaufmann abstellendem subjektivem System umgeformt.

Lit.: Köbler, DRG 182, 184, 217; Protokolle der Kommission zur Beratung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches, hg. v. Lutz, J., Bd. 1ff. 1858, Neudruck 1984; Wild, P., Der Einfluss des Allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches auf die Privatrechtsdogmatik, Diss. jur. Saarbrücken 1966; Schubert, W., Die Einführung der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung und des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs als Bundesgesetze 1869, ZHR 144 (1980), 484; Entwurf eines allgemeinen Handelsgesetzbuches für Deutschland (1848/49), hg. v. Baums, T., 1982; Schulz, R., Die Entstehung des Seerechts des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches, 1987; Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, hg. v. Schubert, W., 1986ff.; 100 Jahre Handelsgesetzbuch, hg. v. Paschke, M. u. a., 1998

Handelskammer ist die im 19. Jh. geschaffene Körperschaft des öffentlichen Rechtes zur Wahrung und Förderung der Interessen der Mitglieder im Bereich des Handels (Hamburg 1868, Preußen 1870).

Lit.: Fischer, W., Unternehmerschaft, Selbstverwaltung und Staat, 1964; Bibliographie zur Geschichte und Organisation der Industrie- und Handelskammern, hg. v. Ernst, S., 1986

Handelsrecht ist das Recht des -> Handels bzw. subjektiv das Sonderprivatrecht der -> Kaufleute. Es entwickelt sich trotz einiger besonderer Einrichtungen für den Handel im Altertum erst seit dem Mittelalter in Oberitalien (Genua 1056, Pisa 1161 Constitutum usus, Mailand 1170) und Spanien (Barcelona, Valencia). Führend sind dabei die genossenschaftlichen Zusammenschlüsse der Kaufleute. Bemerkenswert sind Einflüsse der Araber. Für das Seerecht gewinnen Rhodos (8. Jh.), Trani (11. Jh.), Oléron (12. Jh.), Pisa (1161), Genua (1350) und Barcelona (1348 -> Consolat del Mar) besondere Bedeutung, im nordeuropäischen Raum die -> Hanse. In der frühen Neuzeit findet sich H. hauptsächlich in den städtischen Statuten (Hamburg 1603, 1642 u. ö., Nürnberg 1647, 1654, Leipzig 1682 u. a.), daneben auch in Reichspolizeiordnungen (1523, 1530, 1548, 1577 u. ö.). Etwa zu dieser Zeit setzen auch wissenschaftliche Bemühungen um das H. ein (-> Mevius 1586, Johann Marquard 1662). In Frankreich erlässt Ludwig XIV. 1673 die (frz.) -> ordonnance du commerce und 1681 die (frz.) -> ordonnance de la marine. Im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) befasst sich Kreittmayr in seinen Anmerkungen mit dem H. Die erste zusammenfassende Regelung ist im preußischen -> Allgemeinen Landrecht (1794) als Standesrecht der Kaufleute enthalten. Demgegenüber fasst der französische -> Code de commerce (1808) das H. als sachliches Sonderrecht des Handels auf. Eine eigenständige deutschrechtliche Sonderentwicklung im deutschen Bereich lässt sich nicht erkennen, obgleich sich die Lehrbücher des gemeinen deutschen Privatrechts besonders auch des Handelsrechts annehmen. -> Handelsgesetzbuch

Lit.: Hübner; Köbler, DRG 205; Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913; Raisch, P., Die Abgrenzung des Handelsrechts vom bürgerlichen Recht als Kodifikationsproblem des 19. Jahrhunderts, 1962; Raisch, P., Geschichtliche Voraussetzungen, 1965; Scherner, K., Anfänge einer Handelsrechtswissenschaft im 18. Jahrhundert, ZHR 136 (1972), 465; Handbuch der Quellen und Literatur zur neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,797, 2,2,571, 3,3,2853; Köbler, G., Die Wissenschaft des gemeinen deutschen Handelsrechts, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 1 1974, 277; Bergfeld, C., Einzelkaufmann und Unternehmer, Person und Organisation im Handelsrecht, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 6 1982, 126; Sonnleithner, G. v., Bearbeitung des Handelsrechts durch Ignaz von Sonnleithner, 1982; Montag, J., Die Lehrdarstellungen des Handelsrechts von Georg Friedrich Martens bis Meno Pöhls, 1986; Mohnhaupt, H., „Jura mercatorum durch Privilegien“, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 308; Müller-Boysen, C., Kaufmannsschutz und Handelsrecht im frühmittelalterlichen Nordeuropa, 1990; Modernisierung des Handelsrechts im 19. Jahrhundert, hg. v. Scherner, K., 1993; Ittenbach, H., Handelsrechtssysteme, 1994; Eisenhardt, U., Zu den deutschrechtlichen Wurzeln des Handelsrechts, FS P. Raisch, 1998, 51

Handelsvertrag ist der den -> Handel zwischen mindestens zwei -> Staaten betreffende Vertrag. Er findet sich seit dem 12. Jh., und zwar neben dem Privileg des Herrschers.

Lit.: Treue, W., Die deutsche Landwirtschaft zur Zeit Caprivis, Diss. phil. Berlin 1933; Prüser, J., Die Handelsverträge der Hansestädte Lübeck, Bremen und Hamburg, 1962

Handelsvertreter (bis 1953 Handlungsagent) ist der als Vertreter tätige Gehilfe des -> Kaufmanns.

Lit.: Schmidt, D., Die Reform des Rechts der Handelsvertreter, 1995; Bromm, B., Die Entstehungsgeschichte des Berufs der Handelsvertreter, 2000

Handfeste ist eine mittelalterliche Bezeichnung für ein Schriftstück (vgl. gr. [N.] cheirógraphon, Handschrift) (z. B. Georgenberger H. 1186, Kulmer H. 1233, Berner H. 1218?).

Handgemal ist im deutschen Mittelalter das Handzeichen und das vielleicht damit bezeichnete Stammgut.

Lit.: Köbler, WAS; Homeyer, C., Über die Heimat nach altdeutschem Recht, Abh. d. Akad. d. Wiss. Berlin 1852

handhafte Tat ist im Mittelalter die durch Ergreifen des Täters in oder unmittelbar nach der Ausführung gekennzeichnete Tat (vgl. im römischen Recht das [lat.] furtum [N.] manifestum). Wahrscheinlich darf in germanischer Zeit der handhafte Täter sofort getötet werden. Die frühmittelalterlichen Volksrechte gestatten die Tötung zwar nicht (mehr) in allen Fällen, aber doch bei nächtlicher Tat, bei Widerstand oder Flucht. Vor Gericht ist dem Handhafttäter der -> Reinigungseid verwehrt. Im Hochmittelalter darf nur noch der handhafte Ehebrecher sofort getötet werden. In der vom Inquisitionsprozess gekennzeichneten Constitutio Criminalis Carolina (1532) scheint ein besonderes Verfahren bei handhafter Tat nicht mehr auf.

Lit.: Kaser §§ 32 II, 21 I; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 70, 86; Köbler, WAS; Scherer, M., Die Klage gegen den toten Mann, 1909; Meyer, H., Gerüft, Handhaftverfahren und Anefang, ZRG GA 37 (1916), 382

Handlung ist das menschliche Verhalten, das als von Willen beherrschbar gedacht ist und daher objektiv zugerechnet werden kann. In den Einzelheiten problematisch wird die H. erst der neuzeitlichen Rechtswissenschaft.

Lit.: Köbler, DRG 204, 208

Handlungsfähigkeit -> Geschäftsfähigkeit

Handlungsfreiheit ist die grundsätzlich bestehende Freiheit des Menschen, zu tun und zu lassen, was er will. Sie wird seit dem 18. Jh. in Verfassungsurkunden aufgenommen. Ihre bei dichtem Zusammenleben notwendigen Schranken finden sich vor allem in Gesetzen.

Lit.: Kukk, A., Verfassungsgeschichtliche Aspekte zum Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit, 2000

Handschenkung ist die am Anfang der Entwicklung der -> Schenkung stehende, auch in der Gegenwart bei geringwertigen Gütern übliche, sofort vollzogene Schenkung.

Lit.: Meinig, I., Die Entwicklung der Lehre von der Handschenkung, Diss. jur. Frankfurt am Main 1972

Handschlag ist das gegenseitige Handgeben zweier Vertragspartner zum Zeichen des Abschlusses des Geschäftes im deutschen Recht, dem bei den Römern lat. manum dare entspricht.

Lit.: Siegel, H., Handschlag und Eid, 1894

Handschrift ist die mit der Hand ausgeführte Schrift und das dadurch geschaffene umfangreichere Ergebnis. Die H. entsteht mit der Entwicklung der -> Schrift und geht seit der Mitte des 15. Jh.s für bedeutsamere Schreibergebnisse in das gedruckte -> Buch über. Möglicherweise konnte ein Schreiber täglich etwa sieben Seiten schreiben. In Bologna wurden dabei seit 1250 Handschriften jeweils in Lagen an Berufsschreiber zur Vervielfältigung abgegeben (Peciensystem).

Lit.: Mazal, O., Lehrbuch der Handschriftenkunde, 2. A. 1986; Le livre au Moyen Age, hg. v. Glenisson, J., 1988 ; Chriftkultur und Reichsverwaltung unter den karolingern, hg. v. Schieffer, R., 1996; Soetermeer, F., Utrumque ius in peciis, 2002; Literaturbericht Handschriftenkataloge, DA  57 (2001), 555

Handschuh ist ein Bekleidungsstück der menschlichen Hand, das im (deutschen) Recht als Symbol Verwendung findet (z. B. Fehdehandschuh).

Lit.: Norton-Kyshe, J., The Law and Customs relating to Gloves, 1901; Schwineköper, B., Der Handschuh im Recht, 1938

Hand wahre Hand ist im spätmittelalterlichen deutschen Recht (seit dem 14. Jh. bzw. später) eine Wendung, die zum Ausdruck bringen soll, dass der Eigentümer, der einem anderen eine bewegliche Sache anvertraut, diese nur von ihm, nicht dagegen von einem Dritten, an welchen die Sache gelangt ist, zurückverlangen kann. Alter und Herkunft der Wendung sind streitig. Der Sache nach enthält zwar bereits der Sachsenspiegel einen entsprechenden Satz, doch sind die mittelalterlichen Lösungen dieses Rechtsproblems durchaus unterschiedlich. Mit der Aufnahme des römischen Herausgabeanspruches des Eigentümers seit dem Spätmittelalter erweist sich ein erneutes Durchdenken der Frage als erforderlich, als dessen Folgen der -> gute Glaube des Erwerbers bedeutsam wird. Der -> Codex Theresianus (1766) erkennt den gutgläubigen Eigentumserwerb des Erwerbers an.

Lit.: Hübner 433; Köbler, DRG 125, 163; Anners, E., Hand wahre Hand, 1952; Völkl, A., Das Lösungsrecht von Lübeck und München, 1991

Handwerk ist Bearbeitung und Verarbeitung von Stoffen für andere ohne Verwendung industrieller Arbeitsformen (z. B. Schreiner, Zimmermann, Maurer, Bäcker, Metzger, Fischer). Im Altertum wird diese Tätigkeit überwiegend von -> Sklaven ausgeführt, im Frühmittelalter im Rahmen der -> Grundherrschaft. Dagegen bildet sich in der hochmittelalterlichen Stadt das freie H. in vielfältiger Aufgliederung aus und schließt sich genossenschaftlich ab (-> Zunft, -> Gilde, -> Innung). Wer in einem H. tätig sein will, muss dieses mit einer mehrjährigen Lehre bei einem Meister erlernen. Danach kann er als Geselle wirken. Vollberechtigt ist er im H. erst, wenn er Meister geworden ist. In manchen Städten nehmen seit dem 14. Jh. die Angehörigen des Handwerks an der Stadtherrschaft teil. Im Kampf mit der liberalen -> Gewerbefreiheit des 19. Jh.s gelingt dem H. die Bewahrung der durch Prüfungen nachzuweisenden Qualifikationsmerkmale bis in die Gegenwart (Handwerksordnung). Trotz der Konkurrenz der Industrie vermag das H. sich zu halten.

Lit.: Köbler, DRG 78, 111; Stockbauer, J., Nürnbergisches Handwerksrecht des 16. Jahrhunderts, 1879; Schulte, E., Das Gewerberecht der deutschen Weis­tümer, 1909; Zatschek, H., Handwerk und Gewerbe in Wien, 1949; Proesler, H., Das gesamtdeutsche Handwerk im Spiegel der Reichsgesetzgebung, 1954; Fischer, W., Handwerksrecht und Handwerkswirtschaft um 1800, 1955; Schraepler, E., Handwerkerbünde und Arbeitervereine, 1972; Uhl, H., Handwerk und Zünfte in Eferding, 1973; Soliva, C., Die Zürcherische Handwerksordnung von 1681, FS J. Bärmann, 1975; Göttmann, F., Handwerk und Bündnispolitik, 1977; Renzsch, W., Handwerker und Lohnarbeiter in der frühen Arbeiterbewegung, Diss. phil. Göttingen 1981; Wissell, R./Hahm, K., Des alten Handwerks Recht und Gewohnheit, Bd. 1ff. 2. A. 1981; Das Handwerk in vor- und frühgeschichtlicher Zeit, hg. v. Jankuhn, H. u. a., Bd. 1f. 1981ff.; Schichtel, P., Das Recht des zünftigen Handwerks im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken, 1986; John, P., Handwerk im Spannungsfeld, 1987; Peter, S., Handwerksgerichtsbarkeit zwischen Absolutismus und Liberalismus, 1987; Lexikon des alten Handwerks, hg. v. Reith, R., 1990; Schultze, H., Das ehrbare Handwerk, 1993; Weyrauch, T., Handwerkerorganisationen, 1996; Brohm, U. Die Handwerkerpolitik Herzog Augusts des Jüngeren, 1999; Handwerk in Europa, hg. v. Schulz, K., 1999; Stadt und Handwerk, hg. v. Kaufhold, H. u. a., 2000; Blume, H., Ein Handwerk – eine Stimme, 2000; Winzen, K., Handwerk – Städte – Reich, 2002

Hänel, Albert (1833-1918) wird nach dem Rechtsstudium und nach der Habilitation in Leipzig als Professor in Königsberg und seit 1863 in Kiel ein bedeutender liberaler Vertreter des Staatsrechts (Deutsches Staatsrecht, 1892).

Lit.: Friedrich, M., Zwischen Positivismus und materialem Verfassungsdenken, 1971; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 2 1992, 355

Hängen ist das Töten eines Menschen durch Aufhängen an einem Strick (-> Todesstrafe, -> Galgen). Das H. ist dem römischen Altertum fremd, den Germanen bekannt. Später wird vor allem der Dieb gehängt. Seit 1771 wird das H. im deutschen Sprachraum durch das Enthaupten ersetzt. Mit dem Verbot der -> Todesstrafe verschwindet es allgemein.

Lit.: Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922

Hannover ist ein aus Braunschweig-Lüneburg hervorgegangenes, nach der Stadt (1163? bzw. 1189) H. an der Leine benanntes norddeutsches Fürstentum (1714-1837 Personalunion mit England), das 1814 zum Königreich aufsteigt und 1866 von Preußen annektiert wird. -> Göttingen

Lit.: Köbler, DRG 186; Köbler, Historisches Lexikon; Allgemeine Bürgerliche Prozessordnung für das Königreich Hannover vom 4. 12. 1847, Bürgerliche Prozessordnung für das Königreich Hannover vom 8. 11. 1850, Neudruck 1971; Merkel, J., Der Kampf des Fremdrechtes mit dem einheimischen Rechte, 1904; Deckwirth, H., Das Haus- und Verlassungsbuch der Altstadt Hannover, Hans. Geschichtsbll. N.F. 26 (1971), 1; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,2618, 3,3,2896; May, J., Vom obrigkeitlichen Stadtregiment zur bürgerlichen Kommunalpolitik, 2000

Hanse (ahd. hansa, Schar) ist ein von hochmittelalterlichen Kaufleuten ausgehender norddeutscher -> Städtebund. Seinen Anfang bildet vielleicht die schon im beginnenden 11. Jh. bevorrechtigte Genossenschaft deutscher Kaufleute in England. Bedeutsam wird danach die Gründung deutschbesiedelter Städte von Lübeck bis Riga (1201), Reval (nach 1219) und Dorpat (um 1230). Seit den Wirren des Interregnums fassen die einander nahestehenden Städte gemeinsame Beschlüsse (Wismar 1256, Lübeck 1358 [mnd.] stede von der dudeschen hanse). Außer in London (Guild Hall, Stalhof) bestehen bedeutsame Niederlassungen in Nowgorod (um 1200-1494), Brügge und Bergen (um 1340). Unter der Führung der H., der bis zu 70 Städte angehören, kann im Kampf gegen Dänemark 1368 Kopenhagen erobert werden. In der frühen Neuzeit treten viele Städte aus der H. aus, so dass nach 1669 nur noch ein Schutzbündnis von Bremen, Hamburg und Lübeck verbleibt.

Lit.: Köbler, DRG 97; Köbler, WAS; Schäfer, D., Die deutsche Hanse, 1914; Rörig, F., Vom Werden und Wesen der Hanse, 3. A. 1943; Pagel, K., Die Hanse, 3. A. 1963; Dollinger, P., La Hanse, 4. A. 1989; Schildhauer, J., Die Hanse, 6. A. 1985; Die Hanse, 3. A. 1999; Der hansische Sonderweg?, hg. v. Jenks, S. u. a., 1993; Stoob, H., Die Hanse, 1995; Ziegler, H., Die Hanse, 1996; Genossenschaftliche Strukturen in der Hanse, hg. v. Jörn, N. u. a., 1999; Hammel-Kiesow, R., Die Hanse, 2000; Pichierri, A., Die Hanse, 2000; Pitz, E., Bürgereinung und Städteeinung, 2001; Daenelle, E., Die Blütezeit der deutschen Hanse, 3. A. 2001; Novgorod, hg. v. Angermann, N. u. a., 2002

Hansegraf ist im Mittelalter verschiedentlich eine Benennung für einen Amtsträger in der Stadt mit unterschiedlichen Aufgaben (Regensburg 1184, Brügge 1187, Österreich seit 1266, Kassel 1323, Bremen 1405).

Lit.: Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 5. A. 1980, 58, 284

Hardenberg, Karl August (Essenroda 31. 5. 1750 - Genua 26. 11. 1822) wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig und Göttingen (Pütter) und einem Besuch am Reichskammergericht in Wetzlar 1770 Verwaltungsbeamter in Hannover, 1782 in Braunschweig, danach in Preußen (1791 Staatsminister für Ansbach und Bayreuth, 6. 10. 1810 - 1822 Staatskanzler in Preußen). Mit seinem Namen verbinden sich die Maßnahmen der Stein-Hardenbergschen Reformen (Bauernbefreiung, Gewerbefreiheit 1810, Regulierungsedikte 1811, 1816).

Lit.: Vaupel, R., Die Reorganisation des preußischen Staates unter Stein und Hardenberg, 1938; Thielen, P., Karl August von Hardenberg, 1967; Vogel, B., Allgemeine Gewerbefreiheit, 1983; Hermann, I., Hardenberg, 2003

Häresie ist die dem kirchlichen Dogma widersprechende Irrlehre (Ketzerei). Sie wird schon im ausgehenden Altertum durch Verbote von Gottesdiensten, Enteignung von Gütern und Androhung der Todesstrafe sowie im Mittelalter seit 1231/2 durch besondere Inquisitoren (Untersucher) bekämpft.

Lit.: Köbler, DRG 117; Grundmann, H., Religiöse Bewegungen im Mittelalter, 1935; Selge, K., Die ersten Waldenser, Bd. 1f. 1967; Lerner, E., The Heresy, 1972; Merlo, G., Eretici, 1977; Segl, P., Ketzer in Österreich, 1984; Häresie und vorzeitige Reformation, hg. v. Smahel, F., 1998; Lambert, M., Häresie im Mittelalter, 2001

Harmenopulos, Konstantinos, verfasst 1345 als Richter von Thessaloniki ein -> Hexabiblos genanntes Gesetzeshandbuch des spätbyzantinischen Reiches in sechs Büchern, welches nach weiter Verbreitung auf dem Balkan während der Osmanenzeit 1828 in Griechenland als vorläufiges Zivilgesetzbuch (bis 1946) Verwendung findet.

Lit.: Söllner §§ 23; Köbler, DRG 107; Juristen, hg. v. Stolleis, M., 1995

Harmschar (F.) Qual, Schande

Harpprecht, Johannes Friedrich (Walheim 20. 1. 1560 - Tübingen 18. 9. 1639), früh verwaister Juristensohn, wird nach dem Studium der Philosophie und Rechtswissenschaft in Straßburg, Tübingen und Marburg 1589 in Tübingen promoviert und nach kurzer Tätigkeit am Reichskammergericht 1592 Professor in Tübingen. Sein bekanntestes Werk ist ein sechsbändiger Kommentar zu den Institutionen Justinians (Opera [N.Pl.] omnia multis insignibus quaestionibus adaucta, 1627-30, Gesammelte, mit vielen berühmten Untersuchungen vermehrte Werke), der auch die Praxis und das heimische Recht berücksichtigt.

Lit.: Schnee, H., Die Professoren Dr. Harpprecht und Dr. Schöpf, FS G. Schreiber, 1963, 272

Hartmann von Aue (Oberrheingebiet 1160/5 - nach 1210?), mittelhochdeutscher Dichter, der vielleicht von (lat.) legibus (Gesetzen) gelesen hatte und dadurch (mhd.) legiste geworden ist. Seine Werke erfassen zahlreiche rechtliche Geschehnisse.

Lit.: Fehr, H., Das Recht in der Dichtung, 1931; Wapnewski, P., Hartmann von Aue, 3. A. 1967

Hasse, Johann Christian (1779-1830) wird nach dem Rechtsstudium in Kiel (Thibaut) Professor in Jena, Königsberg, Berlin und Bonn. In seinem Buch Die Culpa des römischen Rechts (1815) teilt er die (lat. [F.]) culpa unter Missachtung der Quellen in die Widerrechtlichkeit und die Schuld (culpa).

Lit.: Stintzing, R./Landsberg, E. v., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, 1880ff., Neudruck 1957, 1978, III 2, 289

Hauberggenossenschaft ist eine im Siegerland übliche, seit dem 15. Jh. belegte Genossenschaft zur landwirtschaftlich-gewerblichen Nutzung des Niederwaldes im Turnus von 16-18 Jahren. Sie ist juristische Person.

Lit.: Achenbach, H., Die Hauberggenossenschaften des Siegerlandes, 1863; Lorsbach, J., Hauberge und Hauberggenossenschaften des Siegerlandes, 1956

Häuptling (lat. [M.] capitaneus) ist seit dem 14. Jh. in Friesland ein Anführer.

Hauriou, Maurice (1856-1929), Professor für Verwaltungsrecht (1888) und Verfassungsrecht (1920) in Toulouse, begründet, ausgehend vom Verwaltungsakt, die Wissenschaft vom Verwaltungsrecht in Frankreich (Précis de droit administratif et de droit public général, 1892, Grundriß des Verwaltungsrechts und allgemeinen öffentlichen Rechts).

Lit.: Sfez, L., Essai sur la contribution du doyen Hauriou au droit administratif français, 1966

Haus ist das zum Benutzen durch Menschen bestimmte größere Gebäude. Seinem Schutz dient der Hausfriede. Die Hausgewalt steht lange Zeit in erster Linie dem Hausvater zu. Die Hausdurchsuchung ist nur unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt. Der Bau eines Hauses unterliegt bei dichterer Besiedlung öffentlichrechtlichen Vorschriften (Baurecht, hochmittelalterliche Stadt, 19. Jh.). Übertragen ist H. auch das Geschlecht (oder Herrschaftsgebiet des Geschlechts).

Lit.: Kaser §§ 4, 12; Hübner 127; Köbler, DRG 21, 71, 88, 120, 160; Köbler, WAS; Lhotsky, A., Was heißt „Haus Österreich“?, Anz. d. Akad. d. Wiss. Wien, phil.-hist. Kl. 93 (1956), 155; Benedikt, H., Die Monarchie des Hauses Österreich, 1968; Kroeschell, K., Haus und Herrschaft, 1968; Deckwirth, H., Das Haus- und Verlassungsbuch der Altstadt Hannover, Hann. Geschichtsbll. N.F. 26 (1971), 1; Köbler, G., Das Recht an Haus und Hof im spätmittelalterlichen Lübeck, in: Der Ostseeraum, hg. v. Friedland, K., 1980, 31; Haus und Familie in der spätmittelalterlichen Stadt, hg. v. Haverkamp, A., 1984; Histoire de la vie privée, hg. v. Aries, P. u. a.., Bd. 2 1985; Haus und Hof in ur- und frühgeschichtlicher Zeit, hg. v. Beck, H. u. a., 1997

Hauser, Kaspar ist der Name eines am 26. Mai 1828 in Nürnberg aufgefundenen, der Sprache unkundigen jungen, am 17. Dezember 1833 an den Folgen eines Anschlags vom 14. Dezember 1833 verstorbenen Mannes, dessen Herkunft insbesondere P. J. Anselm von Feuerbach sehr beschäftigte, ohne dass sie bislang geklärt ist.

Lit.: Forker, A., Kaspar Hauser, in: Die Bedeutung P. J. A. Feuerbachs (1775-1833) für die gegenwart, 2003, 99

Hauserbe (lat. suus heres [M.]) ist im römischen Recht der Mensch, der durch den Tod des Vaters gewaltfrei (lat. sui iuris) wird, nämlich vor allem der (mündige) Sohn, die (mündige) Tochter, das adoptierte Kind, der adrogierte Sohn sowie die gewaltunterworfene Ehefrau.

Lit.: Kaser § 66; Söllner § 8; Köbler, DRG 23, 38

Hausfriede ist das Recht, innerhalb der eigenen Wohnung und des umfriedeten Lebensbereiches ungestört zu sein. Bereits im Frühmittelalter sind Tötung und Verletzung innerhalb des Hauses mit höherer Buße bewehrt. Im Hochmittelalter wird der Friede für das Haus allgemein erfasst. Danach schaffen partikulare Rechte sowie 1871 das deutsche Reichsstrafgesetzbuch einen besonderen Tatbestand des Hausfriedensbruches.

Lit.: Osenbrüggen, E., Der Hausfriedensbruch, 1857, Neudruck 1968; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.

Hausgesetz ist die von einer hochadligen Familie für sich gesetzte besondere Rechtsordnung. Das H. findet sich seit Anfang des 14. Jh.s. Es betrifft vor allem die Erbfolge, die Ehe und die Veräußerlichkeit des Familiengutes (z. B. -> Dispositio Achillea für die Hohenzollern 1473, -> Pragmatische Sanktion vom 19. 4. 1713 für Österreich). Im 19. Jh. wird das H. von der Genehmigung durch den Staat abhängig.

Lit.: Schulze, H., Die Hausgesetze der regierenden deutschen Fürstenhäuser, Bd. 1ff. 1862ff.; Turba, G., Die Grundlagen der Pragmatischen Sanktion, 1911

Hausgewalt -> Haus

Haushalt ist ursprünglich die häusliche Verbrauchsgemeinschaft, seit dem 20. Jh. die Gesamtheit der der Erfüllung der öffentlichen Aufgaben dienenden Einkünfte und Ausgaben einer -> juristischen Person des öffentlichen Rechts (-> Staatshaushalt), welche nach dem Vorbild der Vereinigten Staaten von Amerika seit dem 19. Jh. vom Parlament durch ein Haushaltsgesetz beschlossen werden müssen.

Lit.: Köbler, DRG 99, 129; Friauf, K., Der Staatshaushaltsplan, 1968; Haushalten in Geschichte und Gegenwart, hg. v. Richarz, I., 1994; Rothenbacher, F., Historische Haushalts- und Fanubenstatistik, 1997

Hauskind ist im römischen Recht das unter der väterlichen Gewalt lebende -> Kind.

Lit.: Kaser §§ 12 I 2b, 33 III, 49 I, 50 III 4a, 66 VI, 68 III 2

Häusler ist im mittelalterlichen Recht der nur ein Haus und kein Feld besitzende Dorfbewohner (Gärtner, Kossäte, Seldner).

Lit.: Schröder, R./Künßberg, E. v., Lehrbuch der Deutschen Rechtsgeschichte, 7. A. 1932, Neudruck 1966, 457

Hausmarke ist im Mittelalter und in der Neuzeit ein bestimmtes, dem Wappen des Adels vergleichbares schriftartiges Erkennungszeichen für einen Menschen oder ein Haus (u. a. Handelsmarke, Notarssignet).

Lit.: Homeyer, C., Haus- und Hofmarken, 1870, Neudruck, 1964; Grohne, E., Die Hausmarken und Hauszeichen, 1912; Gmür, M., Schweizerische Bauernmarken und Holzurkunden, 1917

Hausmeier (lat. maior [M.] domus) ist der Leiter einer Hausverwaltung im spätrömischen Italien und im Frühmittelalter. Bei den fränkischen Königsfamilien finden sich (anfangs unfreie) H. seit dem 6. Jh. Im Jahre 751 verdrängt der austrasische H. Pippin der Jüngere aus dem Geschlecht der Arnulfinger oder Pippiniden den König aus dem Geschlecht der -> Merowinger und begründet die Königsfamilie der -> Karolinger.

Lit.: Köbler, DRG 76; Hermann, E., Das Hausmeieramt, 1880, Neudruck 1970; Heidrich, J., Titulatur und Urkunden der arnulfingischen Hausmeier, Archiv f. Diplomatik 11/12 (1965/6), 71; Haas, K., Studien zur Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte des fränkischen maior-domus-Amts, Diss. phil. Heidelberg 1968; Heidrich, J., La maison du palais Neustriens, Francia Beiheft 16/1 1989, 217

Haussuchung ist die Durchsuchung eines Hauses. Nach altrömischem Recht kann bei Diebstahlsverdacht eine (lat.) quaestio (F.) lance et licio (Untersuchung mit Schüssel und Schurzfell) erfolgen, bei welcher der Suchende nackt, nur mit einem Schurzfell (lat. [N.] licium) bekleidet und eine Schüssel (lat. [F.] lanx) tragend, das Haus betreten muss und der Täter bei erfolgreicher Suche als handhafter Dieb (lat. fur [M.] manifestus) getötet werden darf. Im Mittelalter ist H. bei Verfolgung einer abhanden gekommenen beweglichen Sache möglich. Vermutlich wird bei erfolgloser H. der Suchende bußpflichtig. Seit dem Hochmittelalter bedarf die H. mehr und mehr der vorherigen Erlaubnis des Richters oder Rates. Im 19. Jh. sichern die Verfassungen vor willkürlicher H. (Hessen-Kassel 1831, Reich 1848). Im 20. Jh. gewähren sie ein Grundrecht auf Freiheit der Wohnung, das nur durch Gesetz eingeschränkt werden kann.

Lit.: Kaser § 51 I 2; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 2 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Schwerin, C. Frhr. v., Die Formen der Haussuchung, 1924; Wolff, J., Lanx et licium, in: Sympotica F. Wieacker 1970, 59

Haustürgeschäftswiderrufsgesetz ist ein deutsches Gesetz vom 16. 1. 1986, das im Interesse des Verbrauchers bestimmt, dass eine auf Abschluss eines Vertrages über eine entgeltliche Leistung gerichtete Willenserklärung eines Kunden in bestimmten Fällen erst wirksam wird, wenn sie der Kunde nicht binnen einer Frist von einer Woche schriftlich widerruft.

Lit.: Köbler, DRG 266

Hauswirtschaft ist die auf den einzelnen Haushalt beschränkte, alle verwendeten Güter herstellende und verbrauchende Wirtschaft. Sie ist bereits im antiken Rom zugunsten der Marktwirtschaft aufgegeben. Im Frühmittelalter erweitert sie sich auf die jeweilige Grundherrschaft und tritt seit dem Hochmittelalter zurück, um seit dem 19. Jh. fast gänzlich ihre Bedeutung zu verlieren.

Lit.: Köbler, DRG 67, 77; Bauer, L./Matis, H., Geburt der Neuzeit, 1988

Haut und Haar ist eine mittelalterliche Bezeichnung für Leibesstrafen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964

Haverei (Haverie) ist der während einer Schiffahrt an Fahrzeug und Ladung entstehende Schaden. Dazu übernimmt bereits das römische Recht die im hellenistischen Bereich entwickelte (lat.) -> lex (F.) Rhodia de iactu (rhodisches Gesetz über den Seewurf), nach welcher der Schiffer, der in Seenot Güter eines Befrachters ins Meer wirft und sein Schiff rettet, dem geschädigten Befrachter zur Erstattung eines anteiligen Ausgleiches entsprechend dem Wert der Ladungen der anderen Befrachter verpflichtet ist, gegen die er seinerseits Rückgriff nehmen darf. Im Hochmittelalter ändern dies die -> Rôles d’Oléron in gewisser Weise ab. Auch das Hamburger Stadtrecht bildet Regeln über die H. aus, wobei im 18. Jh. zwischen kleiner, nur das Frachtgut betreffender, und großer, auch das Schiff erfassender H. unterschieden wird. Über das -> Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch (1861) gehen diese Regeln in das deutsche Handelsgesetzbuch (1897) ein.

Lit.: Kaser § 42 IV 4; Claussen, C., Über die lex Rhodia de iactu, Diss. jur. Kiel 1876; Heck, P., Das Recht der großen Haverei, 1889; Reincke, H., Die ältesten Formen des hamburgischen Schiffsrechts, Hamburg. Geschbll. 63 (1968); Krieger, K., Ursprung und Wurzeln der rôles d’Oléron, 1970; Landwehr, G., Die Haverei in den mittelalterlichen deutschen Seerechtsquellen, 1985; Landwehr, G., Zur Begriffsgeschichte der Haverei, FS H. Niederländer, 1991, 57

hebräisch -> Israel, Jude

Heck, Philipp (St. Petersburg 22. 7. 1858 - Tübingen 28. 6. 1943) wird nach dem Studium von Mathematik und Recht in Leipzig und der Habilitation in Berlin Professor in Greifswald (1891), Halle (1892) und Tübingen (1901). Er begründet in der Nachfolge Rudolf von Iherings die gegen -> Begriffsjurisprudenz und -> freie Rechtsschule gerichtete -> Interessenjurisprudenz, welche Lücken im Recht durch Vergleich gesetzlicher Entscheidungen von Interessengegensätzen (oder bei deren Fehlen durch persönliches Wertempfinden) schließen will. Daneben verfasst er Grundrisse zum Schuldrecht (1929) und Sachenrecht (1930) und zahlreiche rechtsgeschichtliche Arbeiten.

Lit.: Heck, P., Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, 1932; Kallfass, W., Die Tübinger Schule der Interessenjurisprudenz, 1972; Wolf, M., Philipp Heck als Zivilrechtsdogmatiker, 1996; Schoppmeyer, H., Juristische Methode als Lebensaufgabe, 2001

Heer ist der zu Land kämpfende Teil der Streitkräfte. Sowohl in Rom wie auch bei den Germanen ist das H. zunächst allgemeines Volksheer. In Rom beginnt mit Marius (um 100 v. Chr.) die Umwandlung in ein Berufsheer von Söldnern, das nach Bedarf aufgestellt wird. Bereits unter Augustus (63 v. Chr. - 14 n. Chr.) ist ein stehendes H. von 27-28 Legionen zu 6000 Männern vorhanden. Seit dem Frühmittelalter (9. Jh. - 12. Jh.) verschwindet bei den germanistischen Nachfolgevölkern das Volksheer der einfachen Freien und wird durch ein ständisches Reiterheer (Ritter) im Umfang von meist nicht mehr als 2000 Gepanzerten ersetzt. An dessen Stelle tritt seit dem 14. Jh. der berufsmäßige, zunächst mit Lanze, dann mit Feuerwaffen ausgerüstete Fußsoldat, der nach Bedarf angeworben wird (Landsknechte). Das Reichsheer besteht aus geringen Kontingenten der Reichsstände, wobei sich die mächtigeren Fürsten zunehmend ihren Gestellungsverpflichtungen entziehen. Seit der Mitte des 17. Jh.s strebt der Landesherr ein stehendes H. an. Dabei ersetzt später die Aushebung die Anwerbung (Preußen 1733). Zu Beginn des 19. Jh.s wird die allgemeine Wehrdienstpflicht eingeführt (Preußen 3. 9. 1814). 1919 wird das deutsche H. auf 100000 Mann beschränkt, doch durchbricht Hitler bald diese Einschränkung. 1956 wird die Bundeswehr der Bundesrepublik Deutschland eingerichtet.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 29 III; Köbler, DRG 112, 150, 152, 198; Köbler, WAS; Stein, L. v., Die Lehre vom Heerwesen, 1872; Grosse, R., Römische Militärgeschichte, 1920; Niemann, A., Kaiser und Heer, 1923; Conrad, H., Geschichte der deutschen Wehrverfassung, Bd. 1 1939; Oestreich, G., Zur Heeresverfassung der deutschen Territorien von 1500 bis 1800, FG F. Hartung, 1958, 419; Keen, M., The Laws of War, 1965; Hermann, C., Deutsche Militärgeschichte, 1966; Müller, K., Das Heer und Hitler, 1969; Contamine, P., La guerre au Moyen Age, 3. A. 1992; Masson, P., Die deutsche Armee, 1996; Die Wehrmacht, hg. v. Müller, R. u. a., 1999; Gilliver, K., Auf dem Weg zum Imperium, 2003

Heerbann ist seit dem Frühmittelalter (Erstbeleg um 665) der das -> Heer betreffende -> Bann des Königs, dessen Aufgebotsrecht mit dem H. bewehrt ist.

Lit.: Kroeschell, DRG 1

Heergewäte (Hergewäte) ist die Heeresbekleidung für den Krieg. Das H. wird wohl schon seit dem  Frühmittelalter in einer Sondererbfolge an einen männlichen Verwandten (ältesten Sohn) vererbt. In den Städten seit dem Hochmittelalter im Schwinden begriffen, wird es zwischen dem 17. und 19. Jh. (Fehmarn) allgemein abgeschafft.

Lit.: Köbler, DRG 73, 89, 123, 162; Bungenstock, W., Heergewäte und Gerade, Diss. jur. Göttingen 1966

Heerschild ist ein Einteilungskriterium der mittelalterlichen Ordnung der lehnsrechtlich gestuften Gesellschaft. Nach dem Sachsenspiegel (1221-24) hat der König den ersten H. Die geistlichen Fürsten stehen im zweiten H., die weltlichen Fürsten im dritten. Wie weit die (siebenstufige) Heerschildordnung nach unten reicht, ist auch den mittelalterlichen Zeitgenossen nicht völlig klar.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 98; Ficker, J., Vom Heerschilde, 1862, Neudruck 1964; Krieger, K., Die Lehnshoheit der deutschen Könige, 1979

Hegel, Georg Friedrich Wilhelm (Stuttgart 27. 8. 1770 - Berlin 14. 11. 1831), Beamtensohn, wird nach dem Studium von Philosophie und Theologie in Tübingen Hauslehrer und nach der Habilitation (1801) außerordentlicher Professor in Heidelberg (1816) und Berlin (1818). Für H. ist Weltgeschichte der notwendig fortschreitende Prozess, in welchem sich der absolute Geist seiner Freiheit im dialektischen Dreischritt von These, Antithese und Synthese bewusst wird. In der tatsächlichen Umwelt versteht H. den preußischen Staat als Verwirklichung der Freiheit. Damit wird zu Unrecht der Staat dem einzelnen stärker übergeordnet als notwendig.

Lit.: Landau, P., Hegels Begründung des Vertragsrechts, ARSP 59 (1973), 117; Flechtheim, O., Hegels Strafrechtstheorie, 2. A. 1975; Materialien zu Hegels Rechtsphilosophie, hg. v. Riedel, M., 1975; Theunissen, M., Sein und Schein, 1980; Gessmann, M., Hegel, 1999; Fulda, F., Georg Wilhelm Friedrich Hegel, 2003

Hegung ist im deutschen Recht die förmliche Eröffnung von gerichtlichen Versammlungen durch künstliche Abgrenzung und Durchführung eines Frage-Antwort-Ritus. Alter und Herkunft der im 13. Jh. eindeutig sichtbaren Vorgangsweise sind unklar. Bereits seit dem Spätmittelalter wird die H. ziemlich sinnentstellt durchgeführt.

Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1879, Neudruck 1973, 130; Burchard, K., Die Hegung, 1893; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 2 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 437, 483

Hehler ist, wer eine Sache, die ein anderer gestohlen oder sonst durch eine gegen fremdes Vermögen gerichtete rechtswidrige Tat erlangt hat, ankauft, sich oder einem Dritten verschafft, absetzt oder absetzen hilft, um sich oder einen Dritten zu bereichern. Der H. ist strafbar (-> Der Hehler ist nicht besser als der Stehler). Bereits ein Privileg Heinrichs IV. für die Juden in Speyer und Worms von 1090 bestimmt aber, dass Juden, welche gestohlene Sachen gegen Entgelt erworben haben, sie nur gegen Ersatz des Kaufpreises herausgeben müssen (sog. Hehlerprivileg oder Lösungsrecht). Mit dem Ausgang des Mittelalters verliert das Lösungsrecht an Bedeutung, ohne ganz zu verschwinden. -> Der Hehler ...

Lit.: Hübner 433; Kroeschell, DRG 2; Meyer, H., Das Hehlerrecht, in: Forschungen zur Judenfrage, Bd. 1 1937, 92; Feenstra, R., Zum Ursprung des Lösungsrechts, FS G. Kisch, 1955, 237; Kisch, G., Zur Rechtsstellung der Juden im Mittelalter, ZRG GA 81 (1964), 360; Wolff, B., Begünstigung, Strafvereitelung und Hehlerei, 2002

Heidelberg am Neckar unterhalb einer wohl im 11. Jh. erbauten Burg wird seit dem 13. Jh. ein bedeutender Ort der seit 1214 wittelsbachischen Pfalzgrafen bei Rhein, an dem 1386 eine Universität errichtet wird.

Lit.: Köbler, DRG 100; Dickel, G., Die Heidelberger juristische Fakultät, 1961; Willoweit, D., Das juristische Studium in Heidelberg, in: Semper aperta, FS Universität Heidelberg, hg. v. Doerr, W., Bd. 1 1985, 85; Landwehr, G., Heidelberger Juristen in sechs Jahrhunderten, in: Richterliche Rechtsfortbildung, FS der juristischen Fakultät zur 600-Jahr-Feier der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, 1986, 653; Heidelberger Strafrechtslehrer im 19. und 20. Jahrhundert, hg. v. Küper, W., 1986; Der Humanismus und die oberen Fakultäten, hg. v. Keil, G. u. a., 1987; Wolf, K., Die Heidelberger Universitätsangehörigen, 1991; Kolb, J., Heidelberg, 1998

Heilige Allianz ist das am 26. 9. 1815 zwischen Franz I. von -> Österreich, Friedrich Wilhelm III. von -> Preußen und Alexander I. von -> Rußland abgesprochene religiös-moralische Manifest, das neben dem Bekenntnis zur christlichen Religion und zu den Grundsätzen der Legitimität, Legalität und Stabilität auch ein allgemeines Beistandsversprechen enthält. Ihm treten fast alle christlichen Staaten Europas bei. Bereits 1823 außerhalb Europas und 1830 in Europa (Belgien, Griechenland) wird das legitimistische Interventionsprinzip auf Grund der sich entwickelnden Interessengegensätze der beteiligten Mächte aufgegeben.

Lit.: Köbler, DRG 170; Näf, W., Zur Geschichte der Heiligen Allianz, 1928

Heiliger -> Reliquie

Heiliger Stuhl -> Papst

Heiliges Römisches Reich (deutscher Nation) ist die sich im Spätmittelalter ausformende Bezeichnung des (ersten) deutschen Reiches (1474, amtlich 1512, um 1000 regnum Teutonicum, 1122 Romanorum imperator, 1157 [lat.] sacrum imperium [N.], 2. Hälfte 13. Jh.s sacrum Romanum imperium). Das H. R. R. wird getragen von -> König bzw. Kaiser und -> Reichsständen. Es endet als H. R. R. auf den politischen Druck Napoleons am 6. 8. 1806 mit der Niederlegung der Krone durch Kaiser Franz II. (aus der Familie der -> Habsburger). Die h. M. legt den im 15. Jh. aufkommenden, tatsächlichen Zusatz „Deutscher Nation“ als auf das deutschsprachige Gebiet einschränkend aus. Die -> Verfassung des Heiligen Römischen Reiches wird durch eine Reihe von einzelne Fragen behandelnden „Grundgesetzen“ bestimmt, die man bereits mit dem Wormser Konkordat von 1122 beginnen lassen kann (vor allem Licet iuris 1338, Goldene Bulle 1356, Wiener Konkordat 1448, Ewiger Landfriede 1495, Reichskammergerichtsordnung 1495, Augsburger Reichsabschied 1555, Westfälischer Friede 1648, Jüngster Reichsabschied 1654, Reichshofratsordnung 1654, Capitulatio perpetua 1711, Reichsputationshauptschluss 1803).

Lit.: Köbler, DRG 110, 133; Krebs, C., Teutscher Reichsstaat, Teil 1f. 1706f.; Moser, J., Teutsches Staatsrecht, Bd. 1ff. 1737ff., Neudruck 1968; Diehl, E., Heiliges Römisches Reich deutscher Nation, HZ 156 (1937), 457; Wesenberg, G., Die Privatrechtsgesetzgebung des Heiligen Römischen Reiches, Studi P. Koschaker, Bd. 1 1954, 187; Aretin, K. Frhr. v., Heiliges Römisches Reich 1776-1806, 1967; Aretin, K. Frhr. v., Das Alte Reich, Bd. 1ff. 1980ff. (Band 4 Register); Das Staatsrecht des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, hg. v. Wagner, W., 1968; Schubert, E., König und Reich, 1979; Walter, G., Der Zusammenbruch des Heiligen Römischen Reiches, 1980; Nonn, U., Heiliges Römisches Reich deutscher Nation, ZHF 9 (1982), 129; Hammerstein, N., Das Römische am Heiligen Römischen Reich, ZRG GA 100 (1983), 119; Heiliges Römisches Reich und moderne Staatlichkeit, hg. v. Brauneder, W., 1993; Luh, J., Unheiliges Römisches Reich, 1995; Schulze, H., Kaiser und Reich, 1998; Schmidt, G., Geschichte des Alten Reiches, 1999; Marquardt, B., Das Römisch-deutsche Reich als segmentäres Verfassungssystem, 1999; Imperium Romanum – irregulare corpus – Teutscher Reichs-Staat, hg. v. Schnettger, M., 2002; Gotthard, A., Das Alte Reich 1495-1806, 2003

Heilung (von Rechtsgeschäften) -> Konvaleszenz

Heimbürge ist seit dem Hochmittelalter der Leiter einer meist dörflichen Gemeinde zwischen Elsaß und Thüringen, der endgültig im 19. Jh. verschwindet.

Lit.: Wiemann, H., Der Heimbürge, 1962

Heimfall ist der Anfall des Nachlasses von erbenlos verstorbenen Menschen. Er steht teils dem Grundherrn, teils dem Lehnsherrn, teils der Gemeinde, teils dem König oder Landesherrn bzw. Staat zu. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist der -> Fiskus gesetzlicher Erbe.

Lit.: Hübner 777; Poll, B., Das Heimfallsrecht auf den Grundherrschaften Österreichs, 1925, Neudruck 1978; Schmelzeisen, G., Polizeiordnungen und Privatrecht, 1955, 149; Jewell, H., English Local Administration, 1972

Heimtücke (F.) Hinterhältigkeit

Lit.: Dörner, B., Heimtücke, 1998

Heineccius, Johann Gottlieb (Eisenberg 11. 9. 1681 - Halle 31. 8. 1741) wird nach dem Studium der Theologie in Leipzig und des Rechts in Halle (Stryk, Thomasius, Böhmer, Gundling, Ludewig) 1713 Philosophieprofessor und 1720/1 Rechtsprofessor in Halle, Franeker (1723), Frankfurt an der Oder (1727) und Halle (1733). Seine dogmatischen Grundrisse (darunter die erste geschlossene Darstellung des deutschen Privatrechts und das erste römischrechtliche Lehrbuch moderner Form) machen ihn zum einflussreichsten deutschen Juristen des 18. Jh.s (Antiquitatum Romanarum syntagma [N.], 1721, Elementa [N.Pl.] iuris civilis secundum ordinem institutionum, 1725, Elementa [N.Pl.] pandectarum, 1727, Juris­prudentia [F.] Romana, 1738ff., Antiquitates [F.Pl.] Germanicae jurisprudentiam patriam illustrantes, 1772ff., Elementa [N.Pl.] iuris Germanici, 1735f., Elementa [N.Pl.] iuris naturae et gentium, 1737, deutsch 1994, Grundzüge des Natur- und Völkerrechts).

Lit.: Köbler, DRG 144; Luig, K., Die Anfänge der Wissenschaft vom deutschen Privatrecht, Ius commune 1 (1967), 195; Elementa iuris naturae et gentium (deutsch), hg. v. Bergfeld, C., 1994

Heingereiden (Haingeraiden) sind (16) seit dem 13. Jh. nachweisbare dörfliche Marknutzungsverbände von den Vogesen bis zur Haardt, welche seit 1792 von Frankreich beseitigt werden.

Lit.: Christmann, E., Name und Entstehung der pfälzischen Heingereiden, ZGO 99 (1951), 407; Ziegler, H., Die Auflösung der Haingeraiden, Pfälzer Heimat 20 (1969), 20

Heinrich der Löwe (1128/9? - Braunschweig 6. 8. 1195), -> Welfe, Herzog von Sachsen (1142) und Bayern (1156), gefährdet durch seine beinahe königliche Machtstellung den mit ihm verwandten deutschen Kaiser Friedrich I. Barbarossa (-> Staufer). Da er mehreren Ladungen in einem von Fürsten wegen Landfriedensbruches eingeleiteten Verfahren vor dem Kaiser nicht Folge leistet, wird er im Juni 1179 geächtet und als Folge des Nichterscheinens in einem daraufhin wegen Nichtachtung der Majestät begonnenen Verfahrens im Januar 1180 für aller Reichslehen verlustig erklärt. Im April 1180 wird das Herzogtum Sachsen in Westfalen (an den Erzbischof von Köln) und (östliches) Sachsen (Bernhard von Askanien) geteilt, im September 1180 das Herzogtum Bayern an Otto von -> Wittelsbach gegeben. H. d. L. behält nur die Eigengüter um Braunschweig und Lüneburg. Mit der Zerschlagung des Stammesherzogtums Sachsen wird die Bildung von -> Ländern weiter gefördert.

Lit.: Güterbock, F., Die Gelnhäuser Urkunde und der Prozess Heinrichs des Löwen, 1920; Bärmann, J., Die Städtegründungen Heinrichs des Löwen, 1961; Diestelkamp, B., Welfische Städtegründungen und Stadtrechte des 12. Jahrhunderts, ZRG GA 81 (1964), 164; Jordan, K., Heinrich der Löwe, 2. A. 1980; Heinrich der Löwe, hg. v. Mohrmann, W., 1980; Engels, O., Stauferstudien, 1988; Heinrich der Löwe, hg. v. Luckhardt, J., 1995; Ehlers, J., Heinrich der Löwe, 1997; Seibert, H., Heinrich der Löwe und die Welfen, HZ 268 (1998), 375; Gaethke, H., Herzog Heinrich der Löwe und die Slawen nordöstlich der unteren Elbe,1999; Heinrich der Löwe, hg. v. Fried, J. u. a., 2003

Heinrich von Segusia -> Hostiensis

Heirat (F.) -> Eheschließung

Lit.: Mantl, E., Heirat als Privileg, 1997; Liebl, R., Ein Königreich als Mitgift, 1998

Heirat macht mündig.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996 (Hillebrand 1858)

Heiratserlaubnis ist die Erlaubnis der Eheschließung eines Menschen mit einem anderen durch einen Dritten. Im Frühmittelalter bedarf die Braut der H. des Inhabers der Personalgewalt, welche später auf die Fälle fehlender Ehemündigkeit eingeschränkt wird. Daneben benötigt der Unfreie die H. des Grundherrn. Seit dem 16. Jh. begründet der Landesherr Heiratserlaubnisse für Beamte, Soldaten, Kranke, Witwen usw. Die Aufklärung drängt seit dem ausgehenden 18. Jh. die H. allgemein zurück.

Lit.: Thudichum, F., Über unzulässige Beschränkungen des Rechts der Verehelichung, 1866; Köstler, R., Die väterliche Ehebewilligung, 1908; Schmelzeisen, G., Polizeiordnungen und Privatrecht, 1955, 30; Schwab, D., Grundlagen und Gestalt der staatlichen Ehegesetzgebung in der Neuzeit, 1967

Heliand („Heiland“) ist eine nach der lateinischen Übersetzung (6. Jh.) der Evangelienharmonie des Syrers Tatian (2. Jh.) vor 850 (wohl in Fulda oder Werden) verfasste altsächsische Stabreimdichtung. Es ist streitig, in welchem Umfang das Werk frühmittelalterliches Recht wiedergibt (Herrschaft, Stände, Rüge).

Lit.: Vilmar, A., Deutsche Altertümer im Heliand, 2. A. 1862; Lagenpusch, E., Das germanische Recht im Heliand, 1894; Kuhn, H., Die Grenzen der germanischen Gefolgschaft, ZRG GA 73 (1956), 28; Sowinski, B., Darstellungsstil und Sprachstil im Heliand, 1985; Heliand und Genesis, hg. v. Taeger, B., 10. A. 1996

Hellenismus ist ursprünglich der richtige Gebrauch der griechischen Schriftsprache, später die Ausbreitung griechischer Kultur seit Alexander dem Großen (356 - 13. 6. 323).

Lit.: Kaser §§ 1 II 2, 3 III 4; Söllner §§ 18, 19, 22; Kreissig, H., Geschichte des Hellenismus, 1984; Gehrke, H., Geschichte des Hellenismus, 2. A. 1995; Hellenismus, hg. v. Funck, B., 1997; Die Rezeption der Antike, hg. v. Konstantinou, E., 1998; Christ, K., Hellas, 1999; Heinen, H., Geschichte des Hellenismus, 2003

Heller, Hermann (Teschen 17. 7. 1891 - Madrid 5. 11. 1933), Rechtsanwaltssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Wien, Innsbruck und Graz 1920 in Kiel (Radbruch) habilitiert, 1928 zum außerordentlichen Professor in Berlin und 1932 zum ordentlichen Professor in Frankfurt am Main (bis 7. 4. 1933) ernannt. Er versteht in der Staatslehre den Staat als sozialen Rechtsstaat.

Lit.: Robbers, G., Hermann Heller, 1983; Der soziale Rechtsstaat, hg. v. Müller, C./Staff, J., 1984; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 767; Fiedler, W., Das Bild Hermann Hellers, 1994; Goller, P., Hermann Heller, 2002

Helmstedt ist von 1576 bis 1810 Sitz einer vom Herzog von Braunschweig gegründeten Universität.

Lit.: Schikora, A., Die Spruchpraxis an der juristischen Fakultät zu Helmstedt, 1972; Kundert, W., Katalog der Helmstedter juristischen Disputationen, 1984; Alschner, U., Universitätsbesuch in Helmstedt, 1998

Helsinki (Helsingfors) wird 1550 vom König von Schweden gegründet und 1640 verlegt. Am neuen Ort erhält es eine Universität. 1812 wird es Hauptstadt des russischen Großfürstentums -> Finnland.

Helvetische Republik ist die nach dem keltischen, von Caesar 58 v. Chr. besiegten Stamm der Helvetier benannte, von Frankreich (Napoleon) beeinflusste Republik in der -> Schweiz (1798-1803).

Lit.: Levi, R., Der oberste Gerichtshof der Helvetik, 1945; Zwicky, J., Das Gefängniswesen zur Zeit der Helvetik, Diss. jur. Zürich 1982; Alkaly, M., Das materielle Strafrecht der französischen Revolution, 1984

Henker ist der 1276 in Augsburg zuerst bezeugte Vollstrecker des (auf Hängen lautenden) Todesurteils. Der H. gilt als unehrlich. Vor der Vollstreckung steht dem Hinzurichtenden eine Henkersmahlzeit zu.

Lit.: Angstmann, E., Der Henker in der Volksmeinung, 1928; Hentig, H. v., Vom Ursprung der Henkersmahlzeit, 1958; Schuhmann, H., Der Scharfrichter, 1964; Glenzdorf-Treichel, Henker, Schinder und arme Sünder, 1978

Henlich ist ursprünglich der Heiratsgesang und im Hoch- und Spätmittelalter insbesondere im Recht des Ingelheimer Oberhofes der -> Ehevertrag.

Lit.: Gudian, G., Ingelheimer Recht im 15. Jahrhundert, 1968, 104

Henneberg, Berthold von (1441/2 - 21. 12. 1504), aus der Familie der Grafen von Henneberg-Römhild, wird nach dem Studium der Theologie in Erfurt (1455) und Italien Domherr in Mainz (1464) und Erzbischof von Mainz (20. 5. 1484). Er bestimmt als Reichskanzler maßgeblich die Reformen des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) im Jahre 1495 (-> Reichskammergericht, -> Landfriede, -> Gemeiner Pfennig).

