A

 

A. A. (lat. [M.]) ist die Abkürzung für den abstrakt Aulus Agerius genannten Kläger des römischen -> Formularprozesses.

Lit.: Söllner § 9

Aachen ist ein ohne nachweisbare Kontinuität zu einer römischen Siedlung 765 als -> Pfalz erscheinender Ort. Von 936 bis 1531 ist es Krönungsstätte der deutschen Könige. 1166 erhält es besondere Rechte. Die 1192 neben der Gesamtheit der Bürger nachweisbaren -> Schöffen entwickeln sich zu einem bedeutenden -> Oberhof für teilweise bis zu 200 Gerichte. Bis 1254 wird A. freie -> Reichsstadt.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Schwaber, W., Der Aachener Oberhof, 1924; Kraus, T., Jülich, Aachen und das Reich, 1988

Aargau ist das um die Aare gelegene Land, das als A. 763 erstmals erscheint. 1415 erobert die Eidgenossenschaft der -> Schweiz Teile des Gebiets. 1798/1803 wird daraus der Kanton A., der 1831 eine liberale Verfassung erhält.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,440; Geissmann, H., Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch für den Kanton Aargau (1847-1855), 1991

Abandon ist die wohl im spätmittelalterlichen italienisch-französischen Seerecht entstehende Möglichkeit der Aufgabe der Rechte an einem Gegenstand, um Haftungsfreiheit bzw. später Versicherungsleistung zu erlangen. Der A. erscheint erstmals in einem Statut der Stadt Kampen vom 14. 2. 1372. Im 19. Jh. findet der A. Eingang in das Recht der juristischen Personen des Gesellschaftsrechts.

Lit.: Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913

Abecedarium ist das auf Grund antiker Gedankengänge im Spätmittelalter entstehende alphabetisch geordnete Sammelwerk eines Rechtsgebietes (römisches Recht, kirchliches Recht, um 1400 Greifswalder A. für -> Sachsenspiegel und Sachsenspiegelglosse mit 7 Handschriften).

Lit.: Das Preetzer Abecedarium mit dem Richtsteig Landrechts, Z. d. Ges. f. Schleswig-Holstein-Lauenburgische Gesch. 22 (1892), 297; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 77

Abendmahlsprobe ist eine Form des -> Gottesurteils.

Aberacht ist die seit dem Hochmittelalter belegte, nach fruchtlosem Verstreichenlassen einer Frist von -> Jahr und Tag eintretende Verstärkung der -> Acht.

Lit.: Siuts, H., Bann und Acht, 1959

Aberdeen am Don in Schottland wird um 1130 Sitz eines Bischofs und 1494/5 Sitz einer Universität.

Lit.: Keith, A., A thousand Years of Aberdeen, 1972; The Aberdeen Stylebook 1722, hg. v. Meston, M./Forte, A., 2000

Abgabe ist die Leistung von Gegenständen an die Allgemeinheit, an eine besondere Einrichtung oder an besondere einzelne. Die rechtliche Grundlage der A. ist verschieden. Meist beruht die A. auf einer Pflicht zur Unterstützung als Gegenleistung für einen Schutz oder eine Gebrauchsmöglichkeit. In der Naturalwirtschaft besteht die A. in Sachen, in der Geldwirtschaft in Geld. 1919 fasst das Deutsche Reich das Recht der Abgaben in der Reichsabgabenordnung zusammen, welche 1976 im Sinne eines Mantelgesetzes für die Abgaben erneuert wird.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Müller, W., Die Abgaben von Todes wegen in der Abtei St. Gallen, 1961; Steuern, Abgaben und Dienste, hg. v. Schremmer, E., 1994; Giese, F., Abgabenordnung im Dritten Reich, 1998

Ablass ist die im 11. Jh. (u. a. Clermont 1095) in der christlichen -> Kirche aus der Bitte um Vergebung und Nachlass einer Folge (Buße) entstehende, auch vor Gott verbindliche Befreiung von zeitlichen Sündenfolgen. Die ältesten Ablässe begnügen sich mit einem Erlass von 20 oder 40 Tagen Buße. Die zahlenmäßige und artmäßige Erweiterung führt bereits im 13. Jh. zu scharf gerügten Missständen. Der Kauf von A. wird ein wichtiger Anlaß für die reformatorischen Ziele Martin -> Luthers.

Lit.: Paulus, N., Geschichte des Ablasses im Mittelalter, Bd. 1f. 1922f.; Boschmann, B., Der Ablaß, 1948

Ablösungsgesetzgebung ist die Gesetzgebung des 19. Jh.s zur Beseitigung grundherrschaftlicher Rechte mit oder ohne Entschädigung. Dazu erlässt der Staat -> Preußen am 9. 10. 1807 das Edikt betreffend den erleichterten Besitz des Grundeigentums sowie die persönlichen Verhältnisse der Landbewohner, welches die persönliche Abhängigkeit der -> Bauern von den -> Grundherren entschädigungslos aufhebt. Dem folgen am 14.9.1811 das Edikt, die Rechte der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse (Regulierungsedikt) betreffend und das Edikt zur Beförderung der Landeskultur (Landeskulturedikt), nach denen der Bauer auf Antrag eines Beteiligten Eigentum an dem von ihm bewirtschafteten Hof erhält, wofür er als erblicher Besitzer ein Drittel, als nichterblicher Besitzer die Hälfte des Grundes dem Grundherrn überlassen oder eine dauernde Rente zahlen muss. Dadurch werden viele Bauern überfordert, so dass sie ihr neues Eigentum aufgeben müssen. Um dies zu vermeiden, richten Sachsen und Kurhessen (1832) öffentliche -> Rentenbanken ein, welche dem Grundherrn den Ablösungsbetrag in Rentenbriefen entrichten und dadurch den Bauern die Tilgung der Ablöseschuld in 40 bis 60 Jahren ermöglichen. Abgelöst werden auch die Nutzungsrechte der Bauern in staatlichen oder grundherrschaftlichen Wäldern (Hessen 1814, Preußen 1821).

Lit.: Danckelmann, B., Die Ablösung der Waldgrundgerechtigkeiten, Bd. 1f. 1880ff.; Knapp, G., Die Bauernbefreiung, 1887

Abmeiern ist das Beendigen des grundherrschaftlichen -> Meierrechts durch den Grundherrn in Niedersachsen und Ostwestfalen seit dem 14. Jh. Seit 1597 (Salzduhmscher Landtagsabschied) wird das A. verrechtlicht, mit der -> Bauernbefreiung   beseitigt.

Lit.: Wittich, W., Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland, 1896

Abschichtung ist die vermögensrechtliche Verselbständigung eines Kindes bei Ausscheiden aus dem Hausverband. Sie betrifft im Mittelalter fast nur Söhne. Der Sohn kann A. verlangen, sobald er „zu seinen Jahren kommt“ (d. h. mündig wird). Regelmäßig wird der Sohn abgeschichtet, wenn er bei Eheschließung einen selbständigen Haushalt gründet. Mit der A. erlischt die väterliche Herrschafts- und Schutzgewalt. Die Teilungsquote ist unterschiedlich (z. B. Kopfteil vom Ganzen, Sohneskopfteil von der Hälfte).

Lit.: Hübner 702; Adler, S., Eheliches Güterrecht und Abschichtungsrecht, 1893

Absetzung ist die Entfernung eines Menschen aus einer Tätigkeit und eines Wertes aus einem Vermögen. Die A. eines Amtsträgers begegnet schon früh (z. B. Vertreibung des römischen Königs). Sie wird in der Neuzeit verrechtlicht.

Lit.: Krah, A., Absetzungsverfahren, 1987

Absicht ist der unmittelbar auf den Erfolg als Ziel gerichtete Wille des Täters. Dieser wird im Mittelalter oft durch (lat.) animo deliberato, cum deliberato consilio, contumaciter, dolose und (mhd.) geverlich oder mutwillig beschrieben. Folgen zieht in erster Linie das im Bewusstsein der Rechtswidrigkeit gewollte Unrecht nach sich.

Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 68ff., Neudruck 1964

absolutio (F.) ab instantia -> Instanzentbindung

Absolutismus ist eine Regierungsform, bei welcher der Inhaber der Herrschaftsgewalt (Monarch) dem Untertanen gegenüber unbedingte Macht hat. Der frühe A. entwickelt sich in Spanien, Frankreich und England bis zum Ende des 15. Jh.s. Unterstützt wird der A. durch theoretische Ansichten, welche die Enttheologisierung der Herrschaft und die Unteilbarkeit der Staatsgewalt fordern (-> Machiavelli, Nicolò [1469-1527], Il principe, 1513, -> Bodin, Jean [1529-1596], Les six livres de la République, 1576). Mittel zur Durchsetzung der absoluten Herrschaft werden die Aufstellung eines stehenden Heeres, der Aufbau einer allein vom Herrscher abhängigen Beamtenschaft und die Einführung eines Staatswirtschaftssystems. Voraussetzung des A. ist die Entmachtung des -> Adels hinsichtlich der Mitwirkung bei der -> Landesherrschaft. Der Höhepunkt des A. wird unter Ludwig XIV. (1643-1715) in -> Frankreich erreicht. Im Reich eifern dem viele Landesfürsten nach (August der Starke [1670-1733] von Sachsen bzw. Polen, Friedrich Wilhelm [1620-1688] von Brandenburg bzw. Preußen). In der Mitte des 18. Jh.s (Friedrich II. in Preußen, Joseph II. in Österreich) setzt im aufgeklärten A. der Fürst als erster Diener des Staates wohlfahrtsstaatliche Änderungen in Gang (Bildungspolitik, Bauernbefreiung, Gerichtsorganisation). In Frankreich beendet die Revolution des Jahres 1789 den als Anspruch bedeutsamen, als Wirklichkeit kaum tatsächlich durchgesetzten A.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Absolutismus, hg. v. Hubatsch, E., 1973; Aufklärung, hg. v. Hinrichs, E., 1985; Hubatsch, W., Das Zeitalter des Absolutismus 1600-1789, 4. A. 1975; Reinalter, H., Aufgeklärter Absolutismus und Revolution, 1979; Meyer, J., Frankreich im Zeitalter des Absolutismus, 1990; Henshall, N., The Myth of Absolutism, 1992; Vec, M., Zeremonialwissenschaft im Fürstenstaat, 1998; Duchhardt, H., Das Zeitalter des Absolutismus, 3. A. 1998; Hinrichs, E., Fürsten und Mächte, 2000; Hinrichs, E., Fürsten und Mächte, 2000

Abstimmung ist ein verbreitetes Verfahren zur Ermittlung des Willens einer Gesamtheit von zu einer Entscheidung zugelassenen Personen hinsichtlich einer bestimmten Frage. Als eine besondere Form der A. ist bereits im antiken Athen der Ostrazismus bekannt, bei dem das Volk mittels je eines Tonscherbens (griech. ostrakon) darüber abstimmen kann, ob ein Bürger, welcher die politische Ordnung gefährdet, für 10 Jahre ohne Verlust des Vermögens und seiner sonstigen Rechtsstellung verbannt werden soll. Im 20. Jh. ist die A. des Volkes über eine politische Frage ein Entscheidungsverfahren unmittelbarer Demokratie. Eine Sonderform der A. stellt die -> Wahl dar.

Abstraktion ist die Lösung eines allgemeine Merkmale enthaltenden Umstandes von einzelnen Erscheinungsformen. Im 19. Jh. setzt die -> Pandektistik die Trennung des -> Verfügungsgeschäftes (-> Übereignung, -> Abtretung) von dem ihm als Grund (lat. [F.] causa) zugehörigen -> Verpflichtungsgeschäft und die Trennung des Innenverhältnisses (Auftrag) vom Außenverhältnis (Vollmacht) mit Hilfe des Prinzips der A. durch.

Lit.: Landwehr, G., Abstrakte Rechtsgeschäfte, in: Rechtsdogmatik und Rechtspolitik, 1990, 173; Eisenhardt, U., Die Entwicklung des Abstraktionsprinzips, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Ferrari, F., Vom Abstraktionsprinzip und Konsensualprinzip zum Traditionsprinzip, ZEuP 1993, 52

Abt (Lehnwort lat. abbas, abbatem [Akk.] 4. Jh., „Abt, Vater“, Lehnwort gr. ábba, aram. abba, „Vater“, Lallwort) ist seit dem 4. Jh. der Leiter einer rechtlich selbständigen Niederlassung eines christlichen -> Ordens des weströmischen Gebiets. Er wird als geistlicher Vater (lat. pater [M.] spiritualis) verstanden. Die Ordensregel Benedikts von Nursia (480-547) legt Einzelheiten der Stellung genauer fest. Demnach erfordert die Weihe zum anfangs vom Bischof eingesetzten, nach den Novellen Justinians von sämtlichen Mönchen gewählten A. vorbildliche Lebensführung und Weisheit. Der A. hat gegenüber den Mönchen Rechte wie ein Vater gegenüber Kindern. Deshalb schulden die Mönche Gehorsam und Ehrerbietung. Im fränkischen Reich tritt neben das freie Wahlrecht der Mönche das Einsetzungsrecht eines Herrn. Seit karolingischer Zeit wird der A. auch mit weltlichen Aufgaben betraut. Im 11. und 12. Jh. dringt der Grundsatz der freien Wahl für kurze Zeit wieder vor. Synoden von Rom (826) und Poitiers (1078) sowie das Konzil von Vienne (1311/2) legen die Voraussetzung der Weihe zum Priester für den A. fest.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Hegglin, B., Der benediktinische Abt, 1961; Salmon, P., L’abbé dans la tradition monastique, 1963; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Wiech, M., Das Amt des Abtes im Konflikt, 1999

Abtei (lat. [F.] abbatia) ist seit dem 11. Jh. die von der Tätigkeit eines Abtes übernommene Bezeichnung für die von einem -> Abt geleitete, rechtlich selbständige Niederlassung eines christlichen Ordens. Die A. kann -> Reichsabtei, landsässige A. oder der römischen Kirche unterstellte freie A. sein.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Blume, K., Abbatia, 1919; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972

Äbtissin ist die Leiterin einer rechtlich selbständigen Niederlassung eines christlichen Frauenordens (des weströmischen Gebietes). -> Abt

Abtreibung ist der künstlich herbeigeführte vorzeitige Abgang der menschlichen Leibesfrucht. Die A. ist nach römischem Recht zulässig. Die -> Kirche wertet sie zunächst in jedem Fall als -> Mord, Gratian (um 1140) beurteilt aber die A. vor dem 40. Tag der Schwangerschaft auf Grund von Exodus 21,22-23 milder. Seit etwa 1970 wird die kirchliche Auffassung im weltlichen Recht zunehmend eingeschränkt und der medizinisch einfach gewordene Schwangerschaftsabbruch zugelassen.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Lewin, L., Die Fruchtabtreibung, 4. A. 1925; Huser, R., The Crime of Abortion, Diss. Washington 1942; Noonan, J., The Morality of Abortion, 1970; Geschichte der Abtreibung, hg. v. Jütte, R., 1993; Onstein, H., Die Entwicklung der Straftatbestände der Abtreibung, Diss. jur. Münster 1996; Müller, P., Die Abtreibung, 2000; Jerouschek, G., Lebensschutz und Lebensbeginn, 2002

Abtretung ist die Übertragung einer Forderung von einem bisherigen -> Gläubiger (Zedenten) auf einen anderen (Zessionar), der damit neuer Gläubiger wird. Sie ist im römischen Recht ausgeschlossen, weil die Verbindlichkeit als höchstpersönliches Band zwischen Gläubiger und Schuldner betrachtet wird. Erst spät lässt das römische Recht mit Hilfe der Einrichtung des Prozessmandates und der Novation wenigstens die Übertragung eines selbständigen Rechtes zu, eine fremde Forderung auszuüben. Im Gegensatz hierzu entwickelt sich in den mittelalterlichen Städten die Übertragung von Forderungen, die zunächst grundsätzlich der Mitwirkung des Schuldners durch Einwilligung gegenüber dem bisherigen Gläubiger oder durch Gelöbnis gegenüber dem neuen Gläubiger bedarf. Dieses Zustimmungserfordernis entfällt letztlich unter dem Einfluss des gemeinen Rechts, in welchem das deutschrechtliche Gedankengut die Übertragung der Forderung auch der Substanz nach eröffnet, so dass bereits der -> Codex Maximilianeus Bavaricus civilis von 1756 (II 3 § 8) die A. aufnimmt. In England gilt die Forderung als solche bis 1873 als nicht übertragbar.

Lit.: Kaser § 55; Köbler, DRG 127, 165, 214; Buch, G., Die Übertragbarkeit von Forderungen im deutschen mittelalterlichen Recht, 1912; Schumann, H., Die Forderungsabtretung im deutschen, französischen und englischen Recht, 1924; Luig, K., Zur Geschichte der Zessionslehre, 1966; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Hoop, G., Kodifikationsgeschichtliche Zusammenhänge des Abtretungsverbotes, 1992

Abtriebsrecht ist das Recht der Angehörigen einer Siedlungsgemeinschaft, den Zuzug eines Fremden zu verhindern. Es ist im Titel XLV (De migrantibus) des fränkischen Volksrechtes (507-11) bezeugt und besteht bis in das 19. Jh. Allerdings kann ein Herr einem Fremden ein Niederlassungsprivileg gewähren.

Lit.: Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.

Abzahlungsgesetz ist das deutsche Gesetz vom 16. 5. 1894, das außerhalb des Bürgerlichen Gesetzbuches (1900) diejenigen Käufer von beweglichen Sachen vor Benachteiligung schützen will, welche aus wirtschaftlichen Gründen nur gegen Zahlung des Preises in Raten kaufen können. Es wird 1994 durch das Verbraucherkreditgesetz abgelöst.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Benöhr, H., Konsumentenschutz vor 80 Jahren, ZHR 138 (1974), 492

Abzahlungskauf -> Abzahlungsgesetz

acceptatio (lat. [F.]) Annahme

acceptilatio (lat. [F.]) Empfangnahme -> stipulatio

Accursius (Bagnolo bei Florenz 1182 oder 1185 - Bologna 1260 oder 1263) wird in einer bäuerlichen Familie geboren und lehrt nach dem Studium des römischen Rechts in Bologna (Azo) seit etwa 1215. Bis kurz nach 1230 legt er Kommentare zu allen Teilen der Justinianischen Gesetze in Form von Glossenapparaten (lat. glossa [F.] ordinaria) mit insgesamt 96940 Einzelglossen vor, in denen er Problemlösungen unter umfangreicher Verwertung der vorangehenden Literatur bietet.

Lit.: Söllner § 25; Köbler, DRG 106; Genzmer, E., Zur Lebensgeschichte des Accursius, FS L. Wenger, Bd. 2 1945, 223; Atti del convegno internazionale di studi accursiani, ed. Rossi, G., Bd. 1ff. 1968; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997

Achilleisches Hausgesetz -> Dispositio Achillea

achramire (lat.-afrk.) ist eine frühmittelalterliche Bezeichnung für ein Versprechen, einen Gerichtstag wahrzunehmen, einen Eid zu leisten oder einen Bürgen oder Zeugen zu stellen (Lex Salica [507-11] 62 u. ö.). Das a. erfolgt unter Übergeben oder Zuwerfen eines (gekerbten) Stäbchens (lat. [F.] -> festuca).

Lit.: Köbler, LAW; Daberkow, Adhramire und die germanische framea, Z. f. d. P. 49 (1923), 229

Acht ist im mittelalterlichen deutschen Recht die als Unrechtsfolge mögliche allgemeine Verfolgung. Die A. folgt auf verschiedene Taten, welche eine niedrige Gesinnung widerspiegeln (z. B. Mord, Treubruch). Wird der Täter in der Tat ergriffen, so kann er folgenlos getötet werden. Im Übrigen bedarf es eines besonderen Verfahrens, in welchem die A. erklärt wird. Der Geächtete steht außerhalb des Rechts, ist Feind aller und kann von jedem folgenlos getötet werden. Das bewegliche Vermögen des Geächteten wird verteilt, die Liegenschaft verwüstet. Mindere Formen der A. sind zeitlich (z. B. auf ein Jahr) befristet. Bei fruchtlosem Ablauf einer damit verbundenen Gestellungsfrist (Ungehorsamsacht) verfällt der Betreffende in -> Aberacht. Die vom König oder seinem Gericht verhängte A. gilt als -> Reichsacht im gesamten Reich. Im Laufe des Mittelalters entwickelt sich die A. zu einer differenzierten Rechtsfigur, welche mit Erstarkung der staatlichen Gerichtsherrschaft verschwindet (vom Reichskammergericht zuletzt 1698, vom Reichshofrat zuletzt 1709 ausgesprochen).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Eichmann, E., Acht und Bann, 1909; Heusler, A., Das Strafrecht der Isländersagas, 1911; Poetsch, J., Die Reichsacht, 1911; Siuts, H., Bann und Acht, 1959; Landes, D., Das Achtverfahren, Diss. jur. Frankfurt am Main 1964; Jacoby, M., Wargus, 1974; Kampmann, C., Reichsrebellion und kaiserliche Acht, 1992

Achtbuch ist das über die von einem Gericht ausgesprochene -> Acht geführte Buch, wie es der Reichslandfriede des Jahres 1235 vorsieht (z. B. Lübeck 1243, Iglau 1249, Rostock 1258, Rothenburg o. d. Tauber 1274, Nürnberg 1285).

Lit.: Schultheiß, W., Nürnberger Rechtsquellen, Bd. 1f. 1960, 16

acta (lat. [N.Pl.]) -> Akten

acta municipalia (lat. [N.Pl.]) Gemeindeakten

actio (lat. [F.]) ist im römischen Recht die Möglichkeit, vor Gericht zu verlangen, was einem zusteht (Klaganspruch). Im -> Formularprozess trägt der Kläger in Gegenwart des Beklagten das Begehren vor dem Gerichtsmagistrat vor und beantragt die Erteilung einer bestimmten a. Ergibt sich, dass der vom Kläger vorgetragene Sachverhalt keine bereits anerkannte a. rechtfertigt, entfällt der Antrag. Allerdings kann der Gerichtsmagistrat, wenn er das Begehren des Klägers gleichwohl als rechtsschutzbedürftig erachtet, eine a. in factum in Aussicht stellen. Die zugelassenen actiones, von denen jede ihre eigene Formel hat, werden vor allem im 4. Buch der Institutionen Justinians im Titel (lat.) De actionibus (Von den Klagansprüchen) zusammengestellt. Im Hochmittelalter anerkennt beispielsweise Johannes Bassianus 169 verschiedene actiones.

Lit.: Kaser § 82; Söllner § 9; Köbler, LAW; Bethmann Hollweg, C. v., Der Civilprozess des gemeinen Rechts, Bd. 6 1874, 16; Peter, H., Actio und writ, 1957; Kriechbaum, M., Actio, ius und dominium in den Rechtslehren des 13. und 14. Jahrhunderts, 1996; Gröschler, P., Actiones in factum, 2002

actio (F.) ad exhibendum (lat.) Klaganspruch auf Herausgabe

Lit.: Kaser §§ 26 III 3, 27 I 5, 34 II 3

actio (F.) adiecticiae qualitatis (lat.) Klaganspruch aus Haftung für Gewaltunterworfene

Lit.: Kaser §§ 11, 15, 49, 60, 83; Wacke, A., Die adjektizischen Klagen, ZRG RA 111 (1994), 280

actio (F.) aestimatoria (lat.) Klaganspruch zur Schätzung (aus Trödelvertrag)

Lit.: Köbler, DRG 48

actio (F.) arbitraria (lat.) Klaganspruch zur Schätzung bzw. zum Ermessen

Lit.: Kaser §§ 8 IV, 83 II, 87 II

actio (F.) auctoritatis (lat.) Klaganspruch wegen Eviktion (Entwerung) gegen den Verkäufer

Lit.: Kaser §§ 7, 27, 32, 51; Söllner § 8

actio (F.) certae creditae pecuniae (lat.) ist im römischen Recht der Klaganspruch auf eine bestimmte Gelddarlehensschuld.

Lit.: Kaser §§ 39, 83

actio (F.) civilis (lat.) Klaganspruch nach dem Zivilrecht

actio (F.) commodati (lat.) Klaganspruch aus Leihvertrag

Lit.: Kaser § 39 II

actio (F.) communi dividundo (lat.) ist im römischen Recht der wohl im 3./2. Jh. v. Chr. durch eine lex Licinnia geschaffene Teilungsklaganspruch mindestens eines Angehörigen einer Vermögensgemeinschaft.

Lit.: Kaser §§ 23 IV 83

actio (F.) conducti (lat.) Klaganspruch des Mieters usw.

Lit.: Kaser §§ 42, 83

actio (F.) confessoria (lat.) Servitutenklaganspruch, Nießbrauchsklaganspruch

Lit.: Kaser §§ 28, 29

actio (F.) contraria (lat.) Gegenklaganspruch

Lit.: Kaser § 38 IV 2

actio (F.) de dolo (lat.) ist im römischen Recht der auf Anregung des C. Aquilius Gallus im 1. Jh. v. Chr. vom Prätor bei Fehlen einer anderweitigen actio gewährte Klaganspruch des durch einen Betrug Geschädigten gegen den Täter auf Ersatz des Schadens.

Lit.: Kaser §§ 8, 83; Söllner § 9

actio (F.) de in rem verso (lat.) ist im römischen Recht der Klaganspruch gegen einen Gewalthaber auf Herausgabe des Wertes, den ein Gewaltunterworfener aus einem Verpflichtungsgeschäft erlangt und zu einer Bereicherung des Vermögens des Gewalthabers verwendet.

Lit.: Kaser § 49; Söllner § 12; Chiusi, T., Die actio de in rem verso, 2001

actio (F.) de pauperie (lat.) Klaganspruch wegen Minderung durch Schaden

Lit.: Kaser § 50 II 4

actio (F.) de peculio (lat.) Klaganspruch über das Sondergut eines Gewaltunterworfenen

Lit.: Kaser §§ 49 II, 83 II; Söllner § 12

actio (F.) depositi (lat.) ist im römischen Recht der Klaganspruch des Hinterlegers auf Rückgabe der hinterlegten Sache gegen den Verwahrer.

Lit.: Kaser §§ 39, 83

actio (F.) de recepto (lat.) Klaganspruch aus Garantieerklärung

Lit.: Kaser § 46 III 3

actio (F.) de tigno iuncto (lat.) Klaganspruch über den verwendeten Balken

Lit.: Kaser § 26 III 3; Köbler, DRG 25; Hinker, H., Tignum iunctum, ZRG RA 108 (1991), 41

actio (F.) empti (lat.) Kaufklaganspruch

Lit.: Kaser §§ 51, 83 II; Söllner § 9

actio (F.) exercitoria (lat.) Klaganspruch gegen den Reeder

Lit.: Kaser § 49 II 3

actio (F.) ex stipulatu (lat.) ist im römischen Recht der Klaganspruch des Gläubigers gegen den Schuldner, der in der einseitig verpflichtenden Stipulation eine unbestimmte Leistung versprochen hat.

Lit.: Kaser §§ 40, 83; Söllner §§ 9, 24

actio (F.) ex testamento (lat.) Klaganspruch aus Testament

Lit.: Kaser §§ 32 II 4, 76 II

actio (F.) familiae erciscundae (lat.) Erbteilungsklaganspruch

Lit.: Kaser §§ 65, 66, 73, 81; Söllner §§ 8, 9

actio (F.) fiduciae (lat.) Klaganspruch aus Sicherungsübereignung

Lit.: Kaser §§ 24, 31, 38, 83; Söllner § 9

actio (F.) finium regundorum (lat.) Grenzfeststellungsklaganspruch

Lit.: Kaser § 23

actio (F.) furti manifesti (lat.) ist im römischen Recht der Klaganspruch gegen den nicht handhaften Dieb auf das Doppelte des Wertes der entzogenen Sache.

Lit.: Kaser § 83; Kaser, M., Die actio furti, ZRG RA 96 (1979), 89

actio (F.) honoraria (lat.) prätorischer Klaganspruch

Lit.: Kaser § 4 II 1

actio (F.) in factum (lat.) auf den Sachverhalt zugeschnittener Klaganspruch

Lit.: Söllner § 15; Gröschler, P., Actiones in factum, 2002

actio (F.) iniuriarum (lat.) Schadensersatzklaganspruch

Lit.: Kaser §§ 34, 35, 83; Söllner § 8; Moosheimer, T., Die actio iniuriarum aestimatoria, 1998

actio (F.) in personam (lat.) persönlicher Klaganspruch

Lit.: Kaser § 4 I, II, 82 II; Söllner § 9

actio (F.) in rem (lat.) sachverfolgender Klaganspruch

Lit.: Kaser §§ 4, 83 II; Söllner § 9

actio (F.) institoria (lat.) ist im römischen Recht der Klaganspruch gegen einen Unternehmer aus einer von seinem Angestellten eingegangenen Verbindlichkeit.

Lit.: Kaser § 49

actio (F.) iudicati (lat.) Vollstreckungsklaganspruch

Lit.: Kaser §§ 32, 85

actio (F.) legis Aquiliae (lat.) Schadensersatzklaganspruch

Lit.: Kaser § 51; Söllner § 8; Kaufmann, H., Rezeption und usus modernus der actio legis Aquiliae, 1958

actio (F.) locati (lat.) Klaganspruch des Vermieters usw.

Lit.: Kaser §§ 42, 83 II

actio (F.) mandati (lat.) Klaganspruch aus Auftrag

Lit.: Kaser §§ 56, 57, 83

actio (F.) mixta (lat.) gemischter Klaganspruch

actio (F.) negatoria (lat.) heißt im römischen Recht ein Klaganspruch, mit welchem der zivile Eigentümer sich dagegen wehren kann, dass ein anderer sich ein nicht bestehendes Recht zur Einwirkung auf die Sache anmaßt.

Lit.: Kaser § 27 II; Ogorek. R., Actio negatoria und industrielle Beeinträchtigung des Grundeigentums, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 4  1979, 40; Thier, A., Zwischen actio negatoria und Aufopferungsanspruch, in: Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 407; Kawasumi, Y., Von der römischen actio negatoria zum negatorischen Beseitigungsanspruch, 2001

actio (F.) negotiorum gestorum (lat.) Klaganspruch aus Geschäftsführung

Lit.: Kaser §§ 38, 44, 56, 64, 83

actio (F.) noxalis (lat.) Schadensersatzklaganspruch wegen Noxalhaftung des Gewalthabers

Lit.: Köbler, DRG 27

actio (F.) nullitatis (lat.) ist der mittelalterliche Nichtigkeitsklaganspruch

Lit.: Köbler, DRG 117

actio (F.) operarum (lat.) Klaganspruch auf versprochene Dienste

Lit.: Kaser §§ 16 II, 39 II

actio (F.) pigneraticia (lat.) Pfandklaganspruch

Lit.: Kaser §§ 31, 39

actio (F.) poenalis (lat.) Strafklaganspruch

actio (F.) popularis (lat.) Popularklaganspruch

Lit.: Kaser § 50 I 1

actio (F.) praescriptis verbis (lat.) Klaganspruch der vorgeschriebenen Worte

Lit.: Kaser § 45 II; Kranjc, J., Die actio praescriptis verbis, ZRG RA 106 (1989), 434

actio (F.) praetoria (lat.) prätorischer Klaganspruch

Lit.: Kaser § 4 II

actio (F.) pro socio (lat.) Klaganspruch gegen den Gesellschafter

Lit.: Kaser § 43 I

actio (F.) Publiciana (lat.) ist im römischen Recht der wohl im letzten vorchristlichen Jahrhundert vom Prätor geschaffene Klaganspruch des besseren Besitzers (z. B. Ersitzungsbesitzers) gegen den schlechteren Besitzer auf Herausgabe der Sache.

Lit.: Kaser §§ 27, 83; Söllner § 9

actio (F.) quanti minoris (lat.) Minderungsklaganspruch

Lit.: Kaser § 41 VI 4; Söllner § 9

actio (F.) quod iussu (lat.) (Geheißklage) ist im römischen Recht der Klaganspruch gegen den Hausvater wegen des Geschäfts eines Haussohnes.

Lit.: Kaser §§ 49, 83; Schleppinghoff, A., Actio quod iussu, Diss. jur. Köln 1996

actio (F.) redhibitoria Wandelungsklaganspruch

Lit.: Kaser §§ 34, 41; Söllner § 9

actio (F.) rei uxoriae (lat.) Klaganspruch auf Herausgabe des Heiratsgutes der Frau

Lit.: Kaser §§ 33, 34, 36; Söllner §§ 9, 24; Söllner, A, Zur Vorgeschichte und Funktion der actio rei uxoriae, 1969

actio (F.) Serviana (lat.) Pfandklaganspruch

Lit.: Kaser § 31 III

actio (F.) stricti iuris (lat.) strengrechtlicher Klaganspruch

Lit.: Kaser §§ 33 IV, 36 III, 37 I

actio (F.) tutelae (lat.) Klaganspruch gegen den Vormund

Lit.: Kaser §§ 62 IV 4, 83 II 3

actio (F.) utilis (lat.) brauchbar gemachter Klaganspruch

Lit.: Kaser § 55 II 3; Stolmar, R., Die Genesis der actio utilis, 1988; Stolmar, R., Die formula der actio utilis, 1992

actio (F.) venditi (lat.) Kaufpreisklaganspruch des Verkäufers

Lit.: Kaser §§ 41 III 2, 83 II 3

actus (lat. [N.]) Trift -> Dienstbarkeit

actus (M.) iuridicus (lat.) -> Rechtsgeschäft

Lit.: Köbler, DRG 164

actus (M.) legitimus (lat.) bedingungsfeindliches Rechtsgeschäft

Lit.: Kaser §§ 34, 41

Additio (F.) sapientium (lat.) ist ein innerhalb der -> Lex Frisionum überliefertes Protokoll über Rechtsmitteilungen zweier Männer namens Wlemarus und Saxmundus.

Lit.: Heck, P., Die Entstehung der Lex Frisionum, 1927; Siems, H., Studien zur Lex Frisionum, 1980

Adel ist eine Mehrheit von erblich bevorrechtigten Familien einer Gesellschaft. Derartige Erscheinungen treten in verschiedenen Kulturen auf. Sie sind Wandlungen unterworfen. Die Herkunft des mittelalterlichen deutschen Adels ist nicht geklärt. Neben wirtschaftlichen Gesichtspunkten spielt wohl auch die Herrschaft über Menschen eine Rolle. Nicht sicher feststellbar ist die Bedeutung charismatischer Elemente (Heil, Behauptung göttlicher Abkunft). Das fränkische Volksrecht (507-11?) kennt noch keine rechtliche Aussonderung erblich bevorrechtigter Familien, doch ist es nicht ausgeschlossen, dass der aus der spätrömischen Reichsbeamtenschaft hervorgegangene römische Senatorenadel vergleichbare fränkische Strukturen als Gegenstück findet. Mit den fränkischen Königen steigen viele ihrer Anhänger über die Zuteilung von wichtigen Aufgaben auf. Infolge von Heiratsverbindungen und militärischen Erfolgen entwickelt sich ein engerer Kreis bedeutender Familien, denen zunehmend die höchsten Ämter des Reiches vorbehalten werden (Reichsadel). Weil ihre Lehen seit dem Ende des 9. Jh.s erblich werden, festigt sich ihre örtliche Bindung zu bestimmten Gebieten. Diese oberste Schicht des bereits in den karolingischen Volksrechten durch ein besonderes -> Wergeld sowie im übrigen durch -> Ebenburt (Ebenbürtigkeit) und später -> Pairsgericht gekennzeichneten Adels wird zu den -> Landesherren bzw. -> Reichsfürsten. Demgegenüber tritt der vielfach der Unfreiheit entstammende, durch Herrendienst entstandene -> niedere Adel in den Dienst der Landesherren ein. Seit 1346 kann der A. (vom König) durch Urkunde an Bürger verliehen werden (Briefadel). Mit dem Absolutismus wird die politische Bedeutung des Adels im Land beschnitten. Durch Säkularisation, Mediatisierung, Beseitigung der Grundherrschaft und Einführung des Gleichheitsgrundsatzes wird der rechtliche Vorrang des Adels (im deutschen Gebiet) in der jüngeren Neuzeit (bis 1918) beseitigt. Mit der Bodenreform in der sowjetischen Besatzungszone (1945-1949) werden ihm dort auch die wirtschaftlichen Grundlagen entzogen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 78, 87, 98, 111, 120, 132, 135, 149, 206, 225; Ernst, V., Die Entstehung des niederen Adels, 1916; Lintzel, M., Die Stände der deutschen Volksrechte, 1933; Dungern, O. v., Adelsherrschaft im Mittelalter, 1927, Neudruck 1967; Bergengruen, A., Adel und Herrschaft im Merovingerreich, 1958; Störmer, W., Früher Adel, 1973; La noblesse, hg. v. Contamine, P., 1976; Werner, M., Adelsfamilien, 1982; Barbero, A., L’aristocrazia, 1987; Europäischer Adel 1750-1950, hg. v. Wehler, H. u. a., 1990; Hoyningen-Huene, I. Frfr. v., Adel in der Weimarer Republik, 1992; Adel in der frühen Neuzeit, hg. v. Endres, W., 1993; Ranft, A., Adelsgesellschaften, 1994; Fehrenbach, E., Adel und Bürgertum im deutschen Vormärz, HZ-258 (1994), 1; Geschichte des sächsischen Adels, hg. v. Keller, K. u. a., 1997; Contamine, P., La noblesse au royaume de France, 1997; Nobilitas, hg. v. Oexle, G. u. a., 1997; Dumoulin, K., Die Adelsbezeichnung im deutschen und ausländischen Recht, 1997; Rösener, W., Adelsherrschaft als kulturhistorisches Phänomen, HZ 268 (1998), 1; Werner, K., Naissance de la noblesse, 1998; Peters, U., Dynastiegeschichte und Verwandtschaftsbilder, 1999; Reif, H., Geschichte des deutschen Adels im 19. und 20. Jahrhundert, 1999; Binder-Krieglstein, R., Österreichisches Adelsrecht 1968-1918/19, 2000; Der europäische Adel im Ancien Régime, hg. v. Asch, R., 2001; Conze, E., Vom deutschen Adel – Die Grafen von Bernstorff im zwanzigsten Jahrhundert, 2000

Ädile sind im römischen Recht zunächst die beiden Vorsteher des plebejischen Sonderheiligtums (lat. [F.] aedes [sacra], Tempel), welche auch die Aufsicht über die dort stattfindenden Märkte haben. Im Jahre 367 v. Chr. wird ihnen die allgemeine Polizeigewalt übertragen. Ihnen werden zwei weitere Ä. zur Seite gestellt, die abwechselnd aus Patriziern und Plebejern gewählt werden sollen. Sie erhalten die Marktgerichtsbarkeit, in deren Rahmen sie ein eigenes Edikt aufstellen. Außer in Rom gibt es Ä. später auch in anderen Gemeinden.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein §§ 8, 15; Söllner §§ 6, 8; Köbler, DRG 18; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988

aditio (lat. [F.]) Antritt

adiudicatio (lat. [F.]) Zuspruch

Adler ist ein Vogel, der als König der Vögel bereits im Altertum als Begleitzeichen des höchsten Gottes (Zeus, Jupiter) erscheint und bald als Zeichen der römischen Weltherrschaft verwendet wird. Diese Symbolik übernimmt anscheinend Karl der Große. Unter Friedrich I. Barbarossa wird der goldene A. auf farblosem Grund zum Reichswappen, das im 13. Jh. schwarz auf goldenem Grund gestaltet wird. Am Ende des 12. Jh.s tritt der ebenfalls schon antike Doppeladler in Siegeln von Reichsstädten neben den einfachen A. Um 1230 geben die Reichsfürsten den bis dahin wegen ihrer königlichen Lehen geführten A. fast durchweg auf. Unter Kaiser Sigismund wird 1433 der schwarze Doppeladler im goldenen Feld Reichswappen, neben welchem der König bis zum Ende des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) den einfachen A. führt. 1848 erklärt die Bundesversammlung den Doppeladler zum Wappen des Deutschen Reiches, 1871 das Deutsche Reich den einköpfigen schwarzen A. in Gold mit aufgelegtem preußischem Adlerschild, 1919 den einköpfigen schwarzen A. in Gold, der 1950 von der Bundesrepublik Deutschland übernommen wird. Österreich verwendet 1804 den Doppeladler als Reichswappen, versieht ihn aber mit je einer Krone und führt 1919 den einköpfigen schwarzen A. mit Hammer und Sichel in den Fängen ein, der von 1934 bis 1945 durch einen Doppeladler  ersetzt, 1945 aber mit einer zusätzlichen gesprengten Eisenkette wieder aufgenommen wird. Preußen führt seit 1320 zusätzlich den kaiserlichen A., der 1525 als schwarzer A. in Silber gestaltet und mit einer goldenen Krone um den Hals und einem silbernen S(igismund) auf der Brust versehen wird. 1701 wird der gekrönte schwarze A. in Silber Wappen des Königreiches.

Lit.: Gritzner, E., Symbole und Wappen des alten deutschen Reiches, 1902; Korn, H., Adler und Doppeladler, Diss. phil. Göttingen 1969, Neudruck 1976; Hattenhauer, H., Geschichte der deutschen Nationalsymbole, 2. A. 1990

Administrator ist seit dem Ende des 13. Jh.s der Verwalter eines Bistums.

adoptio (lat. [F.]) Annahme an Kindes Statt -> Adoption

Adoption ist die Annahme eines Menschen als Kind. Das römische Recht kennt in diesem Zusammenhang neben der (lat. [F.]) adrogatio eines Menschen sui iuris und verschiedenen testamentarischen Geschäften in Anknüpfung an die Zwölftafelgesetzgebung die (lat. [F.]) adoptio eines Menschen alieni iuris, bei welcher ein Vater seinen Sohn dreimal (bzw. eine Tochter oder einen Enkel einmal) dem künftigen Adoptivvater zu treuen Händen durch -> Manzipation (lat. [F.] -> mancipatio) überträgt, dieser ihn dreimal (bzw. einmal) freilässt, der Adoptierende vor dem Gerichtsmagistrat behauptet, dass das Kind das seine sei, der Vater nicht widerspricht und der Magistrat den Menschen dem Adoptivvater zuteilt. Das frühmittelalterliche Recht nimmt mit ähnlicher Zielsetzung die -> Affatomie bzw. das Speergedinge vor. Zu Beginn der Neuzeit wird die römischrechtliche A. in eingeschränkter Form aufgenommen (Freiburg 1520) und findet Eingang in die vernunftrechtlichen Kodifikationen. In Deutschland wird sie 1900 in das Bürgerliche Gesetzbuch übernommen und 1976 neu gefasst, in Großbritannien 1926 eingeführt.

Lit.: Kaser § 60; Söllner §§ 8, 25; Hübner; Köbler, DRG 21, 268; Pappenheim, M., Über künstliche Verwandtschaft im germanischen Rechte, ZRG GA 29 (1908), 304; Wackernagel, W., Die rechtliche Stellung der Nachkommen des Adoptivkindes, Diss. jur. Basel 1953; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Schubert, W., Die Projekte der Weimarer Republik zur Reform des Nichtehelichen-, des Adoptions- und des Ehescheidungsrechts, 1986; Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991; Jussen, B., Patenschaft und Adoption, 1991; Knütel, R., Zur Adoption im römischen Recht, in: Familienrecht in Geschichte und Gegenwart, 1992, 3; Schoenenberger, M., Histoire du droit de l’adoption, Diss. jur. Freiburg i. Ü. 1995; L’adoption, hg. v. Lett, D. u. a., 1998

advocatus (lat. [M.]) Herbeigerufener (Rechtsbeistand) -> Advokat, (mlat.) -> Vogt

Advokat (lat. [M.] advocatus) ist seit dem 5. Jahrhundert in der Kirche ein Funktionsträger. Im 8. Jh. schreibt die Kirche die Zuziehung solcher advocati (M.Pl.) in weltlichen Streitigkeiten der Geistlichen vor. Bis 1340 wird ihr Aufgabenkreis durch päpstliche Dekrete näher bestimmt. Am Ende des 14. Jh.s findet das Wort als Fremdwort Eingang in das Deutsche. Im Prozess verfasst der A. als Berater und Vertreter einer Partei Klageschriften und andere Stellungnahmen und trägt sie in seinem Plädoyer vor Gericht mündlich vor. Mit der Rezeption übernimmt zeitweise (KGO 1421, RKGO 1495) der -> Prokurator den Vortrag vor Gericht. In Preußen wird 1793 kurzfristig die Advokatur abgeschafft. 1878 wird der Ausdruck A. durch -> Rechtsanwalt ersetzt.

Lit.: Söllner §§ 9, 11; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 56, 86, 117, 153; Fournier, P., Les officialités au Moyen Age, 1880; Hogan, J., Judicial Advocates and Procurators, 1941; Grahl, C., Die Abschaffung der Advokatur, 1993; Scherner, K., Advokaten, Revolutionäre, Anwälte, 1997; Officium advocati, hg. v. Mayali, L., 2000

AEIOU ist eine von dem der Buchstabenmagie zugetanen Kaiser Friedrich III. (1440-93) von Habsburg seit 1437 verwendete Zeichenfolge, deren vielfache lateinische und deutsche Erklärungen (z. B. [lat.] Austriae est imperare orbi universo) erst später erscheinen.

aequitas (lat. [F.]) Billigkeit, Gerechtigkeit

aequitas (F.) canonica (lat.) ist die aus den Umständen des Einzelfalles eine Abweichung vom geltenden Recht begründende kanonische Billigkeit. Auf Grund von antiken Vorläufern (griech. epicheia, lat. supraiustitia) und kirchenrechtlichen Sammlungen des 10. und 11. Jh.s wird sie von Gratian (1140) verwendet. Ziel ist die praktische Verwirklichung des Ge­rech­tig­keits­ideals. Hauptsächlich dient die a. c. der Auslegung und Ergänzung rechtlicher Regeln.

Lit.: Wohlhaupter, E., Aequitas canonica, 1931; Maitland, F., Equity, 1936; Hering, C., Die aequitas bei Gratian, in: Studia Gratiana Bd. 2 1954, 96; Horn, N., Aequitas in den Lehren des Baldus, 1968; Caron, P., „Aequitas“ romana, „misericordia“ patristica ed „epicheia“ aristotelica nella dottrina dell’ „aequitas canonica“, 1971; Equity in the World’s Legal Systems, hg. v. Newman, A., 1973; Maifeld, J., Die aequitas bei L. Neratius Priscus, 1991; Landau, P., Der Einfluss des kanonischen Rechts, in: Europäische Rechts- und Verfassungsgeschichte, hg. v. Schulze, R., 1991, 39; Wesener, G., Aequitas naturalis, in: Der Gerechtigkeitsanspruch des Rechts, 1996, 82

aerarium (lat. [N.]) Staatskasse, Staatsschatz

Affatomie ([F.] „Indenschoßsetzung“) ist ein förmliches Verfahren des altfränkischen Rechtes, durch welches Güter eines kinderlosen Erblassers Dritten zugewendet werden können.

Lit.: Hübner; Schmidt, R., Die Affatomie der lex Salica, 1891

Africanus ist ein als Schüler des -> Julian bekannter römischer Jurist des 2. Jh.s n. Chr. (+ 175?), von dem Epistulae und Quae­stiones bezeugt sind.

Lit.: Schulz, F., Geschichte der römischen Rechtswissenschaft, 1961

Afrika

Lit.: Iliffe, J., Geschichte Afrikas, 1997; Harding, L., Geschichte Afrikas im 19. und 20. Jahrhundert, 1999; Hazdra, P., Afrikanischs Gewohnheitsrecht, 1999; Wesseling, H., Teile und herrsche, 1999; Afrika, hg. v. Grau, I. u. a., 2000; Das Afrika-Lexikon, hg. v. Mabe, J., 2001; Ansprenger, F., Geschichte Afrikas, 2002; Fage, J./Oliver, R., Kurze Geschichte Afrikas, 2002

Afterlehen ist eine seit dem Anfang des 14. Jh.s entstandene Bezeichnung für das von einem Lehnsmann in einem weiteren, von ihm begründeten Lehnsverhältnis an einen (Unter-)Lehnsmann weitergegebene Lehen. Im Gegensatz zu England und der Normandie ist in Deutschland und Frankreich der Empfänger des Afterlehens dem (Ober-)Lehnsherrn nicht zu Dienst und Treue verpflichtet.

Lit.: Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafen von Katzenelnbogen, 1969

Agnat ist ein in bestimmter Weise Verwandter. Im römischen Recht sind adgnati (M.Pl.) alle freien Menschen, die in demselben Hausverband stehen oder noch ständen, wenn ihr gemeinsamer Stammvater noch lebte. Im germanisch-deutschen Sprachbereich sind die Agnaten die Verwandten, welche sich in rein männlicher Linie auf einen gemeinsamen Stammvater zurückführen lassen (-> Schwertmagen). Der verschiedentlich behauptete Vorrang des agnatischen Prinzips vor dem kognatischen Prinzip ist nicht nachweisbar.

Lit.: Kaser § 12; Kroeschell, DRG 1; Schmid, K., Zur Problematik von Familie, Sippe und Geschlecht, Haus und Dynastie, ZGO 105 (1957)

Agrarverfassung ist die (rechtliche) Grundordnung der landwirtschaftlich genutzten Grundstücke einer Allgemeinheit. Die römische A. ist zunächst durch kleinbäuerliche naturale Hauswirtschaft gekennzeichnet, doch bewirkt die Entwicklung Roms zu einer Weltmacht den Übergang der römischen Kleinbauern in das Proletariat, während die Patrizier durch Sklaven Plantagenwirtschaft betreiben können. Die A. der Germanen ist umstritten. Eher unwahrscheinlich ist die durch Berichte Caesars und Tacitus’ nahegelegte urkommunistische A. mit jährlicher Ackerverlosung. Vielmehr dürften Haus und umliegendes Ackerland oder Weideland bereits familienmäßig zugeordnet gewesen sein. Vielleicht als Folge der Landnahme in der Völkerwanderung und der Begegnung mit provinzialrömischen Zuständen entsteht die -> Grundherrschaft als überwiegende Form des Betriebs der -> Landwirtschaft. An ihre Stelle tritt im 19. Jh. das -> Eigentum des einzelnen Bauern. Im 20. Jh. führt die politische und wirtschaftliche Entwicklung zur Notwendigkeit der Bildung größerer Wirtschaftseinheiten (landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften in der sowjetischen Besatzungszone bzw. der DDR, Landpacht).

Lit.: Köbler, DRG 133, 174; Maurer, G. v., Geschichte der Markenverfassung in Deutschland, 1856; Lütge, F., Geschichte der deutschen Agrarverfassung, 1963; Agrargeschichte, hg. v. Troßbach, W. u. a., 1998

Agustín, Antonio (Saragossa 1516 - Rom 1586) schafft nach Studien in Alcala, Salamanca, Padua und Bologna (Alciat) im päpstlichen Dienst die Grundlage für die geschichtliche Bearbeitung der Quellen des kirchlichen Rechts.

Lit.: Bernal Palacios, A., Antonio Agustín y su „Recollecta in iure canonico“, in: Revista española de derecho canonico 45 (1988), 487

Ägypten ist das am sich längs des Nils erstreckende Gebiet, in dem seit dem Ende des 4. Jt. v. Chr. eine Hochkultur erkennbar ist, deren Rechtssätze nur wenig bekannt sind. 30 v. Chr. fällt Ä. an die Römer, später wird es rasch vom -> Islam erfasst.

Lit.: Friedell, E., Kulturgeschichte Ägyptens und des Alten Orients, 1936, Neudruck 1998; Seidl, E., Einführung in die ägyptische Rechtsgeschichte, 2. A. 1951; Seidl, E., Ägyptische Rechtsgeschichte 2. A. 1968; Goedicke, Die privaten Rechtsinschriften, 1970; Lurje, Studien zum altägyptischen Recht, 1971; Seidl, E., Rechtsgeschichte Ägyptens als römischer Provinz, 1973; Wolff, H., Das Recht der griechischen Ppyri Ägyptens, Bd. 2 1978; Vercoutter, J., L´Egypte, Bd. 1 1992; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 1997; Reclams Lexikon des alten Ägypten, hg. v. Shaw, I. u. a., 1998; Boochs, W., Altägyptisches Zivilrecht, 1998; Huß, W., Ägypten in hellenistischer Zeit, 2001; Clauss, M., Das alte Ägypten, 2001; Wolff, H., Das Recht der griechischen Papyri Ägyptens, hg. v. Rupprecht, H., Bd. 1 2002

Akademie ist eine 529 n. Chr. vom oströmischen Kaiser Justinian verbotene Philosophenschule, deren Grundgedanke 1454 in Italien (Terranuova/Florenz) wiederbelebt wird.

Lit.: Die Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften zu Berlin, hg. v. Kocka, J., 1999; Die Preußische Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1914-1945, hg. v. Fischer, W., 2000; Göttinger Gelehrte, hg. v. Arndt, K. u. a., 2001

Akademie für Deutsches Recht ist eine außeruniversitäre wissenschaftliche Einrichtung der nationalsozialistischen Zeit (1933-45) zur weltanschaulichen Umgestaltung des Rechts. Die A. f. D. R. wird mit verschiedenen Gesetzesvorhaben befasst (u. a. Volksgesetzbuch). Ihr wissenschaftlicher Ertrag bleibt gering.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Pichinot, H., Die Akademie für deutsches Recht, 1981; Akademie für Deutsches Recht, 1933-1945, Protokolle der Ausschüsse, hg. v. Schubert, W., Bd. 1ff. 1986ff.; Anderson, D., The Academy for German Law 1933-1944, 1987; Wacker, G., Der Erbrechtsausschuss, 1997

Akklamation (F.) Zuruf, Zustimmung

Akkreszenz -> Anwachsung

Akkusationsprozess ist ein seit dem 4. Jh. (Konstantin) aus dem römischen Recht in das kirchliche Recht (6./7. Jh.) übernommener Prozess. Er erfordert eine -> Anklage. Kennzeichnend sind die dem Anklageschriftsatz beizufügende Verpflichtung des Anklägers zum -> Talion für den Fall der Falschanklage und der -> Kalumnieneid. Im Hochmittelalter wird der A. auf den -> Strafprozess eingeschränkt. Ein Gegensatz zum A. ist der -> Inquisitionsprozess. -> Anklageprozess

Lit.: Köbler, DRG 156; Herde, P., Audientia litte­rarum contradictarum, Bd. 1 1970; Kleinheyer, G., Zur Rechtsgestalt von Akkusationsprozess und peinlicher Frage, 1971

Akten ist die seit dem 15. Jh. (1500 acten) gelegentlich erscheinende Bezeichnung der in Gericht und Verwaltung in einer Angelegenheit entstehenden Schriftstücke. Solche A. kennt schon die Antike (59 v. Chr. [lat. N. Pl.] acta senatus). Nach dem frühmittelalterlichen Rückgang des Schriftwesens werden sie erst im 14. Jh. wieder bedeutsamer.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 3, 5, 105, 145; Neuss, E., Aktenkunde der Wirtschaft, 1954; Dülfer, K., Urkunden, Akten und Schreiben in Mittelalter und Neuzeit, Archival. Z. 53 (1957), 11; Weitzel, J., Das Inventar der Akten des Reichskammergerichts, ZNR 1999, 408; Prozessakten als Quellen, hg. v. Baumann, A. u. a., 2001; Zala, S., Geschichte unter der Schere politischer Zensur, 2001

Aktenversendung ist die in der frühen Neuzeit verbreitete Übung der Gerichte, in einem anhängigen Verfahren die Akten mit der Bitte um ein(en) Urteil(svorschlag) zu versenden. Sie baut auf dem mittelalterlichen -> Oberhof auf, bezieht aber nach italienischem Vorbild Juristen und deren -> Fakultäten immer stärker ein (vgl. Art. 219 CCC). Seit der Mitte des 18. Jh.s schränken staatliche Gesetze die A. ein (Preußen 1746, Bayern 1753). Mit den Reichsjustizgesetzen der Jahre 1877/9 endet die der Unmittelbarkeit des Richters widersprechende A.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 155, 201; Bülow, O., Das Ende des Aktenversendungsrechts, 1881; Ebel, W., Studie über ein Goslarer Ratsurteilsbuch des 16. Jahrhunderts, 1961; Baumgärtel, G., Die Gutachter- und Urteilstätigkeit der Erlanger Juristenfakultät, 1962; Lorenz, S., Aktenversendung und Hexenprozess, 1983

Aktenwesen -> Akten

Aktie -> Aktiengesellschaft

Lit.: North, M., Von Aktie bis Zoll, 1995

Aktiengesellschaft ist eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit (juristische Person), die ein in Aktien zerlegtes Grundkapital hat und für deren Verbindlichkeiten den Gläubigern nur das Gesellschaftsvermögen haftet. Sie entsteht aus den Bedürfnissen der Beschaffung hohen Kapitals und der Streuung großen Risikos im Kolonialhandel am Beginn des 17. Jh.s (Niederländische ostindische Handelscompagnie 1602). Gesetzlich wird die A. im französischen Code de commerce und im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch (1861), danach 1937 in einem eigenen, 1965 und 1994 novellierten Aktiengesetz geregelt.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 167, 217, 242, 272; Bösselmann, Die Entwicklung des deutschen Aktienwesens, 1939; Reich, N., Die Entwicklung des deutschen Aktienrechts, Ius commune 2 (1969), 239; Großfeld, B., Die rechtspolitische Bedeutung der Aktiengesellschaft im 19. Jahrhundert, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v., Coing, H. u. a., Bd. 4 1979, 236ff.; Landwehr, G., Die Organisationsstruktur der Aktienunternehmen, in: Vom Gewerbe zum Unternehmen, 1982, 251; 100 Jahre modernes Aktienrecht, hg. v. Schubert, W. u. a., 1984; Frey, M., Die spanische Aktiengesellschaft, 1999; Bahrenfuss, D., Die Entstehung des Aktiengesetzes von 1965, 2001; Kalss, S./Burger, C./Eckert, G., Die Entwicklung des österreichischen Aktienrechts. Geschichte und Materialien, 2003

Aktivlegitimation (F.) Klagebefugnis

Akzeptation ist die durch Überleitungsgesetz erfolgende weltliche Anerkennung kirchlichen Rechts im Spätmittelalter.

Lit.: Hürten, H., Die Mainzer Akzeptation, 1955

Akzessorietät (F.) Abhängigkeit eines rechtlichen Umstandes von einem anderen

Akzise ist eine im 11. Jh. in Spanien (1001) und Venedig, im 13. Jh. im deutschen Reich (Köln 1206) bezeugte, ursprünglich städtische -> Verbrauchsteuer (auf z. B. Wein, Bier, Salz, Getreide, Fleisch). In den Ländern wird die A. im 17. Jh. bedeutsam (Brandenburg). Im 19. Jh. tritt die A. gegenüber der Einkommensteuer zurück, wird aber in der Form der Umsatzsteuer oder Mehrwertsteuer im 20. Jh. wieder belebt.

Lit.: Köbler, DRG 113; Knipping, R., Die Kölner Stadtrechnungen des Mittelalters, 1897; Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 3. A. 1992

Alarich -> Breviarium Alarici

Albanien ist ein südosteuropäischer Staat mit einer Fläche von 28748 qkm und rund 2,8 Millionen überwiegend muslimischer Einwohner (Skipetaren oder Albaner). Das Gebiet wird im 1. Jt. v. Chr. griechisch beeinflusst und gerät 168 v. Chr. unter römische Herrschaft. Am Ende des Mittelalters wird das von 1392 bis 1479 Venedig unterstehende A. von den Osmanen erobert. Am 28. 11. 1912 erklärt sich A. für unabhängig, 1928 zum von 1939 bis September 1943 in Personalunion mit Italien verbundenen Königreich. Am 11. 1. 1946 entsteht die Volksrepublik A. Im Dezember 1990 endet die kommunistische Einparteienherrschaft. Seit freien Wahlen vom März 1991 bemüht sich A. um eine Öffnung. Das albanische Recht ist dementsprechend im Wandel der Zeiten griechisch, römisch, osmanisch (Geltung der -> Megelle [1869 – 1876] bis 1928), westlich, sozialistisch und demokratisch geprägt.

Lit.: Frasheri, K., The History of Albania, 1964; Skendi, S., The Albanian National Awakening, 1967; Ruß, W., Der Entwicklungsweg Albaniens, 1979; Lendvai, P., Das einsame Albanien, 1985; Albanien im Umbruch, hg. v. Altmann, F., 1990; Albanien, hg. v. Neuwirth, H. u. a., 1995; Mustafaj, B., Albanien, 1997; Kohl-Libal, C. v., Albanien, 1998; Schmitt, O., Das venezianische Albanien, 2001

Albertiner -> Wettin

Alcala de Henares ist eine spanische, auf römische Grundlagen zurückgehende, 1118 den Mauren wieder abgewonnene Stadt. 1348 wird dort durch die Cortes ein bedeutendes Rechtsbuch verkündet. 1508 wird eine 1836 nach Madrid verlegte Universität gegründet.

Alciat, Andreas (Alzate bei Como 1492 - Pavia 1550), Kaufmannssohn, wird nach dem Studium in Pavia und Bologna 1518 nach Avignon, 1529 nach Bourges und 1533 nach Pavia berufen. Er begründet mit Budé und Zasius die vom -> Humanismus geprägte Rechtswissenschaft ([lat.] Paradoxa [N.Pl.] iuris civilis, 1518, De verborum significatione, 1530), welche im (lat.) -> mos (M.) Gallicus zum Ausdruck kommt. Zeitlebens ist er auch ein geschätzter Gutachter.

Lit.: Köbler, DRG 143; Moeller, E. v., Andreas Alciat, 1907; Viard, P., André Alciat, 1926; Troje, H., Humanistische Jurisprudenz, 1993

Alemanne ist der Angehörige eines wohl am Ende des 2. Jh.s n. Chr. vor allem aus elbgermanischen Sueben gebildeten germanischen Stammes, der 259/60 den römischen Limes durchbricht und das Gebiet am oberen Rhein besiedelt (Anfang des 4. Jh.s im Breisgau). 496/7 unterliegen die von einem König geführten  Alemannen den -> Franken. Zu Beginn des 7. Jh.s zeichnen sie ihr Recht im -> Pactus Alamannorum und zu Beginn des 8. Jh.s in der -> Lex Alamannorum auf. 746 wird ihr Herzogtum vom fränkischen König endgültig beseitigt. Im fränkisch-deutschen Reich gehen die Alemannen in Schwaben (Baden, Württemberg), Schweizern und Vorarlbergern auf.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Die Alemannen in der Frühzeit, hg. v. Hübener, W., 1974; Zur Frühgeschichte der Alemannen, hg. v. Müller, W., 1975; Borgolte, M., Die Geschichte der Grafschaften Alemanniens in fränkischer Zeit, 1984; Borgolte, M., Die Grafen Alemanniens, 1986; Geuenich, D., Geschichte der Alemannen, 1997; Die Alamannen, hg. v. Archäologischen Landesmuseum, 1997; Franks and Alamanni, hg. v. Wood, I., 1998; Bücker, C., Frühe Alemannen im Breisgau, 1999

Alemannien -> Alemanne, -> Schwabe

Alexander III., der als Roland Bandinelli in Siena geboren wird und in Bologna die Rechte lehrt, veranlaßt als Papst (1159-1181) bedeutsame -> Dekretalen (u. a. zur Papstwahl).

Lit.: Pacaut, M., Alexandre III, 1956; Baldwin, M., Alexandre III and the XIIth century, 1968; Weigand, R.,  Magister Rolandus und Papst Alexander III., AKKR 149 (1980), 3

Alexander von Roes (2. H. d. 13. Jh.s) ist Kanoniker in Köln und weilt nach 1280 mehrfach in Italien. Er verfasst dort drei Werke. In ihnen setzt er sich zugunsten des deutschen Königs gegen Ansprüche des französischen Königs ein (lat. Memoriale [N.] de prerogativa Romani imperii, 1281).

Lit.: Alexander von Roes, hg. v. Grundmann, H. u. a., 1958

Aller guten Dinge (Gerichtstermine) sind drei.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 76 (Henisch 1616)

Allgemeine Deutsche Civilprozessordnung ist ein 1866 Entwurf gebliebenes Gesetzgebungsprojekt des Deutschen Bundes, dem die Bürgerliche Prozessordnung (1850) Hannovers des Ministerialbeamten Adolf Leonhardt zugrunde liegt.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Protocolle der Commission zur Beratung einer allgemeinen Civilprozessordnung, 1862 ff., Neudruck 1985

Allgemeine Deutsche Wechselordnung ist ein auf Grund eines 1847 von allen Mitgliedsstaaten des -> Deutschen Bundes ausgearbeiteten Entwurfes von der Frankfurter verfassungsgebenden Nationalversammlung angenommenes, am 27. 11. 1848 verkündetes Gesetz zur Vereinheitlichung des partikularen Wechselrechts, das nach Scheitern der Einigungsbestrebungen des Jahres 1848 in den einzelnen Mitgliedsstaaten durch Landesgesetz als gleichlautendes allgemeines deutsches Recht in Kraft gesetzt wird.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 182; Protocolle der zur Beratung einer Allgemeinen Deutschen Wechsel-Ordnung in der Zeit vom 20. October bis zum 9. December in Leipzig abgehaltenen Conferenz, 1848; Huter, U., Das Reichsgesetz über die Einführung einer allgemeinen Wechselordnung, JZ 1978, 77 ff.; Schubert, W., Die Einführung der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung und des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs, ZHR 144 (1980), 484; Pannwitz, K. v., Die Entstehung der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung, 1998

Allgemeine Gerichtsordnung ist ein 1781 in Österreich geschaffenes Gesetz zur Regelung des gemeinrechtlichen Zivilprozesses (geheimes Aktenverfahren mit Verhandlungsmaxime, Eventualmaxime, grundsätzlicher Anwaltszwang, mittelbarer Beweisaufnahme und gebundener Beweisregel), das 1796 abgeändert in Westgalizien (Westgalloische Gerichtsordnung), später in Ostgalizien, der Bukowina, Salzburg, Tirol, Vorarlberg, Dalmatien und Istrien in Kraft tritt und erst durch die ältere Allgemeine Gerichtsordnung und erweiterte Westgalizische Gerichtsordnung vereinheitlichende österreichische Zivilprozessordnung von 1895 abgelöst wird.

Lit.: Köbler, DRG 155; Baltl/Kocher; Loschelder, M., Die österreichische Allgemeine Gerichtsordnung von 1781, 1978

Allgemeine Gerichtsordnung ist eine 1793 für Preußen geschaffene Zivilprozessordnung, welche in vernunftrechtlicher Prägung (Erforschung der Wahrheit) eine Abkehr vom gemeinrechtlichen, als zu langwierig empfundenen Zivilprozess versucht, ohne ihre Ziele wirklich erreichen zu können.

Lit.: Köbler, DRG 141, 155; Eckert, J., Die Entstehung der Allgemeinen Gerichtsordnung, in: Das Preußische Allgemeine Landrecht, hg. v. Wolff, J., 1995; Busch, S., Die Entstehung der Allgemeinen Gerichtsordnung für die preussischen Staaten, 1999

Allgemeine Geschäftsbedingungen sind allgemein verwendete Geschäftsbedingungen. Sie entstehen seit Ende des 19. Jh.s (1919 Berliner Spediteurbedingungen), werden zunächst nur vorsichtig gerichtlich kontrolliert und am 9. 12. 1976 in Deutschland gesetzlich geregelt.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Kroeschell, 20. Jh.; Raiser, L., Das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1935; Nörr, K., Zwischen den Mühlsteinen, 1988; Helm, J., AGB-Regelungen im Transportrecht des ADHGB, FS E. Brandner, 1996, 219

Allgemeine Gütergemeinschaft -> Gütergemeinschaft

allgemeiner Teil ist ein die allgemeinen Erscheinungen besonderer Teile zusammenfassender (und voranstellender) Teil einer Gesamtheit. Nach naturrechtlichen Systematisierungsansätzen (-> Weigel, -> Pufendorf, -> Nettelbladt und Dabelow) ordnet Gustav -> Hugo in seinen Institutionen des römischen Rechts (1799) das Privatrecht neu. Von ihm übernimmt Georg Arnold Heise in seinem Grundriß eines Systems des gemeinen Zivilrechts zum Behuf von Pandektenvorlesungen (1807) einen allgemeinen Teil des Privatrechts. Durch -> Savigny erlangt diese Vorstellung allgemeine Verbreitung und erfasst später über das Privatrecht hinaus auch Strafrecht und Verwaltungsrecht.

Lit.: Köbler, DRG 158, 199, 206, 213, 237; Schwarz, A., Zur Entstehung des modernen Pandektensystems, ZRG RA 42 (1921), 578; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967;  Jakobs, H./Schubert, W., Materialien zur Entstehungsgeschichte des BGB - Allgemeiner Teil, 1985; Lehmann, A., Nettelbladt und Dabelow als die eigentlichen Begründer eines Allgemeinen Teiles, FS G. Maier, 1994, 39; Jacoby, S., Allgemeine Rechtsgrundsätze, 1997

Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) ist die ->Kodifikation des Privatrechts in -> Österreich. Sie wird mit dem Ziel der Rechtsvereinheitlichung der verschiedenen habsburgischen Herrschaftsbereiche schon von Leibniz als Codex Leopoldinus Leopolds I. angeregt. 1709 setzt Joseph I. Kompilationskommissionen in Prag und Brünn ein, 1753 Maria Theresia eine Kommission zur Abfassung eines (lat.) -> Codex (M.) Theresianus, der Provinzialrechte, das gemeine Recht, die Gesetze anderer Staaten und das allgemeine Recht der Vernunft berücksichtigen soll. Der 1766 fertiggestellte Entwurf wird lediglich als brauchbare Materialsammlung angesehen. Der gekürzte Entwurf Johann Bernhard Hortens wird 1776 nicht weiter beraten, in seinem personenrechtlichen Teil aber zum 1. 1. 1787 als -> Josephinisches Gesetzbuch Josephs II. in den deutschen Erblanden in Kraft gesetzt. 1794 arbeitet Karl Anton von -> Martini an Hand der Benützung des Entwurfes Hortens und des zu diesem Zeitpunkt in Kraft gesetzten Allgemeinen Landrechtes Preußens einen neuen, stärker naturrechtlich geprägten Entwurf aus, der durch Patent vom 13. 2. 1797 als -> Westgalizisches Gesetzbuch für das aus der Teilung Polens erworbene Erbland Westgalizien und durch Patent vom 18. 9. 1797 auch für Ostgalizien kundgemacht wird. Er wird als sog. Urentwurf oder Entwurf Martini unter der Leitung Franz von -> Zeillers zwischen 1801 und 1810 in drei Lesungen beraten und zum 1. 1. 1812 für die gesamten deutschen Erblande des österreichischen Kaisers (Niederösterreich, Oberösterreich [ohne Innkreis], Böhmen [einschließlich Marktredwitz und sog. Fraischbezirk in der Oberpfalz, in Geltung bis 31. 12. 1899], Mähren, Schlesien, Galizien [z. T.], Bukowina, Teile des Hausruckkreises, Steiermark, Kärnten, Militärgrenze) als reines Privatgesetzbuch in Kraft gesetzt. Von Savigny wird es als misslungen bewertet. 1914 (Personenrecht, Familienrecht, Vormundschaftsrecht, gesetzliches Erbrecht), 1915 (Grenzerneuerung, Grenzberichtigung), 1916 (Eigentumsvorbehalt, Belastungsverbot, Schuldübernahme, Auslobung, Schadensersatz, Verjährung) wird das ABGB pandektistisch novelliert. Durch Patent vom 29. 11. 1812 bzw. 1846 (Erbrecht) wird es von Liechtenstein übernommen. 1852 wird es in Ungarn, Kroatien und Slwawonien, in der Woiwodschaft Serbien und im Temescher Banat, durch Patent vom 29. 5. 1853 in Siebenbürgen eingeführt. Bern, Luzern, Solothurn und Aargau dient als Vorbild. 1938 wird das Eherecht durch das Ehegesetz geändert, seit den 70er Jahren des 20. Jh.s durch mehrfache Novellierung das gesamte Familienrecht.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 141, 185, 205; Harras von Harrasowsky, P., Geschichte der Kodifikation des österreichischen Civilrechtes, 1868; Ofner, J., Der Ur-Entwurf, Bd. 1f. 1889; Ogris, W., 175 Jahre ABGB, 1986/7; Caroni, P., Der unverstandene Meister, FS H. Baltl, 1978, 107; Frohnecke, E., Die Rolle des ABGB in Gesetzgebung und Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts, 2001

Allgemeines Deutsches Gesetz über Schuldverhältnisse ist ein seit 1863 von den Mitgliedsstaaten des -> Deutschen Bundes beratenes Gesetz, dessen (->Dresdener) Entwurf im Jahre 1866 gerade der Bundesversammlung zugeleitet ist, als der Deutsche Bund am Gegensatz zwischen Österreich und Preußen zerbricht.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 182; Hedemann, J., Der Dresdener Entwurf von 1866, 1935; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967; Dresdener Entwurf eines allgemeinen deutschen Gesetzes über Schuldverhältnisse von 1866, hg. v. Francke, B., 1973; Protocolle der Commission zur Ausarbeitung eines allgemeinen deutschen Obligationenrechts, 1866, 1984

Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch ist das auf Grund des Vorbildes des französischen -> Code de commerce (1808), preußischer und österreichischer Vorlagen 1861 im (Nürnberger) Entwurf entstandene Handelsgesetzbuch, welches die Mitgliedsstaaten des -> Deutschen Bundes durch übereinstimmende Einzelstaatsgesetze (u. a. Österreich 1862, in Geltung bis 1938) als allgemeines deutsches Recht in Kraft setzen. An seine Stelle tritt im Deutschen Reich 1897 das -> Handelsgesetzbuch (Österreich 24. 12. 1938).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 182; Protokolle der Kommission zur Beratung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches, hg. v. Lutz, J., Bd. 1ff. 1958ff., Neudruck 1984; Thöl, H., Zur Geschichte des Entwurfes eines allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches, 1861; Goldschmidt, L., Der Abschluss und die Einführung des allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs, ZHR 5 (1862), 204 ff.;  Schubert, W., Die Einführung der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung und des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches, ZHR 144 (1980), 484; Wild, P., Der Einfluss des Allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuchs auf die Privatrechtsdogmatik, Diss. jur. Saarbrücken 1966; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967

Allgemeines deutsches Recht ist das in der Mitte des 19. Jh.s durch Parallelgesetzgebung der Mitgliedsstaaten des Deutschen Bundes entstandene Recht. -> Allgemeine Deutsche Wechselordnung, -> Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch

Lit.: Köbler, DRG 182

Allgemeines Gesetzbuch für die Preußischen Staaten -> Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten

Lit.: Entwurf eines allgemeinen Gesetzbuches für die Preußischen Staaten, hg. v. Krause, P., Bd. 1ff. 1996ff.; Finkenauer, T., Vom Allgemeinen Gesetzbuch zum Allgemeinen Landrecht, ZRG 113 (1995), 40; Barzen, Carola, Die Entstehung des „Entwurf(s) eines allgemeinen Gesetzbuchs für die Preußischen Staaten“, 2000

 

Allgemeines Gesetzbuch über Verbrechen und derselben Bestrafung ist das gewisse aufgeklärte Grundsätze verwirklichende Strafgesetzbuch Österreichs von 1787, das noch vom Strafzweck der Abschreckung ausgeht.