Lit.: Weiß, E., Berthold von Henneberg, 1889; Bader, K., Ein Staatsmann vom Mittelrhein, 1955; Schröcker, A., Unio atque concordia, Diss. phil. Würzburg 1970

Heraldik (F.) Wappenkunde

Lit.: Köbler, DRG 3; Berchem, E. Frhr. v., Heraldische Bibliographie, 1937; Galbreath, D., Handbüchlein der Heraldik, 2. A. 1948; Gumowski, M., Handbuch der polnischen Heraldik, 1969; Zenger, Z., Ceska heraldika, 1978; Bertenyi, I., Kis, magyar eimertan, 1983; Lexikon der Heraldik, 1984; Henning, E./Jochums, G., Bibliographie zur Heraldik, 1984; Dictionnaire heraldique, 1985; Woodcock, T./Robinson, J., The Oxford Guide to Heraldry, 1988; Handbuch der Heraldik, 19. A. 1998; Filip, V., Einführung in die Heraldik, 2000

Heraklit von Ephesos (um 500 v. Chr.) ist der erste europäische Philosoph, der den Einsatz des einzelnen für die rechtliche Ordnung als Voraussetzung für den Bestand des Gemeinwesens hervorhebt.

Lit.: Moser, P., Heraklits Kampf ums Recht, 1993

Herausgabeanspruch ist der Anspruch auf die Herausgabe eines Menschen oder einer Sache. Der bekannteste Fall des Herausgabeanspruches ist die schon dem altrömischen Recht vertraute (lat.) -> rei vindicatio (F.). Sie lebt im modernen H. in abgewandelter Form fort.

Lit.: Kaser § 27 I; Köbler, DRG 212

Herder, Johann Gottfried (Mohrungen 25. 8. 1744 - Weimar 18. 12. 1803) wird nach dem Theologiestudium in Königsberg (1762-4) Prediger. Er sieht in der Volkssprache und im Volkslied den Ausdruck des unbewusst schaffenden -> Volksgeistes, dessen nationale Eigenart geschichtlichen Eigenwert besitzt (Idee der Kulturnation). Damit beeinflusst er -> Savignys Verständnis vom Recht als sich organisch entfaltendem Teilbereich der Gesamtkultur in bedeutsamer Weise.

Lit.: Herder, J., Über die neuere deutsche Literatur, 1766/7; Herder J., Abhandlung über den Ursprung der Sprache, 1772; Würtenberger, T., Johann Gottfried Herder und die Rechtsgeschichte, JZ 12 (1957), 137; Kalletat, F., Herder und die Weltliteratur, 1984

heredis institutio (lat. [F.] Erbeinsetzung) ist in klassischer römischer Zeit die schon früh an den Anfang des Testamentes zu stellende, lange Zeit unabdingbare Erbeinsetzung (z. B. [lat.] Titius heres esto).

Lit.: Kaser §§ 65 II 1, 67 I 2

hereditas ([F.] lat.) ist im römischen Recht die vor allem aus Vermögensrechten gebildete Erbschaft (das Erbe). Die h. fällt als Einheit durch Gesamtnachfolge dem Erben an.

Lit.: Kaser §§ 65f.; Köbler, LAW

hereditas (F.) iacens (lat.) (liegende bzw. ruhende Erbschaft) ist im römischen Recht die einem Außenerben (lat. heres [M.] extraneus) anfallende Erbschaft in der Zeit zwischem dem Tod des Erblassers und der Ergreifung der Vermögensrechte durch den Außenerben. Ursprünglich gelten die Erbschaftsgegenstände als (lat.) res (F.) nullius (Sachen niemands). Die Rechte und Pflichten bestehen weiter, haben aber zeitweilig keinen Träger und können deswegen nicht geltend gemacht werden. Die h. i. kann Rechte erwerben. Die h. i. wird mit der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter übernommen (z. B. Österreich).

Lit.: Kaser § 72 I; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 562, 621, 629

hereditatis petitio (lat. [F.] Erbschaftsbegehren) ist bereits im altrömischen Recht das Herausverlangen der Erbschaft durch eine Person, die behauptet Erbe zu sein.

Lit.: Kaser §§ 65 III, 75

heres (lat. [M.]) ist im römischen Recht der -> Erbe (Hauserbe oder Außenerbe).

Lit.: Kaser § 65 III; Köbler, DRG 37; Köbler, LAW

Herford ist eine westfälische, um das 823 gegründete, 1147 reichsunmittelbare Stift erwachsene Stadt, von der die Bilderhandschrift eines mittelalterlichen Rechtsbuches überliefert ist.

Lit.: 1200 Jahre Herford, 1989; Rechtsbuch der Stadt Herford, hg. v. Helmert-Corvey, T., 1989; Terharn, C., Die Herforder Fehden, 1994

Hergewäte -> Heergewäte

herisliz (ahd. [M.] Heerzerstörung) ist der tatbestandliche Vorwurf (des Hochverrats), welcher 788 zur Absetzung Herzog Tassilos III. von Bayern führt.

Lit.: Köbler, WAS; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 53

Hermann von Oesfeld (Magdeburg Mitte 14. Jh.), Bürger in Magdeburg, fertigt möglicherweise ein Register zum Landrecht des -> Sachsenspiegels sowie die um 1350 entstehenden verfahrensrechtlichen Schriften -> Cautela und -> Premis an.

Lit.: Homeyer, C., Richtsteig Landrecht nebst Cautela und Premis, 1857, 390; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 66

Hermann von Salza von 1209 bis (Salerno) 20. 3. 1239 (vierter) Hochmeister des Deutschen Ordens, erlässt die sog. -> Kulmer Handfeste, welche lübischem und magdeburgischem Vorbild folgend den nach Kulm und Thorn gezogenen Bürgern freiheitliche Rechte gewährt.

Lit.: Caspar, E., Hermann von Salza und die Gründung des Deutschordensstaates in Preußen, 1924

Hermogenian (um 300) ist vielleicht unter Kaiser Diokletian (284-313/6) Leiter einer kaiserlichen Kanzlei und (lat.) praefectus (M.) praetorio (Prätorianerpräfekt). Er verfasst die private (halbamtliche?) Sammlung von Konstitutionen Diokletians fast nur der Jahre 293 und 294 (-> Codex Hermogenianus), von welcher 104 Fragmente in die -> Digesten Justinians aufgenommen werden, und (lat.) Iuris epitomarum libri (M.Pl.) VI (Auszüge aus klassischen Juristenschriften).

Lit.: Söllner §§ 19, 22; Liebs, D., Hermogenians Iuris Epitomae, 1964; Liebs, D., Die Jurisprudenz im spätantiken Italien, 1987, 36, 137

Herold (M.) Verkünder

Lit.: Wagner, A., Heralds and Heraldry, 2. A. 1956

Herold, Basilius Johann (Höchstädt an der Donau 17. 12. 1514 - 1567), Übersetzer und Drucker, veröffentlicht in Basel 1557 eine Sammlung von 12 (10) Volksrechten, deren handschriftliche Vorlagen seitdem teilweise (lat. Lex [F.] Frisionum, eine Fassung der lat. Lex [F.] Salica) verschollen sind.

Herr ist der Gebieter über einen anderen Menschen (oder über einen Gegenstand). Das Wort wird im 8. Jh. als Lehnübersetzung von lat. [M.] senior, Älterer, gebildet. Hausherr, Grundherr, Lehnsherr und -> Landesherr sind wichtige Erscheinungsformen. Erst spät wird H. zu einer allgemeinen Anrede erwachsener Männer.

Lit.: Köbler, WAS; Lünig, J., Thesaurus iuris deren Grafen und Herren des Heiligen Römischen Reichs, 1725; Kulenkampf, A., Einungen und Reichsstandsschaft fränkischer Grafen und Herren, Diss. jur. Bonn 1971; Hergemöller, B., Fürsten, Herren und Städte zu Nürnberg 1355/65, 1983; Algazi, G., Herrengewalt, 1996

Herrenchiemseer Verfassungskonvent ist das von den 11 Ministerpräsidenten der westlichen Besatzungszonen des Deutschen Reiches vom 10. bis 23. 8. 1948 nach Herrenchiemsee im Chiemsee einberufene, eine -> Verfassung (-> Grundgesetz) der späteren Bundesrepublik -> Deutschland vorbereitende Gremium.

Lit.: Köbler, DRG 256; Buchner, P., Der Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee. Der Parlamentarische Rat 1948/49, 1981; 50 Jahre Verfassungskonvent Herrenchiemsee, hg. v. März, P. u. a., 1998; Weichenstellung für Deutschland, hg. v. März, P. u. a., 1998

Herrenfall ist der Tod des -> Herrn im Lehnsverhältnis.

Herrenhaus ist die Bezeichnung für ein dem englischen House of Lords nachgebildetes Staatsorgan der Verfassungen des 19. Jh.s (Preußen 1855-1918, Österreich 1861-5, 1867-1918). Ihm gehören hauptsächlich Vertreter des -> Adels an.

Lit.: Baltl/Kocher; Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 2. A. 1995, 485; Spenkuch, H., Das preußische Herrenhaus, 1998

herrenlos ist die Sache, die keinen Eigentümer hat (z. B. in Freiheit befindliche wilde Tiere). Die herrenlose Sache unterliegt der Aneignung. Aneignungsberechtigt ist ursprünglich jedermann, nach späterem deutschem Recht der jeweils besondere Träger eines Aneignungsrechts (z. B. Jagdberechtigter, Fiskus).

Lit.: Hübner 454f.

Herrschaft ist die Macht oder Gewalt eines Menschen (-> Herrn) über einen anderen Menschen (oder einen Gegenstand). Sie entsteht vorwiegend durch Eroberung und Überschichtung. Es ist streitig, ob sich die umfassende Rechtsgemeinschaft in eine Vielzahl von Herrschaften auflösen lässt. Geschichtliche Formen der H. sind jedenfalls Grundherrschaft und Landesherrschaft, Hausherrschaft und Lehnsherrschaft. Das deutsche Wort herscaf (mhd.) als Herrenstellung findet sich erst im 13. Jh.

Lit.: Köbler, WAS; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 1; Gierke, O., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1ff. 1868; Schlesinger, W., Herrschaft und Gefolgschaft, HZ 176 (1953), 225; Dannenbauer, H., Grundlagen der mittelalterlichen Welt, 1958, 121; Hofmann, H., Adelige Herrschaft und souveräner Staat, 1962; Henning, F., Herrschaft und Bauernuntertänigkeit, 1964; Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A. 1965; Kroeschell, K., Haus und Herrschaft im frühen deutschen Recht, 1968; Haverkamp, A., Herrschaftsformen der Frühstaufer in Reichsitalien, Bd. 1 1970; Schulze, W., Bäuerlicher Widerstand und feudale Herrschaft in der frühen Neuzeit, 1980; Jäckell, E., Hitlers Herrschaft, 1986; Schneider, O., Rechtsgedanken und Rechtstechniken totalitärer Herrschaft, 1988; Sprandel, R., Verfassung und Gesellschaft im Mittelalter, 3. A. 1988; Hohkamp, M., Herrschaft in der Herrschaft, 1998; Virtuosen der Macht, hg. v. Nippel, W., 2000; Herrschaft, hg. v. Kaak, H. u. a., 2003

Herrschaftsvertrag ist der bereits im griechischen Altertum ansatzweise sichtbare, für die Vorzeit angenommene Vertrag zur Begründung der Herrschaft Herrschender (Staat) über Beherrschte (Untertanen). Das Mittelalter sieht diesen Vertrag als Unterwerfungsvertrag an (Thomas von Aquin, -> Marsilius von Padua). Die Neuzeit versteht ihn mehr und mehr als -> Gesellschaftsvertrag (-> Althusius, -> Hobbes, -> Locke, -> Pufendorf, -> Rousseau 1762).

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Näf, W., Herrschaftsverträge und Lehre vom Herrschaftsvertrag, 1949; Der Herrschaftsvertrag, hg. v. Voigt, A., 1965

Herrschaftszeichen sind sichtbare Zeichen der (als solcher unsichtbaren) Herrschaft (z. B. -> Ornat, -> Krone, -> Lanze, -> Schwert, -> Zepter). Ihre Ausprägung ist in einfachen Verhältnissen eher bescheiden. Der bedeutendste Schatz an H. sind die -> Reichsinsignien.

Lit.: Schramm, P., Herrschaftszeichen und Staatssymbolik, Bd. 1ff. 1954ff.; Fillitz, H., Die Insignien und Kleinodien, 1954

herrschende Lehre ist die vom gewichtigeren Teil der Rechtsgelehrten in einer Rechtsfrage vertretene Ansicht. Förmliche Ansätze hierzu finden sich bereits im römischen Altertum (z. B. Kassiergesetz Konstantins [321], das zunächst -> Papinianus für maßgeblich erklärt, Zitiergesetz Theodosius’ II. und Valentinians III. [426], das der Meinung von Papinianus, -> Paulus, -> Ulpian, -> Modestin und -> Gaius besondere Geltung verleiht und bei Stimmengleichheit die Ansicht Papinians entscheiden lässt). Im Spätmittelalter werden hierfür feste Maßstäbe erarbeitet. Danach kommt der (lat.) glossa (F.) ordinaria zum weltlichen und geistlichen Recht, -> Bartolus, -> Baldus sowie den Richtern des höchsten kirchlichen Gerichts das regelmäßig ausschlaggebende Gewicht zu.

Lit.: Savigny, F. v., Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, Bd. 1ff. 2. A. 1834ff., Bd. 6, 14; Engelmann, W., Die Wiedergeburt der Rechtskultur in Italien, 1938, 204

herrschende Meinung ist die in einer Streitfrage insgesamt vorherrschende Meinung.

Lit.: Zimmermann, Die Relevanz einer herrschenden Meinung, 1983; Drosdek, T., Die herrschende Meinung, 1989

Hert (Hertius), Johann Nikolaus (Niederkleen 6. 10. 1651 - Gießen 19. 9. 1710) wird nach dem Studium der (lat. [F.Pl.]) artes in Gießen und des Rechts in Jena, Leipzig und Wittenberg 1683 Professor in Gießen. Er verwendet neben dem römischen Recht auch deutsche Rechtsquellen, befasst sich mit dem Kollisionsrecht (Dissertatio de collisione legum, 1688) und gibt drei Bücher deutscher Rechtssprichwörter heraus.

Lit.: Stintzing, R./Landsberg, E. v., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Abt. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978, 3, 1, 62; Herrmann, G., Johann Nikolaus Hert und die deutsche Statutenlehre, 1963

Herzegowina -> Bosnien

Lit.: Lovrenovic, I., Bosnien und Hercegovina, 1998

Herzog ist eine wohl nach griechischem Vorbild geschaffene germanistische Bezeichnung für den Führer des Heeres (oder Volkes). Bei den Franken führen (lat. [M.Pl.]) duces auch Aufgaben aus, wie sie weströmische duces wahrgenommen hatten. Seit der zweiten Hälfte des 6. Jh.s stammen die Herzöge im Frankenreich aus angesehenen Familien und steigen bei Schwäche der königlichen Gewalt zu nahezu selbständigen Herrschern einzelner Stämme oder Völker (Franken, Bayern, Alemannen, Sachsen, Thüringer, Friesen usw.) auf ([ältere] Stammesherzöge). Die Karolinger ersetzen die stammesverbundenen H. durch fränkische Adlige (Amtsherzog). In der zweiten Hälfte des 9. Jh.s entsteht erneut ein (zweites) (Stammes-)Herzogtum auf herrschaftlicher Grundlage, das sich dem König aber früh zumindest teilweise wieder beugen muss (Schwaben 926, Bayern 938). Seit dem Ende des 10. Jh.s führen in Deutschland einzelne Familien den Herzogstitel fort, auch wenn sie die Stellung als H. verlieren. Durch Friedrich I. Barbarossa wird 1156/80 das Gebietsherzogtum an die Stelle des Amtsherzogtums gesetzt (-> Österreich 1156, Westfalen 1180, danach Braunschweig-Lüneburg 1235). 1918 verschwindet der H. aus der deutschen Verfassungsgeschichte.

Lit.: Köbler, DRG 69, 94; Köbler, WAS; Puntschart, P., Herzogseinsetzung und Huldigung in Kärnten, 1899; Miller, C., Neuwürttemberg unter Herzog und König Friedrich, 1934; Mayer, T., Der Staat der Herzöge von Zähringen, 1935; Werle, W., Titelherzogtum und Herzogsherrschaft, ZRG GA 73 (1956), 225; Sprandel, A., Dux und comes in der Merowingerzeit, ZRG GA 74 (1957), 41; Prinz, F., Herzog und Adel im agilolfingischen Bayern, Z. f. bay. LG. 25 (1962), 283; Kienast, W., Der Herzogstitel in Frankreich und Deutschland, 1968; Maurer, H., Der Herzog von Schwaben, 1978; Sprinkart, P., Kanzlei, Rat und Urkundenwesen der Pfalzgrafen bei Rhein und Herzöge von Bayern, 1986

Herzogtum ist die Würde und der Herrschaftsbereich des -> Herzogs. Wichtige Herzogtümer sind zu unterschiedlichen Zeiten Bayern, Schwaben, Franken, Sachsen, Thüringen, Österreich, Steiermark, Kärnten, Würzburg, Westfalen, Braunschweig-Lüneburg, Burgund, Lothringen, Jülich, Cleve, Berg, Württemberg, Nassau usw.

Lit.: Köbler, DRG 94

Hessen ist im Jahre 738 der Name eines kleinen, wahrscheinlich auf die germanischen Chatten zurückzuführenden Stammes an der unteren Fulda, dessen Gebiet seit dem 4. Jh. dem Einflussbereich der -> Franken zuzurechnen ist Die Grafschaft H. gelangt 1122 an die Landgrafen (1130) von Thüringen und wird nach Aussterben der Ludowinger (1247) selbständige Landgrafschaft. Nach dem Übertritt Philipps des Großmütigen zum Luthertum (1524) wird H. bei seinem Tode 1567 geteilt (Hessen-Darmstadt, Hessen-Kassel). Hessen-Darmstadt erhält 1820 eine Verfassung. Hessen-Kassel wird wie Nassau 1866 von Preußen annektiert (Provinz Hessen-Nassau). Am 19. 9. 1945 wird der 1918 aus Hessen-Darmstadt entstandene Volksstaat mit den preußischen Provinzen Nassau und Kurhessen zu Großhessen bzw. H. verbunden.

Lit.: Köbler, DRG 186; Köbler, Historisches Lexikon; Lichtner, A., Landesherr und Städte in Hessen-Cassel, 1913; Müller, A., Die Entstehung der hessischen Verfassung von 1820, 1931; Demandt, K., Geschichte des Landes Hessen,  2. A. 1980; Uhlhorn, F., Geschichtlicher Atlas von Hessen, 1960ff.; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff. 3,2,1518, 3,3,3698; Demandt, K., Der Personenstaat der Landgrafschaft Hessen im Mittelalter, 1981; Krüger, K., Finanzstaat Hessen 1500-1567, 1981; Acker, K., Verwaltungskontrolle in Hessen-Darmstadt, 1983; Hessen, hg. v. Heidenreich, B. u. a., 1997

Hethiter

Lit.: Brandau, B./Schickert, H., Hethiter, 2001; Die Hethiter und ihr Reich, 2002

Heuer ist der Lohn eines Besatzungsmitgliedes eines Schiffes. Die H. erscheint seit dem Spätmittelalter, in welchem der Dienst auf einem Schiff durch Dienstvertrag vereinbart wird. Sie ist lange nur ein Teil des Entgeltes und in ihrer Höhe vom Ertrag der Fahrt abhängig.

Lit.: Geschichte der deutschen Seeschiffahrt, Bd. 1 1915; Abel, W., Die Grundzüge des deutschen Seearbeiterrechts, Diss. jur. Greifswald 1938

Heusler, Andreas (Basel 30. 9. 1834 - 2. 11. 1921), Sohn des Rechtsprofessors Andreas Heusler (1802-1868), wird nach dem Rechtsstudium in Basel, Göttingen und Berlin (1856) 1863 Professor, Richter und Politiker in Basel. Sein bedeutendstes Werk sind die Institutionen des Deutschen Privatrechts (Bd. 1f. 1885f.), in denen er auf den Grundbegriff der Gewalt über Menschen (-> Munt) und über Sachen (-> Gewere) ein umfassendes Rechtssystem des mittelalterlichen deutschen Privatrechts aufzubauen versucht. Auf H. geht auch die Sammlung schweizerischer Rechtsquellen (1894ff.) zurück.

Lit.: Heusler, A., Verfassungsgeschichte der Stadt Basel, 1860; Heusler, A., Schweizerische Verfassungsgeschichte, 1920, Neudruck 1968; Heusler, A., Der Zivilprozess in der Schweiz, 1923; Bühler, T., Andreas Heusler und die Revision der Basler Stadtgerichtsordnung, 1963; Landau, P., Die Vormundschaft als Prinzip, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997

Hexabiblos ist eine in Thessaloniki um 1345 durch Konstantin Harmenopoulos erfolgte verkürzende Neubearbeitung der -> Basiliken in sechs Büchern. -> Griechenland

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 44 I 7; Harmenopoulos, K., Manuale legum sive Hexabiblos, hg. v. Heimbach, 1851, Neudruck 1969

Hexe (Zaungeist?) ist eine zauberkundige Frau mit magisch-schädigenden Kräften, die angeblich durch die Luft fliegen, sich in Tiere verwandeln und giftige Zaubertränke herstellen kann. Sie ist bereits dem Altertum bekannt (lat. [F.] striga). Vielleicht im frühen 15. Jh. in Savoyen beginnen bei der Verfolgung der Armut und Frieden fordernden, Eid und Amt verweigernden Waldenser (des Lyoner Kaufmanns Pierre Valdes) Hexenverfolgungen (um 1430), aus denen nach 1500 rasch um sich greifende Hexenprozesse werden, welche sich unter Mitwirkung bekannter Theologen des Konzils von Basel (1431-9) aus Inquisitionsprozessen entwickelt haben dürften. Möglicherweise werden vor allem zwischen 1590 und 1630 bis zu einer Million Hexen (oder in Deutschland insgesamt [nur] 30000?) verbrannt, ehe der Aufklärung der Sieg über den Hexenglauben gelingt (Johann Georg von Godelmann, De magis, 1584, Friedrich von Spee, Cautio criminalis contra sagas, 1631, Thomasius, 1712). Der letzte Hexenprozess auf deutschem Boden findet in Kempten 1775 statt und endete mit dem Tod der Angeklagten in langjähriger Haft (Glarus 1782, Posen 1793).

Lit.: Köbler, DRG 157; Köbler, WAS; Rapp, L., Die Hexenprozesse und ihre Gegner in Tirol, 2. A. 1891; Riezler, S., Geschichte der Hexenprozesse in Bayern, 1896, Neudruck 1968; Hansen, J., Zauberwahn, Inquisition und Hexenprozess im Mittelalter, 1900, Neudruck 1964, 1983; Soldan, G./Heppe, H./Bauer, M., Geschichte der Hexenprozesse, Bd. 1f. 1912; Eschenröder, Hexenwahn und Hexenprozesse in Frankfurt am Main, Diss. jur. Frankfurt am Main 1932; Bader, G., Die Hexenprozesse in der Schweiz, Diss. jur. Zürich 1935; Zwetsloot, H., Friedrich von Spee und die Hexenprozesse, 1954; Merzbacher, F., Die Hexenprozesse in Franken, 2. A. 1970; Thomasius, C., Über die Hexenprozesse, hg. v. Lieberwirth, R., 1960; Stebel, H., Die Osnabrücker Hexenprozesse, 1969; Kunstmann, H., Zauberwahn und Hexenprozesse in der Reichsstadt Nürnberg, 1970; Leutenbauer, S., Hexerei und Zauberdelikt in der Literatur von 1350 bis 1550, 1972; Kneubühler, Die Überwindung von Hexenwahn und Hexenprozess, Diss. jur. Zürich 1977; Schormann, G., Hexenprozesse in Deutschland, 1981; Wichert, G., Die Hexenprozesse in den österreichischen Alpenländern, der Schweiz und Bayern, 1984; Hexen und Hexenprozesse in Deutschland, hg. v. Behringer, W., 4. A. 2000; Schormann, G., Der Krieg gegen die Hexen, 1991; Siefener, M., Hexerei im Spiegel der Rechtstheorie, 1992; Jerouschek, G., Die Hexen und ihr Prozess, 1992; Lambrecht, K., Hexenverfolgung und Zaubereiprozesse, 1995; Hexenglaube und Hexenprozesse, hg. v. Franz, G. u.a, 1995; Hexenverfolgung, hg. v. Sönke, L. u. a., 1995; Oestmann, P., Hexenprozesse am Reichskammergericht, 1997; Schild, W., Die Maleficia der Hexenleut`, 1997; Behringer, W., Hexenverfolgung in Bayern, 3. A. 1997; Behringer, W., Hexen, 1998; Briggs, R., Die Hexenmacher, 1998; Gehm, B., Das Ende der Hexenverfolgung, ZRG GA 115 (1998), 566; Dillinger, J. u. a., Zum Feuer verdammt, 1998; Levack, P., Hexenjagd, 1999; Schmidt, J., Glaube und Skepsis, 2000; Schulte, R., Hexenmeister, 2000; Schulte, R., Hexenverfolgung in Schleswig-Holstein, 2001; Hexenprozesse und Gerichtspraxis, hg. v. Eiden, H./Voltmer, R., 2002; Kleinöder-Strobel, S., Die Verfolgung von Zauberei und Hexerei in den fränkischen Markgraftümern, 2002; Wilde, M., Die Zauberei- und Hexenprozesse in Kursachsen, 2003; Levack, B., Hexenjagd, 2003; Decker, R., Die Päpste und die Hexen, 2003; Tschaikner, Manfred, Die Zauberer- und Hexenverfolgung in der Stadt St. Gallen, 2003.

 

Hexenbulle ist die Bulle Papst Innozenz’ VIII. (1484-1492), mit welcher er die Verfolgung der -> Hexen fördert (Summis desiderantes affectibus vom 5. 12. 1484).

Hexenhammer (lat. malleus [M.] maleficarum) ist eine erstmals 1486 bei Peter Drach in Speyer gedruckte, die -> Hexenbulle kommentierende Anleitung zum Vorgehen gegen -> Hexen von Heinrich Institoris (Kramer) (und Jakob Sprenger) (handschriftliche deutsche Fassung 1491 an Nürnberg übersandt).

Lit.: Schmidt, J., Der Hexenhammer, Bd. 1ff. 1930; Malleus maleficarum 1487 (Hexenhammer), hg. v. Jerouschek, G., 1990; Nürnberger Hexenhammer 1491, hg. v. Jerouschek, G., 1990; Kramer (Institoris), H., Der Hexenhammer - Malleus Maleficarum, hg. v. Jerouschek, G. u. a., 2000

Hexenprozess -> Hexe

Heymann, Ernst (Berlin 6. 4. 1870 - Tübingen 2. 5. 1946) wird nach dem Rechtsstudium in Breslau (Dahn) außerordentlicher Professor in Berlin und ordentlicher Professor in Königsberg, Marburg und Berlin (1914). Kennzeichnend für ihn sind die Annäherung der Rechtsgeschichte an das geltende Recht und der vielseitige Weitblick (Die Grundzüge des gesetzlichen Verwandtenerbrechts, 1896, Überblick über das englische Recht, 1914, Die Rechtsformen der militärischen Kriegswirtschaft als Grundlage des neuen deutschen Industrierechts, 1921).

Lit.: Mitteis, H., Nachruf auf Ernst Heymann, ZRG GA 65 (1947), IX

Hierarchie ist die stufenmäßig aufgebaute, auf Überordnung und Unterordnung beruhende Ordnung. Die H. wird schon im Altertum in der Kirche und im römischen Dominat entwickelt. Ihrer bedient sich der seit dem Spätmittelalter erwachsende Staat zur Gestaltung seiner Verwaltung.

Lit.: Köbler, DRG 55; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 103

Hildebrandslied ist das in einer lateinischen, aus Fulda stammenden Handschrift von zwei Händen des mittleren 9. Jh.s in 68 stabreimenden Langzeilen aufgezeichnete einzige althochdeutsche Heldenlied.

Lit.: Köbler, G., Sammlung kleinerer althochdeutscher Denkmäler, 1986

Hinkmar von Reims (um 806 - Epernay 21.? 12. 882), aus vornehmem fränkischem Geschlecht, wird nach der Schulung in St. Denis 854 Erzbischof von -> Reims. Neben umfangreichen nichtrechtlichen Schriften und Stellungnahmen in einzelnen Rechtsfragen gibt er eine auf Adalhard von Corbie aufbauende Darstellung des Hofes des fränkischen Königs (lat. De ordine palatii, Von der Ordnung des Palastes).

Lit.: Schrörs, H., Hinkmar, 1884, Neudruck 1967; Devisse, J., Hincmar, 1975f.; Stratmann, M., Hinkmar von Reims, 1991

Hinrichtung ist die Vollstreckung eines Todesurteils. Sie erfolgt im altrömischen Recht durch Enthauptung mit dem Beil, im klassischen römischen Recht durch Enthauptung mit dem Schwert. Nach Tacitus hängen die Germanen Volksverräter auf und versenken Unzüchtige im Moor. Seit dem Hochmittelalter finden sich zahlreiche verschiedene -> Todesstrafen (Enthaupten, Hängen, Rädern, Verbrennen, Pfählen, Vierteilen, Lebendigbegraben, Ertränken).

Lit.: Martschukat, J., Die öffentliche Hinrichtung, Kriminolog. Journal 1995, 186; Seeger, A., Hinrichtungen, 1998

Hinschius, Paul (Berlin 25. 12. 1835 - 13. 12. 1898), protestantischer Juristensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg (Keller) und Berlin (Richter) Professor in Halle (1863), Berlin (1865), Kiel (1868) und Berlin (1872) und Kirchenpolitiker. Unvollendet ist sein sechsbändiges Kirchenrecht der Katholiken und Protestanten in Deutschland (1869ff.). Politische Bedeutung hat seine Mitwirkung am -> Kulturkampf (Personenstandsgesetz).

Lit.: Stutz, U., Die kirchliche Rechtsgeschichte, 1905

Hinterlegung (lat. [F.] -> depositio) ist die im Rahmen eines Schuldverhältnisses erfolgende Übergabe einer hinterlegungsfähigen Sache durch den Schuldner an die öffentliche Hinterlegungsstelle. Sie ist dem klassischen römischen Recht bekannt und wird seit dem Spätmittelalter (Köln 1288) mit dem römischen Recht zu Lasten der bloßen Preisgabe aufgenommen, erfolgt allerdings meist bei Gericht.

Lit.: Kaser § 53; Köbler, DRG 43, 215; Müller, P., Die Hinterlegung, Jh. Jb. 41 (1899), 411

Hintersasse ist der vom Grundherrn abhängige Mensch in der -> Grundherrschaft.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2

Hippolithus a Lapide (Bogislaw Philipp [von] Chemnitz) (Stettin 9. 5. 1605 - Hallstaad 17. 5. 1678) veröffentlicht (zwischen 1640 und 1647 [um 1643?]) die (lat.) Dissertatio (F.) de ratione status in imperio nostro Romano-Germanico (Erörterung über das Wesen des Staates in unserem römisch-deutschen Reich), in welcher er das Reich als Aristokratie der Stände erklärt.

Lit.: Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1 1988, 203

Hirdskra ist die zwischen 1274 und 1277 entstandene, unter König -> Magnus Hakonarson (1263-81) aufgezeichnete norwegische Gefolgschaftsordnung, der eine vor 1200 entstandene, verlorene Vorgängerin vorausgeht. In 54 Kapiteln behandelt das vielleicht von einem Geistlichen verfasste Werk die Erbfolge und Wahl des Königs, die Eide der Amtsträger, die Hofämter, die Verteidigung, den Frieden usw.

Lit.: Das norwegische Gefolgschaftsrecht, hg. v. Meißner, R., 1938

Hirtenrecht ist das für Hirten in Spätmittelalter und Neuzeit geltende besondere Recht.

Lit.: Carlen, L., Das Recht der Hirten, 1970

His, Rudolf (Basel 1870 - Münster 1938), Medizinprofessorensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Genf, Leipzig (Binding, Sohm), Berlin und Basel (Heusler) und der Habilitation in Heidelberg (1896, Schröder) Professor in Münster. Er verfasst in der Nachfolge der Systematik Heinrich Brunners eine grundlegende Strafrechtsgeschichte (Das -> Strafrecht des deutschen Mittelalters 1920, 1935, vereinfachend Die Geschichte des deutschen Strafrechts bis zur Karolina, 1928, Neudruck 1967).

Lit.: Naendrup, H., Rudolf His, 1941

Historie (F.) Geschichte

Historiker (M.) Geschichtsforscher

Lit.: Historikerlexikon, hg. v. Bruch, R. vom/Müller, R., 2. A. 2002

Historikerstreit ist in Deutschland der von Jürgen Habermas 1985 ausgelöste, 1988 ohne greifbare wissenschaftliche Früchte versiegte Streit deutscher Historiker über die Bedeutung des Nationalsozialismus in Deutschland.

Lit.: Kailitz, F., Die politische Deutungskultur im Spiegel des „Historikerstreits“, 2001

historische Rechtsschule ist die von Friedrich Carl von -> Savigny begründete Schule der geschichtlichen Rechtswissenschaft. Für sie greift Savigny in einem objektiven, scheinbar gegen das ungeschichtliche -> Naturrecht (Vernunftrecht) gezielten Idealismus rechtspolitisch die Freiheitsethik Immanuel -> Kants (1724-1804) auf und bezieht Gustav -> Hugos (1764-1844) methodische Forderungen nicht nur in seine frühen methodologischen Gedankengänge (1802) ein, sondern verwirklicht sie bereits im „Recht des Besitzes“ (1803) in der Form der philosophischen (begrifflichen, allgemeinen, absoluten, systematisch-theoretischen) Durchdringung des historischen (tatsächlichen, positiven, konkreten, exegetisch-praktisch behandelten) Stoffes, um in manchmal fast gewaltsamem Umgang mit den Quellen den Besitzwillen als allgemeines, logisches, konstituierendes Element des Besitzrechtes konstruktiv-systematisch zu erarbeiten. In der historischen Rechtsschule sieht er das Recht an seine geschichtlichen Voraussetzungen gebunden und wendet sich gegen die Vorstellung, dass jedes Zeitalter seine Welt willkürlich selbst hervorbringe. Das Recht, welches Vernunft und Ordnung in sich selbst birgt und damit auch aus sich selbst heraus ergänzungsfähig ist, ist ihm entsprechend den Vorstellungen -> Herders (1744-1803) ein aus dem Innersten der Nation selbst und ihrer Geschichte geborener Teilbereich der Gesamtkultur und muss mit dieser, gespeist von irrationalen Kräften, wachsen. Weil das Historische in der Juris­prudenz nicht mehr als zufällig, sondern als geschichtlich notwendig verstanden wird, hält er eine -> Kodifikation wie das -> Allgemeine Landrecht (1794), den -> Code civil (1804) oder das -> Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch 1811/2 (zumindest in ihrem Entstehungszeitpunkt) für entbehrlich, wenn nicht gar schädlich. Allerdings dient die als geschichtlich behauptete Betrachtungsweise Savigny im Ergebnis nur dazu, den insgesamt vorhandenen Rechtsstoff von demjenigen zu reinigen, was nur historische Bedeutung hat und deshalb für die Gegenwart ausgeschieden werden kann. Schon seit seinen Landshuter Vorlesungen der Jahre 1808/9 vertritt Savigny, ohne dies zu begründen, dabei die Ansicht, dass die Wanderungen und Revolutionen der germanischen Stämme verhindert hätten, dass das ursprüngliche germanische Recht einen festen Bezugspunkt und einzigen Mittelpunkt habe, weshalb die Deutschen gar kein eigenes ursprüngliches Recht besäßen, so dass auch für sie das übernommene römische Recht das eigentümliche Recht sei (!). Der nach der damit begründeten Zurückweisung des älteren deutschen Rechts germanischer Herkunft und nach Ausscheiden der mittelalterlichen und neuzeitlichen Entstellungen des römischen Rechts verbleibende Stoff, nämlich das klassisch-römische Recht, ist im eigentlich von einer historischen Rechtsschule nicht zu erwartenden Wiederaufgreifen naturrechtlicher Begriffsbildung und naturrechtlicher Systematik für Savigny der Gegenstand konstruktiv-systematischer, die tatsächliche geschichtliche Entwicklung bewusst als überflüssig abstreifender Durchdringung (System des heutigen römischen Rechts, 1840ff.). Die h. R. teilt sich später in Romanisten (-> Savigny, -> Puchta, -> Windscheid) und Germanisten (-> Eichhorn, -> Grimm, -> Gierke). Ihre dogmatisch-praktische Zielsetzung geht bald in der (unhistorischen) -> Begriffsjurisprudenz auf.

Lit.: Köbler, DRG 187; Gierke, O. v., Die historische Rechtsschule und die Germanisten, 1903; Kantorowicz, H., Volksgeist und historische Rechtsschule, HZ 108 (1912), 295; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967; Böckenförde, E., Die historische Rechtsschule und das Problem der Geschichtlichkeit des Rechtes, FS J. Ritter, 1965, 9; Wieacker, F., Wandlungen im Bilde der historischen Rechtsschule, 1967; Scheuermann, R., Die Einflüsse der historischen Rechtsschule, 1972; Reimann, M., Historische Schule und Common Law, 1993; Bürge, A., Ausstrahlungen der historischen Rechtsschule in Frankreich, ZEuP 1997, 643

historischer Materialismus ist die von Karl -> Marx als geschichtlicher Gesetzmäßigkeit unterliegend erklärte materialistische Geschichtsphilosophie.

historische Schule -> historische Rechtsschule

Historismus ist die Betrachtung eines Geschehens unter dem Blickpunkt des Einmaligen und Besonderen, womit historische Vorgänge und Strukturen ihre Vergleichbarkeit und Wiederholbarkeit einbüßen.

Lit.: Wittkau, A., Historismus, 1992; Jaeger, F./Rüsen, J., Geschichte des Historismus, 1992; Geschichtsdiskurs Bd. 3, hg. v. Küttler, W. u. a., 1996, Historismus, hg. v. Oexle, O. u. a., 1996; Historismus am Ende des 20. Jahrhunderts, hg. v. Scholtz, G., 1997; Conte, D., Storicismo e storia universale, 2000

Hitler, Adolf (Braunau 20. 4. 1889 - Berlin 30. 4. 1945), (unehelicher) Sohn eines Zollamtsoberoffizials, wird nach Aufenthalten in Wien (1908) und München (1913) sowie freiwilliger Kriegsteilnahme Vertrauensmann der Reichswehr und Mitglied der Deutschen Arbeiterpartei (Februar 1920 -> Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei). Nach einem gescheiterten Putsch (9. 11. 1923) inhaftiert, verfasst er in der Festung Landsberg die Programmschrift „Mein Kampf“. Seit 1928/9 gelingen ihm wachsende Wahlerfolge. Am 30. 1. 1933 ernennt ihn der Reichspräsident als Führer der stärksten Reichstagsfraktion zum Reichskanzler des -> Deutschen Reiches. Durch Überredung, Drohung und Gewalt wandelt H. die Republik in den totalitären Einparteienstaat eines diktatorischen Führers (-> Drittes Reich). Nach dem 2. 8. 1934 übernimmt er auch das Amt des Reichspräsidenten. Gestützt auf ein Bündnis mit Italien und Japan und einen tatktisch motivierten Nichtangriffspakt mit der Sowjetunion greift er am 1. 9. 1939 Polen an („wird zurückgeschossen“) und löst damit den Zweiten Weltkrieg aus, an dessen Ende am 8. 5. 1945 die völlige Kapitulation des Deutschen Reiches steht. Das Recht gebraucht und missbraucht H. in vielfältiger Weise als Kampfinstrument zur Durchsetzung der Ideologie des -> Nationalsozialismus.

Lit.: Köbler, DRG 222; Hitler, A., Mein Kampf, 17. A. 1933; Braun, O., Von Weimar zu Hitler, 3. A. 1949; Hofmann, H., Der Hitlerputsch, 1961; Domarus, M., Hitlers Reden und Proklamationen, 2. A. 1965; Hoffmann, P., Widerstand-Staatsstreich-Attentat, 1969; Franz-Willing, G., Ursprung der Hitlerbewegung 1919-1922, 2. A. 1974; Phillips, L., Adolf Hitler and the Third Reich, 1977; Broszat, M., Der Staat Hitlers, 13. A. 1992; Jäckel, E., Hitlers Herrschaft, 1986; Zitelmann, R., Hitler. Selbstverständnis eines Revolutionärs, 2. A. 1998; Lang, J., Die Partei, 1989; Goldhagen, D., Hitlers willige Vollstrecker, 1996; Hamann, B., Hitlers Wien, 1996; Turner, H., Hitlers Weg zur Macht, 1996; Lukacs, J., Hitler, 1997; Pätzold, K./Weissbecker, M., Adolf Hitler, 1997; Der Hitler-Prozess, hg. v. Gruchmann, L., Bd. 1ff. 1997ff.; Large, D., Hitlers München, 1998; Kershaw, I., Hitler, 1998; Schmitz, H., Adolf Hitler, 1998; Mommsen, H., Alternative zu Hitler, 2000; NS-Verbrechen und der militärische Widerstand gegen Hitler, hg. v. Ueberschär, G., 2000; Kershaw, I., Hitler 1936-1945, 2000; Zehnpfennig, B., Hitlers „Mein Kampf“, 2000; Krockow, C. Graf v., Hitler und seine Deutschen, 2001; Gellately, R., Backing Hitler, 2001; Gritschneder, O., Der Hitler-Prozess und sein Richter Georg Neithardt, 2001; Rauscher, W., Hitler und Mussolini, 2001; Zürner, B., Adolf Hitler – Feldherr wider Willen?, 2001; Fest, J., Der Untergang – Hitler und das Ende des Dritten Reiches, 2002; Der deutsche Widerstand gegen Hitler, hg. v. Überschär, G., 2002; Reuth, R., Hitler, 2003

Hobbes, Thomas (Westpool 5. 4. 1588 - Hardwick Hall 4. 12. 1679) wird nach dem Philosophiestudium in Oxford Hauslehrer bei Baron Cavendish. In seinem Hauptwerk (lat.) Elementa (N.Pl.) philosophiae (Grundlagen der Philosophie) (Teil 3 [lat.] De cive [Vom Bürger], 1649, ähnlich Leviathan, 1651) erklärt er den Ursprung des Staates mit dem vom (bösen) Menschen zur Vermeidung des Kampfes aller gegen alle zugunsten des souveränen Herrschers geschlossenen -> Gesellschaftsvertrag, als dessen Folge auf Grund der Autorität des Herrschers die menschlichen Gesetze die Naturgesetze ablösen.

Lit.: Tönnies, F., Thomas Hobbes, 3. A. 1925; MacPherson, C., Die politische Theorie des Besitzindividualismus, 1967; Dießelhorst, M., Ursprünge des modernen Systemdenkens bei Hobbes, 1968;  Hobbes-Forschungen, hg. v. Koselleck, R. u. a., 1969; Willms, T., Thomas Hobbes, 1987; Dießelhorst, M., Naturzustand und Sozialvertrag bei Hobbes und Kant, 1988; Thomas Hobbes und die englische Revolution, 1991; Ludwig, B., Die Wiederentdeckung des epikureischen Naturrechts, 1998; Hüning, D., Freiheit und Herrschaft, 1998; Kremkus, A., Die Strafe, 1999

Hochadel -> Adel

Hochgerichtsbarkeit ist seit dem Hochmittelalter die Gerichtsbarkeit über die mit der -> Todesstrafe bedrohten Verbrechen (-> Totschlag, -> Notzucht, -> Diebstahl). Sie steht (auf Grund königlicher Verleihung) grundsätzlich dem -> Landesherrn zu, der sie seit dem (lat.) -> Statutum (N.) in favorem principum (1231/2, Gesetz zugunsten der Fürsten) als eigenes Recht weiterverleihen kann. Demgegenüber wird die Niedergerichtsbarkeit (-> Niedergericht) von niederen Gerichten ausgeübt.

Lit.: Wohlhaupter, E., Hoch- und Niedergerichte, 1929; Hirsch, H., Die hohe Gerichtsbarkeit, 2. A. 1958; Sagstetter, M., Hoch- und Niedergerichtsbarkeit im spätmittelalterlichen Herzogtum Bayern, 2000

Hochmeister -> Deutscher Orden

Lit.: Die Hochmeister des Deutschen Ordens 1190-1994, hg. v. Arnold, U., 1998

Hochmittelalter ist der mittlere Zeitabschnitt des Mittelalters, der von etwa 911 (bzw. 1000) bzw. 1076 bis (etwa 1250 bzw.) 1254 bzw. 1273 angesetzt werden kann.

Lit.: Köbler, DRG 93; Wegener, W., Böhmen, Mähren und das Reich im Hochmittelalter, 1959; Beiträge zum hochmittelalterlichen Städtewesen, hg. v. Diestelkamp, B., 1982; Jakobs, H., Kirchenreform und Hochmittelalter, 2. A. 1988

Hochstift ist das weltliche Herrschaftsgebiet eines geistlichen Reichsfürsten (und bei unscharfem Sprachgebrauch auch das zugehörige Bistum) (z. B. Minden, Münster, Osnabrück, Würzburg, Bamberg, Hildesheim, Augsburg, Freising, Passau, Regensburg, Brixen usw.) vom Hochmittelalter bis zum Jahre 1803.

Lit.: Werminghoff, A., Verfassungsgeschichte der deutschen Kirche im Mittelalter, 2. A. 1913, 72; Bachmann, S., Die Landstände des Hochstifts Bamberg, 1962; Wolgast, E., Hochstift und Reformation, 1995

Hochverrat ist seit dem frühen 18. Jh. (1703) ein neuer Ausdruck für das Majestätsverbrechen (lat. [N.] -> crimen laesae maiestatis), das im Hochmittelalter den älteren Treuebruch verdrängt. H. soll im Kampf gegen den Absolutismus die Taten erfassen, welche den inneren Bestand des Staates angreifen (im Gegensatz zum -> Landesverrat und zum -> Majestätsverbrechen). Nach -> Feuerbach (1798) ist jeder Angriff auf den Staatsvertrag (bzw. die drei Staatsverträge) H. (z. B. Entziehung eines Gliedstaates, Angriff auf das Leben des Herrschers, Revolution), doch folgt dem die Rechtspraxis nicht. Das deutsche Reichsstrafgesetzbuch von 1871 bietet demgegenüber eine ausführliche Kasuistik.

Lit.: Söllner § 10; Baltzer, C., Die geschichtlichen Grundlagen der privilegierten Behandlung politischer Straftäter, 1966; Staatsschutz, hg. v. Willoweit, D., 1994; Böttger, M., Der Hochverrat, 1998; Widerstand als Hochverrat, bearb. v. Zarusky, J. u. a., 1998; Hochverrat?, hg. v. Lill, R., 1999

Hochzeit ist eine Bezeichnung für die Feier(lichkeiten) der -> Eheschließung (13. Jh.). Hierfür schafft der Landesherr seit dem 15. Jh. besondere Hochzeitsordnungen. Sie verbieten übermäßigen Luxus (-> Luxusverbot).

Lit.: Bächtold, H., Die Gebräuche bei Verlobung und Hochzeit, 1914; Neumann, G., Hochzeitsbrauchtum in Westfalen, Westfalen 33 (1955), 212; Leisching, P., Et teneat eam, Studia Gratiana 27 (1996), 311; Tisch und Bett, hg. v. Riis, T., 1998

Hof ist der zu einem Haus unmittelbar gehörige Platz, allgemeiner der landwirtschaftliche Betrieb oder der Lebensbereich eines Adligen. Der landwirtschaftliche H. ist überwiegend Teil der -> Grundherrschaft. Seit dem 19. Jh. wird für ihn teilweise ein besonderes -> Hofrecht geschaffen. Für den adeligen H. entstehen schon früh eigene Hofrechte, besondere Hofämter, später auch Hoftage, Hofgerichte, Hofräte und Hofordnungen.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein §§ 35f.; Kroeschell, DRG 1, 83, 112; Köbler, WAS; Maurer, G. v., Geschichte der Fronhöfe und der Hofverfassung in Deutschland, Bd. 1ff. 1862f., Neudruck 1961; Ohe, J. v. d., Die Zentral- und Hofverwaltung des Fürstentums Lüneburg, 1955; Hollegger, M., Maximilian und die Entwicklung der Zentralverwaltung am Hof, 1983; Bumke, J., Höfische Kultur, 1986; Moraw, P., Hoftag und Reichstag, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, 1989, 3; Haus und Hof in ur- und frühgeschichtlicher Zeit, hg. v. Beck, H. u. a., 1997; Plassmann, A., Die Struktur des Hofes, 1998; Hillen, C., Curia regis, 1999; Höfe und Höfeordnungen 1200-1600, hg. v. Kruse, H. u. a., 1999; Bahl, P., Der Hof des Großen Kurfürsten, 2000; Schütte, B., König Philipp von Schwaben. Itinerar – Urkundenvergabe – Hof, 2002; Hofkultur und aufklärerische Reformen in Thüringen, hg. v. Ventzke, M., 2002; Deutscher Königshof, Hoftag und Reichstag, hg. v. Moraw, P., 2003

Hofamt ist hauptsächlich ein Amt der Verwaltung eines herrschaftlichen (fürstlichen, königlichen) -> Hofes. Bereits zum spätrömischen -> Kaiser gehört eine nahezu aus dem Nichts geschaffene umfangreiche Zentralverwaltung in Rom mit zahlreichen hierarchisch geprägten Ämtern. Wohl im Anschluss hieran folgt auch dem frühmittelalterlichen -> König ein Hof mit hauptsächlich Seneschall bzw. Truchseß, Marschall, Schenk, Kämmerer und Kanzler als Trägern von Ämtern, welche dem hohen Adel zugeteilt, später aber von Dienstleuten tatsächlich ausgeübt werden. Der königliche Hof bildet sich bis zum Ende des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) immer vielseitiger aus und gibt das Vorbild für die Hofämter an den einzelnen Fürstenhöfen ab.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 29; Kroeschell, DRG 1, 2; Baltl/Kocher; Schubert, P., Die Reichshofämter, MIÖG 34 (1913), 427; Bosl, K., Die Reichsministerialität der Salier und Staufer, Bd. 1 1950; Klafki, E., Die kurpfälzischen Erbhofämter, 1966; Latzke, I., Hofamt, Erzamt und Erbamt, Diss. phil. Frankfurt am Main 1970; Mitteis, H., Der Staat des hohen Mittelalters, 11. A. 1987; Rösener, W., Hofämter, DA 45 (1989)

Höfeordnung ist ein am 24. 4. 1947 für die -> britische Zone des Deutschen Reiches erlassenes Gesetz, welches für landwirtschaftliche Höfe teilweise besondere Rechtsregeln (Sondererbfolge) schafft und am 26. 7. 1976 abgeändert wird.

Hofer, Andreas (Sankt Leonhard 22. 11. 1767 - Mantua 20. 2. 1810), Gastwirt und Tiroler Freiheitskämpfer gegen die Besetzung -> Tirols durch -> Bayern und -> Frankreich (1809). Verraten und hingerichtet.

Höferecht ist das seit der Mitte des 19. Jh.s in Anknüpfung an das ältere -> Anerbenrecht gesetzlich geschaffene besondere Erbrecht für bestimmte landwirtschaftliche Höfe (preußische Provinz Hannover 1874 und 10 weitere deutsche Bundesstaaten [Reichsländer] bis 1930, Reicherbhofgesetz 1933, Höfeordnung der britischen Besatzungszone 1947, Höfeordnung von Rheinland-Pfalz 1953). 1963 erklärt das deutsche Bundesverfassungsgericht den Vorzug von Männern vor Frauen im H. für verfassungswidrig. Für die nicht vom besonderen H. erfassten Höfe gilt das Grundstückverkehrsgesetz.

Lit.: Bischof, W., Die Geschichte des Anerbenrechts in Hannover, Diss. jur. Göttingen 1966; Dehne, F., Vom Hof zum Betrieb, 1966; Tykwer, F., Hofnachfolge in Westfalen-Lippe, 1997

Hoffahrt ist das Erscheinen am adligen Hof, insbesondere die Teilnahme am Hoftag. Die H. gründet sich im Laufe des Mittelalters mehr und mehr auf das Lehnsrecht. Vielfach wird sie von einer anfänglichen Pflicht zu einem Recht auf Teilnahme am Hoftag.

Lit.: Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972

Hofgericht ist einerseits das am grundherrschaftlichen Fronhof eingerichtete Gericht eines -> Grundherrn über seine Hintersassen und andererseits das am fürstlichen Hof gebildete Gericht des Herrschers, aus dem der Fürst selbst spätestens im 15./16. Jh. ausscheidet. Das königliche H. (Reichshofgericht) kennt seit 1235 neben dem König einen besonderen Hofrichter, hat als Urteiler neben den Fürsten auch Juristen, überliefert etwa 2000 Urkunden, verliert aber durch die den Landesherren erteilten Nichtevokationsprivilegien an Bedeutung (Achtregister 1290, 1346, 1353, Ladungsregister 1396, Hofgerichtsregister 1409). Das H. in Rottweil ist ein seit 1273 von den Königen vielfach bevorrechtigtes Landgericht, dessen Vorsitz ein Hofrichter als Stellvertreter des Königs innehat.

Lit.: Köbler, DRG 114, 115; Kohler, J., Das Verfahren des Hofgerichts Rottweil, 1904; Grube, G., Die Verfassung des Rottweiler Hofgerichts, 1969; Heikaus, H., Hofgerichte und Hofrecht, 1970; Diestelkamp, B., Vom königlichen Hofgericht zum Reichskammergericht, FS A. Erler, 1986, 44; Urkundenregesten der Tätigkeit des deutschen Königs- und Hofgerichts bis 1451, Bd. 1ff. 1987ff.; Frey, S., Das württembergische Hofgericht (1460-1618), 1989; Wernli, M., Das kaiserliche Hofgericht in Zürich, 1991; Mentgen, G., Das kaiserliche Hofgericht Rottweil, ZRG GA 112 (1995), 396; Hofgericht, Bd. 8, hg. v. Diestelkamp B., bearb. v. Neumann, R., 1996

Hofgerichtsordnung ist die Ordnung der Verfassung und des Verfahrens eines -> Hofgerichts. Für das königliche Hofgericht gibt es einen Entwurf einer H. von 1409. Landesherrliche Hofgerichtsordnungen erscheinen später (z. B. Pfalz 1462, verloren).

Lit.: Otte, A., Die Mainzer Hofgerichtsordnung von 1516/1521, 1964; Bender, K., Die Hofgerichtsordnung Kurfürst Philipps für die Pfalzgrafschaft bei Rhein, 1967

Hofkanzlei ist die Kanzlei des fürstlichen Hofes. Die österreichische H. wird an der Wende vom 16. zum 17. Jh. von der Reichskanzlei getrennt.

Lit.: Köbler, DRG 150; Baltl/Kocher

Hofmeister ist seit dem Spätmittelalter (2. H. 13. Jh.) ein führender Verwaltungsbeamter des fürstlichen Hofes, der statt des Fürsten dem Hofrat vorsitzen kann.

Lit.: Seeliger, G., Das deutsche Hofmeisteramt, 1885

Hofnarr ist der nach antiken und orientalischen Vorbildern vom Hochmittelalter bis ins 17. Jh. (Frankreich) oder 18. Jh. (Heiliges Römisches Reich [deutscher Nation]) als Unterhalter an Fürstenhöfen tätige Narr (oft Zwerg oder Krüppel).

Lit.: Amelunxen, C., Rechtsgeschichte der Hofnarren, 1991

Hofpfalzgraf ist der Träger eines in Italien seit dem frühen Hochmittelalter entstandenen Amtes zur Vertretung des Kaisers in bestimmten Angelegenheiten (z. B. Legitimation unehelich Geborener, Bestätigung von Vormundschaften, Ernennung von Notaren, Verleihung von Adel). Seit der Mitte des 14. Jh.s nehmen die Zahl der Hofpfalzgrafen und der Umfang ihrer Rechte zu. Im 18. Jh. verfällt das mit dem 6. 8. 1806 ganz erloschene Amt zusehends.

Lit.: Jecklin, F., Die Hofpfalzgrafen in der Schweiz, 1890; Dobler, E., Das kaiserliche Hofpfalzgrafenamt und der Briefadel im alten Deutschen Reich, 1950; Arndt, J., Hofpfalzgrafenregister, Bd. 1ff. 1964ff.

Hofrat ist das zunächst aus dem -> Adel gebildete, unscharf umgrenzte, ständige Beratergremium eines Fürsten. Unter Kaiser Friedrich III. (1452 – 1493) umfasst er 283 weltliche und 150 geistliche Berater, von denen 235 aus den Erblanden und 198 aus dem außererbländischen Binnenreich einschließlich Tirols stammen. Der H. wird seit dem Ende des 15. Jh.s zur zentralen kollegialen Behörde der Landesverwaltung. Zunehmend finden gelehrte -> Juristen Aufnahme. Statt des Fürsten sitzt ihm später der Kanzler oder -> Hofmeister vor. Vielfach verlegt sich das Schwergewicht der Tätigkeit auf die Rechtsprechung.