Lit.: Baltl/Kocher

Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten (ALR) ist das als -> Kodifikation zum 1. 6. 1794 in Kraft gesetzte umfassende Vernunftrechtsgesetzbuch -> Preußens. Ihm gehen als ältere, im Ergebnis erfolglose Versuche der Rechtsvereinheitlichung ein Ersuchen Friedrich Wilhelms I. von Preußen an die juristische Fakultät der Universität Halle (1714) und das von Samuel von -> Cocceji bearbeitete Projekt eines Corpus juris Fridericiani Friedrichs des Großen voraus. Als Folge des sog. -> Müller-Arnold-Prozesses erarbeiten nach einer Kabinettsorder Friedrichs des Großen Johann Heinrich Casimir von -> Carmer und Carl Gottlieb -> Svarez an Hand des römischen Rechtes nach natürlicher Ordnung und der Sonderrechte der einzelnen Provinzen einen vom König als zu weitläufig zurückgewiesenen Entwurf aus. Nach Überarbeitung wird 1791 ein Entwurf eines -> Allgemeinen Gesetzbuches für die preußischen Staaten vorgelegt und 1794 nach dem 1793 bei der Teilung Polens erfolgten Erwerb umfangreicher Gebiete als A. L. R. erlassen. Das Gesetz umfasst in zwei Teilen mit 23 und 20 Titeln sowie 19194 Paragraphen (fast) das gesamte private und öffentliche Recht (Privatrecht, Gemeinderecht, Beamtenrecht, Staatsrecht, Kirchenrecht, Lehnrecht, Strafrecht), das es fürsorglich und kasuistisch abhandelt. Sein vom einzelnen zum Staat fortschreitender Aufbau ist vernunftrechtlich. Anknüpfungspunkt ist (noch) nicht der Mensch als ohne weiteres rechtsfähiges Wesen, sondern der Mensch, soweit er nach Geburt, persönlichen Verhältnissen und Stand Rechte und Pflichten hat. Inhaltlich stellt es in seiner Ausrichtung auf das gemeine Wohl einen Ausgleich zwischen altständischer Gesellschaft und aufgeklärter Freiheit dar, welcher die fortschrittlichen Ideen des Bürgertums nur eingeschränkt verwirklicht. Durch das -> Bürgerliche Gesetzbuch wird es zum 1. 1. 1900 abgelöst.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 140, 184, 151, 160, 198; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967; Conrad, H., Die geistigen Grundlagen des ALR, 1958; Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794, hg. v. Hattenhauer, H., 3. A. 1996; Koselleck, R., Preußen zwischen Reform und Revolution, 1975; Das nachfriderizianische Preußen 1786-1806, hg. v. Hattenhauer, H. u. a., 1988; Schwennicke, A., Die Entstehung der Einleitung des preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794, 1993; Friedrich Carl von Savigny, Landrechtsvorlesung 1824, hg. v. Wollschläger, C. u. a., 1994ff.; Gemeinwohl - Freiheit - Vernunft - Rechtsstaat, hg. v. Ebel, F., 1995; Das Preußische Allgemeine Landrecht, hg. v. Wolff, J., 1995; 200 Jahre allgemeines Landrecht, hg. v. Dölemeyer, B. u. a., 1995; Entwurf eines allgemeinen Gesetzbuches für die Preußischen Staaten, hg. v. Krause, P., Bd. 1ff. 1996ff.; Finkenauer, T., Vom Allgemeinen Gesetzbuch zum Allgemeinen Landrecht, ZRG GA 113 (1996), 40; Benthaus, R., Eine „Sudeley“?, Diss. jur. Kiel 1996; Reformabsolutismus und ständische Gesellschaft, hg. v. Birtsch, G., 1998; Zur Ideen- und Rezeptionsgeschichte des Preußischen Allgemeinen Landrechts, hg. v. Gose, W. u. a., 1999

allgemeines Persönlichkeitsrecht ist das einer Person an ihrer Persönlichkeit insgesamt zustehende Recht. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht wird im Gegensatz zum Bürgerlichen Gesetzbuch in Deutschland durch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes aus dem Jahre 1958 (BGHZ 26, 349) anerkannt. Als Rechtsgrund wird Art. 2 I ff. GG angesehen.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.

Allgemeines Vermögensgesetzbuch für das Fürstentum Montenegro ist ein vor allem unter der Mitarbeit Baltazar -> Bogisics (1834-1908) 1888 in Kraft gesetztes Privatrechtsgesetzbuch (ohne Familienrecht und Erbrecht).

Lit.: Zimmermann, W., Valtazar Bogisic (1834-1908), 1962

Alliierte -> Alliierte Hohe Kommandantur

Alliierte Hohe Kommandantur Berlin ist das gemeinsame Organ der Vereinigten Staaten von Amerika, der Sowjetunion, Großbritanniens und Frankreichs für Berlin seit Juli 1945. Nach dem Auszug des sowjetischen Stadtkommandanten am 16. Juni 1948 tagen die 3 westlichen Stadtkommandanten allein. Die Hoheitsgewalt über -> Berlin (West) wird bis zur Vereinigung Berlins (1990) von den drei Westalliierten ausgeübt.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Schiedermair, H., Der völkerrechtliche Status Berlins, 1975; Grant, H., Die Alliierten und die Teilung Deutschlands, 1985

Alliierte Hohe Kommission ist das oberste Organ der Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritanniens und Frankreichs für die Bundesrepublik Deutschland einschließlich der westlichen Sektoren Berlins vom 21. 9. 1949 bis 5. 5. 1955. Die A. H. K. hat ihren Sitz auf dem Petersberg bei Königswinter. Sie besteht aus den 3 Hohen Kommissaren der beteiligten Mächte.

Alliierter Kontrollrat ist das am 30. 7. 1945 errichtete Organ der Vereinigten Staaten von Amerika, der Sowjetunion, Großbritanniens und Frankreichs für die Ausübung der obersten Gewalt in Deutschland, insbesondere die Entscheidung aller Deutschland als Ganzes betreffenden Fragen. Der Alliierte Kontrollrat erlässt auch Gesetze. Am 20. 3. 1948 stellt er wegen der gegensätzlichen Ansichten der westlichen Mächte einerseits und der Sowjetunion andererseits seine Tätigkeit ein.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 245; Jaenicke, G., Der Abbau der Kontrollratsgesetzgebung, 1952; Etzel, M., Die Aufhebung von nationalsozialistischen Gesetzen, 1992; Schmoeckel, M., Die Aufhebung von nationalsozialistischen Gesetzen, ZRG 112 (1994), 431; Mai, G., Der Alliierte Kontrollrat in Deutschland, 1995

Allmende ist die mehreren zur allgemeinen Nutzung zustehende Wirtschaftsfläche. Es ist zweifelhaft, ob die Anfänge der vor allem im Hochmittelalter bezeugten A. in die germanische Landnahme zurückreichen. Inhaltlich besteht die A. aus Wäldern, Weide und Ödland. Nutzungsberechtigt sind regelmäßig die Inhaber von Hofstellen bestimmter Größe (Markgenossen). Schon seit der fränkischen Zeit versucht der König und später auch der Landesherr, ein Allmendregal durchzusetzen. Das 19. Jh. strebt nach Beseitigung der A. zugunsten von Alleineigentum. -> Alm

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 96, 121; Grass, N., Beiträge zur Rechtsgeschichte der Alpwirtschaft, 1948; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.

Allod ist das keinen zusätzlichen Beschränkungen unterliegende Familiengut. Es steht insbesondere im Gegensatz zu -> Lehen. In Deutschland gibt es immer A., während in Frankreich A. eher selten und in England A. seit 1066 verschwunden ist. A. kann zu Lehen gemacht werden und Lehen in A. verwandelt werden. Mit dem 19. Jh. geht A. in -> Eigentum auf.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, WAS; Chenon, E., Étude sur l’histoire des alleux en France, 1888; Ebner, H., Das freie Eigen, 1969

Allodifikation ist die Umwandlung von Lehen in -> Allod. Tatsächlich findet in der Neuzeit eine allmähliche A. der deutschen Landesfürstentümer statt. Innerhalb der Landesfürstentümer erfolgt eine A. der Lehen von 1702 (Preußen) bis 1919 (Mecklenburg).

Lit.: Köbler, DRG 211; Loewe, V., Die Allodifikation der Lehen unter Friedrich Wilhelm I., in: Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte 11 1898

Allthing ist die vielleicht 930 eingerichtete politische Versammlung der seit der 2. Hälfte des 9. Jh.s vor allem von Westnorwegen aus besiedelten Insel -> Island. Das A. wird in der zweiten Junihälfte jedes Jahres im Südwesten abgehalten. Teilnahmeberechtigt ist jeder thingsteuerfähige Freie, teilnahmeverpflichtet jeder Häuptling (Gode) und jeder neunte Mann. Auf dem A. hat der Gesetzessprecher oder Rechtssprecher (lögsögumadr) das Recht vorzutragen, ist Recht zu setzen und zu klären und müssen Urteile gefällt werden. 1271/81 endet diese ältere Gestaltung. 1798 wird das A. aufgelöst.

Lit.: Kuhn, H., Das alte Island, 1971

Alm -> Almrecht

Almrecht ist das Recht der Alp oder (aus alben kontrahiert) Alm als der hochgelegenen Weidefläche. Diese gehört teils Genossenschaften, teils Grundherren. Das Eigentum an den Grundstücken ist oft durch besondere Rechte und Dienstbarkeiten eingeschränkt.

Lit.: Grass, N., Beiträge zur Rechtsgeschichte der Alpwirtschaft, 1948; Carlen, L., Das Recht der Hirten, 1970; Tremel, F., Zur Rechtsgeschichte des Almwesens, FS N. Grass Bd. 2 1975, 3

alodis (lat.-afränk.) -> Allod

alte Kulm -> Kulm

Altenteil ist eine Bezeichnung für die einem Bauern und seinem überlebenden Ehegatten nach Übergabe seines Hofes an seinen Nachfolger zustehende Versorgung. Das A. wird bei freien Bauern durch Vertrag vereinbart, bei grundherrschaftlichen Bauern auch in Hofrechten festgelegt. Es haftet am Hofgrundstück. Die Anerbengesetzgebung des 19. Jh.s kennt eine gesetzliche Regelung, deren Ausgestaltung der Vereinbarung überlassen ist.

Lit.: Piepenbrock, J., Die Entwicklung des Altenteils oder der Leibzucht, 1925 (Diss.); Weiland, H., Die geschichtliche Entwicklung des bäuerlichen Altenteils, 1940; Schäfer, A., Übernahme und Altenteil, Diss. jur. Bonn 1994

Alter ist eine für das Recht in verschiedener Hinsicht bedeutsame, durch die dem Menschen vorgegebene Dimension Zeit bedingte Erscheinung menschlichen Lebens. Schon das römische Recht unterscheidet zwischen Kleinkindern (lat. [M.Pl.] infantes), Nochnichtgeschlechtsreifen (lat. [M.Pl.] impuberes) und Geschlechtsreifen (lat. [M.Pl.] puberes), wobei der Eintritt der Reife bei Männern mit vollendetem 14., bei Frauen mit vollendetem 12. Lebensjahr angenommen wird und volle Geschäftsfähigkeit bedeutet. Allerdings besteht bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres ein besonderer Schutz bei Rechtsgeschäften. Nach den frühmittelalterlichen Volksrechten tritt Mündigkeit zunächst nach der jeweiligen einzelnen Geschlechtsreife ein, später mit der Vollendung des 10. oder 12. Lebensjahres. Der Unmündige kann bestimmte Handlungen nicht vornehmen, andere nach Erreichen der Mündigkeit widerrufen. Die väterliche Gewalt dauert aber bis zur -> Abschichtung fort. Nach dem Sachsenspiegel kann diese Rechtsstellung des Unmündigen freiwillig bis zum Ablauf des 21. Lebensjahres fortgeführt werden. Mit der Rezeption dringt die römische Regelung der (lat. [F.]) infantia ein. Wer älter als sieben Jahre alt ist, kann Rechte erwerben, aber bis zur Volljährigkeit (meist 25 Jahre) keine Pflichten begründen.

Lit.: Kaser § 14; Hübner 63ff.; Eckhardt, K., Die Volljährigkeitsgrenze von 24 Jahren, ZRG GA 61 (1941), 1; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Aging and the Ages, hg. v. Sheehan, M., 1990; Alter und Gesellschaft, hg. v. Borscheid, P., 1995

alteri stipulari nemo potest (lat.). Für einen anderen kann man sich nichts versprechen (bzw. sich versprechen lassen).

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 29, Nr. 81 (Ulpian 170-223)

Alternativentwurf zur Strafrechtsreform ist ein 1966 von reformfreudigen deutschen Strafrechtsprofessoren vorgelegter Entwurf, der die Liberalisierung des deutschen Strafrechts in der anschließenden Novellierung maßgeblich mitbestimmt.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.

Altershilfe für Landwirte ist eine durch Gesetz vom 27. 7. 1957 in Deutschland errichtete Sparte der Sozialversicherung, welche von Alterskassen bei den landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften betrieben wird.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.

Altersversicherung -> Sozialversicherung

Altertum ist der mit den ersten schriftlichen Aufzeichnungen (3000-2800 v. Chr.) bzw. dem 11. Jh. v. Chr. beginnende, vor allem die Völker der Gegend vom Mittelmeer (Griechen, Römer) bis zum Zweistromland erfassende und mit der Völkerwanderung (476 Eroberung Westroms durch die Germanen) allmählich endende geschichtliche Abschnitt der menschlichen Entwicklung. -> Antike

Lit.: Der Kleine Pauly, hg. v. Ziegler, K. u. a., Bd. 1ff. 1975ff.; Buchwald, W. u. a., Tusculum-Lexikon griechischer und lateinischer Autoren, 3. A. 1982; Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, Gesamtregister I, II, 1997ff. (mit CD-ROM)

Althochdeutsch ist die normalisierende Bezeichnung der zwischen (500 bzw.) 750 und 1050 als der alten deutschen Sprachperiode im südlichen (hochgelegenen) Deutschland (Alemannen, Bayern, Franken) gesprochenen, dem -> Mittelhochdeutschen vorausgehenden Sprachen (z. B. althochdeutsches Lex-Salica-Bruchstück).

Lit.: Sonderegger, S., Althochdeutsch als Anfang, 1977; Köbler, G., Wörterbuch des althochdeutschen Sprachschatzes, 1993; Köbler, G., Taschenwörterbuch des althochdeutschen Sprachschatzes, 1994; Meinecke, E./Schwerdt, J., Einführung in das Althochdeutsche, 2001

Althusius (Althaus), Johannes (Diedenshausen bei Berleburg 1557 - Emden 12. 8. 1638), Hofpredigerssohn, wird nach dem Studium in Marburg, Köln, Basel (Amerbach) und Genf (D. Gothofredus) nach Herborn (1588) berufen. Von 1604 bis 1638 wirkt er in Emden als Ratssyndikus. Sein Hauptwerk (lat. [F.] Politica methodice digesta, 1603) ist der erste deutsche Versuch einer systematischen Staatslehre, den A. zu einer allgemeinen, mit noch mittelalterlicher Naturrechtsvorstellung behafteten Rechtslehre ausbaut, der aber letztlich von beschränkter Wirkung bleibt.

Lit.: Köbler, DRG 148; Gierke, O. v., Johannes Althusius, 6. A. 1968, Neudruck 1980; Althusius-Bibliographie, hg. v. Scupin, H. u. a., Bd. 1 1973; Politische Theorie des Johannes Althusius, hg. v. Dahm, G. u. a., 1988

Altmärkische Glosse zum Sachsenspiegel -> Stendaler Glosse

altsächsisch ist die zwischen (500 bzw.) 750 und 1200 als der alten deutschen Sprachperiode von den Sachsen gesprochene, dem Mittelniederdeutschen vorausgehende Sprache (z. B. -> Heliand).

Amerbach, Bonifacius (Basel 1495-1562), Professor der Pandekten in Basel und Anwalt (Familie aus Amorbach).

Lit.: Hagemann, H., Die Rechtsgutachten des Bonifacius Amerbach, 1997

Amerika ist der frühgeschichtlich von Sibirien aus (von Indianern) besiedelte, 1492 von Kolumbus auf der Suche nach Indien (nochmals) entdeckte, im Süden von Spanien und Portugal und im Norden vor allem von England und Frankreich in Besitz genommene Kontinent, dessen verschiedene Kolonien bzw. Staaten sich seit dem 18. Jahrhundert von den Kolonialmächten lösen, aber im 20. Jahrhundert von den -> Vereinigten Staaten von A. stark geprägt werden.

Lit.: Die neue Welt, hg. v. Edelmayer, F. u. a., 2001

Amira, Karl von (Aschaffenburg 8. 3. 1848 - München 22. 6. 1930), Richterssohn, wird nach dem Studium in München (Maurer) 1875 ordentlicher Professor in Freiburg im Breisgau und 1892 in München. Seine Hauptwerke betreffen die germanischen Todesstrafen (1922), Nordgermanisches Obligationenrecht (1882 ff.) und die Dresdener Sachsenspiegelbilderhandschrift (1902, 1925/6).

Lit.: Puntschart, P., Karl von Amira und sein Werk, 1932; Karl von Amira zum Gedächtnis, hg. v. Landau, P. u. a., 1999

Amortisationsgesetz ist ein weltliches Gesetz, welches die Freiheit des kirchlichen (oder auch jüdischen) Grunderwerbs und die Zunahme des abgabenfreien Kirchengutes einschränkt (z. B. Lübeck 1220/6, Judenburg 1269, Österreich 1303, vgl. Ssp LR I 25 § 1, ALR II 11 § 1199). Das österreichische Konkordat von 1855 und Art. 137 III WRV beseitigen diese wenig wirksamen Beschränkungen endgültig.

Lit.: Kahl, W., Die deutschen Amortisationsgesetze, 1879; Olivier-Martin, F., Histoire du droit français, 2. A. 1951, 483f.

Amsterdam an der Mündung der Amstel in das Ijsselmeer entsteht um 1270 und erhält um 1300 Stadtrecht. 1632 wird eine Universität eingerichtet.

Lit.: Koning, H., Amsterdam 1977

Amt ist die Aufgabe oder der Dienst. Im römischen Recht hat nach dem Sturz des Königs vom Jahr 510 v. Chr. der Höchstmagistrat das höchste A. der Republik. Hieraus entwickelt sich durch Schaffung weiterer Magistraturen ein nach Zuständigkeiten gegliedertes System der Träger herrschaftlicher Gewalt. Dieses wird durch die Einführung des Prinzipats abgeändert (Ressortbezogenheit, auf den Kaiser ausgerichtete Hierarchie, Rangklassen, Qualifikationskriterien, Besoldung). Zu den leitenden Ämtern treten zahlreiche nachgeordnete Dienststellen hinzu. In der fränkischen Zeit wird dieses System zwar grundsätzlich übernommen, aber erheblich vereinfacht. Hinzu kommt eine verstärkte personelle Bindung durch die Belehnung. Insbesondere das A. des Grafen wird als Lehen übertragen. Bald danach werden die dem Adel verliehenen Ämter durch ihre Inhaber dem König entzogen und zu eigenem Recht behauptet. In den seit dem 12. Jh. dementsprechend entstandenen Ländern ersetzt der Landesherr die Lehnsmannen durch festbesoldete absetzbare Amtsträger und macht das A. wieder zur staatlichen Einrichtung. Das örtliche Tätigkeitsgebiet wird zum A. im räumlichen Sinn. Wer mit einem A. betraut ist, ist Beamteter und wird zum -> Beamten. Seit dem 17. Jh. entstehen Verzeichnisse der Ämter (Amtskalender z. B. in England, Frankreich, dem Kirchenstaat um 1670, in Österreich um 1610 [1692], in Kursachsen 1702, in Preußen 1704 oder in Nürnberg 1705).

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 111, 197, 258; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 1; Keutgen, F., Ämter und Zünfte, 1903; Scheyhing, R., Eide, Amtsgewalt und Banngewalt, 1960; Richardson, H./Sayles, G., The Governance of Medieval England, 1963; Bauer, V., Repertorium territorialer Amtskalender, Bd. 1f. 1997ff.

Ämtertraktat -> Decurio de gradus

Amtmann ist der Inhaber eines Amtes. Im Mittelalter ist A. vor allem der Verwalter eines grundherrlichen Hofverbandes (im Südwesten auch der Dorfvorsteher) und danach der Leiter eines landesherrlichen Amtsbezirkes. Seit 1921 ist A. ein Beamter des gehobenen Dienstes.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 113, 151; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Agena, K., Der Amtmann im 17. Jahrhundert, 1972; Kroeschell, K., Der Amtmann, http://www.rewi.hu-berlin.de/FHI/zitat/0201kroeschell.htm; Klingebiel, T., Ein Stand für sich? Lokale Amtsträger in der frühen Neuzeit, 2002

Amtsbuch ist ein Buch (oder eine Rolle), welche(s) zur Ausübung eines -> Amtes gehörige Eintragungen enthält. Solche Amtsbücher sind seit dem Ende der römischen Republik die (lat. [M.Pl.]) commentarii der Magistrate und Priester sowie später des Kaisers. Im Mittelalter werden seit dem 12. Jh. viele Amtsbücher eingerichtet. -> Stadtbuch

Lit.: Der kleine Pauly, hg. v. Ziegler, K. u. a., Bd. 1 1986, 1257ff.; Reetz, J., Hamburgs mittelalterliche Stadtbücher, Z. d. Ver. f. Hamburg. 44 (1958), 95

Amtsgericht ist das seit der frühen Neuzeit partikular für den Umfang eines -> Amtes (Verwaltungsbezirkes) eingerichtete -> Gericht, das durch das deutsche Gerichtsverfassungsgesetz 1877/9 zum einheitlichen Eingangsgericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit bestimmt wird.

Lit.: Köbler, DRG 200, 261; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Steinbach, E./Kniffka, R., Strukturen des amtsgerichtlichen Zivilprozesses, 1982

Amtsherzogtum ist das als königliches Amt vergebene -> Herzogtum (9. Jh.) im Gegensatz zu dem aus der Heerführerschaft eines Volkes erwachsenden -> Herzogtum.

Lit.: Goetz, H., „Dux“ und „ducatus“, 1974

Amtskalender -> Amt

Amtspflichtverletzung ist die Verletzung einer einem Amtsträger gegenüber einem Dritten obliegenden Pflicht. Sie begründet nach § 839 BGB (1900) einen Schadensersatzanspruch.

Lit.: Köbler, DRG 217

Amtsrecht ist im römischen Recht das vom Amtsträger geschaffene Recht (lat. -> ius [N.] honorarium).

Lit.: Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988

Amtssasse ist der im Gerichtsstand erster Instanz dem örtlichen Amt zugeordnete -> Landsasse.

Amtsverfolgung ist die Verfolgung eines Unrechtserfolges durch die Allgemeinheit bzw. den Staat von Amts wegen ohne Antrag des Verletzten. Sie findet sich bereits in Rom und erscheint seit dem Frühmittelalter. -> Offizialmaxime

Amtsvergehen ist das in einem -> Amt begangene Vergehen. Als gedankliche Einheit werden die A. erst gegen Ende des 17. Jh.s erkannt. Noch das preußische Allgemeine Landrecht (1794) behandelt im Abschnitt Verbrechen der Diener des Staates strafrechtliche und disziplinare Sanktionen nebeneinander. Unter französischem Einfluss wird danach das Standesdisziplinarrecht der Beamten vom Strafrecht geschieden. Im preußischen Strafgesetzbuch von 1851 werden Verbrechen und Vergehen im Amt als Sonderdeliktsgruppe zusammengefasst.

Lit.: Stock, U., Entwicklung und Wesen der Amtsverbrechen, 1932; Schmitt-Weigand, A., Rechtspflegedelikte in der fränkischen Zeit, 1962

Analogie ist der bereits der griechischen Philosophie bekannte Schluss von der (eigentlichen) Gleichheit mindestens zweier zunächst verschieden behandelter Tatbestände auf die (wegen der Gleichheit notwendige) Ausdehnung der Rechtsfolge eines (ersten) Tatbestandes auf den zweiten oder weiteren Tatbestand.

Lit.: Langhein, A., Das Prinzip der Analogie als juristische Methode, 1992; Chanos, A., Begriff und Geltungsgrundlagen der Rechtsanalogie, 1994; Schröder, J., Zur Analogie, ZRG GA 114 (1997), 1

Analogieverbot ist das Verbot für alle im Strafverfahren beteiligten staatlichen Stellen, -> Analogie eines Strafgesetzes zu Ungunsten des Handelnden vorzunehmen. Seit dem späten 18. Jh. wird Analogie zuungunsten Handelnder verboten (Österreich 1787). Im Dritten Reich wird das A. aufgehoben. -> Nullum crimen, nulla poena sine lege.

Lit.: Köbler, DRG; Rüping, H., Grundriß der Strafrechtsgeschichte, 3. A. 1998; Weber, W., Analogie- und Rückwirkungsverbot, Diss. jur. Bonn 1998

analytical jurisprudence ist die von John -> Austin (1790-1859) begründete Strömung der englischen Rechtswissenschaft.

ancien régime ist die Bezeichnung für die monarchisch-feudale Regierungsform (in Frankreich vor der Französischen Revolution des Jahres 1789 bzw. allgemein) zwischen etwa 1650 und 1800.

Lit.: Köbler, DRG 129, 132

andelang ist ein bei der Übereignung von Grundstücken im fränkisch-alemannischen Gebiet bis zum Ende des 11. Jh.s verwendeter Gegenstand (Handschuh?).

Lit.: Frommhold, G., Das andelang-Rätsel, ZRG GA 35 (1914), 426

Andernach am Rhein führt von 1173 bis 1256 einen den Schreinskarten von Köln ähnlichen Rotulus (-> Grundbuch).

Lit.: Kroeschell, DRG 2

Andlau -> Peter von

Andorra ist eine aus sechs Tälern zusammengefasste Tallandschaft im Südosten der ibero-baskisch besiedelten Pyrenäen. Seit dem späten 9. Jh. lassen sich dort Abgabenrechte der Grafen von Urgel und der Bischöfe von Urgel feststellen. Im 11. Jh. treten die verschiedenen Täler zu einer Einheit zusammen. Am 8. 9. 1278 werden durch Schiedsspruch (Paréage) Unklarheiten beseitigt. Die Rechte der Grafen fallen über Zwischenstufen 1607 bzw. 1620 an Frankreich. Das ursprüngliche Recht Andorras nimmt römische und katalanische Sätze auf. 1748 wird das Gewohnheitsrecht aufgezeichnet. In der Gegenwart ist A. ein Fürstentum, dessen von den Souveränen (Staatspräsident Frankreichs, Bischof von Urgel) delegierte Rechte durch einen französischen Departementspräfekten und einen spanischen Provinzzivilgouverneur bzw. ihre Vikare (Viguier, Viguer) wahrgenommen werden.

Lit.: Engels, O., Schutzgedanke und Landesherrschaft, 1970; Belinguier, B., La condition juridique des vallées d’Andorre, 1970; Ourliac, P., La juris­prudence civile d’Andorre, 1972

Anefang ist das rechtsförmliche Anfassen einer abhandengekommenen und vom Verfolger wiedergefundenen beweglichen Sache unter der Behauptung des Eigentums. Der A. bedeutet eine Klageerhebung gegen den Besitzer, der sich im nachfolgenden Verfahren verteidigen muss. Vor Gericht kann der Besitzer sich insbesondere dadurch vor dem Diebstahlsvorwurf befreien, dass er die Sache demjenigen übergibt, von dem er sie erhalten hat. Führt dies zur Entdeckung des Diebes, so muss dieser die Sache herausgeben und Diebstahlsbuße leisten. Seit dem Hochmittelalter geht der A. allmählich in die Herausgabeklage (bzw. den -> Herausgabeanspruch) über.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 86, 91; Köbler, WAS; Rauch, K., Spurfolge und Anefang, 1908; Scherner, K., Salmannschaft, Servusgeschäft und venditio iusta, 1971

Aneignung ist der Erwerb des Eigentums an einer herrenlosen (eigentümerlosen) Sache. Die ersten Aneignungen fallen in die Anfangszeit des Rechts überhaupt. Im Laufe der Geschichte wird die A. vom abgeleiteten Eigentumserwerb (-> Übereignung) zurückgedrängt, so dass A. ziemlich selten wird.

Lit.: Kaser § 26 I 1; Köbler, DRG 24, 40, 73, 90, 124; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Anerbe ist der durch das -> Anerbenrecht begünstigte -> Erbe.

Lit.: Köbler, DRG 123, 162, 175, 210

Anerbenrecht ist das Recht des Übergangs eines landwirtschaftlichen Betriebs auf einen einzelnen von mehreren vorhandenen Erben. Eine derartige Gestaltung bildet sich spätestens im mittelalterlichen Reich aus, wobei grundherrschaftlicher Einfluss gestaltend gewesen sein kann. Daneben ist aber Realteilung in Mitteldeutschland und Süddeutschland verbreitet. Der Liberalismus lehnt das A. als freiheitsfeindlich ab. Aus wirtschaftlichen Gründen sehen partikulare Gesetze aber seit dem 19. Jh. A. vor, das dann zur Anwendung kommt, wenn der Hofinhaber nicht durch letztwillige Verfügung einen Hoferben auswählt. Das Reichserbhofgesetz des Jahres 1933 verallgemeinert die Anerbenrechtsregelung des Höfegesetzes Hannovers (1909). 1947 treten in der französischen und amerikanischen Besatzungszone die alten Anerbengesetze wieder in Kraft. In der britischen Besatzungszone wird eine Höfeordnung erlassen, welche das Bundesverfassungsgericht, wegen der Bevorzugung der Söhne, 1963 als verfassungswidrig ansieht.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Gebb, J., Über den Versuch des deutschen Anerbenrechts, Diss. jur. Greifswald 1955; Kroeschell, K., Geschichtliche Grundlagen des Anerbenrechts, Agrarrecht 6 (1978), 147

Anerkenntnis -> Schuldanerkenntnis

Anerkennungszins ist der wegen seiner geringen Höhe wirtschaftlich bedeutungslose, aber als erkennbares Zeichen eines bestehenden Abhängigkeitsverhältnisses rechtlich bedeutsame Zins (z. B. Freigelassener, Erbbauberechtigter usw.).

Lit.: Schröder, R./Künßberg, E. v., Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte, 7. A. 1932, Neudruck 1966

Anfechtung ist die nachträgliche Beseitigung einer eingetretenen Rechtswirkung durch Willenserklärung und bzw. oder Verfahrenshandlung des durch die Rechtswirkung Betroffenen. In diesem Sinne ermöglicht bereits die -> (lat.) querela [F.] inofficiosi testamenti des klassischen römischen Rechtes die Entkräftung eines Testamentes, das bestimmte nahe Angehörige des Erblassers übergeht. Im spätantiken Recht werden auch die Fälle der (lat.) -> in integrum restitutio (F.) so verstanden. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) ordnet die A. im Allgemeinen Teil ein.

Lit.: Kaser § 9 I 1; Hübner; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 209; Harder, M., Die historische Entwicklung der Anfechtbarkeit von Willenserklärungen, AcP 173 (1973), 209

Anfechtungsklage ist eine Klage, welche auf die nachträgliche Beseitigung bestimmter Rechtsfolgen durch Urteil gerichtet ist. Im 19. Jh. gibt es eine A. gegen den Beschluss auf Eröffnung des Konkurses oder gegen polizeiliche Verfügungen.

Lit.: Köbler, DRG 263

angariae (lat. [F.Pl.]) Spanndienste, Beherbergungspflichten in Antike und Frühmittelalter

Lit.: Köbler, LAW; Brunner, H., Deutsche Rechtsgeschichte, 2. A. Bd. 2 1928, 308

Angebot ist die auf den Abschluss eines -> Vertrages gerichtete -> Willenserklärung.

Angelsachse ist der Angehörige der seit etwa 775 (Beda, Paulus Diaconus) mit der Sammelbezeichnung Angelsachsen benannten, im 5./6. Jh. unter den sagenhaften Führern Hengist und Horsa von Norddeutschland auf die britischen Inseln auswandernden -> Sachsen, Angeln (aus Schleswig) und Jüten. Die Angelsachsen bilden unter Verdrängung der einheimischen -> Kelten mehrere Kleinkönigreiche (Kent, Sussex, Wessex, Essex, East Anglia, Mercia, Northumbria), in welchen sie von römischen und von schottischen Missionaren zum Christentum bekehrt werden. Den Königen von Wessex gelingt im 9. Jh. die Einigung, doch werden die Angelsachsen 1016-42 von den Dänen beherrscht und 1066 bei Hastings von dem -> Normannen Wilhelm dem Eroberer unterworfen.

Lit.: Köbler, DRG 81; Liebermann, F., Die Gesetze der Angelsachsen, Bd. 1ff. 1913ff., Neudruck 1960; Wilson, D., The Anglo-Saxons, 2. A. 1970; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 3. A. 1990; The Anglo-Saxons, hg. v. Hines, J., 1997

angelsächsisches Recht ist das Recht der -> Angelsachsen. Es ist überliefert durch Gesetzbücher der angelsächsischen Könige des 7. bis 11. Jh.s, durch allgemeine Rechtsaufzeichnungen unbekannter Verfasser und durch Urkunden und allgemeine Geschichtsquellen. Den Beginn bilden die in der Volkssprache niedergeschriebenen Rechtssätze Aethelberhts von Kent (597-616) und in jüngerer Überlieferung Ines von Wessex (688-94). Von Alfred dem Großen von Wessex stammt ein (ae.) domboc (887-99), von König Knut eine weitere umfangreiche Sammlung (1018-23). Nichtoffizielle Kompilationen stellen der -> Quadripartitus, die Leis Willelme (A. 12. Jh.), die Consiliatio Cnuti (12. Jh.) und die -> Leges Henrici Primi (1114-18) dar, mit denen das angelsächsische Recht noch weit in die normannische Zeit Englands reicht. Die Überlieferung ist auf wenige Handschriften beschränkt, so dass mit deutlichen Verlusten zu rechnen ist. Christlicher Einfluss ist unübersehbar. Die Abgrenzung von aufgezeichnetem Gewohnheitsrecht und neuem, gemeinsam mit Bischöfen und Adel gesetztem Recht bereitet Schwierigkeiten. Hauptgegenstand der „Gesetzbücher“ ist zunächst der Ausgleich von Unrechtserfolgen durch Buße an den Verletzten. Unter König Alfred nehmen kirchlicher Einfluss und königliche Anordnung zu. Ein Bezug auf geschriebenes Recht findet sich in den überlieferten Rechtsfällen, die vor dem vom reeve, ealdorman oder scirman des Königs geleiteten örtlichen Gericht verhandelt werden, nicht.

Lit.: Liebermann, F., Die Gesetze der Angelsachsen, Bd. 1f. 1903ff., Neudruck 1960; Brunner, H., Geschichte der englischen Rechtsquellen im Grundriß, 1909; Attenborough, F., Laws of the Earliest English Kings, 1922; Sawyer, P., Anglo-Saxon Charters, 1968; Harding, A., Law Courts of medieval England, 1973; Korte, D., Untersuchungen zu Inhalt, Stil und Technik angelsächsischer Gesetze und Rechtsbücher des 6.-12. Jahrhunderts, 1974; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 3. A. 1990; Scharer, A., Herrschaft und Repräsentation, 2000

Angestellter ist ein Arbeitnehmer, der vorwiegend geistige Arbeit leistet. Die Gruppe der Angestellten wird im 19. Jh. als besonderer Teil der Arbeitnehmer erkannt.

Lit.: Hromadka, W., Das Recht der leitenden Angestellten, 1979; Bichler, B., Die Formierung der Angestelltenbewegung, 1997; Schulz, G., Die deutschen Angestellten, 2000

Anhalt über dem Selketal ist eine vielleicht um 1050 errichtete Burg, nach der sich ein seit etwa 1000 erkennbares Geschlecht (-> Askanier) benennt, dessen Angehörige als einzige Grafen seit 1218 dem Reichsfürstenstand angehören. Nach vielen Teilungen kommen die Güter 1863 im Herzogtum A. wieder zusammen, das am 12. 11. 1918 Freistaat wird. Am 9. 7. 1945 wird A. innerhalb der sowjetischen Besatzungszone mit der Provinz Sachsen -> Preußens vereinigt und 1947 dem neugebildeten Land -> Sachsen-Anhalt eingegliedert.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schröder, A., Grundzüge der Territorialentwicklung der anhaltinischen Lande, Anhalt. Geschichtsbll. 2 (1926); Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,2895; Marcus, P., Herzog Bernhard von Anhalt, 1993

animo (lat.) durch Beherrschungswillen, -> possessio, -> animus

animus (lat. [M.]) -> Wille

animus (M.) domini (lat.) Eigentümerwille

animus (M.) donandi (lat.) Schenkungswille -> Schenkung

animus (M.) novandi (lat.) Abänderungswille -> Novation

Anjou ist eine Seitenlinie der -> Kapetinger. Sie beherrscht die Grafschaft Provence, Sizilien (1265-82, Sizilien-Trinakria), Neapel (1265-1435, Sizilien-Neapel), Ungarn (1308-86) und Polen (1370-86) sowie in einer jüngeren Linie Lothringen (1431-73). Die Landschaft A. (der keltischen Andekaver) um Angers zählt von 1154 bis 1204 unter dem Haus -> Plantagenet zu -> England. 1480/1 fallen A. und Provence an den König von -> Frankreich.

Lit.: Gillingham, J., The Angevin Empire, 1984; Michalsky, T., Memoria und Repräsentation, 1999

Anklage ist die vor Gericht gegen eine bestimmte Person wegen einer bestimmten Straftat erhobene Anschuldigung. Sie tritt erst mit der Entstehung allgemeiner Streitbeendigungseinrichtungen auf. In Rom erfolgt der Übergang zu einer allgemeinen staatlichen Strafverfolgung seit dem 2. vorchristlichen Jh. Danach erscheint eine Popularanklage bei Verfolgung gemeiner Verbrechen. Jeder Bürger kann durch Anzeige die A. vorbringen und erhält im Falle des Erfolges einen Lohn. Im deutschen Mittelalter bildet die A. die Voraussetzung für den besonderen, seit dem 14. Jh. sichtbaren -> Anklageprozess.

Lit.: Köbler, DRG 156, 202, 118; Grossmann, S., Masken des Anklägers – Geschichte des Anklägers im amerikanischen Strafprozess, Diss. jur. Frankfurt am Main 2000

Anklagegrundsatz ist der Grundsatz, dass ein Strafverfahren nur auf Grund einer Anklage betrieben werden kann.

Anklageprozess ist der Strafprozess, der eine -> Anklage (insbesondere seit dem 19. Jh. eine Anklage durch eine besondere öffentliche Anklagebehörde) (-> Staatsanwaltschaft) voraussetzt. Er ist in Frankreich eine unmittelbare Folge der Französischen Revolution von 1789. In Deutschland setzt Baden 1832 erstmals Staatsanwälte ein. 1848 wird der A. von der Verfassung der Frankfurter Paulskirche vorgesehen. -> Akkusationsprozess

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 3. A. 1965; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954

Anklam ist eine am Unterlauf der Peene vor 1243 von deutschen Siedlern angelegte Stadt, die vor 1283 der Hanse beitritt und spätestens 1292 Lübecker Stadtrecht übernimmt. Sie überliefert ein bedeutsames -> Stadtbuch.

Lit.: Das Stadtbuch von Anklam, bearb. v. Bruinier, J., Bd. 1ff. 1960ff.

Anleite ist eine Einweisung in ein fremdes Gut, insbesondere eine Einweisung des Klägers in die Güter eines wegen Prozessungehorsams geächteten Beklagten in einem sich über rund 10 Termine erstreckenden Verfahren vor dem Reichshofgericht oder einem kaiserlichen Landgericht vor 1784.

Lit.: Kohler, J., Acht und Anleite des königlichen Hofgerichts, FS G. Cohn, 1915, 1; Battenberg, F., Reichsacht und Anleite im Spätmittelalter, 1984

Annahme -> Vertrag

Annalen (Jahrbücher) sind chronologisch geordnete Aufzeichnungen über denkwürdige Begebenheiten, welche in möglicher Parallele zu spätantiken Konsullisten seit dem 8. Jh. erscheinen.

Lit.: Poole, R., Chronicles and Annals, 1926; Caenegem, R. van/Ganshof, F., Kurze Quellenkunde des westeuropäischen Mittelalters, 1964; Mc Cormick, M., Les annales, 1975; Hay, D., Annalists and Historians, 1977

Annaten sind gewohnheitsmäßig entwickelte, seit der Mitte des 13. Jh.s bei der Verleihung freier nichtkonsistorialer Benefizien allgemein an den Papst geleistete Abgaben in Höhe eines ganzen oder halben Jahresertrages, welche seit 1917 grundsätzlich untersagt sind.

Lit.: Kirsch, J., Die päpstlichen Annaten, 1903; Hoberg, H., Die Einnahmen der Apostolischen Kammer, Bd. 1f. 1955ff.

Anschluss ist die von Adolf -> Hitler 1938 nach mehrjähriger Vorbereitung durch politischen Druck herbeigeführte Angliederung -> Österreichs an das Deutsche Reich. Dem A. geht 1918 der vergebliche Versuch der aus den meisten deutschsprachigen Gebieten Österreich-Ungarns gebildeten Republik -> Deutschösterreich voraus, sich mit dem -> Deutschen Reich zu verbinden. Am 12. 2. 1938 zwingt Hitler den österreichischen Bundeskanzler Kurt von Schuschnigg, den nationalsozialistischen Sympathisanten Seyss-Inquart als Sicherheitsminister zu bestellen. Eine für den 12. 3. 1938 von Schuschnigg angesetzte Volksabstimmung für ein „freies und deutsches, unabhängiges und soziales, christliches und einiges Österreich“ unterbleibt wegen des am 11. 3. 1938 von Hitler erzwungenen Rücktritts Schuschniggs. Danach bestellt der Bundes­präsident Seyss-Inquart zum Bundeskanzler. Auf Anforderung (Bitte um „Hilfe“) Seyss-Inquarts an Hitler marschieren deutsche Truppen ein. Die Bundesregierung beschließt ein Bundesverfassungsgesetz über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich. Eine Volksabstimmung vom 10. 4. 1938 bejaht den A. zu 99,73%.

Lit.: Köbler, DRG 223; Baltl/Kocher; Kleinwächter, F./Paller, H., Die Anschlussfrage, 1930; Tirol und der Anschluss, hg. v. Albrich, T. u. a., 1988; Jung, O., Plebiszit und Diktatur, 1995; Roesler, J., Der Anschluss von Staaten, 1999

Anschütz, Gerhard (Halle/Saale 10. 1. 1867 - Heidelberg 14. 4. 1948) wird nach dem Rechtsstudium Professor in Tübingen (1899), Heidelberg (1900), Berlin (1908) und Heidelberg (1916). Er verfasst auf gesetzespositivistischer Grundlage den mit 14 Auflagen erfolgreichsten Kommentar zu der von ihm lose mitgestalteten Verfassung der -> Weimarer Republik.

Lit.: Anschütz, G., Die Verfassung des Deutschen Reiches, 14. A. 1933; Forsthoff, E., Gerhard Anschütz, Der Staat 6 (1967), 139; Gerhard Anschütz, Aus meinem Leben, hg. v. Pauly, W., 1993; Dreier, H., Ein Staatsrechtslehrer, ZNR 20 (1998)

Ansegis (bei St. Rambert bei Lyon um 770 - St. Wandrille/Fontenelle 20. 7. 833) ist ein fränkischer Benediktinerabt von St. Wandrille, welcher 827 in seinem (lat.) Legiloquus liber (M.) in einfacher Ordnung 29 (von etwa 90 heute bekannten) -> Kapitularien Karls d. Großen und Ludwigs des Frommen zusammenstellt, deren die durch zwei Redaktionen durch mehr als 60 (63), in vier Gruppen einteilbare Handschriften überliefert werden.

Lit.: Ganshof, F., Was sind die Kapitularien?, 1961; Die Kapitualriensammlung des Ansegis, hg. v. Schmitz, G., 1996

Anstalt ist die von einem Träger öffentlicher Verwaltung seit dem 18. Jh. zur Erfüllung einer besonderen Verwaltungsaufgabe errichtete, verwaltungsorganisatorisch oder rechtlich verselbständigte Verwaltungseinheit von persönlichen oder sachlichen Mitteln.

Lit.: Gerstlacher, C., Sammlung aller Baden-Durlachischen Anstalten und Verordnungen, Bd. 1ff. 1772f.; Weber, W., Die Entwicklung der Sparkassen, 1985

Anstiftung ist die vorsätzliche Bestimmung eines anderen zu einer vorsätzlich begangenen rechtswidrigen Tat (Versuch genügt). Als allgemeine Grundfigur des -> Strafrechts wird die A. erst im 19. Jh. ausgebildet.

Lit.: Schaffstein, F., Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen, 1930, Neudruck 1973

Anthropologie (F.) Menschenkunde

Lit.: Dülmen, R. van, Historische Anthropologie, 3. A. 2001

Antichrese ist das aus dem hellenistischen Bereich in das klassische römische Recht eingeführte Nutzpfand, bei dem der Pfandgläubiger mit Erlaubnis des Verpfänders die Früchte der Pfandsache ziehen darf.

Lit.: Kaser § 31; Hübner

Antike ([3000/2800 v. Chr. bzw.] 11. Jh. v. Chr. - 4./6. Jh. n. Chr.) ist der vor allem durch die Kultur der Griechen und Römer gekennzeichnete, durch die Eroberung Westroms durch Germanen im Jahre 476 abgeschlossene geschichtliche Abschnitt der menschlichen Entwicklung. -> Altertum

Lit.: Der Kleine Pauly, hg. v. Ziegler, K. u. a., Bd. 1ff. 1986; The Cambridge Ancient History, 2. A. Bd. 6, hg. v. Lewis, D., 1994; Dahlheim, W., Die Antike, 4. A. 1995; Löwe, G./Stoll, H, Lexikon der Antike, 1997; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 1997; Gehrke, H., Kleine Geschichte der Antike, 1999; Metzler Lexikon Antike, hg. v. Brodersen, K./Zimmermann, B., 1999; Lexikon der christlichen Antike, hg. v. Brauer, J./Hutter, M., 1999; Nickel, R., Lexikon der antiken Literatur, 1999; Geschichte der Antike, hg. v. Gehrke, H. u. a., 2000; Dahlheim, W., Die Antike, 6. A. 2002; Brandt, H., Das Ende der Antike, 2001; Grziwoth, H./Döbertin, W., Spaziergang durch die Antike, 2002

Antisemitismus -> Juden

Lit.: Badinter, R., Un antisémitisme ordinaire, 1997; Scheil, S., Die Entwicklung des politischen Antisemitismus in Deutschland zwischen 1881 und 1912, 1999; Walter, D., Antisemitische Kriminalität, 1999; Katholischer Antisemitismus, hg. v. Blachke, A. u. a., 2000; Kertzer, D., Die Päpste gegen die Juden, 2001; Bergmann, W., Geschichte des Antisemitismus, 2002; Ferrari Zumbini, M., Gründerjahre des Antisemitismus, 2002; El olivo y la espada, hg. v. Joan i Tous, P. u. a., 2003

Antitribonianus ist ein 1603 postum erschienenes Werk François -> Hotmans, das im Angriff auf -> Tribonian die Anwendbarkeit des Corpus iuris civilis in der Neuzeit bestreitet und die Schaffung eigener Gesetzbücher empfiehlt.

Lit.: Baron, J., Franz Hotmans Antitribonian, 1888

Antrag -> Vertrag

antrustio (lat. [M.]) ist ein im Volksrecht der -> Franken durch dreifaches Wergeld des Freien ausgezeichneter freier Königsmann.

Lit.: Bergengruen, A., Adel und Grundherrschaft im Merovingerreich, 1958

Antwerpen an der Schelde wird 726 erstmals urkundlich erwähnt. 1291 erhält es Stadtrecht. 1852 wird eine Universität eingerichtet.

Anwachsung ist die Erhöhung der Anteile anderer Berechtigter an einer (gesamthänderischen) Gesamtheit im Wege der Gesamtnachfolge bei Wegfall eines Mitberechtigten. Sie dürfte in alten gesamthänderischen Gesamtheiten (z. B. Hausgemeinschaft, Akkreszenz im klassischen römischen Erbrecht) Bedeutung gehabt haben und später eher zurückgedrängt worden sein (z. B. durch Eintrittsrechte, Realteilung). Durch das Bürgerliche Gesetzbuch (1900) gewinnt sie mit dem Gesamthandsprinzip an Gewicht.

Lit.: Kaser §§ 73 III, 76 III 1 154ff.; Hübner; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Anwalt ist ein Vertreter eines anderen. Im römischen Recht ist Vertretung grundsätzlich ausgeschlossen. Im deutschen Bereich begegnen die ersten Anfänge im fränkischen Reich. Zum Hochmittelalter hin erscheinen Vertreter für Bischöfe, Äbte, Gemeinden oder Genossenschaften. Bis zur zweiten Hälfte des 15. Jh.s setzt sich die Vertretung der Partei im bürgerlichen Rechtsstreit durch. Mit der Rezeption des römisch-kanonischen Prozessrechts wird am Ende des 15. Jh.s der meist rechtsgelehrte, praktisch geschulte ->Prokurator zum Vertreter der Partei vor Gericht, der rechtsgelehrte -> Advokat zum außergerichtlichen Berater, doch verwischen sich in Deutschland die Unterschiede trotz Fortführung der verschiedenen Benennungen bald wieder. In Preußen wird 1725 die Prokuratur abgeschafft und 1780 die Advokatur als freier Beruf beseitigt. Im 19. Jh. werden auch in Preußen wieder frei wählbare Prozessvertreter zugelassen, welche seit 1849 (1878 im Deutschen Reich) Rechtsanwälte heißen.

Lit.: Kaser § 87 II IV; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 155, 202; Weißler, A., Geschichte der Rechtsanwaltschaft, 1905; Bader, K., Vorsprecher und Anwalt in den fürstenbergischen Gerichtsordnungen, 1931; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Holly, G., Geschichte der Ehrengerichtsbarkeit der deutschen Rechtsanwälte, 1989; Krug, G., Die Advokat-Anwälte, Diss. jur. Mannheim 1996; Die Geschichte des Deutschen Anwaltvereins, hg. v. Deutschen Anwaltverein, 1997; Nirk, R., 50 Jahre NJW. Die Entwicklung der Anwaltschaft, NJW 1997, 2625; Scherner, K., Advokaten, Revolutionäre, Anwälte, 1997; Treve, W., Rechts-, Wirtschafts- und Steuerberatung in zwei Jahrhunderten, 3. A. 1998

Anwaltszwang ist die tatsächliche oder rechtliche Verpflichtung im -> Prozess einen -> Anwalt zu verwenden.

Anwartschaft ist eine einer bestimmten Person zustehende rein tatsächliche Aussicht auf ein später zu erwartendes Amt oder Recht. Im deutschen Mittelalter hat der nahe Verwandte ein Anrecht auf den Nachlaß (-> Erbenwartrecht). Im 20. Jh. setzt sich die A. als werdendes Recht, welches dem Vollrecht wesensgleich ist, beim Kauf unter Eigentumsvorbehalt durch.

Lit.: Kaser § 10 I; Hübner; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 269; Berger, W., Eigentumsvorbehalt und Anwartschaftsrecht, 1984

Anweisung ist die schriftliche Aufforderung eines Teiles (Anweisender) an einen anderen Teil (Angewiesener), Geld, Wertpapiere oder andere Sachen an einen Dritten (Anweisungsempfänger) zu leisten. Sie gehört in die Frühzeit des -> Wertpapiers (13./14. Jh.).

Anwenderecht ist das in die Anfänge des Ackerbaues zurückreichende Recht, zur Bestellung des eigenen Feldes kurzzeitig ein Nachbargrundstück zu betreten. Das Bürgerliche Gesetzbuch (1900) lässt das landesrechtlich vorhandene A. bestehen.

Lit.: Hübner 281; Götz, A., Das Anwenderecht, 1925

Anzeige ist die Mitteilung eines rechtlich erheblichen Vorganges oder Zustandes. Sie ist in verschiedenen Formen dem römischen Recht bekannt. Eine Verpflichtung zu einer A. bestimmter Handlungen stellt die Rügepflicht dar. Der hochmittelalterliche kanonische Prozess unterscheidet im 12. Jh. die A. von der (lat. [F.]) accusatio. In der frühen Neuzeit genügt im Strafverfahren statt der Klage eines einzelnen Klägers die A. beim Richter zur Ingangsetzung des Verfahrens.

Lit.: Köbler, DRG 157

Apanage ist die Ausstattung eines nachgeborenen Sohnes, Bruders oder sonstigen Mitgliedes eines landesherrlichen Hauses zur Sicherung des standesgemäßen Unterhalts. Sie entwickelt sich nach älteren Vorläufern (Bretagne 990?, Dreux 1137?) im 13. Jh. in Frankreich. Einen Rechtsanspruch auf A. gibt es nur bei Vorliegen eines entsprechenden Hausgesetzes. Die meist bei Eintritt der Volljährigkeit fällige A. kann auf eine Person oder auf eine Linie bezogen sein.

Lit.: Schulze, H., Das Recht der Erstgeburt, 1851; Wood, C., The french Apanages, 1966

Apel, Johann (Nürnberg 1486 - 27. 4. 1536) wird nach dem Rechtsstudium in Wittenberg 1524 Rechtslehrer, 1530 Kanzler in Preußen und 1534 Rechtsberater in Nürnberg. 1535 schlägt er eine dialektische Lehrmethode für die Rechtswissenschaft vor. Außerdem bietet er erste systematische Ansätze.

Lit.: Köbler, DRG 144; Muther, T., Doctor Johann Apell, 1861; Wieacker, F., Einflüsse des Humanismus auf die Rezeption, Z. f. d. ges. Staatswiss. 100 (1940), 423

Apokalypse

Lit.: Fried, J., Aufstieg aus dem Untergang, 2001

Apostelbrief ist im gelehrten Verfahrensrecht des Mittelalters der Bericht, den der untere Richter (lat. iudex [M.] a quo) auf die Bitte einer Partei, welche -> Appellation gegen seine Entscheidung erhebt, an den oberen Richter (iudex ad quem) sendet. Er enthält eine Schilderung des bisherigen Verfahrensablaufes und eine Beurteilung der Berechtigung der Appellation sowie später auch die bisherigen Prozessakten.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Sägmüller, J., Lehrbuch des katholischen Kirchenrechts, Bd. 2 3. A. 1914, 342

appellatio (lat. [F.]) Anrufung, Berufung, -> Appellation

Appellation ist im spätrömischen Verfahrensrecht ein Rechtsmittel zur Überprüfung der Entscheidung eines unteren Richters durch einen höheren Richter, das mit einem Urteil endet. Die A. ist bei dem unteren Richter mündlich oder binnen 10 Tagen schriftlich einzubringen. Im hohen Mittelalter wird die A. (mittels -> Apostelbriefs), die seit dem 12. Jh. im kirchlichen Prozessrecht erscheint, aus dem oberitalienisch-kanonischen Prozessrecht in Deutschland zuerst in geistlichen Gerichten aufgenommen. In der zweiten Hälfte des 15. Jh.s ersetzt die A., die sich vor 1451 nur in einzelnen besonderen Fällen vor dem um 1450 grundsätzlich noch unmittelbar angerufenen, aber auch im älteren Rechtszugverfahren kaum eine nennenswerte Rolle spielenden König findet, allmählich die ältere Urteilsschelte in weltlichen Verfahren. Die Appellationsverfahren verdrängen bald die erstinstanzlichen Rechtszugverfahren. Das 1495 eingerichtete Reichskammergericht ist vielfach Appellationsgericht (am Ende des 15. Jh.s zu 80%). Zur Eindämmung der A. wird dort 1521 eine Appellationssumme von 50 Gulden festgelegt, welche 1654 auf 400 Reichstaler steigt. In die gleiche Richtung wirken die Nichtappellationsprivilegien. 1879 wird die A. im Deutschen Reich durch die -> Berufung ersetzt, in England erst 1875 wirklich zugelassen. -> Konzil

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 34, 56, 114, 117, 152; Köbler, LAW; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Stölzel, A., Geding, Appellation, Hof, Hofgericht und Räte, 1912; Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation ans Reichskammergericht, 1976; Becker, H., Die Appellation vom Papst an ein allgemeines Konzil, 1988; Seeger, T., Die Extrajudizialappellation, 1993; Morhard, A., Die gerichtliche Berufung, 1995; Diestelkamp, B., Die Durchsetzung des Rechtsmittels der Appellation, 1998; Szidzek, C., Das frühneuzeitliche Verbot der Appellation in Strafsachen, 2002; Strauch, D./Arntz, J./Schmidt-Troje, J., Der Appellhof zu Köln, 2002

Appellationsprivileg ist ein Privileg des deutschen Königs an Landesherren, welches eine -> Appellation aus dem jeweiligen Gebiet an den König ausschließt (Nichtappellationsprivileg). Es betrifft anfangs wohl nur den Rechtszug nach einer Urteilsschelte und erst in der zweiten Hälfte des 15. Jh.s die eigentliche Appellation. 1356 verleiht die -> Goldene Bulle den Kurfürsten ein unbeschränktes A., dessen Bedeutung deswegen umstritten ist, weil die Appellation 1356 noch nicht allgemein aufgenommen worden war (z. B. in Sachsen erst seit dem 16. Jh.).

Lit.: Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Bross, S., Untersuchungen zu den Appellationsbestimmungen der Reichskammergerichtsordnung von 1495, 1972; Eisenhardt, U., Die kaierlichen privilegia de non appellando, 1980

Appenzell erscheint 1071 erstmals als Abba­cella. Das zunächst unter der Herrschaft der Abtei Sankt Gallen stehende Gebiet gewinnt zwischen 1377 und 1429 Selbständigkeit. Seit 1411 ist A. zugewandter Ort der Eidgenossenschaft der -> Schweiz, seit 17. 12. 1513 dreizehntes Mitglied. A. besteht aus einem evangelischen Halbkanton (Außerrhoden) und einem katholischen Halbkanton (Innerrhoden).

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,461

Aprilverfassung ist die am 25. 4. 1848, nach dem 15. 5. 1848 zurückgezogene von Kaiser Ferdinand I. erteilte, vom Innenminister -> Pillersdorff geformte erste formelle Verfassung Österreichs mit Gewaltenteilung, Reichstag und Grundrechten.

Lit.: Köbler, DRG 194; Baltl/Kocher

apud iudicem (lat.) vor dem Richter, -> Prozess, Verfahren

Apulien im Süden Italiens gerät seit dem 9. Jh. v. Chr. unter den Einfluss der Griechen, wird 317 v. Chr. von Rom erobert und gehört nach dem Untergang Westroms über die Herrschaft von Ostgoten und Oströmern im Norden seit 570 zum Herzogtum Benevent der Langobarden. In der Mitte des 11. Jh.s fällt es an die Normannen (1130 Sizilien), 1282 an das Königreich Neapel.

Lit.: Palumbo, P., Medio evo meridionale, 1978

aquae ductus (lat. [M.]) Wasserleitungsrecht, -> Dienstbarkeit

aquae haustus (lat. [M.]) Wasserschöpfrecht,-> Dienstbarkeit

Aquileia nahe der Adria wird 181 v. Chr. als römische Kolonie gegründet. Der seit spätestens 314 nachweisbare Bischof beansprucht seit 558/68 den Titel eines Patriarchen. 1077 wird der Patriarch Reichsfürst. Seit 1418 gelangt A. an Venedig, im 16. Jh. an Österreich und mit Venetien an Italien.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Gamber, K., Das Patriarchat Aquileja, 1987

Aquilius -> lex Aquilia

Aquitanien ist das Gebiet nördlich der Pyrenäen. Es wird seit 71 v. Chr. römisch, 418 westgotisch und 507 fränkisch. Im 7. Jh. entsteht ein fast selbständiges Herzogtum (bis 768), das im 9. Jh. erneuert wird. Durch Heirat der Erbtochter mit Heinrich II. -> Plantagenet (1152) gelangt A. beim Thronantritt Heinrichs II. in England in eine Personalunion mit -> England. Am Ende des Hundertjährigen Krieges (1453/75) fällt A. von England an -> Frankreich.

Lit.: Histoire de l’Aquitaine, hg. v. Higounet, C., 1971; Trabut-Cussac, J., L’administration anglaise en Gascogne, 1972

Äquivalenzprinzip ist der im 20. Jh. ausgebildete Grundsatz, dass zwischen dem Wert einer einzelnen Leistung der Verwaltung und der für diese geforderten Gebühr ein ausgewogenes Verhältnis bestehen muss.

Araber ist der Angehörige des in den mittelalterlichen lateinischen Quellen meist als (lat. [M.Pl.]) Saraceni bezeichneten semitischen Volkes, welches zunächst auf der arabischen Halbinsel siedelt. Die A. erobern nach der Bekehrung zum -> Islam im frühen Kalifat (632-92) Ägypten, Syrien, Irak und Persien. 711 wird Gibraltar erreicht, 716/7 Konstantinopel belagert und 732 ein Spanien einnehmender Vorstoß erst bei Tours und Poitiers von den Franken zurückgeschlagen. Im 9. Jh. setzt der Zerfall des bald auf Bagdad (762) ausgerichteten Reiches in mehrere Einzelherrschaften ein. 1260 können die Mongolen abgewehrt werden. Das im 15. Jh. unter muslimisch gewordenen Osmanen gebildete Osmanische Reich fasst die A. nochmals zusammen, doch geht 1492 mit Granada die letzte Herrschaft in Spanien verloren und werden im 19. Jh. die arabischen Länder mit dem Zerfall des Osmanischen Reiches Gegenstand der Kolonialpolitik europäischer Staaten. Ein unmittelbarer Einfluss der A. auf das Recht Europas ist nicht nachweisbar, doch finden sich ausgehend von den wichtigsten Berührungsorten gewisse, Handel und Verwaltung betreffende mittelbare Auswirkungen (Kaufhöfe in Venedig, Seezoll in Pisa, Gesundheitsrecht in Sizilien, lat.  contractus [M.]  mohatrae). Im übrigen geben die A. allgemein auch antikes Gedankengut und eigene Gelehrsamkeit fruchtbringend an das europäische Mittelalter weiter.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Amari, M., Storia dei Musulmani di Sicilia, Bd. 1ff. 1854ff.; Geschichte der arabischen Welt, hg. v. Haarmann, U./Halm, H., 4. A. 2001; Crespi, G., Die Araber in Europa, 1992

Aragonien (Aragón) im Nordosten Spaniens gelangt am Ende des 3. Jh.s v. Chr. von den Puniern an die Römer, im 5. Jh. n. Chr. an die Westgoten und 713 an die Araber. Kurz nach 800 wird es eine Grafschaft der Franken, die eine eigene (lat. [F.]) convenientia (958) hat und sich im Zuge der Rückeroberung 1035 und 1134 zum Königreich entwickelt, in dem der -> Fuero von -> Jaca (1064) besondere Bedeutung hat. Dieses A. wird 1137 mit Katalonien und 1238 mit Valencia verbunden. Seit dem 13. Jh. dringt römisches Recht ein. 1247 werden die in 8, später in 12 Bücher gegliederten, vielleicht auf Vidal de Cañellas zurückgehenden, ausschließliche Geltung beanspruchenden Fueros de Aragón (Fori Aragonum) in Huesca verkündet. Unter die Herrschaft Aragoniens gelangen auch Sizilien (1282), Sardinien (1323) und Neapel (1442). Seit 1469 tritt A. hinter -> Kastilien (1474 Personalunion) zurück und verliert die 1707 zunächst noch gewahrten Sonderrechte. Der Verlust der selbständigen Verwaltung (1833) wird erst 1982 wieder aufgehoben. Das überlieferte besondere Privatrecht gilt seit 1889 im Rahmen des Código Civil Español fort.

Lit.: Molho, M., El Fuero de Jaca, 1964; Lalinde Abadia, J., Los Fueros de Aragón, 1976; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,258

Arba ‘at ha-Turim -> Jakob Ben Ascher

Arbeit ist die auf Schaffung von Werten gerichtete körperliche oder geistige Tätigkeit. Steht ursprünglich die damit verbundene Mühe im Mittelpunkt, so verlagert sich der Bedeutungskern besonders seit dem 19. Jh. auf die Unselbständigkeit und Fremdbestimmtheit der Tätigkeit. Hinsichtlich der A. stehen sich deshalb seit etwa 1840 Arbeitgeber und Arbeitnehmer gegenüber. Bezüglich der A. schließen sie den -> Arbeitsvertrag, dessen Gestaltung Teil des -> Arbeitsrechts ist, für welches sich das besondere -> Arbeitsgericht ausbildet. Bereits im 19. Jh. wird auch die Sicherung eines Rechtes des einzelnen auf A. verlangt.

Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 154; Le travail au Moyen Age, hg. v. Hamesse, J. u. a., 1990; Jansen, R., Die Arbeitsverhältnisse an den deutschen Porzellanmanufakturen, 1990; Benöhr, H., Das Recht auf Arbeit in Frankreich 1848, ZRG GA 109 (1992), 179; Ritter, G., Arbeiter, Arbeiterbewegung und soziale Idee in Deutschland, 1996; Sellier, U., Die Arbeiterschaftgesetzgebung, 1998; Brückner, W., Arbeit macht frei, 1998; Brandt, P., Geschichtliche Entwicklung und heutige Bedeutung des Begriffs der Gefahrgeneigten Arbeit, 1998; Geschichte und Zukunft der Arbeit, hg. v. Kocka, J. u. a., 2000; Schaller, K., Einmal kommt die Zeit, 2001

Arbeitsgericht ist das im Deutschen Reich 1926 für die erste Instanz (RgBl. 1926, 507) geschaffene Eingangsgericht der für Streitigkeiten aus Arbeitsverträgen zuständigen, 1946/1953 gänzlich von der ordentlichen Gerichtsbarkeit verselbständigten Arbeitsgerichtsbarkeit. Vorläufer des Arbeitsgerichts ist ein besonderes, mit Arbeitgeberbeisitzern und Arbeitnehmerbeisitzern besetztes Gewerbegericht (1890, Österreich 1898). Es geht seinerseits auf den in Frankreich (Lyon 1806) von Napoleon auf Wunsch der Arbeitnehmer errichteten Conseil de prud’hommes zurück, der linksrheinisch nachgebildet (1808 Aachen-Burtscheid) und später in Preußen (1845) und im Norddeutschen Bund (1869) beibehalten wird.

Lit.: Köbler, DRG 234, 261; Kaskel, W., Die Arbeitsgerichtsbarkeit 1929; Globig, K., Gerichtsbarkeit als Mittel sozialer Befriedung, 1985; Linder, M., The Supreme Labor Court, 1987; Brand, J., Untersuchungen zur Entstehung der Arbeitsgerichtsbarkeit, 1990; Schöttler, P., Zur Mikrogeschichte der Arbeitsgerichtsbarkeit, Rechtshistorisches Journal 9 (1990), 127; Weiß, J., Arbeitsgerichtsbarkeit, 1994; 50 Jahre saarländische Arbeitsgerichtsbarkeit, hg. v. Präsidenten des Landesarbeitsgerichts, 1997; 50 Jahre Arbeitsgerichtsbarkeit des Landes Schleswig-Holstein, 1997; Brand, J., Untersuchungen zur Entstehung der Arbeitsgerichtsbarkeit in Deutschland, Bd. 2 2002

Arbeitsgesetzbuch ist das für das -> Arbeitsrecht geschaffene Gesetzbuch (z. B. Deutsche Demokratische Republik 12. 4. 1961, 23. 11. 1966, 1977).

Lit.: Kroeschell, DRG 3

Arbeitskampf -> Aussperrung, Streik

Lit.: Die Entwicklung des Arbeitskampfrechts, hg. v. Pohl, H., 1980; Schröder, R., Der gewerbliche Kampf, in: Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 533; Dallmann, C., Die Anfänge des französischen Arbeitskampfrechts, Diss. jur. Würzburg 2002

Arbeitslosenversicherung ist die von 1918 an geschaffene, 1927 einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zur Selbstverwaltung übertragene, 1969 aufgabenerweiternd im Arbeitsförderungsgesetz geregelte und zum 1. 1. 1998 in das Sozialgesetzbuch (III) überführte -> Sozialversicherung gegen die wirtschaftlichen Folgen des Mangels einer Erwerbstätigkeit.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 233, 241; Benöhr, H., Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, 1990; Führer, K., Arbeitslosigkeit und die Entstehung der Arbeitslosenversicherung, 1990; Lewek, P., Arbeitslosigkeit und Arbeitslosenversicherung, 1992; Dorn, U., Arbeitslosigkeit, ZNR 1993, 12; Fukuzawa, N., Staatliche Arbeitslosenunterstützung in der Weimarer Republik, 1995

Arbeitsmündigkeit -> Mündigkeit

Lit.: Gefaeller, W., Entstehung und Bedeutung der Arbeitsmündigkeit, 1968

Arbeitsrecht ist das die -> Arbeit betreffende Recht. Es wird als Rechtsgebiet erst am Beginn des 20. Jh.s verselbständigt (Sinzheimer 1907f./14, Potthoff 1925), nachdem sich die obrigkeitlichen und genossenschaftlichen Bindungen infolge des Liberalismus lösen und -> Arbeit zum Gegenstand freier vertraglicher Vereinbarung wird. Als erste gesetzliche Regelungen erscheinen Arbeitsschutzbestimmungen (England 1802, Preußen 1839, Truckverbot 1849), welche das deutsche Arbeiterschutzgesetz von 1891 verallgemeinert. Flankierend wirkt die -> Sozialversicherung. Die seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s allmählich entwickelte Kollektivierung des Arbeitsrechts findet einen ersten Abschluss in der -> Tarifvertragsverordnung (1918) und der zugehörigen Schlichtungsverordnung (1923). Durch die nationalsozialistische Regierung wird dann das kollektive A. durch eine autoritäre Arbeitsverfassung ersetzt, die nach 1945 wieder beseitigt wird. Erste Darstellungen des Arbeitsrechts stammen von P. Lotmar (1902/8) und H. Sinzheimer (1907f./14). Als Besonderheit des Arbeitsrechts wird lange Zeit die Haftungseinschränkung bei -> gefahrgeneigter Tätigkeit angesehen.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 215, 227, 241; Sinzheimer, H., Über den Grundgedanken und die Möglichkeit eines einheitlichen Arbeitsrechts in Deutschland, 1914; Ebel, W., Gewerbliches Arbeitsvertragsrecht im Mittelalter, 1934; Schmieder, E., Geschichte des Arbeitsrechts im deutschen Mittelalter, 1939; Ebel, W., Quellen zur Geschichte des deutschen Arbeitsrechts bis 1894, 1964; Mampel, S., Arbeitsverfassung und Arbeitsrecht in Mitteldeutschland, 1966; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,3635; Ramm, T., Die Arbeitsverfassung des Kaiserreichs, FS W. Mallmann, 1978; Ramm, T., Die Arbeitsverfassung der Weimarer Republik, in: In memoriam Sir Kahn-Freund, 1980; Umlauf, J., Die deutsche Arbeiterschutzgesetzgebung 1880-1980, 1980; Wege zur Arbeitsrechtsgeschichte, hg. v. Steindl, H., 1984; Tschudi, H., Geschichte des schweizerischen Arbeitsrechts, 1987;  Bohle, T., Einheitliches Arbeitsrecht in der Weimarer Republik, 1990; Wahsner, R., Arbeitsrecht unter’m Hakenkreuz, 1994; Rückert, J., Beschreibende Bibliographie zur  Geschichte des Arbeitsrechts, 1996; Kim, Y., Die Entwicklung des Rechts der Arbeitnehmerhaftung, Diss. jur. Freiburg 1996;  Benöhr, H., Fast vier Tropfen sozialen Öls, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Sellier, U., Die Arbeiterschutzgesetzgebung im 19. Jahrhundert, 1998; Die Entstehung des Arbeitsrechts in Deutschland, hg. v. Nutzinger, H., 1998; Thiele, M., Die Auflösung von Arbeitsverhältnissen, 1999; Steinmetz, W., Begegnungen vor Gericht, 2001; Bornheim, S., Die arbeitsrechtliche Normsetzung des Reichskommissariats in den Niederlanden, 2002

Arbeitsverfassung -> Arbeitsrecht

Arbeitsvertrag ist der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die entgeltliche Leistung von -> Arbeit geschlossene -> Vertrag. Anfangs individuell ausgehandelt wird sein Inhalt zunehmend kollektiv gestaltet. Seit 1995 wird grundsätzlich die Schriftform angestrebt.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Lotmar, P., Der Arbeitsvertrag, 2. A. hg. v. Rehbinder, M., 2001; Ebel, W., Gewerbliches Arbeitsvertragsrecht im deutschen Mittelalter, 1934; Söllner, A., Der industrielle Arbeitsvertrag in der deutschen Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts, in: Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, 1972, 288; Vietinghoff-Scheel, E. v., Gewerbliche Arbeitsverhältnisse in Preußen, Diss. jur. Göttingen 1972; Söllner, A., Entwicklungslinien im Recht des Arbeitsverhältnisses, in: NS-Recht in historischer Perspektive, hg. v. Institut für Zeitgeschichte, 1981, 135; Wild, T., Die Entwicklung des Gesamtarbeitsvertragsrechts, 1984; Klippel, D., Der Lohnarbeitsvertrag in Naturrecht und Rechtsphilosophie, in: Geschichtliche Rechtswissenschaft, hg. v. Köbler, G., 1990; Becker, M., Arbeitsvertrag und Arbeitsverhältnis, 1995; Europäisches Arbeitsvertragsrecht, hg. v. Mohher, E. u. a., 1998/9; Thiele, A., Die Auflösung von Arbeitsverhältnissen, 2000

Arbeitszeit ist die für -> Arbeit aufzuwendende Zeit des Arbeitnehmers. Ihre Bestimmung ist Ausfluss der Verrechtlichung des Arbeitsverhältnisses. Im Zug der Industrialisierung  verlängert sich die A. durch Wegfall von Feiertagen erkennba (um 20 Prozent?). Am 23. 11. 1918 wird im -> Deutschen Reich der Achtstundentag angeordnet und am 21. 12. 1923 die A. durch die Arbeitszeitordnung sowie 1994 durch das Arbeitszeitrechtsgesetz allgemein geregelt.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Bischoff, S., Arbeitszeitrecht in der Weimarer Republik, 1987; Grabherr, S., Das Washingtoner Arbeitszeitübereinkommen von 1919, 1992; Voth, H., Time and Work in England 1750-1830, 2000

arbiter (lat. [M.]) Schiedsrichter, -> Schiedsgericht

Lit.: Kampmann, C., Arbiter und Friedensstiftung, 2001

Archäologie (Altertumskunde) ist die Wissenschaft von den gegenständlichen Hinterlassenschaften (z. B. Bauwerke, Geräte, Münzen, Knochen) von Menschen.

Lit.: Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v., Rechtsarchäologie, 1943; Niemeyer, H., Einführung in die Archäologie, 3. A. 1983; Enzyklopädie der Archäologie, hg. v. Daniel, G., 1996; Sinn, U., Einführung in die klassische Archäologie, 2000

Archidiakon ist seit etwa 365 der Leiter der -> Diakone einer Bischofskirche, der sich zum Stellvertreter des -> Bischofs entwickelt, ehe er bis zum 19. Jh. weitgehend verschwindet.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Reinhardt, R., Das Archidiakonat auf dem Konzil von Trient, ZRG KA 61 (1975), 84

Archipresbyter ist der seit Anfang des 5. Jh.s nachweisbare Stellvertreter des -> Bischofs bei Meßfeier und Spendung der Sakramente, im frühen Mittelalter der Leiter der Priester einer Taufkirche.

Lit.: Faure, J., L’archiprêtre, 1911

Archiv ist eine Einrichtung zur (geordneten) Sammlung und Aufbewahrung von Schriftgut. Archive sind bereits in der Antike dort vorhanden, wo umfangreiches Schriftgut anfällt. Hieran schließt sich seit dem 3. Jh. die christliche Kirche an. Im weltlichen Bereich werden Archive mit dem 12. Jh. sichtbar. Das Hauptproblem der Gegenwart ist die große Menge des Schriftgutes, das nach dem Grundsatz der Archivwürdigkeit gesichtet werden muss.

Lit.: Köbler, DRG 105, 145; Papritz, J., Archivwissenschaft, 1976; Franz, E., Einführung in die Archivkunde, 4. A. 1993; Strauch, D., Das Archivalieneigentum, 1998; Die archivalischen Quellen, hg. v. Beck, F. u. a., 2002

Arenga ist die der spätrömischen Rhetorik entstammende Einleitungsformel mittelalterlicher Urkunden, welche mit meist sehr allgemeinem Inhalt vom Protokoll zum Text überleitet.