Lit.: Köbler, DRG 113, 114; Erdmann, K., Der Jülich-Bergische Hofrat, Düsseldorfer Jb. 41 (1939), 1; Eisenhardt, U., Aufgabenbereich und Bedeutung des kurkölnischen Hofrates, 1963; Heydenreuter, R., Der landesherrliche Hofrat unter Herzog und Kurfürst Maximilian I. von Bayern, 1981; Buhlmann, G., Der kurkölnische Hofrat, 1998; Recht und Verfasung, hg. v. Boockmann, H. u. a., 1998

Hofrecht ist seit dem Hochmittelalter das besondere Recht eines grundherrschaftlichen Verbandes (Worms 1023/5, Limburg 1035). Später geht das H. in das -> Dorfrecht über.

Lit.: Köbler, DRG 101, 105;  Heikaus, H., Hofgerichte und Hofrecht, 1970; Spieß, P., Das Limburger Hofrecht, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 468

Hoftag -> Hof

Lit.: Deutscher Königshof, Hoftag und Reichstag, hg. v. Moraw, P., 2003

hohe Gerichtsbarkeit -> Hochgerichtsbarkeit

Hoheitsgewalt ist die Befugnis des Staates, einseitig rechtlich verbindliche Anordnungen zu erlassen. Sie entsteht aus früher vereinzelten Hoheitsrechten des Landesherrn mit der seit dem Spätmittelalter einsetzenden Verdichtung. Seit dem 18. Jh. spricht man von Landeshoheit. Sie wird als ursprünglich und damit nicht vom Reich abgeleitet angesehen.

Lit.: Köbler, DRG 149; Leitges, K., Die Entwicklung des Hoheitsbegriffes, 1998

Hohenstaufen -> Staufer

Hohenzollern ist eine nach der Burg Zollern bzw. H. in Schwaben (seit 1350) benannte gräfliche Familie, deren Stammgut 1849 an den 1411/5/7 nach Brandenburg gelangten Zweig der zugehörigen Familie (-> Preußen) zurückfällt. Das Gebiet geht 1945/51 im Zuge der Aufteilung Preußens in Baden-Württemberg auf.

Lit.: Köbler, DRG 131; Köbler, Historisches Lexikon; Hintze, O., Die Hohenzollern und ihr Werk (1415-1915), 1915, Neudruck 1980; Sauer, P., Napoleons Adler über Württemberg, Baden und Hohenzollern, 1987; Herm, G., Der Aufstieg des Hauses Hohenzollern, 1995; Neugebauer, W., Die Hohenzollern, Bd. 1f. 1996ff.

höhere Gewalt ist eine vom Menschen nicht abwendbare Gewalt. Diese befreit den Schuldner schon im römischen Recht in bestimmten Fällen vom -> Schadensersatz. In spätklassischer Zeit spricht man zusammenfassend von (lat.) -> vis (F.) maior. Diese wird im Hochmittelalter im Reich aufgenommen. Sie verbindet sich mit dem Begriff der -> echten Not, in welcher eine Fristversäumnis (mit höherer Gewalt) entschuldigt wird.

Lit.: Kaser § 36 III; Hübner 563, 583; Doll, A., Von der vis maior zur höheren Gewalt, 1989

Holdsworth, William Searle (Elmers End 7. 5. 1871 - Oxford 2. 1. 1944), Rechtsanwaltssohn, wird nach dem Studium von Geschichte und Recht in Oxford und London 1897 Professor in Oxford. Mit seiner sechsbändigen History of English Law verfasst er ohne eigene Quellenstudien eine umfassende, die Grundlagen einbeziehende Darstellung des englischen Rechts von den Anfängen bis zur Gegenwart.

Lit.: Lawson, F., The Oxford Law School 1850-1965, 1968

Holland ist eine seit dem 10. Jh. im Gebiet der Maasmündung bezeugte Grafschaft, die über Burgund (1433) und Habsburg (1477) 1579 in die Vereinigte Republik (1815 Königreich) der -> Niederlande gelangt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Das römisch-holländische Recht, hg. v. Feenstra, R. u. a., 1992; Price, L., Holland, 1994; Israel, J., The Dutch Republic, 1995

holmgangr ist der altnordische Zweikampf, der bereits um 1000 in Island (1004?) und Norwegen (um 1012) abgeschafft wird.

Lit.: Heusler, A., Das Strafrecht der Isländersagas, 1911

Holocaust -> Endlösung

Lit.: Benz, W., Der Holocaust, 5. A. 2003; Finkelstein, N., The Holocaust Industry, 2000; Benz, W., Lexikon des Holocaust, 2002; Die Täter der Shoa, hg. v. Paul, G., 2002; Berg, N., Der Holocaust und die westdeutschen Historiker, 2003

Holschuld ist diejenige Schuld, bei welcher der Handlungsort des Schuldners der Ort des Wohnsitzes des Schuldners ist. Im älteren Recht ist die Schuld grundsätzlich H. Im Mittelalter werden viele Schulden zu Bringschulden. Nach dem Allgemeinen Landrecht (1794) ist die Schuld im Zweifel Bringschuld, nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) H.

Lit.: Hübner 556; Baltl/Kocher; Leonhard, F., Erfüllungsort und Schuldort, 1907

Holstein ist der um 800 erscheinende Name des nördlichen Stammesgebietes der Sachsen („Holzsassen“). 1110/1 werden die von Schauenburg Grafen von H. Seit 1375/86 sind H. und -> Schleswig in fester staatsrechtlicher Verbindung.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon

Holzding oder Holzgericht ist im Mittelalter in Norddeutschland ein besonderes Niedergericht in Waldnutzungsangelegenheiten. Es schwindet seit der frühen Neuzeit unter landesherrlichem Einfluss und geht spätestens 1877/9 gänzlich unter.

Lit.: Timm, A., Die Waldnutzung, 1960

homagium (lat. [N.]) ist im Mittelalter die förmliche Ergebung des Lehnsmannes in die Gewalt des Lehnsherrn (Handgang). Das h. geht im Spätmittelalter im Lehnseid auf.

Lit.: Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972, 27; Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafschaft Katzenelnbogen, 1970, 259

homagium (N.) pacis (mlat.) -> Huldigung (des Lehnsmannes)

Homeyer, Carl Gustav (Wolgast 13. 8. 1795 - Berlin 20. 10. 1874) wird nach dem Rechtsstudium in Berlin (Savigny, Eichhorn), Göttingen (Hugo) und Heidelberg (Thibaut) 1824 außerordentlicher Professor und 1827 ordentlicher Professor in Berlin. Seit 1827 veröffentlicht H. kritisch mittelalterliche Rechtsbücher und stellt die Handschriften übersichtlich zusammen (Des Sachsenspiegels erster Theil, oder das Sächsische Landrecht, 1827, 2. A. 1835, 3. A. 1861, Des Sachsenspiegels zweiter Theil, Bd. 1 1842, Bd. 2 1844, Die deutschen Rechtsbücher des Mittelalters, 1836).

Lit.: Brunner, H., Abhandlungen zur Rechtsgeschichte, hg. v. Rauch, K., Bd. 2 1931, 433; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990

Hommel, Karl Ferdinand (Leipzig 6. 1. 1722 - 16. 5. 1781), Rechtsprofessorensohn, wird 1756 Professor in Leipzig und wirkt, beeinflusst von -> Thomasius und -> Beccaria, auf der Grundlage des Determinismus zugunsten der -> Aufklärung im Strafrecht („Joch, A. v.“, Von Verbrechen und Strafe nach türkischen Gesetzen, 1770, Neudruck 1970).

Lit.: Rosenbauer, A., Carl Ferdinand Hommel, Diss. jur. Berlin 1907; Zahn, K. v., Karl Ferdinand Hommel als Strafrechtsphilosoph und Strafrechtslehrer, 1911

homo (lat. [M.]) Mensch, Sklave

homo (M.) ecclesiae (lat.) (unfreier) Mann der Kirche

homo (M.) ligius (lat.), Ledigmann, ist im mittelalterlichen Recht (seit dem 10. Jh.?) der eng an den Lehnsherrn gebundene Lehnsmann.

Lit.: Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972, 434; Ganshof, F., Was ist das Lehnswesen?, 6. A. 1983

Homosexualität ist die geschlechtliche Beziehung zu einem Menschen gleichen Geschlechts, insbesondere zwischen Männern. Sie ist dem griechischen Altertum vertraut. Das Judentum, die Römer und das Christentum lehnen die H. ab. Der Codex Theodosianus (Konstitution von 390) bedroht H. mit der Verbrennung. Nach Tacitus wird bei den Germanen der Unzüchtige im Moor versenkt. Das Mittelalter sieht die H. als Sünde. Die Constitutio Criminalis Carolina (1532) bedroht H. unter beiden Geschlechtern in Übereinstimmung mit dem gemeinen Recht mit dem Feuertod. Dagegen stellt der Code civil (1804) nur bestimmte Gestaltungen unter Strafe. In manchen deutschen Ländern ist H. unter Männern nicht strafbar, bis sie § 175 StGB mit einer Strafandrohung versieht. Durch Gesetz vom 31. 5. 1994 wird diese Vorschrift auf Grund liberaler Überlegungen aufgehoben.

Lit.: Köbler, DRG 264; Kuster, H., Over Homoseksualiteit, Diss. Utrecht 1977; Sexual Practices, hg. v. Bullough, V. u. a., 1982; Boowell, J., Christianity, Social Tolerance and Homosexuality, 1980; Stümke, H., Homosexuelle in Deutschland, 1989; Jellonek, B., Homosexuelle unterm Hakenkreuz, 1990; Hundert Jahre schwul, hg. v. Kraushaar, E., 1997; Sommer, K., Die Strafbarkeit der Homosexualität, 1998; Hergemöller, B., Mann für Mann, 1998; Lutterbach, H., Gleichgeschlechtliches sexuelles Verhalten, HZ 267 (1998), 282; Hergemöller, B., Einführung in die Historiographie der Homosexualität, 1999; Taeger, A., Intime Machtverhältnisse, 1999; Bastian, T., Homosexuelle im Dritten Reich, 2000; Nationalsozialistischer Terror gegen Homosexuelle, hg. v. Jellonek, B. u. a., 2002; Müller, J., Ausgrenzung der Homosexuellen aus der Volksgemeinschaft, 2003

honorarium (lat. [N.]) Ehrengabe als (freiwilliges) Entgelt für höhere Dienste im römischen Recht

Höpfner, Ludwig Julius Friedrich (Gießen 3. 11. 1743 - 29. 12. 1797) wird nach dem Rechtsstudium in Gießen Erzieher und 1767 Professor der Rechte in Kassel, 1771 ordentlicher Professor in Gießen. In seiner Zeit gilt er als der bedeutendste Zivilist. Seine Hauptwerke sind das Naturrecht des einzelnen Menschen, der Gesellschaften und Völker und der Theoretisch-practische Kommentar über die Heineccischen Institutionen. Unter dem Einfluss des Naturrechts entwickelt H. die Begriffe der Verbindlichkeit, der Willenserklärung und des Eigentums, ohne dem Naturrecht den Rang einer das geltende Recht verdrängenden Rechtsquelle einzuräumen.

Lit.: Söllner, A., Ludwig Julius Friedrich Höpfner, FS W. Mallmann 1978, 281; Plohmann, M., Ludwig Julius Friedrich Höpfner, 1992

Horborch, Wilhelm (Hamburg 1320-81), Ratsherrnsohn, wird nach dem Studium des kirchlichen Rechts in Avignon (1362) und Bologna (1367) Professor in Prag (1372). Als Richter an der (lat.) -> Rota (F.) Romana veröffentlicht er (1376-81) eine Sammlung von Entscheidungen.

Lit.: Pfaff, I., Zur Geschichte des Kanonisten Wilhelm Horborch, ZRG KA 13 (1924), 513; Dolezalek, G., Die handschriftliche Verbreitung von Rechtsprechungssammlungen der Rota, ZRG KA 58 (1972)

Hörensagen ist das Hören der Erzählung eines anderen. Im Hochmittelalter stellt das kirchliche Recht den Grundsatz des Verbotes des Aussagezeugnisses vom bloßen H. auf. Er wird seit dem Spätmittelalter in Deutschland aufgenommen und behauptet sich bis zur Einführung der Zivilprozessordnung 1877/9.

Lit.: Zimmermann, E., Der Glaubenseid, 1863; Kornblum, U., Das Beweisrecht des Ingelheimer Oberhofes, Diss. jur. Frankfurt am Main 1960, 59

Höriger ist im mittelalterlichen und neuzeitlichen deutschen Recht ein grundherrschaftlich abhängiger, dem -> Grundherrn in gewisser Weise gehöriger Mensch. Der Ausdruck erscheint seit dem 14. Jh. in Norddeutschland. Seit dem späten 18. Jh. wird er wissenschaftlich verallgemeinert. -> Hintersasse

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Kindlinger, N., Geschichte der deutschen Hörigkeit, 1819; Perrin, C., Le servage, 1955; Bloch, M., Slavery and Serfdom, 1975

Horten, Johann Peter -> Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch

Hospital -> Spital

Hostiensis (Heinrich von Segusia) (Susa vor 1200 - Lyon 1270) wird nach dem Rechtsstudium in Bologna (Jacobus Balduini) seit 1236/9 Lehrer des kirchlichen Rechts in Paris und nach einem Englandaufenthalt 1244 Bischof von Sisteron, 1250 Erzbischof von Embrun sowie 1262 Kardinalerzbischof von Ostia. Seit 1239 erarbeitet er die bedeutsamste Titelsumme zum (lat.) -> Liber (M.) extra (Summa super titulos decretalium, Summe über die Titel der Dekretalen, 2. A. um 1253 Summa aurea, Goldene Summe). 1270/1 gibt er einen Kommentar zum Liber extra zur Veröffentlichung frei ([lat.] Commentum [N.] super decretalibus, Kommentar über die Dekretalen). Infolge der weiten Verbreitung seiner Werke beeinflusst H. die Aufnahme der gelehrten Rechte in vielen Teilen Europas.

Lit.: Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechts in Deutschland, 1962, 16; Rivera Damas, A., Pensamiento politico di Hostiensis, 1964

Hotman (Hotomannus), François (Franciscus) (1524-1590) wird nach dem Rechtsstudium in Orléans Anwalt in Paris, Lateinlehrer in Genf und 1556 Rechtsprofessor in Straßburg, 1563 in Valence, 1566 in Bourges, 1572-8 in Genf. Verschiedenen humanistisch-textkritischen Arbeiten folgt der 1603 posthum erschienene Antitribonianus, in welchem H. die Anwendbarkeit des römischen (lat.) -> corpus (N.) iuris civilis verneint und eigenständige Gesetzbücher vorschlägt.

Lit.: Vogel, W., Franz Hotman, 1960; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967; Kelley, D., François Hotman, 1973

House of Commons (Unterhaus) ist im -> englischen Recht die im 13. Jh. (1265/97) zur Versammlung der großen Lehnsleute des Königs (-> House of Lords) hinzutretende Versammlung von (74, um 1600 92) Rittern und (um 1600 417) Vertretern von Städten (Bürgern) (und der vier Universitäten). Sie entwickelt sich aus bescheidenen Anfängen in Jahrhunderten zum entscheidenden politischen Organ -> Englands.

Lit.: The English Parliament, hg. v. Davies, R. u. a., 1981; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 3. A. 1990

House of Lords (Oberhaus) ist im -> englischen Recht die im Laufe des 13. Jh.s aus dem Königshof hervorgegangene Versammlung der großen Lehnsleute des Königs, zu der 1265/97 das -> House of Commons hinzutritt. Es umfasst (1998) 635 Angehörige des Erbadels, 26 anglikanische Bischöfe und 505 auf Lebenszeit ernannte Lords oder Ladies.

Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 3. A. 1990

Hoyer von Falkenstein, Graf, ist der Herr -> Eike von Repgows, der die Übersetzung des -> Sachsenspiegels (1221-4) aus dem Lateinischen in das Mittelniederdeutsche bewirkt haben soll.

Hube, Romuald von (1803-1890) wird nach dem Rechtsstudium in Warschau (1818-21) und Berlin Professor in Warschau (1829-32) und Petersburg (1841-5) sowie Verfasser des Strafgesetzbuchs Rußlands (1845) und Polens (1847).

Lit.: Vetulani, A., Dzieje historii prawa w Polsce, 1948

Huber, Ernst Rudolf (1903-1990) wird nach dem Rechtsstudium in Bonn (->Schmitt) Professor in Kiel (1933), Leipzig (1937), Straßburg (1941-4) und Göttingen (1962). Sein Verfassungsrecht des Großdeutschen Reiches (1937/9) will den Führerstaat in rechtliche Form bringen, seine spätere achtbändige Deutsche -> Verfassungsgeschichte seit 1789 (1957ff.) die Geschichte des Staates als der maßgeblichen Ordnungseinheit darlegen.

Lit.: Simon, W. v., Ernst Rudolf Huber, NJW 1991, 893; Walkenhaus, R., Konservatives Staatsdenken, 1997

Huber, Eugen (Stammheim 13. 7. 1849 - Bern 23. 4. 1923) wird nach dem Rechtsstudium in Zürich Redakteur, Richter und 1881 außerordentlicher Professor in Basel, 1882 ordentlicher Professor in Basel, Halle (1888) und Bern (1892). Von 1884 an vergleicht er das kantonale Schweizer Privatrecht (System und Geschichte des schweizerischen Privatrechts, 1886ff.), von 1892 an erarbeitet er das schweizerische Zivilgesetzbuch (1907).

Lit.: Köbler, DRG 182; Wartenweiler, F., Eugen Huber, 1933; Manaï, D., Eugen Huber, 1990

Huber, Ulrik (Ulrich) (Dokkum 1636 - Franeker 1694) wird nach dem Artesstudium und dem Rechtsstudium in Franeker, Utrecht, Marburg und Heidelberg Professor der Beredsamkeit in Franeker (1657), danach Professor der Institutionen (1665). Am erfolgreichsten sind seine (lat.) Prae­lectiones (F.Pl.) (Vorlesungen) zu Institutionen (1678) und Digesten (1689), bedeutsam auch seine niederländisch geschriebene Darstellung des friesischen Rechts (Hoedendaegse Rechtsgeleertheyt, soo elders als in Frieslandt gebruikelijk, 1686).

Lit.: Veen, T., Recht en nut, Diss. jur. Groningen 1974

Hübner, Rudolf (Berlin 19. 9. 1864 - Jena 7. 8. 1945), Professorensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Berlin, Straßburg (Laband) und Berlin (Brunner, Beseler) 1895 außerordentlicher Professor in Bonn, 1904 ordentlicher Professor in Rostock, 1913 in Gießen, 1918 in Halle und 1921 in Jena. Nach frühen Arbeiten über die (lat.) donationes (F.Pl.) post obitum (1888, Gaben nach dem Tod) und den Immobiliarprozess der fränkischen Zeit (1893), denen eine Sammlung der Gerichtsurkunden der fränkischen Zeit (1893) zur Seite steht, verfasst H. im Rahmen des Pandektenschemas eine bis an die Gegenwart herangeführte Dogmengeschichte der Institutionen des deutschen Privatrechts (Grundzüge des deutschen Privatrechts, 5. A. 1930).

Lit.: Schultze-von Lasaulx, H., Rudolf Hübner, ZRG GA 66 (1948), IX

Hufe ist vor allem im Frühmittelalter ein Landmaß unterschiedlicher Größe. Die H. erscheint im 8. Jh. am Rhein und in Thüringen. Sie umfasst anfangs im Durchschnitt etwa 30 Morgen, kann aber vielfach geteilt werden. Später wird sie zur steuerlichen Berechnungseinheit (z. B. Preußen 1715).

Lit.: Köbler, WAS; Reichel, J., Die Hufenverfassung zur Zeit der Karolinger, 1907; Ganahl, K., Hufe und Wergeld, ZRG GA 53 (1933), 208; Weidinger, U., Untersuchungen zur Wirtschaftsstruktur des Klosters Fulda, 1990

Hugenotten (entsteht aus „Eidgenossen“) ist die Bezeichnung für die mit dem Eindringen des Calvinismus (-> Calvin) aus der Schweiz nach Frankreich in der Mitte des 16. Jh.s entstehenden französischen Protestanten. Die H. werden nachdrücklich verfolgt (u. a. Bartholomäusnacht), erhalten aber im Edikt von Nantes (13. 4. 1598) das Recht der freien Religionsausübung. Erst die Französische Revolution von 1789 sichert ihre Rechte endgültig.

Lit.: Schreiber, H., Auf den Spuren der Hugenotten, 1983; Brandenburg, I., Brandenburg, K., Hugenotten, 1990

Hugo, Gustav (Lörrach 23. 11. 1764 - Göttingen 15. 9. 1844), Hofratssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Göttingen (-> Pütter) und -> Halle 1788 außerordentlicher Professor und 1792 ordentlicher Professor in Göttingen. Sein Hauptwerk ist das siebenbändige Lehrbuch eines civilistischen Cursus (vor allem Enzyklopädie, Naturrecht, Geschichte des römischen Rechts, heutiges römisches Recht), in dem er in der Nachfolge Pütters versucht, streng zwischen historischer, dogmatischer und philosophischer Behandlung des römischen Rechts zu unterscheiden, bei der römischen Rechtsgeschichte die Geschichte des Systems mit der Geschichte der Quellen zu verbinden und das neuzeitliche römische Recht auf der Grundlage des geschichtlichen römischen Rechts zu erläutern. Mit dieser sowohl gegen eine rein antiquarische Rechtsbehandlung wie gegen eine unkritische, nur an der Praxis ausgerichtete Rechtswissenschaft sich wendenden ersten geschlossenen systematischen Darstellung der gesamten römischrechtlichen Rechtswissenschaft wird er zum Begründer der Rechtswissenschaft des 19. Jh.s und zum Vorläufer der -> historischen Rechtsschule.

Lit.: Söllner § 25; Köbler, DRG 187, 206; Buschmann, A., Ursprung und Grundlagen der geschichtlichen Rechtswissenschaft, Diss. jur. Münster 1963; Ebel, W., Gustav Hugo, 1964; Behrends, O., Gustav Hugo, in: Gibbon, E., Historische Übersicht des römischen Rechts, 1996

Huguccio de Pisa (Pisa? um 1140 - Ferrara 30. 4. 1210) wird nach dem Studium von Kirchenrecht und Theologie in Bologna Rechtslehrer (um 1180) und Bischof von Ferrara (1190). Sein Hauptwerk ist die zwischen 1188 und 1190 verfasste ungedruckte (lat.) Summa (F.) super decretum (Summe über das Dekret), welche das -> Decretum Gratians am ausführlichsten erläutert.

Lit.: Köbler, DRG 107; Kuttner, S., Gratian and the Schools of Law, 1983; Müller, W., Huguccio, 1994

huissier (franz. [M.]) Türsteher, Gerichtsvollzieher

Hulde, Huld, ist die Gunst oder das Wohlwollen eines Menschen, insbesondere im Lehnswesen. Im Mittelalter huldigt der Mann dem Herrn. Der Herr kann dem Mann die H. entziehen. Im römischen Recht entspricht dem die (lat. [F.]) indignatio des Herrschers.

Lit.: Köstler, R., Huldentzug als Strafe, 1910, Neudruck 1965; Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafschaft Katzenelnbogen, 1969, 113; Schmidt, U., Königswahl und Thronfolge, 1977

Huldigung ist das Versprechen des Wohlwollens, der Treue oder der Ehrerbietung. Bereits im Frühmittelalter sollen die Franken dem Grafen oder dem König Treue schwören. 786 und 802 verlangt Karl der Große eine allgemeine Eidesleistung. An die Stelle dieses allgemeinen Untertaneneides tritt später der Eid der Lehnsmannen, seit dem Hochmittelalter auch der Huldigungseid der Reichsunmittelbaren gegenüber dem König einerseits und ein Erbhuldigungseid der Landesbewohner bzw. der Stände gegenüber dem Landesherrn (in Niederösterreich bis 1835).

Lit.: Puntschart, P., Herzogseinsetzung und Huldigung in Kärnten, 1899; Kienast, W., Untertaneneid und Treuevorbehalt in Frankreich und England, 1952; Müller, H., Formen und Rechtsgehalt der Huldigung, Diss. jur. Mainz 1954; Holenstein, A., Die Huldigung, 1991; Die Kultur des Humanismus, hg. v. Mout, N., 1998

Humanismus (1808) ist allgemein das Bemühen um eine der Menschenwürde entsprechende Gestaltung der Gesellschaft, insbesondere die geistige Bewegung des 14. bis 16. Jh.s, die das Vorbild der Gesellschaftsgestaltung in den klassischen römischen Schriften sieht. Der H. wird zuerst in Italien (Dante, Petrarca, 14. Jh.), im 15. Jh. in Frankreich, Spanien und England und schließlich auch im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) wirksam (Erasmus von Rotterdam u. a.). Für die Rechtswissenschaft bedeutet der H. den Übergang vom sog. (lat. [M.]) mos Italicus zum (lat. [M.]) -> mos Gallicus. Im Kirchenrat bleiben die Einflüsse des H. sporadisch.

Lit.: Söllner §§ 3, 22, 25; Köbler, DRG 135; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 1063; Wieacker, F., Einflüsse des Humanismus auf die Rezeption, Z. f. d. ges. Staatswiss. 100 (1940), 423; Schaffstein, F., Die europäische Strafrechtswissenschaft im Zeitalter des Humanismus, 1954; Kisch, G., Claudius Cantiuncula, 1970; Troje, H., Graeca leguntur, 1971; Hübner, H., Jurisprudenz als Wissenschaft im Zeitalter des Humanismus, FS K. Larenz, 1973, 41; Burmeister, K., Das Studium der Rechte, 1974; Troje, H., Die europäische Rechtsliteratur unter dem Einfluss des Humanismus, Ius commune 3 (1980), 33; Humanismus im Bildungswesen, hg. v. Reinhard, W., 1984; Buck, A., Humanismus, 1988; Geschichte der Universität in Europa, hg. v. Rüegg, W., Bd. 1ff. 1993ff.; Die Kultur des Humanismus, hg. v. Mout, N., 1998; Landau, P., Methoden des kanonischen Rechts in der frühen Neuzeit, ZNR 21 (1999), 7; Hartmann, M., Humanismus und Quellenkritik – Matthias Flacius Illyricus, 2001

Humboldt, Wilhelm von (Potsdam 22. 6. 1767 - Tegel 8. 4. 1835) wird nach dem Studium der Rechtswissenschaft und der Altertumswissenschaft in Frankfurt an der Oder und Göttingen und längeren privaten Studien Leiter des Unterrichtswesens in Preußen, als welcher er das Bildungswesen aus dem Geist des idealistischen -> Humanismus erneuert (Elementarschule, Gymnasium, Universität). Zur Verwirklichung der wichtigsten Ziele wird 1810 die Universität -> Berlin (-> Savigny) gegründet, an der Einheit von Forschung und Lehre und Entfaltung von Wissenschaft in Einsamkeit und Freiheit stattfinden sollen.

Lit.: Schaffstein, F., Wilhelm von Humboldt, 1952; Hübner, U., Wilhelm von Humboldt und die Bildungspolitik, 1983; Fröling, S./Reuss, A., Die Humboldts, 1999; Humboldt International, hg. v. Schwinges, R., 2001

Hume, David (Edinburgh 7. 5. 1711 - 25. 8. 1776) wird nach dem Studium von Philosophie, Literatur und Rechtswissenschaft in Edinburgh Diplomat, Historiker und Philosoph. Nach ihm wirkt der Mensch auf der Grundlage von allgemein anerkannten Regeln (Eigentum, Vertragstreue) zusammen, weil der einzelne Mensch wegen der knappen Güter allein nicht lebensfähig ist. Staatszweck ist der Schutz der Interessen der Bürger. Der Staat, der Eigentum und Freiheit sichert, ist der verhältnismäßig beste. H. beeinflusst Smith, Kant, Bentham und Mill mit seinen Vorstellungen unmittelbar.

Lit.: Kulenkampff, J., David Hume, 1989; Streminger, G., David Hume, 1994

Hundertschaft (lat. [F.] centuria) ist im altrömischen Recht eine militärische Einheit, die von den 10 Kurien einer Tribus zu stellen ist. Ob sie auch eine germanische Verwaltungseinheit darstellt, erscheint fraglich. Im Mittelalter wird an verschiedenen Stellen ein (ahd.) huntari oder eine hundred erwähnt (Mittelrhein, Niederrhein, Hessen, Franken, obere Donau, Friesland, Schweden, England), deren Herkunft und Zusammenhang nicht zweifelsfrei erwiesen sind. In der Gegenwart wird H. für eine Verwaltungseinheit der Polizei (Bereitschaftspolizei, Bundesgrenzpolizei) genannt.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 3 III; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 69; Schwerin, C. v., Die altgermanische Hundertschaft, 1907; Andersson, T., Die schwedischen Bezirksbezeichnungen hund und hundare, Frühmittelalterliche Studien 13 (1979), 88; Wirth, G., A Hila, 1998

Hus

Lit.: Smahel, F., Husitská revoluce, 2. A. 1995f.; Jan Hus, hg. v. Seibt, F., 1997; Smahel, F., Die hussitische Revolution, 2002

Hut (M.) ist im älteren Recht ein Rechtssymbol (z. B. Hut des Landvogtes Geßler bei Wilhelm Tell).

Lit.: Schwerin, C. Frhr. v., Rechtsarchäologie, 1943, 36

Hypothek ist die Belastung eines Grundstückes oder eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück in der Weise, dass an denjenigen (Hypothekengläubiger), zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt bzw. besteht, eine bestimmte Geldsumme zur Befriedigung wegen einer ihm zustehenden Forderung aus dem Grundstück zu zahlen ist. Im römischen Recht ist bereits in der klassischen Zeit (-> Iulianus) unter dem Einfluss östlicher Provinzialpraxis (lat. [F.]) hypotheca ein Name für das besitzlose, beim Schuldner verbleibende -> Pfand (z. B. Inventarstücke eines Gutes), von dem die griechische hypothéke (Unterlage) als ein Verhältnis reiner Sachhaftung zu unterscheiden ist. Dieses Pfandrecht kann an einzelnen Sachen oder Forderungen oder am ganzen Vermögen (Generalhypothek) bestellt werden. Mehrfache Verpfändung ist möglich, wobei der Prioritätsgrundsatz durchbrochen werden kann. Im Gegensatz zum römischen Recht entwickelt sich im deutschen Recht ein besonderes Grundpfand im Unterschied zum allgemeinen Pfand. Mit der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter bleibt an vielen Orten das bisherige Grundpfandrecht bestehen. An anderen wird das geltende Recht römischrechtlich abgeändert und eine Generalhypothek am gesamten Vermögen anerkannt. Verschiedentlich wird dem öffentlichen Pfand der Vorrang vor formlosen Pfandrechten gewährt. Seit dem ausgehenden 17. Jh. werden zur Sicherung des Kreditverkehrs Hypothekenbücher eingeführt, welche die Öffentlichkeit gewährleisten und die stillschweigende H. ebenso ausschließen wie die Generalhypothek. Im 19. Jh. wird das -> Hypothekenbuch zum -> Grundbuch erweitert (Preußen 1872, Österreich 1871). Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist die H. nur eines von insgesamt drei Grundpfandrechten.

Lit.: Kaser § 31 III; Hübner; Köbler, DRG 163, 213, 240; Cohen, A., Die Verschuldung des bäuerlichen Grundbesitzes in Bayern, 1906; Planitz, H., Das deutsche Grundpfandrecht, 1936; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; ; Marzi, L., Das Recht der Pfandbriefe und Hypothekenbanken, 2002

Hypothekenbuch ist das seit dem ausgehenden 17. Jh. eingerichtete Buch zur Sicherung des Grundpfandverkehrs (Berlin 1693, Preußen 1722, Hypothekenordnung 1783). -> Hypothek

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 163

Hypothekenordnung (Preußen 1722, 1783, Bayern 1822, Württemberg 1825, Sachsen 1843)

Lit.: Köbler, DRG 141; Bornhak, C., Preußische Staats- und Rechtsgeschichte, 1903

 

 

 

I

 

Iavolenus Priscus (C. Octavius Tidius Tossianus L. Iavolenus Priscus) (um 100 n. Chr.) ist ein als besoldeter Staatsbeamter aufgestiegener römischer Jurist der -> Sabinianer, von dem drei Bearbeitungen der Werke älterer Juristen und ein in 14 Bücher gegliedertes Sammelwerk praktischer Rechtsfälle (lat. [F.Pl.] epistulae, Briefe) bekannt sind.

Lit.: Söllner §§ 11, 16; Köbler, DRG 30; Eckardt, B., Iavoleni Epistulae, 1978; Manthe, U., Die libri ex Cassio des Iavolenus Priscus, 1982

Ibn Hazm (994-1064), Sohn eines hohen arabischen Amtsträgers in Cordoba (Spanien), ist der bedeutendste Vertreter der Rechtsschule Zahiriya. Für ihn ist Recht ein religiöses Gebot, das es dem Menschen ermöglicht, Gottes Willen zu erfüllen.

Lit.: Juristen, hg. v. Stolleis, M., 1995, 110

Idealismus ist die philosophische Strömung, die alle Dinge auf einen geistigen (ideellen) Ursprung zurückführt. Der I. steht im Gegensatz zum -> Materialismus. Bekanntester Vertreter des I. im Altertum ist Platon (428/7-348/7 v. Chr.), bedeutendste deutsche Vertreter des I. -> Kant (1724-1804), von dem -> Savigny beeinflusst wird, und ->Hegel (1770-1831).

Lit.: Köbler, DRG 178; Metzger, W., Gesellschaft, Recht und Staat in der Ethik des deutschen Idealismus, 1917, Neudruck 1966; Rückert, J., Idealismus, Jurisprudenz und Politik bei Friedrich Carl von Savigny, 1984

Ideologie ist die Gesamtheit der einer bestimmten Gruppe von Menschen zugeordneten Denkweisen und Wertvorstellungen. Sie wirkt sich besonders im 20. Jh. auf das Recht aus. Sowohl im -> Nationalsozialismus wie auch im -> Sozialismus ist das Recht nur ein Mittel zur Durchsetzung der I.

Lit.: Köbler, DRG 226; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 131; Rüthers, B., Die Wende-Experten, 2. A. 1995; Choe, H., Ideologie, 1997

Iglau in Südmähren wird nach der Entdeckung von Silber (um 1240) als Stadt um 1245 von deutschen Bergleuten gegründet. Sein -> Bergrecht (1249/80) wird vielfach andernorts übernommen.

Lit.: Tomaschek, J., Der Oberhof Iglau in Mähren und seine Schöffensprüche, 1868; Zycha, A., Das böhmische Bergrecht, 1900; Kresadlo, K., Jihlava, 1986

Ihering (Jhering), Rudolf von (Aurich 22. 8. 1818 - Göttingen 17. 9. 1892), aus einer Juristenfamilie, wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg, Göttingen, München und Berlin (Puchta) und der Habilitation in Berlin (Homeyer) Professor in Basel (1845), Rostock (1846), Kiel (1849), Gießen (1852), Wien (1868) und Göttingen. Zunächst folgt er bis 1858/1859 -> Puchta und erklärt das (römische) Recht aus seiner inneren Vernünftigkeit. Der Rechtswissenschaft schreibt er die Aufgabe zu, nach Auflösung (Analyse) der komplexen Rechtsverhältnisse in einfache Elemente durch deren Kombination neue Rechtsbegriffe zu erzeugen (Der Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung, Bd. 1f. 1852ff., unvollendet) und damit letzlich das überkommene Recht der agrarischen Welt für die industrielle Welt zu modernisieren. Während der Arbeit an diesen Überlegungen wendet sich I. unter dem Eindruck der naturwissenschaftlichen Fortschritte seiner Zeit der soziologischen Betrachtung des Rechts zu und befasst sich mit dem Zweck im Recht (1877f., unvollendet). Zu einer zukunftweisenden brauchbaren Methodenlehre gelangt er dabei nicht, wenngleich er die -> Interessenjurisprudenz anregt. Dogmatisch gelingt ihm die Unterscheidung von Rechtswidrigkeit und Schuld (1867) sowie die Entdeckung der -> culpa in contrahendo. Beachtliche Breitenwirkung erlangen die Bücher Der Kampf ums Recht (1872, 20. A. 1921) sowie Scherz und Ernst in der Jurisprudenz (13. A. 1924, Neudruck 1988).

Lit.: Köbler, DRG 189; Wieacker, F., Rudolf von Jhering, ZRG RA 86 (1969), 1; Jherings Erbe, hg. v. Wieacker, F. u. a., 1970; Pleister, W., Persönlichkeit, Wille und Freiheit im Werk Jherings, 1982; Der Briefwechsel zwischen Ihering und Gerber, hg. v. Losano, M., 1984; Choe, B., Culpa in contrahendo bei Rudolf von Jhering, 1988; Iherings Briefe an Windscheid, hg. v. Kroeschell, K., 1988; Klemann, B., Rudolf von Jhering und die historische Rechtsschule, 1989; Rudolf von Ihering, hg. v. Behrends, O., 2. A. 1993; Privatrecht heute und Jherings evolutionäres Rechtsdenken, hg. v. Behrends, O., 1993; Der Kampf ums Recht, hg. v. Luf, G. u. a., 1995; Iherings Rechtsdenken, hg. v. Behrends, O., 1996; Der Briefwechsel Iherings mit Unger und Glaser, hg. v. Losano, M., 1996; Rudolf von Ihering, Ist die Jurisprudenz eine Wissenschaft, hg. v. Behrends, O., 1999

Illegitimität (F.) -> Unehelichkeit

Imbreviatur ist die Niederschrift eines Vorganges durch einen -> Notar (Urschrift). Im Gegensatz zum bloßen Entwurf enthält die I. den endgültigen vollständigen Urkundentext unter Verwendung notarieller Abkürzungen (Imbreviaturen). Bereits im 12. Jh. sammeln Notare in Italien ihre Imbreviaturen in Imbreviaturbüchern (ältestes erhaltenes Fragment Genua 1154). Im 14. Jh. wird dies allgemein üblich.

Lit.: Voltelini, H. v., Die Südtiroler Notariatsimbreviaturen, 1899; Dolezalek, G., Das Imbreviaturbuch des erzbischöflichen Gerichtsnotars Hubaldus von Pisa, 1969; Notariado público, 1989

Imbreviaturbuch -> Imbreviatur

Immaterialgüterrecht ist das Recht der unkörperlichen, geistigen Rechtsgüter. Es gewinnt erst im Laufe der Neuzeit an Bedeutung. Seine bekannteste Ausprägung ist das -> Urheberrecht.

Lit.: Klippel, D., Historische Wurzeln und Funktionen, ZNR 1982, 132

immerwährender Reichstag ist der seit 1663 als ständiger Gesandtenkongreß in Regensburg tagende -> Reichstag.

Immission (lat. [F.] immissio) ist die Zuführung unwägbarer Stoffe. Bereits im römischen Recht muss der Eigentümer eines Grundstückes das Eindringen von Rauch, Wasser und dergleichen auf das Grundstück dulden, wenn es das übliche Maß nicht überschreitet. Andernfalls stehen ihm Abwehransprüche zu. Das Mittelalter kennt nur einzelne entsprechende Sätze. Als Folge der Industrialisierung bilden die I. eine wichtige Abgrenzungsfrage zwischen dem Freiheitsstreben der Industrie und dem Schutz der Betroffenen, zu welcher sich das preußische Obertribunal durch Beschluss vom 7. 6. 1852 weiterführend äußert. § 906 BGB nimmt das auf dieser Grundlage geschaffene Recht auf (Unwesentlichkeit, Üblichkeit). In der Gegenwart gilt in Deutschland daneben ein besonderes Bundesimmissionsschutzgesetz, das die Genehmigungsbedürftigkeit bestimmter Anlagen vorsieht.

Lit.: Kaser § 23 III 4; Kroeschell, DRG 3; ; Rohde, J., Das Recht der genehmigungsbedürftigen Anlagen im Gewerbe- und Immissionsschutzrecht von 1810, 2000; Lies-Benachib, G., Immissionsschutz im 19. Jahrhudert, 2002

immobil (Adj.) unbeweglich

Immobiliarprozess ist das Verfahren im Rechtsstreit um Grundstücke.

Lit.: Hübner, R., Der Immobiliarprozess der fränkischen Zeit, 1893

Immobiliarrecht ist das besondere Recht der Grundstücke (Liegenschaften), wie es sich im deutschen Recht entwickelt.

Lit.: Hübner, R., Der Immobiliarprozess der fränkischen Zeit, 1893; Buchholz, S., Abstraktionsprinzip und Immobiliarrecht, 1978; Buchholz, S., Die Quellen des deutschen Immobiliarrechts im 19. Jahrhundert, Ius commune 7 (1978), 250

Immunität ist die Freiheit von einem Eingriff. Im Frühmittelalter ist I. die Freiheit einer besonders ausgenommenen -> Grundherrschaft von königlicher Gewalt. Sie geht auf die spätrömische (lat. [F.]) -> emunitas zurück, welche Freiheit der kirchlichen, vielleicht auch der kaiserlichen Güter von öffentlichen Lasten bedeutet. Im 6./7. Jh. erweitert sich die I. dahin, dass der (Graf als der) örtliche Gewalthaber (kraft königlichen Privilegs für den Grundherrn) im Immunitätsgebiet ausgeschlossen wird und deshalb keine Verhöre durchführen, keine Abgaben einziehen, keine Geiseln wegführen und schließlich das Immunitätsgebiet überhaupt nicht mehr betreten darf. Seine Aufgaben nehmen die weltlichen und geistlichen Großen (Erzbischöfe, Bischöfe, Äbte) als Immunitätsberechtigte selbst (oder durch Vögte) wahr. Otto I. nutzt diese Art der Beseitigung des Einflusses der weltlichen Gewalt auf die immunitätsbegabte Kirche dazu, sich selbst durch Einsetzen der Immunitätsberechtigten (Erzbischöfe usw.) unmittelbare Herrschaft über die zunehmend zu geschlossenen Bezirken werdenden Immunitätsgebiete zu verschaffen (ottonisches -> Reichskirchensystem). Nach dem hierdurch hervorgerufenen -> Investiturstreit gehen die bedeutenden Immunitäten in den Landesherrschaften (geistlichen Fürstentümern) auf. In der Gegenwart genießt der Abgeordnete parlamentarische I. im Sinne eines Schutzes vor bestimmten Maßnahmen, die sich gegen sein Verhalten außerhalb des Parlaments richten (Frankreich 1799, 1814).

Lit.: Köbler, DRG 85; Stengel, E., Die Immunität, 1910, Neudruck 1964; Hirsch, H., Die Klosterimmunität seit dem Investiturstreit, 1913, 2. A. 1967; Heidrich, I., Die Verbindung von Schutz und Immunität, ZRG GA 90 (1973), 10; Pfaff, V., Die päpstlichen Klosterexemtionen in Italien, ZRG KA 72 (1986), 76; Frey, L./Frey, M., The History of Diplomatic Immunity, 1999; Immunität und Landesherrschaft, hg. v. Kappelhoff, B. u. a., 2002

Immunitätsprivileg -> Immunität

Impeachment ist vor allem ein seit 1376 angewendetes Strafverfahren im englischen Recht, bei dem das -> House of Commons anklagt und das House of Lords entscheidet (z. B. 1386 gegen den englischen Kanzler).

Lit.: Plucknett, T., Studies in English Legal History, 1983

imperator (lat. [M.]) Kaiser

Lit.: Söllner § 14; Köbler, LAW; Mc Fayden, D., The History of the Title I., 1920; Kienast, D., Imperator, ZRG RA 78 (1961), 403

Imperialismus ist die auf Eroberung und Ausdehnung gerichtete Zielsetzung des Staates seit dem 17., insbesondere seit dem 19. Jh.

Lit.: Wehler, H., Bismarck und der Imperialismus, 1969; Imperialismus und Kolonialismus, hg. v. Bade, K., 1983; Schöllgen, G., Das Zeitalter des Imperialismus, 3. A. 1994; Cain, J./Hopkins, A., British Imperialism, 1993; Fröhlich, M., Imperialismus, 1994; Petersson, N., Imperialismus und Modernisierung, 2000.

imperium (lat. [N.]) ist im altrömischen Recht die unbeschränkte Amtsgewalt der Konsuln, zu der auch die Zuchtgewalt zählt, sowie das Gebiet, in welchem sie ausgeübt wird. Nach dem (lat.) imperium (N.) Romanum versteht sich auch die weltliche Herrschaft im Mittelalter als ein i. Ihm tritt das (lat. [N.]) sacerdotium des Papstes gegenüber. Mit dem Beginn der Neuzeit nimmt (lat. [F.]) potestas (Gewalt, Hoheitsgewalt) den Platz von i. ein.

Lit.: Söllner §§ 6, 9, 14, 15; Köbler, DRG 18; Köbler, LAW; Kornemann, E., Doppelprinzipat und Reichsteilung im imperium Romanum, 1930; Stengel, E., Regnum und imperium, 1930; Heuß, A., Zur Entwicklung des imperiums des römischen Oberbeamten, ZRG RA 64 (1944), 57; Dempf, A., Sacrum imperium, 2. A. 1954; Nörr, D., Imperium und Polis in der hohen Prinzipatszeit, 2. A. 1969; Thomas, H., Zwischen regnum und imperium, 1973; Papst, A., Divisio regni, 1986

imperium (N.) merum et mixtum (lat.) ist nach einer Unterscheidung des römischen Juristen Ulpian (170?-223) die oberste Staatsgewalt und die oberste Gewalt der Zivilrechtspflege. Seit dem 12. Jh. erscheint die hierauf gegründete Einteilung der Gerichtsbarkeit in die Gerichtsbarkeit über Leben, Freiheit und Bürgerrecht und die übrige Gerichtsbarkeit im deutschen Reich. Seit dem 14. Jh. wird das i. m. e. m. als Grundlage aller Hoheitsrechte verstanden, danach als Landeshoheit.

Lit.: Hirsch, H., Die Klosterimmunität seit dem Investiturstreit, 1913

imperium (N.) Romanum (lat.) Römisches Reich

impossibilium nulla est obligatio (lat.). Zu Unmöglichem gibt es keine Verpflichtung.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 87, Nr. 22 (Celsus, um 70 - um 140, Digesten 50, 17, 185); Wollschläger, C., Die Entstehung der Unmöglichkeitslehre, 1970

impubes (lat. [M.]) ist im römischen Recht der Unmündige. Ist er (lat.) infantia maior, kann er, gegebenenfalls mit Zustimmung des Vormundes (lat. [M.] tutor), ein Rechtsgeschäft vornehmen. Mit dem Eintritt der Geschlechtsreife (lat. [F.] pubertas) wird der i. ursprünglich vollständig geschäftsfähig und deliktsfähig. Die Mündigkeit wird bei Knaben auf 14, bei Mädchen auf 12 festgelegt.

Lit.: Kaser § 14 II, 62 I, 82 II; Köbler, DRG 21

Imputation ist die von -> Pufendorf (1632-1694) aus der Theologie in das Strafrecht übernommene Zurechnung einer Handlung und eines Erfolges zu einem Menschen. Ihre Möglichkeit beruht auf der Freiheit und der Normbezogenheit menschlichen Handelns. Ermittelt werden die Voraussetzungen, die für Bestrafung bestehen. -> Feuerbach (1755-1833) unterscheidet demgegenüber die abstrakte I. des Gesetzgebers bei der Festlegung des strafbaren Verhaltens und der Strafe im Strafbestand und die konkrete I. des Richters bei Bestimmung der Strafe im einzelnen Fall. Wenig später wird die I. auf die Handlung beschränkt. Erhalten geblieben ist der Begriff der Zurechnungsfähigkeit.

Lit.: Berner, A., Grundlinien der criminalistischen Imputationslehre, 1843; Welzel, H., Die Naturrechtslehre Samuel Pufendorfs, 1958

Inama-Sternegg, Karl Theodor von (Augsburg 20. 1. 1843 - Innsbruck 28. 11. 1908) wird nach dem Studium von Geschichte, Recht und Staatswissenschaft in München 1868 außerordentlicher Professor und 1871 ordentlicher Professor in Innsbruck, 1880 in Prag und 1881 in Wien. Seine Deutsche Wirtschaftsgeschichte (1878ff.) ist die erste unmittelbar aus den Quellen erarbeitete Gesamtdarstellung.

Inauguration

Lit.: Königshaus, J., Die Inauguration der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel 1665, 2002

in bonis (lat. im Vermögen) haben ist im klassischen römischen Recht eine Bezeichnung für den Schutz durch den Prätor gegen einen Dritten. Wer eine handgreifbare Sache (lat. [F.] res mancipi) ohne den Formalakt der -> Manzipation erhält und i. b. hat, erlangt prätorisches Eigentum. Im spätantiken römischen Recht wird die Unterscheidung zwischen zivilem Eigentum und prätorischem Eigentum beseitigt.

Lit.: Kaser §§ 22ff.; Söllner § 9; Ankum, H. u. a., Die verschiedenen Bedeutungen des Ausdrucks in bonis alicuius esse, ZRG RA 107 (1990), 155

incertum (lat. [N.] Unbestimmtes) ist im römischen Recht die unbestimmte Leistung. Im spätantiken Recht wird die Unterscheidung zwischen bestimmter Leistung und unbestimmter Leistung gelockert.

Lit.: Kaser §§ 35 I, 37 I, 48 II

incipit (lat.) es fängt an

indebitum solutum (lat. [N.]) ist im römischen Recht die nichtgeschuldete Leistung. Sie kann im klassischen römischen Recht wohl wegen der Ähnlichkeit mit dem Darlehen mit der besonderen Begehrensform der -> Kondiktion zurückverlangt werden.

Lit.: Kaser § 48 II 2

Indemnität ist die Befreiung des Abgeordneten von der gerichtlichen oder dienstlichen Verfolgung wegen einer Abstimmung oder Äußerung im Parlament. Die früher auch als -> Immunität bezeichnete I. entsteht in England mit der -> Bill of Rights (1689). Im -> Deutschen Bund erscheint sie seit 1818 (Bayern, Württemberg 1819, Sachsen 1831, Preußen 1848).

Lit.: Huber, E., Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 3 1963, 348

Index (M.) librorum prohibitorum (lat.) ist derAnzeiger der (für Christen) verbotenen Bücher (1559/64-1966/7).

Lit.: Eisenhardt, U., Strafe und Strafzweck bei der Bestrafung von Autoren, Druckern und Händlern verbotener Schriften, FS G. Bemmann, 1997, 36; Inquisition – Index – Zensur, hg. v. Wolf, H., 2001

Indiz ist eine Tatsache, aus deren Vorhandensein einleuchtenderweise auf das Vorhandensein einer anderen Tatsache geschlossen werden kann. Das I. ist von besonderer Bedeutung im Strafverfahrensrecht. Hier ist bei Fehlen besserer Beweismöglichkeiten der Beweis mit Hilfe von Indizien (Indizienbeweis) möglich. Nach der frühneuzeitlichen Indizienlehre etwa der -> Constitutio Criminalis Carolina von 1532 ist die -> Folter nur zulässig bei Vorliegen bestimmter Indizien (z. B. blutbefleckte Kleidung eines einer Bluttat Verdächtigen).

Lit.: Köbler, DRG 138, 156; Kusch, Der Indizienbeweis des Vorsatzes, Diss. jur. Hamburg, 1963; Langbein, J., Torture and the Law of Proof, 1976; Pöltl, R., Die Lehre vom Indizienbeweis, 1999; Michels, K., Der Indizienbeweis, Diss. jur. Tübingen 2000

Indogermane ist der Angehörige eines der zur indogermanischen Sprachenfamilie (keltisch, italisch, germanisch, baltisch, slawisch, illyrisch, thrakisch, albanisch, griechisch, phrygisch, hethitisch, armenisch, iranisch, indoarisch, tocharisch) mit einer jeweils ältesten Überlieferung zwischen dem 14. Jh. v. Chr. und dem 16. Jh. n. Chr. gehörenden Einzelvölker. Wann und wo dieses philologisch rekonstruierte Volk besteht, ist unklar (Mitteleuropa?, Osteuropa?, um 2000 v. Chr.?). Die Zahl seiner philologisch erschließbaren Rechtseinrichtungen (Volk, Haus, Zeuge, Gast, Erbe) ist gering.

Lit.: Söllner §§ 2, 4; Köbler, DRG 10, 13; Leist, B., Altarisches ius gentium, 1889, Neudruck 1978; Pokorny, O., Indogermanisches etymologisches Wörterbuch, 1959ff.; Schlerath, B., Die Indogermanen, 1972; Schmitt-Brandt, J., Einführung in die Indogermanistik, 1998; Köbler, G., Indogermanisch-neuhochdeutsches und neuhochdeutsch-indogermanisches Wörterbuch, 3. A. 1999 (Internet); Greenberg, J., Indo-European and ists closest relatives, 2000

in dorso (lat.) auf dem Rücken,  -> Indossament

Indossament ist eine regelmäßig auf der Rückseite (lat. in dorso, frz. en dos) eines -> Wertpapieres angebrachte Erklärung, durch die eine Person (Indossant) die Rechte aus einem -> Orderpapier auf eine andere Person (Indossatar) überträgt. Das erstmals in Pisa 1392 bezeugte I. erscheint häufiger zu Beginn des 17. Jh.s in Frankreich etwa gleichzeitig mit der zur selben Zeit in Süditalien aufgekommenen, vorderseitig angebrachten girata. Ihre Ursprünge sind ungeklärt.

Lit.: Köbler, DRG 167; Schaps, G., Zur Geschichte des Wechselindossaments, 1892; Opitz, P., Der Funktionswandel des Wechselindossaments, Diss. jur. Berlin 1967; Melis, F., Guida alla Mostra internazionale della Banca, 1972

in dubio pro reo ist der bereits im klassischen römischen Recht bekannte Satz, dass ein Angeschuldigter im Zweifel freizusprechen ist. In der Neuzeit formuliert Stübel 1811 in Anschluss an Justinians -> Digesten 42, 1, 38 den Satz neu. Demnach gilt der Angeklagte bis zum Nachweis der Schuld als unschuldig, weil im Zweifel zu seinen Gunsten zu entscheiden ist (vgl. Art. 6 II der europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte 1950). In der Verfahrenswirklichkeit setzt sich der Satz aber erst allmählich durch.

Lit.: Köbler, DRG 35, 203; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 91, Nr. 62 (Bossius 1562, vgl. Digesten 50, 17, 125 Gaius um 120 - um 180, Aristoteles); Moser, K., In dubio pro reo, Diss. jur. München 1933; Wenig, G., In dubio pro reo, Diss. jur. Tübingen 1946; Holtappels, P., Die Entwicklungsgeschichte des Grundsatzes „in dubio pro reo“, 1965

Industrie ist die gewerbliche Gewinnung und Verarbeitung von Rohstoffen. Die I. entsteht seit dem Ende des 18. Jh.s in Großbritannien. Seit dem frühen 19. Jh. folgen die deutschen Staaten. Die Industrialisierung bedeutet den raschen Übergang von der Landwirtschaft zur arbeitsteiligen gewerblichen Wirtschaft (industrielle Revolution). Eine wichtige Folge ist die Entstehung des -> Arbeitsvertrages.

Lit.: Köbler, DRG 175, 176; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 237; Quellen zur Geschichte der industriellen Revolution, hg. v. Treue, W. u. a., 1966; Forsthoff, E., Der Staat in der Industriegesellschaft, 1971; Abel, W., Massenarmut und Hungerkrisen im vorindustriellen Deutschland, 1972; Söllner, A., Der industrielle Arbeitsvertrag, in: Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, 1972, 288; Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung, 1974; Sozialgeschichtliche Probleme in der Zeit der Hochindustrialisierung, hg. v. Pohl, H., 1979; Schlosser, H., Folgen der Industrialisierung, Quaderni Fiorentini 10 (1981), 403; Klassen, K., Mitverwaltung und Mitverantwortung in der frühen Industrie, 1984; Henning, F., Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 2 6. A. 1984; Ruppert, W., Die Fabrik, 1987; Studien zur Einwirkung der Industrialisierung auf das Recht, hg. v. Coing, H., 1991; Hudson, P., The Industrial Revolution, 1992; Buchheim, C., Industrielle Revolutionen, 1994; Hahn, H., Die industrielle Revolution, 1998; Gestwa, K., Proto-Industrialisierung in Russland, 1999; Marsch, U., Industrieforschung in Deutschland und Großbritannien, 1999, Bührer, W., Der Bundesverband der Deutschen Industrie, 1999; Marsch, U., Industrieforschung, 1999; Kiesewetter, H., Region und Industrie in Europa 1815-1995, 2000; Gall, L., Krupp, 2000; Gorißen, S., Vom Handelshaus zum Unternehmen, 2002

Industriekammer

Lit.: Bibliographie zur Geschichte und Organisation der Industrie- und Handelskammern, hg. v. Ernst, S., 1986; Kaltenhäuser, K., Möglichkeiten und Perspektiven einer Organisation der Wirtschaftsverwaltung, 1998

infam -> Infamie

Infamie ist die mit gewissen Handlungen verbundene Rechtsfolge des Verlustes der bürgerlichen -> Ehre im älteren Recht. Im römischen Recht ziehen Kuppelei, Lohnkampf mit Tieren, Schauspielerei, Doppelehe, Wucher, Häresie, Ausstoßung aus dem Heer die I. (Verlust der bürgerlichen Ehre) nach sich. Die Kirche setzt seit 419 auf die schuldhafte Aufgabe des christlichen Gesetzes und die Missachtung kirchlicher Vorschriften (Sakrileg, Grabfrevel, Zauberei, Giftmischerei, Ehebruch, Blutschande, Meineid, Diebstahl, Raub, Mord) die I. (Weihehindernis, Zeugnisunfähigkeit usw.). Im weltlichen Recht schließen einzelne deutsche Reichsgesetze von einzelnen Rechten aus (1512 Ehrlose vom Notariat, 1577 Zöllner, Müller, Bader usw. von Zünften, 1577 Bankrotteure). Ein Überrest der I. ist die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte im deutschen Reichsstrafgesetzbuch von 1871. Nach Aufhebung der Vorschriften zum 1. 4. 1970 sieht § 45 StGB nur noch eine eingeschränkte Aberkennung von Rechten vor.