Lit.: Fichtenau, H., Arenga, 1957

argentarius (lat. [M.]) Bankier, -> receptum (argentarii)

ärgere Hand (lat. conditio [F.] vilior) ist eine Kurzfassung des aus dem Grundsatz der Ebenburt (-> Ebenbürtigkeit) an manchen Stellen folgenden mittelalterlichen Rechtssatzes, dass Kinder aus Ehen von Angehörigen unterschiedlicher Stände dem Stand des schlechter geborenen Elternteiles angehören.

Lit.: Hübner 104; Kroeschell, DRG 1; Fehr, H., Die Rechtsstellung der Frau und der Kinder, 1912

Arglist ist eine hinterhältige Gesinnung. Im klassischen römischen Schuldrecht verletzt jedes auf A. (lat. dolus [M.] malus) beruhende Verhalten ohne weiteres die Vertragstreue, so dass die Einrede der A. auch ohne besondere Vereinbarung offensteht.

Lit.: Kaser § 8 V; Köbler, DRG 42, 49

Arianer ist der Angehörige der 325 auf dem Konzil von Nizäa verworfenen Lehre des alexandrinischen Priesters Arius, nach welcher Christus Gott nicht wesensgleich ist. Goten, Vandalen und Langobarden sind bis ins 6. Jh. A., die Franken dagegen von Anfang an Athanasianer.

Lit.: Meslin, M., Les Ariens, 1967; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972

Arier ist der Angehörige eines arisch (indoiranisch) sprechenden, seit der Mitte des 2. Jt. v. Chr. geschichtlich nachweisbaren, auf die -> Indogermanen zurückführbaren Volkes. Seit dem 19. Jh. wird zunächst A. mit Indogermane gleichgesetzt und dann allmählich A. als Angehöriger der nordischen -> Rasse verstanden. Im Dritten Reich bedeutet A. in antijüdischer Verengung den Nichtjuden.

Lit.: Bajohr, F., „Arisierung“ in Hamburg, 1997

Arimanne (Heermann, lat. [M.] exercitalis) ist bei den Langobarden der vollfreie Krieger, insbesondere möglicherweise der auf Königsland angesiedelte, dem König verpflichtete Krieger.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Jarnut, J., Prosopographische und sozialgeschichtliche Studien zum Langobardenreich in Italien, 1972

Arisierung ist im Dritten Reich Adolf -> Hitlers die Verdrängung der -> Juden aus dem Berufsleben und der Wirtschaftstätigkeit.

Armenrecht ist die einstweilige Befreiung einer armen (unbemittelten) Partei von den Kosten eines Rechtsstreites. Sie ist eine besondere Ausprägung der Bevorzugung wegen Armut, wie sie bereits von der mittelalterlichen Kirche gefordert wird. 1980 wird das A. durch die -> Prozesskostenhilfe ersetzt.

Lit.: Köbler, DRG 155, 263; Mollat du Jourdin, M., Die Armen im Mittelalter, 2. A. 1987; Scherner, K., Arme und Bettler, ZNR 1988, 129; Dorn, U., Öffentliche Armenpflege in Köln, 1991; Tierney, B., Medieval poor law, 1995; Hartlief, E., Die Düsseldorfer Armenversorgungsanstalt, Diss. jur. Köln 1998; Wohlrab, K., Armut und Staatszweck im deutschen Naturrecht, 1998; Sachße, C. u. a., Geschichte der Armenfürsorge in Deutschland, 2. A. 1998; Jütte, R., Arme, Bettler, Beutelschneider, 2000; Humborg, M., Das Armenrecht, Diss. jur. Münster 1999; Rosenbaum, U., Liebestätigkeit und Armenpflege in der Stadt Zwickau, 1999; Gerhold, W., Armut und Armenfürsorge im mittelalterlichen Island, 2002

Armesünder ist ursprünglich der in der Kirche bemitleidenswerte Sünder, in der frühen Neuzeit der dem peinlichen Gericht überantwortete Täter, insbesondere wenn er bereits (zum Tod) verurteilt ist.

Lit.: Künßberg, E. Frhr. v., Rechtliche Volkskunde, 1936

Arnulfinger ist der Angehörige der nach Bischof Arnulf von Metz benannten Familie der Pippiniden oder späteren Karolinger. Von den Arnulfingern sind (ab etwa 650) 34 Urkunden und ein Brief überliefert (davon elf Fälschungen oder starke Verfälschungen), zu denen 56 verlorene Urkunden hinzuzrechnen sind (90 Privaturkunden).

Lit.: Die Urkunden der Arnulfinger, hg. v. Heidrich, I., 2001, vgl. http://www.igh.histsem.uni-bonn.de

 

arra (lat. [F.]) Angeld, -> arrha

Arrest ist eine Bezeichnung für die Verhaftung oder Beschlagnahme und insbesondere für ein Eilverfahren des Zivilprozesses zur Sicherung der Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung oder wegen eines Anspruches, der in eine Geldforderung übergeht. Sie verdrängt seit dem 17. Jh. die ältere Bezeichnung Kummer für ein wohl schon seit dem frühen Mittelalter bekanntes, seit dem 12. Jh. bezeugtes Verfahren.

Lit.: Köbler, DRG 116, 202; Wach, A., Der italienische Arrestprozess, 1868, Neudruck 1973; Kisch, G., Der deutsche Arrestprozess, 1914; Planitz, H., Grundlagen des deutschen Arrestprozesses, 1922; Mahnke, H., Das Arrestverfahren in den Lübecker Ratsurteilen, Diss. jur. Kiel 1961; Kraß, G., Das Arrestverfahren in Frankfurt am Main, 1996

arrha (lat. [F.]), arra, arrabon ist die nach semitischem Vorbild im hellenistischen Recht bekannte, im entwickelten römischen Recht entbehrliche Draufgabe (Angeld) bei einem Vertragsschluss. Wer abredeuntreu wird, verwirkt im spätantiken Recht als Geber die a. an den Gegner und muss sie als Nehmer in doppelter Höhe zurückgeben. Im Frühmittelalter soll mit der Hingabe einer Teilleistung ein Vertrag geschlossen worden sein, der vielleicht anfangs nur den Empfänger verpflichtet. Vielfach wird die a. nur als Symbol gegeben, das von den Beteiligten sofort verschenkt oder vertrunken wird. Im Spätmittelalter verliert die a. außerhalb des Gesinderechts (Handgeld) ihre schuldbegründende Bedeutung und nähert sich dem -> Reugeld. In jedem Fall hat die a. eine gewisse Beweisfunktion.

Lit.: Kaser § 41; Hübner 535ff.; Köbler, DRG 64, 91, 127; Köbler, LAW; Stobbe, O., Zur Geschichte des deutschen Vertragsrechts, 1855

Arrhalvertrag ist der unter Verwendung einer -> arrha entstehende -> Vertrag.

Lit.: Köbler, DRG 91, 126, 164

ars (F.) dictandi (lat.) ist die seit dem 12. Jh. auftretende Bezeichnung für die Lehre vom Abfassen von Briefen und Urkunden, welche auf Grund der antiken Rhetorik und Grammatik am Anfang des 12. Jh.s in Oberitalien ausgebildet wird ([lat.] Praecepta [N.Pl.] dictamina 1111?).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Rockinger, L., Über Briefsteller und Formelbücher, 1861; Schmale, F., Die Bologneser Schule der ars dictandi, DA 13 (1967); Schaller, D., Baldwin von Viktring, DA 35 (1979)

ars (F.) notaria (lat.) ist die auf Grund antiker Vorläufer am Beginn des 13. Jh.s (a. n. 1221) in Oberitalien (Bologna) verselbständigte Lehre von der Beurkundung von Rechtshandlungen ([lat.] Formularium [N.] tabellionum 1200/5, Rainerius Perusinus 1226-1233, Rolandus Passagerii [Summa Rolandina, 1255ff.]).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Anselmi, A., Le scuole di notariato in Italia, 1926

artes (F.Pl.) liberales (lat.) sind die in der römischen Antike auf der Grundlage der griechischen Philosophie von Bürgern gepflegten Wissenschaftsfächer (Grammatik, Rhetorik, Dialektik als sog. Trivium, Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musik als sog. Quadrivium), die im Mittelalter den Gegenstand der artistischen Fakultät der Universität bilden.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Meyer, G., Die sieben freien Künste im Mittelalter, 1886; Glorieux, P., La faculté des arts et ses maîtres aux XIIIe siècle, 1971; Curtius, E., Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter, 9. A. 1978; Englisch, B., Die artes liberales im frühen Mittelalter, 1994; Artisten und Philosophen, hg. v. Schwinges, R., 1999

articuli (M.Pl.) reprobati (lat.) sind die von Papst Gregor XI. am 8. 4. 1374 auf Betreiben des Theologieprofessors Johannes -> Klenkok für nichtig erklärten 14 Artikel des -> Sachsenspiegels, welche kirchliches Verfassungsrecht, Verfahrensrecht und Privatrecht betreffen.

Lit.: Köbler, DRG 117; Kullmann, J., Klenkok und die „articuli reprobati“ des Sachsenspiegels, Diss. jur. Frankfurt am Main 1959; Oppitz, K., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 28

articulus (lat. [M.]) Artikel

Artikelprozess ist der im Spätmittelalter entwickelte römisch-kanonische Zivilprozess, bei welchem der Kläger nach der Erhebung der Klage und nach Durchführung der Streitbefestigung seinen Vortrag in scharf abgegrenzte Behauptungen einzelner Tatsachen ([lat. F.Pl.] positiones) zerlegen und der Beklagte dazu einzeln Antworten ([lat. F.Pl.] responsiones) geben muss, so dass sich (aus diesen auch als Artikel bezeichneten Positionen und Responsionen) leicht das Bestrittene und vom Kläger zu Beweisende ermitteln lässt. Der A. wird bereits von der Reichskammergerichtsordnung des Jahres 1496 übernommen, unter dem Einfluss des sächsischen Prozesses durch den jüngsten Reichsabschied von 1654 aber bis auf die noch im 19. Jh. erlaubten Beweisartikel wieder aufgegeben.

Lit.: Linde, v., Lehrbuch des deutschen gemeinen Zivilprozesses, 7. A. 1850

Arumaeus (van Arum), Dominikus (Leeuwarden 1579 - Jena 24. 2. 1637) wird nach Studien in Franeker, Oxford, Rostock und Jena dort 1600 promoviert und 1602 zum außerordentlichen Professor (1605 ordentlicher Professor) ernannt. Er begründet die sich an deutschen Quellen ausrichtende, methodisch gemeinrechtlich arbeitende Reichsstaatsrechtslehre, innerhalb deren er das Reich als eine ständisch mitbestimmte Monarchie ansieht.

Lit.: Arumaeus, D., Commentarius de comitiis Romano-Germanici Imperii, 1630; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1 1988

as (lat. [N.]) ist eine römische Geldeinheit.

asega ist eine Figur der mittelalterlichen altfriesischen (Hunsigoer, Emsigoer, Fivelgoer, Rüstringer und Westerlauwerschen) Rechtsquellen, deren Alter (vorfränkisch?, nachkarolingisch?) und Bedeutung (Gesetzessprecher?, Urteilsfinder?) umstritten sind.

Lit.: Gerbenzon, P., Der altfriesische asega, der altsächsische eosago und der althochdeutsche esago, TRG 41 (1973), 75; Köbler, G., Zu Alter und Herkunft des friesischen asega, TRG 41 (1973), 93

Askanier ist der Angehörige eines ursprünglich alemannisch-fränkischen Geschlechts, das um 1000 am Harz erscheint. Unter Albrecht dem Bären (+ 1170) betreibt es die Ostsiedlung und erwirbt 1180 das Herzogtum Sachsen. Die brandenburgischen Güter der A. fallen 1319 an die -> Wittelsbacher, die wittenbergischen 1422 an die -> Wettiner und die lauenburgischen 1689 an die -> Welfen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, Historisches Lexikon; Diederichs, A., Erbe und Erben Albrechts des Bären, VuG 28 (1938); Schmidt, E., Die Mark Brandenburg unter den Askaniern, 1973; Marcus, P., Herzog Bernhard von Anhalt, 1993; Partenheimer, L., Albrecht der Bär,  2001

assecuratio (lat. [F.]) -> Versicherung

Assekuranz ist die wohl im 17. Jh. aus Italien übernommene, im 19. Jh. verdrängte Bezeichnung für die -> Versicherung.

Assessor ist seit dem 15. Jh. (?) der rechtsgelehrte Beisitzer eines Gerichts, seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s der Anwärter auf eine feste Anstellung im höheren Staatsdienst.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 153

Assise (mlat. [F.] assisa) ist die Versammlung und die Gesamtheit der dort beschlossenen Rechtssätze (z. B. Assise regum regni Sicilie 1140, Assise sur la ligece um 1165, Assize of Clarendon 1166, Assize of Northampton 1176, Grand Assize 1179). Demgegenüber sind die Assisen von Jerusalem private Sammlungen von Abhandlungen über das Recht des Königreiches Jerusalem und Zyperns in französischer Sprache des 13. Jh.s.

Lit.: Köbler, DRG 108; Stenton, The Earliest Northamptonshire Assize Rolls, 1940; Grandclaude, M., Etude critique sur les livres des Assizes de Jérusalem, 1923; Dilcher, H., Normannische Assisen und römisches Recht, 1966; Dilcher, H., Die sizilianische Gesetzgebung Kaiser Friedrichs II., 1975

Asso y del Río, Ignacio (1742-1804) begründet 1771 mit den (span.) Instituciones (F.Pl.) del derecho civil de Castilla ein aus partikularer Rechtssatzung schöpfendes, neben das römische Recht tretendes gemeines spanisches (kastilisches) Privatrecht, das begrifflich und systematisch noch römischrechtlich geprägt ist.

Lit.: Mora, C., Vida y obra de Don Ignacio de Asso y del Río, 1972

Asylrecht ist das Recht der geschützten Zuflucht (politisch) Verfolgter. In griechischer und römischer Zeit besteht das Recht, einem Täter an einem heiligen Ort vorübergehend Schutz zu gewähren, für Tempel und wird von dort im 5. Jh. auf christliche -> Kirchen übertragen. Ob eine ähnliche Einrichtung auch den Germanen bekannt ist, lässt sich nicht feststellen. Die wohl durch römisch-christliches Vorbild geprägte karolingische Zeit schränkt das A. auf noch nicht verurteilte Täter und auf bestimmte Fristen ein. Örtlich wird später die Möglichkeit des Asylrechts auf Friedhof, Kloster, Pfarrhaus, Richterhaus usw. erweitert. Der neuzeitliche Staat schafft das A. bis zum Ende des 18. Jh.s ab. Danach gewährt er aber selbst politisch Verfolgten Schutz vor einem Verfolgerstaat.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 259; Mittermaier, H., Die geschichtliche Entwicklung des Asylrechts, Diss. jur. München 1950; Henßler, O., Formen des Asylrechts, 1954; Kimminich, O., Die Geschichte des Asylrechts, 1978; Siems, H., Zur Entwicklung des Kirchenasyls, in: Libertas, 1991, 139; Reiter, H., Politisches Asyl im 19. Jahrhundert, 1992; Theler, J., Asyl in der Schweiz, 1995; Gamauf, R., Ad statuam licet confugere, 1999; Backsmann, K., Das Asylrecht in Preußen, Diss. jur. Bonn 2000; Fruscione, D., Das Asyl bei den germanischen Stämmen im frühen Mittelalter, 2002; Bammann, K., Im Bannkreis des Heiligen, 2002

Athen ist ein griechischer, seit dem 7. Jh. erkennbarer Stadtstaat, in dem Drakon (624) und Solon (594) gesetzgeberisch tätig werden. 508/7 geht A. zur -> Demokratie über. 338 wird A. von Makedonien besiegt. 86 v. Chr. fällt es unter Sulla an die Römer, 1456 an die Osmanen (Türken). Nach dem griechischen Befreiungskampf wird es 1834 Hauptstadt Griechenlands und erhält 1837 eine Universität.

Lit.: Lipsius, Das attische Recht, Bd. 1ff. 1905ff., Neudruck 1984; Meyer-Laurin, Gesetz und Billigkeit im attischen Prozess, 1965; Wolff, „Normenkontrolle“ und Gesetzesbegriff, 1970; Mac Dowell, The Law in Classical Athens, 1978; Bötig, K., Athen, 3. A. 1981; Rhodes, P., The Athenian Boule, 2. A. 1985; Welwei, K., Athen, 1992; Bleicken, J., Die athenische Demokratie, 2. A. 1994; Die athenische Demokratie, hg. v. Eder, W., 1995; Hansen, M., Die athenische Demokratie, 1995; Habicht, C., Athen, 1995; Cohen, D., Democracy and individual rights in Athens, ZRG RA 114 (1997), 27; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 1997; Lehmann, G., Oligarchische Herrschaft im klassischen Athen, 1997; Figueira, T., The Power of Money, 1998; Hurwit, J., The Athenian Acropolis, 1999; Welwei, K., Das klassische Athen, 1999; Funke, P., Athen in klassischer Zeit, 1999; Dreyer, B., Untersuchungen zur Geschichte des spätklassischen Athen, 1999; Knell, H., Athen im 4. Jahrhundert, 2000; Große Prozesse im antiken Athen, hg. v. Burckhardt, L./Ungern-Sternberg, J. v., 2000; Law and Social Status in Classical Athens, hg. v. Hunter, V. u. a., 2000; Cohen, E., The Athenian Nation, 2000; Dreher, M., Athen und Sparta, 2001; Wilson, P., The Athenian Institution of the Khoregia, 2002; Tießler-Marenda, E., Einwanderung und Asyl bei Hugo Grotius, 2002

Atlantikcharta ist die am 14. 8. 1941 von dem amerikanischen Präsidenten Wilson und dem britischen Premierminister Churchill auf einem Schiff im Atlantik vereinbarte Erklärung über die Grundsätze der Politik (Verzicht auf Aggression, Entwaffnung von Aggressionsstaaten, Selbstbestimmungsrecht der Völker, Gleichberechtigung im Welthandel, Freiheit der Meere), welche von den Vereinten Nationen übernommen wird.

Atomrecht ist die Gesamtheit der Atome besonders betreffenden Rechtssätze (z. B. Deutschland 1959 Atomgesetz).

Lit.: Winters, Atom- und Strahlenschutzrecht, 1978

Aubry, Charles (1803-1883) übersetzt 1838 als Professor in Straßburg zusammen mit Frédéric Charles Rau die vierte Auflage von Karl-Salomon Zachariäs Handbuch des französischen Zivilrechts (1837) aus dem Deutschen ins Französische und entwickelt hieraus in der Folge die führende Darstellung des französischen Privatrechts des 19. Jh.s.

Lit.: Beudant, C./Gaudemet, E., Inauguration d’un moment à la mémoire de Aubry et Rau, 1923

auctor (lat. [M.]) ist im römischen Recht der Vormann eines Gewaltinhabers einer Sache, auf den sich dieser berufen kann, wenn ein anderer als Eigentümer von ihm die Sache verlangt. Scheitert die Verteidigung durch den a., kann der angegriffene Gewalthaber vom a. den doppelten Kaufpreis verlangen.

Lit.: Kaser § 25; Söllner § 8; Köbler, DRG 24; Köbler, LAW

auctoritas (lat. [F.]) Ansehen, Zustimmung

Auctor (M.) vetus de beneficiis (lat.) ist ein in lateinischer Reimprosa abgefasstes Rechtsbuch mit Grundsätzen des Lehnrechts. In der ersten Hälfte des 14. Jh.s bildet der A. v. die Grundlage des mitteldeutschen -> Görlitzer Rechtsbuches. Es ist streitig, ob der A. v. die Urfassung des Lehnrechts des Sachsenspiegels (oder eine im frühen 14. Jh. aus einer deutschen Fassung entstandene lateinische Übersetzung) darstellt. Alle Handschriften sind verschollen. Die Überlieferung besteht in Drucken von 1569, 1692 (Auszüge) und 1708. Möglicherweise enthält der A. v. ursprünglich auch Landrecht.

Lit.: Köbler, DRG 103; Eckhardt, K., Die Volljährigkeitsgrenze von 24 Jahren, ZRG GA 61 (1941), 4; Auctor vetus de beneficiis, hg. v. Eckhardt, K., 1964; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 27

audiatur et altera pars (lat.). Auch die andere Seite muss gehört werden (vorrömisch, belegt 1580).

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 32, Nr. 106

Aufgebot ist die (mehrfache) öffentliche, vielfach gerichtliche Aufforderung an unbekannte oder an unbekanntem Ort weilende Beteiligte, vor einer beabsichtigten Änderung der Rechtslage Tatsachen anzugeben oder Rechte geltend zu machen. Ähnliche Vorgangsweisen erscheinen bereits in fränkischer Zeit (z. B. bei Vollstreckung in Grundstücke). Im Mittelalter finden sie vermehrt Anwendung (z. B. bei Aneignung von beweglichen Sachen). Ein A. vor einer Eheschließung fordert nach älteren Ansätzen das vierte Laterankonzil 1215. Mit der Rezeption römischrechtlicher Regelungen entwickelt sich die -> Ediktalzitation, bei welcher jemand binnen einer Frist Klage zu erheben hat, wenn er sein Recht nicht verlieren will. Allgemein geordnet wird das A. in der preußischen -> Allgemeinen Gerichtsordnung (1793) und in der deutschen Zivilprozessordnung (1877/9).

Lit.: Daude, E., Das Aufgebotsverfahren, 5. A. 1930, VIII

Aufklärung ist allgemein die Aufhellung. Unter Bezugnahme auf einen auf Befreiung von nicht vernunftgemäß zu begründenden Ansichten gerichteten Erkenntnisvorgang nennt man die gesellschaftskritische Geistesbewegung des 17./18. Jh.s A. Vorbereitend hierfür wirken Renaissance, Humanismus und Reformation. Als Denkverfahren werden -> Empirismus und -> Rationalismus entwickelt. Im Recht entspricht dem Gedankengang der A. die Anerkennung eines weltlichen -> Naturrechts (-> Vernunftrechts), das in die Kodifikationen des -> Allgemeinen Landrechts, des -> Code civil und des -> Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs Eingang findet. Politisch führt die A. zum aufgeklärten -> Absolutismus (Friedrich der Große in Preußen, Joseph II. in Österreich, Großherzog Leopold in Toskana) bzw. zur Revolution in Frankreich. Die vollständige Umsetzung aller Ziele in politische Handlung gelingt nicht.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 136, 157, 161, 206; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 243; Valjavec, F., Geschichte der abendländischen Aufklärung, 1961; Aufklärung, hg. v. Hinrichs, E., 1985; Aufklärung als Politisierung - Politisierung der Aufklärung, hg. v. Bödeker, H. u. a., 1987; Im Hof, U., Das Europa der Aufklärung, 1993; Lexikon der Aufklärung, hg. v. Schneiders, W., 1995; Vierhaus, R., Was war Aufklärung?, 1995; Universitäten der Aufklärung, hg. v. Hammerstein, N., 1996; Schneiders, W., Das Zeitalter der Aufklärung, 1997; Aufklärung-Vormärz-Revolution, hg. v. Reinalter, H., 1997; Der Illuminatenorden (1776-1785/87), hg. v. Reinalter, H., 1997; Cattaneo, M., Aufklärung und Strafrecht, hg. v. Vormbaum, T., 1998; Sweetman, J., The Enlightenment and the Age of Revolution, 1998; The Enlightenment, hg. v. Williams, D., 1999; Toleration in Enlightenment Europe, hg. v. Grell, O. u. a., 1999; Böning, H./Siegert, R., Volksaufklärung, Bd. 2 2000; Alt, P., Aufklärung, 2. A. 2001; Lexikon der Aufklärung, hg. v. Schneiders, W., 2001

Auflassung ist die Öffnung eines Grundstückes für einen Erwerber. Sie erfolgt zunächst durch tatsächliches, möglicherweise rechtsförmliches Eröffnen des Grundstückes, später durch eine Erklärung vielleicht unter notwendiger Wahrung bestimmter Formen (außerhalb des Grundstücks). Seit dem 13. Jh. wird A. zur Bezeichnung für die Grundstücksübereignung insgesamt. Häufig erfolgt sie gerichtlich. Während der Aufnahme des römischen Rechts in der frühen Neuzeit wird die A. zurückgedrängt. Im 19. Jh. dringt sie wieder vor. Im deutschen bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist sie die Bezeichnung für den dinglichen Vertrag über den Eigentumsübergang an Grundstücken, zu welchem die Eintragung der Eigentumsänderung in das Grundbuch hinzukommen muss.

Lit.: Hübner 205, 259f., 262; Kroeschell, DRG 1, 2; Stobbe, O., Die Auflassung des deutschen Rechts, Jh. Jb. 22 (1873), 137; Schmidt, W., Die Auflassung im Mittelalter, Diss. jur. München 1932; Köbler, G., Verzicht und Renuntiation, ZRG GA 85 (1968); Buchholz, S., Abstraktionsprinzip und Immobiliarrecht, 1978; Joswig, D., Die germanische Grundstücksübertragung, 1984

Aufnehmen des Kindes (in die Familie) ist der in frühmittelalterlichen Volksrechten erkennbare förmliche Rechtsakt, durch den ein neugeborenes Kind Mitglied der Rechtsgemeinschaft wird und deshalb danach nicht mehr ausgesetzt werden kann. Unter dem Einfluss des Christentums verschwindet dieses besondere A.

Lit.: Hübner 52f., 699

Aufopferung ist die Beseitigung eines einzelnen Rechtes zugunsten der Allgemeinheit oder eines begünstigten Dritten, für welche seit der Aufklärung Ersatz zu leisten ist (vgl. § 75 Einl. ALR).

Lit.: Köbler, DRG 259

Aufrechnung ist die schon der römischen klassischen Jurisprudenz als prozessual geltend zu machende (lat. [F.]) -> compensatio bekannte, wechselseitige Tilgung zweier sich gegenüberstehender gleichartiger Forderungen durch Verrechnung. Das ältere deutsche Recht kennt einen besonderen Aufrechnungsvertrag. Eine A. durch einseitige Erklärung entsteht wohl unter römischrechtlichem Einfluss im Spätmittelalter. Später genügt eine bloße Aufrechnungslage für das Erlöschen der gegenüberstehenden Ansprüche. Seit dem Ende des 19. Jh.s wird wieder eine Aufrechnungserklärung verlangt.

Lit.: Kaser § 53; Köbler, DRG 43, 125; Dernburg, H., Geschichte und Theorie der Compensation, Neudruck 1965, 2. A. 1968; Prausnitz, O., Die Geschichte der Forderungsverrechnung, 1928; Pielmeier, K., Das Aufrechnungsverbot des § 393 BGB, 1988; Pichonnaz, P., La compensation, 2001

Auftrag ist im römischen Recht die als (lat. [N.]) -> mandatum bezeichnete Übernahme der unentgeltlichen Besorgung eines fremden Geschäfts, die wohl auf sittliche Pflichten zum Tätigwerden für einen Nachbarn zurückgeht. Im deutschen Recht scheint der A. zunächst keine besondere Rolle gespielt zu haben. Nach der Rezeption des römischrechtlichen Mandats wird am Ende des 19. Jh.s zwischen A. als Innenverhältnis und Vollmacht als Rechtsmacht gegenüber Dritten (Außenverhältnis) unterschieden.

Lit.: Kaser § 4; Söllner §§ 9, 17, 18; Hübner; Kroeschell, DRG 3; Albrecht, G., Vollmacht und Auftrag, 1970; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Aufwertung ist die Erhöhung eines Wechselkurses einer Währung im Verhältnis zum Goldwert oder zu anderen Währungen. Daneben wird auch die Erhöhung des Nennbetrages einer Geldschuld, die in Einheiten einer entwerteten Währung ausgedrückt ist, entsprechend der Kaufkraft bei der Begründung des Schuldverhältnisses als A. bezeichnet (z. B. Aufwertungsentscheidung des Reichsgerichts vom 28. 11. 1923, 3. Steuernotverordnung vom Februar 1924, Aufwertungsgesetz vom Juli 1925) im Deutschen Reich.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh. 50; Scholz, R., Analyse der Entstehungsbedingungen der reichsgerichtlichen Aufwertungsrechtsprechung, 2001

Augenschein ist die unmittelbare sinnliche Wahrnehmung. Der A. ist als Beweismittel bereits dem römischen Prozessrecht bekannt und findet auch im mittelalterlichen deutschen Prozess (insbesondere im Inquisitionsprozess) Verwendung. Seit dem 17. Jh. wird der A. wissenschaftlich erörtert.

Lit.: Kaser § 84; Holdefleiß, E., Der Augenscheinbeweis im mittelalterlichen deutschen Strafverfahren, 1933

Auge um Auge, Zahn um Zahn.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 39 (2. Moses 21, 22-25, Körte 1837)

geht auf den 45 n. Chr. auf einem Bergsporn zwischen Lech und Wertach gegründeten Vorort Augusta Vindelicum der römischen Provinz Rätien zurück. Vielleicht ist es seit dem 4. Jh. (oder 5. Jh.) Sitz eines seit 738 nachweisbaren Bischofs. 1156 grenzt eine Urkunde Friedrichs I. Barbarossa die Rechte des Bischofs und die Rechte der Bürger voneinander ab. 1167/8 lässt sich der Kaiser die Hochstiftsvogtei und die Blutgerichtsbarkeit in A. übertragen. 1273 kommt die Vogtei an das Reich. 1276 zeichnet die Stadt ein eigenes, vom Kaiser bestätigtes Stadtrecht auf. Bis 1805 bleibt das zu einem europäischen Handelsmittelpunkt aufsteigende A. danach Reichsstadt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Batori, J., Die Reichsstadt Augsburg im 18. Jahrhundert, 1969; Zorn, W., Augsburg, 2. A. 1972; Roeck, P., Eine Stadt in Krieg und Frieden, 1989; Hecker, H., Das Recht der Reichsstadt Augsburg, ZRG GA 113 (1996), 391; Müller, F., Bürgerliche Herrschaft in Augsburg, 1998; Schorer, R., Die Strafgerichtsbarkeit in der Reichsstadt Augsburg, 2000

Augsburger Konfession (Bekenntnis) ist die von Philipp Melanchthon für den Reichstag zu Augsburg verfasste, am 25. 6. 1530 verlesene Bekenntnisschrift der lutherischen Kirche mit 2 Teilen zu 21 und 7 Artikeln.

Lit.: Hoffmann, G., Entstehungsgeschichte der Augustana, Z. f. systemat. Theologie 15 (1938), 419

Augsburger Religionsfriede ist der im Reichsabschied des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) vom 25. 9. 1555 zwischen König Ferdinand I. und den deutschen Reichsständen in bezug auf die Religion nach dem Stand vom 2. 8. 1552 geschlossene Friede, der die freie Religionsausübung für Katholiken und Lutheraner gewährleistet. Er sichert den Reichsständen (nicht aber ihren Untertanen) die Freiheit der Bekenntniswahl zu ([lat.] -> cuius regio, eius religio). Gibt ein geistlicher Reichsstand den katholischen Glauben auf, verliert er Gebiet und Kirchenamt ([lat.] -> reservatum [N.] ecclesiasticum).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 130; Brandi, K., Der Augsburger Religionsfriede, 2. A. 1927; Simon, M., Der Augsburger Religionsfriede, 1955; Rabe, H., Der Augsburger Religionsfriede und das Reichskammergericht 1550-1600, 1976

Augsburger Vertrag (Augsburger Tranaktion) -> Niederlande

Augustiner ist der Anhänger des nach der im 8. Jh. entstandenen sog. Regel Augustins (354-430) lebenden kirchlichen Ordens. Zu den Augustinern gehören Augustinerchorherren (11. Jh.) und Augustiner-Eremiten.

Lit.: Verheijen, L., La règle de St. Augustin, 1967; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Cremona, C., Augustinus, 2. A. 1995

Augustus (Rom 23. 9. 63 v. Chr. – Nola bei Neapel 19. 8. 14 n. Chr.) Sohn einer Nichte Caesars, 44 n. Chr. Adoptivsohn Caesars (ursprünglich Gaius Octavius, seit Adoption Gaius Iulius Caesar) verfolgt die Mörder Caesars und wird 36 v. Chr. Herrscher im westlichen und 30 v. Chr. Herrscher im östlichen Teil des römischen Reiches. Äußerlich stellt er die republikanischen Zustände wieder her. Tatsächlich leitet er (27 v. Chr.) mit seinem Prinzipat den Übergang zum Kaisertum ein. Seine Herrschaft wird als (lat.) pax (F.) Augusta (augusteische Friedenszeit) erklärt. Für die Ehe erlässt er gesetzliche Gebote und Verbote.

Lit.: Kienast, D., Augustus, 1982; Eck, W., Augustus und seine Zeit, 1998; Bleicken, J., Augustus, 1998; Kienast, D., Augustus, 3. A. 1999; Bringmann, K./Schäfer, T., Augustus und die Begründung des römischen Kaisertums, 2001

Auktion ist die schon der Antike bekannte Veräußerung einer Sache an den Meistbietenden durch öffentlichen Aufruf. Sie erhält sich in der Form der Vergabe von Steuern, Ämtern und Nutzungen an den Meistbietenden in den romanischen Ländern. Im 13. Jh. dringt die A. gepfändeter Güter eines nichtzahlenden Schuldners nach Mitteleuropa ein. Daneben findet sich seit dem 14. Jh. die A. von Waren durch Großhändler.

Lit.: Süßheim, M., Das moderne Auktionsgewerbe, 1900; Durach, H., Die deutschen Großhandelsauktionen, 1960

Ausbildungsförderung ist die Förderung der allgemeinen und beruflichen Bildung durch Geldleistungen seitens der Allgemeinheit. Sie ist eine Folge des Sozialstaatsgrundsatzes. Sie ist auf Herstellung der Chancengleichheit im Ausbildungsbereich gerichtet (in Deutschland 1957-71 Honnefer Modell, 1971 ff. Bundesausbildungsförderungsgesetz).

Lit.: Köbler, DRG 261

Ausbürger ist der außerhalb der -> Stadt lebende -> Bürger.

Lit.: Domsta, H., Die Kölner Ausbürger, 1973

Ausgleich ist die 1867 für die Selbständigkeitsbestrebungen -> Ungarns innerhalb der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie gefundene Lösung. Auf der Grundlage der kaiserlichen Anerkennung der Selbständigkeit und Unabhängigkeit Ungarns und der ungarischen Anerkennung der -> Pragmatischen Sanktion wird dort festgelegt, dass den österreichischen und ungarischen Ländern der Herrscher, die auswärtigen Angelegenheiten, die Armee und das Finanzwesen (mit gewissen Einschränkungen) unter einem einheitlichen Ministerium gemeinsam sein sollen. Das daraus erwachsende staatsrechtliche Verhältnis zu -> Österreich wird teils als Personalunion, teils als Realunion erklärt.

Lit.: Köbler, DRG 265; Baltl/Kocher; Der österreichisch-ungarische Ausgleich von 1867, 1967

Ausländer ist der einem anderen Land angehörige -> Fremde. Der A. erscheint als Folge der Bildung besonderer Länder im 13. Jh. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jh.s (um 1960) erweisen sich besondere Gesetze für A. (18. 4. 1965) als erforderlich (1991 Schengener Abkommen der Europäischen Gemeinschaften).

Lit.: Söllner §§ 6, 7, 8, 9; Kanein, W./Renner, G., Ausländerrecht, 5. A. 1992; Herbert, U., Geschichte der Ausländerpolitik in Deutschland, 2001

Auslegung ist die Ermittlung und Klarlegung des Bedeutungsgehaltes eines Umstandes, insbesondere einer Erklärung. Sie ist bereits Bestandteil der römischen Rechtswissenschaft, welche das Zwölftafelgesetz ebenso auslegt wie einzelne Verträge oder Erklärungen. In seinen methodologischen Darlegungen unterscheidet am Beginn des 19. Jh.s Savigny vier Arten von A. (grammatisch, historisch, systematisch und teleologisch).

Lit.: Kaser §§ 2 II 2, 3 V 1, 8 I; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 2, 17, 146, 229; Schumacher, D., Das Rheinische Recht in der Gerichtspraxis des 19. Jahrhunderts, 1970; Rüthers, B., Die unbegrenzte Auslegung, 5. A. 1997; Savignyana, Bd. 2 Vorlesungen über juristische Methodologie 1802-1842, hg. v. Mazzacane, A., 1993; Baldus, C., Regelhafte Vertragsauslegung, 1998; Bergfeld, C., Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts und des Reichsgerichts zur Auslegung von Rechtsgeschäften, in: Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 625; Vogenauer, S., Die Auslegung von Gesetzen in England und auf dem Kontinent, 2001

Auslobung ist das durch öffentliche Bekanntmachung erfolgende einseitige Versprechen einer Belohnung für die Vornahme einer Handlung, das im 18. Jh. so benannt wird. Ursprünglich wird die Erklärung des Auslobens als Angebot an unbestimmte Personen angesehen.

Lit.: Dreiocker, K., Zur Dogmengeschichte der Auslobung, Diss. jur. Kiel 1969; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Ausmärker ist der außerhalb einer -> Mark Wohnende, der nur ausnahmsweise an einer Mark berechtigt ist.

Lit.: Hübner 137f.

Ausnahmezustand ist der in der Mitte des 19. Jh.s als solcher erkannte Zustand des Staates in einer außergewöhnlichen Notlage. Nach rechtsstaatlichem Verständnis bedarf auch der A. einer (vorherigen gesetzlichen) Regelung.

Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 343; Schneider, P., Ausnahmezustand und Norm, 1957; Trotter, M., Der Ausnahmezustand, Diss. jur. Heidelberg, 1997

Außenerbe (lat. heres [M.] extraneus) ist im altrömischen Recht der bei Fehlen von Haus­erben (lat. sui heredes [M.Pl.]) eintretende Erbe (Agnat, Gentile, Patron, beliebiger Hausfremder), der die Vermögensrechte durch eine besondere Handlung ergreifen muss.

Lit.: Kaser § 65

Ausschlagung ist die bereits dem römischen Recht bekannte Willenserklärung des vorläufigen Erben, die Erbschaft nicht anzunehmen (lat. repudiare).

Lit.: Kaser § 71 II 3; Hübner; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Außenminister - > Minister

Lit.: Hampe, K., Das Auswärtige Amt in wilhelminischer Zeit, 2001

Aussetzung ist die bewusste Verbringung einer Person in eine Lage, in welcher ihr eine besondere Gefahr für das Leben droht. Nach dem römischen Zwölftafelgesetz ist die A. einer Missgeburt geboten, nach späterem römischen Recht und nach den frühmittelalterlichen Volksrechten ist die A. eines neugeborenen Kindes erlaubt. Ob es A. als Strafe gegeben hat, ist streitig. Im übrigen ist A. eine Straftat.

Lit.: Kaser § 60; Hübner 52

Aussperrung ist die von Arbeitgeberseite seit dem 19. Jh. unter Verweigerung der Lohnzahlung planmäßig vorgenommene Nichtzulassung einer Gruppe von Arbeitnehmern zur Dienstleistung. Sie ist ein Mittel des Arbeitskampfes. Ihre Zulässigkeit ist nicht unbestritten.

Lit.: Wege zur Arbeitsrechtsgeschichte, hg. v. Steindl, H., 1984; Kalbitz, R., Die Arbeitskämpfe in der Bundesrepublik Deutschland, Diss. phil. Bochum 1972

Ausstattung ist die über den gewöhnlichen Unterhalt hinausgehende, mit Rücksicht auf die Verheiratung oder die Erlangung einer selbständigen Lebensstellung erfolgende Zuwendung der Eltern an ein Kind. Sie geschieht im wesentlichen als -> Abschichtung bei Verheiratung oder sonstiger Verselbständigung. Einen eindeutigen Rechtsanspruch auf A. gewährt das preußische Allgemeine Landrecht von 1794 (II 2 §§ 232ff.).

Lit.: Hübner; Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981

Ausstäupen ist das mittels Rute, Stock oder Peitsche erfolgende Schlagen (an einem Pfahl [Staupe]?). Es findet sich als Rechtsfolge einer Tat früh für Unfreie, seit dem Hochmittelalter als Strafe des Diebstahls von geringerem Wert. Der Aufklärung gelingt bis 1848 die Beseitigung des Ausstäupens.

Lit.: Breithaupt, W., Die Strafe des Staupenschlags, 1938

Aussteuer ist die in weitem Umfang übliche Zuwendung der zur angemessenen Einrichtung eines Haushaltes gehörenden Gegenstände (an eine Tochter durch die Eltern oder näheren Verwandten). Sie ist wohl nur ausnahmsweise rechtlich notwendig. In der Gegenwart wird die A. vor allem durch die Gewährung einer Ausbildung verdrängt.

Lit.: Hübner 664; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Austin, John (1790-1859), von 1826 bis 1832 Professor in London, ist als Begründer der englischen analytischen Jurisprudenz (Recht als eine Form des Befehls) einer der bedeutendsten englischen Rechtstheoretiker (The Province of Jurisprudence, 1832).

Lit.: Morison, W., John Austin, 1982

Austrägalinstanz ist seit dem 14. Jh. ein Schiedsgericht für Streitigkeiten zwischen Reichsfürsten. Gegen die Entscheidungen der A. ist die Appellation an das -> Reichskammergericht zulässig. Der Deutsche Bund kennt nach Art. XI der Deutschen Bundesakte bzw. Art. XXII der Wiener Schlussakte ebenfalls eine A. für die Entscheidung von Streitigkeiten zwischen Bundesstaaten bzw. Streitsachen der Bundesglieder. Für die Vollstreckung der Urteile dieser A. ist die Bundesversammlung zuständig.

Lit.: Köbler, DRG 153, 200; Leonhardi, P. v., Das Austrägalverfahren des Deutschen Bundes, Bd. 1f. 1838ff.

Austrasien ist zeitweise ein besonderer (östlicher) Teil des fränkischen Reichs.

Lit.: Parisse, M., Austrasie, Lotharingie, Lorraine, 1990

Austria ist die am Ende des Frühmittelalters in Parallele zu -> Austrien erscheinende Bezeichnung für ein Gebiet im Osten (des fränkischen oder deutschen Reiches z. B. 996 -> ostarrihhi, 1156 marchia Austrie, woraus sich -> Österreich entwickelt).

Lit.: Köbler, DRG 76; Baltl/Kocher; Floßmann, U., Regnum Austriae, ZRG GA 89 (1972), 78

Austrien ist vom 6. bis 8. Jh. eine Bezeichnung für östliche Teile des Reiches der Franken.

Lit.: Lugge, M., Gallia und Francia im Mittelalter, 1960; Parisse, M., Austrasie, Lotharingie, Lorraine, 1990

Auswanderung ist das Verlassen eines Landes auf Dauer (durch einen Freien). 1555 erlaubt der -> Augsburger Religionsfriede die A. bei Religionswechsel des Landesherrn. Der absolute Staat schränkt die Freiheit der A. ein. Nach dem Vorbild Frankreichs (1789) lassen die Mitgliedsstaaten des -> Deutschen Bundes 1815 die A. in einen anderen Mitgliedsstaat und um 1848 die A. überhaupt zu. Teilweise wird bei A. eine -> Steuer verlangt (u. a. Reichsfluchtsteuer in der Zeit der Weimarer Republik).

Lit.: Scheuner, U., Die Auswanderungsfreiheit, FS R. Thoma, 1950, 199ff.

Authenticae (lat. [F.Pl.]) sind die vielleicht von -> Irnernius geschaffenen, im 13. Jh. in den ersten neuen Büchern des -> Codex -> Justinians eingefügten (362 bzw. 212) Auszüge aus der -> Authenticum genannten Sammlung der -> Novellen sowie (seit dem 14. Jh.) die (2) Konstitutionen Sacramenta puberum und Habita Friedrichs I. Barbarossa und die (durch Aufteilung eines umfangreichen Gesetzes entstehenden 11) Konstitutionen (Navigia, Omnes peregrini, Agricultores usw.) Friedrichs II., welche bis zu -> Accursius (um 1230) in den Codex aufgenommen werden.

Lit.: Savigny, F., Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, 2. A. Bd. 3f. 1834ff.; Wesenberg, G., Die Privatrechtsgesetzgebung des Heiligen Römischen Reiches, Studi P. Koschaker Bd. 1 1954, 187; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997

Authenticum (lat. [N.]) ist die Bezeichnung für eine um 1100 in Bologna erscheinende, 134 Stücke umfassende Sammlung unbekannter Herkunft der seit 535 n. Chr. unter dem oströmischen Kaiser -> Justinian ergangenen -> Novellen, welche der Zeit als authentische Fassung gilt. -> Authenticae

Lit.: Söllner § 22; Savigny, F., Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, 2. A. Bd. 3f. 1834ff.; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997

Autograph (N.) vom Autor selbst geschriebenes Schriftstück (kein Werk der antiken Literatur

Lit.: Hoffmann, H., Autographa im früheren Mittelalter, DA 57 (2001), 1

Automat ist eine mechanische Einrichtung, die nach Aufheben einer Hemmung einen Vorgang selbsttätig ausführt. Größere tatsächliche Bedeutung gewinnt der A. mit dem Vordringen der elektronischen Datenverarbeitung am Ende des 20. Jh.s. Für Rechtsfolgen wird dessenungeachtet auf das hinter dem A. stehende menschliche Verhalten abgestellt.

Autonomie ist das (vom Staat gewährte) Recht zur Selbstgesetzgebung innerhalb einer anderweitigen Gesetzgebungshoheit. Die A. gewinnt mit der Entstehung des staatlichen Gesetzgebungsmonopols im Absolutismus an Bedeutung. A. haben beispielsweise Städte, Universitäten, Religionsgemeinschaften, Vereine usw.

Lit.: Steffen, W., Die studentische Autonomie im hochmittelalterlichen Bologna, 1981; Mizia, R., Der Rechtsbegriff der Autonomie und die Begründung des Privatfürstenrechts, 1995; Lim, M., Der Begriff der Autonomie und des Menschenrechts bei Kant, 2002

Autor -> Urheber

Auvergne ist die durch Cäsar ins Römische Reich gelangte Landschaft um das Zentralmassiv in Frankreich. Sie wird 507 fränkisch (Mitte 8. Jh. [lat.] Formulae [F.Pl.] Arvernenses) und kommt 955 an Poitou. Seit 1189 geht sie vom König zu Lehen. Ein Teil fällt 1527/31 an den König, der gräfliche Rest 1609. Der Advokat Jean Masuer (+ 1450) zeichnet in seiner (lat.) Practica (F.) forensis das zuvor ganz zersplitterte Recht erstmals umfassender auf. 1510 wird die Coutume d’Auvergne wirksam.

Lit.: Massé, E., La coutume d’Auvergne, Diss. jur. Toulouse 1913; Histoire d’Auvergne, hg. v. Manry, A., 1974

Averani, Giuseppe (1662-1738), seit 1685 Professor des römischen Rechts in Pisa, übernimmt die humanistischen Gedanken des (lat.) -> mos (M.) Gallicus in die Rechtswissenschaft Italiens und bereitet dadurch den Boden für die Aufklärung (in Toskana) vor ([lat.] Interpretationum iuris libri [M.Pl.] duo usw., 1713).

Lit.: Dizionario Biographico degli Italiani, 1960ff., 4, 658f.

Aware, Avare, ist der Angehörige eines um 460 aus Zentralasien nach Westen vorstoßenden, um 566 an Donau und Theiß siedelnden, 822 aus der Überlieferung verschwindenden Steppenvolkes.

Lit.: Pohl, W., Die Awaren, 2. A. 2002

Aymar du Rivail (Aymarus Rivallius) (1490?-1560), Sohn eines (lat.) legum doctor (M.) und Richters, wird nach dem Rechtsstudium in Avignon und Pavia (Mayno, Alciat?) 1521 königlicher Rat im Parlament von Grenoble. Mit Druckerprivileg vom 8. 8. 1515 veröffentlicht er in Valence (lat.) Libri (M.Pl.) de historia iuris civilis et pontificii mit 129 numerierten und 19 unnumerierten Blättern, welche die erste umfassende Rechtsgeschichte (des römischen und kirchlichen Rechts) darstellen.

Lit.: Moeller, E. v., Aymar du Rivail, 1907; Köbler, G., Zur Geschichte der römischen Rechtsgeschichte, in: Geschichtliche Rechtswissenschaft, hg. v. Köbler, G., 1990, 220

Aytta, Wigle (Viglius) van (Barrahuis bei Leeuwarden 1507 - Brüssel 1577) wird nach dem Studium in Löwen, Dôle und Valence Schüler -> Alciats in Bourges und 1532 Professor des römischen Rechts in Padua, 1537-42 in Ingolstadt. Er verwertet in seinen Veröffentlichungen auch byzantinische Rechtsquellen.

Lit.: Postma, F., Viglius van Aytta als humanist en diplomaat 1507-1549, 1983; Sprenger, R., Viglius von Aytta, 1988

Azo (Bologna 1150?-1220) lehrt nach dem Studium in Bologna spätestens seit 1190 dort weltliches Recht. Seine bedeutendsten Leistungen bestehen in der Herstellung von (weitgehend ungedruckten) Glossenapparaten zu allen Teilen der justinianischen Gesetzgebung sowie in (lat.) Summae (F.Pl.) Codicis, Summae Institutionum und Summae Digestorum. Insbesondere im 16. Jh. erfahren seine Werke weiteste Verbreitung. Er ist Lehrer z. B. des -> Accursius.

Lit.: Köbler, DRG 107; Belloni, A., Le questioni civilistiche del secolo XII, 1989; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997

 

 

 

 

 

B

 

Baar ist eine in Urkunden des 8. und 9. Jh.s erscheinende Bezeichnung des Gebietes an der obersten Donau. 1264 tritt ein Landgraf in der B., 1403 eine Landgrafschaft B. auf, welche denen von Fürstenberg zukommt.

Lit.: Bader, K., Die Landgrafschaft Baar, 1960; Leiber, G., Das Landgericht der Baar, 1969

Babelsberger Konferenz ist eine in Babelsberg am 2./3. 4. 1958 tagende Konferenz, in welcher Walter Ulbricht von der Rechtswissenschaft der -> Deutschen Demokratischen Republik eine stärkere marxistisch-leninistische Durchdringung sowie eine bessere Verbindung mit der Praxis des sozialistischen Aufbaus fordert.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Mollnau, K., Implementationsmechanismen der Babelsberger Konferenz, in: Staat und Recht in den neuen Bundesländern, Sonderheft Oktober 1991, 175; Güpping, S., Die Bedeutung der „Babelsberger Konferenz“, 1997; Die Babelsberger Konferenz, hg. v. Eckert, J., 1993

Babenberger ist der Angehörige eines in der Mitte des 11. Jh.s nach der Burg Babenberg (Bamberg) benannten, vor allem in Ostfranken begüterten, 945 letztmalig bezeugten Adelsgeschlechtes (Popponen). Als erster, wohl mit ihnen verwandter jüngerer B. erscheint 976 ein Markgraf Liutpald der Mark an der Donau. 1156 erreichen die B. als Ausgleich für die Rückgabe des 1138 von den Staufern den Welfen entzogenen und 1139 den Babenbergern übertragenen Herzogtums -> Bayern die Erhebung ihrer Mark zum selbständigen Herzogtum -> Österreich. Die zunächst an Böhmen gelangten Güter des 1246 im Mannesstamm erloschenen Geschlechts fallen nach dem -> Interregnum (1282) an die -> Habsburger.

Lit.: Köbler, DRG 76, 94; Appelt, H., Privilegium minus, 2. A. 1977; Lechner, K., Die Babenberger, 4. A. 1985

baccalaureus (9. Jh. baccalarius, [lat., M.], Knecht) ist seit dem 13. Jh. (1231) der unterste akademische Grad (angloam. bachelor).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Leff, G., Paris and Oxford in the 13th and 14th Centuries, 1968

Bachofen, Johann Jakob (Basel 22. 12. 1815 - 25. 11. 1887), Seidenbandfabrikantensohn, wird nach dem Studium von Philologie, Geschichte und Recht in Basel, Berlin (Savigny) und Göttingen 1841-45 Professor für römisches Recht in Basel und 1842 Richter (1844 Appellationsrat). Auf rechts­ethnologischer Grundlage entwickelt er die Vorstellung eines ursprünglichen Mutterrechts (Über das Weiberrecht, 1856, Das Mutterrecht, 1861). Bei seinen Zeitgenossen findet er hierfür kein Verständnis.

Lit.: Müllenbach, B., Johann Jakob Bachofen als Rechtshistoriker, ZRG GA 105 (1988), 17

Bacon, Francis (1561-1626), Sohn des englischen Lordsiegelbewahrers, wird nach dem Studium in Cambridge und der Berufsausbildung in Gray’s Inn 1583 Anwalt, 1607 Kronanwalt, 1613 Justizminister, 1617 Lordsiegelbewahrer und 1618 Lordkanzler. Wegen des Verdachts der Bestechlichkeit verliert er 1621 alle öffentlichen Ämter. Als Jurist bemüht er sich besonders um Klarheit und Wissenschaftlichkeit. Außerrechtliche Bekanntheit gewinnt er durch die Forderung, dass die Wissenschaft nur aus der einzelnen Erfahrung allgemeine Folgerungen ziehen dürfe (-> Empirismus, -> Locke).

Lit.: Köbler, DRG 136; Krohn, W., Francis Bacon, 1988; Roger Bacon and the Sciences, hg. v. Hackett, J., 1997

Baculus (M.) iudicii secularis (lat.) in Frankenford ist ein in 88 Artikeln gehaltenes Werk über Gerichtsverfassung und Verfahren in Frankfurt am Main, das zwischen 1400 und 1430 von einem unbekannten Stadtschreiber verfasst worden sein könnte.

Lit.: Coing, H., Die Rezeption des römischen Rechts in Frankfurt am Main, 1939, 15

Baden im Oostal erscheint nach einem römischen Aquae Aureliae 987. Nach ihm benennt sich seit 1112 eine mit Markgraf Hermann (+ 1074) erkennbare, von den Herzögen von -> Zähringen abstammende Familie. Sie gewinnt umfangreiche Güter, welche bis zur Abdankung am 22. 11. 1918 gehalten werden können. 1951/2 geht B. in Baden-Württemberg auf.

Lit.: Kroeschell, DRG 186, 192, 201, 156; Köbler, Historisches Lexikon; Carlebach, R., Badische Rechtsgeschichte Bd. 1f. 1906ff.; Krieger, A., Badische Geschichte, 1921; Haebler, R., Badische Geschichte, 1951, Neudruck 1987; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,2626, 3,3,2855,3696; Boelcke, W., Handbuch Baden-Württemberg, 1982; Die Badische Verfassung von 1818, hg. v. Bräunche, E. u. a., 1996; Handbuch der baden-württembergischen Geschichte, hg. v. Schwarzmaier, H. u. a., Bd. 1ff. 1998ff.; Baldes, A., Die Entstehung des Strafgesetzbuches, 1999; Quellen zur Entstehung der Verfassung des Landes Baden, bearb. v. Feuchte, P., 1999

Baden-Württemberg ist das 1951/2 aus Württemberg-Baden (Nordbaden, Nordwürttemberg), Baden (Südbaden) und Württemberg-Hohenzollern (Südwürttemberg, Hohenzollern) gebildete Bundesland der Bundesrepublik Deutschland.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Boelcke, W., Handbuch Baden-Württemberg, 1982; Handbuch der baden-württembergischen Geschichte, hg. v. d. Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Bd. 1ff. 1990ff.

Badisches Landrecht von 1588 ist das von Markgraf Philipp II. am 2. 1. 1588 erlassene, bis 1810 geltende Landrecht für die Markgrafschaft Baden-Baden, das in seinen drei ersten Teilen (Untergerichtsordnung, Kontrakte, Testamente) auf dem Württembergischen Landrecht von 1567 beruht, das Intestaterbrecht selbständig behandelt und in seinem fünften Teil (Strafrecht) (über das Kurpfälzer Landrecht von 1580) auf die Kursächsischen Konstitutionen zurückgeht.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Leiser, W., Der gemeine Zivilprozess in den Badischen Markgrafschaften, 1961, 86

Badisches Landrecht von 1654 ist das 1622 gedruckte, für Baden-Baden und Baden-Durlach gedachte, aber nur in Baden-Durlach von 1654 bis 1810 gültige Landrecht, das auf der Grundlage älterer Einzelgesetze in sieben Teilen fast das gesamte Recht ordnet (ausgenommen das Verwaltungsrecht).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Carlebach, R., Badische Rechtsgeschichte, Bd. 1f. 1906ff., 2, 20

Badisches Landrecht von 1809 ist der zum 1. 1. 1810 als Landrecht für das Großherzogtum Baden eingeführte, übersetzte Code Napoléon (-> Code civil) mit Zusätzen und Handelsgesetzen, dessen Geltung durch die Inkraftsetzung des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches am 1. 1. 1900 endet.

Lit.: Carlebach, R., Badische Rechtsgeschichte, Bd. 2 1909; Code Napoleon - Badisches Landrecht, 1997

Bähr, Otto (Fulda 2. 6. 1817 - Kassel 17. 2. 1895) wird nach dem Rechtsstudium Richter in Kassel (1849), Fulda, Kassel und Berlin. Als nationalliberaler Rechtspolitiker setzt er sich für die gerichtliche Überprüfbarkeit des Verwaltungshandelns ein (Der Rechtsstaat, 1864). In der Untersuchung „Die Anerkennung als Verpflichtungsgrund“ entwickelt er den selbständig (abstrakt) verpflichtenden Schuldvertrag.

Lit.: Weber, D., Die Lehre vom Rechtsstaat, Diss. jur. Köln 1968; Binder, B., Otto Bähr, 1983

Bahrprobe ist ein wohl erst seit dem 13. Jh. in literarischen Texten erscheinendes Verfahren, bei dem ein einer Tötung Beschuldigter an die Totenbahre des Getöteten treten und seine Unschuld beschwören muss. Veränderungen der Leiche (z. B. Bluten) werden als Hinweis auf die Täterschaft des Beschuldigten angesehen. Herkunft (vgl. 1. Moses 4,10 [lat.] vox sanguinis fratris tui clamat ad me de terra, die Stimme des Blutes deines Bruders ruft zu mir von der Erde) und Wesen des Verfahrens sind unklar. Mit der Aufklärung verschwindet die B., mit dem 19. Jh. der Glaube an sie.

Lit.: Fehr, H., Das Bahrrecht, Dt. Jb. f. Volkskunde 6 (1960), 85

Balduinus -> Baudoin

Baldus de Ubaldis (Perugia 1327 - Pavia 28. 4. 1400), Sohn eines adligen Professors der Medizin, wird nach dem Studium in Perugia (Bartolus) Professor des römischen Rechts in Perugia (1347-57), Pisa (1357/8), Florenz (1358-64), Perugia (1364-76), Padua (1376-9), Perugia (1379-90) und Pavia (1390-1400). Auf Grund der vollständigen Beherrschung des gesamten geltenden Rechtes gelingt ihm die selbständige Weiterbildung vieler Einzelheiten (Wechselrecht, Gesellschaftsrecht, internationales Privatrecht, Prozessrecht, Staatsrecht, Strafrecht, Privatrecht) in rund 2800 Gutachten (lat. [N.Pl.] consilia) und verschiedenen (lückenhaften) Kommentaren.

Lit.: Söllner § 25; Kisch, G., Bartolus und Baldus, 1960; Horn, N., Aequitas in den Lehren des Baldus, 1968; Lange, H., Die Consilien des Baldus, 1974

Balkan (Berg in Bulgarien) ist eine aus dem Türkischen kommende, zusammenfassende Bezeichnung für die südosteuropäische Halbinsel. -> Griechenland, Albanien, Bulgarien, Jugoslawien.

Lit.: Weithmann, M., Balkan-Chronik, 1995; Hösch, E., Geschichte der Balkanländer, 4. A. 2002; Der Balkan, hg. v. Elvert, J., 1997; Der Balkan, hg, v. Heuberger, V. u. a., 1998; Südosteuropa, hg. v. Hatschikjan, M. u. a., 1999; Der Balkankrieg, hg. v. Hofbauer, H., 1999; Mennel, R., Der Balkan, 1999; Razumovsky, D. Gräfin, Der Balkan, 1999; Pavlowitsch, S., A History of the Balkans 1804-1945, 1999; Todorova, M., Die Erfindung des Balkans, 1999

Ballei (zu mlat. [M.] ballivus) ist seit dem 14. Jh. nach sizilianischem Vorbild die Bezeichnung für die Provinz des -> Deutschen Ordens mit dem Landkomtur an der Spitze (z. B. Utrecht, Alten-Biesen, Westfalen, Sachsen, Hessen, Thüringen, Franken, Koblenz, Elsaß-Schwaben-Burgund, Lothringen, Österreich, An der Etsch und im Gebirge, Lamparten, Apulien, Sizilien, Böhmen, Armenien und Zypern, Romanien).

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Voigt, J., Geschichte des Deutschen Ritter-Ordens, Bd. 1f. 1857ff.

ballivus (zu lat. baiulus [M.] Lastträger) ist ein herrschaftlicher Amtsträger im frühmittelalterlichen Frankreich sowie später in Süditalien und als bailiff im hochmittelalterlichen England.

Lit.: Nowé, H., Les baillis comtaux de Flandre, 1929

Balte ist der Angehörige eines baltisch sprechenden indogermanischen Volkes (Preußen, Kuren, Letten, Litauer).

Baltikum ist eine Sammelbezeichnung für die spätestens seit dem ausgehenden Frühmittelalter von ugro-finnischen und balto-slawischen Stämmen (Esten, Liven, Kuren, Lettgaller, Selen, Semgaller) besiedelten Gebiete am östlichen Rand der südlichen Ostsee. Das B. wird seit dem Ende des 12. Jh.s von Deutschen (Riga 1201) und Dänen (Reval 1219) beeinflusst. Die Bischöfe von Riga (1255 Erzbistum), Dorpat, Ösel, Kurland und Reval sowie der Deutschordensmeister von Livland erlangen die Stellung von Fürsten des Heiligen Römischen Reiches. Sie finden sich im 15. Jh. in einer altlivländischen Konföderation mit alljährlichen Landtagen zusammen. Das Recht ist vom Reich beeinflusst (1315 Waldemar-Erichsches Lehnrecht, ältestes livländisches Ritterrecht, Livländischer Spiegel [als Überarbeitung des -> Sachsenspiegels], Wiek-Öselsches Lehnrecht, Mittleres livländisches Ritterrecht [15. Jh.], umgearbeitetes Ritterrecht, Bauernrechte, lübisches und hamburgisches Stadtrecht). Das römische Recht wirkt sich nur wenig aus. 1561 kommt das Gebiet an Polen und Schweden, 1710 fallen Estland und (mittleres) Livland, 1795 Kurland an Rußland, wobei Augsburgische Konfession, deutsches Recht, deutsche Verwaltung und Amtssprache zugesichert bleiben. 1816/9 erfolgt die Bauernbefreiung, danach die Festlegung des Provinzialrechts (1864 Zivilgesetzbuch, Liv-, Est- und Kurländisches Privatrecht), 1889 die Einführung des russischen Gerichtsverfassungsrechts und Prozessrechts. 1918 werden Estland (24. 2. 1918) und Lettland selbständig, am 6. 8. 1940 bzw. 5. 8. 1940 der Sow­jet­union eingegliedert und am 6. 9. 1991 wieder unabhängig.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Bunge, F. v., Einleitung in die liv-, est- und kurländische Rechtsgeschichte, 1849; Wittram, R., Baltische Geschichte, 1954; Von den baltischen Provinzen zu den baltischen Staaten, hg. v. Hehn, J. v. u. a., 1977; Ludwig, K., Das Baltikum, 2. A. 1992; Schmidt, A., Geschichte des Baltikums, 1992; Baltische Länder, hg. v. Pistohlkors, G. v., 1994; Die baltischen Sprachen, hg. v. Eckert, R., 1994; Der Aufbau der freiheitlich-demokratischen Ordnung in den baltischen Staaten, hg. v. Meissner, C. u. a., 1995; Norgaard, O. u. a., The Baltic States after Independence, 1996; Die baltischen Staaten, hg. v. Scholz, F. u. a., 1997; Baltistik, hg. v. Bammesberger, A., 1998; Handbuch Baltikum heute, hg. v. Graf, H. u. a., 1998; Die Deutschbalten und der Nationalsozialismus, Bd. 1, hg. v. Garleff, M., 2000

Baluze, Etienne (Tulle 24. 11. 1630 - Paris 28. 7. 1718) veröffentlicht nach dem Rechtsstudium in Toulouse als Bibliothekar Colberts 1677 die erste große Ausgabe der frühmittelalterlichen -> Kapitularien (einschließlich der Volksrechte) des fränkischen Reiches (Capitularia regum Francorum).

Lit.: Ganshof, F., Was waren die Kapitularien?, 1961

Bamberg ist ein als Burg Babenberg (-> Babenberger) erstmals zum Jahre 902 genannter Ort am oberen Main, der 1007 unter dem Sachsen Heinrich II. Sitz eines Bistums wird. Um 1060 erfolgt eine Aufzeichnung des Dienstrechts der Dienstmannen. 1507 schafft der bischöfliche Hofmeister Johann von -> Schwarzenberg die Bamberger Halsgerichtsordnung (Constitutio Criminalis Bambergensis). 1735 wird für kurze Zeit eine juristische Fakultät eingerichtet. 1803 fällt das Fürstbistum B. an Bayern.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 94, 138; Köbler, Historisches Lexikon; Zöpfl, H., Das alte Bamberger Recht, 1839; Jaffé, P., Monumenta Bambergensia, 1869; Ament, W., Bamberg, 1929

Bamberger Halsgerichtsordnung -> Bamberg

Bank ist allgemein eine Sitzgelegenheit und rechtlich ein Unternehmen, dessen Inhaber mindestens eine Art von Bankgeschäften in einem Umfang betreibt, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Nach antiken Vorläufern in Ägypten, Griechenland und Rom (lat. [M.Pl.] argentarii, mensarii) entwickeln sich seit dem 12. Jh. berufsmäßige Geldwechsler zuerst in Italien (Lombarden). Seit dem 15. Jh. entstehen halböffentliche Banken (Barcelona 1401, Genua 1409, Amsterdam 1609, Hamburg 1619, Bank of England 1694). Seit etwa 1835 beginnen die Banken mit der Finanzierung von industriellen Unternehmen, welche bereit sind, Fremdkapital aufzunehmen (Paris 1852 Aktienbank). In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s werden die Banken zu bedeutenden Dienstleistungsunternehmen.

Lit.: Köbler, DRG 176; Günther, K., Die städtischen Wechselbanken Deutschlands, Diss. jur. Münster 1932; Trusen, W., Die Anfänge öffentlicher Banken und das Zinsproblem, FS J. Bärmann, 1975, 113; Klein, E., Deutsche Bankengeschichte, 1982; L’alba della banca, 1982; Gabler Banklexikon, hg. v. Grill, W. u. a., 11. A. 1995; Lane, F./Mueller, R., Money and Banking, 1985; Ruland, A., Zur Entwicklung des Bankaufsichtsrechts, Diss. jur. Münster 1987; Wandel, E., Banken und Versicherungen, 1997; Fuchs, R., Die Wiener Stadtbank, 1998; North, M., Kommunikation, Handel, Geld und Banken, 2000; James, H., Verbandspolitik im Nationalsozialismus, 2001; Kahmann, H., Die Bankiers von Jacquier & Securius 1933-1945, 2002

Bankert (mhd. Banchart [M.] auf der Bank Gezeugter) ist eine ältere Bezeichnung für das -> nichteheliche Kind.

Bann ist die Möglichkeit eines Amtsträgers, Gebote und Verbote unter Anordnung gewichtiger Rechtsfolgen im Fall der Nichtbeachtung auszusprechen. In diesem Sinn kann bereits der jüdische Rabbi den uneinsichtigen Sünder zum Heiden erklären (vgl. Matthäus 18,15-17). Dementsprechend schließt das Christentum (Elvira 306) Sünder in bestimmten Fällen aus der kirchlichen Gemeinschaft aus (nicht auch aus der Kirche insgesamt). In Fällen geringerer Sünde werden nur der Empfang der Sakramente und das kirchliche Amt abgesprochen. Vom kirchlichen B. kann der Papst lösen. Im weltlichen Bereich kennt das fränkische Recht den B. des Königs oder Grafen. Wer dagegen verstößt, muss 60 bzw. 15 Schilling leisten. Seit dem Hochmittelalter gehen die Bannrechte des Königs auf den Landesherrn über und werden dann durch das Hoheitsrecht des Landesherrn bzw. später des Staates ersetzt.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 83, 130; Sickel, W., Zur Geschichte des Bannes, 1886; Eichmann, E., Acht und Bann, 1909; Doskucil, W., Der Bann in der Urkirche, 1958; Scheyhing, R., Eide, Amtsgewalt und Bannleihe, 1960; Tiefenbach, H., Studien zu Wörtern volkssprachiger Herkunft, 1973

Banner ist die vielleicht schon in germanischer Zeit als Zeichen dienende Fahne (Heerfahne, Gerichtsfahne).

Lit.: Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v., Rechtsarchäologie, 1943, 34; 75 (Fünfundsiebzig) Jahre Reichsbanner Schwarz- Rot – Gold, red. v. Grimm, U., 1999

bannitio (lat. [F.]) öffentliche Ladung

Bannmeile ist die örtlich auf eine (oder auch mehrere) Meilen festgelegte Reichweite eines -> Bannes oder einer Herrschaftsgewalt. Seit dem Hochmittelalter werden insbesondere Burgen, Städte, Märkte, Mühlen oder Brauhäuser mit einer B. ausgestattet. In der Gegenwart beschreibt die B. eines Staatsorgans den räumlichen Bereich, in welchem keine Versammlungen abgehalten werden dürfen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Küchler, W., Das Bannmeilenrecht, 1964

barbarus (lat. [M.]) plappernder (Nichtrömer)

Lit.: Köbler, LAW; Rugullis, S., Die Barbaren in den spätrömischen Gesetzen, 1992

Barbeyrac, Jean de (1674-1744), 1697-1710 Professor für alte Sprachen in Berlin, 1711-7 für Geschichte und Naturrecht in Lausanne, 1717-44 für öffentliches und privates Recht in Groningen, verbreitet naturrechtliches Gedankengut durch französische Übersetzungen von Werken Pufendorfs, Grotius’ und Cumberlands.

Lit.: Othmer, S., Berlin und die Verbreitung des Naturrechts in Europa, 1970

Bargilde -> Biergelde

Baron ist eine über das Mittellateinische und Mittelfranzösische von ahd. baro „Mann“ abgeleitete Bezeichnung für eine Gruppe von Adligen (1595 für Freiherr).

barrister ist der vor Gericht ([engl.] bar) auftretende Anwalt des englischen Rechts.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 3. A. 1990, 186; Baker, J., The Common Law Tradition, 2000

Barschalk ist eine Bezeichnung für bestimmte Halbfreie im frühmittelalterlichen Bayern.

Lit.: Köbler, WAS; Janda, A., Die Barschalken, 1926; Mayer, T., Bauer und Barschalken, FS I. Zibermayr, 1954, 143

Bartolus de Saxoferrato (Venatura 1313? - Perugia 13. 7. 1357) lehrt nach dem in Perugia (1327, Cinus de Sighibuldis) und Bologna (1333) betriebenen Studium und der am 10. 11. 1334 in Bologna erlangten Promotion zum (lat.) doctor (M.) iuris civilis seit Winter 1338 in Pisa und Perugia (1342) weltliches Recht. Neben nahezu 400 Gutachten verfasst er bedeutende Kommentare zu Digesten und Codex Justinians sowie etwa 45 wichtige Traktate (z. B. zum Markenrecht und Wappenrecht) in klarer, aber trotz freierer Auslegung noch an der Scholastik ausgerichteter Denkweise. Seine Werke bilden neben der Glosse des Accursius an vielen Orten die Grundlage des juristischen Studiums bis weit in die Neuzeit ( [lat.] Nemo bonus iurista, nisi Bartolista, niemand ist guter Jurist, wenn er nicht Bartolist ist).

Lit.: Söllner § 25; Savigny, F., Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, 2. A. Bd. 3ff. 1834ff.; Bartolo da Sassoferrato, Bd. 1f. 1962; Merzbacher, F., Bartolo de Sassoferrato, in: Recht - Staat - Kirche, hg. v. Köbler, G. u. a., 1989, 559; Kisch, G., Bartolus und Baldus, 1960

Basel am Rhein wird auf keltisch-römischer Siedlungsgrundlage vielleicht im 7. Jh. Sitz eines Bischofs. Seit 1362 zählt es sich zu den freien Städten im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation). 1459 erlangt es eine Universität. Am 13. 7. 1501 schließt sich B. als neunter Ort der Eidgenossenschaft der -> Schweiz an.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Professoren der Universität Basel, 1960; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,443, 3,2,1958; Hagemann, H., Basler Rechtsleben im Mittelalter, Bd. 1f. 1981ff.

Basiliken (kaiserliche Bücher) ist der Name für die 60 Bücher, in denen unter Kaiser Leon VI. (886-912) in -> Byzanz die Rechtstexte -> Justinians ins Griechische übersetzt, gestrafft und vereinfacht werden (Digestenparaphrase des Anonymus, Codexparaphrase des Thaleleios). Um 1345 bearbeitet -> Harmenopoulos die B. im -> Hexabiblos.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 44 I 6; Basilicorum libri LX, hg. v. Scheltema u.a,, Bd. 1ff. 1953ff.

Baske ist der Angehörige eines vorindogermanischen, um die Pyrenäen siedelnden Volkes. Im 10. Jh. deckt sich das Land der Basken mit dem Königreich -> Navarra. 1939 beseitigt der spanische Diktator Franco die Vorrechte der ihm ablehnend gegenüberstehenden Basken. 1979 erhalten die Basken (wieder) Autonomie.

Lit.: Ortots, Die Basken, 1979; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,247; Kasper, M., Baskische Geschichte, 1997; Kurlansky, M., Die Basken, 2000

Baudoin (Balduinus), François (Arras 1520 - Paris 1573), Fiskaladvokatensohn, lehrt nach dem Studium in Löwen (Mudaeus) kurz in Paris (Du Moulin), seit 1548 in Bourges, seit 1555 in Straßburg, seit 1556 in Heidelberg, nach einiger Unterbrechung seit 1566 in Besançon und seit 1569 in Angers. Innerhalb der französischen Humanisten bemüht er sich um die von der einfachen Überlieferung gelöste zusammenfassende Behandlung verschiedener Textschichten (z. B. der Codexfragmente Konstantins).

Lit.: Erbe, M., François Baudoin, 1978

Bauer ist der Angehörige des die Landwirtschaft betreibenden Berufsstandes. Sachlich entsteht der B. mit der Seßhaftwerdung, mit welcher der Ackerbau neben die Viehzucht tritt. Im Frühmittelalter gerät der B. vielfach in grundherrschaftliche Abhängigkeit. Seit der Aussonderung der Bürger und Ritter bilden die verbleibenden Mitglieder der Gesellschaft den Berufsstand der Bauern. Namengebend wird das bloße Nebeneinanderwohnen. Zu Beginn des 16. Jh.s lehnen sich die Bauern erfolglos gegen ihre Herren auf (-> Bauernkrieg). Im 19. Jh. erlangen sie Freiheit und Eigentum (-> Bauernbefreiung).

Lit.: Köbler, DRG 79, 98, 111, 135; Bauer, Wort und Begriff, 1975; Fossier, R., Paysans d’Occident, 1984; Rösener, W., Bauern im Mittelalter, 4. A. 1987; Trossbach, W., Bauern 1648–1806, 1993; Rösener, W., Die Bauern in der europäischen Geschichte, 1993

Bauerbrief -> Dorfordnung

Bauergericht ist unter verschiedenen Namen das unter Vorsitz eines Bauermeisters in Flursachen tagende Gericht des mittelalterlich-frühneuzeitlichen Dorfes.