Lit.: Kaser §§ 13 III, 36 III, 82 II; Mühlebach, A., Die Infamie in der decretalen Gesetzgebung, 1923; Löbmann, B., Der kanonistische Infamiebegriff, 1956; May, G., Die Anfänge der Infamie im kanonischen Recht, ZRG KA 47 (1961), 77; Landau, P., Die Entstehung des kanonistischen Infamiebegriffs, 1966

infans (lat. [M.]) ist im römischen Recht das -> Kind, das die für rechtliche Folgen bedeutsamen Wörter noch nicht sprechen kann, im spätrömischen Recht das Kind bis zur Vollendung des siebenten Lebensjahres. Der i. kann kein Rechtsgeschäft tätigen und keine ersatzpflichtige Handlung (Delikt) begehen.

Lit.: Kaser § 14 I 1; Köbler, LAW

Inflation ist die Erhöhung des nominalen Wertes einer Geldeinheit. Eine geringfügige I. ist ein Kennzeichen fast aller Zeiten der Geldwirtschaft. In der I. im -> Deutschen Reich nach dem Ersten Weltkrieg ist im November 1923 ein Dollar 4200000000 Mark wert. Eine derartige I. hat unmittelbare Auswirkung auf alle wirtschaftlichen und rechtlichen Verhältnisse.

Lit.: Köbler, DRG 224; Redlich, F., Die deutsche Inflation des frühen 17. Jahrhunderts, 1972

Infortiatum (lat. [N.]) -> Digestum infortiatum

Lit.: Wouw, H. van de, Zur Textgeschichte des Infortiatum, Ius commune 11 (1984), 231

Ingelheim am mittleren Rhein ist Sitz eines vielleicht aus einem ehemaligen Reichsvogteigericht hervorgegangenen, seit 1366 bezeugten -> Oberhofes, dessen erhaltene Aufzeichnungen mehr als 3000 Urteile zwischen 1398 und 1464 überliefern.

Lit.: Loersch, H., Der Ingelheimer Oberhof, 1885; Die älteren Urteile des Ingelheimer Oberhofes, hg. v. Erler, A., Bd. 1ff. 1952ff.; Kornblum, U., Das Beweisrecht des Ingelheimer Oberhofes, 1960; Gudian, G., Ingelheimer Recht im 15. Jahrhundert, 1968; Schmitz, H., Pfalz und Fiskus Ingelheim, 1974; Zwerenz, R., Der Rechtswortschatz der Urteile des Ingelheimer Oberhofes, Diss. jur. Gießen 1988; Fuhrmann, J., Theorie und Praxis in der Gesetzgebung des Spätmittelalters in Deutschland, 2001

Ingolstadt an der Donau wird 806 bezeugt. Um 1250 ist es Stadt. 1472 wird es Sitz einer 1800 nach Landshut und 1826 nach München verlegten -> Universität.

Lit.: Ingolstadt, hg. v. Müller, T. u. a., Bd. 1ff. 1974ff.

Inhaberpapier ist ein -> Wertpapier, bei dem das verbriefte Recht grundsätzlich von jedem Inhaber geltend gemacht werden kann. Es fehlt dem Altertum, von bescheidenen Ansätzen abgesehen, ganz, erscheint aber seit dem 9. Jh. vor allem in Gebieten langobardischen Rechts in Italien und ist im Mittelalter als Möglichkeit der Übertragung von Rechten und der Vertretung verbreitet. In Sachsen tritt 1763 die Inhaberschuldverschreibung auf. Seit dem -> Allgemeinen Landrecht (Preußen 1794) finden sich gesetzliche Regelungen.

Lit.: Hübner; Brunner, H., Zur Geschichte des Inhaberpapieres in Deutschland, ZHR 23 (1978), 225; Brunner, H., Das französische Inhaberpapier, 1879

in integrum restitutio (F.) (lat.) ist im römischen Recht in verschiedenen Fällen (z. B. Zwang) die vom Prätor gewährte -> Wiedereinsetzung in den früheren Stand, mit welcher die eingetretenen Wirkungen des Geschäfts durch besondere Klagen wieder beseitigt werden sollen. Eine vom Richter durchgeführte i. i. r. bewirkt die (lat.) -> actio (F.) quod metus causa, die den bestraft, der die Wiedergutmachung verweigert.

Lit.: Kaser § 8 IV

in iure cessio (F.) (lat.) ist die im römischen Recht als Umgehung schwerfälliger Formalakte im Wege eines Scheinverfahrens mögliche Übertragung, Abtretung oder Aufhebung bestimmter Rechte auf der Gerichtsstätte.

Lit.: Kaser § 7 II; Söllner §§ 8, 9, 18; Köbler, DRG 21, 25, 40

iniuria (lat. [F.]) ist im römischen Recht das Unrecht (in der Form der Personenverletzung). Nach altrömischem Recht soll neben Gliedzerreißen und Beinbrechen jedes sonstige Unrecht (i.) mit der Leistung von 25 Pfund Kupfer ausgeglichen werden. Im klassischen römischen Recht wird die i. zu einem Tatbestand erweitert, der jede bewusste Missachtung der Persönlichkeit in Wort oder Tat (-> Körperverletzung) eines anderen erfasst. Rechtsfolge ist ein durch Schätzung zu ermittelnder Geldausgleich. Im spätantiken römischen Recht ist i. ein Straftatbestand (Ehrverletzung) und eine Deliktsobligation (Persönlichkeitsmissachtung).

Lit.: Söllner §§ 5, 8, 10; Köbler, DRG 27, 48, 65; Köbler, LAW; Völkl, A., Die Verfolgung der Körperverletzung im frühen römischen Recht, 1984

Inkorporation ist die Eingliederung einer kirchlichen -> Körperschaft in eine andere. Sie entwickelt sich seit dem Ende des 11. Jh.s (Benediktinerorden) und wird im 13. Jh. voll ausgebildet. Mit der I. gehen die Rechte an der bisherigen kirchlichen Körperschaft (z. B. Kirche) auf eine andere kirchliche Körperschaft (z. B. Kloster) über, ohne dass die Rechtspersönlichkeit der inkorporierten Körperschaft endet. In der Neuzeit wird die I. wegen der mit ihr gegebenen Zerstörung der kirchlichen Ordnung zurückgedrängt (Trient 1545-63).

Lit.: Hinschius, P., Zur Geschichte der Inkorporation und des Patronatsrechts, 1873; Lindner, D., Die Lehre von der Inkorporation, 1951

Innehabung (lat. [F.] detentio) ist im römischen Recht eine nur schwach geschützte Beziehung eines Menschen zu einer Sache, welche den Innehaber schlechter stellt als den Besitzer beim Besitz (lat. [F.] possessio). Bloße Innehaber sind alle nicht besonders begünstigten Fremdbesitzer (z. B. Verwahrer, Entleiher, Beauftragter, Geschäftsführer ohne Auftrag, Werkunternehmer, Mieter, Pächter). Ihnen steht kein -> Besitzschutz zu. Die I. ist im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) aufgegeben.

Lit.: Kaser § 19 V

Innerösterreich ist die im Spätmittelalter (1379-1463) und in der frühen Neuzeit (1564-1619) infolge von Erbteilungen des Hauses -> Habsburg entstehende Gebietseinheit (Steiermark, Kärnten, Krain, Görz, Gradiska, Windische Mark), die auch später noch als eigene Verwaltungseinheit behandelt wird.

Lit.: Wolf, A., Die Aufhebung der Klöster in Innerösterreich 1782-1790, 1871, Neudruck 1971; Schulze, W., Landesdefension und Staatsbildung, 1973; Thiel, V., Die innerösterreichische Zentralverwaltung 1564-1749, AÖG 105 (1916), 111

inn of court ist die Innung der Juristen des englischen Rechts, die sich unabhängig von den Universitäten im 14. und 15. Jh. ausbildet (z. B. Clifford’s Inn, Gray’s Inn, Lincoln’s Inn, Inner Temple).

Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 3. A. 1990, 197

inn of court ist die Ausbildungsstätte für den englischen Juristen (Anwalt). Sie entsteht daraus, dass im Mittelalter Schreiber (clerk) und Schüler (apprentice at law) gemeinsam in Häusern der westlichen Vororte Londons leben. In der Mitte des 14. Jh.s wird dort ein praktischer Rechtsunterricht sichtbar. Von den etwa 20 bekannten inns setzen sich bis etwa 1420 vier inns of court durch (Inner Temple, Middle Temple der Templer [vor 1388], Gray´s Inn, Lincoln´s Inn [1417?]).

Lit.: Palmer, R., The Origins of the Legal Profession, 1976; Richardson, W., A History of the Inns of Court, 1978; Thorne, S., The early History of the Inns of Court, 50 Graya 79; Ives, E., The Common Lawyers of pre-Reformation England, 1983; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 3. A. 1990; Baker, J., The Common Law Tradition, 2000; Baker, J., Readers and Readings in the Inns of Court and Chancery, 2001

Innominatkontrakt ist der im spätantiken römischen Recht entstehende, der (lat.) actio (F.) praescriptis verbis (Klaganspruch der vorgeschriebenen Worte) zugewiesene sog. unbenannte Vertrag. Bei dem I. erbringt jemand eine Leistung und soll deshalb eine Gegenleistung erhalten, obwohl er an sich die Rückgabe erreichen kann. Die vier Fälle des Innominatkontraktes sind (lat.) do, ut des (ich gebe, damit du gibst), do, ut facias (ich gebe, damit du tust), facio, ut des (ich tue, damit du gibst) und facio, ut facias (ich tue, damit du tust).

Lit.: Kaser §§ 33 I 2, 38 III 3, 45; Köbler, DRG 64; Bucher, E., Der Trödelvertrag, in: Innominatverträge, 1988, 95

Innozenz III. (Lothar von Segni) (Gavignano bei Segni 1160/1 - Perugia 16. 7. 1216), Grafensohn, wird 1198 Papst und sichert die Stellung des Papstes durch bedeutsame Dekretalen (z. B. Venerabilem).

Lit.: Laufs, M., Politik und Recht bei Innozenz III., 1980; Rainer, J., Innocenz III. und das römische Recht, RHM 25 (1983), 15; Sayers, J., Innocent III., 1994; Papst Innozenz III., hg. v. Frenz, T., 1999; Pope Innocent III and his World, ed. Moore, J., 1999

Innozenz IV. (Sinibaldo Fieschi) (Genua um 1195 - Neapel 7. 12. 1254) wird nach dem Rechtsstudium in Bologna (Johannes Teutonicus, Azo, Accursius) und kirchlichen Tätigkeiten 1243 im ersten Konklave der Geschichte Papst. Die von ihm erlassenen, in drei Sammlungen zusammengefassten Dekretalen stehen zwischen (lat.) -> Liber (M.) extra (1234) und (lat.) -> Liber (M.) sextus (1298). Um 1250 veröffentlicht er einen maßgeblichen Kommentar zum Liber extra (lat. Apparatus [M.] in quinque libros decretalium, Kommentar zu den fünf Büchern der Dekretalen). Mit der Dekretale „Romana ecclesia“ (1245) verbessert er die kirchliche Gerichtsbarkeit. Dogmatisch fördert er die Rechtsfiguren der -> juristischen Person (lat. persona [F.] ficta), des -> gerechten Krieges (lat. bellum [N.] iustum) und die Fortbildung der Reservatrechte und Dispensrechte des Papstes.

Lit.: Legendre, P., La Pénétration du droit romain dans le droit canonique, Diss. jur. Paris 1964; Juristen, hg. v. Stolleis, M., 1995, 313

Innsbruck (1167/83 erstmals genannt) am mittleren Inn in -> Tirol ist seit 1669 Sitz einer von der Gegenreformation geprägten Universität. 1490 wird die erste moderne Postverbindung von I. nach Mecheln (Brüssel) eingerichtet.

Lit.: Wretschko, A. v., Die Geschichte der juristischen Fakultät an der Universität Innsbruck 1671-1904, FS für den deutschen Juristentag 1904, 101; Munzel, O., Die Innsbrucker Handschrift des Kleinen Kaiserrechts, 1974; Oberkofler, G./Goller, P., Geschichte der Universität Innsbruck (1869-1945), 2. A. 1996; Lichtmannegger, S., Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Universität Innsbruck 1945–1955, 1999; Goller, P. u. a., Universität Innsbruck. Entnazifizierung und Rehabilitation von Nazikadern (1945-1950), 2003

Innung ist der freiwillige Zusammenschluss selbständiger Gewerbetreibender eines bestimmten Bezirkes zur Förderung der gemeinsamen gewerblichen Interessen. Das im 13. Jh. erscheinende Wort findet sich vor allem im mittleren Deutschland. Im 19. Jh. wird nach Aufhebung des Zunftzwangs mit der Gewerbeordnung vom 21. 6. 1869 auf Drängen der Handwerker die I. wieder eingerichtet.

Lit.: Eberstadt, R., Der Ursprung des Zunftwesens, 1900; Luther, R., Gab es eine Zunftdemokratie?, 1968

Innviertel ist die zwischen Salzach, unterem Inn, Donau und Salzburg gelegene Landschaft. Sie fällt 1779 von Bayern an -> Österreich.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon

Inoue, Kowashi (1843-1895) wird nach dem Studium in Tokio Beamter im Justizministerium Japans. Nach Aufenthalten in Frankreich und Deutschland (Berlin) übersetzt er die Verfassung Preußens und setzt sich für eine (aufgeklärte) Verfassung Japans nach dem Muster Preußens bzw. des Deutschen Reiches ein (Meiji-Verfassung vom 11. 2. 1889).

Lit.: Meiji-kokka keisei to Inoue Kowashi, hg. v. Goin-bunko kenkyûkai, 1992

Inquisition ist allgemein die Untersuchung, besonders das geistliche Gericht zur Verfolgung der Ketzer. Die Ketzer bekämpft die Kirche schon im ausgehenden Altertum durch Verbote der Gottesdienste, Enteignung der Güter und Androhung der Todesstrafe. Seit 1215/1231/1252 werden besondere Inquisitoren (Untersucher) eingesetzt (z. B. 1227 Konrad von Marburg). Hieraus entwickelt sich wohl der -> Inquisitionsprozess, dessen erste Formen in Oberitalien im 13. Jh. sichtbar werden. In ihm hat der Richter im Beisein von mindestens zwei Schöffen die Wahrheit durch I. (Untersuchung, Befragung) zu ermitteln, wozu er den Angeschuldigten in Haft nehmen kann. Zur Erlangung eines Geständnisses darf die -> Folter (1252) angewandt werden. Die I. verschwindet im Heiligen Römischen Reich nach der Reformation und endet im übrigen mit der Aufklärung (Frankreich 1772, Spanien 1808/34, Portugal 1820, Italien 1808/59).

Lit.: Köbler, DRG 118, 156; Lea, H., Geschichte der Inquisition im Mittelalter, Neudruck 1997; Hansen, J., Zauberwahn, Inquisition und Hexenwahn im Mittelalter, 1900, Neudruck 1964, 1983; Guiraud, J., Histoire de l’Inquisition au Moyen-Age, 1935; Leiber, R., Die mittelalterliche Inquisition, 1963; Vermaseren, B., Een bibliografie over de inquisitie, TG 77 (1964), 472; Peters, E., Inquisition, 1988; Die Anfänge der Inquisition im Mittelalter, hg. v. Segl, P., 1993; Lemm, R., Die spanische Inquisition, 1996; Seifert, P./Pawlik, M., Das Buch der Inquisition, 1999; Inquisition – Index – Zensur, hg. v. Wolf, H., 2001; Edwards, J., Die spanische Inquisition, 2003

Inquisitionsbeweis ist im Mittelalter der Beweis durch eine Untersuchung. Der I. findet sich in merowingischen und karolingischen Quellen.

Lit.: Brunner, H., Zeugen und Inquistionsbeweis der karolingischen Zeit, 1865

Inquisitionsprinzip -> Untersuchungsgrundsatz

Lit.: Sellert, W., Die Bedeutung und Bewertung des Inquisitionsprinzips, FS H. Scupin, 1983, 161

Inquisitionsprozess ist der durch die amtliche Verfolgung und Untersuchung gekennzeichnete Strafprozess. Es ist streitig, ob der I. in Deutschland unabhängig von fremden Einflüssen entstanden oder durch kirchlich-oberitalienische Anregungen veranlasst ist. Jedenfalls zeigen sich schon seit dem 12. Jh. verschiedene Ansätze zur öffentlichen Klage in peinlichen Sachen. So werden etwa bestimmte Menschen verpflichtet, Unrechtsgeschehnisse im Gericht zu rügen. -> Landschädliche Leute (lat. nocivi [M.Pl.] terrae) sollen öffentlich verfolgt und wie handhafte Täter durch den Eid des Verletzten und seiner sechs Eidhelfer überführt werden. In der Kirche fügt Papst -> Innozenz III. in ein kirchliches Disziplinarverfahren den von Amts wegen zu erhebenden Beweis der Wahrheit ein und werden Ketzer seit 1231/2 durch besondere Inquisitoren (Untersucher) bekämpft. Überhaupt wird das Verfahren vor allem auch in den Städten allmählich zu einem einseitigen Verfahren des (öffentlichen) Richters gegen den Verdächtigen, in welchem der -> Richter zur Unrechtsverfolgung verpflichtet ist und sich selbst über die erheblichen Tatsachen unterrichten muss. Ziel dieser Verfolgungen ist die unbedingte Sühnung von Unrecht, weshalb es stärker als zuvor auf die Ermittlung der tatsächlichen Wahrheit ankommt. Als ihr sicherster Beweis gilt das Geständnis. Um das -> Geständnis zu erreichen, darf der verdächtige Beschuldigte durch den Richter und die Folterknechte sowie gegebenenfalls zwei Schöffen der von der Antike bekannten und von daher auch wohl im Frühmittelalter gegenüber Unfreien verwandten -> Folter durch Gefängnis, Schläge, Hunger, Kälte und andere Mittel (Daumenschrauben, Strecken) ausgesetzt werden. Nach dem Geständnis in der Untersuchung beginnt das eigentliche öffentliche Verfahren (sog. -> endlicher Rechtstag), in welchem nach der Anklageerhebung der Richter den Beweis der Tat durch das Geständnis oder das Zeugnis zweier Schöffen über das Geständnis führt, am Ende das Urteil verliest und den Stab über den Angeklagten bricht. Im 19. Jh. wird der etwa in der -> Constitutio Criminalis Carolina (1532) ausführlich geregelte, nunmehr als rechtsstaatswidrig angesehene I. allgemein aufgegeben und nur noch vereinzelt (Mecklenburg, Schleswig-Holstein, Hansestädte) bis zur Reichsstrafprozessordnung von 1877/9 fortgeführt.

Lit.: Köbler, DRG 86, 256; Biener, F., Beiträge zur Geschichte des Inquisitionsprozesses, 1827, Neudruck 1965; Allmann, I., Außerordentliche Strafe und Instanzentbindung, Diss. jur. Göttingen 1903; Alfred, K., Die Lehre vom corpus delicti, 1933; Schmidt, E., Der Inquisitionsprozess, FS H. v. Weber, 1964, 33; Henschel, F., Die Strafverteidigung im Inquisitionsprozess, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1972; Trusen, W., Der Inquisitionsprozess, ZRG KA 74 (1988), 168; Die Anfänge der Inquisition, hg. v. Segl, P., 1993

Inquisitionsverfahren -> Inquisition, Inquisitionsprozess

insidia (F.) verborum (lat.) Prozessgefahr (durch Versprechen oder Verlesen)

Insignien (N.Pl.) Zeichen (von Würde oder Macht) -> Reichinsignien, Reichskleinodien

Insinuation (F.) Bekanntgabe, Vorlage, Zustellung

Insolvenz ersetzt mit dem Ziel der Wahrung wirtschaftlicher Werte in Deutschland zum 1. 1. 1999 den Konkurs.

Lit.: Kroppenberg, I., Die Insolvenz im klassischen römischen Recht, 2001

Instanz ist die zuständige Stelle. Im -> Inquisitionsprozess gibt es die besondere -> Instanzentbindung. Im Verhältnis mehrerer Instanzen zueinander besteht der -> Instanzenzug.

Instanzentbindung (absolutio [F.] ab instantia [lat.]) ist die im mittelalterlichen Italien (12. Jh., Johannes Andreae) entwickelte, seit 1648 (Brunnemann, Tractatus iuridicus de inquisitionis processu, Rechtliche Abhandlung über den Inquisitionsprozess) im deutschen Strafverfahrensrecht aufgenommene, vorläufige Beendigung eines Verfahrens aus Mangel an Beweisen mit der jederzeitigen Möglichkeit des Neubeginns. Von der Aufklärung bekämpft, wird die I. (seit der französischen Revolution von 1789) auch in Deutschland in der Mitte des 19. Jh.s eingeschränkt (Württemberg 1843) oder aufgegeben (Baden 1845, allgemein 1877/1879). Ihre Aufgabe übernimmt die Einstellung des Verfahrens.

Lit.: Allmann, J., Außerordentliche Strafe und Instanzentbindung, 1903; Holtappels, P., Die Entwicklung des Grundsatzes „in dubio pro reo“, 1965; Schmoeckel, M., Humanität und Staatsraison, 2000

Instanzenzug ist eine Mehrheit von hierarchisch gestuften behördlichen oder gerichtlichen Instanzen (Stellen). Nach Ansätzen im römischen Altertum entwickelt sich der I. mit der Ausbildung des Staates seit dem Spätmittelalter. Allgemein wird ein vierstufiger I. der Gerichtsbarkeit in Österreich unter Joseph II. (1780-90) (Ortsgericht, Kreisamt, Appellationsgericht, Oberste Justizstelle) und im Deutschen Reich 1877/9 (Amtsgericht, Landgericht, Oberlandesgericht, Reichsgericht) geschaffen.

Lit.: Köbler, DRG 154; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954

institor (lat. [M.]) ist im römischen Recht der Geschäftsführer, für dessen Schulden der Geschäftsherr haftet. Umgekehrt erhält der Unternehmer aus den Forderungen, die sein gewaltfreier kaufmännischer Angestellter erwirbt, eine (lat.) -> actio (F.) utilis.

Lit.: Kaser § 11

Institut (N.) ist seit dem 18. Jh. die Einrichtung.

Lit.: Popp, H., Die nationalsozialistische Sicht einiger Institute des Zivilprozess- und Gerichtsverfassungsrechts, 1986

Institutes of the Laws of England (Einrichtungen der Gesetze Englands) ist der Titel des Hauptwerkes von Sir Edward -> Coke (1551-1633). Der erste Teil der I. o. t. L. o. E. ist ein gründlicher Kommentar zu -> Les Tenures von Sir Thomas -> Littleton (1480). Die Teile 2 bis 4 betreffen ältere statutes, Strafrecht und Gerichtsverfassung.

Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 3. A. 1990

Institutionen ist schon im klassischen römischen Recht die Bezeichnung für die (Lehrbücher über die) Einrichtungen des Rechts. Als I. geführt wird das (lat. [M.Pl.]) commentarii betitelte elementare, von den Zeitgenossen kaum gewürdigte Einführungswerk in (4 Büchern und) insgesamt 98 Titeln des Gaius (159?, 161 n. Chr.), welches die grundlegende systematische, der griechischen Gegenüberstellung von Menschen (Personen) und Sachen folgende Einteilung des Rechtsstoffes in (lat.) personae (F.Pl.), res (F.Pl.), actiones (F.Pl.) überliefert und das römische Zivilverfahren am klarsten darstellt. Unter dem oströmischen Kaiser -> Justinian erscheint 533 ein ebenfalls in vier Bücher geteiltes, auf Gaius gegründetes amtliches Einführungsbuch I. (lat. [F.Pl.] institutiones) (, aus dem nach Buch, Titel und Paragraph zitiert wird, z. B. I. 2,1,30). In Parallele hierzu werden vor allem im 19. Jh. unter dem Titel I. auch Lehrbücher (zum römischen Recht) bzw. unter dem Titel I. des deutschen Privatrechts auch Lehrbücher zum deutschen Privatrecht vorgelegt.

Lit.: Söllner §§ 12, 16, 22; Köbler, DRG 30, 54; Heus­ler, A., Institutionen des deutschen Privatrechts, Bd. 1f. 1885f.; Sohm, R./Mitteis, L./Wenger, L., Institutionen. Geschichte und System des römischen Privatrechts, 17. A. 1923, Neudruck 1949; Seckel, E./Kübler, B., Gai institutionum commentarii quattuor, 8. A. 1939; Luig, K., Institutionenlehrbücher des nationalen Rechts im 17. und 18. Jahrhundert, Ius commune 3 (1970), 64; Wieacker, F., Griechische Wurzeln des Institutionensystems, ZRG RA 70 (1973), 93; Institutionen, übers. v. Behrends, O. u. a., 2. A. 1999; Meincke, J., Die Institutionen Iustinians, JZ 1997, 14; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Institutionen und Ereignis, hg. v. Blänkner, R. u. a., 1998

Institutionensystem ist das im späten Naturrecht (Pufendorf, Dabelow, Nettelbladt) den privatrechtlichen Stoff nach dem Vorbild der -> Institutionen des Gaius in Personen, Sachen, Klagansprüche einteilende System. Es wird im 19. Jh. (-> Heise 1807) vom -> Pandektensystem abgelöst.

Lit.: Köbler, DRG 206; Schwarz, A,. Zur Entstehung des modernen Pandektensystems, ZRG GA 42 (1921), 578; Wieacker, F. Griechische Wurzeln des Institutionensystems, ZRG RA 70 (1953), 93

Instruktionsmaxime ist im Strafverfahrensrecht der Grundsatz, dass sich der Richter selbst über die erheblichen Tatsachen unterrichten muss.

Lit.: Köbler, DRG 117

instrumenta (N.Pl.) dotalia (lat.) ist im spätrömischen Recht die Mitgifturkunde.

Lit.: Kaser §§ 58, 59

instrumentum (lat. [N.]) Urkunde, Zubehör, Notariatsinstrument

Lit.: Kaser § 7; Köbler, DRG 43

Integrationslehre ist die von Rudolf -> Smend (1882-1975) begründete Lehre vom in der Integration bestehenden Wesen des -> Staates.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Blessing, W., Staatsintegration als soziale Integration, Z. f. bay. LG. 41 (1978), 633

intentio (lat. [F.]) ist im römischen Zivilprozessrecht der erste Satz der Klagformel (z. B. Si paret Numerium Negidium Aulo Agerio sestertium x milia dare oportere, wenn sich ergibt, dass N. N. dem A. A. 10000 Sesterzen geben muss).

Lit.: Kaser § 83 I 3a; Söllner § 9

inter armas silent leges (lat.). Wo die Waffen sprechen, schweigen die Gesetze.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991 (Cicero, 106-43 v. Chr., Silent leges inter arma.)

intercessio (lat. [F.]) ist im römischen Schuldrecht das Dazwischentreten im Sinne des Eingehens von Verbindlichkeiten im Interesse Dritter (z. B. Bürgschaft, Darlehen, Verpfändung). Ein (lat.) -> senatusconsultum (N.) Vellaeanum aus der Mitte des 1. Jh.s n. Chr. verbietet Frauen die i. Es begründet eine Einrede gegenüber einer aus dem an sich gültigen Rechtsgeschäft erhobenen Forderung. Das Verbot der i. wird mit der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter übernommen, seit dem 19. Jh. aber aufgegeben.

Lit.: Kaser § 57 V; Söllner § 6; Köbler, DRG 44; Mönnich, U., Frauenschutz vor riskanten Geschäften, 1999

interdictio (lat. [F.]) Untersagung (z. B. im mittelalterlichen Kirchenrecht die I. des Rechts auf geistliche Güter oder der Vornahme einer kirchlichen Handlung)

Lit.: Krehbiel, E., The Interdict, 1909

interdictum (lat. [N.]) ist im römischen Recht ein Verbot des Prätors zur Sicherung von Rechtslagen.

Lit.: Söllner § 9; Köbler, DRG 25, 33, 40

interdictum (N.) de arboribus caedendis (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz bei Entfernung von Überhang.

Lit.: Kaser § 23 III 1

interdictum (N.) de glande legenda (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz beim Einsammeln von Früchten.

Lit.: Kaser § 23 III 2

interdictum (N.) de migrando (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz des Wohnungsmieters beim Verlassen der Wohnung.

Lit.: Kaser § 31 III 6

interdictum (N.) de precario (lat.) ist im römischen Recht der Befehl zur Rückgabe einer aus der Bittleihe (lat. [N.] precarium) erlangten Sache.

Lit.: Kaser § 21 II 2

interdictum (N.) de vi armata (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz gegen Störung des Besitzes mit Waffengewalt.

Lit.: Kaser § 21 II 2

interdictum (N.) quam hereditatem (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz zwecks Herausgabe einer Erbschaft gegen einen die Einlassung auf die Erbschaftsherausgabeklage verweigernden Erbschaftsbesitzer.

Lit.: Kaser § 75 I 4

interdictum (N.) quem fundum (lat.) ist im römischen Recht der Befehl zur Herausgabe eines Grundstückes, das ein Kläger herausverlangen will, an jeden, der das Grundstück besitzt oder den Besitz arglistig aufgegeben hat.

Lit.: Kaser § 27 I 5

interdictum (N.) quem usumfructum (lat.) ist im römischen Recht der Befehl, sich auf eine Klage zum Schutz des Fruchtziehungsrechtes einzulassen.

Lit.: Kaser § 29 I 5

interdictum (N.) quod vi aut clam ist im römischen Recht der Rechtsschutz gegen heimliche oder gewaltsame Arbeiten auf einem Grundstück.

Lit.: Kaser § 23 III 9

interdictum (N.) quorum bonorum (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz des Erbschaftsbesitzers.

Lit.: Kaser § 75 II

interdictum (N.) Salvianum (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz des Verpächters bei der besitzlosen Verpfändung von Inventar eines Pächters an den Verpächter.

Lit.: Kaser § 31 III 6a

interdictum (N.) unde vi (lat.) ist das Besitzstörungsverfahren gegen gewaltsame Eindringlinge.

interdictum (N.) uti possidetis ist im römischen Recht der Rechtsschutz gegen den fehlerhaften Besitzer eines Grundstücks.

Lit.: Kaser §§ 21 II 1a, 32 III 4

interdictum (N.) utrubi (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz gegen den fehlerhaften Besitzer einer beweglichen Sache.

Lit.: Kaser § 21 II 1b

Interdikt -> interdictio, -> interdictum

Interdiktenbesitz ist im römischen Recht der nach prätorischem Recht gegen eigenmächtige Entziehung oder Störung durch ein (lat. [N.]) -> interdictum geschützte -> Besitz (lat. [F.] possessio). I. haben Eigenbesitzer, Erbpächter, Prekarist, Pfandgläubiger und Sequester.

Lit.: Kaser § 19 IV

Interesse ist der Umfang eines zu ersetzenden Schadens. Das I. geht auf die römischrechtliche Wendung (lat.) quod interest zurück. Im 20. Jh. (-> Interessenjurisprudenz) ist I. auch die bloße Zielsetzung oder Begehrensdisposition eines abstrakt oder konkret Beteiligten.

Lit.: Söllner § 9; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 305; Wieling, J., Interesse und Privatstrafe, 1970; Honsell, H., Herkunft und Kritik des Interessebegriffs, JuS 1973, 69

Interessenjurisprudenz ist eine methodische Richtung in der Rechtswissenschaft, die davon ausgeht, dass wegen der Lückenhaftigkeit der Rechtsordnung der Richter sein Urteil nicht logisch ableiten kann, sondern als wertende Entscheidung eines Konfliktes abgeben muss. Sie geht auf (Ihering und) den Tübinger Rechtshistoriker und Privatrechtler Philipp -> Heck (Gesetzesauslegung und Jurisprudenz, 1914) zurück. Heck stellt dabei auf den sozialen Konflikt der in den einzelnen Fällen beteiligten Interessen ab. Der Richter habe sich zunächst der vom Gesetzgeber in den gesetzlichen Regeln abstrakt gefassten Entscheidungen der Konflikte und der dabei getroffenen Wertungen der beteiligten Interessen oder Begehrensdispositionen zu bedienen. Erst dann, wenn er keine (analog) anwendbare abstrakte Interessenbewertung auffinde, dürfe er selbst so entscheiden, wie der Gesetzgeber vermutlich entscheiden würde.

Lit.: Köbler, DRG 228; Heck, P., Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, 1932; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967; Edelmann, J., Die Entwicklung der Interessenjurisprudenz, 1967; Kallfass, W., Die Tübinger Schule der Interessenjurisprudenz, 1972; Schoppmeyer, H., Juristische Methode als Lebensaufgabe, 2001

Interlinearglosse (F.) zwischen den Zeilen eingetragene Erklärung (Glosse)

Internationale kriminalistische Vereinigung ist eine von Franz von -> Liszt begründete Vereinigung von Strafrechtlern (1889-1933).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Bellmann, E., Die Internationale Kriminalistische Vereinigung, 1994

Internationaler Gerichtshof ist der als Nachfolger des ständigen Internationalen Gerichtshofes des Völkerbundes gegründete Gerichtshof der Vereinten Nationen mit Sitz in Den Haag und einer Besetzung durch 15 hauptamtliche Richter.

Lit.: Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, § 50 VI; Fifty Years of the International Court of Justice, hg. v. Lowe, V., 1996

Internationaler Strafgerichtshof ist der durch Vertrag als Folge der Kriegsverbrecherprozesse gegen Deutsche, Ruander und Jugoslawen 1998 vereinbarte Strafgerichtshof für Kriegsverbrechen.

Lit.: Ferencz, B., Von Nürnberg nach Rom, 1998; Ahlbrecht, H., Geschichte der völkerrechtlichen Strafgerichtsbarkeit, 1999

internationales Privatrecht ist das Sachverhalte mit Auslandsberührung betreffende staatliche Privatrecht. Das römische Recht bietet hierzu nur wenige Ansätze. Nach dem frühmittelalterlichen, auf das jeweilige Volk bezogenen Personalrecht gilt zu Beginn der Territorialisierung des Rechtes der Grundsatz des Ortsrechts (lat. lex [F.] loci) des entscheidenden Richters, den -> Accursius (1228) und -> Azo mit römischen Quellenbelegen rechtfertigen. Unter den Kommentatoren (Jacobus Balduini, Albericus de Rosate) wird dies auf das Verfahrensrecht eingeschränkt, das materielle Recht dagegen hiervon ausgenommen und besonderen Kollisionsnormen oder Verweisungsnormen unterworfen, welche auf der Grundlage der römischrechtlichen Gerichtsstandsregeln entwickelt werden. Demgegenüber setzt sich zu Beginn der Neuzeit die Statutentheorie (Bartolus, d’Argentré) durch, welche (lat.) statuta (N.Pl.) personalia, (lat.) statuta (N.Pl.) realia und (lat.) statuta (N.Pl.) mixta unterscheidet und damit in erster Linie auf das innerstaatliche Recht abstellt. Zu Beginn des 19. Jh.s bewirkt Savigny die Rückkehr zu den Kollisionsnormen d.h. dem für das einzelne Rechtsverhältnis maßgeblichen Recht (Sitz des Rechtsverhältnisses). Im ausgehenden 20. Jh. wird das einzelstaatliche internationale Privatrecht in Deutschland (25. 7. 1986), Österreich (1978) und der Schweiz (1989) neu gefasst.

Lit.: Köbler, DRG 274; Savigny, F., System des heutigen römischen Rechts, Bd. 1ff. 1840ff., Bd. 8 1849, Neudruck 1956; Neumayer, K., Die gemeinrechtliche Entwicklung des internationalen Privat- und Strafrechts bis Bartolus, 1901, Neudruck 1969; Gutzwiller, M., Der Einfluss Savignys auf die Entwicklung des Internationalprivatrechts, 1923; Gamillscheg, F., Der Einfluss Dumoulins auf die Entwicklung des Kollisionsrechts, 1955; Lorenz, E., Das Dotalstatut in der italienischen Zivilrechtslehre des 13. bis 16. Jahrhunderts, 1965; Hartwieg, O./Korkisch, F., Die geheimen Materialien zur Kodifikation, 1973; Kropholler, J., Internationales Einheitsrecht, 1975; Anhauser, V., Das internationale Obligationenrecht, 1986; Deutsches internationales Privatrecht im 16. und 17. Jahrhundert, Bd. 1f., hg. v. Bar, C. v. u. a., 1995ff.; Kleinschmidt, H., Geschichte der internationalen Beziehungen, 1998; Koskenniemi, M., The gentle civilizer of nations. The rise and fall of international law 1870-1960, 2001

Internierungslager (Freiheitsbeschränkungslager im Landes„inneren“)

Interparlamentarische Union ist eine 1888 in Paris gegründete nichtstaatliche internationale Vereinigung von Abgeordneten verschiedener Parlamente mit Sitz in Genf.

Lit.: Uhlig, R., Die Interparlamentarische Union 1889-1914, 1988

Interpolation ist die abändernde und damit wohl oft verfälschende Einschaltung von Wörtern oder Sätzen in den ursprünglichen Wortlaut eines Textes, insbesondere im Rahmen der die Schriften der klassischen Juristen verwertenden Gesetzgebungstätigkeit Justinians (z. B. Ersetzung von [lat. F.] mancipatio durch [lat. F.] traditio).

Lit.: Kaser § 1 II 3; Söllner §§ 3, 16, 24; Köbler, DRG 54; Kaser, M., Ein Jahrhundert Interpolationenforschung, SB. d. Akad. d. Wiss. Wien 1979

interpretatio (lat. [F.]) Auslegung, -> Interpretation

Interpretation ist die -> Auslegung von Gedankenerklärungen. Die juristische I. beginnt bereits im altrömischen Recht am Zwölftafelgesetz durch die Priesterschaft. Aus der ursprünglichen Geheimwissenschaft entwickelt sich nach der Veröffentlichung der zunächst nur den Priestern vertrauten Verfahrensformeln (304 v. Chr.) eine weltliche Rechtsunterweisung mit Aufsetzen von Formularen, Beratung und Gutachtenerteilung, deren Kern die I. ist. Mit der Aufnahme des römischen Rechts im Mittelalter wird auch die I. aufgenommen, wobei es am Beginn der Neuzeit im sog. (lat.) -> mos (M.) Gallicus um die bessere I. besserer Texte geht.

Lit.: Söllner §§ 7, 9; Köbler, DRG 31; Kaser, M./Schwarz, F., Die Interpretatio zu den Paulussentenzen, 1956; Behrend, O., Die fraus legis, 1982; Theorie der Interpretation vom Humanismus bis zur Romantik, hg. v. Schröder, Jan, 2001

Interregnum ist die zwischen (1250 bzw.) dem Aussterben der -> Staufer (1254) und der Wahl Graf Rudolfs von -> Habsburg zum deutschen König (1273) liegende Zeit, in welcher die Landesherren zu Lasten des Reiches erstarken. Das I. trennt Hochmittelalter und Spätmittelalter voneinander. Daneben ist I. auch allgemeiner die Zeit zwischen der Herrschaft eines Menschen und der Herrschaft seines Nachfolgers.

Lit.: Köbler, DRG 95; Triepel, H., Das Interregnum, 1892; Laroche, P., Das Interregnum und die Entstehung der schweizerischen Eidgenossenschaft, 1971; Moraw, P., Von offener Verfassung zu gestalteter Verdichtung, 1985; Kaufhold, M., Deutsches Interregnum und europäische Politik, 2000; Kaufhold, M., Interregnum, 2002

intertiatio (lat. [F.]) ist der Zug auf einen Gewähren im Frühmittelalter (6. Jh.). Danach muss, wenn sich bei Spurfolge der Besitzer einer abhandengekommenen beweglichen Sache auf seinen Gewähren (lat. tertia manus [F.]) beruft, der Spurfolger geloben, die Sache vor das Ding zu bringen, ehe er sie in Besitz nehmen darf. Beansprucht er außerhalb der Spurfolge die Sache, so muss der Besitzer schwören, dass er seinen Gewähren zum Ding bringen werde.

Lit.: Hübner, 437; Rauch, K., Spurfolge und Anefang, 1908

Interzession -> intercessio (lat. [F.])

Intestaterbe ist im römischen Recht der ohne -> Testament zur Erbfolge berufene Mensch. Dies ist der -> Hauserbe und danach der Außenerbe. Das dem altrömischen Recht folgende prätorische Recht fasst die prätorischen Erben in mehrere (4), hintereinander berufene Klassen zusammen. Dem I. entspricht später der gesetzliche Erbe.

Lit.: Kaser §§ 65, 66; Söllner § 12; Köbler, DRG 38; Merkel, J., Die Lehre von der successio graduum unter Intestaterben, 1876

introitus (lat. [M.]) Eintritt -> Immunität

Invaliditätsversicherung ist die in Deutschland 1884 zwecks Entschärfung sozialer Schwierigkeiten durch Gesetz geschaffene -> Sozialversicherung für den Fall der Arbeitsunfähigkeit. Zur Organisation werden besondere Versicherungsanstalten eingerichtet. Der Invalide erhält eine Rente.

Lit.: Stolleis, M., Die Sozialversicherung Bismarcks, in: Bedingungen für die Entstehung und Entwicklung von Sozialversicherung, 1979, 387; Rückert, J., Entstehung und Vorläufer der gesetzlichen Rentenversicherung, in: Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung, 1990, 1

Inventar (lat. [N.] inventarium) ist eine Gesamtheit von Gegenständen und ein über dieses geführtes Verzeichnis. Im spätantiken römischen Recht führt Justinian 531 die Wohltat des Inventars (lat. beneficium [N.] inventarii) ein, wonach derjenige, welcher innerhalb bestimmter Fristen ein Verzeichnis der Erbschaftsgegenstände erstellt, die Haftung für die Erbschaftsschulden auf die Nachlassgegenstände beschränken und damit von seinem bereits vor dem Erbfall vorhandenen Vermögen fernhalten kann. Mit der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter wird auch das I. in diesem Sinne aufgenommen.

Lit.: Kaser §§ 62 III, 74 II; Köbler, DRG 59; Mely, F. de/Bishop, E., Bibliographie générale des inventaires imprimés, Bd. 1ff. 1892ff.; Metz, W., Das karolingische Reichsgut, 1960; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 600

inventarium (lat. [N.]) -> Inventar

investitor (M.) Einkleider, Einweiser (Bologna 1057)

Investitur ist im Mittelalter die förmliche, die unsichtbaren Rechtsvorstellungen (z. B. Eigentum, Lehen) äußerlich sichtbar machende Bekleidung mit einem Amt oder einem Recht. Ob sie germanischer Herkunft ist, ist zweifelhaft. Lat. vestire, investire im Sinne des Bekleidens mit einem (an sich unsichtbaren) Recht scheint eher aus der spätantiken Kirche zu kommen. Auch das Verhältnis zu einem vorangehenden Geschehen (ahd. sala, lat. [F.] traditio) ist ungewiß. Als Symbole der den Übergang der -> Gewere bewirkenden I. werden Halm, Zweig, Scholle, Ring, Kreuz, Lanze, Fahne und anderes verwendet.

Lit.: Hübner 258, 366; Köbler, DRG 90; Köbler, LAW; Voser, P., Die altdeutsche Liegenschaftsübertragung, 1957; Köbler, G., Die Herkunft der Gewere, TRG 43 (1975), 195; Krieger, K., Die Lehnshoheit, 1979

investitura (lat. [F.]) Einkleidung, -> Investitur

Investiturstreit ist der aus -> Immunität und ottonischem -> Reichskirchensystem erwachsene, 1075 zwischen dem Salier Heinrich IV. und Papst Gregor VII. anlässlich der Besetzung des Erzbistums Mailand ausgebrochene Streit um die Bekleidung (-> Investitur) von Laien mit kirchlichen Ämtern (Bistümern, Abteien). Hier verbündet sich der Papst mit deutschen Fürsten gegen den König, doch gelingt diesem 1077 mit dem Reue bezeugenden Gang nach -> Canossa die Lösung vom Bann. Mit dem -> Wormser Konkordat kommt es 1122 zu einem vorläufigen Ausgleich.

Lit.: Hirsch, H., Klosterimmunität und Investiturstreit, 1913; Tellenbach, G., Libertas, 1936; Investiturstreit und Reichsverfassung, hg. v. Fleckenstein, J., 1973; Schieffer, R., Die Entstehung des päpstlichen Investiturverbotes, 1981; Blumenthal, U., Der Investiturstreit, 1982; Hartmann, W., Der Investiturstreit, 2. A. 1996; Goez, W., Kirchenreform und Investiturstreit, 1996; Golinelli, P., Mathilde und der Gang nach Canossa, 1998; Goez, W., Kirchenreform und Investiturstreit 910-1122, 2000

Inzest (M.) Blutschande

Lit.: Mikat, P., Die Inzestgesetzgebung der merowingisch-fränkischen Konzilien, 1994; Siebert, M., Das Inzestverbot, Diss. jur. Berlin 1996, 1998; Siegel, E., Inzest, 1999

Inzichtverfahren ist im Mittelalter ein zwischen Zivilverfahren und Strafverfahren stehendes besonderes Leumundsverfahren, das seit dem 16. Jh. im -> Inquisitionsprozess aufgeht.

Lit.: Müller, R., Studien zum Inzichtverfahren, 1939, Neudruck 1970

ipso iure compensatur (durch das Recht selbst wird aufgerechnet) ist eine im Codex Justinians (C. 4, 31, 14 pr) enthaltene Rechtsregel, welche die Entbehrlichkeit einer besonderen Aufrechnungserklärung ausspricht (anders § 388 BGB).

Irland ist ein nordwesteuropäischer Staat, der seit 1973 der Europäischen Gemeinschaft bzw. Europäischen Union (1993) angehört. Seit der zweiten Hälfte des 1. Jt.s v. Chr. wandern Kelten in die bereits besiedelte Insel ein. Um 450 n. Chr. werden die Bewohner christianisiert. 1171/2 greift der König von England auf I. aus. 1534 beginnt er mit der Unterwerfung und nennt sich 1541 König von I. Im Norden setzt sich der englische Einfluss und damit auch die protestantische Religion durch. Seit dem Ende des 18. Jh.s gibt es so gut wie kein selbständiges irisches Privatrecht mehr. 1801 wird ein gemeinsames Parlament eingerichtet. Am 6. 12. 1921 wird die Loslösung Irlands (ausgenommen Nordirland) von Großbritannien vertraglich vereinbart. Das irische Recht ist englisch geprägt, wird aber seit 1922 durch Gesetze ergänzt. Im Gegensatz zu England hat I. eine formelle Verfassung.

Lit.: Beckett, J., Geschichte Irlands, 1971; Die Iren in Europa, hg. v. Löwe, H., 1982; Irland und Europa, 1984; A new history of Ireland, hg. v. Cosgrave, A., 1987; Lee, J., Ireland 1912-1985, 1989;Elvert, J., Geschichte Irlands, 1993; Croinin, D., Early Medieval Ireland, 1995; Irland und Europa im fühen Mittelalter, hg. v. NiChatháin, P. u. a., 1996; Richter, M., Irland im Mittelalter, 1996; Maurer, M., Kleine Geschichte Irlands, 1998; Richter, M., Ireland and her Neighbours, 1999; Charles-Edwards, T., Early Christian Ireland, 2000; Noetzel, T., Geschichte Irlands, 2003

Irnerius (Guarnerius, [eigenhändig wohl immer] Wernerius) (1060?-1125?) ist der Urheber der durch Wiedergewinnung der -> Digesten Justinians (530/3) veranlassten, durch die zunehmende Schulung in den freien Künsten (lat. artes [F.Pl.] liberales) ermöglichten und im Ergebnis wohl auch gewissen praktischen Bedürfnissen entsprechenden rechtswissenschaftlichen Literatur des Mittelalters. Vermutlich erteilt I. zuerst Unterricht in den freien Künsten und behandelt dabei im Rahmen der Rhetorik auch das Recht. Danach versieht er bei scholastischer Interpretation fast die gesamten justinianischen Rechtstexte (Digestum vetus, -> Codex, -> Institutiones) mit mehreren tausend nur teilweise erhaltenen Glossen (lat. Apparatus [M.] glossarum, Sigle Y bzw. G). Außerdem fertigt er die -> Authenticae an und verfasst vielleicht eine kurze -> Distinktion. Zwischen 28. 6. 1112 und dem 10. 12. 1125 ist er als (lat. [M.]) causidicus (1112, 1113) der Markgräfin Mathilde von Tuszien und (lat. [M.]) iudex (1116-18) Kaiser Heinrichs V. bezeugt. 1119 wird er exkommuniziert.

Lit.: Söllner § 25; Köbler, DRG 105; Pescatore, G., Die Glossen des Irnerius, 1888, Neudruck 1968; Besta, E., L’opera d’Irnerio, 1896, Neudruck 1980; Nörr, D., Zur Herkunft des Irnerius, ZRG RA 82 (1965), 327; Weigand, R., Die Naturrechtslehre, 1967; Spagnesi, E., Wernerius bononiensis iudex, 1970; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997

Irrtum (lat. [M.] error) ist das Auseinanderfallen von Vorstellung eines Handelnden und Wirklichkeit. Im römischen Recht ist der I. ein Fall von fehlender Willensübereinstimmung, so dass er (als I. über Gegenstand, Preis oder Vertragstyp) keinen Vertrag entstehen lässt. Im frühneuzeitlichen gemeinen Recht werden als Fallgruppen der Irrtümer Geschäftsort, Geschäftsgegenstand, Geschäftsgegner und Geschäftsbezeichnung unterschieden. Das Vernunftrecht hält den I. teils grundsätzlich für unbeachtlich (Kreittmayr), teils grundsätzlich für bedeutsam (Allgemeines Landrecht 1794). Im 19. Jh. wird teils auf den Willen abgestellt (Willenstheorie, Savigny), teils auf die Erklärung (Erklärungstheorie). Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) werden die Vorzüge beider Ansichten in einem komplizierten Geflecht verbunden. Im 19. Jh. erscheint der I. als allgemeine Figur auch im allgemeinen Teil des Strafrechts.

Lit.: Kaser § 8 I; Hübner; Köbler, DRG 43, 165, 204, 208; Engelmann, W., Irrtum und Schuld nach der italienischen Lehre und Praxis des Mittelalters, 1922, Neudruck 1975; Haupt, P., Die Entwicklung der Lehre vom Irrtum, 1941; Luig, K., Savignys Irrtumslehre, Ius commune 8 (1979), 36; Kramer, E., Der Irrtum beim Vertagsschluss, 1998; Schermaier, M., Europäische Geistesgeschichte am Beispiel des Irrtumsrechts, ZEuP 1998, 60; Ranieri, F., Kaufrechtliche Gewährleistung und Irrtumsproblematik, in: Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 207; Schermaier, M., Die Bestimmung des wesentlichen Irrtums, 2000; Löhnig, M., Die Entstehung des Irrtumsrechts im Allgemeinen Landrecht, ZRG GA 120 (2003), 200

Isidor von Sevilla (Cartagena um 560 - Sevilla 4. 4. 636), aus hispanorömischer Familie, Bischof von Sevilla, stellt in seinen (lat. [F.Pl.]) Etymologiae (bzw. Origines) das Wissen seiner Zeit in 20 Büchern dar. Durch die weite Verbreitung dieses Werkes werden zahlreiche römische Rechtsbegriffe schon im Frühmittelalter vermittelt (z. B. lat. ius, lex, consuetudo, mos, ius civile, ius gentium, ius naturale). Isidors von Gregor dem Großen beeinflusstes Werk Sententiae (mehr als 500 erhaltene mittelalterliche Handschriften) wirkt mit seinen theologischen Definitionen stark auf Florilegien, Summen und Kirchenrechtssammlungen ein.

Lit.: Etymologiae, hg. v. Lindsay, W., 1911; Diesner, H., Isidor von Sevilla und das westgotische Spanien, 1977; Fontaine, J., Isidore de Séville, 2000

Islam ist die von -> Mohammed (Mekka um 570 – Medina 8. 6. 632) gestiftete Weltreligion (des alleinigen Gottes Allah), deren Anhänger sich Muslime (die sich Gott unterwerfen) nennen. Noch im 7. Jh. dehnt sich der I. von Arabien bis zum Nordwesten Afrikas aus. Seit 711 wird Spanien gewonnen. Im 10. Jh. werden die Türken im Herzen Asiens bekehrt, im 11. Jh. Teile Indiens. 1258 fällt Bagdad an die Mongolen. 1453 wird Byzanz von den Türken erobert und der I. auf dem Balkan verbreitet. Im 16. Jh. gelangt der I. nach Indonesien, im 20. Jh. in weitere Teile Afrikas. Der I. ist Gesetzesreligion, weshalb schon der Koran für alle Lebensbereiche Rechtsvorschriften festlegt. Hinzu kommt das überlieferte Handeln Mohammeds. Hieraus entsteht durch islamische Rechtsgelehrte eine Pflichtenlehre (-> Saria, Scharia). Im 16. Jh. wird im osmanischen Reich der Richter darüber hinaus den Anweisungen des Sultans unterstellt.

Lit.: Horster, P., Zur Anwendung des islamischen Rechts im 16. Jahrhundert, 1935; Enzyklopädie des Islam, Bd. 1f. 2. A. 1960ff.; Coulson, N., A History of Islamic Law, 1964; The Cambridge History of Islam, 1970; Lexikon der islamischen Welt, hg. v. Kreiser, K. u. a., Bd. 1ff. 1974; Watt, M./Welch, A., Der Islam, 1980; Schacht, J., An Introduction to Islamic Law, 1982; Abu-Ghosh, S., Das islamische Unterhaltsrecht nach al-Kasani, 1989; Dilger, K., Tendenzen zur Rechtsentwicklung, in: Ende, W./Steinbach, U., Der Islam, 2. A. 1989, 170; Motzki, H., Die Anfänge der islamischen Jurisprudenz, 1991; Khoury/Hagemann/Heine, Islam-Lexikon, Bd. 1ff. 1991; Der politische Islam, hg. v. Schwarz, J., 1993; Coulson, N., Histoire du droit islamique, 1995; Der Islam in der Gegenwart, hg. v. Ende, W. u. a., 4. A. 1996; Scholz, P., Malikitisches Verfahrensrecht, 1997; Endreß, G., Der Islam, 3. A. 1997; Oßwald, R., Pactane sunt servanda, 1998; Nagel, T., Die islamische Welt bis 1500, 1998; Der Islam in Europa, hg. v. Heuberger, V., 1999; Arkoun, M., Der Islam, 1999; Halm, H., Der Islam, 4. A. 2003; Cardini, F., Europa und der Islam, 2000; Kettermann, G., Atlas zur Geschichte des Islam, 2001; Tibi, B., Einladung in die islamische Geschichte, 2001; Motzki, H., The origins of islamic jurisprudence, 2002

Island ist der auf der zweitgrößten Insel Europas gebildete nordwesteuropäische Staat. I. ist seit dem 4. Jh. n. Chr. bekannt und wird am Anfang des 9. Jh.s durch iroschottische Mönche und um 875 durch Wikinger (Normannen) besiedelt. 930 erscheint das Allthing. 1000 wird I. christlich. 1262 erhält der König von -> Norwegen durch Vertrag die Herrschaft. 1380 fällt I. mit Norwegen an -> Dänemark, das 1550 die Reformation durchsetzt. 1918 wird I. von Dänemark unabhängig. 1944 wird I. Republik.

Lit.: Imhof, A., Grundzüge der nordischen Geschichte, 1970; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,523, 4,4,631; Byock, J., Medieval Iceland, 1988; Schröder, P., Island, 1994; Gerhold, W., Armut und Armenfürsorge im mittelalterlichen Island, 2002

isländisches Recht ist das Recht der Isländer bzw. Islands. Seine Anfänge sollen um 930 in Norwegen nach dem Vorbild der Gulathingslög von Ulfljotr zusammengefasst und in Island von einer Versammlung (Allthing) als Recht (an. log) angenommen worden sein. Mit der Christianisierung (1000) treten Änderung in dem mündlich durch Gesetzessprecher (an. logsogumadr) bewahrten Recht ein. 1117/8 verfasst der Gode Hafliðe Marsson eine schriftliche Fassung (an. Haflidaskra), die ebenso verschollen ist wie das 1122-32 entstehende Christenrecht (an. Kristinna laga thattr). Vermutlich beruht auf den Inhalten die -> Gragas (2. H. 13 Jh.). 1271/3 wird unter norwegischer Herrschaft (1262) die -> Jarnsida (Eisenseite)  angenommen, 1281 die -> Jonsbok (Lögbok Islendinga), von der rund 200 Handschriften überliefert sind. Um 1275 stellt Bischof Arne von Skalholt ein neues Christenrecht (an. kristinrettr Arna biskupes) zusammen. Rechtliche Aufschlüsse ermöglichen auch die Geschichtsdarstellungen und die Isländersagas.

Lit.: Heusler, A., Das Strafrecht der Isländersagas, 1911; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960

Israel ist im Alten Testament der zweite Name Jakobs, der stellvertretend für die -> Juden und ihren Staat steht, insbesondere für den seit 1917 angestrebten bzw. 1948 verwirklichten Staat.

Lit.: Noth, M., Geschichte des Volkes Israel, 1956; Wolffsohn, M., Politik in Israel, 1982; Raacke, G., Der Einfluss deutschbürtiger Juristen, ZRP 1997, 308; Timm, A., Israel, 1998; Schirer, L., Israelisches und jüdisches Recht, 1998; Clauss, M., Das alte Israel, 1999

Istanbul am Bosporus geht auf das griechische Byzanz zurück. 1453 wird es von den Osmanen erobert. Es erhält eine Universität.

Lit.: Barisch, K./Barisch, L., Istanbul, 5. A. 1985

Italicus -> mos Italicus

Italien ist ein südeuropäischer Staat, der seit 1952 zur Europäischen Gemeinschaft bzw. Europäischen Union (1993) gehört. Am Ende des 2. Jt.s v. Chr. wandern dort von Norden Italiker (zu lat. vitulus [M.] Kalb) ein, nach denen die Griechen zunächst den Süden als Italia bezeichnen. Seit dem 5. Jh. v. Chr. entsteht von Rom aus ein Reich, das allmählich ganz I. erfasst und sich auf den gesamten Mittelmeerraum ausdehnt. 476 fällt I. als Teil des westlichen Teiles des Reichs der Römer mit Rom an Germanen (Odowakar 476-493, Theoderich den Großen 493-526). Die Rückgewinnung seitens des oströmischen Kaisers Justinian wird durch den Einbruch der -> Langobarden (568) gestört. Danach wird I. unter Ostrom (Venedig, Ravenna, Unteritalien), den Langobarden und dem Papst geteilt. Auf einen Hilferuf des Papstes besiegt Pippin III. den Langobardenkönig Aistulf und gewährt dem Papst in der -> pippinischen Schenkung 754 Teile der von den Langobarden besetzten Gebiete (-> Kirchenstaat). 774 unterwirft Karl der Große die Langobarden. Nach zwischenzeitlichen Wirren erneuert Otto I. 951 die Bindung eines Teils Italiens an das fränkisch-deutsche Reich. Im 11. Jh. fassen Normannen in Unteritalien Fuß und beginnen oberitalienische Städte nach Selbständigkeit zu streben. Trotz der Heirat Heinrichs VI. und Konstanzes von Sizilien gelingt den Staufern eine dauerhafte Sicherung der von Papst und Städten bekämpften Herrschaft nicht. Nach dem Scheitern der Idee eines einheitlichen Imperiums der Staufer steht I. für drei Jahrhunderte im Zeichen verhältnismäßig selbständiger, dem Reich lehnsrechtlich verbundener Mittelstaaten (z. B. Florenz, Genua, Mailand, Neapel, Venedig). Seit 1494 wird I. zum Streitgegenstand zwischen Frankreich (als Nachfolger der Anjou [1265-1282 Sizilien, 1265-1435 Neapel]) und Spanien/Habsburg (Aragón [Sizilien 1282, Sardinien 1323, Neapel 1442]). 1701/13 gelangt als Folge des spanischen Erbfolgekrieges der Süden an Frankreich, der Norden an Österreich. Das erwachende Nationalgefühl führt (als [it.] risorgimento) 1859 zum Kampf gegen Österreich, das 1859 die Lombardei verliert. Danach werden die französischen Bourbonen aus dem Süden vertrieben. Der Fürst von Sardinien-Piémont nimmt mit dem 17. 3. 1861 den Titel eines Königs von I. an. 1866 wird von Österreich Venedig gewonnen und bis 1870 der Kirchenstaat bis auf geringe Reste durch Annexion eingezogen. Nach der faschistischen Herrschaft Mussolinis (1922-1943) wird I. am 2. 6. 1946 Republik. Politisch gelingen ihm stabile Regierungen nicht.

Lit.: Köbler, DRG 133, 170, 172, 173; Köbler, Historisches Lexikon; Lessico Etimologico Italiano; Deutsch, W., Das Wesen des italienischen Staates, 1936; Waley, D., Die italienischen Stadtstaaten, 1969; Haverkamp, A., Herrschaftsformen der Frühstaufer in Italien, 1970; Italien im Mittelalter, hg. v. Gall, L., 1980; Bosl, K., Gesellschaftsgeschichte Italiens im Mittelalter, 1982; Schumann, R., Geschichte Italiens, 1983; Goetz, W., Grundzüge der Geschichte Italiens, 3. A. 1988; Lill, R., Geschichte Italiens in der Neuzeit, 4. A. 1988; Potter, T., Das römische Italien, 1992; Die großen Familien Italiens, hg. v. Reinhardt, V., 1992; Indice biografico italiano, hg. v. Nappo, T., Bd. 1ff. 1993; Chielloni, C. u. a., Italien, 3. A. 1995; Italien-Lexikon, hg. v. Brütting, R., 1995; Die deutsche und italienische Rechtskultur, hg. v. Mazzacane, A. u. a., 1995; Pauler, R., Die deutschen Könige und Italien, 1997; Hersche, P., Italien im Barockzeitalter, 1999; Reinhardt, V., Geschichte Italiens, 1999; Kroll, T., Die Revolte des Patriziats, 1999; Voßkamp, U., Instabilität und Regierbarkeit, 2001; Reinhardt, V., Die Renaissance in Italien, 2002; Reinhardt, V., Geschichte Italiens, 2003

italienisches Recht ist das in Italien geltende Recht. Es ist im Altertum das römische Recht. Nach dem Untergang Westroms dringen germanisch/germanistische (Goten, Langobarden, Franken, Normannen), griechische und arabische (sarazenische) Volksgruppen ein. Die Wissenschaft des römischen Rechts verschwindet vermutlich. In Pavia entwickelt sich eine Rechtsschule der Langobarden. Im ausgehenden 11. Jh. wird das römische Recht wiederentdeckt (-> Irnerius). Daneben tritt örtliches Recht der einzelnen Städte und Stadtstaaten immer stärker hervor (-> Statuten), neben denen das von Glossatoren und Kommentatoren weiterentwickelte gelehrte Recht als gemeines Recht (lat. -> ius [N.] commune) gilt. Am Beginn der Neuzeit tritt die italienische Rechtswissenschaft (lat. [M.] -> mos Italicus) zugunsten der französischen Rechtswissenschaft (lat. [M.] mos Gallicus) zurück. Die bereits im 18. Jh. entstehenden Gesetze einzelner Staaten werden zwischen 1804 und 1811 durch die Kodifikationen Frankreichs ersetzt und danach nur teilweise wieder eingeführt. Im Königreich Italien werden 1865 ein Zivilgesetzbuch (it. Codice civile), eine Zivilprozessordnung, ein Handelsgesetzbuch (it. Codice di commercio) und 1889 ein Strafgesetzbuch erlassen. 1930 wird das Strafrecht neu gefasst, 1931 das Strafprozessrecht und 1942 das Zivilgesetzbuch (einschließlich Handelsrecht, 2969 Artikel) und das Zivilprozessrecht. Bereits seit 1890 entstehen zahlreiche Sozialgesetze.

Lit.: Pertile, A., Storia del diritto italiano, Bd. 1ff. 2. A. 1896ff.; Meyer, E., Italienische Verfassungsgeschichte, Bd. 1f. 1909, Neudruck 1968; Dahm, G., Das Strafrecht Italiens im ausgehenden Mittelalter, 1931; Engelmann, W., Die Wiedergeburt der Rechtskultur in Italien, 1938; Luther, G., Einführung in das italienische Recht, 1968; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,53,234,872, 2,2,97,923,1113, 3,1,177, 3,2,2331, 3,3,3209,3625,3735,3831,3908,3985,4109; Luig, K., Der Geltungsgrund des römischen Rechts im 18. Jahrhundert, in: Formazione storica, Bd. 2 1977, 819; Ghisalberti, La codificazione del diritto in Italia, 1985; Mazzacane, A., Neuere Rechtsgeschichte in Italien, ZNR 1992; Cian, G., Fünfzig Jahre italienischer Codice civile, ZEuP 1993, 120; Kindler, P., Einführung in das italienische Recht, 1993; Köbler, G., Rechtsitalienisch, 1996; Watkin, T., The Italian legal tradition, 1997; Rübesamen, R., Das italienische Zivilgesetzbuch, 2000; Verfassungsgebung, partitocrazia und Verfassungswandel in Italien, hg. v. Ullrich, H., 2001

iter (lat. [N.] Weg) ist schon im altrömischen Recht die Grunddienstbarkeit (Servitut) des Fußweges und Reitweges.

Lit.: Kaser § 28 I 2a

Itinerar (N.) Reiseweg

Lit.: Schütte, B., König Philipp von Schwaben. Itinerar – Urkundenvergabe – Hof, 2002

itio (F.) in partes (lat.) ist im neuzeitlichen Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) das konfessionsbedingte Auseinandertreten jeder der drei Kurien des -> Reichstages seit etwa 1529, gesetzlich anerkannt seit 1648.

Lit.: Weber, L., Die Parität der Konfessionen in der Reichsverfassung, Diss. jur. Bonn 1961, 169; Heckel, M., Itio in partes, ZRG KA 95 (1978), 180

iudex (lat. [M.]) ist schon im altrömischen Recht der vom Magistrat einzusetzende Richter. Er ist im Formalverfahren ein Privatmann, der nach Ableistung eines Eides mit der Entscheidungsaufgabe betraut werden kann. Er wird zumindest später durch Wahl seitens der Parteien oder aus einer amtlichen Liste (von Senatoren und später auch Rittern) bestimmt (seit Augustus etwa 3000, seit Caligula etwa 4000 Geschworene). Im Kognitionsverfahren ist der i. Amtsträger. -> Richter

Lit.: Kaser §§ 81 II 2, 82 II 5; Köbler, DRG 19; Köbler, LAW; Guttenberg, E. v., Iudex h. e. grafio, FS E. Stengel, 1952, 93; Broggini, G., Iudex arbiterve, 1957; Kelly, J., Princeps iudex, 1957; Nörr, K., Zur Stellung des Richters im gelehrten Prozess der Frühzeit, 1967; Horn, N., Bologneser Doctores und Iudices, ZHF 3 (1976); Peachin, M., Iudex vice Caesaris, 1996

iudex non calculat (lat.). Der Richter rechnet nicht.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 102, Nr. 150 (Macer, frühes 3. Jh., Digesten 49, 8, 1 § 2)

iudicium (lat. [N.] Urteil, Gericht, Urteilsgericht) ist im römischen Recht das vom Magistrat den Parteien unter ihrer Mitwirkung eingesetzte Gericht, in dem der Richter das Urteil treffen soll (Spruchgericht).

Lit.: Kaser § 82 III; Köbler, LAW; Cram, K., Iudicium belli, 1955; Kaufmann, E., Aequitatis iudicium, 1959; Honsell, H., Quod interest im bonae fidei iudicium, 1969

iudicium (N.) parium (mlat.) ist vielleicht schon seit dem Frühmittelalter das Gericht der im Stand Gleichen (Magna Charta England 1215). Mit dem Schwinden des Gedankens der Notwendigkeit des i. p. geht die Entstehung des Instanzenzuges einher.

Lit.: Weisse, C., De iudicio parium, 1828; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954

Iulianus, Salvius (Hadrumetum um 100 - um 170), Abkömmling einer aus Italien kommenden Kaufmannsfamilie in Nordafrika, wird mit einer eindrucksvollen Ämterlaufbahn zu einem der bedeutendsten römischen Juristen der klassischen Zeit. In seinen in den justinianischen Digesten auszugsweise überlieferten Werken ([90 libri] digesta, libri ad Urseium Ferocem, liber singularis de ambiguitatibus, quaestiones) erörtert er ohne verbindenden Text schwierige Einzelfragen. Kaiser Hadrian überträgt ihm die abschließende Bearbeitung des prätorischen Edikts (um 130). Er ist Oberhaupt der sabinianischen Rechtsschule.

Lit.: Söllner §§ 15, 16; Köbler, DRG 31; Bund, E., Untersuchungen zur Methode Julians, 1965; Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 157

Iunius (Marcus Iunius Brutus) ist ein römischer Jurist des 2. Jh.s v. Chr., von welchem (lat.) libri (M.Pl.) tres iuris civilis (drei Bücher Zivilrecht) bekannt sind.

iuramentum (lat. [N.]) Eid, Schwur

iura ossibus inhaerent (lat.). Die Rechte hängen an den Knochen (Personalitätsprinzip).

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 103, Nr. 168

iura praediorum (lat. [N.Pl. zu ius praedii]) sind im römischen Recht die landwirtschaftlichen und städtischen Servituten (Grunddienstbarkeiten) wie (lat.) iter (N.), actus (M.), via (F.), aquaeductus (M.), servitus (M.) stillicidii usw.

Lit.: Kaser § 28 I 2

iuris consultus (lat. [M.]) Rechtsgelehrter

Lit.: Söllner § 11; Diplovatatius, T., De claris iuris consultis, hg. v. Schulz, F. u. a., 1968

iurisdictio (lat. [F.]) Rechtsprechung, Gerichtsbarkeit

Lit.: Söllner §§ 6, 9

iurisdictio (F.) voluntaria (lat.) -> freiwillige Gerichtsbarkeit

Lit.: Wacke, A., Zur iurisdictio voluntaria, ZRG RA 106 (1989), 180

iuris praecepta sunt haec: honeste vivere, alterum non laedere, suum cuique tribuere (lat.). Die Anweisungen des Rechtes sind: ehrenhaft leben, den anderen nicht verletzen, jedem das Seine zugestehen.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 104, Nr. 177 (Pseudoulpian, 3./4. Jh., Digesten 1, 1, 10 § 1); Nörr, D., Iurisperitus sacerdos, in: Xenion, FS J. Zepos, 1973, Bd. 1, 555

ius (lat. [N.]) ist das Recht und (sekundär?) das Gericht. Die Etymologie dieses Grundwortes ist streitig (verwandt mit ahd. ewa?). Das Wort kann sowohl objektiv (Gesamtheit von ordnenden Rechtssätzen) wie auch subjektiv (Einzelberechtigung) gebraucht werden.

Lit.: Söllner §§ 8, 9; Köbler, DRG 17, 60, 82; Köbler, LAW; Levy, E., Ergänzungsindex zu ius und leges, 1930; Noailles, P., Fas et ius, 1948; Köbler, G., Das recht im frühen Mittelalter, 1971; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Haug, F., Ius und fas, 1996; Spengler, H., Studien zur interrogatio in iure, 1994; Kriechbaum, M., Actio, ius und dominium in den Rechtslehren des 13. und 14. Jahrhunderts, 1996

ius (N.) ad rem (lat.) ist im Mittelalter das mit dem Abschluss eines Rechtsgeschäftes entstehende Recht auf die Sache. Es erscheint in der gelehrten Literatur des 13. Jh.s (Kanonistik [1200-10], Summa super usibus feudorum [1230-50, Jacques de Revigny?]) für den Lehnsmann, welcher zwar bereits belehnt ist, das Lehnsgut aber noch nicht körperlich erlangt hat. Er darf das Gut (auch im Verhältnis zu Dritten) an sich ziehen. Ähnliches gilt für den Erwerber einer Pfründe. In der frühen Neuzeit wird das i. a. r. zu dem allgemeinen Grundsatz ausgebaut, dass der spätere dingliche Erwerber einer Sache dem früheren schuldrechtlichen, dessen Anspruch er kennt, weichen muss. In einzelnen Regelungen ist das i. a. r. in das -> Allgemeine Landrecht (Preußen 1794) eingegangen. Mit dem preußischen Eigentumserwerbsgesetz (5. 5. 1872) wird es für unbewegliche Sachen durch die -> Vormerkung ersetzt.

Lit.: Hübner 178; Köbler, DRG 126, 164; Brünneck, W. v., Über den Ursprung des sog. ius ad rem, 1869; Heymann, E., Zur Geschichte des jus ad rem, FS O. Gierke, 1911; Eisfeldt, Beiträge zur Geschichte des ius ad rem, Diss. jur. Kiel 1935; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966, 121; Landau, P., Zum Ursprung des „ius ad rem“ in der Kanonistik, Proceedings of the Third International Congress of Medieval Canon Law, 1971, 81; Wesener, G., Dingliche und persönliche Sachenrechte - iura in re und iura ad rem, FS H. Niederländer, 1991, 195; Michaels, R., Sachzuordnung durch Kaufvertrag, 2002

ius (N.) Aelianum ist im römischen Recht das von dem frühen Juristen Sextus Aelius Paetus Catus (198 v. Chr.) zusammengefasste Recht.

Lit.: Söllner § 11; Köbler, DRG 29

ius (N.) affectandi (lat.) ist das im (lat.) -> privilegium (N.) minus (1156) dem babenbergischen Herzog Heinrich Jasomirgott von Österreich und seiner Frau (nicht den Nachfolgern) gewährte Recht, bei Kinderlosigkeit den Nachfolger zu bestimmen. Es wird im gefälschten (lat.) privilegium (N.) maius (1358) vom Fälscher auf alle österreichischen Herzöge erweitert.

Lit.: Baltl/Kocher

ius (N.) armorum (lat.) ist im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) in der Neuzeit das Recht, ein Heer zu unterhalten.

Lit.: Oestreich, G., Zur Heeresverfassung der deutschen Territorien von 1500-1800, in: Forschungen zu Staat und Verfassung, 1958, 419

ius (N.) canonicum (lat.) (kanonisches Recht) ist das seit etwa 1140 im -> Decretum Gratiani und den folgenden Teilen des (lat.) -> corpus (N.) iuris canonici niedergelegte kirchliche oder geistliche Recht.

Lit.: Köbler, DRG 106; Maaßen, F., Geschichte der Quellen und Literatur des canonischen Rechts, Bd. 1 1870, Neudruck 1956; Corpus iuris canonici, hg. v. Friedberg, E., 1879ff., Neudruck 1955, 1959; Codex iuris canonici, hg. v. Gasparri, 1917; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Wolter, U., Ius canonicum in iure civili, 1975; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Codex des kanonischen Rechtes, 1983, 2. A. 1984; Zapp, H., Codex iuris canonici, Lemmata, 1986

ius (N.) civile (lat.) ist das Recht der römischen Bürger im Gegensatz zum (lat.) ius (N.) gentium und zum (lat.) ius (N.) honorarium (bzw. praetorium). Es beruht auf dem Zwölftafelgesetz, auf den Volksgesetzen und der daran anknüpfenden Auslegung (der Rechtswissenschaft). Im Frühmittelalter ist i. c. das weltliche Recht im Gegensatz zum (lat.) ius (N.) canonicum, seit dem Hochmittelalter auch das Stadtrecht im Gegensatz zum Landrecht (lat. ius [N.] terrae). Im 18. Jh. entspricht dem i. c. das bürgerliche Recht (Privatrecht). Unter dem Einfluss von i. c. ersetzt Zivilrecht zunehmend den Ausdruck Privatrecht.

Lit.: Kaser §§ 2, 3; Söllner §§ 7, 9, 16, 18, 20, 25; Köbler, DRG 29, 30, 31, 106; Köbler, G., Civis und ius civile im deutschen Frühmittelalter, Diss. jur. Göttingen 1964; Wolter, U., Ius canonicum in iure civili, 1975; Kaser, M., Ius honorarium und ius civile, ZRG RA 101 (1984), 1

ius (N.) civile Flavianum (lat.) ist das 304 v. Chr. von Gnaeus Flavius veröffentlichte römische Recht.

Lit.: Köbler, DRG 29

ius (N.) cogens (lat.) ist das zwingende Recht im Gegensatz zum durch die Beteiligten abänderbaren Recht (lat. ius [N.] dispositivum).

Lit.: Kaser § 3 II

ius (N.) commune (lat.) ist das gemeine Recht im Gegensatz zum besonderen Recht. Im Altertum hat i. c. keine besondere Bedeutung. Seit der Wiederentdeckung des römischen Rechts im Hochmittelalter benennt es das römische Recht (und das kanonische Recht) im Gegensatz zum besonderen Recht einzelner Orte (Städte) oder Gebiete (Länder). Es wird erst durch die Kodifikationen abgelöst.

Lit.: Kaser § 3 VI; Söllner §§ 2, 3, 25; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 137; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff. ; Helmholz, R., The ius commune in England, 2002

ius (N.) divinum (lat.) ist das göttliche Recht. Es ist im Christentum schon früh als vorrangig anerkannt. Es wird der göttlichen Offenbarung der Bibel und im weiteren Sinn auch dem Naturrecht entnommen. Das i. d. positivum ist unabänderlich (hierarchische Gliederung, Gewalt, Sakramente). Das i. d. naturale, das durch die menschliche Vernunft erkannt wird, ist zwar auch grundsätzlich unabänderlich, aber entsprechend der menschlichen Vernunft in seiner Anwendung Schwankungen unterworfen. Das menschliche Gesetz darf nicht gegen das i. d. verstoßen. Im 19. Jh. wird das i. d. teilweise nur als moralische Anweisung eingeordnet, welche erst in Rechtssätze überführt werden muss.

Lit.: Rößer, E., Göttliches und menschliches, unveränderliches und veränderliches Kirchenrecht, 1934; Plöchl, W., Das Legitimitätsproblem und das kanonische Recht, 1938; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983

ius est ars boni et aequi (lat.). Das Recht ist die Kunst (bzw. das Handwerk) des Billigen und Gerechten.

Lit.: Liebs, A., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 105, Nr. 180 (Celsus, um 70 - um 140)

ius (N.) evocandi (lat.) ist im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) das Recht des Königs, jede Streitsache zur Entscheidung an sich zu ziehen (Evokationsrecht). Seit dem 13. Jh. erteilt der König vereinzelt, 1356 den Kurfürsten allgemein das Privileg, dieses Recht nicht in bezug auf das privilegierte Land zu nutzen. 1487 bzw. 1495 verliert das Nichtevokationsprivileg grundsätzlich seine Bedeutung, weil das königliche Gericht keine Zuständigkeit für reichsmittelbare Menschen mehr hat.

Lit.: Eisenhardt, U., Die Rechtswirkungen der in der Goldenen Bulle genannten privilegia de non evocando et appellando, ZRG GA 86 (1969), 75

ius (N.) foederis (lat.) bzw. ius faciendi foedera ist das seit 1648 allen Gliedern des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) zustehende -> Bündnisrecht.

ius (N.) gentium (lat.) (Fremdenrecht) ist im römischen Recht seit Cicero (106-43 v. Chr.) das (römische, bei allen Völkern - für alle Rechtssubjekte - auch) für Nichtrömer geltende Recht (Recht der Völker), das nach späterer Ansicht auf der natürlichen Einsicht aller Völker beruht und dem (lat.) ius (N.) naturale (-> Naturrecht) nahesteht. Es gewinnt in der frühen Neuzeit für das Naturrecht erneute Bedeutung.

Lit.: Kaser §§ 2, 3; Söllner §§ 18, 20; Köbler, DRG 30, 31, 146; Kaser M., Ius gentium, 1993

ius (N.) honorarium (lat.) ist im römischen Recht das von den Amtsträgern (Prätoren) geschaffene Recht, welches vorwiegend den Bereich des Rechts der Völker (lat. ius [N.] gentium) betrifft.

Lit.: Kaser §§ 2, 3; Söllner §§ 7, 8, 9, 15, 20; Köbler, DRG 31; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Kaser, M., Ius honorarium und ius civile, ZRG RA 101 (1984), 1

ius (N.) in re (lat.) Recht in der Sache

Lit.: Wesener, G., Dingliche und persönliche Sachenrechte - iura in re und iura ad rem, FS H. Niederländer, 1991, 195

iusiurandum (lat. [N.]) Eid

iusiurandum (N.) calumniae (lat.) Schikaneeid, -> Kalumnieneid

ius (N.) liberorum (lat.) Recht der Frau nach der Geburt von mehreren Kindern

ius (N.) naturale (lat.) ist das von der Natur dem Menschen vorgegebene Recht (griech. physei dikaion). Es steht im Gegensatz zum vom Menschen geschaffenen Recht, insbesondere dem gesetzten Recht (griech. thesei dikaion). -> Naturrecht

Lit.: Söllner § 18; Köbler, DRG 31, 146; Waldstein, W., Ius naturale, ZRG RA 11 (1994), 1

ius (N.) Papirianum ist das durch zweifelhafte Königsgesetze geschaffene, am Ende des 6. Jh.s v. Chr. von dem Oberpriester Papirius veröffentlichte, aber nicht überlieferte römische Recht.

Lit.: Söllner § 5; Köbler, DRG 17; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988

ius (N.) perpetuum (lat.) Dauerpacht

ius (N.) politiae (lat.) ist in der frühen Neuzeit die Polizeigewalt des Landesherrn.

Lit.: Kroeschell, DRG 3

ius (N.) praetorium (lat.) ist das vom römischen Prätor geschaffene Amtsrecht (lat. [N.] ius honorarium).

Lit.: Söllner §§ 7, 8, 9, 15, 20; Köbler, DRG 31

ius (N.) primae noctis ist das nur vereinzelt belegte, (als geldlich ablösbar erklärte) Recht des Grundherrn (Hirslanden 1538, Muri 1543) auf die erste Nacht einer heiratenden Hintersassin.

Lit.: Schmidt, K., Ius primae noctis, 1881; Boureau, A., Das Recht der ersten Nacht, 1996; Wettlaufer, J., Das Herrenrecht der ersten Nacht, 1999

ius (N.) privatum (lat.) ist im römischen Recht nach einer Ulpian (170?-223) zugeschriebenen Beschreibung ([lat.] privatum [ius est], quod ad singulorum utilitatem [spectat]) das Recht, das den Nutzen des einzelnen belangt. Es bildet die Grundlage für das zu Beginn der Neuzeit abgesonderte -> Privatrecht.

Lit.: Kaser § 3 II; Söllner §§ 7, 18; Köbler, DRG 54; Kaser, M., Ius publicum und ius privatum, ZRG RA 103 (1986), 1

ius (N.) publicum (lat.) ist im römischen Recht nach einer Ulpian (170?-223) zugeschriebenen Beschreibung ([lat.] publicum ius est, quod ad statum rei Romanae spectat) das Recht, das die Verhältnisse des römischen Gemeinwesens betrifft. Es bildet die Grundlage für das zu Beginn der Neuzeit abgesonderte öffentliche Recht.

Lit.: Kaser §§ 3 II, 17 II; Söllner §§ 7, 18; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 54; Kaser, M., Ius publicum und ius privatum, ZRG RA 103 (1986), 1; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1 1988

ius (N.) quaesitum (lat.) ist in der frühen Neuzeit das subjektive Recht, welches eine Person durch einen Rechtsvorgang im Rahmen der bestehenden Rechtsordnung erlangt hat.

Lit.: Meyer, G., Der Staat und die erworbenen Rechte, 1895

ius (N.) Quiritium (lat.) ist das (lat.) -> ius (N.) civile der römischen Bürger.

Lit.: Kaser § 22; Söllner § 9

ius (N.) reformandi ist im neuzeitlichen Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) das Recht des Landesherrn bzw. Staates, die Religionsangelegenheiten rechtlich zu gestalten. Es wird im Frieden von Münster und Osnabrück 1648 ausdrücklich anerkannt. Seit dem 19. Jh. wird es eingeschränkt.

Lit.: Bonin, B. v., Die praktische Bedeutung des ius reformandi, 1902; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983

ius (N.) reservatum (lat.) ist in der frühen Neuzeit das (dem Kaiser) vorbehaltene Recht.

Lit.: Pratje, J., Die kaiserlichen Reservatrechte, Diss. jur. Erlangen 1957 (masch.schr.)

ius Romanum allegans fundatam habet intentionem (lat.). Wer sich auf römisches Recht beruft, hat eine brauchbare Klagegrundlage.

Lit.: Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre, 1977, 1; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 105, Nr. 190

ius (N.) spolii (lat.), Spolienrecht, ist der frühere Anspruch des Staates auf das bewegliche Vermögen verstorbener kirchlicher Würdenträger.

Lit.: Prochnow, F., Das Spolienrecht, 1919; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972

ius (N.) terrae -> Landrecht

ius (N.) territorii et superioritatis (lat.) Landeshoheit

ius (N.) teutonicum (lat.) ist im Mittelalter das deutsche Recht als ein Grundbesitzrecht im Osten.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Kötzschke, R., Die Anfänge des deutschen Rechts, Ber. ü. d. Verh. d. sächs. Akad. d. Wiss. Leipzig phil.-hist. Kl. 93 1941, H. 2

ius (N.) tollendi (lat.) ist im römischen Recht das Wegnahmerecht.

Lit.: Kaser §§ 26, 27

ius (N.) transitus (lat.) ist das Durchzugsrecht durch fremdes Staatsgebiet zu -> Enklaven.

ius (N.) utrumque (lat.) ist seit dem 12. Jh. eine Bezeichnung für das (lat.) ius (N.) canonicum und das (lat.) ius (N.) civile. Beide Rechte lehrt vielleicht als erster Bazianus (1197) in Bologna. Seit der Neuzeit betrifft das juristische Studium regelmäßig beide Rechte (-> [lat.] doctor [M.] iuris utriusque).

Lit.: Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechts in Deutschland, 1962; Utrumque ius, hg. v. Schrage, E., 1992

ius (N.) vitae necisque (lat.) ist im römischen Recht das Recht des Herrn über Leben und Tod eines Menschen.

Lit.: Kaser § 12, 58, 60; Söllner §§ 5, 8

iussum (lat. [N.]) Geheiß, Ermächtigung

iusta causa (lat. [F.]) ist im römischen Recht der anerkannte Zuwendungszweck (z. B. Kauf, Mitgift) für die Übergabe (lat. traditio [F.]) einer Sache. Fehlt die i. c., kann kein Eigentum übertragen werden.

Lit.: Kaser § 24 IV; Söllner § 8; Köbler, DRG 40

iustitia (lat. [F.]) ist die Gerechtigkeit.

Lit.: Köbler, DRG 30; Kissel, O., Die iustitia, 2. A. 1997

iustitia est constans et perpetua voluntas suum cuique tribuendi (lat.). Gerechtigkeit ist der stetige und fortdauernde Wille, jedem das Seine zu geben.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 106, Nr. 195 (Pseudoulpian, 3./4. Jh., Institutionen 1, 1, pr.)

iustum bellum (lat. [N.]) ist der -> gerechte Krieg.

iustum pretium (lat. [N.]) ist im römischen Recht der gerechte Preis. Im spätantiken römischen Recht kann der Verkäufer einer Sache den Kaufvertrag anfechten und gegen Rückzahlung des Preises die Rückgabe der Sache verlangen, wenn der Preis geringer ist als die Hälfte des Wertes und der Käufer nicht den auf den gerechten Preis fehlenden Betrag nachzahlt (lat. laesio [F.] enormis). Allerdings ist das i. p. schwer zu bestimmen. 1234 übernimmt die Kirche die spätantike Lehre vom i. p. Im 19. Jh. wird die Vorstellung des i. p. wieder zurückgedrängt.

Lit.: Köbler, DRG 64; Ruland, L., Die moraltheologische Lehre vom gerechten Preis, 2. A. 1951; Trusen, W., Äquivalenzprinzip und gerechter Preis im Spätmittelalter, FS G. Küchenhoff, 1967, 247

Ivo Helori, Ivo von Hélory, (Kermartin 17. 10. 1253 [1247?, 1250?] - 19. 5. 1303), Sohn eines Landadligen, wird nach dem 13jährigen Studium von Theologie und Recht in Paris und Orléans Offizial und Priester. Vielleicht wegen seiner Gerechtigkeitsliebe und Verwechslungen mit -> Ivo von Chartres ist er Standespatron der Juristen und volkstümlicher Heiliger der Gerechtigkeit.

Lit.: Moeller, E. v., Der heilige Ivo, HV 20 (1909), 321; Schott, C., Patrone und Siegel der Freiburger Juristenfakultät, Freib. Univ.bll. 2 (1962), 32; Rieck, A., Der heilige Ivo von Hélory, 1998

Ivo von Chartres (um 1046-1116) wird nach dem Studium in Paris und Bec 1090 Bischof von Chartres. Er verfasst eine (lat.) Collectio (F.) trium partium (Sammlung dreier Teile), ein (lat. [N.]) Decretum und eine achtbändige (lat. [F.]) Panormia, in denen er Kanones und Dekretalen sammelt und dadurch -> Gratian erheblich beeinflusst.

Lit.: Sprandel, R., Ivo von Chartres, 1962

 

J

 

Jaca ist der 1076 von König Sancho Ramirez gegründete, mit einem -> Fuero begabte Sitz des Königs von Aragón.

Lit.: Nelson, L., The foundation of Jaca, Speculum 53 (1978), 688

Jacobus de Porta Ravennate (Bologna um 1115 - 11. 10. 1178) ist einer der sog. (lat.) quattuor doctores (M.Pl.) des 12. Jh.s in Bologna, die 1158 auf dem Reichstag in Roncaglia auftreten.

Lit.: Köbler, DRG 106; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967, 62; Fried, J., Die Entstehung des Juristenstandes, 1974; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997

Jacobus de Ravanis (Jacques de Révigny) (1230/40-1290) wird nach dem Rechtsstudium in Orléans dort bis 1280 Professor und 1289 Bischof von Verdun. Neben verschiedenen Vorlesungen über die justinianischen Texte stammt vielleicht das erste Rechtswörterbuch (lat. Dictionarium [N.] iuris) von ihm.

Lit.: Köbler, DRG 126; Waelkens, L., La théorie de la coutume chez Jacques de Révigny, 1984; Bezemer, C., Les répétitions de Jacques de Revigny, 1987; Bezemer, C., What Jacques saw, 1997

Jacques de Révigny -> Jacobus de Ravanis

Jagd ist das Erlegen und Fangen jagdbarer Tiere nach den Regeln des Jagdrechts. Ursprünglich ist die J. frei. Streitig ist, seit wann danach das Recht zur J. mit dem Eigentum am Grundstück verbunden wird. Im Frühmittelalter erklärt der König die J. im (eingehegten) -> Forst zum königlichen Recht (-> Regal). Im Hochmittelalter geht das allmählich erweiterte Regal auf den Landesherrn über. Der Bauer wird von der J. ausgeschlossen, wogegen er sich zu Beginn der Neuzeit (-> Bauernkriege) vergeblich wehrt. Der Landesherr behauptet daneben die Jagdhoheit als das Recht, die J. rechtlich zu gestalten (Jagdverordnung, Jagdstrafrecht). 1789 wird in Frankreich, 1848 in der deutschen Verfassung das Jagdregal durch die Jagdberechtigung des Grundeigentümers ersetzt. Wegen der tatsächlichen Folgen wird wenig später (Preußen 1850, 1907) zwischen dem Jagdrecht als dem Aneignungsrecht des Grundstückeigentümers (Eigenjagdbezirke oder Jagdgenossenschaftsjagdbezirke) und der Jagdausübungsberechtigung (auf Grund eines Jagdscheins) unterschieden.

Lit.: Hübner 287; Köbler, DRG 90, 113; Roth, K., Geschichte des Forst- und Jagdwesens in Deutschland, 1879; Lindner, K., Die Jagd im frühen Mittelalter, 1940; Kohl, G., Jagd und Revolution, 1993; Jagd und höfische Kultur, hg. v. Rösener, W., 1997; Über die Jagd, hg. v. d. bay. Ak. d. Wiss., 2002

Jahr und Tag (lat. annus [M.] et dies) ist eine im deutschen Mittelalter häufige Zeitbestimmung unklarer Herkunft, welche erstmals in Formeln der Jahre 769-75 erscheint. Nach umstrittener Ansicht ist damit von Anfang an die im 14. Jh. ausdrücklich belegte Frist von einem Jahr, 6 Wochen und 3 Tagen zu verstehen. Nach J. u. T. erlangt beispielsweise der unangesprochene Erwerber eines Grundstückes die rechte -> Gewere.

Lit.: Hübner 17; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Hardenberg, L., Zur Frist von Jahr und Tag, ZRG GA 87 (1970), 287

Jahresgeschenk (lat. donum [N.] annuale) ist eine schon im Frühmittelalter bezeugte Gabe einzelner an den König, die einen nicht durchgesetzten Ansatzpunkt zur Entwicklung der -> Steuer bildet.

Jahrgebung (lat. venia [F.] aetatis) ist die Mündigmachung durch Erklärung. Sie kommt aus dem römischen Recht, erscheint im 13. Jh. und steht zunächst allein dem Kaiser zu. Mit der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter wird die römischrechtliche Einrichtung der (lat.) venia (F.) aetatis vollständig aufgenommen. Als Volljährigkeitserklärung erscheint sie im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900).

Lit.: Hübner; Kraut, W., Die Vormundschaft, Bd. 2 1847, 86, 168; Suchier, W., Geschichte der venia aetatis in Deutschland vor 1900, Diss. jur. Halle-Wittenberg 1907

Jakob Ben Ascher (Deutschland um 1270 - Toledo 1343) verfasst nach seiner 1303 erfolgten Auswanderung eines der bedeutendsten jüdischen Rechtsbücher des Mittelalters (Arba ’at ha-Turim, vierteilig). Es betrifft Gebete und Feiertage, Sklaven, Speisen und Eide, Frauen und Ehe, sowie Diebstahl, Erbe, Vertrag und Verfahren. Verarbeitet sind neben -> Talmud zahlreiche Rechtsquellen.

Lit.: Elon, M., Ha-Mischpat ha-‘ibri, Bd. 2 3. A. 1988, 1058

Japan ist ein ostasiatischer, bis zum 5. Jh. schriftloser, in Europa seit dem 15. Jh. (und im 16. und 17. Jh. über Portugiesen) bekannter werdender Staat, dessen überkommenes, aus China stammendes Recht, das z. B. in einem Verfahrensrechtsbuch von etwa 1220 (Goseibai-Shikimoku) überliefert ist, nach der von den Vereinigten Staaten von Amerika 1853 erzwungenen Öffnung des Landes (Handelsvertrag von Kanagawa 31. 3. 1854) seit 1858 Europa angenähert und am Ende des 19. Jh.s (Meiji-Verfassung 1889) grundlegend vom europäischen Recht (Frankreich [Strafgesetzbuch, Strafprozessordnung], Deutschland [Verfassung, Handelsgesetzbuch 1890/9, Bürgerliches Gesetzbuch - 1890 französisch geprägtes altes Bürgerliches Gesetzbuch verkündet, aber nach Kodifikationsstreitigkeiten nicht in Kraft getreten, durch Hozumi, Tomii und Ume stärker deutsch geprägtes - Meiji - Bürgerliches Gesetzbuch 1896/8]) beeinflusst wird (-> Boissonade, Hozumi, -> Inoue, -> Roesler).

Lit.: Köbler, DRG 184; Kitagawa, Z., Rezeption und Fortbildung des europäischen Zivilrechts in Japan, 1970; Siemes, J., Die Gründung des modernen japanischen Staates, 1975; Tanaka, H., The Japanese Legal System, 1976; Kroeschell, K., Das moderne Japan und das deutsche Recht, in: Japans Weg in die Moderne, hg. v. Martin, B., 1987, 45; Die Japanisierung des westlichen Rechts, hg. v. Coing, H. u. a., 1990; Die Einwirkung der Rezeption westlichen Rechts auf die sozialen Verhältnisse in der fernöstlichen Rechtskultur, hg. v. Scholler, H., 1993; Inoue, K., Geschichte Japans, 1993; Das Japanische im japanischen Recht, hg. v. Menkhaus, H., 1994; Eckey-Rieger, A., Der Kodifiaktionsstreit zum japanischen Bürgerlichen Gesetzbuch, 1994; Hartmann, R., Geschichte des modernen Japan, 1996; Ishibe, M., Die Verwestlichung des japanischen Rechtsdenkens, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Schenck, P., Der deutsche Anteil, 1997; Takii, K., Doitsu Kokkagaku to Meiji Kokusei (Die deutsche Staatswissenschaft und die Meiji-Verfassung), 1999; Bruns, G., Die japanische Demokratie, 1999; Marutschke, H., Einführung in das japanische Recht, 1999; Takii, K., Das Japanbild der deutschen Juristen während der Meiji-Zeit, Zinbun 1999, 107; Akamatsu, H., Bezugnahmen auf das deutsche BGB, in: Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 651; Ando, J., Die Entstehung der Meiji-Verfassung, 2000; Georg Michaelis. Ein preußischer Jurist im Japan der Meiji-Zeit, hg. v. Becker, B., 2001; Ishibe, M., Nobushige Hozumi und die japanische Rechtswissenschaft in der Meiji-Zeit, 2001; Pohl, M., Geschichte Japans, 2002

Jarl (lat. [M.] dux, comes, praefectus) ist im altnordischen Recht der Held, Häuptling oder Fürst. In Norwegen wird der weltliche Titel eines J. 1308 weitgehend beseitigt. In Schweden erscheint er von der Mitte des 12. Jh.s bis zur Mitte des 13. Jh.s, in Dänemark um 1400.

Lit.: Herlitz, N., Grundzüge der schwedischen Verfassungsgeschichte, 1933; Meißner, R., Das norwegische Gefolgschaftsrecht, 1938; Jorgensen, P., Dansk Retshistorie, 2. A. 1947; Sawyer, P., The Making of Sweden, 1989

Jarnsida (Eisenseite) ist das 1271/3 unter norwegischer Herrschaft (1262/4) in -> Island eingeführte Recht. Es beruht auf Gulathinglög und -> Gragas. 1281 wird die J. durch die -> Jonsbok ersetzt.

Lit.: Corpus codicum Islandicorum, Bd. 9 1936

Jasomirgott ist ein erst seit dem Spätmittelalter belegter, vielleicht aus dem Arabischen kommender (verballhornter) Beiname Heinrichs II. (von Babenberg, 1107/8 - 13. 1. 1177).

Lit.: Eheim, F., Zur Geschichte der Beinamen der Babenberger, Unsere Heimat 26 (1955), 157

Jason de Mayno (Pesaro 1435 - Pavia 1519), außerehelicher Sohn eines Adligen aus Mailand, wird nach dem Rechtsstudium in Bologna (Alexander de Tartagnis) 1467 Professor in Pisa, 1485-8 in Padua, 1489 in Pisa. Neben zahlreichen (414) Gutachten verfasst er umfangreiche Kommentare zu einzelnen Stellen der justinianischen Rechtstexte.

Lit.: Belloni, A., Professori giuristi a Padova nel secolo XV, 1986, 221

Jedem das Seine.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 285 ([Beyer 1985] lat. suum cuique)

Jefferson, Thomas (1743-1826) wird nach dem Rechtsstudium am William and Mary College (1760-2) und einer praktischen Ausbildung 1767 Anwalt und Politiker, Gouverneur, Gesandter in Frankreich, Außenminister und 1801 Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Er ist maßgeblich verantwortlich für die amerikanische -> Bill of Rights 1791 und die Einschränkung der amerikanischen Zentralgewalt.

Lit.: Cunningham, N., In Pursuit of Reason, 1987

Jellinek, Georg (Leipzig 16. 6. 1851 - Heidelberg 12. 1. 1911), Sohn eines Rabbiners und Religionswissenschaftlers, wird nach dem Rechtsstudium in Wien, Heidelberg und Leipzig 1883 außerordentlicher Professor für Staatsrecht in Wien, 1889 ordentlicher Professor in Basel und 1891 in Heidelberg. Sein erfolgreichstes Werk ist die dem System der subjektiven öffentlichen Rechte (1892) folgende Allgemeine Staatslehre (1900). Sie erfasst den Staat einerseits als soziale Erscheinung (sozial-empirisches Sein) und andererseits als Rechtsordnung (normatives Sollen).

Lit.: Sinzheimer, H., Jüdische Klassiker der deutschen Rechtswissenschaft, 1953, 242; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a.,1993, 355; Kempter, K., Die Jellineks, 1998; Kersten, J., Georg Jellinek und die klassische Staatslehre, 2000

Jena erscheint um die Mitte des 9. Jh.s (830-50). Um 1230 wird es Stadt. 1556/8 erhält es eine Universität.

Lit.: Koch, H., Geschichte der Stadt Jena, 1966; Pester, T., Zwischen Autonomie und Staatsräson, 1992; Häder, U., Das gemeinschaftliche Oberappellationsgericht thüringischer Staaten in Jena, 1996; Kämpferische Wissenschaft zu Jena, hg. v. Hoßfeld, U. u. a. 2002

Jesuitenorden (lat. societas [F.] Jesu) ist der von Ignatius von Loyola (1491-1556) seit etwa 1534 allmählich begründete, 1540 vom Papst bestätigte, katholische Männerorden zum apostolischen Einsatz im Dienst der Kirche. Er wird in der -> Gegenreformation tätig. Am 21. 7. 1773 hebt ihn der Papst auf (Fortbestehen in Preußen, Russland und Kanada), stellt ihn am 7. 8. 1814 aber wieder her.

Lit.: Duhr, B., Geschichte der Jesuiten, Bd. 1ff. 1907ff.; Hollis, C., A History of the Jesuits, 1968; Hartmann, P., Die Jesuiten, 2001

Jesus (Nazareth um 4 v. Chr.? – Golgotha/Jerusalem um 30 n. Chr.) ist der nach etwa zweijährigem Wirken als öffentlicher Wanderlehrer gekreuzigter Begründer der christlichen Religion.

Lit.: Theessen, G., Der historische Jeus, 1996; Cohn, H., Der Prozess und Tod Jesu aus jüdischer Sicht, 1998

Jhering -> Ihering

Joachimica Constitutio -> Constitutio Joachimica

Johannes Andreae (bei Florenz um 1270 - Bologna 7. 7. 1348) wird nach dem Rechtsstudium in Bologna spätestens 1302 Lehrer des kirchlichen Rechts. Er kommentiert den -> Liber sextus, die Clementinen (lat. glossa [F.] ordinaria) und den -> Liber extra. Trotz seiner stark kompilatorischen Arbeitsweise ist er der bedeutendste Kirchenrechtler des 14. Jh.s. In seinen (lat.) Additiones (F.Pl.) ad speculum Guillelmi Durantis (Zusätze zum Spiegel des Wilhelm Durantis) stellt er als erster die Literaturgeschichte des kirchlichen Rechts dar.

Lit.: Savigny, F., Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, Bd. 6 2. A. 1850, Neudruck 1956, 98; Pennington, K., Johannes Andreaes Additiones to the Decretals of Gregory  IX, ZRG KA 74 (1988), 328

Johannes Teutonicus (1180? - 25. 4. 1245), deutscher Schusterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Bologna (Azo) um 1210 Rechtslehrer in Bologna und vielleicht 1220 Kanoniker in Halberstadt (Johannes Zemeke?). Zwischen 1210 und 1217 verfasst er die (lat.) glossa (F.) ordinaria zum (lat.) -> Decretum (N.) Gratiani. Seine Sammlung der Dekretalen Papst Innozenz’ III. von 1210-6 setzt sich gegen den Widerspruch des Papstes durch.

Lit.: Köbler, DRG 106;  Juristen, hg. v. Stolleis, M., 1995, 329

Johannes von Erfurt (um 1260?-1340?), Kanonist und Theologe, ist der Verfasser verschiedener früher rechtswissenschaftlicher Arbeiten in Deutschland (u. a. [lat.] tabula [F.] utriusque iuris von etwa 1280).

Lit.: Johannes von Erfurt, Die Summa confessorum, hg. v. Brieskorn, N., 1981

Johannes von Saaz (oder Tepl) (um 1350 - Prag 1414) verfasst nach dem Studium der (lat.) artes (F.Pl.) liberales in Prag als Lehrer und Notar außer dem Ackermann von Böhmen (1401) vier Formelbücher und einen Band des Stadtbuches von Prag (lat. Liber [M.] contractuum, Buch der Verträge).

Lit.: Stutz, U., Rechtshistorisches in und zu dem Ackermann aus Böhmen, ZRG 41 (1920), 388

Johann von Buch -> Buch, Johann von

joint tenancy (N.) Gesamthandsgemeinschaft

Jonsbok (F.) (oder Lögbok Islendinga) ist der Name des 1281 in -> Island eingeführten, in rund 200 Handschriften überlieferten, nach (dem Lögmann) Jon Einarsson benannten, in zehn Teile gegliederten Rechts König -> Magnus Hakonarsons. Die J. bleibt bis in das 18. Jh. bedeutsam.

Lit.: Halldorsson, Kong Magnus Hakonarsons Lovbog for Island, 1904; Fix, H., Wortschatz der Jonsbok, 1984

Jordan von Osnabrück (um 1225? - 15. 4. 1283?), Domkapitular in Osnabrück, verfasst wohl vor 1273 einen durch -> Alexander von Roes 1281 überlieferten (lat.) Tractatus (M.) super Romano imperio (Abhandlung über das Römische Reich), in dem er den Vorrang des Römischen Reiches bis an das Weltende lehrt.

Lit.: Schraub, W., Jordan von Osnabrück und Ale­xander von Roes, 1910

Josaphat („Jahwe richtet“) ist nach Joel 4,12 im jüdisch-christlichen Verständnis der Ort des Jüngsten Gerichts (meist als Kidrontal verstanden).

Lit.: Hardung, S., Die Vorladung vor Gottes Gericht, 1934

Joseph II. (Wien 13. 3. 1741 - 20. 2. 1790), Sohn Kaiser Franz’ I. und Maria Theresias, wird 1764 römischer König, 1765 Kaiser und nach dem Tod seiner Mutter (29. 11. 1780) alleiniger Landesherr der österreichischen Erblande. Er strebt einen zentralistischen Gesamtstaat -> Österreich deutscher Staatssprache an. Seine aufgeklärte Reform­politik (Schule, Bildungswesen, Gesundheitswesen, -> Josephinisches Gesetzbuch, Bauernbefreiung, Josephinismus) kann sich gegen ständischen und föderalen Widerstand nicht durchsetzen.

Lit.: Bradler-Rottmann, E., Die Reformen Kaiser Josephs II., 1973; Mikoletzky, L., Kaiser Joseph II., 1979; Karniel, J., Die Toleranzpolitik Kaiser Josephs II., 1986; Beales, D., Joseph II., 1987; Blanning, T., Joseph II., 1994

Josephinisches Gesetzbuch ist das aus dem Entwurf gebliebenen (lat.) -> Codex (M.) Theresianus (1766) über den Entwurf Horten (1776) hervorgegangene österreichische Gesetzbuch vom 1. 1. 1787. Dieses „Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch“ enthält nur das Personenrecht. Es wird zum 1. 1. 1812 durch das -> Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch abgelöst.

Lit.: Köbler, DRG 142; Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch. Erster Teil, 1786; Harras von Harrasowsky, Der Theresianus und seine Umarbeitungen, 1886

Josephinismus ist ein staatspolitisches bzw. kirchenpolitisches System des aufgeklärten -> Absolutismus unter -> Joseph II. in -> Österreich. Im J. wandelt der Landesherr die ständische Verwaltung in eine bürokratische Beamtenverwaltung um. Die Leibeigenschaft wird abgeschafft, Wohlfahrtseinrichtungen werden gegründet. Deutsch wird Amtssprache. Der geistliche Bereich der Kirche wird auf Predigt, Sakrament, Gottesdienst und Disziplinargewalt über den Klerus beschränkt. Der evangelischen Religion wird Toleranz gewährt (1781). Die Ehe wird bürgerlicher Vertrag (1783).

Lit.: Winter, E., Der Josephinismus und seine Geschichte, 1943; Maass, F., Der Frühjosephinismus, Bd. 1ff. 1951ff.; Winter, E., Der Josephinismus, 2. A. 1962; Der Josephinismus, hg. v. Reinalter, H., 1993; Der Josephinismus, hg. v. Klueting, H., 1995

Jude ist der Angehörige der Religionsgemeinschaft Judentum, ursprünglich der Bewohner des Reiches des nach dem vierten Sohn Jakobs benannten Stammes (Gebiet um Jerusalem, Hebron, Beer Sheva). Die Frühgeschichte der Juden ist nicht eindeutig feststellbar. 587 v. Chr. gerät das Reich Juda unter die Herrschaft Babylons. 538 v. Chr. erlaubt König Kyros II. von Persien den in diesem Zusammenhang verschleppten Juden die Rückkehr nach Jerusalem. 63 v. Chr. erobern die Römer Jerusalem. Aufstände der Juden schlagen die Römer 70 n. Chr. unter Zerstörung Jerusalems, 115-117 und 132-136 n. Chr. blutig nieder. Bis zum 5./6. Jh. breiten sich die Juden unter Bewahrung ihrer besonderen Religion und ihres besonderen Rechtes in einzelne Gebiete Spaniens, des Frankenreiches und Italiens aus und verlegen sich dabei auf die Tätigkeit als Händler. Bis in das 9. Jahrhundert sind sie im Frankenreich nur am Mittelmeer sichtbar. Seit dem 9. Jh. werden ihnen im Frankenreich Schutzprivilegien gewährt, für die sie einen Schutzzins leisten. Im Reichslandfrieden von 1103 werden die Juden, die in den Städten in eigenen Gassen oder Vierteln (Ghettos) leben, unter die besonders befriedeten Personen aufgenommen. 1236 unterstellt sie Kaiser Friedrich II. als Kammerknechte gegen Abgaben (Judensteuer) dem Schutz des Königs bzw. des ihm hierin folgenden Landesherrn. Da die Juden wegen des -> kanonischen Zinsverbotes den Geldwechsel und das verzinsliche Darlehen an sich ziehen, werden sie zur Zeit der Verbreitung der Pest (1347-51) als deren angebliche Urheber vielfach verfolgt und weitgehend aus den Städten vertrieben. Im 17. und 18. Jh. gelingt einzelnen der verbliebenen Juden der Aufstieg im Bankwesen. In der Aufklärung (Dohm, C., Über die bürgerliche Verbesserung der Juden, 1781) erhalten die Juden alle staatsbürgerlichen Rechte (Virginia 1776, Frankreich 1791, Preußen 11. 3. 1812, 1850, Österreich 1867), müssen aber ihr besonderes Recht und ihre besondere Gerichtsbarkeit einschränken. Als Folge der Gleichstellung ziehen die Juden in die Großstädte und aus dem Osten in die deutschen Staaten. In Abwehr gegen die Judenemanzipation entsteht am Ende des 19. Jh.s der Antisemitismus. Er bildet einen Kern des politischen Programmes des -> Nationalsozialismus Adolf -> Hitlers. 1935 werden die Juden diskriminiert. Die 1938/1939 als Alternative zu der vom Ausland bzw. möglichen Einwanderungsländern abgelehnten Auswanderung (von 300000 bis 400000 Juden) angedrohte Vernichtung wird seit Sommer 1941 verwirklicht. Nur ein geringer Teil der europäischen Juden (um 1930 500000 Juden im Deutschen Reich, 190000 in Österreich) überlebt die sog. Endlösung (Holocaust).