Lit.: Wiemann, H., Der Heimbürge in Thüringen und Sachsen, 1962

Bauernbefreiung ist die Befreiung der gebietsmäßig durchaus verschieden gestellten Bauern aus der grundherrlichen Abhängigkeit an der Wende des 18. Jh.s zum 19. Jh., welche von Staatsmännern, Wirtschaftsdenkern und aufgeklärten Bürgern auch zwecks Ertragssteigerung angeregt wird. Sie beginnt in Savoyen (1761, 1771). Reformen Josephs II. in Österreich werden abgesehen von der Aufhebung der Erbuntertänigkeit nach 1789 wieder abgeschafft. In Baden wird 1787 die Leibeigenschaft aufgehoben. In Preußen erhalten von 1799 bis 1805 50000 Domänenbauern persönliche Freiheit und freies Eigentum. Im Oktober 1807 verschafft ein preußisches Edikt bis zum Martinitag 1810 allen Bauern persönliche Freiheit, das Regulierungsedikt von 1811 auch Eigentum gegen Entschädigung. Im Laufe des 19. Jh.s dringt die B. allgemein durch.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 174; Knapp, G., Die Bauernbefreiung, 1887; Grünberg, C., Die Bauernbefreiung in Böhmen, Mähren und Schlesien, Bd. 1f. 1893; Conze, W., Die liberalen Agrarreformen Hannovers im 19. Jahrhundert, 1947; Conze, W., Quellen zur Geschichte der Bauernbefreiung, 1957; Hippel, W. v., Die Bauernbefreiung im Königreich Württemberg, Bd. 1f. 1977; Dipper, C., Die Bauernbefreiung in Deutschland 1790-1850, 1980

Bauernkrieg ist der zu Beginn der Neuzeit von den -> Bauern gegen die -> Grundherrn geführte Krieg. Die Bauernkriege gründen sich auf eine als Folge der Pest am Ende des Mittelalters entstandene Agrarkrise und auf die von Martin Luther genährte Hoffnung auf Besserung der Lage der Unterdrückten. Nicht zuletzt wegen Luthers baldiger Stellungnahme gegen die mörderischen Rotten der Bauern enden die Bauernkriege mit einer Niederlage der Bauern, ohne dass diese sich jedoch vollständig entrechten lassen.

Lit.: Franz, G., Der deutsche Bauernkrieg, 12. A. 1984; Waas, A., Der Bauernkrieg, 1995; Blickle, P., Der Bauernkrieg, 1998

Bauersprache (mnd. bursprake) ist die Versammlung der Nachbarn in Stadt und Dorf, in welcher das geltende Recht verkündet wird und bei Bedarf allgemeine Angelegenheiten beraten werden.

Lit.: Kroeschell, DRG 1

Baulast ist im späten 20. Jh. in Deutschland ein sich nicht bereits aus öffentlichrechtlichen Vorschriften ergebendes, also freiwillig gegenüber der Bauaufsichtsbehörde übernommenes, ein Grundstück betreffendes Tun, Dulden oder Unterlassen eines Eigentümers. -> Kirchenbaulast

Lit.: Döring, C., Die öffentliche Baulast, 1994

Baurecht ist objektiv die Gesamtheit der Rechtssätze, die sich auf die Zulässigkeit und die Grenzen bzw. die Ordnung und die Förderung der Errichtung und wesentlichen Veränderung von baulichen Anlagen sowie auf deren bestimmungsgemäße Nutzung beziehen. Ursprünglich gilt für das B. der Grundsatz der Baufreiheit des Grundstücksberechtigten (so noch das preußische Allgemeine Landrecht von 1794). Seit dem Hochmittelalter finden sich erste Einschränkungen in den verdichtet besiedelten Städten. Dem folgen allmählich zahlreiche einzelne Polizeiverordnungen, Erlässe und Entschließungen der Landesherren. Sie werden in der Mitte des 19. Jh.s durch allgemeine Regelungen ersetzt (Bayern [München 1863] 1864, Baden 1868, Sachsen 1868/9, Preußen 1871, Württemberg 1872), welche mit zunehmender Besiedlungsdichte immer stärkere Beschränkungen aufnehmen, so dass der Grundsatz der Baufreiheit in erheblichem Umfang zum bloßen Grundsatz eingeengt wird.

Lit.: Köbler, DRG 152, 198, 259, 269; Grein, F., Baurecht nach den Vorschriften des Allgemeinen Landrechts, 1863; Urschlechter, A., Das Baurecht der Stadt Nürnberg, Diss. jur. Erlangen 1940; Gönnenwein, O., Die Anfänge des kommunalen Baurechts, FG H. Fehr, 1948, 71; Pirson, D., Das Baurecht des fürstlichen Absolutismus im Hohenzollerischen Franken, 1961; Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.; Ries, P., Bauverträge im römischen Recht, Diss. jur. München 1989; 100 Jahre Allgemeines Baugesetz Sachsen, hg. v. Bauer, H. u. a. , 2000; Binding, G./Linscheid-Burdich, S., Planen und Bauen im frühen und hohen Mittelalter, 2002

Bausparkasse ist eine genossenschaftlich organisierte -> Sparkasse, welche Darlehen zu Bauzwecken an Genossen vergibt. Die erste B. wird 1775 in Birmingham gegründet (Ketley’s Building Society, 1831 Oxford Provident Building Association in Frankfort/Pennsylvania). In Deutschland stammt die älteste B. von 1885 (Bielefeld, B. für jedermann).

Lit.: Köbler, DRG 241; Lehmann, W., Die Bausparkasse, 5. A. 1977

Bayer ist der Angehörige des aus streitigen Grundlagen erwachsenden, zum 6. Jh. (Jordanes) erstmals genannten, zwischen Alpen und Donau siedelnden Volkes. Die Bayern geraten schon früh unter die Herrschaft der -> Franken. Vielleicht vor 743 zeichnen sie ihr Recht auf (-> Lex Baiwariorum). Ihr dem Hause der Agilolfinger angehörender König Tassilo III. wird 788 von Karl dem Großen abgesetzt. Später gelangt Bayern als Herzogtum nacheinander an die Luitpoldinger, das sächsische und salische Königshaus (größte Ausdehnung um 950), die Welfen, die Babenberger (1139-56), die Welfen und nach dem Sturz Heinrichs des Löwen (1180) an die -> Wittelsbacher. Seit 1255 wird das Land Bayern mehrfach geteilt. 1329 werden Oberpfalz und Pfalz einer eigenen Linie überantwortet (mit Kurwürde seit 1356). 1335/46 gibt Kaiser Ludwig der B. dem Teil Oberbayern ein 1518 reformiertes Landrecht, 1474 Herzog Ludwig der Reiche, der Gründer der Universität Ingolstadt, Niederbayern eine Landesordnung. Nach dem Landshuter Erbfolgekrieg wird 1506 dieUnteilbarkeit des wiedervereinigten Landes festgelegt, 1616 durch Herzog Maximilian ein einheitliches Landrecht geschaffen. In der Mitte des 18. Jh.s wird das Recht unter W. v. Kreittmayr im (lat.) -> Codex (M.) iuris Bavarici criminalis, im -> Codex iuris Bavarici iudiciarii und im -> Codex Maximilianeus Bavaricus civilis zusammengefasst. 1777 kommen Pfalz und Bayern wieder zusammen. Zwischen 1803 und 1816 gewinnt das 1806 zum Königreich aufgestiegene Bayern große schwäbische und fränkische Gebiete. 1808 entsteht eine Konstitution, 1813 ein Strafgesetzbuch, 1818 eine Verfassung. 1918 wird das Königreich zum Freistaat, der 1945 alle linksrheinischen Gebiete (Pfalz) an das neue Rheinland-Pfalz verliert.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 75, 131, 139, 192, 256; Monumenta Boica, ed. Academia Scientiarum Boica, Bd. 1ff. 1763ff.; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,1472,2634, 3,3,3697; Handbuch der bayerischen Geschichte, hg. v. Spindler, M., Bd. 1ff. 2. A. 1981, z.T. 3. A.ff. 1995ff.; Jahn, J., Ducatus Baiuvariorum, 1989; Hartmann, P., Bayerns Weg in die Gegenwart, 2. A. 1992; Prinz, F., Die Geschichte Bayerns, 1997; Liebhart, W., Bayerns Könige, 2. A. 1997; Fait, B., Demokratische Erneuerung, 1998; Sagstetter, M., Hoch- und Niedergerichtsbarkeit im spätmittelalterlichen Herzogtum Bayern, 2000; Volkert, W., Geschichte Bayerns, 2001; Störmer, W., Die Baiuwaren, 2002

Bayerisches Landrecht von 1616 ist ein von Herzog Maximilian (1597-1651) seinem Land -> Bayern gegebenes einheitliches -> Landrecht.

Lit.: Schuppenies, P., Die Bürgschaft im Bayerischen Landrecht, Diss. jur. Mannheim 1975

Bayerisches Oberstes Landesgericht ist das in Wahrung der Erinnerung an Bayern als unabhängigen deutschen Staat (1806-71) beibehaltene, über mehreren bayerischen Oberlandesgerichten (München, Nürnberg, Bamberg) stehende oberste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Bayern. Es geht auf das am 18. 4. 1625 verfügte Revisorium (Revisionsgericht) Bayerns zurück. Eingerichtet wird es durch das bayerische Ausführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz vom 23. 2. 1879.

Lit.: Merzbacher, F., 350 Jahre Bayerisches Oberstes Landesgericht, in: Recht - Staat - Kirche, hg. v. Köbler, G. u. a., 1989, 509; Das Bayerische Oberste Landesgericht, hg. v. Herbst, G., 1993; Demharter, J., 375 Jahre Bayerisches Oberstes Landesgericht, NJW 2000, 1154

Bayerisches Strafgesetzbuch von 1813 ist das von -> Feuerbach erarbeitete Strafgesetzbuch -> Bayerns, das unter der Theorie des psychologischen Zwanges die wechselseitige Freiheit aller Bürger dadurch schützen will, dass es den Straftatbestand möglichst genau festlegt.

Lit.: Feuerbach, P., Lehrbuch des gemeinen, in Deutschland geltenden peinlichen Rechts, 1801, 14. A. 1847; Schubert, G., Feuerbachs Entwurf zu einem Strafgesetzbuch für das Königreich Bayern, 1978

Bayerische Zivilprozessordnung vom 29. 4. 1869 ist das am 1.7.1870 den älteren (lat.) -> Codex (M.) iuris Bavarici iudiciarii ablösende, bis 1879 geltende Zivilprozessgesetz -> Bayerns.

Bayern  ist das von den Bayern (-> Bayer) bewohnte Gebiet.

Beamtenrecht ist die sich als Rechtsgebiet seit dem 19. Jh. entwickelnde Gesamtheit der -> Beamten betreffenden Rechtssätze.

Lit.: Rejewski, H., Die Pflicht zur politischen Treue im preußischen Beamtenrecht, 1973

Beamter im beamtenrechtlichen Sinn ist, wer unter Aushändigung einer Urkunde bei einer juristischen Person des öffentlichen Rechts in das Beamtenverhältnis als ein öffentliches Dienstverhältnis und Treueverhältnis berufen worden ist. Insofern gibt es vor dem im Mittelalter entstehenden Territorialstaat keine eigentlichen Beamten, sondern nur Funktionsträger. Im fränkischen Reich setzt sich für diese das Lehnsprinzip durch. Später wird der belehnte Adlige durch den festbesoldeten, absetzbaren und zunehmend fachlich geschulten Beamten ersetzt. Schon im 17. Jh. kann dieser wegen seiner wohlerworbenen Rechte nicht mehr ohne gerichtliches Urteil entschädigungslos seines Amtes enthoben werden. Allgemeine Regeln über die als Zivilbedienstete bezeichneten Beamten enthält das preußische Allgemeine Landrecht von 1794 (II 10 §§68ff.). 1850 schreibt die preußische Verfassungsurkunde für die richterlichen Beamten moderne Grundsätze fest, welche die Weimarer Reichsverfassung in den Artikeln 128ff. auf alle Beamten erweitert. Wegen der hohen Personalkosten ist in der Gegenwart streitig, welche Staatstätigkeit von Beamten ausgeübt werden muss.

Lit.: Köbler, DRG 151, 197, 217, 225, 233, 258; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 1; Gönner, T., Der Staatsdienst, 1808; Bader, K., Die Rechtsprechung des Reichshofrates und die Anfänge des territorialen Beamtenrechts, ZRG GA 65 (1947), 363; Rejewski, H., Die Pflicht zur politischen Treue im preußischen Beamtenrecht, 1973; Wunder, B., Privilegierung und Disziplinierung, 1978; Hattenhauer, H., Geschichte des Beamtentums, 1980; Schimetschek, B., Der österreichische Beamte, 1984; Kittel, E., From Ad Hoc to Routine, 1991; Mühl-Benninghaus, S., Das Beamtentum in der NS-Diktatur, 1996

beati possidentes (lat. [M.Pl.]) die glücklichen Besitzenden (sind im Rechtsstreit im Vorteil).

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 33 Nr. 1 (Euripides 485/480-406 v. Chr.)

Beaumanoir, Philippe de Rémi, Herr (Seigneur) von (um 1247 - 7. 1. 1296), nachgeborener Sohn des bailli (Amtmanns) des Gâtinais, wird nach dem Studium des Rechts in Orléans und vielleicht Bologna 1279 bis 1283 bailli der Grafschaft Clermont in Beauvaisis. Zwischen 1280 und 1283 verfasst er Li livres des coustumes et des usages de Beauvoisins (Coutumes de Beauvaisis), die teils das Bestehende bewahren, teils aber auch verändern. Später erhält er hohe königliche Ämter.

Lit.: Köbler, DRG 103; Philippe de Beaumanoir, Coutumes de Beauvaisis, hg. v. Salmon, A., Bd. 1f. 1899, Neudruck 1970; Actes du colloque international Philippe de Beaumanoir et les coutumes de Beauvaisis, 1283-1983, hg. v. Bonnet-Laborderie, P., 1983

Beaumont im Erzbistum Reims ist eine freie Siedlung, mit deren Recht viele Orte im Westen des deutschen Reiches bewidmet werden. -> Loi de Beaumont

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 221

Bebenburg, Lupold von (Bebenburg in Württemberg um 1297 - Bamberg 28. 10. 1363), Reichsministerialensohn, wird nach dem Studium des kirchlichen Rechts in Bologna (1316) Kanoniker in Würzburg und nach der Lösung (1351) des 1338 vom Papst ausgesprochenen Bannes 1353 Bischof in Bamberg. In seinem kaiserfreundlichen (lat.) Tractatus (M.) de iuribus Regni et Imperii (1340) entwickelt er eine eigenständige Reichstheorie, in welcher er einem Reichskaisertum ein auf göttliches Recht gegründetes Weltkaisertum gegenüberstellt.

Lit.: Wolf, E., Große Rechtsdenker, 4. A. 1963, 30

Beccaria, Graf Cesare Bonesana von (Mailand 15. 3. 1738 - 28. 11. 1794), 1760-71 Professor in Mailand, danach im Dienst der österreichischen Lombardei, verfasst 1764 (it.) Dei delitti e delle pene (Von Verbrechen und Strafen). Darin verlangt er die Durchsetzung des Grundsatzes (lat.) nulla poena sine lege (keine Strafe ohne Gesetz), die regelmäßige Ersetzung der Todesstrafe durch lebenslängliche Zwangsarbeit, die Abschaffung der Folter, die Öffentlichkeit der Strafgerichtsverhandlung, das Verbot der Willkür bei Strafverfolgung, die Beachtung der Nützlichkeit gegenüber der bloßen Vergeltung sowie die Bekämpfung des Verbrechens durch aufgeklärte Bildung.

Lit.: Köbler, DRG 158; Cesare Beccaria, hg. v. Deimling, G., 1989; Weis, E., Cesare Beccaria (1738-1794), 1992; Beccaria et la culture juridique des lumières, hg. v. Porret, M., 1998

Bede ist im deutschen Mittelalter eine im Hinblick auf eine bestimmte Notlage von einem Herrn erbetene und von den Betroffenen durch Zustimmung bewilligte, in ihrer Höhe vermögensabhängige -> Abgabe in Geld seit etwa dem 11. Jh. Innerhalb der als Einheit bedepflichtigen Stadt trifft die B. als Umlage den Bürger. Später wird die B. von der Steuer verdrängt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 113; Erler, A., Bürgerrecht und Steuerpflicht, 2. A. 1963

Bedingung ist ein zukünftiges ungewisses Ereignis, von dessen Eintritt die Folgen einer menschlichen Erklärung abhängig gemacht werden. Die B. ist aufschiebend oder auflösend bereits dem frühen römischen Privatrecht bekannt (lat. [F.] -> condicio). Mit diesem wird sie in weiten Teilen Europas seit dem Mittelalter aufgenommen.

Lit.: Kaser § 10; Schiemann, G., Pendenz und Rückwirkung der Bedingung, 1973

beerbt (mit einem [Abkömmling als] Erben versehen)

Befangenheit ist das Fehlen der Unvoreingenommenheit bzw. der sachlichen Einstellung unabhängig von persönlichen Neigungen. Insbesondere von Richtern wird schon früh verlangt, dass sie unparteilich vorgehen. Allgemein wird die B. erst im 18. Jh. erfasst.

Befestigungsrecht ist das bei den Franken vom König beanspruchte Recht, einen Ort mit einer künstlichen Schutzvorrichtung (z. B. Mauer) zu sichern. Mit der Entstehung des -> Landes geht das B. vom König auf den Landesherrn über (1220 bzw. 1231). Danach erwerben auch die Städte ein B.

Lit.: Schrader, E., Das Befestigungsrecht in Deutschland, 1909; Coulin, A., Befestigungshoheit und Befestigungsrecht, 1911

Begnadigung ist der auf Gnade beruhende teilweise oder völlige Erlaß der Strafe eines einzelnen Täters nach Eintritt der Rechtskraft eines Strafurteils durch einen Herrn. Sie ist so alt wie die Strafe selbst. Im 20. Jh. wird sie zunehmend verrechtlicht.

Lit.: Bauer, A., Das Gnadenbitten in der Strafrechtspflege, 1996

Begräbnis ist das Verbringen eines Toten unter die Erdoberfläche. Es ist schon in frühen Zeiten an vielen Orten üblich. Vielfach werden dem Begrabenen Beigaben für ein anderweitiges Fortwirken mitgegeben. Im Anschluss an die jüdische Bibel begraben die Christen ihre Toten im Hinblick auf die künftige Auferstehung des verklärten Leibes (1. Moses 38,24, 1. Korinther 15,42), wobei allmählich der Kirchhof zum wichtigsten Begräbnisplatz wird. Mit der zunehmenden Verdichtung wird das B. verrechtlicht.

Lit.: Körner, A., Das kirchliche Beerdigungsrecht, 1906; Gaedke, J., Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 6. A. 1992

Begriffsjurisprudenz ist eine Richtung der Rechtswissenschaft, welche davon ausgeht, dass die Rechtsordnung aus einem lückenlos geschlossenen System von Begriffen (Begriffspyramide) besteht, aus welchem allein durch einen logischen Denkvorgang eine Lösung jedes Einzelfalles ermittelt werden könne. Sie beruht geschichtlich auf der -> historischen Rechtsschule (Savigny) und methodisch auf dem -> Naturrecht. Wichtigster Vertreter ist Friedrich -> Puchta (1798-1846), der den Juristen auf ein hierarchisches System von rein juristischen, positiven und von der gesellschaftlichen Wirklichkeit (wie der Geschichte) gelösten Begriffen verpflichtet, aus dem nach vorgegebener, den Naturwissenschaften verwandter geometrischer Art für jede Frage konstruktiv die zutreffende Lösung gewonnen werden kann. Die B. wird seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s allmählich von der -> Interessenjurisprudenz verdrängt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler, DRG 188; Krawietz, W., Theorie und Technik der Begriffsjurisprudenz, 1976; Schlosser, H., Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte, 8. A. 1996, § 4; Bohnert, J., Über die Rechtslehre Georg Friedrich Puchtas, 1975

Begründung -> Urteilsbegründung

Lit.: Horak, F., Rationes decidendi, 1969; Köbler, G., Die Begründung von Rechtssätzen im Hoch- und Spätmittelalter, Archival. Z. 75 (1979), 86; Köbler, G., Die Begründungen der Lex Baiwariorum, Gedächtnisschrift W. Ebel, 1982, 69; Hensche, M., Teleologische Begründungen, 1998; Die Begründung des Rechts als historisches Problem, hg. v. Willoweit, D., 2000; Hocks, S., Gerichtsgeheimnis und Begründungszwang, 2002

Begünstigung ist die Hilfeleistung an einen anderen, der eine rechtswidrige Tat begangen hat, in der Absicht, ihm die Vorteile der Tat zu sichern. Sie wird erst in der Neuzeit als solche verselbständigt.

Lit.: Rüping, H., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 3. A. 1998; Wolff, B., Begünstigung, Strafvereitelung und Hehlerei, 2002

Behörde ist die organisatorisch selbständige Stelle, die Aufgaben öffentlicher -> Verwaltung wahrnimmt. Dementsprechend entstehen Behörden, sobald die Verwaltung eine gewisse Größe überschreitet. Dies ist insbesondere seit der Entwicklung des modernen Staates im Spätmittelalter der Fall. Im 19. Jh. erfolgt ein rational-bürokratischer Aufbau aller Behörden. -> Bürokratie

Lit.: Köbler, DRG 150, 197, 233, 258; Biedermann, H., Geschichte der landesfürstlichen Behörden in und für Tirol, Archiv f. Gesch. Tirols 2 (1866); Mommsen, T., Römisches Staatsrecht, Bd. 1ff. 3. A. 1887, Neudruck 1963; Walther, A., Die Ursprünge der deutschen Behördenorganisation, 1913; Freitag, D., Das schlesische Behördenwesen, Diss. jur. Breslau 1937; Ohnsorge, W., Die Verwaltungsreform unter Christian, Neues Archiv f. sächs. Gesch. 63 (1943), 26ff.; Bernhard, W., Die Zentralbehörden des Herzogtums Württemberg und ihre Beamten 1520-1629, Bd. 1f. 1973

Beichtstuhljurisprudenz ist die seit dem 12. Jh. an Gewicht gewinnende Lehre vom Verhalten des christlichen Beichtvaters gegenüber einem Sünder hinsichtlich der Entscheidung für und gegen die Lossprechung. Hierzu entstehen besondere Beichtsummen (lat. Summae [F.Pl.] confessorum) wie z. B. die Summa de poenitentia des Raymund von Peñafort (vor 1238) oder die Summa confessorum des Johannes von Freiburg (vor 1290). Die auftretenden Rechtsprobleme des sog. (lat.) -> forum (N.) internum werden dabei nach den Regeln der gelehrten Rechte behandelt.

Lit.: Stintzing, R., Geschichte der populären Literatur des römisch-kanonischen Rechts in Deutschland, 1867, Neudruck 1959; Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechts in Deutschland, 1962; Michaud-Quantin, P., Sommes de casuistique et manuels de confession au moyen âge, 1962; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,999

Beichtsumme -> Beichtstuhljurisprudenz

Lit.: Michaud-Quantin, P., Sommes de Casuistique, 1962; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,1828

Beihilfe ist die Unterstützung eines Menschen insbesondere bei einer Straftat oder hinsichtlich einer Entlohnung für eine Tätigkeit. Zwischen Tätern und Gehilfen wird erst im Spätmittelalter gelegentlich unterschieden. Danach wird die B. als allgemeine Erscheinung erfasst. Die finanzielle B. entwickelt sich mit dem Ausbau des Rechts der -> Beamten.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 119; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.

Beilager ist der Beischlaf als Voraussetzung für die vollzogene -> Eheschließung.

Lit.: Kroeschell, DRG 1

Beirut -> Berytos

Beisasse ist (vor allem in der mittelalterlichen Stadt) der nicht vollberechtigte Bewohner (Bürger).

Lit.: Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 5. A. 1980, 275ff.

Beisitz ist eine Form einer Beteiligung. Im mittelalterlichen Recht bleibt nach dem Tode eines Hausvaters die Witwe mit den Kindern in ungeteilter Vermögensgemeinschaft auf dem Gut sitzen. Sie erzieht die Kinder und nutzt deren Vermögen durch B., bis dieser durch Abschichtung, Wiederverheiratung oder Tod beendet wird. Mit der Entwicklung des -> Ehegattenerbrechtes schwindet der noch im preußischen Allgemeinen Landrecht (1794) enthaltene B.

Lit.: Hübner 693; Köbler, DRG 89

Beisitzer -> Assessor

Beispruch ist im älteren deutschen Recht die Zustimmung des nächsten Erben des Veräußerers eines Gutes zur Veräußerung. Das Beispruchsrecht beruht auf der ursprünglichen Familiengebundenheit von Grund und Boden. Es ist zunächst ein vollständiges Recht auf Herausgabe der veräußerten Sache (Rückrufsrecht), schwindet im Laufe des Mittelalters aber in regionaler Verschiedenheit über ein Vorkaufsrecht allmählich gegenüber der Verfügungsfreiheit des Eigentümers.

Lit.: Hübner 332; Fipper, C., Das Beispruchsrecht nach altsächsischem Recht, 1879; Agena, G., Grundbesitz, Beispruch und Anerbenrecht in Ostfriesland, 1938

Beispruchsrecht -> Beispruch

Beleidigung ist die nach außen dringende Kundgabe der Missachtung oder Nichtachtung eines anderen. Sie ist im altrömischen Recht in der (lat. [F.]) iniuria (Unrecht) des Zwölftafelgesetzes mit der Folge der Leistung von 25 Pfund Kupfer enthalten, welche im klassischen römischen Recht zu einem Tatbestand erweitert wird, der jede bewusste Missachtung der Persönlichkeit eines anderen in Wort und Tat umfasst. In der frühen Neuzeit werden Körperverletzung und tätliche B. voneinander geschieden. Die peinliche Gerichtsordnung Karls V. von 1532 erfasst nur einzelne Sonderfälle. Im preußischen Allgemeinen Landrecht (1794) wird die B. als Straftatbestand angesehen. Das frühe 19. Jh. sondert die Verleumdung von der B., das Reichsstrafgesetzbuch des Jahres 1871 sieht B., Verleumdung und üble Nachrede als B. in weiterem Sinn an.

Lit.: Köbler, DRG; Landsberg, E., Injuria und Beleidigung, 1886; Rüping, H., Grundriß der Strafrechtsgeschichte, 3. A. 1998; Fuchs, R., Um die Ehre, 1998

Belgien ist das Gebiet zwischen der kontinentalen Ärmelkanalküste und den Ardennen. Sein Name geht auf 51 v. Chr. von Caesar unterworfene keltisch-germanische Mischstämme zurück, welche zusammenfassend als (lat. [M.Pl.]) Belgae bezeichnet werden. Sie geraten in der Völkerwanderung unter den Einfluss der vom Niederrhein einströmenden -> Franken, die den nördlichen Teil sprachlich assimilieren (flämisch). 843 gelangt ein Teil an den Westen (Frankreich), der übrige Teil an den Osten (Deutschland), 1384 das gesamte Gebiet an -> Burgund und über Maria von Burgund 1477 an Habsburg, für welches Karl V. 1531 die Aufzeichnung aller örtlichen Gewohnheitsrechte (coutumes) binnen sechs Monaten anordnet (1750: 691). Bei der Teilung im Hause Habsburg fällt der Raum an -> Spanien, ohne im Freiheitskampf der -> Niederlande mit diesen sich aus der spanischen Herrschaft lösen zu können. Nach dem spanischen Erbfolgekrieg wird B. an das habsburgische -> Österreich gegeben, nach der Besetzung durch Frankreich 1815 mit den Niederlanden vereint. Unter der Einwirkung der französischen Revolution des Jahres 1830 erklärt das teils wallonische (romanische), teils flämische (germanistische) Gebiet am 18. 11. 1830 seine Unabhängigkeit. Die Verfassung vom 7. 2. 1831 legt eine konstitutionelle Monarchie fest. Das Recht ist deutlich von Frankreich geprägt. Die 1831/9 garantierte Neutralität ist seit 1914/9 beendet bzw. aufgehoben. Seit 1952 ist B. Kernland europäischer Einigung. -> Europäische Union

Lit.: Pirenne, H., Histoire de Belgique, Bd. 1ff. 1899ff.; Errera, P., Das Staatsrecht des Königreichs Belgien, 1909; Dievoet, E. van, Het burgerlijk recht, 1943; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff. 3,1,1069, 3,2,2581, 3,3,3726,3794,3892,3973,4091; Gilissen, J., Historische Inleiding tot het recht, 1981; Cossart, A. v., Belgien, 1985; Goddings, P., Le droit privé dans les Pays-Bas méridionaux, 1987; Schilling, J./Täubrich, R., Belgien, 1990; Hermsdörfer, W., Geschichte und Gegenwartsgestalt des Verhältnisses von Staat und Kirche in Belgien, 1998; Cook, B., Belgium, 2002; Geschiedenis van de Belgische Kamer van Volksvertegenwoordigers, red. v. Gerard, E. u. a., 2003

Belial (hebr. Bosheit, Widersacher Christi) ist eine Lehrschrift ([lat.] Processus [M.] Luciferi contra Jesum coram iudice Salomone, Prozess Luzifers gegen Jesus vor dem Richter Salomo) des kanonistisch geschulten Archidiakons Jacobus Paladinus de Theramo von 1382. Ihre frühe deutsche Übersetzung ist ein Fall populärer, die Rezeption der gelehrten Rechte beschleunigender Literatur.

Lit.: Hagemann, H., Der Processus Belial, FG M. Gerwig, 1960, 55

Beliebung -> Dorfordnung, Siebenhardenbeliebung

Bellapertica -> Petrus de

Bello, Andrés (1781-1865), der von 1810 an ein jahrelanges Rechtsstudium in London betreibt, ist der Verfasser des auf dem europäischen Kodifikationsgedanken und dem spanisch-römischen Sachmaterial eigenständig aufgebauten (span.) Codigo Civil (Bürgerliches Gesetzbuch) de la República de Chile von 1855.

Lit.: Nelle, D., Entstehung und Ausstrahlungswirkung des chilenischen Zivilgesetzbuches von Andrés Bello, 1988

Bellot, Pierre François (1776-1836), seit 1819 bzw. 1823 Professor in Genf, ist der Redaktor des Zivilgesetzbuches und Schöpfer des Prozessrechts in -> Genf.

Lit.: Elsener, W., Die Schweizer Rechtsschulen, 1975, 446

Benedictus Levita ist der selbstgewählte Name des unbekannten Verfassers einer in drei Bücher mit 405, 436 und 478 Kapiteln gegliederten, um 850 wohl in der Erzdiözese Reims entstandenen, zu mehr als drei Vierteln gefälschten oder verfälschten Rechtssammlung, die Kapitularien aus der Sammlung des -> Ansegis, Bibeltexte, Kirchenväter, Kanones und andere Quellen kirchlichen wie weltlichen Rechts ohne jede Ordnung aneinanderreiht.

Lit.: Ganshof, F., Was waren die Kapitularien? 1961; Fälschungen im Mittelalter, hg. v. Fuhrmann, H., Bd. 1ff. 1988ff.

Benedikt XIV. (Prospero Lambertini, Bologna 1694-1754), seit 1740 Papst, ist auf Grund seines Werkes (lat.) De synodo dioecesana (Über die Diözesansynode) der früheste Vertreter einer geschichtlichen Kirchenrechtswissenschaft.

Lit.: Haynes, R., Philosopher King. The Humanist Pope Benedict XIV, 1970

Benediktiner ist der Angehörige des von Benedikt von Nursia (um 480-547) zunächst in Subiaco und nach 529 in Montecassino geleiteten ältesten abendländischen Mönchsordens, der nach der von Benedikt verfassten Klosterregel lebt. Bedeutende Klöster der B. sind neben Montecassino vor allem Luxeuil, Corbie, Fontenell, Stablo, Malmédy, Bobbio, Farfa, Echternach, Prüm, Reichenau, Sankt Gallen, Weißenburg im Elsaß, Lorsch, Maria Laach, Fulda, Corvey, Benediktbeuern, Wessobrunn, Beuron, Ettal, Tegernsee, Mondsee, Gorze, Melk, Bursfeld, Sankt Blasien, Weingarten, Sankt Emmeram und Göttweig. -> regula Benedicti

Lit.: Hilpisch, S., Geschichte des benediktinischen Mönchtums, 1929; Holtz, L., Geschichte des christlichen Ordenslebens, 1986

Benediktinerregel -> regula Benedicti

beneficium (lat. [N.] Wohltat) ist im römischen Recht jede Gunst (z. B. Übertragung des Rechts an einer Sache [u. a. b. excussionis sive ordinis, b. divisionis, b. cedendarum actionum, b. dationis in solutum, b. abstinendi, b. inventarii, b. separationis bonorum, b. cessionis bonorum, b. competentiae]), im Frühmittelalter unter anderem die besonders vorteilhafte -> Leihe. Als solche gilt jedenfalls seit 743/4 auch die Leihe gegen Leistung von Kriegsdienst. Später werden als b. auch Ämter und in Anerkennung an spätrömische Vorbilder sogar Kirchen oder Pfründengüter (Amtspfründen) verliehen. Im Süden Frankreichs spricht man seit dem Ende des 9. Jh.s auch von fevum, feodum, feudum, später allgemein volkssprachig von -> Lehen. Im 13. Jh. tritt in Deutschland das Wort b. ebenfalls zurück. Im Rahmen des römischen Rechts wird es mit dessen Aufnahme seit dem Spätmittelalter wieder verwendet.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Stutz, U., Geschichte des kirchlichen Benefizialwesens, 1895, Neudruck 1972; Ganshof, F., Was ist das Lehnswesen?, 6. A. 1983; Wesener, G., Rechtswohltat, HRG Bd. 4 1986, 423

beneficium (N.) cedendarum actionum (lat.) Wohltat der abzutretenden Ansprüche

beneficium (N.) competentiae (lat.) (Rechtswohltat des Notbedarfs) heißt seit dem 16. Jh. die schon im klassischen römischen Recht vorhandene Möglichkeit, gewisse nahe Angehörige oder Mitgesellschafter nur zum Geldwert eines zur Urteilszeit vorhandenen Vermögens zu verurteilen, um die mit der Vollstreckung verbundenen Nachteile nicht eintreten zu lassen. Ein gewohnheitsrechtlich entstandenes, auf Liber extra 3,23,3 gestütztes b. c. genießt auch der Klerus, dem das zum standesgemäßen Unterhalt Notwendige zu belassen ist.

Lit.: Kaser §§ 32 III, 85; Wünsch, O., Zur Lehre vom beneficium competentiae, Diss. jur. Leipzig 1897; Zipperling, O., Das Wesen des beneficium competentiae, 1907; Gildemeister, J., Das beneficium competentiae im klassischen römischen Recht, 1986

beneficium (N.) divisionis (lat.) Wohltat der Teilhaftung

beneficium (N.) emigrationis (lat.) (Wohltat der Auswanderung) ist die nach der Reformation Martin -> Luthers von Landesherren und durch den Augsburger Religionsfrieden vom 25. 9. 1555 reichsrechtlich gewährte Freiheit, in ein Land auszuwandern, in dem die vom eigenen Landesherrn nicht geteilte Religion eines auswanderungswilligen Untertanen gilt. Voraussetzung ist der Verkauf der Güter und die Entrichtung einer Nachsteuer sowie einer möglichen Befreiungsabgabe.

Lit.: Zycha, A., Deutsche Rechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1949, 55

beneficium (N.) excussionis (lat.) Wohltat (Einrede) der Vorausklage

beneficium (N.) inventarii (lat.) Wohltat der Inventarerrichtung

 

Beneš-Dekrete sind die von Edvard Beneš als dem Präsidenten der zweiten tschechoslowakischen Republik verfügten Dekrete (Dekret des Präsidenten vom 19. Mai 1945 über die nationale Verwaltung (Enteignung) der Vermögenswerte von Deutschen und Madjaren, Verrätern und Kollaborateuren, das Dekret vom 19. Juni 1945 über die Bestrafung der nazistischen Verbrecher, Verräter und ihrer Helfershelfer durch außer­ordentliche Volksgerichte, das Dekret vom 21. Juni 1945 über die Konfiskation und Aufteilung des landwirtschaftlichen Vermögens der Deutschen, Madjaren usw., [die Bekanntmachung des Finanzministers vom 22. Juni 1945 über die Sicherstellung des deutschen Vermögens,] das Dekret vom 20. Juli 1945 über die Besiedlung des landwirtschaftlichen Bodens der Deutschen, Madjaren und andern Staatsfeinde durch Tschechen und Slowaken, das Verfassungsdekret vom 2. August 1945 über den Verlust der Staatsbürgerschaft der Deutschen und Madjaren, das Dekret vom 19. September 1945 über die Arbeitspflicht der ausgebürgerten Menschen (ohne Entlohnung und Lebensmittel), das Dekret vom 18. Oktober 1945 über die Auflösung der deutschen Universität Prag und der deutschen technischen Hochschulen von Prag und Brünn, das Dekret vom 25. Oktober 1945 über die Konfiskation des feindlichen Vermögens, das Dekret vom 27. Oktober 1945 über die Einrichtung von Zwangsarbeitssonderabteilungen und das Verfassungsdekret vom 27. Oktober 1945 über die Sicherstellung der als unzuverlässig angesehenen Menschen (sowie der Erlass des Innenministeriums vom 26. November 1945 über die Aussiedlung der deutschen Antifaschisten in die sowjetische Besatzungszone Deutschlands und das Gesetz vom 6. Mai 1946 über die Rechtmäßigkeit aller mit dem Kampf um die Wiedergewinnung der Freiheit der Tschechen und Slowaken zusammenhängenden Handlungen [oder Straftaten]).

Lit.: Dokumente zur Diskussion über die Benes-Dekrete, hg. v. Slapnicka, H., 1999; Benes, E., Benesovy dekrety, 2002; Mandler, E., Benesovy dekrety, 2002

 

Bentham, Jeremy (London 15. 2. 1748 - 6. 6. 1832), Anwaltssohn, wird nach dem Studium in Oxford und der Ausbildung in Lincoln’s Inn (1763) für kurze Zeit Anwalt. 1789 veröffentlicht er als Privatgelehrter (engl.) The Introduction of the Principles of Morals and Legislation (Einführung in die Grundsätze von Moral und Gesetzgebung), welcher der Gedanke zugrunde liegt, dass eine Handlung dann richtig und ein Gesetz dann gerecht ist, wenn es das größte Glück der größten Zahl von Menschen fördere (-> Utilitarismus). Dazu strebt er eine Kodifikation an. 1817 tritt er in (engl.) A Catechism on Parliamentary Reform (Bekenntnis zur Reform des Parlaments)  für jährliche Wahlen, einheitliche Wahlbezirke, Ausdehnung des Wahlrechts und Geheimheit der Wahl ein. Er beeinflusst John -> Austins analytische Rechtswissenschaft. Die historische Rechtsschule nimmt ihn nicht zur Kenntnis.