Lit.: Köbler, DRG 120, 125, 127, 161, 172, 206, 222, 225, 228, 234, 238; Graetz, H., Geschichte der Juden, Bd. 1ff. 1853ff., Neudruck 1996; Hahn, B., Die wirtschaftliche Tätigkeit der Juden, Diss. phil. Freiburg im Breisgau 1911; Kisch, G., Forschungen zur Rechts- und Sozialgeschichte der Juden, 1955, 2. A. 1978; Falk, Hebrew Law in Biblical Times, 1964; Herzog, The Main Institutions of Jewish Law, Bd. 1f. 2. A. 1965ff.; Blau, B., Das Ausnahmerecht für die Juden, 3. A. 1965; Adam, U., Judenpolitik im Dritten Reich, 1972, Neudruck 1979; Herrmann, S., Geschichte der Juden in alttestamentarischer Zeit, 1973; Adler, H., Der verwaltete Mensch, 1974; Richarz, M., Der Eintritt der Juden in die akademischen Berufe, 1974; Wenninger, M., Man bedarf keiner Juden mehr, 1980; Zur Geschichte der Juden in Deutschland, hg. v. Haverkamp, A., 1981; Güde, W., Die rechtliche Stellung der Juden in den Schriften der deutschen Juristen des 16. Jahrhunderts, 1982; Donner, Geschichte des Volkes Israel, Bd. 1f. 1984ff.; Boecker, Recht und Gesetz im Alten Testament, 2. A. 1984;Graus, F., Pest – Geißler- Judenmorde, 1983; Der Mord an den Juden im 2. Weltkrieg, hg. v. Jäckel-Rohwer, 1985; Beer, U., Die Juden, 1986; Brammer, A., Judenpolitik und Judengesetzgebung, 1987; Die Juden in Deutschland 1939-1945, hg. v. Benz, W., 1988; Pehle, W., Der Judenpogrom 1938, 1988; Maier, J., Das Judentum, 3. A. 1988; Jodmann, W., Gesellschaftskrise und Judenfeindschaft, 1988; Die Ermordung der europäischen Juden, hg. v. Longerich, P., 1989; Göppinger, H., Juristen jüdischer Abstammung, 2. A. 1990; Shatzmiller, J., Shylock Reconsidered, 1990; Battenberg, F., Das europäische Zeitalter der Juden, Bd. 1f. 1990; Aschkenas, 1./2. Jg., hg. v. Krach, T./Battenberg, J., 1991/92; Jüdische Rechtsanwälte in Preußen, 1991; Greive, H., Die Juden, 4. A. 1992; Die Juden in ihrer mittelalterlichen Umwelt, hg. v. Birkhan, H., 1992; Wissenschaft des Judentums, hg. v. Carlebach, J., 1992;  Patschovsky, A., Das Rechtsverhältnis der Juden zum deutschen König, ZRG GA 110 (1993), 331; Burmeister, K., Zur Geschichte der Juden am Bodensee Bd. 1ff. 1994ff.; Volkov, S., Die Juden in Deutschland 1780–1918, 1994; Katz, D., The Jews in the History of England, 1994; Juden in Deutschland, hg. v. Matheus, M., 1995; Hammerstein, N., Antisemitismus und deutsche Universitäten, 1995; Juden in Deutschland, hg. v. Matheus, M., 1995; Trepp, L., Geschichte der deutschen Juden, 1996; Scholl, R., Juden und Judenrecht, 1996; Das Sonderrecht der Juden im NS-Staat, hg. v. Walk, J., 2. A. 1996; Die Juden in Deutschland 1933 – 1945, hg. v. Benz, W., 4. A. 1996; An introduction to the history and sources, hg. v. Hecht, N., 1996; Wesel, U., Hebräisches Recht, JuS 1997, 686; Gotzmann, A., Jüdisches Recht im kulturellen Prozess, 1997; Herzig, A., Jüdische Geschichte in Deutschland, 1997; Toch, M., Die Juden im mittelalterlichen Reich, 1997; Zimmermann, M., Die deutschen Juden 1914 – 1945, 1997; Meyer, M., Deutsch-jüdische Geschichte der Neuzeit, 1997; Gotzmann, A., Jüdisches Recht im kulturellen Prozess, 1997; Jersak, T., Die Interaktion von Kriegsverlauf und Judenvernichtung, HZ 268 (1998), 311; Friedländer, S., Das Dritte Reich und die Juden, 1998; Geisel, C., Die Juden im Frankenreich, 1998; Deutsches Judentum unter dem Nationalsozialismus, Bd. 1ff. 1998ff.; Studien zur Geschichte der Juden in Österreich, hg. v. Keil, M. u. a., Bd. 2 1998; Ladwig-Winters, S., Anwalt ohne Recht, 1998; Toch, M., Die Juden im mittelalterlichen Reich, 1998; Longerich, P., Politik der Vernichtung, 1999; Altermatt, U., Antisemitismus in der Schweiz, 1998; Juden und Christen im Zeitalter der Kreuzzüge, hg. v. Haverkamp, A., 1998; Schirer, L., Israelisches und jüdisches Recht, 1998; Longerich, P., Politik der Verrichtung, 1998; König, I., Judenverordnungen im Hochstift Würzburg, 1999; Lee, S., The spirit of Hebrew law, FS B. Großfeld, 1999, 671; Landjudentum, hg. v. Kießling, R. u. a. 1999; Benbassa, E., Geschichte der Juden in Frankreich, 1999; Wasserstein, B., Europa ohne Juden, 1999; Magin, C., Wie es umb der iuden recht stet, 1999; Marzi, W., Judentoleranz im Territorialstaat, 1999; Juden in der Stadt, hg. v. Mayrhofer, F. u. a., 1999; Judenvertreibungen, hg. v. Burgard, F u. a., 1999; Illustrierte Geschichte des Judentums, hg. v. Lange, N. de, 2000; Herzfeld, E., Juden in Brandenburg und Preußen, 2001;Juden in Europa, hg. v. Schoeps, J. u. a., Bd. 1ff. 2001ff.; Rechtsentscheide Abraham Ben Davids von Posquières, hg. v. Mutius, H., 2001; Battenberg, J., Die Juden in Deutschland, 2001; Browning, C., Judenmord, 2001; Handbuch zur Geschichte der Juden in Europa, hg. v. Kotowski, E. u. a., 2001; Stern, S., Der Hofjude im Zeitalter des Absolutismus, 2001; Juden – Bürger – Deutsche, hg. v. Gotzmann, A. u. a., 2001; Weitere Rechtsentscheide Abraham Ben Davids von Posquières, hg. v. Mutius, H., 2002; Baltrusch, E., Die Juden und das römische Reich, 2002; Lohrmann, K., Die Juden in der Gesellschaft des Mittelalters, 2002; Judentum und Aufklärung, hg. v. Herzig, A. u. a., 2002; Schall, U., Die Juden im römischen Reich, 2002; Schäfer, R., Die Rechtsstellung der Haigerlocher Juden, 2002; Gruner, W., Öffentliche Wohlfahrt und Judenverfolgung, 2002; Althaus, H., Zocker, Zoff und Zores – Jiddische Wörter im Deutschen, 2002; Herzig, A., Jüdische Geschichte in Deutschland, 2. A. 2002; Barkai, A., Wehr dich – Der Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens 1893-1938, 2002; Katz, J., Tradition und Krise, 2002; Finkelstein, I./Silberman, N., Keine Posauen vor Jericho, 2002; ; Eckart, O., Gottes Recht als Menschenrecht, 2002; Staudacher, A., Jüdische Konvertiten in Wien 1782-1868, 2002; Kieffer, F., Judenverfolgung in Deutschland – eine innere Angelegenheit?, 2002; Adam, W., Judenpolitik im Dritten Reich, 2003; Geschichte des jüdischen Alltags in Deutschland, hg. v. Kaplan, M., 2003; Rechtsentscheide von Moses Nachmanides aus Gerona, hg. v. Mutius, H. v., Teil 1 2003; Bergemann, H./Ladwig-Winters, S., „Für ihn brach die Welt, wie er sie kannt, zusammen …“. Juristen jüdischer Herkunft im Landgerichtsbezirk Potsdam, 2003; Hambrock, M., Die Etablierung der Außenseiter, 2003; Bajohr, F., Unser Hotel ist judenfrei, 2003; Elon, A., Zu einer anderen Zeit, 2003; Barth, C., Goebbels und die Juden, 2003; Schubert, K., Jüdische Geschichte, 5. A. 2003; Althaus, H., Kleines Lexikon deutscher Wörter jiddischer Herkunft, 2003; Toch, M., Die Juden im mittelalterlichen Reich, 2. A. 2003

Judeneid ist der besondere, von -> Juden in Rechtsstreitigkeiten mit Nichtjuden zu schwörende, seit dem 9. Jh. überlieferte Eid.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Claussen, H., Der Judeneid, 1937; Kisch, G., Ausgewählte Schriften, Bd. 1 1978, 137

Judenpogrom -> Juden

Judenrecht ist das besondere, für -> Juden geltende Recht. Es ist teils nichtjüdisches Recht (z. B. Codex Theodosianus 438, Codex Justinianus 534), hauptsächlich aber jüdisches Recht.

Lit.: Linder, A., The Jews in Roman Imperial Legislation, 1987; Pakter, W., Medieval Canon Law and the Jews, 1988; Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte 2. A. 1995, 36

Judenregal -> Jude

Judenverfolgung -> Jude

Judicature Acts von 1873/5 sind Gesetze, welche das englische Gerichtsverfassungsrecht erheblich abändern und dabei das Gericht des Kanzlers mit den drei Gerichten des Königs verbinden.

Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 3. A. 1990

Judikative ist im Rahmen der -> Gewaltenteilung die rechtsprechende Gewalt.

Lit.: Köbler, DRG 191

Judikatur (F.) Rechtsprechung

Lit.: Mertens, H., Untersuchungen zur zivilrechtlichen Judikatur des Reichsgerichts, AcP 174 (1974), 333; Schulte-Nölke, H., Rheinische Judikatur, ZNR 1998, 84

jüdisches Hehlerrecht -> Hehler

Jugend ist die Zeit des Heranwachsens eines Menschen. Für die J. gelten seit Entstehung des Rechts besondere Rechtssätze. -> Kind, Vormundschaft, Jugendgericht, Jugendstrafrecht

Lit.: Speitkamp, W., Jugend in der Neuzeit, 1998

Jugendgericht ist das für Jugendsachen in Deutschland zuständige Gericht, welches durch das Jugendgerichtsgesetz (16. 2. 1923) geschaffen wird.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 234; Baltl/Kocher

Jugendschutz

Lit.: 1951/7, JöschG 25. 2. 1985

Jugendstrafrecht ist das seit dem 19. Jh. entstehende besondere Strafrecht für Jugendliche (Deutschland 16. 2. 1923 Jugendgerichtsgesetz).

Lit.: Holzschuh, K., Geschichte des Jugendstrafrechts, 1957; Roth, A., Die Entstehung eines Jugendstrafrechts, ZNR 1991, 17; Fritsch, M., Die jugendstrafrechtliche Reformbewegung, 1999; Oberwittler, D., Von der Strafe zur Erziehung?, 2000; Günzel, S., Die geschichtliche Entwicklung des Jugendstrafrechts, 2001

Jugoslawien ist der 1918 aus Gebieten Österreich-Ungarns, des Osmanischen Reiches und des seit 1830 autonomen und seit 1878 unabhängigen Königreichs (1882) Serbien gebildete südosteuropäische Staat. Am 29. 10. 1918 wird die Loslösung Kroatiens, am 30. 10. 1918 die Loslösung Bosniens und Herzegowinas von Österreich, am 19. 11. 1918 der Anschluss Montenegros an Serbien ausgerufen. Am 1. 12. 1918 wird das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen erklärt. 1929 wird das Land in J. umbenannt, am 29. 11. 1945 zur Republik umgewandelt. Seit 1991 zerfällt es wieder in mehrere Einzelstaaten (Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Serbien [mit Montenegro], Makedonien).

Lit.: Köbler, DRG 220; Köbler, Historisches Lexikon; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 4,5,325; Büschenfeld, H., Jugoslawien, 1981; Als Mitteleuropa zerbrach, hg. v. Karner, S. u. a., 1990; Baer, S., Der Zerfall Jugoslawiens, 1995; Suppan, A., Jugoslawien und Österreich, 1996; Verbrechen an den Deutschen in Jugoslawien, verf. v. Arbeitskreis Dokumentation in der Donauschwäbischen Kulturstiftung, 1998; Meier, V., Wie Jugoslawien verspielt wurde, 1999; Der Jugoslawien-Krieg, hg. v. Melcic, D. u. a., 1999; Meier, V., Wie Jugoslawien verspielt wurde, 3. A. 1999; Meier, V., Jugoslawiens Erben, 2001; Dérens, J./Samary, C., Jugoslawien von A bis Z, 2001

Julianus -> Iulianus

Jülich ist der Mittelpunkt einer Grafschaft, die 1356 zum Herzogtum erhoben wird und deren Gebiet über Pfalz-Neuburg (1614), Bayern (1777) und Preußen (1814/5) 1946 zu Nordrhein-Westfalen kommt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Scotti, J., Sammlung der Gesetze und Verordnungen, Bd. 1 1821; Croon, H., Stände und Steuern in Jülich-Berg, 1929; Walz, R., Stände und frühmoderner Staat, 1982; Kraus, T., Jülich, Aachen und das Reich, 1987

Jüngstenrecht (Minorat) ist das Erbrecht des Jüngsten als Alleinerben bei mehreren an sich gleich nahen Verwandten. Es entsteht im -> Anerbenrecht. Es ist weniger verbreitet als das Ältestenrecht.

Lit.: Hübner 803; Kroeschell, DRG 2

jüngster Reichsabschied ist der am 17. 5. 1654 verkündete letzte Reichsabschied des Reichstags des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) (vor dem immerwährenden Reichstag). Von Bedeutung ist die im jüngsten Reichsabschied enthaltene neue Verfahrensordnung des Reichskammergerichts mit der Abschaffung der artikulierten Klage usw.

Lit.: Ruville, A. v., Die kaiserliche Politik auf dem Regensburger Reichstag 1653-1654, 1896; Fürnohr, W., Der immerwährende Reichstag zu Regensburg, 1963

Jüngstes Gericht ist das von der jüdisch-christlichen Religion erwartete Gericht Gottes am Ende der Welt.

Juniorat -> Jüngstenrecht

jura (lat. [N.Pl.]) -> ius (lat. [N.])

Jura ist das Gebiet eines Gebirgszuges nahe dem Doubs. Der französischsprachige J. gehört bis 1815 zum Hochstift Basel, danach zum Kanton Bern. Nach Volksabstimmungen im Jura (1974) und in der -> Schweiz (24. 9. 1978) wird J. selbständiger Kanton.

Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,1859

Jurisdiktion (F.) Rechtsprechung

Jurisdiktionsnorm ist in Österreich das Gesetz über die Ausübung der Gerichtsbarkeit und die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten vom 1. 8. 1895.

Lit.: Baltl/Kocher

Jurisprudenz ist die Rechtswissenschaft. Sie ist bedeutsam im klassischen römischen Recht (3. Jh. v. Chr. - 3. Jh. n. Chr.) und seit der Wiederentdeckung des römischen Rechts im Hochmittelalter (-> Irnerius). Der durch J. fachlich Gebildete ist der -> Jurist. -> Begriffsjurisprudenz, Interessenjurisprudenz

Lit.: Söllner §§ 11, 15, 16; Köbler, DRG 30, 99; Kirchmann, J. v., Die Wertlosigkeit der Jurisprudenz als Wissenschaft, Neudruck 1956, 1960, 1988; Kisch, G., Erasmus und die Jurisprudenz seiner Zeit, 1960; Trusen, W., Spätmittelalterliche Jurisprudenz und Wirtschaftsethik, 1961; Canaris, C., Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 1969; Stupp, H., Mos geometricus oder prudentia als Denkform der Jurisprudenz, Diss. jur. Köln 1970; Otte, G., Dialektik und Jurisprudenz, 1971; Blühdorn, J., Naturrechtskritik und „Philosophie des positiven Rechts“, TRG 41 (1973), 3; Hübner, H., Jurisprudenz als Wissenschaft im Zeitalter des Humanismus, FS K. Larenz, 1973, 41; Schröder, J., Wissenschaftstheorie und Lehre der „praktischen Jurisprudenz“, 1979; Backhaus, R., Casus perplexus, 1981; Herberger, M., Dogmatik, 1981; Rückert, J., Idealismus, Jurisprudenz und Politik bei Friedrich Carl von Savigny, 1984; Liebs, D., Die Jurisprudenz im spätantiken Italien, 1987; Radding, C., The Origins of Medieval Jurisprudence, 1988; Liebs, D., Römische Juris­prudenz in ­in Afrika, 1993; Kiesow, R., Das Naturgesetz des Rechts, 1997; Ihering, R. v., Ist die Jurisprudenz eine Wissenschaft?, 1868, hg. v. Behrends, O., 1998

Jurist ist der planmäßig rechtswissenschaftlich ausgebildete Rechtsgelehrte. Juristen kennt bereits das römische Altertum, in welchem die öffentliche Ausübung einer weltlichen Rechtsunterweisung anscheinend zuerst durch den ersten plebejischen (lat.) pontifex (M.) maximus (Oberpriester) Tiberius Coruncanius (254 v. Chr.) erfolgt. Im Hochmittelalter beginnt die Ausbildung von Juristen wohl mit -> Irnerius und seinen Schülern am Anfang des 12. Jh.s. 1267 begegnet der erste gelehrte Jurist des Erzbistums Salzburg, 1267 des Erzbistums Trier. Kurz vor 1300 erscheint der erste, in Bologna noch ohne Grad ausgebildete J. am Hof des Erzbischofs von Mainz, dem bis 1440 49 weitere, dann meist in Heidelberg oder Erfurt ausgebildete Juristen folgen (Bremen 1328, Riga 1360). Insgesamt finden sich zwischen 1250 und 1440 etwa 700 rechtsgelehrte Personen in 55 geistlichen und 29 weltlichen Herrschaftsgebieten (König von Böhmen 72, Herzog von Österreich 60, Erzbischof von Köln 56, Erzbischof von Mainz 49, Herzog von Bayern 34, Bischof von Konstanz 32). Gegen 1300 verwendet Hugo von Trimberg im Deutschen das Wort J. Unter Kaiser Friedrich III. (1452 – 1493) dient dem Königtum die Hälfte der mehr als 250 aus dem gesamten Spätmittelalter bekannten gelehrten deutschen Juristen und damit ebenso viele wie in der Zeit zwischen 1300 und 1450 und mehr als an irgendeinem landesherrlichen Hof. Die Zahl der vor allem dem niederen Adel und dem städtischen Großbürgertum entstammenden Juristen, die zeitweise dem Adel gleichwertig gelten, steigt anfangs langsam, im 15.Jh. bereits deutlich, seit dem 20. Jh. immer stärker (um 1995 ca. 150000 Juristen in Deutschland). Die 150 berühmtesten Juristen studierten im Durchschnitt an 1,88 Universitäten und lehrten durchschnittlich an 2,26 Universitäten, wechselten also mehrfach ganz selbverständlich.

Lit.: Söllner §§ 11, 15, 16; Köbler, DRG 8, 100, 114, 151, 154, 188, 262; Schultheß, H., Schweizer Juristen, 1945; Genzmer, E., Hugo von Trimberg und die Juristen, Studi P. Koschaker, Bd. 1 1954, 289; Wieacker, F., Textstufen klassischer Juristen, 1960; Kunkel, W., Die römischen Juristen, 2. A. 1967, Neudruck 2001; Fried, J., Die Entstehung des Juristenstandes im 12. Jahrhundert, 1974; Kolbeck, T., Juristenschwemmen, 1978; Das Profil des Juristen in der europäischen Tradition, 1980; Jessen, J., Die Selbstzeugnisse der deutschen Juristen, 1983; Die Rolle des Juristen bei der Entstehung des modernen Staates, hg. v. Schnur, R., 1986; Schulen und Studium, hg. v. Fried, J., 1986; Männl, I., Die gelehrten Juristen, Diss. phil. Gießen 1986; Rechtswissenschaft in Göttingen, hg. v. Loos, F., 1987; Juristen in Österreich (1200-1980), hg. v. Brauneder, W., 1987; Biographisches Repertorium der Juristen im Alten Reich, hg. v. Ranieri, F., Bd. 1ff. 1987ff. (CD-ROM 1997); Juristen im Portrait, 1988; Streitbare Juristen, hg. v. Kritische Justiz, 1988; Köbler, G., Wie werde ich Jurist?, 4. A. 1988; Göppinger, H., Juristen jüdischer Abstammung, 1990; Stiefel, E., Deutsche Juristen im amerikanischen Exil, 1991; Dölemeyer, B., Frankfurter Juristen im 17. und 18. Jahrhundert, 1993; Juristen, hg. v. Stolleis, M., 1995; Kleinheyer, G./Schröder, J., Deutsche und europäische Juristen aus neun Jahrhunderten, 4. A. 1996; Beneduce, P., Il corpo eloquente, 1996; Internationaler biographischer Index des Rechts und der Rechtswissenschaft, Bd. 1ff., 1996; Dilcher, G., Der deutsche Juristenstand, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Liebs, D. Römische Juristen der Merowinger, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Biographisches Repertorium der Juristen im Alten Reich, hg. v. Ranieri, F., 1997 (CD); Juristinnen in Deutschland, hg. v. Deutschen Juristinnenbund, 3. A. 1998; Recht und Verfassung, hg. v. Boockmann, H. u. a., 1998; ;Schmutz, J., Juristen für das Reich, 2000; Juristen, hg. v. Stolleis, M., 2001; Zivilrechtliche Entdecker, hg. v. Hoeren, T., 2001; Österreichische Rechtswissenschaft in Selbstdarstellungen, hg. v. Jabloner, C. u. a., 2003

Juristenausbildung ist die universitäre oder praktische Ausbildung zu einem -> Juristen (-> Rechtsunterricht). Sie beginnt im Mittelalter nach vorrechtswissenschaftlichen Anfängen im 12. Jh. Ausbildungsort ist hauptsächlich die -> Universität, in England aber auch die Juristenzunft (engl. inn of court). An der Universität ist die juristische Fakultät eine der drei über der artistischen Fakultät stehenden oberen Fakultäten. Lehrbefugt ist am Beginn der (lat. [M.]) doctor, seit dem 19. Jh. der Habilitierte. Studierberechtigt ist anfangs der Lateinkundige, seit dem 18. Jh. der (lateinkundige) Abiturient (Preußen 1788) bzw. Maturant. Frauen werden erst zu Beginn des 20. Jh.s zugelassen. Die Dauer des Studiums ist zunächst (6-8 Jahre) unbestimmt, wird im 19. Jh. aber auf eine Mindestzeit von 6, später 7 Semestern festgelegt. Wichtigste Lehrveranstaltung ist die Vorlesung (lat. [F.] praelectio). Lehrgegenstand sind ursprünglich die römischen Texte Justinians und die kirchlichen Sammlungen, seit dem 16. Jh. einzelne Fachgebiete. Seit dem 18. Jh. (Preußen 1710, 1713) wird (für den Staatsdienst) eine der Universitätsausbildung folgende (praktische Ausbildung mit anschließender) Prüfung (zum Volljuristen) vorausgesetzt.

Lit.: Savigny, F. v., Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, Bd. 3 2. A. 1834; Muther, T., Zur Geschichte der Rechtswissenschaft und der Universitäten in Deutschland, 1867; Weimar, P., Die legistische Literatur und die Methode des Rechtsunterrichts der Glossatorenzeit, Ius commune 2 (1969), 43; Köbler, G., Zur Geschichte der juristischen Ausbildung in Deutschland, JZ 1971, 768; Bake, G., Die Entstehung des dualistischen Systems der Juristenausbildung in Preußen, Diss. jur. Kiel 1971; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. 1ff. 1972ff.; Burmeister, K., Das Studium der Rechte, 1974; Köbler, G., Vorstufen der Rechtswissenschaft, ZRG GA 100 (1983), 75; Hagemann, H., Rechtsunterricht im 16. Jahrhundert, ZNR 14 (1992), 162; Frassek, R., Weltanschaulich begründete Reformbestrebungen für das juristische Studium in den 30er und 40er Jahren, ZRG GA 111 (1994), 564; Ebert, I., Die Normierung der juristischen Staatsexamina, 1995; Lührig, N., Die Diskussion über die Reform der Juristenausbildung, 1997

Juristen, böse Christen ist eine wohl ansatzweise im Spätmittelalter entstandene Redewendung (überliefert in vier Handschriften von Hugo von Trimbergs Lehrgedicht „Der Renner“ [um 1300]). Sie hat ihren Grund in den Vermutungen, dass der gelehrte Rechtskundige auf der Seite der Mächtigen steht, die Wahrheit verdunkelt und die Verfahren verlängert.

Lit.: Stintzing, R. v., Das Sprichwort „Juristen, böse Christen“, 1875; Riezler, E., Die Abneigung gegen den Juristen, 1925

Juristenfakultät ist die den Rechtsunterricht ausführende Fakultät der Universität. Sie entsteht seit dem 13. Jh. in Oberitalien und Frankreich (Paris), seit dem 14. Jh. auch im deutschen Sprachraum. Die J. ist Verbandsperson, gerät aber in der Neuzeit unter staatlichen Einfluss (Wittenberg 1508, einzelne -> Universitäten). Im 20. Jh. nimmt die zahlenmäßige Größe sehr stark zu.

Lit.: Kaufmann, G., Geschichte der deutschen Universitäten, Bd. 1f. 1888ff., Neudruck 1958; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; Willoweit, D., Das juristische Studium in Heidelberg und die Lizentiaten der Juristenfakultät von 1386 bis 1436, in: Semper aperta, FS Universität Heidelberg, Bd. 1 1985, 85

Juristenrecht ist das von Juristen (statt vom Volk oder vom Gesetzgeber) geschaffene Recht. Es spielt in der rechtswissenschaftlichen Diskussion des frühen 19. Jh.s (-> Puchta) eine gewisse Rolle. -> Richterrecht

Lit.: Kaser § 2 II; Söllner §§ 11, 15, 16; Köbler, DRG 4; Thöl, H., Volksrecht, Juristenrecht, Genossenschaften, Stände, Gemeines Recht, 1846; Brauneder, W., Privatrechtsfortbildung durch Juristenrecht, ZNR 1983, 22

Juristenstand -> Jurist

Juristentag ist eine freiwillige, periodisch stattfindende Versammlung von Juristen (in Deutschland seit 1860). Zielsetzung ist die öffentliche Erörterung von allgemeinen Rechtsfragen.

Lit.: Conrad, H., Der deutsche Juristentag 1860-1960, in: Hundert Jahre deutsches Rechtsleben, FS zum hundertjährigen Bestehen des deutschen Juristentages, Bd. 1 1960, 1; Dilcher, G., Der deutsche Juristentag 1960-1980, 1980; Landau, P., Die deutschen Juristen, 1996

juristische Person ist die durch die Rechtsordnung geschaffene Person. Dem Altertum ist der Gedanke, dass ein Personenverband mit selbständiger Rechtsfähigkeit ausgestattet sein kann, noch fremd. Die Römer sehen z. B. beim Staat oder Verein die Gesamtheit der jeweiligen Mitglieder als Rechtsträger an. Wohl als Folge der zunehmenden Verdichtung der Gesellschaft und der sich hieraus ergebenden Verstärkung der Verbandsbildung (Stadt, Gemeinde, Staat, Universität, Orden, Zunft, Markgenossenschaft usw.) spricht Papst Innozenz IV. 1245 erstmals von einer (lat.) persona (F.) ficta (erdachten Person). Im 19. Jh. wird auf der Grundlage naturrechtlicher Ansätze der moralischen Person oder juristischen Person eigene Rechtsfähigkeit zuerkannt. Streitig ist nur, ob die j. P. eine Fiktion (-> Savigny) oder ein sozialer Organismus (-> Gierke) sei. Juristische Personen sind vor allem -> Verein (u. a. -> Aktiengesellschaft, Gesellschaft mit beschränkter Haftung) und -> Stiftung. Seit dem ausgehenden 20. Jh. ist auch die Einmanngesellschaft als j. P. möglich.

Lit.: Kaser § 17 I; Köbler, DRG 207; Henkel, W., Zur Theorie der juristischen Person im 19. Jahrhundert, 1973; Dießelhorst, M., Zur Theorie der juristischen Person bei Savigny, Quaderni Fiorentini 9 (1980); Brauneder, W., Von der moralischen Person des ABGB zur juristischen Person der Privatrechtswissenschaft, Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/3), 263; Ebihara, A., Was ist juristisch an der juristischen Methode des Staatsrechts, ZNR 1996, 66

Jury ist das mit Laien besetzte Geschworenengericht. Die J. entwickelt sich in England und Frankreich aus dem vorwissenschaftlichen Gericht. Im 19. Jh. fordert der Liberalismus im Kampf gegen den Staat und dessen Berufsrichter die J. auch in Deutschland. Nach 1848 wird die J. als -> Schwurgericht eingerichtet.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungrechts, 1954; The trial jury in England, France and Germany 1700-1900, hg. v. Schioppa, A., 1987; Cairns, J./Mc Leod, G., The Dearest Birthright of the People of England, 2002

Justi, Johann Heinrich Gottlob von (Brücken 28. 12. 1717 - Küstrin 21. 7. 1771) wird nach dem Rechtsstudium in Wittenberg (Leyser) 1750 Professor für Kameralistik in Wien und nach 1755 Praktiker und Publizist mit Vorlesungen in Göttingen (1755-7). Sein Hauptwerk ist die Grundfeste zu der Macht und Glückseligkeit der Staaten (1760f., Neudruck 1965). Hierzu stellt er die wirtschaftlichen Interessen der Allgemeinheit dem fiskalischen Interesse des nur durch Grundgesetze gebundenen absoluten Monarchen voran. Die Polizei beschränkt er auf die Gewährleistung der Rahmenbedingungen für privates wirtschaftliches Handeln. Die systematische Bearbeitung des Polizeibegriffs legt dabei die Grundlage für das Verwaltungsrecht des 19. Jh.s.

Lit.: Frensdorff, F., Über das Leben und die Schriften des Nationalökonomen Johann Heinrich Gottlob von Justi, 1903, Neudruck 1970; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1 1988

Justinian (Tauresium 482 - Konstantinopel 11. 11. 565), Bauernsohn und Kaiserneffe, wird 527 Kaiser des oströmischen Reiches. Er veranlasst die Schaffung der -> Institutionen (533), der -> Digesten oder -> Pandekten (530/3) und des -> Codex (534) und erlässt danach noch Einzelgesetze (-> Novellen).

Lit.: Söllner §§ 19, 21; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 43; Köbler, DRG 50, 53; Schindler, K., Justinians Haltung zur Klassik, 1966; Browning, R., Justinian and Theodora, 1971; Mazal, O., Justinian I. und seine Zeit, 2001

Justiz (zu lat. iustitia [F.] Gerechtigkeit) ist die Rechtspflege (vielfach nur der ordentlichen Gerichtsbarkeit).

Lit.: Hannover, H./Hannover, E., Politische Justiz, 1966, Neudruck 1987; Fieberg, G., Justiz im nationalsozialistischen Deutschland, 1984; Jasper, G., Justiz und Nationalsozialismus, 1985; Just-Dahlmann, B. u. a., Die Gehilfen, 1988; Justizalltag im Dritten Reich, hg. v. Diestelkamp, B. u. a., 1988; Recht und Justiz im Dritten Reich, hg. v. Dreier, R. u. a., 1989; Justiz in alter Zeit, 3. neubearb. A., hg. v. Hinckeldey, C. u. a., 1989; Judicial Records, hg. v. Baker, J., 1989; Wrobel, Verurteilt zur Demokratie, 1998; Royer, J., Histoire de la justice en France, 1995; Dölemeyer, B., Justizforschung in Frankreich und Deutschland, ZNR 18 (1996); Error iudicis, hg. v. Gouron, A. u. a., 1998; Schulte-Nölke, H., Rheinische Judikatur im frühen 19. Jahrhundert, ZNR 20 (1998); Gruchmann, L.,Justiz im Dritten Reich 1933-1940, 3. A. 2001; 2003; Seif, U., Recht und Justizhoheit, 2003

Justizgesetzsammlung ist eine 1780 in Österreich angelegte Sammlung der Justizgesetze.

Lit.: Baltl/Kocher

Justizsache ist im 18. Jh. die gerichtlich überprüfbare Angelegenheit.

Lit.: Kroeschell, K., Justizsachen und Polizeisachen, FS H. Thieme, 1983

Justizstelle -> oberste Justizstelle

Justizverwaltung ist die Verwaltung der von der allgemeinen Verwaltung getrennten Gerichtsbarkeit.

Lit.: Hamann, U., Das Oberlandesgericht Celle im Dritten Reich, in: FS zum 250jährigen Bestehen des Oberlandesgerichts Celle, 1986

Jütisches Recht -> Jyske Lov

Lit.: Wagner, W., Jütlands Verfassung im Mittelalter, 1992

Jütland ist der festländische Teil Dänemarks zwischen Nordsee und Ostsee. Teile seiner germanischen Bewohner ziehen im 5. Jh. in das heutige Belgien und von dort 449 nach Britannien bzw. England. 1241 erlässt König Waldemar von Dänemark das -> Jyske Lov.

Lit.: Nordisk kultur, Bd. 2 1938, 1ff.

Jyske Lov, Jydske Lov, ist ein im März 1241 von König Waldemar II. (1202-1241) von Dänemark als verbessertes Landschaftsrecht für Jütland erlassenes Gesetz in dänischer Sprache. Es ist in 14 Handschriften des 14. Jh.s überliefert. Es gliedert sich in drei Bücher gemischten Inhalts. Es ist kirchlich und königlich geprägt. Es gilt bis 1683, in Schleswig bis 1900.

Lit.: Das Jyske Recht, hg. v. See, K. v., 1960; Amira, K., v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 91, 96

 

K

 

Kabbala (F.) mystisch-spekulative Strömung des Judentums in Südfrankreich und Spanien (13./14. Jh.)

Lit.: Scholem, G., Ursprung und Anfänge der Kabbala, 1962; Reichstein, H., Praktisches Lehrbuch der Kabbala, 1984; Scholem, G., Mystik, 3. A. 1988

Kabel (F.) ist im mittelalterlichen Norddeutschland das Los und der durch das Los bestimmte Anteil (z. B. an einem Deich).

Lit.: Hübner § 114

Kabinett ist ursprünglich das kleine Gemach, in dem der neuzeitliche Fürst seine besonderen Angelegenheiten besorgt. Hieraus entwickelt sich eine beratende beamtete Organisation. In der Gegenwart ist K. die Regierung.

Lit.: Köbler, DRG 151; Dürichen, J., Geheimes Kabinett und Geheimer Rat unter der Regierung Augusts des Starken, Neues Archiv f. Gesch. 51 (1930), 68; Heiss, U., Geheimer Rat und Kabinett in den Ernestinischen Staaten Thüringens, 1962; Leinert, B., Geheimer Rat und Kabinett in Baden, 1973

Kabinettsjustiz ist die Gesamtheit der Eingriffe des Landesherrn in einen geschäftlichen Ablauf im Einzelfall. Im -> Absolutismus ist der Machtspruch erlaubt. Seit der zweiten Hälfte des 18. Jh.s wird er als Verstoß gegen die -> Gewaltenteilung bekämpft und im Gefolge der französischen Revolution (1789) und der Verfassungsgebung Frankreichs (1791, Kapitel V, Art. 1) im 19. Jh. ausgeschlossen.

Lit.:Köbler, DRG 154, 200; Bussi, E., Zur Geschichte der Machtsprüche, FS E. Hellbling, 1971, 51; Ogris, W., Maria Theresia iudex, Anzeiger der phil.-hist. Kl. d. österreichischen Ak. d. Wiss. 110 (1973), 232; Ogris, W., De sententiis ex plenitudine potestatis, FS H. Krause, 1975, 171; Regge, J., Kabinettsjustiz in Brandenburg-Preußen, 1977; Olechowski, T., Iustitia regnorum fundamentum, RZ 78 (2000), 132

Kadijurisprudenz ist die Streitentscheidung durch den Kadi (Richter in arabischen Ländern) im Gegensatz zur rechtsstaatlichen Rechtsprechung.

Lit.: Luig, K., Richterkönigtum und Kadijurisprudenz, in: Das Profil des Juristen, 1980, 295

Kahn-Freund, Otto (Frankfurt am Main 1900 - England 1979) wird nach dem Studium von Geschichte und Recht in Heidelberg, Leipzig und Frankfurt (Sinzheimer) Richter. 1933 wandert er wegen seiner jüdischen Herkunft nach England aus und wird 1951 Professor in London, 1964 in Oxford. Er gehört zu den führenden Arbeitsrechtlern des 20. Jh.s.

Lit.: Kahn-Freund, O., Autobiographische Erinnerungen an die Weimarer Republik, Kritische Justiz 1981, 183

Kaiser ist der Träger der höchsten weltlichen Würde. In der Nachfolge Gaius Iulius Caesars (+ 44 v. Chr.) nennen sich schon die römischen Herrscher (lat. [M.]) caesar. In Westrom endet dies 476 n. Chr. Im Osten tritt im 7. Jh. die Bezeichnung basileus an die Stelle von Caesar. An Weihnachten 800 krönt Papst Leo III. Karl den Großen zum K. (lat. imperator [M.] Romanorum). In der Folge erlangen viele deutsche Könige vom Papst die Krönung zum K. Die damit verbundenen Rechte sind gering. 1453 endet das oströmische Kaisertum. Der Herrscher Russlands nennt sich Zar. Nach 1530 wird der K. des Heiligen Römischen Reichs von den Kurfürsten gewählt. 1804 nehmen die Herrscher von Frankreich und Österreich den Titel K. an. 1806 endet das Kaisertum des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation. 1871 wird der König von Preußen zum K. des Deutschen Reiches proklamiert. 1918 endet das europäische Kaisertum. K. ist auch der -> Zar.

Lit.: Köbler, DRG 76, 83, 109, 132, 147, 194, 195; Tophoff, H., Die Rechte des deutschen Kaisers, 1902; Srbik, H. v., Das österreichische Kaisertum, 1927; Schramm, P., Kaiser, Rom und Renovatio, 1929, 2. A. 1957; Andreae, F., Das Kaisertum in der juristischen Staatslehre des 15. Jahrhunderts, Diss. phil. Göttingen 1951; Pratje, J., Die kaiserlichen Reservatrechte, 1958; Kleinheyer, G., Die kaiserlichen Wahlkapitulationen, 1968; Das byzantinische Herrscherbild, hg. v. Hunger, H., 1975; Wehler, H., Das Deutsche Kaiserreich 1871-1918, 5. A. 1983; Schramm, P., Die deutschen Kaiser und Könige in Bildern ihrer Zeit, 2. A. 1983; Kaiser und Reich, hg. v. Buschmann, A., 1984; Die Kaiser der Neuzeit, hg. v. Schindling, A. u. a., 1990; Veh, O., Lexikon römischer Kaiser, 3. A. 1990; Kaisergestalten des Mittelalters, hg. v. Beumann, H., 3. A. 1991; Pabst, A., Comitia imperii, 1997; Die römischen Kaiser, hg. v. Clauss, M., 2. A. 2001; Clauss, M., Kaiser und Gott, 1999; Winterling, A., Aula Caesaris, 1999; Die Kaiserinnen Roms, hg. v. Temporini-Gräfin Vitzthum, H., 2002; Röhl, J., Kaiser, Hof und Staat – Wilhelm II., 2002

Kaisergericht ist die vom -> Kaiser verwaltete Gerichtsbarkeit (z. B. in Rom).

Lit.: Kaser §§ 80 II 5, 87 I 1, II; Bleicken, J., Senatsgericht und Kaisergericht, 1962

Kaiserkonstitution ist die (lat.) -> constitutio (F.) des Kaisers vor allem im spätantiken Rom.

Kaiserkrönung ist die Krönung eines Menschen zum Kaiser, wie sie im Abendland seit dem Jahre 800 stattfindet. Für die damit verbundenen Handlungen entwickelt sich ein besonderer Krönungsordo (seit 960 überliefert). Danach folgen auf den Krönungseid Salbung, Übergabe der Herrschaftszeichen, Messe, Steigbügelhalten, Krönungszug und Festmahl.

Lit.: Eichmann, E., Die Kaiserkrönung im Abendland, Bd. 1f. 1942; Die Ordines für die Weihe und Krönung, hg. v. Elze, R., 1960; Hageneder, O., Das crimen maiestatis, FS F. Kempf, 1983

Kaiserproklamation in Versailles am 18. 1. 1871 ist die feierliche Amtsübernahme des Kaisers des Deutschen Reiches.

Lit.: Die Reichsgründung 1870/71, hg. v. Schieder, T. u. a., 1970

Kaiserrecht ist das auf den -> Kaiser bezogene -> Recht. Im römischen Altertum lassen sich die Konstitutionen der (lat. [M.Pl.]) principes als K. verstehen. Das 13. bis 16. Jh. meint mit K. alles Recht, dessen Quelle der Kaiser ist oder sein soll. Damit kann deutsches Recht wie römisches Recht erfasst sein. Als K. wird beispielsweise in den meisten Handschriften der später sog. Schwabenspiegel bezeichnet, als kleines Kaiserrecht ein wenig jüngeres Rechtsbuch (sog. Frankenspiegel). Im Laufe des 14. Jh.s sind K. etwa die Goldene Bulle, die Landfrieden, die Rechtsbücher, das Recht der Reichsstädte, das in der kaiserlichen Gerichtsbarkeit gesprochene Urteil oder das römische Recht (z. B. Sachsenspiegelglosse). Im 15. Jh. ist K. meist das aufgenommene römische Recht. Den Gegensatz bildet häufig das kirchliche Recht.

Lit.: Krause, H., Kaiserrecht und Rezeption, 1952; Munzel, O., Die Innsbrucker Handschrift des Kleinen Kaiserrechts, 1974; Trusen, W., Die Rechtsspiegel und das Kaiserrecht, ZRG GA 102 (1985), 12

Kalabrien ist bis ins 7. Jh. die südöstliche, später die südwestliche Halbinsel Italiens. K. kommt über die Punier, Römer, Byzantiner und Langobarden in der Mitte des 11. Jh.s an die -> Normannen.

Lit.: Kamp, N., Kirche und Monarchie im staufischen Königreich Sizilien, 1975; Leo, P. de, Mezzogiorno medioevale, 1984

Kalender ist ein Mittel zur Einteilung der Dimension Zeit (nach Tagen, Monaten und Jahren) mit Hilfe astronomisch bestimmter Gegebenheiten (von Sonne und Mond). Der nach lat. calendae (Monatsanfang) benannte, bereits vielen Völkern des Altertums bekannte K. wird von Caesar neu bestimmt (Julianischer K. mit einer Ungenauigkeit von rund 12 Sekunden pro Jahr). Ohne dass das Geburtsjahr Jesus Christus (kurz vor 4 v. Chr.?) feststeht, setzt sich die Zählung nach Christi Geburt durch. 325 wird der Frühjahrsanfang auf den 21. März festgesetzt. 1582 wird der zu Verschiebungen führende Julianische K. unter Papst Gregor XIII. durch den genaueren, zehn Tage auslassenden Gregorianischen K. ersetzt, dem sich die reformierten Landesherren im Heiligen Römischen Reich am 23. 9. 1699 anschließen (England 1752, Russland 1917).

Lit.: Wislicenus, F., Der Kalender, 1905; Graf, F., Der Lauf des rollenden Jahres, 1997; Der karolingische Reichskalender, hg. v. Borst, A., 2001; Der Streit um die Zeit, hg. v. Herzog, M., 2002; Der Kalender, hg. v. Geerlings, W., 2002

Kalif (M.) Stellvertreter (des islamischen Propheten Mohammed)

Lit.: Halm, H., Die Kalifen von Kairo, 2003

Kalligas, Pavlos (1814-1896) wird nach dem Rechtsstudium in Berlin (Gans, Savigny) und Heidelberg 1843 Professor in Athen und Politiker. Er fördert die Aufnahme deutscher und römischrechtlicher Gedanken in Griechenland. Er wirkt an der Schaffung eines Entwurfes eines griechischen Zivilgesetzbuches mit.

Lit.: Kairophylas, K., Pavlos Kalligás, 1937

Kalumnieneid (Gefährdeeid, Schikaneeid, lat. iuramentum [N.] calumniae) ist der im römischen Zivilprozessrecht (Formularverfahren) sichtbare Eid der Parteien und ihrer Advokaten, das Verfahren nicht rechtsmissbräuchlich zu führen. Justinian (527-565) macht ihn zur Prozessvoraussetzung. Der K. wird nach einer frühen Erwähnung im Jahre 1186 mit dem römisch-kanonischen Verfahren am Ende des Spätmittelalters in Deutschland übernommen, wobei das Verhältnis zum Voreid des deutschen Rechts (Gefährdeeid) streitig ist. Später geht der Sinn des Kalumnieneids verloren. Ihm entsprechen in der Gegenwart die Notwendigkeit des Rechtsschutzinteresses und die Strafbarkeit wegen falscher Anschuldigung.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Zimmermann, E., Der Glaubenseid, 1863, 62; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966, 214; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971, 349

Kalvinismus -> Calvin

Kameralismus (Kameralwissenschaft) ist die Wissenschaft von den wirtschaftlichen Verhältnissen und Aufgaben des frühneuzeitlichen Staates (Finanzwissenschaft und Polizeiwissenschaft). Der K. ist eine Sonderform des -> Merkantilismus. Wichtige Vertreter sind -> Justi, ->Seckendorff und -> Sonnenfels.

Lit.: Köbler, DRG 134, 152; Nielsen, A., Die Entstehung der deutschen Kameralwissenschaft im 17. Jahrhundert, 1911; Gerloff, A., Staatspraxis und Staatstheorie des kameralistischen Verwaltungsstaates, 1937; Brückner, J., Staatswissenschaft, Kameralismus und Naturrecht, 1977; Jenetzky, J., System und Entwicklung des materiellen Steuerrechts, 1978; Sandl, M., Ökonomie des Raumes, 1999

Kameralistik (Kameraljurisprudenz) ist die wissenschaftlich-literarische Tätigkeit von Richtern am Reichskammergericht (bzw. auch die Kameralwissenschaft). Als Beisitzer des Gerichts veröffentlichen Johann -> Mynsinger von Frundeck (1517-1588, [lat.] Singularium observationum iudicii imperialis camerae centuriae [F.Pl.] quattor, 1565, Vierhundert Einzelbeobachtungen des kaierlichen Kammergerichts) und Andreas -> Gaill (1526-1587, [lat.] Practicarum observationum ... libri [M.Pl.] duo, 1578, Zwei Bücher praktischer Beobachtungen) Urteile.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 144; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967; Dick, B., Die Entwicklung des Kameralprozesses, 1981

Kameralwissenschaft -> Kameralismus

Kammer ist ursprünglich die gewölbte Decke, danach der von daher benannte Raum und die darin beherbergte fürstliche Behörde. Nach dem schon im Frühmittelalter sichtbaren -> Kämmerer entstehen bereits im späten 15. Jh. in einzelnen habsburgischen Ländern ständische Raitkammern. 1498 richtet König Maximilian I. eine Hofkammer als zentrale, kollegial organisierte Finanzbehörde des Reiches und der habsburgischen Erbländer ein. In Brandenburg erscheinen im 16. Jh. Amtskammern und 1689 eine geheime Hofkammer. Seit dem 18. bzw. 19. Jh. ist K. ein Haus eines mehrteiligen Gesetzgebungsorgans, ein kollegialer Spruchkörper eines Gerichtes oder eine berufliche Standesvertretung.

Lit.: Mensi, F. v., Die Finanzen Österreichs, 1890; Storch, A., Der brandenburg-preußische Kammerstaat, Diss. jur. Göttingen 1912; Richardson, W., Tudor Chamber Administration, 1952; Die Kontrolle der Staatsfinanzen, hg. v. Zavelberg, H., 1989

Kämmerer (lat. [M.] camerarius) ist der für die Einkünfte zuständige Verwaltungsamtsträger bereits des frühmittelalterlichen Könighofes (882). 936 erscheint der Herzog von Schwaben als K. (Erzkämmerer), seit dem 12. Jh. der Markgraf von Brandenburg. Das seit dem 13. Jh. erbliche Hofamt des Kämmerers haben zunächst die Grafen von Bolanden-Falkenstein, danach die von Weinsberg und seit dem 16. Jh. die Grafen bzw. Fürsten von Hohenzollern inne, doch verliert es seit der Neuzeit an Bedeutung. In England verdrängt in der normannischen Zeit der Schatzmeister den königlichen K., in Frankreich im 13. Jh. der (frz.) Grand-chambellan bzw. im 14. Jh. der (frz.) trésorier. K. amtieren auch in den einzelnen Städten und Ländern.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 83, 112; Schubert, P., Die Reichshofämter, MIÖG 34 (1913), 427; Rösener, W., Hofämter, DA 45 (1989), 485

Kammergericht im Heiligen Römischen Reich ist ein seit 1415 urkundlich nachweisbares, neben dem königlichen Hofgericht bestehendes königliches Gericht. Es entsteht vielleicht bereits im 14. Jh. aus dem königlichen Rat. Es ist mit (gelehrten) Räten des Königs besetzt. Es ist zuständig für Angelegenheiten des Königs und Reiches, später auch für weitere Angelegenheiten. Nach Verschwinden des Hofgerichtes zwischen 1451 und 1456 wird es als Hof- und Kammergericht bezeichnet. Von 1455 ist ein Sitzungsprotokollbuch überliefert, seit 1467 ein Urteilsbuch, von 1471 der Entwurf einer Kammergerichtsordnung, nach der die Juristen die Hälfte der Urteiler bilden sollen. Tatsächlich sind von fast 350 Beisitzern der Herrschaftszeit Kaiser Friedrichs III. (1452 – 1493) fast 100 Juristen. Das K. wird vor allem von süddeutschen Ständen häufig angerufen, gelangt aber vielfach nur sehr langsam zu Entscheidungen und vermag nur selten diese in der Wirklichkeit umzusetzen. Seit 1461 wird es verpachtet, seit 1475 tritt es nur noch selten zusammen. Ihm folgt 1495 das -> Reichskammergericht.

Lit.: Köbler, DRG 114; Tomaschek, J., Die höchste Gerichtsbarkeit, 1865; Franklin, O., Das königliche Kammergericht vor dem Jahre 1495, 1871; Diestelkamp, B., Vom königlichen Hofgericht zum Reichskammergericht, FS A. Erler, 1986, 44; Jahns, S., Das Kammergericht und seine Richter, 1996; Recht und Verfassung, hg. v. Boockmann, H. u. a., 1998; Die Protokoll- und Urteilsbücher des königlichen Kammergerichts aus den Jahren 1465 bis 1480, hg. v. Battenberg, F. u. a., 2003

Kammergericht in Brandenburg bzw. Preußen ist das (oberste) Gericht des Reichskämmerers (Markgrafen von Brandenburg) für die Mark -> Brandenburg (14. Jh. des kemerers kamere tu tangermünde, 1392 kammerrecht, 17. 3. 1468 K.). Von 1516 stammen der Entwurf einer Kammergerichtsordnung, von 1540 (Cölln an der Spree) und 1709 in Kraft getretene Kammergerichtsordnungen. 1748 wird das K. auch für Strafsachen zuständig. 1782 wird es Mittelinstanz. 1877/9 wird es Oberlandesgericht.

Lit.: Holtze, F., Geschichte des Kammergerichts in Brandenburg-Preußen, Bd. 1ff. 1890ff.; Schmidt, E., Kammergericht und Rechtsstaat, 1968; Werner, F., Zur Geschichte des Kammergerichts in Berlin, 1968

Kammergut (Tafelgut, Domänen) ist in der frühen Neuzeit die Gesamtheit der Einkünfte der -> Kammer. Streitig ist im 17. Jh. und 18. Jh., ob das K. dem Staat oder dem Landesherrn gehört.

Lit.: Baltl/Kocher; Zachariae, H., Das Eigentumsrecht am deutschen Kammergut, 1864; Breysig, K., Geschichte der brandenburgischen Finanzen, 1895

Kammerrichter -> Reichskammergericht

Kammerzieler ist in der Neuzeit (1548-1806) die Gesamtheit der von den Reichständen für das -> Reichskammergericht aufzubringenden Geldleistungen. Der K. beläuft sich meistens auf weniger als 1% der Ausgaben des schuldenden Reichsstandes, wird aber vielfach gleichwohl nicht ordentlich oder überhaupt nicht geleistet.

Lit.: Köbler, DRG 150; Gothein, E., Der gemeine Pfennig, 1877; Smend, R., Das Reichskammergericht, 1911

Kampanien ist die um Neapel liegende süditalienische Landschaft, die über die Römer, Goten und Oströmer um 570 an das langobardische Herzogtum Benevent gelangt.

Lit.: Storia arte e cultura della Campania, 1976

Kanada

Lit.: Sautter, U., Geschichte Kanadas, 2000

Kanon (lat. [M.] canon) ist die Regel oder Vorschrift des richtigen Glaubens und Handelns sowie des kirchlichen (kanonischen) Rechts (325). Die in (lat. [M.Pl.]) canones formulierten Synodalbeschlüsse werden seit der Mitte des 4. Jh.s (bis zu -> Gratian, um 1140, und danach) in Kanonessammlungen, von denen allein zwischen 1000 und 1400 außerhalb Italiens mehr als 27 verschiedene entstehen, zusammengefasst.

Lit.: Wenger, L., Über canon und regula in den römischen Rechtsquellen, ZRG KA 63 (1943), 495; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Fransen, G., Les collections canoniques, 1985; Landau, P., Erweiterte Fassungen der Kanonessammlung des Anselm von Lucca, in: Sant’ Anselmo, 1987, 383; Gaudemet, J., Droit de l’Eglise, 1989; Fowler-Magerl, L., Ausgewählte Kanonessammlungen zwischen 1000 und 1400 außerhalb Italiens, 1998 (CD-ROM)

Kanoniker (535 lat. [M.] canonicus) ist ein Mitglied eines Stiftskapitels oder Domkapitels (Domkapitular, Domherr).

Lit.: Semmler, J., Mönche und Kanoniker, 1980; Istituzioni monastiche e istituzioni canonicali, 1980

kanonisches Recht (lat. -> ius [N.] canonicum) ist das kirchliche Recht im Gegensatz zum weltlichen Recht. Im engeren Sinn ist es im Gegensatz zum neueren kirchlichen Recht nur das im (lat.) -> corpus (N.) iuris canonicum enthaltene Recht bzw. das innere katholische Kirchenrecht im Gegensatz zum staatlichen Kirchenrecht (Staatskirchenrecht). Seit der Mitte des 4. Jh.s wird es in Kanonessammlungen zusammengefasst. Große Bedeutung hat es lange für Ehe, Verfahren, Testament, Eid, Wucher und Schule.

Lit.: Friedberg, E., Das kanonische und das Kirchenrecht, Dt. Z. f. Kirchenrecht 8 (1898), 1; Landau, P., Der Einfluss des kanonischen Rechts auf die europäische Rechtskultur, in: Europäische Rechts- und Verfassungsgeschichte, 1991, 39; Die Bedeutung des kanonischen Rechts für die Entwicklung einheitlicher Rechtsprinzipien, hg. v. Schmoller, H., 1996; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1, 1997; Aymans, W./Mörsdorf, K., Kanonisches Recht, 13. A. Bd. 2 1997; Martínez-Torron, J., Anglo-American Law and Canon Law, 1998; Erdö, P., Geschichte der Wissenschaft vom kanonischen Recht, 2003

kanonisches Zinsverbot ist das auf Lukas 6,35 (Tut Gutes und gebt ein Darlehen, ohne davon etwas zu erhoffen) gegründete kirchliche Verbot, für Darlehen Zinsen zu nehmen. Es setzt sich im Mittelalter allgemein durch. Die wirtschaftlichen Ziele des verzinslichen Darlehens werden aber mit Hilfe zahlreicher Umgehungsgeschäfte erreicht. Im übrigen dürfen -> Juden verzinsliche Darlehen geben und werden infolgedessen vielfach zu Gläubigern christlicher Schuldner. 1654 wird im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) das kanonische Zinsverbot durch einen Höchstzinssatz von 6% ersetzt, im 19. Jh. schwindet auch der Höchstzinssatz.

Lit.: Köbler, DRG 127, 166; Endemann, W., Studien in der romanisch-kanonistischen Wirtschafts- und Rechtslehre, Bd. 1f. 1874ff., Neudruck 1962; Ruth, R., Das kanonische Zinsverbot, FS E. Heymann, 1931, 316

Kant, Immanuel (Königsberg 22. 4. 1724 - 12. 2. 1804), Sattlerssohn, wird nach dem Studium von Mathematik, Naturwissenschaften und Philosophie 1746 Hauslehrer, 1765 Bibliothekar und 1770 ordentlicher Professor für Metaphysik und Logik (1781 Kritik der reinen Vernunft). Nach ihm ist Recht der Inbegriff der Bedingungen, unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetz der Freiheit zusammen vereinigt werden kann (Metaphysik der Sitten, 1797/8). Hierauf bauen alle Einzelausführungen zum Recht auf. In erheblichem Maße von Kants Freiheitsethik beeinflusst wird -> Savigny.

Lit.: Köbler, DRG 147, 178, 187; Cassirer, E., Kants Leben und Lehre, 1918; Swoboda, E., Das ABGB im Lichte Kants, 1926; Buchda, G., Das Privatrecht Immanuel Kants, 1929; Dulckeit, G., Naturrecht und positives Recht bei Kant, 1932, Neudruck 1973, 1987; Naucke, W., Kant und die psychologische Zwangstheorie Feuerbachs, 1962; Kiefner, H., Der Einfluss Kants auf Theorie und Praxis des Zivilrechts, in: Philosophie und Rechtswissenschaft, 1969, 3; Naucke, W., Die Dogmatisierung von Rechtsproblemen bei Kant, ZNR 1 (1969); Ritter, C., Der Rechtsgedanke Kants nach den frühen Quellen, 1971; Kants Rechtsphilosohpie, hg. v. Küsters, G., 1988; Dießelhorst, M., Naturzustand und Sozialvertrag bei Hobbes und Kant, 1988; Höffe, O., Immanuel Kant, 1998; Zotta, F., Immanuel Kant. Legitimität und Recht, 1998; 200 Jahre Kants Metaphysik der Sitten, hg. v. Sharon Byrd, B., 1998; Recht, Staat und Völkerrecht bei Immanuel Kant, Hüning, D. u. a., 1998; Immanuel Kant: Metaphysische Anfangsgründe der Rechtsgeschichte, hg. v. Höffe, O., 1999; Falkenburg, B., Kants Kosmologie, 1999; Küper, W., Immanuel Kant und das Brett des Karneades, 1999; Kater, T., Politik, Recht, Geschichte, 1999; Kuehn, M., Kant, 2001; May, S., Kants Theorie des Staatsrechts, 2002

Kanton ist vor allem das Mitglied (Verwaltungseinheit bzw. Bundesstaat) der Eidgenossenschaft der Schweiz seit der Einrichtung der Helvetischen Republik im Jahre 1798. Die 23 Kantone sind Aargau, Appenzell, (Appenzell-Außerrhoden, Appenzell-Innerrhoden), Basel (Basel-Stadt, Basel-Landschaft), Bern, Freiburg, Genf, Glarus, Graubünden, Jura, Luzern, Neuenburg, Sankt Gallen, Schaffhausen, Schwyz, Solothurn, Tessin, Thurgau, Unterwalden (Unterwalden nid dem Wald, Unterwalden ob dem Wald), Uri, Waadt, Wallis, Zug und Zürich.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; His, E., Geschichte des neueren Schweizer Staatsrechts, Bd. 1ff. 1920ff.

Kantonssystem ist ein 1733/5 in Brandenburg-Preußen eingeführtes Aushebungssystem, bei dem der Staat in Bezirke (Kantone) aufgeteilt wird, die je einem Regiment zur Aushebung zugeordnet sind. Das K. wird 1771 von Österreich, 1804 von Baden und 1804/5 von Bayern übernommen, wenig später (Preußen 1804) aber aufgegeben.

Lit.: Büsch, O., Militärsystem und Sozialleben im alten Preußen 1713-1807, 1962

Kantorowicz, Hermann Ulrich (Posen 1877 - Cambridge 1940), Kaufmannssohn, wird nach dem Studium von Rechtswissenschaft, Philosophie und Nationalökonomie in Berlin (Liszt) und München (Brentano) und der Habilitation in Freiburg (Schmidt, Albertus Gandinus und das Strafrecht der Scholastik [1908]) 1929 Professor in Kiel. Nach der Entlassung aus dem Staatsdienst (1933) wechselt er nach New York und Cambridge. Mit seiner frühen Schrift (Gnaeus Flavius) Der Kampf um die Rechtswissenschaft wird er einer der Begründer der -> freien Rechtsschule.

Lit.: Muscheler, K., Hermann Ulrich Kantorowicz, 1984; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 631

Kanzlei ist die für die Herstellung von Schriftstücken zuständige Behörde. Sie entsteht bereits im römischen Altertum unter Kaiser Claudius (41-54 n. Chr.). Hieran knüpfen die merowingischen Könige an, deren K. sich aus weltlichen Hofbeamten (lat. [M.Pl.] referendarii) und diesen untergeordneten Schreibern zusammensetzt. Wenig später treten Geistliche an ihre Stelle. Die Leitung übernimmt 870 bzw. 965 der Erzbischof von Mainz. Zur gleichen Zeit festigt sich auch eine K. des Papstes. Seit dem 12. Jh. wird die K. eine nach festen Regeln eingerichtete Behörde zur Herstellung von Schriftstücken. Im 13. und 14. Jh. bilden sich auch in den Ländern und Städten besondere Kanzleien.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Wilkinson, B., The Chancery under Edward III, 1929; Merkel, W., Das Aufkommen der deutschen Sprache in den städtischen Kanzleien, 1930; Groß, L., Die Geschichte der deutschen Reichshofkanzlei, 1933; Vogelgesang, G., Kanzlei der pfälzischen Kurfürsten, 1939; Battenberg, F., Gerichtsschreiberamt und Kanzlei des Reichshofgerichtes, 1974; Kölzer, T., Urkunden und die Kanzlei von Kaiserin Konstanze, 1983; Sprinkart, P., Kanzlei, Rat und Urkundenwesen der Pfalzgrafen bei Rhein, 1986; Frenz, T., Die Kanzlei der Päpste, 1986

Kanzler ist der Angehörige oder Leiter einer -> Kanzlei. Der (lat. [M.]) cancellarius (4. Jh.) ist in Rom die an den die Richter von der Allgemeinheit trennenden Schranken (lat. [M.Pl.] cancelli) Dienste verrichtende Hilfsperson, im Frühmittelalter der Schreiber, seit dem 10. Jh. der Leiter einer Beurkundungsstelle (Reich 953, Frankreich 12. Jh.). Seit dem 12. Jh. erscheint der K. an Schulen und Universitäten als bedeutsamer Amtsträger. Auch nach dem Ende des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) bleibt der K. bedeutsam (1810 Preußen Staatskanzler, 1866 Norddeutscher Bund Bundeskanzler, 1871 Reichskanzler, 1949 Bundeskanzler).

Lit.: Köbler, DRG 83, 112, 113; Rosenberg, W., Die staatsrechtliche Stellung des Reichskanzlers, 1889; Bresslau, H., Handbuch der Urkundenlehre, Bd. 1 2. A. 1912; Rashdall, H., The Universities of Europe, 2. A. 1936

Kapelle ist in Ableitung von (lat. [F.]) capa (Mantel [des heiligen Martin, 316-400]) die kleine Kirche, deren Rechtsstellung gegenüber der Kirche zeitweise in verschiedener Hinsicht gemindert ist.

Lit.: Fleckenstein, J., Die Hofkapelle der deutschen Könige, 1959

Kaperei ist die Aufbringung feindlicher Schiffe durch bewaffnete, staatlich dazu ermächtigte Privatschiffe seit dem 17. Jh. Ihre Wurzeln liegen bereits im Mittelalter. Im 19. Jh. wird die K. durch Staatsverträge und die Pariser Seerechtsdeklaration von 1856 beseitigt.

Lit.: Böhringer, K., Recht der Prise, Diss. jur. Frankfurt am Main 1970; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte 1994, §§ 30, 35, 36

Kapetinger ist der Angehörige eines (rheinfränkischen?,) mit dem 866 gefallenen Robert sichtbaren Geschlechts, das mit Hugo Capet 987 das Königtum im westfränkischen Reich erlangt. Bei dem Erlöschen der Kapetinger (1328) folgen die Nebenlinien Valois (bis 1589), Bourbon (bis 1792, 1814-30) und Orléans (1830-48). Als Familienbezeichnung erscheint das Wort K. spät (17. Jh.).

Lit.: Actes du colloque Hugues Capet, 1987; Ehlers, J., Die Kapetinger, 1999

Kapital (N.) ist die verzinsliche Geldsumme bzw. die Gesamtheit der in ein Unternehmen eingebrachten Mittel

Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 399; Weber, A., Der Kampf zwischen Kapital und Arbeit, 1954

Kapitalgesellschaft ist diejenige -> Gesellschaft, bei der die bloße Beteiligung von -> Kapital im Vordergrund steht und es nicht wesentlich auf die Persönlichkeit des einzelnen Gesellschafters ankommt. Die K. entsteht nach dem Frühkapitalismus mit der Entwicklung des risikoreichen, kapitalbedürftigen Welthandels (-> Aktiengesellschaft) zu Beginn des 17. Jh.s. Ihre Bedeutung wächst noch immer.

Lit.: Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913

Kapitalismus ist eine Wirtschaftsform, in welcher das -> Kapital prägende Bedeutung hat. Auf der Grundlage der Anerkennung des Privateigentums strebt der einzelne im freien Wettbewerb mit anderen am Markt den größtmöglichen Gewinn durch maximalen Einsatz verfügbaren Kapitals an. Als Frühform des K. (Frühkapitalismus) gilt die Wirtschaftsweise z. B. der -> Fugger am Beginn der Neuzeit. Eigentlich setzt sich der K. erst im Liberalismus des 19. Jh.s durch, bewirkt dort aber auch die Trennung der Gesellschaft in Kapitalisten (besitzende Bürger) und Proletarier (besitzlose Arbeiter).

Lit.: Söllner § 18; Köbler, DRG 177; Hinze, Die Arbeiterfrage zu Beginn des modernen Kapitalismus, 2. A. 1963; Turner, H., Faschismus und Kapitalismus, 1972; Koslowski, P., Ethik des Kapitalismus, 2. A. 1984; Duplessis, R., Transitions to Capitalism, 1997; Kurz, R., Schwarzbuch Kapitalismus, 1999

Kapitel (N.) Teil, Gemeinschaft

Kapitular (N.) ist im frühmittelalterlichen fränkischen Recht die in Kapitel eingeteilte Anordnung des Königs. Das unter verschiedenen Namen verschiedenste Gegenstände behandelnde K. setzt der Herrscher oft mit Zustimmung der Großen und des Volkes, meist für das ganze Reich. Kapitularien begegnen, in rund 275 Handschriften überliefert,  von etwa 500 bis etwa 900, am häufigsten zwischen 802 und 830. Lat. [N.] capitulare erscheint erstmals 779 (773).

Lit.: Köbler, DRG 81; Boretius, A./Krause, V., Capitularia regum Francorum, Bd. 1f 1883ff., Neudruck 1960; Ganshof, F., Was waren die Kapitularien, 1961; Schneider, R., Zur rechtlichen Bedeutung der Kapitularientexte, DA 23 (1967), 273; Überlieferung und Geltung normativer Texte des frühen und hohen Mittelalters, 1986; Schmitz, G., Die Kapitulariengesetzgebung Ludwigs des Frommen, DA 42 (1986), 471; Woll, I., Untersuchungen zur Überlieferung und Eigenart der merowingischen Frühkapitularien, 1995; Mordek, H., Bibliotheca capitularium regum Francorum manuscripta, 1995; Schriftkultur und Reichsverwaltung unter den Karolingern, hg. v. Schieffer, R., 1996; Buck, T., Admonitio und praedicatio, 1997; Koal, V., Studien zur Nachwirkung der Kapitularien in den Kanonessammlungen, 2001; Mordek, H., Studien zur fränkischen Herrschergesetzgebung, 2000; Geiselhart, M., Die Kapitulariengesetzgebung Lothars I. in Italien, 2002

Kapitulation ist der in Kapitel eingeteilte Vertrag (z. B. Wahlkapitulation), insbesondere der Vertrag über die Übergabe von eigenen Truppen oder sonstigen kriegerischen Mitteln.

Lit.: Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland, hg. v. Becker, J. u. a., 1979; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994

Kaplan (M.) Hofgeistlicher, Hilfspriester

Kapras, Jan (1880-1947) wird nach dem Rechtsstudium in Innsbruck und Prag 1910 außerordentlicher Professor und 1917 ordentlicher Professor in Prag. Sein Hauptwerk ist die Rechtsgeschichte der Länder der böhmischen Krone (Právní dejiny zemí Koruny ceské, 1913ff.).

Lit.: Antologie ceské právní vedy, 1993, 44

Karantanien (7. Jh.) -> Kärnten

Kardinal ist im katholischen Kirchenrecht der vom Papst ernannte höchste kirchliche Würdenträger nach dem Papst. Mit dem Adjektiv (lat.) cardinalis werden seit etwa 500 n. Chr. zur Bischofskirche oder zur bischöflichen Priesterschaft gehörende Kleriker bezeichnet, seit dem Anfang des 8. Jh.s die jeweils ranghöchsten Priester einer Titelkirche in Rom. Am Beginn des Frühmittelalters wird (lat.) cardinalis zum Titel. Um 1100 findet sich ein Kardinalskollegium mit Bischöfen von 53 Kardinälen, das im 15. Jh. auf 24 Kardinäle beschränkt wird. Am Ende des 16. Jh.s wird die Zahl auf 70 und 1958 nochmals erweitert. Der K. wird vom Papst frei ernannt. Seit dem Ende des 11. Jh.s wirken die Kardinäle an der Herrschaft der Gesamtkirche mit, seit 1179 wählen sie den Papst.

Lit.: Fürst, C., Cardinalis, 1967; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Hüls, R., Kardinäle, 1977; Weber, C., Senatus divinus, 1996

Karl der Große (frz. Charlemagne) (Westfranken 2. 4. 747 - Aachen 28. 1. 814), aus der Familie der Arnulfinger bzw. Pippiniden bzw. Karolinger, wird 768 König der Franken und 800 von Papst Leo III. zum Kaiser gekrönt. Durch zahlreiche Kriegszüge dehnt er das Reich der Franken aus (-> Langobarden, -> Sachsen). In -> Kapitularien setzt er Recht. Im übrigen veranlasst er die Aufzeichnung von -> Volksrechten. Wahrscheinlich um 770 führt er -> Schöffen in der Gerichtsbarkeit ein.

Lit.: Köbler, DRG 81; Brandenburg, E., Die Nachkommen Karls des Großen, 1935, Neudruck 1964; Pirenne, H., Mahomet und Karl der Große, 1935 (1963); Fleckenstein, J., Karl der Große, 1962; Karl der Große, hg. v. Braunfels, W. u. a., Bd. 1ff. 1966ff.; Classen, P., Karl der Große, 1985; Becher, M., Karl der Große, 1999; Kerner, M., Karl der Große, 2000; Hägermann, D., Karl der Große, 2000; Epperlein, S., Leben am Hofe Karls des Großen, 2000; Karl der Große und das Erbe der Kulturen, hg. v. Erkens, F., 2001; Kerner, M., Karl der Große, 2001; Tischler, M., Einharts Vita karoli, 2001

Karl IV. (Wenzel) (Prag 14. 5. 1316 - 29. 11. 1378), aus der Familie der Grafen von Luxemburg, wird 1346 deutscher König und 1355 Kaiser. Er macht Prag zum Mittelpunkt des Reiches (1344 Erzbistum, 1348 Universität) und veranlasst für Böhmen die sog. (lat.) -> Maiestas (F.]) Carolina und für das Reich die -> Goldene Bulle.

Lit.: Die Goldene Bulle des Kaisers Karl IV. 1356, bearb. v. Müller, K., 1970; Seibt, F., Karl IV., 1978; Kaiser Karl IV. Staatsmann und Mäzen, 1978; Karl IV., hg. v. Engel, E., 1982; Kavka, F., Am Hofe Karls IV., 1990

Karl V. (Gent 24. 2. 1500 - Estremadura 21. 9. 1558), aus der Familie der Habsburger (Enkel Maximilians), wird 1516 spanischer König, 1519 deutscher König und 1530 Kaiser. 1521/2 überlässt er seinem Bruder Ferdinand die Herrschaft in den österreichischen Erblanden und die Stellvertretung im Reich. 1521 entscheidet er sich gegen die Reformation. Unter seiner Herrschaft wird 1532 die (lat.) -> Constitutio (F.) Criminalis Carolina erlassen.

Lit.: Weber, H., Die peinliche Halsgerichtsordnung Karls V., ZRG 77 (1960), 288; Das römisch-deutsche Reich im politischen System Karls V., hg. v. Lutz, H., 1982; Brandi, K., Kaiser Karl V., 8. A. 1986; Burkert, G., Landesfürst und Stände, 1987; Karl V., hg. v. Rabe, H., 1996; Kohler, A., Karl V., 3. A. 2001; Größing, S., Karl V., 1999; Schulin, E., Kaiser Karl V., 1999; Schorn-Schütte, L., Karl V., 2000

Karlsbader Beschlüsse sind die unter dem maßgeblichen Einfluss Metternichs vom 6. - 31. 8. 1819 in Karlsbad von den Ministern von 10 deutschen Staaten getroffenen Beschlüsse zur strengen Überwachung der Universitäten durch Regierungsbevollmächtigte, zur Einschränkung der Pressefreiheit, zur Einsetzung einer Kommission zur Aufdeckung revolutionärer Bestrebungen und zur Herstellung einer Exekutionsordnung. Ihr äußerer Anlass ist die Ermordung des Schriftstellers August von Kotzebue durch den Studenten Karl Ludwig Sand. Am 20. 9. 1819 verabschiedet der Bundestag (Bundesversammlung) des -> Deutschen Bundes die in den Karlsbader Beschlüssen enthaltenen Gesetzesentwürfe. Eine dauerhafte Unterdrückung demokratischer Bestrebungen gelingt nicht.

Lit.: Ilse, L., Geschichte der politischen Untersuchungen, 1860; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 3. A. 1997, § 30 III

Kärnten ist ein im keltisch-römischen Norikum enthaltenes, seit 740/50 (Karantanien) unter die Herrschaft der Bayern geratenes Gebiet an der mittleren Drau, das 976 von -> Bayern getrenntes Herzogtum wird und 1335 durch Ludwig den Bayern an die Grafen von Habsburg gelangt. Im 16. Jh. entsteht aus dem -> Landlauf von Steyr ein Kärntner Rechtsbuch. K. ist Bundesland -> Österreichs.

Lit.: Köbler, DRG 220; Köbler, Historisches Lexikon; Baltl/Kocher; Puntschart, P., Herzogseinsetzung und Huldigung in Kärnten, 1899; Torggler, K., Darstellung des Kärntner Rechts und Rechtsganges, Archiv f. vaterländ. G. u. T. 24/25 (1936), 127; Braunmüller, H., Geschichte Kärntens, Bd. 1ff. 1949ff.; Fräss-Ehrfeld, C., Geschichte Kärntens, Bd. 1 1984; Kärnten, hg. v. Rumpler, H. u. a., 1998; Gleirscher, P., Karantanien, 2000; Die Kärntner Volksabstimmung 1920, 2002

Kärntner Rechtsbuch -> Landlauf von Steyr

Karo, Josef (1488 - Sated 1575) ist ein jüdischer Rechtsgelehrter aus Spanien, der lange auf dem Balkan und in Galiläa lebt. Er kommentiert umfassend die Arba ’at ha-Turim des -> Jakob Ben Ascher (Bet Josef, Kurzform Sulchan ’Arukh). In erweiterter Form gewinnt das Werk in Mitteleuropa und Osteuropa bis ins 19. Jh. allgemeine Anerkennung in den jüdischen Gemeinden.

Lit.: Elon, M., Ha-Mischpat ha-’ibri, Bd. 2 3. A. 1988, 1087

Karolinger ist der Angehörige eines von Bischof Arnulf von Metz (Arnulfinger, 7. Jh.) hergeleiteten, als -> Hausmeier 751 zum fränkischen Königtum (Pippiniden) aufgestiegenen Geschlechts, das später nach -> Karl dem Großen als K. bezeichnet wird. Die K. sterben im Ostteil des fränkischen Reiches 911 und im Westteil 987 aus.

Lit.: Köbler, DRG 76; Haselbach, I., Aufstieg und Herrschaft der Karolinger, 1970; Riché, P., Les Carolingiens, 1983; Mc Kitterick, R., The Frankish Kingdoms, 1983; Schulze, H., Vom Reich der Franken zum Land der Deutschen Merowinger und Karolinger, 1987; Schieffer, R., Die Karolinger, 3. A. 2000; Semmler, J., Der Dynastiewechsel, 2003

Karolus de Tocco (Tocco bei Benevent 2. H. 12. Jh. - nach 1215), adliger Sohn eines Rechtskundigen, wird nach dem Rechtsstudium in Bologna (Placentinus, Johannes Bassianus) Rechtslehrer in Bologna (?) und Benevent sowie Gerichtsbeisitzer in Sizilien. Von ihm stammt wohl eine um 1215 entstandene umfangreiche Glossierung der gegen Ende des 11. Jh.s entstandenen systematischen Sammlung langobardischer Gesetze (-> Lombarda). Sie wirkt in Oberitalien bis in das 14. Jh., in Süditalien bis in das 18. Jh.

Lit.: Savigny, F., Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, Bd. 5 2. A. 1850, 174; Leicht, P., Le glosse di Carlo di Tocco, in: Studi e memorie per la storia dell’università di Bologna 4 (1920), 157; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 305; Lange, H., Zum Lombardia-Kommentar, FS D. Medicus, 1999, 317

Karrenstrafe ist in der Neuzeit eine im (Beladen und) Ziehen eines Karrens bestehende Freiheitsstrafe oder Ehrenstrafe.

Lit.: Wächter, C., Die Strafarten und Strafanstalten des Königreichs Württemberg, 1832, 253

Karthager ist der Angehörige des um die phönizische Kolonie Karthago am Golf von Tunis gegründeten, bis nach Spanien ausgreifenden, jedoch seit dem 3. Jh. v. Chr. von Rom (in drei punischen Kriegen) bekämpften und 146 v. Chr. von den Römern endgültig unterworfenen Reiches (Feldherr Hannibal 247-183 v. Chr.).

Lit.: Lancel, S., Carthage, 1992; Geus, K., Prosopographie der literarisch bezeugten Karthager, 1994; Moscati, S., Die Karthager, 1996; Gerhold, M., Rom und Karthago zwischen Krieg und Frieden, 2002; Zimmermann, K., Rom und Karthago, 2003; Christ, K., Hannibal, 2003

Karthäuser, Kartäuser, ist der Angehörige des von Bruno von Köln 1084 in La Chartreuse bei Grenoble gegründeten christlichen Ordens.

Lit.: Gruys, A., Cartusiana, 1976; Mursell, S., The Theology of the Carthusian Life, 1988

Kartell ist die Abrede selbständiger Unternehmer zwecks bestimmten gemeinsamen Verhaltens am Markt. Wie schon die -> Zunft den Wettbewerb beeinflusst und seit dem Spätmittelalter bewusst Unternehmer sich zur Wettbewerbsgestaltung zusammenschließen, so finden sich am Ende des 19. Jh.s auch in der Großindustrie Kartelle. 1897 werden sie vom deutschen Reichsgericht zugelassen (RGZ 38, 155). Da sie bald überhandnehmen, werden sie am 2. 11. 1923 verboten, ohne dass das Verbot Wirkungen zeigt. Am 27. 7. 1957 ergeht in der Bundesrepublik Deutschland ein Gesetz gegen die Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz), das später noch verschärft wird (3. 8. 1973 vorbeugende Fusionskontrolle, Beseitigung der vertikalen Preisbindung für Markenartikel, Verstärkung der Missbrauchsaufsicht).

Lit.: Köbler, DRG 176, 218, 243, 272; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,3852; Großfeld, B., Zur Kartellrechtsdiskussion vor dem Ersten Weltkrieg, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 4 1979, 255; Kartelle und Kartellgesetzgebung, hg. v. Pohl, H., 1985; Schwab, D., Kartelle im Mittelalter, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 442; Schröder, R., Die Entwicklung des Kartellrechts, 1988; Baums, T., Kartellrecht in Preußen, 1990; Nörr, K., Die Leiden des Privatrechts, 1994

Kartular (N.) Urkundensammlung

Kaser, Max (Wien 21. 4. 1906 – Ainring bei Salzburg 13. 1. 1997), Geschichtsprofessorensohn, wird nach der Promotion in Graz und der Habilitation in Gießen (1931) Professor für römisches Recht in Münster (1933) und Hamburg (1959). Von ihm stammt die führende Darstellung des römischen Privatrechts (1955ff., in drei zeitliche Epochen gegliedert) und Zivilprozessrechts (1966). Zusammengefasst sind seine synthetisierenden Arbeitsergebnisse in einem zeitlebens aktualisierten Kurzlehrbuch.

Lit.: Knüttel, R., Max Kaser, NJW 1997, 1492; Giaro, T., Max Kaser, Rechtshist. Journal 16 (1997), 231

Kassation ist die Aufhebung eines Urteils (wegen Nichtigkeit). Während das römische Recht ein unter Verletzung der Gesetze zustandegekommenes Urteil ohne weiteres als nichtig ansieht, verlangt das frühmittelalterliche langobardische Recht ein besonderes Verfahren (lat. reclamatio [F.] ad regem, Beschwerde an den König). Seit der Mitte des 12. Jh.s wird zwischen Verletzung des Verfahrensrechts (-> Nichtigkeitsbeschwerde) und Verletzung des materiellen Rechts (-> Appellation) unterschieden, später aber unter dem Einfluss des kanonischen Rechts die Nichtigkeitsbeschwerde auch auf große erhebliche Rechtsfehler erstreckt. Die Nichtigkeitsbeschwerde hat zunächst devolutive und seit der Mitte des 14. Jh.s auch aufschiebende Wirkung. Für sie werden unter Ausdehnung auf alle Rechtsfehler im 19. Jh. in Italien Kassationsgerichtshöfe zuständig, die 1888/1923 zusammengefasst werden. In Frankreich entwickelt sich die K. (einer Abteilung des Staatsrats) als ein auf Rechtsfragen beschränkter Rekurs außerhalb des eigentlichen Instanzenzugs im Lauf des 18. Jh.s und wird 1790 einer mit den Garantien einer unabhängigen Rechtsprechung ausgestatteten Einrichtung (Kassationsgerichtshof) übertragen, welche die Einheitlichkeit der Rechtsprechung und die genaue Auslegung der Gesetze gewährleisten soll und zwingend an die Instanzgerichte zurückverweisen muss.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Skedl, F., Die Nichtigkeitsbeschwerde, 1886; Montazel, L., Entre fait et droit, 1998; Seynsche, G., Der rheinische Revisions- und Kassationshof in Berlin (1819-1852), 2002

Kasse ist ein Behältnis für Geld. Mit der Entwicklung der Geldwirtschaft werden bei allen Behörden besondere Kassen gebildet.

Kassel an der Fulda ist eine aus einem 913 erstmals bezeugten fränkischen Königshof erwachsene Stadt, welche 1807-13 Hauptstadt des Königreichs Westphalen ist und in der Bundesrepublik Deutschland das Bundessozialgericht und lange auch das Bundesarbeitsgericht beherbergt.

Lit.: Kassel als Stadt der Juristen, 1990

Kassenarzt ist der auf Grund eines von der deutschen Reichsregierung geforderten Abkommens zwischen Krankenkassenverbänden und Arztverbänden abgeschlossenen Abkommens (1914) bzw. einer Verordnung (1923) bzw. eines Gesetzes (1955) von der Krankenkasse (-> Krankenversicherung) für die Behandlung Kranker zugelassene und deshalb in ein Arztregister eingetragene Arzt (1914 ein K. auf 1350 Versicherte, bzw. bei Familienbehandlung ein K. auf 1000 Versicherte).

Lit.: Jörg, M., Das neue Kassenarztrecht, 1993; Maaß, R., Das Kassenarztrecht der Reichsversicherungsordnung, 1990;

Kaste (F.) Stand in Indien

Lit.: Zilm, A., Das Kastensystem in der Rechtsordnung Indiens, 1997

Kastilien ist das nach (lat. [N.Pl.]) castella benannte Gebiet am oberen Ebro, das im späten 8. Jh. als Grafschaft des Königreiches Asturien-León mit dem Hauptort Burgos erscheint. K. gelangt 1029 erbweise an den König von Navarra, dessen Sohn 1035 König von K. wird. Von 1037 bis 1065 und 1230 wird León mit K. vereinigt. 1085 wird K. um Toledo erweitert, 1236 um Córdoba, 1243 um Murcia und 1248 um Sevilla. 1412 wird der König von K. auch Herrscher in Aragonien. Wenig später werden K. und A. in Personalunion (1474) verbunden.

Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff, 2,2,230; Las Cortes de Castilla y León, 1988; Büschgens, A., Die politischen Verträge Alfons’ VIII. von Kastilien, 1995; Czeguhn, I., Die kastilische Höchstgerichtsbarkeit 1250-1520, 2002; Meyer, B., Kastilien, die Staufer und das Imperium, 2002

Kastration (F.) -> Entmannung

Lit.: Schneider, C., Die Verstaatlichung des Leibes, 2000

Kasuistik (F.) Einzelfallbetrachtung

Katalonien (12. Jh.) im Nordosten Spaniens gelangt über Iberer und Punier seit dem Ende des 3. Jh.s v. Chr. allmählich an die Römer, seit 409 an die Alanen und 415 an die Goten (Kata-lanen), um 800 an die Franken. 1137 fällt die dort entstehende Grafschaft Barcelona an -> Aragonien, behält aber Selbständigkeit. 1714 verliert K. die bestehenden Sonderrechte, erhält aber von 1932 bis 1939 und 1979 Autonomie.

Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,264; Allemann, F./Bahder, X. v., Katalonien und Andorra, 3. A. 1985; Zimmermann, M., En les orígens de Catalunya, 1989

Kataster ist ein Verzeichnis von Personen oder Gegenständen, insbesondere ein Verzeichnis der Grundstücke eines Gebietes mit genauen Angaben über die tatsächlichen Verhältnisse des Grundstückes. Im 15. Jh. erscheinen erste Vorläufer (Florenz 1427). Der neuzeitliche Staat legt seit dem 18. Jh. zwecks Sicherung der Grundsteueraufkommen K. an (Neapel 1740, Lombardei 1750, Österreich unter Maria Theresia und Joseph II., Preußen 1822 für Rheinland und Westfalen). Das K. liefert auch dem -> Grundbuch die notwendigen technischen Angaben.

Lit.: Köbler, DRG 152; Grävell, M., Die Grundsteuer und deren Kataster, 1821; Heider, J., Der bayerische Kataster, 1954; Lego, K., Geschichte des österreichischen Grundkatasters, 1968; Atlante storico, hg. v. Bocchi, F. u. a., 1986ff.; Kataster und moderner Staat, hg. v. Mannori, L., 2001

Katharer (erstmals um 1143 in Köln) -> Ketzer

Lit.: Lambert, M., Geschichte der Katharer, 2001

Kathedrale ist die Hauptkirche am Sitz des Erzbischofs oder Bischofs.

Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; La cathédrale, 1995

katholisch (allumfassend, seit dem 4. Jh. Bischofstitel)

Lit.: Kirche und Katholizismus seit 1945, hg. v. Gatz, E., 1998; Arnold, C., Katholizismus als Kulturmacht, 1999

Katzenelnbogen ist eine mittelalterliche, 1479 an Hessen gelangte Grafschaft. 1591 wird von Johannes Kleinschmidt der Entwurf einer Landesordnung geschaffen, der nach Aufnahme in der Praxis bis zum Ende des 19. Jh.s Bedeutung hat.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schmidt, A., Die geschichtlichen Grundlagen des bürgerlichen Rechts im Großherzogtum Hessen, 1893, 67; Demandt, K., Regesten der Grafen von Katzenelnbogen, 1953ff.; Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafschaft Katzenelnbogen, 1969

Kauf ist ein gegenseitiger, grundsätzlich formloser Vertrag, durch den der eine Teil (Verkäufer) sich zur endgültigen Übertragung eines Gegenstandes und der andere Teil (Käufer) sich zur Zahlung eines Kaufpreises verpflichtet. Der K. ist dem römischen Recht als (lat.) -> emptio (F.) venditio vertraut. Zu den Germanen kommt er über den namengebenden römischen Schankwirt an der Grenze (lat. [M.] caupo). Bedeutung erlangt er mit der Durchsetzung der Geldwirtschaft in der hochmittelalterlichen Stadt. Seit dem Spätmittelalter wird die römischrechtliche Gestaltung einschließlich der Sachmangelhaftung im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) aufgenommen. Für den K. von Grundstücken wird das -> Grundbuch bedeutsam. Im 19. Jh. wird in Deutschland der Handelskauf ausgesondert und das Verpflichtungsgeschäft vom Erfüllungsgeschäft streng getrennt. -> Marktkauf

Lit.: Kaser § 41; Söllner §§ 9, 15; Hübner; Köbler, DRG 45, 63, 67, 91, 127, 165, 215, 270; Conze, F., Kauf nach hanseatischen Quellen, 1889; Amira, K., Nordgermanisches Obligationenrecht, 1892ff.; Mitteis, H., Rechtsfolgen des Leistungsverzugs, 1913; Planitz, H., Handelsverkehr und Kaufmannsrecht im fränkischen Reich, FS E. Heymann, Bd. 1 1940, 175; Ebel, W., Lübisches Kaufmannsrecht, 1950; Levy, E., Weströmisches Vulgarrecht, 1956; Müller, H., Das Kaufrecht in süddeutschen Stadtrechtsreformationen, Diss. jur. Kiel 1961; Greiser, P., Der Kauf nach deutschen Landrechten der Rezeptionszeit, Diss. jur. Kiel 1965; Scherner, K., Rücktrittsrecht wegen Nichterfüllung, 1965; Scherner, K., Salmannschaft, Servusgeschäft und venditio iusta, 1971; Wesener, G., Der Kauf nach österreichischem Privatrecht, FS H. Hämmerle, 1972, 433; Oeckinghaus, A., Kaufvertrag und Übereignung, 1973; Gelke, W., Kauf und Tausch in Babenhausen, Diss. jur. Mainz 1981; Wolfgang, E., Das klassische römische Recht der Gefahrtragung beim Kauf, Diss. jur. Bonn 1981; Knellwolf, M., Zur Konstruktion des Kaufes auf Probe, 1987; Michaels, R., Sachzuordnung durch Kaufvertrag, 2002

Kauf bricht nicht die Miete ist ein Rechtssprichwort, das besagt, dass im Gegensatz zum römischen Recht (Kauf bricht Miete) in (vielen) deutschen Rechten seit dem Hochmittelalter die Veräußerung eines Grundstückes durch den Eigentümer das Mietverhältnis eines Mieters nicht beendet.

Lit.: Kaser § 42 II 4; Kroeschell, DRG 3; Jüttner, B., Zur Geschichte des Grundsatzes „Kauf bricht nicht Miete“, Diss. jur. Münster 1960

Kaufgut ist das durch -> Kauf erworbene Gut. Es wird im Mittelalter teilweise anders behandelt als das durch Erbschaft erlangte Gut.

Lit.: Heusler, A., Institutionen des deutschen Privatrechts, Bd. 2 1886, 58, 199

Kaufmann ist, wer ein Handelsgewerbe betreibt. In Rom von eher untergeordneter rechtlicher Bedeutung, erscheinen im Frühmittelalter Syrer, Juden, Griechen und Friesen als vereinzelte Wanderhändler. Mit dem Hochmittelalter lässt sich der K. in der Stadt nieder und bildet Gilden oder Zünfte. Im 19. Jh. wird der Begriff des Kaufmanns gesetzlich festgelegt. 1998 verändert, vereinheitlicht, vereinfacht.

Lit.: Köbler, DRG 67, 95, 111, 167, 217; Wieder, M., Das Recht der deutschen Kaufmannsgilden, 1931; Planitz, H., Handelsverkehr und Kaufmannsrecht im fränkischen Reich, FS E. Heymann, Bd. 1 1940, 175; Planitz, H., Kaufmannsgilde und städtische Eidgenossenschaft, ZRG GA 60 (1940), 1; Ebel, W., Lübisches Kaufmannsrecht, 1950; Sapori, A., Le marchand italien, 1952; Bergfeld, C., Einzelkaufmann und Unternehmer, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 6 1982, 126; Kroeschell, K., Ius omnium mercatorum, FS B. Schwineköper, 1982; Köbler, G., Mercatores personati, FS L. Carlen, 1989, 157; I mercanti italiani, hg. v. Frangioni, L., 1990; Müller-Boysen, C., Kaufmannsschutz und Handelsrecht, 1990; Ars mercatoria. Handbücher und Traktate für den Gebrauch des Kaufmanns 1470-1820, hg. v. Hoock, J. u. a., Bd. 1ff. 1991ff.; Ebert-Weidengeller, A., Hamburgisches Kaufmannsrecht, 1992

Kaufmannseigenschaft -> Kaufmann

Kaufvertrag ist der über einen -> Kauf geschlossene -> Vertrag.

Kausalität (F.) Ursächlichkeit

Lit.: Ling, M., Die Unterbrechung des Kausalzusammenhanges, 1996

Kautelarjurisprudenz ist die im Verhüten von Rechtsstreitigkeiten bestehende Tätigkeit des Juristen, welche schon dem römischen Recht bekannt ist und seit dem Mittelalter vor allem von -> Notaren durch Erstellung einwandfreier Urkunden ausgeübt wird. Von hier aus kommt es zu eigenen Sammlungen von Cautelen und seit dem 18. Jh. auch besonderen Standesregeln.

Lit.: Söllner § 11; Weißler, A., Geschichte der Rechtsanwaltschaft, 1905, 247

Kawerze (M.) Einwohner von Cahors, Südfranzose, Geldhändler (13. Jh.)

Lit.: Kredit, hg. v. North, M., 1991

Kebsehe ist die (dauerhafte) Geschlechtsverbindung eines Mannes mit einer Unfreien (als Nebenfrau). Sie wird von der Kirche bekämpft.

Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 3

Keilschriftrecht ist das in Keilschrift aufgezeichnete Recht (der Sumerer und Babylonier).

Lit.: Haase, R., Einführung in das Studium keilschriftlicher Rechtsquellen, 1965; Die keilschriftlichen Rechtssammlungen in deutscher Fassung, 2. A. 1979; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 1997

Keine Antwort ist auch eine Antwort.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 34 (Franck 1541)

Keine Regel ohne Ausnahme.

Lit.: Deutsche Rechtssprichwörter und Rechtsregeln, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 276 (Körte 1837, lat. nulla regula sine exceptione)

Keller oder Kellner ist im Mittelalter der für die Verwaltung der Vorräte zuständige Amsträger der Grundherrschaft oder der Landesherrschaft.

Lit.: Lamprecht, K., Deutsches Wirtschaftsleben im Mittelalter, Bd. 1 1886, 1410; Die Grundherrschaft im späten Mittelalter, hg. v. Patze, H., 1983

Kelloggpakt (Briand-Kellogg-Pakt) ist ein nach dem amerikanischen Außenminister Frank Billings Kellogg (Potsdam 22. 12. 1856 - Saint Paul 21. 12. 1937) benannter, am 27. 8. 1928 von verschiedenen Staaten vereinbarter Vertrag zur Ächtung des Krieges.

Lit.: Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994; Buchheit, E., Der Brinad-Kellogg-Pakt, 1998

Kelsen, Hans (Prag 11. 10. 1881 - Berkeley 19. 4. 1973), aus kleinbürgerlicher Familie, wird nach dem Rechtsstudium in Wien und der Taufe (1905) 1917 außerordentlicher Professor und 1919 ordentlicher Professor in Wien. 1920 wirkt er bei der Ausarbeitung des Bundesverfassungsgesetzes -> Österreichs mit. 1934 veröffentlicht er nach seiner Beurlaubung in Köln (13. 4. 1933) sein Hauptwerk (Die reine Rechtslehre), dem es um die reine Lehre des positiven Rechts geht. Auf der Voraussetzung einer angenommenen Grundnorm baut er eine wertfreie normative Ordnung auf, deren Einzelgestaltung er auch während seiner späteren Tätigkeiten in Genf, Prag, New York und Kalifornien weiter ausgestaltet.

Lit.: Walter, R., Hans Kelsen, 1985; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 705; Rub, A., Hans Kelsens Völkerrechtslehre, 1995; Heidemann, C., Die Norm als Tatsache, 1997; Carrino, A., Die Normenordnung, 1998; Normativity and Norms, hg. v. Paulson, S. u. a., 1998; Hans Kelsen und Carl Schmitt, hg. v. Diner, D. u. a., 1999; Walter, R., Hans Kelsens Rechtslehre, 1999

Kelte ist der Angehörige der keltisch sprechenden, von den Indogermanen abstammenden Völker. Die Kelten siedeln zuerst zwischen Main und Donau, werden dann aber nach Süden (386 v. Chr. vor Rom) und Westen (Galicien, Bretagne, Wales, Irland) und Osten (Galater) abgedrängt. Aus ihrer Frühzeit sind eigene schriftliche Zeugnisse nicht überliefert.

Lit.: Köbler, DRG 66; Moreau, J., Die Welt der Kelten, 1958; Die Kelten in Mitteleuropa, 3. A. 1980; McCone, K., Pagan past, 1990; Wernicke, I., Die Kelten in Italien, 1991; Spindler, K., Die frühen Kelten, 1996; James, S., Das Zeitalter der Kelten, 1996; Birkhan, H., Kelten, 2. A. 1997; Strobel, K., Die Galater, 1998; Mees, B., Celtic Influence, ZRG GA 115 (1998), 361; Maier, B., Die Kelten, 2000; Demandt, A., Die Kelten, 2. A. 1999; Maier, B., Die Religion der Kelten, 2001; Fries-Knoblach, J., Die Kelten, 2002; Sievers, S., Manching, 2003

Kent, James (1763-1843), Rechtsanwalt, Professor am Columbia College und Richter, gibt mit seinen (engl.) Commentaries on American Law (1826ff., Kommentare zum amerikanischen Recht) die erste systematische Darlegung des durch Anpassung des -> englischen Rechts an amerikanische Bedürfnisse geschaffenen amerikanischen Rechts.

Lit.: Horton, J., James Kent, 1939

Kerbholz ist ein vor allem im Mittelalter zum Einkerben von Beweiszeichen für Dienste, Schulden oder Abgaben verwendetes Holzstück.

Lit.: Künßberg, E. Frhr. v., Rechtliche Volkskunde, 1936, 139

Kerker ist eine Art von Gefängnis. Zeitweise wird der K. für eine verschärfte Haftstrafe verwendet.

Lit.: Quanter, R., Deutsches Zuchthaus- und Gefängniswesen, 1905, Neudruck 1970; Rüping, H., Grundriß der Strafrechtsgeschichte, 3. A. 1998

Kerze ist eine aus Docht und Wachs gebildete Lichterzeugungsquelle, die auch im Recht als Symbol Verwendung findet.

Lit.: Wohlhaupter, E., Die Kerze im Recht, 1940

Kesselfang ist im Mittelalter das Eintauchen des Armes in siedendes Wasser eines Kessels beim -> Gottesurteil (belegt bei Gregor von Tours).

Lit.: Nottarp, H., Gottesurteilsstudien, 1956, 255

Ketzer (Häretiker) ist im katholischen Kirchenrecht jeder bewusste Leugner eines kirchlichen Grundsatzes. Ketzerische Lehren erscheinen bereits kurz nach der Begründung des Christentums. Die Kirche bekämpft sie mit Exkommunikation, der Staat mit Verbannung, Beschlagnahme und Todesstrafe. Im Mittelalter werden die Katha­rer (erstmals um 1143 in Köln, Anfang 13. Jh.) namengebend. Auch die Protestanten (1517) sind K. 1697 wendet sich Christian Thomasius dagegen, den K. als Verbrecher zu behandeln. Seitdem setzt sich allmählich eine aufgeklärtere Betrachtungsweise durch.

Lit.: Köbler, DRG 119; Theloe, H., Die Ketzerverfolgungen im 11. und 12. Jahrhundert, 1913; Grundmann, H., Religiöse Bewegungen im Mittelalter, 1935, Neudruck 1961; Nigg, W., Das Buch der Ketzer, 1949; Borst, A., Die Katharer, 1991; Opitz, C./Wehrli-Johns, M., Die frommen Ketzerinnen, 1998; Lambert, M., Geschichte der Katharer, 2001

Kiel nahe der Ostsee (1773-1866 dänisch) ist seit 1665 Sitz einer Universität. 1933 werden dorthin zahlreiche junge nationalsozialistische Rechtslehrer berufen (Kieler Schule).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Das Kieler Varbuch 1465-1546, hg. v. Luppe, H., 1899; Wohlhaupter, E., Die Spruchtätigkeit der Kieler juristischen Fakultät, ZRG GA 58 (1938); Willert, H., Anfänge und frühe Entwicklung, 1990; Recht und Rechtslehre im Nationalsozialismus, hg. v. Säcker, F., 1992

kiesen (wählen)

Kietz (M.) slawisch-mittelalterliche Fischersiedlung in Brandenburg

Lit.: Krüger, B., Die Kietzsiedlungen, 1962

Kimber ist der Angehörige eines (wohl) aus Jütland stammenden germanischen Volkes, das 101 v. Chr. bei Vercellae in Oberitalien von den Römern vernichtet wird.

Lit.: Köbler, DRG 28, 66

Kind ist der Abkömmling ersten Grades eines Menschen (bis zum Erwachsensein [Mündigkeit]). In Rom steht das K. (lat. [M.] infans) grundsätzlich unter der Hausgewalt des freien römischen Bürgers in seiner Eigenschaft als Hausvater bzw. hilfsweise unter der Personalgewalt eines Vormundes (lat. [M.] tutor). Bei den Germanen untersteht es der Hausgewalt (ahd. munt) des Vaters bzw. der Personalgewalt eines Vormundes. Aus ihr löst es sich durch Abschichtung oder Verheiratung bzw. Mündigkeit. Die Unterscheidung nach Ehelichkeit und Nichtehelichkeit wird von der christlichen Kirche gefördert. Schon seit dem Frühmittelalter nehmen König und Kirche Einfluss auf die Rechtsstellung des Kindes. Seit dem Hochmittelalter wird die Bildung außerhalb des Hauses immer wichtiger. Seit dem Spätmittelalter wird römisches Recht aufgenommen und die Volljährigkeit als Zeitpunkt der rechtlichen Verselbständigung auf die Vollendung des 25. Lebensjahres gelegt. Im 19. Jh. wird das K. vielfach zur Kinderarbeit gezwungen. Der Wohlfahrtsstaat des späteren 20. Jh.s versucht die immer wenigeren Kinder (Empfängnisverhütung) zu schützen und zu fördern (Kindergeld, elterliche Sorge statt elterlicher Gewalt beider Elternteile, Gleichstellung unehelicher bzw. nichtehelicher Kinder).

Lit.: Kaser § 14 II 1; Hübner 64, 697; Köbler, DRG 88, 120, 160, 210, 267; Köbler, WAS; Fehr, H., Die Rechtsstellung der Frau, 1912; Bückling, G., Die Rechtsstellung der unehelichen Kinder, 1920; Jankowiak, K., Die Rechtsstellung der Kinder nach dem Magdeburger Recht des Mittelalters, Diss. jur. Marburg 1923; Das Kind, hg. v. Behler, W., 1971, 279; Wiesner, I., Über die Rechtsstellung der ehelichen Kinder im Landrecht des Sachsenspiegels, Diss. jur. Kiel 1973; Leineweber, A., Die rechtliche Beziehung des nichtehelichen Kindes, 1978; Kinderarbeit und Kinderschutz in Deutschland, 1837-1976, hg. v. Quandt, S., 1978; Mayer-Maly, T., Vom Kinderschutz zum Arbeitsrecht, FS G. Schmelzeisen, 1980, 227; Krause, E., Die gegenseitigen Unterhaltsansprüche, 1982; Haus und Familie in der spätmittelalterlichen Stadt, hg. v. Haverkamp, A., 1984; Zur Sozialgeschichte der Kindheit, hg. v. Martin, J. u. a., 1986; Shahar, A., Childhood in the Middle Ages, 1990 (deutsch 1991); Schumacher, S., Das Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kindern, 1999; Torp, S., Das Rechtsverhältnis zwischen den Eltern und ihren Kindern, 2000; Schulze, N., Das Umgangsrecht, 2001; Wesener, G., Peculia – bona adventicia – freies und unfreies Kindesgut, in: Iuris vincula Studi in onore di M. Talamanca, 2002, 393; Ohlbaum, I., Kind sein, 2003; Jütte, R., Lust ohne Last, 2003

Kindererziehung, religiöse -> religiöse Kindererziehung

Kindergeld ist eine staatliche Leistung an Personen mit Kindern zur Verminderung ihrer Belastung.

Lit.: Köbler, DRG 261; Igl, G., Kindergeld und Erziehungsgeld, 1986; Nelleßen-Strauch, D., Der Kampf ums Kindergeld, 2003

Kindesmissbrauch ist der sexuelle Missbrauch eines -> Kindes, der strafrechtlich bewehrt ist.

Lit.: Rüping, H., Grundriß der Strafrechtsgeschichte, 3. A. 1998

Kindestötung (Kindsmord) ist die Tötung eines Kindes (durch die Eltern). Ursprünglich hat im römischen und germanischen Recht der Gewalthaber das Recht über Leben und Tod des Kindes. Dieses Recht wird aber sowohl im römischen Recht wie auch im mittelalterlichen Recht allmählich verdrängt. Als K. in einem engeren Sinn erscheint am Ende des 18. Jh.s (1772 Susanna Margarethe Brandt in Frankfurt als Anregung zu Gretchen in Goethes Faust) die Tötung eines neugeborenen, außerehelichen Kindes während oder gleich nach der Geburt durch die Mutter. Sie ist ein privilegierter Tötungstatbestand, der die ältere Mordqualifizierung ablöst.

Lit.: Jordan, L., Über den Begriff und die Strafe des Kindesmordes, 1844; Wächtershäuser, W., Das Verbrechen des Kindesmordes, 1973; Dülmen, R. van, Frauen vor Gericht, 1991; Hammer, E., Kindsmord, 1997; Habermas, R., Susanna Brandt, NJW 1999, 1936; Das Frankfurter Gretchen, hg.v. Habermas, R., 1999

Kindsmord -> Kindestötung

Kipper und Wipper sind seit dem 17. Jh. (1621) Geldwechsler, die vollwertiges Silbergeld gegen unterwertiges Kleingeld eintauschen.

Lit.: Gaettens, R., Inflationen, 2. A. 1955; Redlich, F., Die deutsche Inflation des frühen 17. Jahrhunderts, 1972

Kirche ist die in eigenen Verfassungsformen geordnete, im christlichen Bekenntnis vereinigte Gemeinde und Glaubensgemeinschaft. Sie entsteht im Anschluss an das Leben des Religionsstifters Jesus Christus im 1. Jh. n. Chr. Im Wettbewerb mit zahlreichen anderen fremdländischen Heilslehren im Römischen Weltreich setzt sich die christliche K., die ihre Schriften gegen 180 n. Chr. kanonisiert und schon früh eine hierarchische Verfassung von Bischöfen, Klerus und Laien annimmt, als eine revolutionäre, die unteren Schichten gegen ihre Obrigkeit einnehmende Massenbewegung durch. Nach anfänglicher Verfolgung wegen der Lehre von der Unterordnung des irdischen Reiches unter das himmlische Reich Gottes wird die christliche K. 313 im Mailänder Toleranzedikt von Kaiser Konstantin anerkannt und in seiner im Glaubensstreit zwischen Athanasius und Arius von Athanasius vertretenen Form 391 Staatskirche. Ihre geistige Verfeinerung und lateinische Durchdringung erfolgt vor allem durch Hieronymus (345-420), Ambrosius und Augustinus. Organisatorisch setzt sich unter dem Primat Roms die Bischofskirche mit Erzbischöfen und Bischöfen in den (lat. [F.Pl.]) civitates (Städten) durch. Spätestens seit dem 4. Jh. werden auch germanische Völker christianisiert. Seit dem Frühmittelalter durchdringt die K. das gesamte Europa in vielfältiger Hinsicht. Nach der Verbindung zwischen Papst und fränkischem Herrscher (751, 800) kommt es allerdings unter den Saliern (Heinrich IV. 1075) zum -> Investiturstreit mit der durch das Schisma von 1054 entstandenen römisch-katholischen K. Die K. gewinnt als Folge der -> ottonischen Reichskirchenpolitik weltliche Macht in der Form der geistlichen Fürstentümer. 1517 verursacht Martin -> Luther mit seinen gegen kirchliche Missstände gerichteten 95 Reformationsthesen die Abspaltung der Protestanten. Seit der Aufklärung sieht sich die  als Körperschaft des öffentlichen Rechts organisierte K. einer ständigen Säkularisierung aller Verhältnisse ausgesetzt. Gefordert und in erheblichem Umfang verwirklicht wird die Trennung von Staat und Kirche (1797 Vereinigte Staaten von Amerika, Revolution in Frankreich, -> Kulturkampf). Am Ende des 20. Jh.s ziehen sich immer mehr Christen zwar noch nicht formal, aber doch tatsächlich aus der K. zurück. Neben der K. als Gemeinschaft steht die K. als Gebäude (älteste erhaltene K. 3. Jh. n. Chr.).

Lit.: Köbler, DRG 77, 79, 82, 88, 108, 115, 119, 121, 159, 205, 265; Hauck, A., Kirchengeschichte Deutschlands, Bd. 1ff. 1887, 8. unv. A. 1954; Sehling, E., Geschichte der protestantischen Kirchenverfassung, 2. A. 1914; Schulte, A., Der Adel und die deutsche Kirche im Mittelalter, 2. A. 1922; Tomek, E., Kirchengeschichte Österreichs, Bd. 1ff. 1935ff.; Tellenbach, G., Libertas, 1936; Gampl, I., Staat und evangelische Kirche in Österreich, ZRG KA 52 (1966), 299; Feine, H., Reich und Kirche, hg. v. Merzbacher, F., 1966; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Huber, E./Huber, W., Staat und Kirche im 19. Jahrhundert, Bd. 1ff. 1973ff.; Becker, J., Liberaler Staat und Kirche, 1975; Scholder, K., Die Kirche und das Dritte Reich, Bd. 1f. 1977ff.; Theologische Realenzyklopädie, Bd. 1ff. 1977ff.; Church and Society in England, hg. v. O’Day, R. u. a., 1977; Oakley, F., The Western Church, 1979; Buchholz, S., Eherecht zwischen Staat und Kirche, 1981; Hausberger, K., Staat und Kirche nach der Säkularisation, 1983; Fuchs, J., Das schweizerische Staatskirchenrecht, ZRG KA 101 (1984); Leitner, F., Kirche und Parteien in Österreich nach 1954, 1988; Merzbacher, F., Recht-Staat-Kirche, hg. v. Köbler, G. u. a., 1989; Staat, Kirche, Wissenschaft in einer pluralistischen Gesellschaft, 1989; Histoire du christianisme, hg. v. Mayeur, J. u. a., 1990ff.; Lexikon für Theologie und Kirche, hg. v. Kaspar, W. u. a., Bd. 1ff. 1990ff.; Hauschild, W., Lehrbuch der Kirchen- und Dogmengeschichte, Bd. 1ff. 1995ff.; Zippelius, R., Staat und Kirche, 1997; Heim, M., Kleines Lexikon der Kirchengeschichte, 1998; Bücherverzeichnis zur Kirchengeschichte, hg. v. Fürstenberg, M. u. a., 1998; Biographisch-bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. 1ff. 1998; Mühlenberg, Epochen der Kirchengeschichte, 3. A. 1999; Greschat, Personenlexikon Religion und Theologie, 1998; Rehberg, A., Kirche und Macht im römischen Trecento, 1999; Heim, M., Kirchengeschichte, 2000; Wallmann, J., Kirchengeschichte Deutschlands seit der Reformation, 5. A. 2000; Lexikon der Kirchengeschichte, 2001; Besier, G., Die Kirchen und das Dritte Reich, 2001; Frank, K., Lehrbuch der Geschichte der alten Kirche, 3. A. 2002; Vogtherr, T., Kirche im Mittelalter, 2002; Prinz, F., Die Kirche und die pagane Kulturtradition, HZ 276 (2003), 281

Kirchenasyl -> Asyl, -> Kirche

Kirchenbann -> Kirche, -> Bann

Kirchenbaulast ist die Belastung einer Gruppe von Menschen, eines einzelnen Menschen oder eines Vermögens mit den Kosten (des Baues,) der Unterhaltung und des Wiederaufbaues einer -> Kirche (-> Eigenkirche). Sie ist mit dem -> Patronat verbunden. Wo eine K. in das Eigentum des Staates übergegangen ist, trägt infolge des Vermögensübergangs der Staat die K.

Lit.: Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983

Kirchenbuch ist ein von der -> Kirche geführtes Buch über kirchliche Angelegenheiten (z. B. Mitglieder, Taufen, Eheschließungen, Begräbnisse). Nach Mitgliederlisten des Altertums und Totengedenkbüchern des Frühmittelalters erscheinen Taufmatrikeln in Italien und Südfrankreich im 14. Jh. Im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) tritt das K. um 1490 auf (z. B. Tübingen 1553 Ehebuch). In der Neuzeit verwendet auch die weltliche Gewalt das K. für ihre Zwecke. 1875 tritt neben das K. das Personenstandsbuch des Staates. Die Zahl der Kirchenbücher des Deutschen Reichs wird auf 400000 mit rund einer Milliarde Einzeleinträgen geschätzt.

Lit.: Köbler, DRG 105; Lampe, W., Die Kirchenbuchführung in Vergangenheit und Gegenwart, 1936; Das älteste Tübinger Ehebuch, hg. v. Schieck, S. u. a., 2000

Kirchenbuße -> Kirche, -> Buße

Kirchenfabrik (lat. fabrica [F.] ecclesiae) ist die mit der Errichtung einer Kirche (Gebäude) entstehende Verbandsperson („juristische Person“). Die Hauptlast der K. ist die -> Kirchenbaulast. Das Vermögen der K. kann nur in einem besonderen Verfahren veräußert werden. -> Kirchengut

Kirchengut ist die Gesamtheit der geldwerten Rechte einer -> Kirche. Das K. entsteht anfangs vor allem durch Gaben, dann aber auch Abgaben (-> Zehnt), die gemeinsam verwaltet und später nach bestimmten Regeln verteilt werden (z. B. Vierteilung unter Bischof, Klerus, Armen und -> Kirchenfabrik, 5. Jh.). Im Frühmittelalter, in dem auch K. säkularisiert wird, können Klöster bis zu 15000 Hufen K. haben. Das K. gliedert sich dann in mehrere selbständige Untereinheiten. Im 13. Jh. wird aus dem K. teilweise Landesherrschaft. Seit der frühen Neuzeit wird K. in erheblichem Umfang säkularisiert (u. a. im Reichsdeputationshauptschluss vom 28. 2. 1803).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Stutz, U., Die Verwaltung und Nutzung des kirchlichen Vermögens, Diss. jur. Berlin 1892; Buchholzer, J., Die Säkularisation katholischen Kirchenguts im 18. und 19. Jahrhundert, 1921; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Mempel, H., Die Vermögenssäkularisation 1803/10, 1979

Kirchenordnungen sind ordnende Gestaltungen des kirchlichen Lebens durch vorschreibende Regeln, wie sie sich bereits im Altertum und dann insbesondere als Folge der Reformation Martin -> Luthers im 16. Jh. finden (z. B. Hessen 1526, Schwäbisch Hall 1526, Hadeln 1526, Braunschweig 1528, Hamburg 1529, Lübeck 1531, Lüneburg 1531, Brandenburg-Nürnberg 1533, Pommern 1534, Hannover 1536 usw.).

Lit.: Schwanhäuser, G., Das Gesetzgebungsrecht der evangelischen Kirche, 1967; Sehling, E., Die evangelischen Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts, Bd. 1ff. 1902ff., Neudruck 1980; Wolf, E., Ordnung der Kirche, 1961; Brecht, M., Kirchenordnung und Kirchenzucht in Württemberg, 1967

Kirchenrecht ist die Gesamtheit der Rechtssätze, die entweder das Leben innerhalb der Kirche ordnen (inneres K. bzw. in der katholischen Kirche auch kanonisches Recht) oder das Verhältnis des Staates zur Religion und zu den Religionsgemeinschaften regeln (äußeres K., Staatskirchenrecht). K. entsteht unter Beachtung vieler jüdischer Sätze bereits im 1. Jh. n. Chr. Die Kirche des Altertums bedient sich dabei in weitem Umfang des römischen Rechts, gestaltet durch Konzilien und päpstlich-bischöfliche Einzelreskripte (Dekretalen) K. aber auch vielfach neu ([lat.] -> ius divinum, -> ius ecclesiasticum, -> ius naturale). Bereits seit dem 4. Jh. wird das K. gesammelt (u. a. von -> Dionysius Exiguus). Dem schließen sich frühmittelalterliche Sammlungen an (600 Vetus Gallica, 633 Hispana, 774 von Papst Hadrian an Karl den Großen übermittelte Dionysio-Hadriana, 850 „Benedictus Levita“, 906 [lat.] libri [M.Pl.] duo de causis synodalibus [zwei Bücher Synodalsachen] des Regino von Prüm, 1007-22 [lat., N.] Decretum Bischof Burchards von Worms). Um 1140 fasst in Bologna -> Gratian Konzilscanones, päpstliche Dekretalen und Texte von Kirchenvätern zu seinem (lat. [N.]) -> Decretum zusammen. Daran schließen sich Sammlungen von Dekretalen an (1234 [lat.] -> Liber [M.] extra, 1298 [lat.] Liber sextus, 1317 -> Clementinen), so dass allmählich das (lat.) -> corpus (N.) iuris canonici entsteht. Dessen Inhalt wird von den protestantischen Kirchen seit der frühen Neuzeit zunächst grundsätzlich anerkannt, danach aber vor allem durch -> Kirchenordnungen abgewandelt. 1917/8 und 1983 wird das katholische K. neu gestaltet (lat. -> Codex [M.] iuris canonici). -> Staatskirchenrecht im eigentlichen Sinn entsteht seit der Reformation Martin -> Luthers (1517). Dabei setzt sich seit dem ausgehenden 18. Jh. der Gedanke der Toleranz durch. Das 20. Jh. trennt zwar Staat und Kirche grundsätzlich, sichert der Kirche aber noch wichtige Teile ihrer hergebrachten Rechtsstellung (-> Körperschaft des öffentlichen Rechts, -> Kirchensteuer, Art. 137 WRV, 140 GG).

Lit.: Köbler, DRG 1, 8, 81, 106, 126, 205, 266; Friedberg, E., Lehrbuch des katholischen und evangelischen Kirchenrechts, 6. A. 1909, Neudruck 1965; Rothenbücher, K., Die Trennung von Staat und Kirche, 1908; Ebers, G., Staat und Kirche im neuen Deutschland, 1930; Barion, H., Rudolph Sohm und die Grundlegung des Kirchenrechts, 1931; Liermann, H., Deutsches evangelisches Kirchenrecht, 1933; Heckel, J., Das Decretum Gratiani und das evangelische Kirchenrecht, in: Studia Gratiana 3 (1955), 483; Plöchl, W., Geschichte des Kirchenrechts, Bd. 1ff. 2. A. 1960ff.; Mörsdorf, K., Lehrbuch des Kirchenrechts, Bd. 1ff. 11. A. 1964; Benn, E., Entwicklungslinien des evangelischen Kirchenrechts im 19. Jahrhundert, Z. f. ev. Kirchenrecht 15 (1970), 2; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971; Feine H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Winter, J., Die Wissenschaft vom Staatskirchenrecht im Dritten Reich, 1979; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Gaudemet, J., Droit de l’Eglise et vie sociale, 1989; Campenhausen, A. v., Staatskirchenrecht, 3. A. 1996; Stumpf, C., Kirchenrecht als Bekenntnisrecht, 1999; Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht, hg. v. Campenhausen, A. Frhr. v., Bd. 1ff. 1999ff.; Erdö, P., Die Quellen des Kirchenrechts, 2002

Kirchenstaat ist der (weltliche) -> Staat der katholischen Kirche. Er nimmt seinen Ausgang vom Mailänder Toleranzedikt des römischen Kaisers Konstantin (313), das die christlichen Gemeinden als rechtsfähige Vermögensträger anerkennt. Hinzu kommt die sog. -> Konstantinische Schenkung, nach der Konstantin Papst Silvester die politische Autorität im weströmischen Reich verliehen haben soll. Danach erhält die Kirche zahlreiche Grundstücke als Gaben, die in ihrer Gesamtheit seit dem 6. Jh. (lat.) patrimonium (N.) Petri heißen. Seit dem 7. Jh. gilt der Papst als Schutzherr und Herrscher des Gebiets um Rom bzw. zwischen Venedig und Benevent. Am 14. 4. 754 gibt der fränkische König Pippin Papst Stephan die ehemals oströmischen, von den Langobarden besetzten Güter in Italien um Ravenna und Rom (zurück, -> Pippinische Schenkung). Der Sicherung der Herrschaft dient wenig später der K. um die Romagna und Tuszien (sowie um Venaissin [1274] und Avignon [1378], bis 1797), im 16. und 17. Jh. um Ferrara (1598), Urbino (1630) und Castro (1649). 1798 ersetzt Frankreich den K. durch die Römische Republik, doch gelingt 1814/5 die Wiederherstellung. Am 20. 9. 1870 zieht die italienische Einigungsbewegung den K. bis auf geringe Reste an sich bzw. das neue Königreich -> Italien.

Lit.: Nürnberger, A., Papsttum und Kirchenstaat, Bd. 1ff. 1897ff.; Gundlach, W., Die Entstehung des Kirchenstaates, 1899, Neudruck 1969; Hayward, F., Le dernier siècle de la Rome pontificale 1769-1870, Bd. 1ff. 1927f.; Kölmel, W., Rom und der Kirchenstaat im 10. und 11. Jahrhundert, 1935; Waley, D., The Papal State in the Thirteenth Century, 1961; Quellen zur Geschichte des Kirchenstaates, hg. v., Fuhrmann, H., 1968; Partner, P., The Lands of St. Peter, 1968; Noble, T., The Republic of St. Peter, 1984; Arnaldi, G., Le origini dello Stato della Chiesa, 1987; Marazzi, D., I Patrimonia sactae Romanae ecclesiae nel Lazio, 1998

Kirchensteuer ist die durch die öffentlichrechtlichen Religionsgesellschaften erhobene, vom Staat eingezogene Steuer. Sie ersetzt den älteren Kirchenzehnt (Preußen 20. 6. 1875, vgl. auch das Allgemeine Landrecht von 1794). Rechtliche Grundlagen werden die Weimarer Reichsverfassung und Art. 140 GG.

Lit. Köbler, DRG 198; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983

Kirchenvertrag ist ein Vertrag eines Staates mit einer (evangelischen) Kirche über kirchliche Angelegenheiten. -> Konkordat

Lit.: Die Konkordate und Kirchenverträge in der Bundesrepublik Deutschland, hg. v. Listl, J., Bd. 1f. 1987

Kirchenvogtei ist die Ausübung weltlicher -> Herrschaft für eine -> Kirche durch einen -> Vogt.

Lit.: Otto, E., Die Entstehung der deutschen Kirchenvogtei im 10. Jahrhundert, 1933

Kirchenzehnt ist (meist) der zehnte Teil (von Erträgnissen und Früchten von Grundstücken und Vieh). Er erscheint im 5. Jh. n. Chr. auf der Grundlage von 4. Moses 18,21-32. Wenig später wird er von der Kirche gefordert und vom fränkischen König als Ausgleich für eingezogenes Kirchengut zugestanden. Seit der Französischen Revolution (1789) und den Unruhen der Jahre 1848ff. verschwindet er und wird in deutschen Staaten durch die -> Kirchensteuer ersetzt.

Lit.: Perels, E., Die kirchlichen Zehnten im karolingischen Reich, 1904; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972

kirchliches Recht ist das auf die -> Kirche bezogene -> Recht (-> Kirchenrecht). Einen wichtigen Gegensatz zum kirchlichen Recht bildet das weltliche Recht.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2

Kirchspiel (Kirchenbezirk) -> Kirche

Lit.: Liebe, G., Die kommunale Bedeutung der Kirchspiele, Diss. phil. Berlin 1885; Haff, K., Das Großkirchspiel, ZRG KA 63 (1943), 1, 64 (1944), 1, 65 (1947), 1, 253

Kistenpfand (N.) Pfand an leblosen beweglichen Sachen

Lit.: Hübner 470

k. k. (kaiserlich-königlich, Österreich 1867, nicht pragmatische Anglegenheiten) -> k. u. k.

Klage ist im rechtlichen Sinn das Begehren des Klägers an das Gericht auf Rechtsschutz gegenüber dem Beklagten. Im römischen Recht ist K. die (lat.) -> actio (F.). Von K. wird wohl unter kirchlichem Einfluss erst seit dem Frühmittelalter gesprochen, in welchem sich der Verletzte nicht mehr unmittelbar gegen einen möglichen Verletzer, sondern hauptsächlich an einen Herrschaftsträger mit der Bitte um Unterstützung bei der Verfolgung des Rechts wendet. Im Hochmittelalter werden verschiedene Arten der K. unterschieden (um Eigen und Erbe, um Gut, um Schuld, später bürgerliche K., peinliche K. und gemischte K.) und anscheinend genaue Formulierungen verlangt (-> Prozessgefahr), so dass Vertreter im Wort (-> Fürsprecher) erscheinen. Mit dem im Spätmittelalter aus Oberitalien kommenden gelehrten Verfahrensrecht wird die K. vielfach schriftlich und durch Vertreter in der Sache (-> Anwalt) geformt.

Lit.: Kaser § 82 II; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 86, 116, 117, 156, 202; Laband, P., Die vermögensrechtlichen Klagen, 1869; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1878/9, Neudruck 1973, 357, 757; Turner, V., The King and his Courts, 1968; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Gudian, G., Zur Klage mit Schadensformel, ZRG GA 90 (1973), 121; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren euopäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 383,467; Köbler, G., Klage, klagen, Kläger, ZRG GA 92 (1975), 1; Apathy, P., Die publizianische Klage, 1981; Litewski, W., Mündliche Klage und Klageschrift, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Bieresbom, D., Klage und Klageerwiderung im deutschen und englischen Zivilprozess, 1999

Klage gegen den toten Mann ist eine wissenschaftliche Bezeichnung des Verfahrens gegen den auf handhafter Tat erschlagenen Täter. Sie ist vor allem im altnordischen Recht verbreitet. Seit dem 13. Jh. wird die K. g. d. t. M. durch die anerkannte Berufung auf Notwehr verdrängt.

Lit.: Scherer, Die Klage gegen den toten Mann, 1909; Wallén, P., Die Klage gegen den Toten, 1958

Klage mit dem toten Mann ist im norddeutschen Recht des Mittelalters ein Verfahren gegen den auf handhafter Tat erschlagenen, vor Gericht gebrachten Täter.

Lit.: Brunner, H., Die Klage mit dem toten Mann, ZRG GA 31 (1910), 235

Klagengewere ist im mittelalterlichen sächsischen Prozess die Zusicherung des Klägers gegenüber dem Beklagten, dass er zur -> Klage befugt sei. Macht ein zweiter gegen den Beklagten das Recht geltend, muss der Kläger die Ansprüche vom Beklagten abwehren. Gelingt dies nicht, muss er die eigene Klage aufgeben und -> Gewette zahlen. Im 18. Jh. verschwindet die K. Sie wird von der Litiskontestation und der Einrede der Rechtskraft verdrängt.

Lit.: Ebeling, K., Die Klagengewere, Diss. jur. Frankfurt am Main 1958

Klagenkonkurrenz ist im klassischen römischen Recht die mehrfache Geltendmachung einer Klage gegen mehrere Beteiligte (kumulative K.).

Lit.: Kaser § 82 III; Köbler, DRG 48; Liebs, D., Die Klagenkonkurrenz im römischen Recht, 1972

Klagenkonsumtion ist im altrömischen Recht der Ausschluss eines zweiten Streites über das geltend gemachte Recht durch die Streiteinsetzung (lat. [F.] -> litiscontestatio).

Lit.: Kaser § 80 II, 82 III, 87 II; Köbler, DRG 19

Kläger ist, wer durch eine -> Klage vom Gericht Rechtsschutz begehrt. Wo kein K. (ist), da kein Richter (vgl. Codex 3, 7, 1 [lat.] invitus agere vel accusare nemo cogitur, gegen seinen Willen wird niemand zum Klagen oder Anklagen gezwungen).

Lit.: Söllner § 9; Köbler, G., Klage, klagen, Kläger, ZRG GA 92 (1975), 1

Klageschrift ist im gelehrten Prozessrecht seit dem Spätmittelalter der Schriftsatz, durch den der -> Kläger -> Klage erhebt bzw. Rechtsschutz begehrt. Der Kläger überreicht die K. dem Beklagten im Termin. Später reicht er sie bei Gericht ein.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 117; Bethmann Hollweg, M. v., Der germanisch-römische Zivilprozess im Mittelalter, Bd. 1 1868ff., Neudruck 1959; Litewski, W., Mündliche Klage und Klageschrift, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997

Klagspiegel ist die 1516 von Sebastian -> Brant unter dem Titel Richterlich Clagspiegel neu aufgelegte, vermutlich von einem Stadtschreiber in Schwäbisch Hall um 1425 verfasste Schrift über Verfahrensfragen. Der erste Teil will, hauptsächlich nach Roffredus, De libellis iuris civilis (Von Büchlein des weltlichen Rechts), ein Handbuch des geschriebenen Rechtes bieten. Der zweite Teil stellt Strafrecht und Strafverfahren nach römischen Rechtsgrundsätzen (Digesten, Codex, Durantis, Speculum iudiciale u. a.) dar. Insgesamt ist der K. die älteste und umfassendste Wiedergabe des römischen Rechts in deutscher Sprache und unter Zuschnitt auf die einheimischen zeitgenössischen Bedürfnisse. Er wird von 1460-70 bis über die Mitte des 16. Jh.s vielfach gedruckt und bildet eine wichtige Quelle der Stadtrechtsreformation von -> Worms, der (lat.) -> Constitutio (F.) Criminalis Bambergensis (1507) und für den -> Laienspiegel (1509/11).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Stintzing, R., Geschichte der populären Literatur, 1867, Neudruck 1959, 335

Klammer, Balthasar (Kaufbeuren um 1504 - Celle 6.(?) 2. 1578), Bürgermeisterssohn, wird nach dem Studium von Theologie und Recht in Ingolstadt und Leipzig 1529 Notar, 1530 Professor in Marburg und 1540 Kanzler der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg. Neben der Mitwirkung an wichtigen Landesgesetzen (Hofgerichtsordnung, Kanzleiordnung, Polizeiordnung) verfasst er 1565 ein posthum vielfach gedrucktes, deutsches (lat.) Compendium (N.) iuris (Lehnrecht und Landrecht) mit lateinischen Erläuterungen.

Lit.: Eckhardt, A., Der Lüneburger Kanzler Balthasar Klammer, 1964; Theuerkauf, G., Lex, Speculum, Compendium iuris, 1968

Klasse (F.) Gruppe

Lit.: Gall, L., Vom Staat zur Klasse, HZ 261 (1995), 1; Meyer, T., Stand und Klasse, 1997

Klassenjustiz ist die Ausübung des Richteramtes durch Angehörige der gesellschaftlich herrschenden -> Klasse (Liebknecht 1907) bzw. nach Klassen unterscheidende, im Dienste einer herrschenden Klasse stehende Rechtspflege.

Lit.: Kroeschell, 20 Jh.; Engels, F., Die Lage der arbeitenden Klasse in England, 1845; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953, 46; Kocka, J., Lohnarbeit und Klassenbildung, 1983

klassisches römisches Recht (vgl. Hugo 1790 Lehrbuch und Chrestomathie des classischen Pandectenrechts) -> römisches Recht

Kleid ist eine dem Schutz und Schmuck dienende, durch Tätigkeit geschaffene Umhüllung des Menschen. Das Kleid kann durch Rechtssätze festgelegt werden (Kleiderordnung). Es kann als Metapher oder Kennzeichen für rechtliche Vorgänge und Zustände Verwendung finden (-> Gewere, -> Investitur, Robe, Uniform).

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994

Kleiderordnung ist eine -> Ordnung über die Verwendung von -> Kleidern. Vielleicht unter dem Einfluss der Kirche, in welcher die Bekleidung der Geistlichen von erheblicher Bedeutung ist, werden im Spätmittelalter zum Schutz vor Verschwendung an vielen Orten Kleiderordnungen erlassen (Spanien 1234/56, Frankreich 1279/94, England 1336, Göttingen 1340). Dabei gehen die Städte den Ländern anscheinend voran.

Lit.: Köbler, DRG 139; Hampel-Kalbrunner, G., Beiträge zur Geschichte der Kleiderordnungen, 1962; Eisenbart, L., Kleiderordnungen, 1962; Baur, V., Kleiderordnungen in Bayern, 1975; Jarrett, L., Striptease, 1999

Klein, Ernst Ferdinand (Breslau 3. 9. 1744 - Berlin 18. 3. 1810), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Halle (Nettelbladt) Anwalt, 1781 Mitarbeiter am Allgemeinen Landrecht Preußens (Strafrecht), 1791 Professor in Halle und 1800 Richter in Berlin. In seinen Merkwürdigen Rechtssprüchen der Hallischen Juristenfakultät erarbeitet er Ansätze für sichernde Maßnahmen.

Lit.: Mumme, H., Ernst Ferdinand Kleins Auffassung von der Strafe und den sichernden Maßnahmen, 1936; Hoffmann, U., Ernst Ferdinand Kleins Lehre vom Verhältnis von Strafen und sichernden Maßnahmen, Diss. jur. Breslau, 1938; Brünker, H., Der Kriminalist Ernst Ferdinand Klein, Diss. jur. Bonn 1973; Kleensang, M., Das Konzept der bürgerlichen Gesellschaft bei E. F. Klein, 1998

Klein, Franz (Wien 24. 4. 1854 - 6. 4. 1926), Goldschmiedssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Wien 1885 Kanzleidirektor, 1891 außerordentlicher Professor und 1895 ordentlicher Universitätsprofessor. Auf Grund der Schrift (lat.) Pro futuro (Für die Zukunft) wird er Beamter des Justizministeriums in -> Österreich und arbeitet die Zivilprozessordnung (1895), die Exekutionsordnung und das Gerichtsorganisationsgesetz aus, in denen die Stellung des Richters gestärkt wird.

Lit.: Festschrift Franz Klein, 1914; Forschungsband Franz Klein, hg. v. Hofmeister, 1988

Kleines Kaiserrecht ist ein wohl zwischen 1328 und 1350 zwischen Frankfurt am Main und der Wetterau nach dem später sog. -> Schwabenspiegel (Kaiserrecht) abgefasstes Rechtsbuch eines fränkischen Anhängers Ludwigs des Bayern. Es enthält Prozessrecht und Gerichtsverfassungsrecht, Privatrecht und Strafrecht, Lehnrecht (besonders der Reichsdienstmannen) und Recht der Reichsstädte.

Lit.: Das Keyserrecht, hg. v. Endemann, H., 1846; Gosen, J. v., Das Privatrecht nach dem kleinen Kaiserrecht, 1866; Munzel, D., Die Innsbrucker Handschrift des Kleinen Kaiserrechts, 1974; Munzel, D., in: Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 42

Klenkok, Johannes (Brücken 1. Viertel 14. Jh. - Avignon 15. 6. 1374), Professor der Theologie, stellt in Magdeburg 1369 Artikel des -> Sachsenspiegels zusammen, welche nach seiner Ansicht gegen kirchliches Recht verstoßen (lat. [M.Pl.] -> articuli reprobati).

Lit.: Kullmann, J., Klenkok und die „articuli reprobati“ des Sachsenspiegels, Diss. jur. Frankfurt am Main 1959; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 28

Kleriker ist der Angehörige des -> Klerus. Für ihn gilt das kirchliche Recht. Da zeitweise fast nur K. schreiben können, sind sie gleichzeitig Träger wichtiger weltlicher Aufgaben (vgl. engl. clerk).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Poncet, P., Les privilèges des clercs au moyen-âge, 1901; Moeller, B., Kleriker als Bürger, FS H. Heimpel, Bd. 2 1972, 195

Klerus ist im katholischen Kirchenrecht der geistliche Stand im Gegensatz vor allem zu den Laien. Der K. hat zahlreiche Standespflichten. Umgekehrt genießt er zumindest zeitweise erhöhten Schutz gegen Ehrverletzungen (lat. privilegium [N.] canonis, vgl. C. 1, 3, 10), Befreiung von der weltlichen Gerichtsbarkeit (lat. privilegium [N.] fori, vgl. Nov. 79 u.ä.), Befreiung von weltlichen Pflichten wie Kriegsdienst, Schöffenamt usw. (lat. privilegium [N.] immunitatis, vgl. Codex Theodosianus 16, 2) und Schutz vor Zwangsvollstreckung (lat. beneficium [N.] competentiae, vgl. Liber extra 3, 23, 3). Während des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) ist der K. sowohl in den Reichsständen wie auch in den Landständen ansehnlich vertreten.

Lit.: Schulte, A., Der Adel und die deutsche Kirche im Mittelalter, 3. A. 1958; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Johag, H., Die Beziehungen zwischen Klerus und Bürgerschaft, 1977; Schulte-Umberg, T., Profession und Charisma, 1999

Kleve, Cleve, ist eine im 11. Jh. entstandene Grafschaft, die 1417 zum Herzogtum erhoben wird und 1614 an Brandenburg (bzw. 1701 Preußen) fällt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Scotti, J., Sammlung der Gesetze und Verordnungen, 1821; Scotti, J., Sammlung der Gesetze und Verordnungen, 1826; Schottmüller, K., Die Organisation der Centralverwaltung in Kleve-Mark, 1896; Wollenhaupt, L., Die Cleve-Märkischen Stände im 18. Jahrhundert, 1924; Köbler, G., Gericht und Recht in der Provinz Westfalen (1815-1945), FS G. Schmelzeisen, 1980, 176; Klevische Städteprivilegien, hg. v. Fink, K., 1989; Die ältesten Klever Stadtrechtshandschriften, bearb. v. Schleidgen, W., 1994; Der Oberhof Kleve und seine Schöffensprüche, hg. v. Diestelkamp, B. u. a., 1994; Die klevischen Hofordnungen, hg. v. Flink, K., 1997

Klöntrup, Johann Aegidius (Glane 30. 3. 1754 - Lechterke 25. 4. 1830), Prokuratorssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Göttingen Anwalt in Osnabrück. Er verfasst mehrere Werke zum bäuerlichen Recht (u. a. Alphabetisches Handbuch der besonderen Rechte und Gewohnheiten des Hochstifts Osnabrück, 1798).

Kloster ist die geschlossene, Ordensangehörigen als gemeinsame Wohnung, Gebetsstätte und Arbeitsraum dienende Anlage. Sie erscheint im Bereich des Christentums in Oberägypten im 4. Jh. erstmals (Pachomius). Im fränkischen Reich werden Marmoutier (Martin von Tours) und Luxeuil (Columban) wichtige Vorbilder für zahlreiche, schon früh vom König und Adel durch Privilegien und Gaben unterstützte Gründungen, für welche sich im 8. Jh. die Ordnung des -> Benedikt von Nursia durchsetzt. Diese wird seit dem 10. Jh. in Cluny, Gorze und Hirsau erneuert. Seit dem 12. Jh. bilden sich unterschiedliche Orden aus (-> Zisterzienser, -> Prämonstratenser, -> Dominikaner, Franziskaner). In der Neuzeit werden unter dem Einfluss auch der Reformation und danach der Aufklärung zahlreiche Klöster säkularisiert.

Lit.: Köbler, DRG 79; Schreiber, G., Kurie und Kloster im 12. Jahrhundert, Bd. 1f. 1910, Neudruck 1965; Hirsch, H., Klosterimmunität und Investiturstreit, 1913; Urkundenbuch des Klosters Fulda, hg. v. Stengel, E., Bd. 1 1913ff.; Stillhart, A., Die Rechtspersönlichkeit der klösterlichen Verbandsformen, 1953; Sprandel, R., Das Kloster St. Gallen in der Verfassung des karolingischen Reiches, 1958; Siepen, K., Vermögensrecht der klösterlichen Verbände, 1963; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Reden-Dohna, A. v., Reichsstandschaft und Klosterherrschaft, 1982; Prinz, F., Frühes Mönchtum im Frankenreich, 2. A. 1988; Mönchtum, Orden, Klöster, hg. v. Schwaiger, G., 2. A. 1994; Grégoire, R. u. a., Die Kultur der Klöster, 1995; Zehetmayer, R., Kloster und Gericht, 2001; Württembergisches Klosterbuch, 2003

Klostertod ist der Verlust weltlicher Rechte durch den Eintritt in ein -> Kloster vom Mittelalter bis in das 19. Jh. -> bürgerlicher Tod

Lit.: Hübner; Brünneck, W. v., Das Klostergelübde, Gruchot Beiträge 45 (1901), 193

kluniazensische Kirchenreform -> Cluny

Knappe (M.) Edelknabe, Bergmann

Knappschaft ist vielleicht schon seit dem Hochmittelalter ein Zusammenschluss von Bergleuten zur Sicherung gegen Unglücksfälle durch eine Unterstützungskasse. Die K. wird seit dem Spätmittelalter in Bergordnungen geregelt. 1770 bildet sich auf Grund eines vom König von Preußen 1767 gewährten Privilegs eine ausgedehnte Knappschaftskasse für Kleve, Moers und Mark. Mit Gesetz vom 10. 4. 1854 führt Preußen unter Knappschaftszwang eine öffentlich-rechtliche Versicherung in der Form von Knappschaftsvereinen ein. Das Reichsknappschaftsgesetz vom 23. 6. 1923/1. 7. 1926 bringt eine einheitliche Regelung im Deutschen Reich (28. 7. 1969 Bundesknappschaft).

Lit.: Köbler, DRG 218; Inbusch, H., Das deutsche Knappschaftswesen, 1910; Thielmann, H., Geschichte der Knappschaftsversicherung seit 1934, Z. f. Bergrecht 95 (1954), 174; Curialitas, hg. v. Fleckenstein, J., 1990

Knecht ist der junge Mensch, der im Verhältnis zu einem Herrn Dienste leisten muss. Am Ende des Mittelalters scheidet K. aus den Altersbezeichnungen aus und wird zur Bezeichnung für einen niederen, vielfach bäuerlichen Bediensteten.

Knien ist ein vielleicht dem vorderen Orient entstammendes Demutsverhalten.

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994

Koadjutor (M.) vom Papst ernannter, mit bischöflicher Weihgewalt ausgestatteter Vertreter eines Bischofs

Lit.: Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983

Koalition (F.) Vereinigung

Koalitionsfreiheit ist die Freiheit, zur Wahrung und Förderung der Arbeitsbedingungen oder Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden (oder auch [negativ] solchen Vereinigungen fernzubleiben). Die frühe Neuzeit wendet sich gegen die K. der Handwerksgesellen (1530, 1731, 1845). Im 19. Jh. werden die Verbote aufgehoben (England 1824, Sachsen 1861, Baden 1862, Norddeutscher Bund 1869, Frankreich 1884). Die Weimarer Reichsverfassung erhebt die K. zu einem Grundrecht.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 273; Scholz, R., Die Koalitionsfreiheit, 1971

Kodex -> Codex

Kodifikation ist die grundsätzlich erschöpfend gedachte Zusammenfassung des gesamten Stoffes eines oder mehrerer Rechtsgebiete in einem einheitlichen Gesetz (oder Gesetzbuch, lat. [M.] -> codex). Deshalb stellt die Zusammenfassung des gesamten (römischen) Rechts in Codex, Digesten, Institutionen und Novellen durch Justinian (527-565) eine K. dar. In der Neuzeit sind die Landesherren ebenfalls an zusammenfassender Regelung interessiert. Beeinflusst von Montesquieus De l’esprit des lois (Vom Geist der Gesetze, 1748) schaffen Preußen (Allgemeines Landrecht, 1794), Frankreich (Code civil, 1804, sowie 4 weitere Codes) und Österreich (Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch, 1811/2) bekannte Kodifikationen, die inhaltlich (außer vom römischen und vom einheimischen Recht) stark vom -> Naturrecht (Vernunftrecht) geprägt sind. Ihnen schließen sich später zahlreiche andere Staaten an (z. B. Deutsches Reich 1871, 1877/9, 1900, Schweiz 1907/12, Portugal 1833/1867, Niederlande 1838, Italien 1865, Spanien 1829/1889 usw.). Geprägt wird der Begriff der K. von Bentham (1815). Kennzeichnend sind materielle Vollständigkeit, sprachliche Verständlichkeit und unabänderliche Festigkeit.

Lit.: Söllner §§ 1, 19, 20, 25; Köbler, DRG 139; Cauvière, H., L’idée de codification en France, 1910; Thieme, H., Die preußische Kodifikation, ZRG GA 57 (1937), 335; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Aquarone, A., L’unificazione legislativa e i codici del 1865, 1960; Gagnér, S., Studien zur Ideengeschichte der Gesetzgebung, 1960; Vanderlinden, J., Code et codification dans la pensée de J. Bentham, TRG 32 (1964), 45; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967; Wilhelm, W., Gesetzgebung und Kodifikation in Frankreich, Ius commune 1 (1967); Vanderlinden, J., Le concept de code, 1967; Caroni, P., Savigny und die Kodifikation, ZRG GA 86 (1969), 97; Teubner, W., Kodifikation und Rechtsreform in England, 1974; Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 1ff. 1974; Bühler, T., Gewohnheitsrecht, Enquête, Kodifikation, 1977; Sozialdemokratie und Zivilrechtskodifikation, hg. v. Vormbaum, T., 1977; Coing, H., Zur Vorgeschichte der Kodifikation, in: Formazione storica, Bd. 2 1977, 797; Hübner, H., Kodifikation und Entscheidungsfreiheit des Richters, 1980; Kodifikation als Mittel der Politik, 1986; Bühler, T., Der Stand der Kodifikationsentwicklung Ende des 16./Anfang des 17. Jahrhunderts, 1986; Lokin/Zwalve, Hoofdstukken uit de Europese Codificatiegeschiedenis, 1990; Rechtskodifikation und soziale Normen im interkulturellen Vergleich, hg. v. Gehrke, H., 1994; Kodifikation gestern und heute, hg. v. Merten, D. u. a., 1995; Gesetz und Gesetzgebung im Europa der frühen Neuzeit, hg. v. Dölemeyer, B. u. a., 1998; Kodifikation und Dekodifikation, hg. v. Maly, K. u. a., 1998; Brauneder, W., Vergessene Jubiläen, JuS 2000, 15; La Codification des lois dans l’antiquité, hg. v. Levy, E., 2000; Der Kodifikationsgedanke und das Modell des Bürgerlichen Gesetzbuches, hg. v. Behrends, O. u. a., 2000; Nörr, K., Kodifikation und Wirtschaftsordnung, ZNR 2001, 51

Kodifikationsstreit ist der hauptsächlich von -> Thibaut (1772-1840) und -> Savigny (1779-1861) 1814 geführte rechtspolitische Streit um die Schaffung eines einheitlichen deutschen Nationalgesetzbuches. Thibaut begründet seine Schrift „Über die Notwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches für Deutschland“ mit Vaterlandsliebe und praktischem Interesse der zivilrechtlichen Verhältnisse. Savigny stellt dem die Behauptung entgegen, dass Recht organisch aus dem Volksbewusstsein entstehe und (deshalb im Jahre 1814) ein von oben kommendes Gesetz unorganisch und damit überflüssig oder schädlich sei. Im Ergebnis setzt sich die von den politischen Gegebenheiten (viele souveräne deutsche Einzelstaaten) nahegelegte und von Savignys Gelehrtenruhm gestützte Ablehnung durch, so dass es (bis 1900) bei der Rechtszersplitterung in den deutschen Staaten bzw. seit 1871 dem Deutschen Reich (im bürgerlichen Recht) bleibt.

Lit.: Köbler, DRG 180; Wesenberg, G., Die Paulskirche und die Kodifikationsfrage, ZRG RA 72 (1955), 359; Wieacker, F., Wandlungen im Bild der historischen Rechtsschule, 1967; Hattenhauer, H., Thibaut und Savigny, 1973; Jakobs, H., Wissenschaft und Gesetzgebung im bürgerlichen Recht, 1983

Kodizill -> codicillus

Kofod Ancher, Peder (1710-1788), 1741 Rechtsprofessor, verfasst in der Form verschiedener Einzelabhandlungen die erste, bis zur Neuzeit reichende Rechtsgeschichte Dänemarks (En Dansk Lovhistorie, Bd. 1f. 1769ff.).

Lit.: Dahl, F., Geschichte der dänischen Rechtswissenschaft, 1940, 8; Tamm, D., Retsvidenskaben i Danmark, 1992, 98

Kognat (lat. [M.] cognatus) ist der durch Abstammung Verwandte. Im römischen Recht ist zunächst der -> Agnat wichtiger als der K.

Lit.: Kaser §§ 9 12 I 2e, 58 IV 5a, 61 I 1, 65 II 2, 66 III

Kognitionsverfahren (lat. [F.] cognitio) ist im klassischen römischen Recht ein einheitliches, vor einem beamteten Richter durchgeführtes Verfahren. Dieses recht formlose Verfahren erscheint zunächst als durch wohlfahrtsstaatliche Erwägung gegründete (lat.) cognitio (F.) extraordinaria (außerordentliche Erkenntnis) durch den Prinzeps in seiner Stellung als Tribun, dann durch einzelne ausgewiesene Magistrate und schließlich durch die Verwaltung des Prinzeps. Die Parteien sind der Entscheidung ohne weiteres unterworfen. Die -> Ladung wird ein amtlicher Akt, dessen Missachtung den Streitverlust nach sich zieht. Das Begehren richtet sich allein nach dem sachlichen Recht. Das auf freier Beweiswürdigung beruhende -> Urteil wird schriftlich verfasst. Die -> Kosten trägt in der Regel der Unterlegene. Gegen die Entscheidung wird die -> Appellation an eine höhere Instanz möglich. Im 2. und 3. Jh. verdrängt das K. das ältere -> Formularverfahren.

Lit.: Kaser §§ 80, 87 I; Söllner §§ 14, 15, 17, 18; Köbler, DRG 33, 55; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966

Kohler, Josef (Offenburg 9. 3. 1849 - Berlin 3. 8. 1919), Volksschullehrerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Freiburg i. Breisgau und Heidelberg (Vangerow) Richter, 1878 Professor in Würzburg und 1888 in Berlin. Vielseitig interessiert befasst er sich mit zahlreichen, Vermögensrecht und Persönlichkeitsrecht verbindenden immaterialgüterrechtlichen Fragen (Das deutsche Patentrecht, 1878) und rechtsgeschichtlichen Ausgaben.

Lit.: Die Carolina und ihre Vorgängerinnen, hg. v. Kohler, J. u. a., Bd. 1ff. 1900ff., Neudruck 1968; Osterrieth, A., Josef Kohler, ein Lebensbild, 1920; Kohler, A., Bibliographie für Josef Kohler, 1931; Josef Kohler und der Schutz des geistigen Eigentums, hg. v. Adrian, J., 1996; Spendel, G., Josef Kohler, ZRG GA 113 (1996), 434

Kohlhase -> Fehde

Kolderup-Rosenvinge, Janus Lauritz Andreas (1792-1850), dänischer Rechtshistoriker, verfasst neben verschiedenen anderen Lehrbüchern die erste systematische Rechtsgeschichte Dänemarks (Grundrids af den danske Lovhistorie, 1822f.) und gibt verschiedene Quellensammlungen heraus.

Lit.: Dahl, F., Geschichte der dänischen Rechtswissenschaft, 1940, 57; Tamm, D., Retsvidenskaben i. Danmark, 1992, 148

Koldín, Pavel Kristián (1530-89) wird nach dem Studium der (lat. [F.Pl.]) artes in Prag 1557 Professor. Er verfasst 1569 einen 1579 vom Landtag und 1610 von allen Städten in Böhmen angenommenen Entwurf für ein einheitliches Stadtrecht, das teilweise bis 1811 in Böhmen und Mähren gilt.

Lit.: Mestské právo v 16.-18. stoleti v Europe, hg. v. Maly, K., 1982, 341

Kollatai, Hugo (1750-1812) wird nach dem Studium der Theologie und des Kirchenrechts in Krakau, Wien und Rom Priester, Professor und Richter. Auf ihn geht wesentlich die Verfassung -> Polens vom 3. 5. 1791 zurück. 1793 muss er in die Emigration gehen, 1794 bis 1802 ist er von Österreich gefangengesetzt.

Lit.: Opalek, K., Poglady Hugo Kollataj, 1952; Chamcowna, M., Uniwersytet Jagiellonski, 1957

Kolleg (N.) Genossenschaft, Disputationsgesellschaft von Studenten (Köln 1530), Vorlesung

Lit.: Ahsmann, M., Collegium und Kolleg, 2000

Kollegialbehörde ist eine aus mehreren gleichberechtigten Mitgliedern bestehende, meist durch Stimmenmehrheit beschließende Behörde. Nach älteren Ansätzen wird sie zu Beginn der Neuzeit planmäßig gebildet (Baden 1495, Reich 1498, Schlesien 1498, Sachsen 1499, Hessen 1500).

Kollegialgericht ist ein aus mehreren Mitgliedern bestehendes, durch Abstimmung entscheidendes Gericht. Ohne besondere Form kollegial verfahren bereits (die germanische Volksversammlung und) die mittelalterlichen Rachinburgen oder Schöffen. Demgegenüber tritt der Einzelrichter mit dem Aufkommen des gelehrten Rechtes zuerst im kirchlichen Gericht, danach in den unteren landesherrlichen Gerichten hervor. Im 19. Jh. führt der Liberalismus wieder zum K. (-> Schwurgericht). Aus Kostengesichtspunkten wird seit 1924 dagegen die Zuständigkeit des Einzelrichters erneut erweitert.

Lit.: Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954

Kollegiatkirche (Kollegiatstift) ist eine mit Pfründen für Kanoniker (Kollegiatkapitel) ausgestattete, nichtbischöfliche Kirche. Sie erscheint bereits im ausgehenden Altertum. Im 12. Jh. ist die K. voll ausgebildet. In der Neuzeit verringert sich ihre Bedeutung.

Lit.: Heckel, J., Die evangelischen Dom- und Kollegiatstifter Preußens, 1924, Neudruck 1964; Gampl, I., Adelige Damenstifte, 1960; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Studien zum weltlichen Kollegiatstift in Deutschland, hg. v. Crusius, I., 1995

kollektiv (gemeinschaftlich)

Kollisionsrecht ist das für das Verhältnis mehrerer nationaler Rechtsordnungen zueinander geltende nationale Recht (z. B. -> internationales Privatrecht). Es entsteht seit dem 12. Jh. Es gewinnt mit der zunehmenden Internationalisierung wachsende Bedeutung.

Lit.: Gamillscheg, F., Der Einfluss Dumoulins auf die Entwicklung des Kollisionsrechts, 1955; Merzyn, G., Der Beitrag Benedikt Carpzovs zur Entwicklung des Kollisionsrechts, 1963; Behn, M., Die Entstehungsgeschichte der einseitigen Kollisionsnormen des EGBGB, 1980

Köln am Rhein geht auf eine römische Stadt (50 v. Chr. [lat.] oppidum [N.] Ubiorum, 50 n. Chr. Colonia Agrippinensium) zurück, in der seit dem Anfang des 4. Jh.s ein Bischof wirkt, der 794/5 zum Erzbischof erhoben wird (seit dem 13. Jh. Kurfürst). Seit 1288 ist K. weitgehend unabhängig und reichsunmittelbar. 1388 erhält K. die bis 1798 bestehende erste deutsche städtische Universität. 1437 werden die Statuten in einer Zwischenstufe zwischen mittelalterlichen Stadtrechten und frühneuzeitlichen Reformationen aufgezeichnet, wobei eindeutig römischen Ursprungs nur das Inventarrecht in Art. 14 und die dem senatusconsultum Macedonianum entsprechende Regelung in Art. 75 sind. 1919 wird die Universität erneuert. Zur Sicherung des Grundstücksverkehrs werden in K. bereits seit etwa 1130 in einem Schrein (Reliquienschrein) verwahrte Karten (-> Schreinskarten) erstellt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kohler, J./Liesegang, E., Das römische Recht am Niederrhein, Bd. 1f. 1896ff.; Keussen, H., Die alte Universität Köln, 1934; Conrad, H., Liegenschaftsübereignung und Grundbucheintragung in Köln, 1935; Die Kölner Schreinsurkunden des 13. und 14. Jahrhunderts, hg. v. Planitz, H. u. a., 1937; Eisenhardt, U., Aufgabenbereich und Bedeutung des kurkölnischen Hofrates, 1963; Iustitia Coloniensis, 1981; Strauch, D., Iuris­prudentia Coloniensis, JuS 1985, 421; Langen, T., Zur Geschichte der Zivilrechtspflege in Köln 1780 bis 1877, Diss. jur. Köln 1987; Chmurzinski, B., Die Kurkölnische Rechtsreformation von 1538, Diss. jur. Köln 1988; Festschrift der Rechtswissenschaftlichen Fakultät zur 600-Jahr-Feier der Universität Köln, 1989; Aus der Geschichte der Universität zu Köln, hg. v. Binding, G., 1990; Groten, M,. Köln im 13. Jahrhundert, 1998; Mettele, G., Bürgertum in Köln, 1998; Heppekausen, U., Die Kölner Statuten von 1437, 1999; Quellen zur Geschichte der Stadt Köln, hg. v. Rosen, W. u. a., Bd. 1ff. 1999ff.; Strauch, D./Arntz, J./Schmidt-Troje, J., Der Appellhof zu Köln, 2002

Kolonat -> colonus

Kolonie ist die Niederlassung von Angehörigen eines Volkes oder Staates in fremder Umgebung. Sie ist dem Altertum (Griechen, Römer) ebenso bekannt wie dem Mittelalter (Ostsiedlung). In der Neuzeit entstehen ausgedehnte Kolonien europäischer Staaten (England, Frankreich, Portugal, Spanien, Niederlande, Belgien, seit 1884 auch Deutsches Reich [Schutzgebiet] u. a. April 1884 Deutsch-Südwestafrika [Adolf Lüderitz, 1913 fast 15000 Weiße im Land], Togo, 1899 Westsamoa) in den neu entdeckten Erdteilen. Sie gehen im 20. Jh. weitgehend wieder verloren. Ihre rechtliche Einordnung in der Zwischenzeit ist nicht einheitlich (neues Volk, Teil des Mutterlands).

Lit.: Köbler, DRG 172; Deutsches Koloniallexikon, hg. v. Schnee, H., 1920; Ansprenger, F., Auflösung der Kolonialreiche, 4. A. 1981; Imperialismus und Kolonialmission, hg. v. Bade, K., 1983; Gründer, H., Geschichte der deutschen Kolonien, 2. A. 1991; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994; Osterhammel, J., Kolonialismus, 1995; Coloniser au Moyen Age, 1995; Wolter, U./Kaller, P., Deutsches Kolonialrecht, ZNR 1995; Albertini, R. v., Europäische Kolonialherrschaft, 4. unv. A. 1997; Schubert, W., Das imaginäre Kolonialreich, ZRG 115 (1998), 86; Wesseling, H., Teile und herrsche, 1999; Oloukpona-Yinnon, A., Unter deutschen Palmen, 1999; Schwarz, M., Je weniger Afrika, desto besser, 1999; Huber, H., Koloniale Selbstverwaltung in Deutsch-Südwestafrika, 2000; Richter, K., Deutsches Kolonialrecht in Ostafrika, 2001; Grosse, P., Kolonialismus, 2000; Kolonialisierung des Rechts, hg. v. Voigt, R., 2001; Zimmerer, J., Deutsche Herrschaft über Afrikaner, 2001; Die deutsche Südsee 1884-1914, hg. v. Hiery, H., 2. A. 2002; Fischer, H., Die deutschen Kolonien, 2001; Kaulich, U., Die Geschichte der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika (1884-1914), 2001; Zimmerer, J., Deutsche Herrschaft über Afrikaner, 2001; Fichtner, A., Die völker- und staatsrechtliche Stellung der deutschen Kolonialgesellschaften des 19. Jahrhunderts, 2002; Wagner, N., Die deutschen Schutzgebiete, 2002; Kundrus, B., Moderne Imperialisten, 2003; Hasian, M., Colonial Legacies in Postcolonial Contexts, 2002

Kommanditgesellschaft ist eine Gesellschaft, deren Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma gerichtet ist und bei der bei mindestens einem Gesellschafter die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern auf den Betrag einer bestimmten Vermögenseinlage beschränkt (Kommanditist) sowie bei mindestens einem anderen Gesellschafter unbeschränkt (Komplementär) ist. Sie entwickelt sich in der frühen Neuzeit (16. Jh.) aus der im Hoch- und Spätmittelalter entstandenen -> Handelsgesellschaft. Im 19. Jh. wird die im preußischen Entwurf des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches noch als -> stille Gesellschaft bezeichnete K. gesetzlich geregelt (Code de commerce [1807], Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch [1861]).

Lit.: Köbler, DRG 167, 217; Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913; Lutz, E., Die rechtliche Struktur süddeutscher Handelsgesellschaften, 1976; Engler, C., Die Kommandigesellschaft (KG) und die stille Gesellschaft im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch, 1999

Kommendation ist die übergebende Anvertrauung insbesondere innerhalb des Lehnsrechtes.

Lit.: Ehrenberg, V., Commendation und Huldigung nach fränkischem Recht, 1877; Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972; Kienast, W., Die fränkische Vasallität, 1990

Kommentar ist die Erklärung oder die Erläuterungsschrift (zu einem Gesetz). Der K. findet sich bereits im Altertum. In der rechtswissenschaftlichen Literatur tritt der K. seit dem 14. Jh. hervor. Er ist auch in der Gegenwart noch sehr bedeutsam. -> Kommentator

Lit.: Les Commentaires, hg. v. Mathieu-Castellani, G. u. a., 1990; Mohnhaupt, H., Die Kommentare zum BGB, in: Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 495

Kommentator ist der Verfasser eines Kommentars. Als K. werden die führenden rechtswissenschaftlichen Schriftsteller des Spätmittelalters (z. B. -> Bartolus, -> Baldus, Dinus de Rossonis, -> Cinus de Pistoia, Albericus de Rosate, Alexander de Tartagnus, -> Jason de Mayno, -> Jacobus de Ravanis, -> Petrus de Bellapertica) bezeichnet.

Lit.: Söllner §§ 3, 25; Köbler, DRG 107; Söllner, A., Die causa im Kondiktionen- und Vertragsrecht des Mittelalters, ZRG RA 77 (1960), 182; Dilcher, H., Die Theorie der Leistungsstörungen bei Glossatoren, Kommentatoren und Kanonisten, 1960; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967; Horn, N., Die juristische Literatur der Kommentatorenzeit, Ius commune 2 (1969), 84

Kommentierverbot ist das Verbot, ein Gesetz mit Erklärungen zu versehen. Es findet sich bereits bei Kaiser Justinian (527-565) in bezug auf die Digesten. Hieran erinnern Erklärungen Friedrichs I. Barbarossa von 1182, Innozenz’ III. von 1200 oder Friedrichs II. in den Konstitutionen von Melfi (1231). Tatsächliche Kommentierverbote beginnen aber erst wieder in der Neuzeit (Spanien 1567, Frankreich 1667, Sachsen 1729, Preußen 1794). Das 19. Jh. kehrt sich hiervon ab.

Lit.: Maridakis, G., Justinians Verbot der Gesetzeskommentierung, ZRG RA 73 (1956), 396; Vanderlinden, J., Le concept de code en Europe, 1967

Kommissar ist der Beauftragte, der im Bedarfsfall zur Verwirklichung von Aufsichtsbefugnissen eingesetzt werden kann. In der frühen Neuzeit unterscheidet Jean -> Bodin (1529/30-1596) 1576 zwischen dem regelmäßigen Amtsträger und dem außerordentlichen K. Sachlich finden sich Kommissare bereits im römischen Prinzipat und in der mittelalterlichen kirchlichen Gerichtsbarkeit. In der Gegenwart ist der K. ein staatlicher Beamter, der die Aufsicht des Staates über bestimmte Einrichtungen ausübt oder die zeitweise Verwaltung einer Selbstverwaltungskörperschaft durchführt.

Lit.: Hintze, O., Der Commissarius, FS K. Zeumer 1910, 493; Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.

Kommission ist einerseits der Ausschuß, andererseits ein schuldrechtliches Handelsgeschäft, bei dem es eine Person (Kommissionär) übernimmt, gegen Entgelt Waren oder Wertpapiere für Rechnung einer anderen Person (Kommittenten) in eigenem Namen zu kaufen oder zu verkaufen. Nach älteren Ansätzen gewinnt die K. seit dem 11. Jh. in Südeuropa und seit dem 13. Jh. in Mitteleuropa tatsächliche Bedeutung. Seit dem Ende des 16. Jh.s ist die K. von der -> Gesellschaft sicher abgegrenzt. Gesetzliche Regelungen finden sich seit den Statuten von Genua 1588/9, dem Codex Maximilianus Bavaricus civilis von 1756 und dem Code de commerce 1807.

Lit.: Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913; Schmidt-Rimpler, W., Geschichte des Kommissionsgeschäfts in Deutschland, Bd. 1 1915; Scherner, K., Salmannschaft, Servusgeschäft und venditio iusta, 1971

kommunal (gemeindlich)

Kommunalverfassung ist die Gesamtheit der die Grundordnung der Gemeinden und Gemeindeverbände betreffenden Rechtssätze. Nach älteren Ansätzen in Altertum und Mittelalter (Stadt, Dorf) entwickelt sich eine einheitliche Vorstellung der Gemeinde erst in der Neuzeit (Württemberg 1758 Kommunordnung). Im 19. Jh. entstehen mehrere Typen der K. nebeneinander. Nach der Magistratsverfassung stehen eine Versammlung von gewählten Gemeindevertretern und ein kollegiales oberstes Verwaltungsorgan (Magistrat) nebeneinander. Nach der Bürgermeisterverfassung ist der Bürgermeister allein entscheidender Leiter der Verwaltung und gleichzeitig Vorsitzender der Versammlung der gewählten Gemeindevertreter.

Lit.: Heffter, H., Die deutsche Selbstverwaltung im 19. Jahrhundert, 1950; Matzerath, H., Nationalsozialismus und kommunale Selbstverwaltung, 1970; Quellen zum modernen Gemeindeverfassungsrecht in Deutschland, 1974; Speck, U., Staatsordnung und Kommunalverfassung, 1995

Kommune (F.) Gemeinde, im Mittelalter Stadtgemeinde in Italien (z. B. 1085 Pisa, Lucca usw., seit etwa 1300 teilweise unter Adelsherrschaft) und Frankreich, Gemeinschaft (z. B. Pariser Kommune 14. 7. 1789-95, 18. März 1871 – 28. Mai 1871)

Lit.: Vermeersch, A., Essai sur les origines, 1966; Haupt, H./Hauser, K., Die Pariser Kommune, 1979; L’evoluzione delle cittá italiane, hg. v. Bordone, R. u. a., 1988; Theorien kommunaler Ordnung in Europa, 1996; Jones, P., The Italian city-state, 1997; Tombs, R., The Paris Commune 1871; Coleman, E., The Italian communes, Journal of Medieval History 25 (1999), 373; Dilcher, G., Die Kommune als europäische Verfassungsform, HZ 272 (2001), 667

Kommunikation (F.) Gedankenmitteilung

Lit.: Medien der Kommunikation im Mittelalter, hg. v. Spieß, K., 2003

Kommunismus ist eine Gesellschaftsordnung, in der alle Gegenstände allen Menschen entsprechend ihren Bedürfnissen gemeinsam zustehen und alle Menschen gleichgestellt sind. Der K. entsteht nach älteren Ansätzen im Altertum (Urkommunismus) und im Mittelalter kurz vor der Mitte des 19. Jh.s als Gesellschaftstheorie. Versuche zu seiner praktischen Umsetzung finden mit geringem Erfolg im 20. Jh. statt (Sowjetunion seit 1917, von der Sowjetunion beeinflusste mitteleuropäische Staaten von 1945-90). Das Recht ist im K. theoretisch überflüssig.

Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 455; Böckenförde, E., Die Rechtsauffassung im kommunistischen Staat, 2. A. 1967; Die frühsozialistischen Bünde, hg. v. Busch, O. u. a., 1975; Leonhard, W., Was ist Kommunismus?, 1978; Wesson, R., Communism and communist systems, 1978; Brünneck, V., Politische Justiz, 1978; Dowe, D., Bibliographie zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, 3. A. 1981; Rudzid, W., Die Erosion der Abgrenzung, 1988; Mallmann, K., Kommunisten in der Weimarer Republik, 1996; Furet, F., Das Ende der Illusion, 1996; ; Thompson, W., The Communist Movement, 1998; Koenen, G., Utopie der Säuberung, 1998; Maier, C., Das Verschwinden der DDR und der Untergang des Kommunismus, 1999

Kommunistisches Manifest ist die von Karl -> Marx und Friedrich -> Engels im Auftrag des zweiten Kongresses der Union der Kommunisten erarbeitete und im Februar 1848 in London anonym veröffentlichte Programmschrift. Das Kommunistische Manifest versucht die Ansicht zu belegen, dass die Geschichte aller bisherigen menschlichen Gesellschaft die Geschichte von Klassenkämpfen sei. Es nennt als Ziel die Aufhebung des Eigentums des einzelnen durch Zentralisierung der Produktionsmittel in den Händen der als herrschende Klasse organisierten Proletarier. Es erklärt den wissenschaftlichen Kommunismus zur einzigen richtigen Theorie. Es endet mit der Aufforderung: Proletarier aller Länder vereinigt euch. Eine kommunistische Partei entsteht in Rußland 1898 (Sozialdemokratische Arbeiterpartei Rußlands), in Deutschland 1918.

Lit.: Köbler, DRG 177; Winkler, A., Die Entstehung des „Kommunistischen Manifestes“, 1936; Chambre, H., Le Manifest communiste, 1948; Karl Marx, 1968; Marx-Engels-Werke, Bd. 4 1972, 459ff.; Marx, K./Engels, F., Das Kommunistische Manifest, hg. v. Kuczynski, T., 1995; Das Manifest heute, hg. v. Hobsbaum, E. u. a., 2. A. 2000

Kompetenzkompetenz ist die Zuständigkeit zur Bestimmung (bzw. Änderung) der Zuständigkeit. Sie wird 1848 bereits dem zu gründenden Deutschen Reich zugewiesen. 1873 wirkt sie sich zugunsten der Schaffung eines Bürgerlichen Gesetzbuches (1900) aus.

Lit.: Köbler, DRG 195

Kompetenzkonflikt ist der Streit über die Zuständigkeit einer staatlichen Stelle. Grundsätzlich ist er überall dort möglich, wo mehrere staatliche Stellen (ohne eindeutige Zuständigkeitsabgrenzung) nebeneinander stehen. Geschichtlich bedeutsam sind die Kompetenzkonflikte zwischen Herrscher und Ständen, zwischen Reichskammergericht und Reichshofrat seit dem 16. Jh., zwischen Gerichtsbarkeit und Verwaltung seit dem 18. Jh. oder zwischen ordentlicher Gerichtsbarkeit und Verwaltungsgerichtsbarkeit seit dem späten 19. Jh.

Lit.: Brater, K., Studien zur Lehre von den Grenzen der civilrichterlichen und der administrativen Zuständigkeit, 1855; Hagens, J., Über Competenz-Conflikte, Arch. f. rechtswiss. Abh. 2 (1861), 315; Poppitz, J., Der Kompetenzkonflikt, 1941; Lemmer, G., Die Geschichte des preußischen Gerichtshofes zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte, 1997; Fu, A., Kompetenzkonflikte im preußischen Recht, 1999

Kompilation (F.) Sammlung, Aufhäufung

Kompositionensystem ist eine Bezeichnung für ein Rechtssystem, in dem die Komposition ( Buße) eine wesentliche Stellung einnimmt. Im altrömischen Recht soll, wer einem anderen ein Bein bricht, 300 Pfund Kupfer, bei einem Sklaven 150 Pfund Kupfer entrichten. Wer einem anderen ein sonstiges Unrecht antut, soll 25 Pfund Kupfer leisten. Das ausgehende Altertum kennt die Verdoppelung oder Vervierfachung des deliktisch entzogenen Sachwertes. Das Frühmittelalter zeichnet umfangreiche Kataloge von festen Rechnungsbeträgen (-> Wergeld, -> Buße) für unterschiedliche Verhaltensweisen (Tötung, Körperverletzung, Diebstahl) und verschiedene Stände (Adel, Freie, Freigelassene, Unfreie) auf, welche nach den Angaben des Tacitus germanische Grundlagen zu haben scheinen. Das K. wird seit dem Hochmittelalter von der peinlichen -> Strafe verdrängt.

Lit.: Köbler, DRG 91, 119; Brunner, H., Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 1 2. A. 1906, Neudruck 1958, 221, 332; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 342, Neudruck 1964; Levy, E., Weströmisches Vulgarrecht, 1956, 307

Kondiktion ist der Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung. Die K. geht auf die (lat. [F.]) -> condictio des römischen Rechts zurück, mit der im klassischen römischen Recht eine nichtgeschuldete Leistung (lat. indebitum solutum [N.]) wohl wegen der Ähnlichkeit mit dem Darlehen zurückverlangt werden kann. Über die Nichtschuld hinaus gilt dies auch für Fälle nicht eingetretener Erwartungen oder sittenwidrigen Leistungszwecks. Herauszugeben ist grundsätzlich der erlangte bestimmte Gegenstand, vielleicht später auch ein unbestimmter Gegenstand (lat.