Lit.: Köbler, DRG 139, 179; Vanderlinden, J., Code et codification dans la pensée de J. Bentham, TRG 32 (1974); Postema, G., Bentham and the Common Law Tradition, 1986; Luik, S., Die Rezeption Jeremy Benthams, 2003

Benutzungszwang ist der öffentlichrechtliche Zwang zur Benutzung einer öffentlichrechtlichen Einrichtung, wie er im 19. Jh. durch die -> Leistungsverwaltung durchgesetzt wird (z. B. Preußen 1868 bezüglich der öffentlichen Schlachthäuser).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983f.

Beratungshilfe ist die in Deutschland zusammen mit der Prozesskostenhilfe das -> Armenrecht 1980 ablösende Hilfe für die Wahrnehmung von Rechten außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens durch Rechtsanwälte.

Lit.: Köbler, DRG 263; Engels, C., Beratungshilfegesetz/Prozesskostenhilfe, 1990

Bereicherung ist die Vermehrung eines Vermögens. Sie ist dann herauszugeben, wenn sie nicht rechtlich begründet ist. In diesem Sinn kann bereits im klassischen römischen Recht eine nichtgeschuldete Leistung (lat. indebitum [N.] solutum) wohl wegen der Ähnlichkeit mit einem Darlehen mit der besonderen Begehrensform der -> Kondiktion (lat. [F.] condictio) zurückverlangt werden. Über die Nichtschuld hinaus gilt diese Folge auch für Fälle nicht eingetretener Erwartung oder sittenwidrigen Leistungszweckes. Herauszugeben ist grundsätzlich der erlangte bestimmte Gegenstand. In nachklassischer Zeit wird im Osten die Herausgabe aus grundloser Vorenthaltung mit der allgemein philosophisch-christlichen Überlegung gerechtfertigt, dass niemand aus dem Nachteil eines anderen reicher (lat. locupletior) werden dürfe. Im Mittelalter versuchen die Glossatoren erstmals, die Kondiktion mit dem Grundsatz der Beschränkung der Herausgabepflicht auf die noch vorhandene B. zu verbinden. Dem folgt -> Duaren (1509-59). Von -> Grotius wird der allgemeine Grundsatz aufgestellt, dass jemand, der aus der Sache eines anderen, der sie nicht mehr hat, reicher geworden ist, herauszugeben hat, worum er reicher geworden ist. Er wird aber nicht in die vernunftrechtlichen Kodifikationen aufgenommen. Im 19. Jh. setzt sich wohl auf Grund der von Glück übernommenen Vorstellung die Ansicht durch, dass nur die noch vorhandene B. herauszugeben ist. Gierke bewirkt, dass im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) die Grundlosigkeit des Habens als Leitgedanke der Ansprüche auf Herausgabe der B. vorangestellt wird.

Lit.: Kaser § 48; Söllner § 9; Köbler, DRG 166, 215, 271; Coing, H., Zur Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung bei Accursius, ZRG RA 80 (1963), 396; Schmitt, R., Die Subsidiarität der Bereicherungsansprüche, 1969; Feenstra, R., Die ungerechtfertigte Bereicherung in dogmengeschichtlicher Sicht, in: Ankara Universitesi Hukuk Fakültesi Dergise 29 (1972), 289; Misera, K., Der Bereicherungsgedanke bei der Schenkung unter Ehegatten, 1974; Schubert, W., Windscheid und das Bereicherungsrecht des ersten Entwurfs des BGB, ZRG RA 92 (1995), 186; Bauer, K., Ersitzung und Bereicherung im klassischen römischen Recht, 1988; Schartl, R., Ungerechtfertigte Bereicherung nach deutschen Rechtsquellen des Mittelalters, TRG 60 (1992), 109; Jakobs, H., Lucrum ex negotiatione, 1993; Unjust Enrichment, ed. by Schrage, E., 1995; Hallebeek, J., The Concept of unjust enrichment, 1995; Schäfer, F., Das Bereicherungsrecht in Europa, 2001

Berg an der Dhün am Niederrhein ist im 11. Jh. der Sitz eines Geschlechts von Grafen, deren Land 1614/66 an Pfalz-Neuburg und 1777 mit der Pfalz an Bayern gelangt. 1805/6 formt Napoleon aus diesem und anderen Gebieten das Großherzogtum Berg mit Verfassung und Verwaltung nach französischem Vorbild. 1813/4 werden die französischen Einrichtungen aufgehoben. 1815 fällt B. an Preußen, über welches sein Gebiet zu -> Nordrhein-Westfalen kommt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Land im Mittelpunkt der Mächte, 3. A. 1985; Lohausen, H., Die obersten Zivilgerichte, 1995; Schmidt, C., Das Großherzogtum Berg, 1999

Berg, Günther Heinrich von (Schwaigern bei Heilbronn 27. 11. 1765 - 9. 9. 1843), Amtmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen 1793 außerordentlicher Professor in Göttingen und danach Hofrat (1800), Regierungspräsident, Bundestagsgesandter, Oberappellationsgerichtspräsident und Staatsminister. Sein bekanntestes Werk ist ein siebenbändiges Handbuch des -> Polizeirechts (1799ff.).

Lit.: Köbler, DRG 152

Bergelohn ist die bei der Bergung eines in Seenot und zugleich aus der Verfügungsgewalt der Schiffsbesatzung geratenen Schiffes geschuldete Vergütung. Ursprünglich herrscht hier der Grundsatz des Strandraubs, dem der Grundsatz des Strandregals des Landesherrn folgt. Seit dem frühen Mittelalter (Rhodos 600-800 n. Chr., Hamburg 1270, Ordonnance de la Marine 1681) wird dem Berger ein Anteil zugesprochen. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s wird für den Berger wie den Hilfeleistenden ein gemäß den Umständen nach billigem Ermessen zu bestimmender B. für richtig gehalten (Strandungsordnung 1874, §§ 740ff. HGB, Brüsseler Übereinkommen 1910).

Lit.: Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957

Bergen („Bergweide“) am Byfjord wird 1070 gegründet. Es ist seit dem 12. Jh. -> Norwegens Krönungsstadt. Um 1343 eröffnet dort die -> Hanse eine Niederlassung.

Lit.: Bergen, hg., v. Friedland, K., 1971; Archiv der Bergenfahrerkompagnie zu Lübeck, bearb. v. Asmussen, G. u. a., 2002

Bergrecht ist das Recht des Bergbaus. Ausgangspunkt ist die Bergbaufreiheit des Grundeigentümers. Wohl bereits im Frühmittelalter beansprucht der König die Herrschaft über den Bergbau. 1158 verkündet Friedrich I. Barbarossa zunächst für Italien in Roncaglia das Silberregal und das Salzregal des Königs. Wenig später wird das B. erstmals festgehalten (Trient 1185). In der Folge darf auch gegen den Willen des Grundeigentümers an jedem geeigneten Ort Bergbau betrieben werden (Bergfreiheit), wobei der Finder Anspruch (Finderrecht) auf Verleihung der Schürfrechte hat (Kulmer Handfeste 1233). 1356 geht das Bergregal auf die Kurfürsten und danach bis 1648 auf andere Reichsfürsten über. Die Bergbauunternehmer arbeiten als bergrechtliche Gewerkschaft (Genossenschaft) mit Kuxen als Anteilen. Arbeitgeber ist zunächst der einzelne Gewerke für seine allmählich in verschiedenen Hinsichten geschützten Arbeiter (Knappe). In der Mitte des 18. Jh.s wandelt sich der Bergbau zur Industrie. Der Staat greift durch Gesetze ein (Loi relative aux Mines 28. 7. 1791, Code des mines 1810, Allgemeines Berggesetz für die preußischen Staaten 24. 6. 1865, Österreich 1854), wobei an die Stelle des Bergregals die staatliche Berghoheit tritt.

Lit.: Köbler, DRG 90, 97, 113, 167, 205, 218; Zycha, A., Das Recht des ältesten deutschen Bergbaues, 1899; Müller-Erzbach, Das Bergrecht, 1917; Schneider, H., Das ältere Siegerländer Bergrecht, 1956; Willecke, R./Turner, G., Grundriß des Bergrechts, 2. A. 1970; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,1767; Strätz, H., Bergmännisches Abbaurecht, FS N. Grass, 1974, 533; Willecke, R., Die deutsche Berggesetzgebung, 1977; Hägermann, D./Ludwig, K., Europäisches Montanwesen, 1986; Tubbesing, G., Vögte, Froner, Silberberge, 1996; Steuer, H./Zettler, A., Der mittelalterliche Bergbau und seine Bedeutung für Freiburg, 1996; Ecker, F., Die Entwicklung des Bergrechts im Saarbrücker Steinkohlenrevier, 1997; Soestwöhner, M., Bergschadensrecht im 19. Jahrhundert, Diss. jur. Bochum 1997; Kranz, H., Lütticher Steinkohlen-Bergbau im Mittelalter, 2000; Pfeifer, G., Ius regale montanorum, 2002

Bergregal -> Bergrecht

Berlichius, Matthias (Schkölen 9. 10. 1586 - Leipzig 8. 8. 1638), Bürgermeisterssohn, wird nach dem Studium des Rechts in Jena und Marburg 1611 in Leipzig Anwalt. In seinen (lat.) Conclusiones (F.Pl.) practicabiles (Praktische Sclüsse) (1615ff.) stellt er das gemeine Recht nach der Ordnung der kursächsischen Konstitutionen von 1572 dar.

Lit.: Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1 1880, Neudruck 1957, 1978, 640, 736

Berlin erwächst aus zwei älteren Siedlungen (Cölln, Berlin), die um 1235 Stadtrecht erhalten und 1307 organisatorisch vereinigt werden. Am Ende des 14. Jh.s (1397) entsteht das Berliner Stadtbuch (Berlin, Stadtarchiv, ohne Signatur), dessen Schöffenrecht hauptsächlich auf dem -> Sachsenspiegel aufbaut und durch die Glosse Johanns von Buch, durch den Richtsteig Landrechts und durch das Sächsische Weichbildrecht beeinflusst ist, aber auch brandenburgische Gewohnheiten und gelegentlich gelehrtes Recht erkennen lässt. Unter den Hohenzollern (1415) wird B. 1470 Residenz der Markgrafen von Brandenburg, die hier 1516 das -> Kammergericht einrichten. 1871 wird B. Hauptstadt des Deutschen Reiches. Am 27. 4. 1920 wird unter Eingemeindung von 59 Landgemeinden Groß-Berlin gebildet, das 1945 in vier Sektoren der Besatzungsmächte aufgeteilt, 1990 aber wieder vereinigt und danach zur Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland bestimmt wird. Der Versuch der Vereinigung mit Brandenburg scheitert bei einer Volksabstimmung am 5. 5. 1996.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 181, 245; Schiedermair, H., Der völkerrechtliche Status Berlins, 1975; Clausewitz, P., Das Berlinische Stadtbuch, 1883; Geschichte Berlins, hg. v. Ribbe, W., Bd. 1f. 1987; Rechtsentwicklungen in Berlin, hg. v. Ebel, F. u. a., 1988; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 61; Schultz, H., Berlin 1650-1800, 2. A. 1992; Schröder, R./Bär, F., Zur Geschichte der juridischen Fakultät, Kritische Justiz 1996, 447; Spree-Insel, hg. v. Haspel, J. u. a., 1998; Raiser, T., Schacksalsjahre einer Universität, 1998; Lösch, A. Gräfin v., Der nackte Geist, 1999; Berlin. Die Hauptstadt, hg. v. Süß, W., 2000; Fritze, W./Schich, W., Gründungsstadt Berlin, 2000; Ribbe, W., Die Historische Kommission zu Berlin, 2000; Berlin, hg. v. Schoeps, J., 2001

Bern wird wohl unter Bezugnahme auf Verona 1191 vom Herzog von Zähringen auf ursprünglichem Königsgut gegründet. 1218 gelangt es an das Reich zurück (Berner Handfeste Kaiser Friedrichs II., in ihrer Echtheit umstritten) und wird 1274 Reichsstadt. Danach erwirbt B. umfangreiche Güter, verbindet sich 1353 mit der -> Eidgenossenschaft der Schweiz und entwickelt sich zum größten Stadtstaat nördlich der Alpen, der mit 130000 qkm rund ein Drittel der heutigen Schweiz umfasst. Seit 1848 ist B. Hauptstadt der Schweiz. Am 9. 9. 1886 wird in B. die völkerrechtliche Berner Übereinkunft des Urheberrechts geschlossen, die alle Verbandsstaaten (nicht z. B. Vereinigte Staaten von Amerika) zur Gleichbehandlung der Urheber aus Mitgliedstaaten mit Inländern verpflichtet.

Lit.: Rennefahrt, H., Grundzüge der bernischen Rechtsgeschichte, Bd. 1-4 1928; Feller, R., Geschichte Berns, 1946; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,444, 3,2,1925; Gmür, R., Der alte bernische Stadtstaat (1191-1798), ZRG GA 112 (1995), 366; Gerber, R., Gott ist Burger zu Bern, 2001

Bernardus Papiensis (Pavia vor 1150-1213) wird nach dem Studium in Bologna Lehrer des geistlichen Rechts und 1187 Propst, 1198 Bischof von Pavia. Seine in fünf Bücher geteilte systematische Dekretalensammlung (lat.) Breviarium (N.) extravagantium (Kurzfassung der zusätzlichen) (1188/90) wird (als [lat.] compilatio [F.] prima, erste Sammlung) zum Vorbild aller späteren Gesetzessammlungen des kanonischen Rechts, das seit seiner Zeit als sich ständig erneuernde Rechtsordnung in ihrem jeweils neuesten Stand auf den Universitäten gelehrt wird.

Lit.: Landau, P., Die Entstehung der systematischen Dekretalensammlungen, ZRG KA 65 (1979), 120

Berner, Albert Friedrich (Straßburg/Uckermark 30. 11. 1818 - Berlin 13. 1. 1907), Justizratssohn, wird nach dem Studium von Philosophie und Recht in Berlin (Savigny, Gans) 1848 außerordentlicher Professor und 1861 ordentlicher Professor in Berlin. Sein vom Vergeltungszweck geprägtes Lehrbuch des -> Strafrechts erfährt 18 Auflagen.

Lit.: Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 3. A. 1965

Berthold von Henneberg -> Henneberg

Beruf ist die auf Dauer angelegte, die Arbeitskraft und Arbeitszeit überwiegend in Anspruch nehmende Betätigung, die im allgemeinen mit dem Ziel betrieben wird, daraus den Lebensunterhalt zu gewinnen, und die zugleich einen Beitrag zur gesellschaftlichen Gesamtleistung erbringt (bloße gelegentliche Betrauung mit einer gutachterlichen Tätigkeit ist kein B.). Der B. entwickelt sich mit der Entstehung besonderer Tätigkeitsfelder. Bedeutsam ist er bereits in der mittelalterlichen Stadt. Verfassungsrechtlich geschützt wird der B. im späteren 20. Jh.

Lit.: Richarz, M., Der Eintritt der Juden in die akademischen Berufe, 1974; Henning, H., Die deutsche Beamtenschaft, 1984; Knörr, M., Die Berufszulassung zum Handwerk, Diss. jur. Erlangen 1996

Berufsfreiheit ist die Freiheit der Berufswahl und Berufsausübung, die erst in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s grundrechtliche Bedeutung erlangt.

Lit.: Hege, H., Das Grundrecht der Berufsfreiheit, 1977

Berufsrichter ist der Richter, welcher seine Tätigkeit als Beruf ausübt. Er tritt als gelehrter Offizial des Bischofs vereinzelt seit dem späten 12. Jh. (Reims, Mainz), allgemeiner seit 1246 als ständiger, ordentlicher und selbst entscheidender Einzelrichter der kirchlichen Gerichtsbarkeit auf. Bis zum 19. Jh. setzt er sich unter Verdrängung des ungelehrten, ehrenamtlich tätigen Schöffen auch im weltlichen Gericht durch, ehe ihm dann durch den Liberalismus erneut ehrenamtliche Laienrichter zur Seite gestellt werden.

Lit.: Köbler, DRG 154, 234; Nörr, K., Zur Stellung des Richters im gelehrten Prozess der Frühzeit, 1967; Müller-Volbehr, J., Die geistlichen Gerichte in den Braunschweig-Wolfenbüttelschen Landen, 1972; Budischin, H., Der gelehrte Zivilprozess in der Praxis geistlicher Gerichte, 1974; Horn, N., Bologneser doctores und iudices im 12. Jahrhundert, ZHF 3 (1976), 221

Berufung ist das seit 1877/9 grundsätzlich gegen Urteile des ersten Rechtzuges in Deutschland gegebene Rechtsmittel. Es kommt mit der Aufnahme des römisch-kanonischen Prozessrechts im Spätmittelalter als -> Appellation ins Reich und verdrängt dort die ältere Urteilsschelte, die seit dem Ende des 13. Jh.s schon B. genannt werden kann.

Lit.: Kaser § 65 IV; Köbler, DRG 116, 202, 235; Planck, W., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1879, 268

Berytos (Beirut) ist der Sitz einer bereits vor 238 n. Chr. berühmten Rechtsschule. Hier wie in Konstantinopel lehren besoldete Professoren (lat. [M.Pl.] antecessores) in einem festen Studienplan in fünf Jahreskursen die Institutionen des Gaius, Teile zivilrechtlicher Schriften, Stücke des Edikts, die Responsen Papinians, die Responsen des Paulus und die Konstitutionen der Kaiser, wobei sie bewusst die klassischen Traditionen aufgreifen. Erzeugnisse ihrer Arbeit sind nur vereinzelt überliefert.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39; Köbler, DRG 53; Wieacker, F., Antecessores, FS H. Niederländer, 1991, 215

Besatzungsstatut ist die 1949 von den drei westlichen Besatzungsmächten Deutschlands einseitig erlassene Grundregelung des Verhältnisses ihrer Hoheitsgewalt zu jener der Bundesrepublik Deutschland, welche dieser grundsätzlich die volle gesetzgebende, vollziehende und rechtsprechende Gewalt überträgt. 1951 überarbeitet, wird es am 5. 5. 1955 mit Inkrafttreten der Pariser Verträge beseitigt.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; ; Deutschland unter alliierter Besatzung 1945-1949/55. Ein Handbuch, hg. v. Benz, Wolfgang, 1999

Besatzungsrecht -> Besatzungszone

Lit.: Zwischen Kontinuität und Fremdbestimmung, hg. v. Diestelkamp, B. u. a., 1996; Waibel, D., Von der wohlwollenden Despotie zur Herrschaft des Rechts, 1996; Deutschland unter alliierter Besatzung 1945-1949/55. Ein Handbuch, hg. v. Benz, Wolfgang, 1999

Besatzungszone ist ein Gebiet, das einer von mehreren Besatzungsmächten zugeteilt ist. 1945 werden das -> Deutsche Reich (und das davon wieder verselbständigte -> Österreich) in je eine B. der Vereinigten Staaten von Amerika, der Sowjetunion, Großbritanniens und Frankreichs aufgeteilt (Potsdamer Abkommen vom 2. 8. 1945). Am 5. 5. 1955 erklären die westlichen Besatzungsmächte die Bundesrepublik Deutschland für souverän, am 25. 3. 1954/20. 9. 1955 die Sowjetunion die Deutsche Demokratische Republik. Das in den Besatzungszonen von den alliierten Stellen unmittelbar oder durch deutsche Stellen mittelbar erlassene Recht (Besatzungsrecht) gilt auch über die Beendigung des Besatzungsregimes hinaus bis zu seiner Aufhebung oder Abänderung.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh; Köbler, DRG 244, 245; Blomeyer, A., Die Entwicklung des Zivilrechts, 1950;  Overesch, M., Das besetzte Deutschland, 1986, Neudruck 1992; Das geltende Besatzungsrecht, hg. v. Schröder, 1990;  Zwischen Kontinuität und Fremdbestimmung, hg. v. Diestelkamp, B. u. a., 1996; Deutschland unter alliierter Besatzung 1945-1949/55. Ein Handbuch, hg. v. Benz, W., 1999; Lehmann, A., Der Marshall-Plan und das neue Deutschland, 2000

Beschlagnahme ist die zwangsweise Sicherstellung von Gegenständen zur Sicherung öffentlicher oder privater Belange. Unterschiedliche Einzelfälle dieser Art sind bereits in älteren Zeiten bekannt (z. B. römische [lat.] missio [F.] in bona, Gütereinweisung).

Lit.: Kaser §§ 85, 86; Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung, 1912

Beschwerde (lat. [N.] graxamen) ist eine Belastung, aus der sich ein verfahrensmäßiger Rechtsbehelf entwickelt (z. B. Italien 12. Jh.). Im Verhältnis zu Rechtsmitteln wie Appellation bezieht sich die B. in der jüngeren Vergangenheit auf Beschlüsse und Verfügungen. Eine neue Sonderform ist die -> Verfassungsbeschwerde in Deutschland. -> Nichtigkeitsbeschwerde

Lit.: Bethmann Hollweg, M. v., Der germanisch-romanische Zivilprozess, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Kiefner, H., Zur Divergenzjudikatur des Reichsgerichts, in: Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 585

Beseitigung

Lit.: Kawasumi, Y., Von der römischen actio negatoria zum negatorischen Beseitigungsanspruch, 2001

Beseler, Georg (Rödemis bei Husum 2. 11. 1809 - Bad Harzburg 28. 8. 1888), Kammerratssohn, wird nach dem Studium in Kiel, München, Göttingen und Heidelberg mit der auch Urkunden berücksichtigenden Lehre von den Erbverträgen 1835 habilitiert und nach Basel, Rostock (1837), Greifswald (1842) und Berlin (1859) berufen. Sein System des gemeinen deutschen Privatrechts versucht ein dem gemeinen römischen Recht gegenüber gleichwertiges deutsches System zu entwickeln. Vor 1831 bzw. 1848ff. wirkt er auch politisch.

Lit.: Beseler, G., Erlebtes und Erstrebtes, 1884; Kern, B., Georg Beseler, 1982

Besitz ist die tatsächliche Gewalt einer Person über eine Sache. Das römische Recht bezeichnet dies als (lat. [F.]) possessio, welche auf die tatsächliche Gewalt (lat. [M.] usus) und auf das Sitzen auf Land zurückgeht. Nach dem allgemeinen Recht (lat. ius [N.] civile) muss die tatsächliche Gewalt auf einem Rechtsgrund beruhen, nach dem Amtsrecht (lat. ius [N.] praetorium) wird der Besitz (Interdiktenbesitz) durch bestimmte Klagen gegen Entziehung oder Störung geschützt (z. B. Eigenbesitzer und gewisse Fremdbesitzer wie Erbpächter, Prekarist, Pfandgläubiger oder Sequester). Nicht B. hat der bloße Innehaber (z. B. Mieter). Vom B. streng geschieden ist das Eigentum. Justinian schränkt den B. auf den rechtlichen B. mit Eigentümerbesitzwillen ein, nähert diesen B. aber einem Recht an. Im deutschen Recht steht ursprünglich das schlichte Haben (ahd. haben, aigan) im Vordergrund. Später entwickelt sich die besondere Figur der -> Gewere. Mit der Aufnahme des römischen Rechts verdrängt das Wort B. (Lehnübertragung?) das Wort Gewere. Sachlich kommt es zu einer gegenseitigen Beeinflussung. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist der unmittelbare B. die tatsächliche Herrschaft, neben welcher der durch ein Rechtsverhältnis (Besitzkonstitut) vermittelte mittelbare B. steht. Die Innehabung ist beseitigt, der Gegensatz zum Eigentum betont.

Lit.: Kaser § 19; Hübner 221; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 25, 39, 60, 140, 162, 211; Savigny, F., Das Recht des Besitzes, 1803; Bruns, Das Recht des Besitzes, 1848; Randa, A., Der Besitz nach österreichischem Recht, 4. A. 1895; Kaser, M., Eigentum und Besitz im älteren römischen Recht, 2. A. 1956; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Benöhr, H., Der Besitzerwerb durch Gewaltabhängige, 1972; Wacke, A., Das Besitzkonstitut, 1974; Schnatenberg, P., Die Entstehung der Regeln des BGB über den mittelbaren Besitz, Diss. jur. Köln 1994

Besitzkonstitut -> Besitz

Besitzrecht -> Besitz

Besitzschutz ist der dem zunächst rein tatsächlichen Herrschaftsverhältnis (Besitz) zugeordnete Schutz der Rechtsordnung gegen unrechtmäßige Entziehung oder Störung. Hierzu gewährt das römische Recht besondere -> Interdikte gegen unerlaubte Eigenmacht (lat. vi gewaltsam, clam heimlich, precario Zurückbehaltung bei bloßer Bittleihe). Das kanonische Recht des Mittelalters entwickelt dies zu einem vorläufigen Besitzschutz weiter. Hierauf baut auch das Reichskammergericht auf, das aber bereits bei der vorläufigen Entscheidung nach einem bestandskräftigen Ergebnis strebt. Die historische Rechtsschule erarbeitet einen rein possessorischen Schutz der besonderen Besitzklagen, bei dem wie in Rom eine Einrede aus dem Recht zum Besitz (z. B. Eigentum) ausgeschlossen ist.

Lit.: Kaser § 21; Söllner §§ 9, 23; Hübner 221ff.; Kroeschell, DRG 1; Wieling, H., Grund und Umfang des Besitzschutzes, FG U. v. Lübtow, 1980; Dedek, H., Der Besitzschutz, ZEuP 1997, 342; Jacobi, J., Besitzschutz vor dem Reichskammergericht, 1998

Besold, Christoph (Tübingen 1577 - Ingolstadt 1638), aus einer Juristenfamilie, 1610 Professor in Tübingen, 1636 in Ingolstadt, entwickelt innerhalb der politischen Wissenschaft eigene Vorstellungen im Bereich des neuen öffentlichen Rechts.

Lit.: Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1 1988, 120

besonderes Gewaltverhältnis ist ein Verhältnis, welches, im Gegensatz zum allgemeinen Verhältnis des Inhabers von Hoheitsgewalt über den Bürger, zusätzliche Einwirkungen ohne weitere Rechtsgrundlage ermöglicht (z. B. Staat - Strafgefangener). Diese im 19. Jh. entwickelte Vorstellung wird im letzten Drittel des 20. Jh.s zunehmend abgelehnt.

Lit.: Wenninger, L., Geschichte der Lehre vom besonderen Gewaltverhältnis, 1982

Bestechung ist die Gewährung eines Vorteiles an einen Amtsträger für eine Dienstpflichtverletzung. Sie ist als Wahlbestechung bereits dem römischen Recht bekannt. Besondere Bedeutung erlangt sie mit der Entwicklung des Beamtentums.

Lit.: Rüping, H., Grundriß der Strafrechtsgeschichte, 3. A. 1998; Kulesza, R., Die Bestechung im politischen Leben Athens, 1995

Besthaupt ist das beim Tode eines Bauern besonders in Grundherrschaften an einen Herrn abzuliefernde beste Stück Vieh.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Schultze, A., Seelgerät und Besthaupt, ZRG GA 38 (1917), 301

Bet, Josef -> Karo

Betreuung ist in Deutschland seit 1. 1. 1992 die staatliche Fürsorge für die Person und das Vermögen eines volljährigen Menschen, soweit er infolge einer Krankheit oder Behinderung seine Angelegenheiten nicht selbst besorgen kann, durch einen vom zuständigen Vormundschaftsgericht bestellten Betreuer. Die B. ersetzt die Entmündigung

Lit.: Köbler, DRG 268; Damrau, J./Zimmermann, W., Betreuungsgesetz, 1991

Betriebsrat ist ein Organ der Arbeitnehmer einer Betriebes, das in bestimmten Angelegenheiten eines Betriebes mitwirkt und mitbestimmt. Der B. entwickelt sich am Ende des 19. Jh.s (1905 Bergbau, 1916 Kriegswirtschaft). Nach dem Betriebsrätegesetz vom 4. 2. 1920 ist in Betrieben mit 20 und mehr Beschäftigten ein B. zu bilden (Österreich 1919). Im Dritten Reich wird der B. beseitigt, 1946 (in Österreich 1947) aber wieder eingeführt und danach gestärkt (11. 10. 1952, 15. 1. 1972).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 241, 273; Oertzen, P. v., Betriebsräte in der Novemberrevolution, 1963; Plumeyer, M., Die Betriebsrätegesetze, Diss. jur. Hannover, 1992; Schaub, G., Der Betriebsrat, 6. A. 1995; Raedel, C., Amtsenthebungen und Kündigungen von Betriebsräten, 1999

Betriebsverfassung ist die Gesamtheit der Regeln, welche die Rechte des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer und ihrer Organe im Betrieb in bezug auf das Betriebsgeschehen ordnen. Die B. wird in Deutschland nach einzelnen Vorläufern des späten 19. Jh.s durch das Betriebsrätegesetz vom 4. 2. 1920 eingerichtet und durch Gesetz vom 17. 4. 1946 wiederhergestellt.

Lit.: Köbler, DRG 273; Adelmann, Quellensammlung zur Geschichte der sozialen Betriebsverfassung, Bd. 1f. 1960ff.; Reichold, H., Betriebsverfassung als Sozialprivatrecht, 1995; Mitbestimmung und Betriebsverfassung, hg. v. Pohl, H., 1996

Betriebswirtschaft ist die Wirtschaft des einzelnen Betriebs (im Gegensatz zur Wirtschaft des gesamten Volks oder Staats), die seit 1898 wissenschaftlich gelehrt wird.

Lit.: Entwicklungen der Betriebswirtschaftslehre, hg. v. Gaugler, E./Köhler, R., 2002

Betrug ist die durch Täuschung verursachte Vermögensschädigung (z. B. der Universitätsassistent I. lässt sich im öffentlichen Dienst jahrelang krank schreiben und betreibt in dieser Zeit privatwirtschaftlich einen Verlag für Lügenbarone). Sie findet sich seit dem 16. Jh., ohne dass sie von der Fälschung eindeutig geschieden werden kann. Erst 1871 gelingt eine klare Abgrenzung.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 158; Schütz, S., Die Entwicklung des Betrugsbegriffs, 1988; Roth, J./Sokolowsky, K., Lügner, Fälscher, Lumpenhunde, 2000; Lügen und Betrügen, hg. v. Hochadel,O. u. a., 2000; Freller, T., Die Welt will betrogen sein, 2001

Betteln ist das Bitten um unentgeltliche Leistungen zum Lebensunterhalt. Es wird seit dem Hochmittelalter sichtbar. Zeitweise wird es mit polizeilichen Mitteln entschieden bekämpft (u. a. z. B. Graz 1996).

Lit.: Goglin, J., Les miserables, 1976; Scherner, K., Arme und Bettler, ZNR 1988, 129; Rudersdorf, M., Das Glück der Bettler, 1995; Bindzus, D./Lange, J., Ist Betteln rechtswidrig? JuS 1996, 482; Bräuer, H., ... und hat seit hero gebetlet, 1996

Betti, Emilio (Camerino 1890-1968), nach juristischen Studien in Parma und philosophischen Studien in Bologna seit 1917 Professor für römisches Recht in Camerino und in Macerata, Messina, Parma, Florenz, Mailand und Rom, bemüht sich unter Verknüpfung von Dogmatik und Geschichte vor allem um ein neues Verständnis der -> Auslegung und der Hermeneutik insgesamt.

Lit.: Betti, E., Die Hermeneutik als allgemeine Methodik der Geisteswissenschaften, 1962; L’ermeneutica giuridica di Emilio Betti, hg. v. Frosini, V./Riccobono, F., 1994

Beutellehen ist das an einen Bürger oder Bauern gelangende -> Lehen. Bei ihm ist statt Kriegsdienst bei Herrenfall und Mannfall eine erhöhte Abgabe in den Beutel des Herrn zu leisten. Im 18. Jh. gibt es auch ritterliche B.

Lit.: Klein, H., Ritterlehen und Beutellehen, Mitteil. d. Ges. f. Salzburger Landesk. 80 (1940)

Beuterecht ist das Recht auf Aneignung feindlichen Gutes im Krieg. Es besteht ursprünglich gegenüber der gesamten gegnerischen Bevölkerung. Im 19. Jh. setzt sich für den Landkrieg die Beschränkung auf das für Kriegszwecke verwendbare Staatseigentum des Feindes durch (Haager Landkriegsordnung 1907).

Lit.: Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994

bewegliche Sache -> Sache

Beweis ist die Darlegung der Richtigkeit oder Unrichtigkeit einer Vorstellung durch ein Verhalten. Besondere Bedeutung hat der B. in einem Streit zweier Personen. Im altrömischen Recht würdigt dabei der (lat. [M.]) iudex (Richter) frei die mit beliebigen Mitteln vorgebrachten Beweisversuche. Demgegenüber setzt sich im spätantiken römischen Recht die Bindung an feste Beweisregeln und Beweislastregeln durch. Bei den Germanen erfolgt meist außerhalb des Gerichts ein B. mit Eid, Zeugen oder Augenschein, wobei der Angegriffene ein Recht zum B. hat. Im Frühmittelalter wird der B. häufig im Gericht erbracht, wobei der B. durch eine Urkunde vordringt. Wahrscheinlich unter christlichem Einfluss gewinnt das Gottesurteil dann Bedeutung, wenn ein anderer B. nicht möglich ist. Der Kläger kann allmählich das Beweisrecht dadurch an sich ziehen, dass er ein stärkeres Beweismittel als den Eid anbietet. Im spätmittelalterlichen Strafverfahren bemüht sich der Richter von sich aus um die Ermittlung der Wahrheit. Als sicherstes Beweismittel gilt das Geständnis. Zu seiner Erreichung ist die Folter zulässig, wobei seit der Peinlichen Gerichtsordnung Karls V. (1532) ihre Anwendung nur bei Vorliegen bestimmter Indizien gestattet wird. Hinzu kommen feste Beweisregeln. Mit dem gelehrten Zivilprozess gelten unbestrittene Tatsachen als zugestanden. Bestrittene Tatsachen sind vom Kläger durch Zeugen, Parteieid, Urkunden, Augenschein oder Sachverständige zu beweisen (Beweislast), wobei feste Beweisregeln gelten. Nach französischem Vorbild setzt sich im 19. Jh. die freie richterliche Beweiswürdigung durch. Die Beweislast trägt jede Partei für die ihr günstigen Tatsachen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 86, 116, 155, 167; Hänel, A., Das Beweissystem des Sachsenspiegels, 1858; Kries, A. v., Der Beweis im Strafprozess des Mittelalters, 1878; Endemann, W., Die Entwicklung des Beweisverfahrens im deutschen Civilprozess seit 1495, 1895; Mayer-Homberg, E., Beweis und Wahrscheinlichkeit nach älterem deutschem Recht, 1921; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Nagel, Die Grundzüge des Beweisrechts im euopäischen Zivilprozess, 1967; Langbein, J., Torture and the Law of Proof, 1972; Rechtsbehelfe, Beweis und Stellung des Richters im Spätmittelalter, hg. v. Sellert, W., 1986; Subjektivierung des justiziellen Beweisverfahrens, hg. v. Gouron, A. u. a., 1994; Allen, C., The Law of Evidence in Victorian England, 1997; Wißgott, V,. Das Beweisantragsrecht im Strafverfahren, 1998; Macnair, M., The Law of Proof in Early Modern Equity, 1999; Macnair, The Law of Proof in Early Modern Equity, 1999; Stürner, R., Geschichtliche Grundlinien des europäischen Beweisrechts, FS A Söllner, 2000; Sauer, M., Die Entwicklung des Ablehnungsgrundes der Wahrunterstellung, Diss. jur. Köln 2002; Perband, M., Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung im Zivilprozess (§ 286 ZPO), 2003

Beweisinterlokut ist im gemeinen deutschen Zivilprozessrecht eine gerichtliche Zwischenentscheidung über Beweislast, Beweisthema und Beweisfrist. Es trennt den Prozess in zwei Teile und bildet den Beginn des besonderen Beweisverfahrens. Dessen Ergebnis bindet den Richter. Besonders ausgestaltet ist das B. im sog. sächsischen Prozess (so noch Hannover 1850). Im 18. Jh. dringt das B. allgemein in den gemeinen Prozess ein. Die preußische allgemeine Gerichtsordnung von 1793 kennt aber schon kein B. mehr, ebensowenig das französische Zivilprozessrecht und die davon beeinflusste deutsche Zivilprozessordnung von 1877/9.

Lit.: Planck, J., Die Lehre vom Beweisurteil, 1848

Beweislast -> Beweis

Beweismittel -> Beweis

Beweisurteil ist das -> Urteil über eine Beweisfrage. -> Beweisinterlokut

Beyer, Georg (Leipzig 10. 9. 1665 - Wittenberg 21. 8. 1714), Aktuarssohn, wird nach den Studien von Philosophie und Recht in Leipzig (Thomasius), Frankfurt an der Oder und Leipzig 1706 Professor in Wittenberg. Dort hält er als einer der ersten eine Vorlesung über deutsches Recht, welche als Leitfaden des deutschen Rechts ([lat.] Delineatio [F.] iuris Germanici, 1718) nach seinem Tod veröffentlicht wird.

Lit.: Köbler, DRG 144, 186, 205; Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1 ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978, III, 1 137f.

biblisches Recht ist das aus den in der jüdisch-christlichen Bibel enthaltenen zahlreichen rechtlichen Sätzen gebildete Recht. Am bekanntesten hiervon sind die zehn Gebote. Noch wichtiger ist vielleicht die grundsätzliche Beschreibung des jüdisch-christlichen Gottes als eines Gottes des Rechts, der die Einhaltung von Recht gebietet und die Verletzung von Recht verbietet. Dieser Grundgedanke beeinflusst die europäischen Rechte in nachhaltiger Weise.

Lit.: Collatio legum Mosaicarum et Romanarum, in: Fontes iuris Romani antejustiniani, Bd. 2 1940, 541; Hohenlohe-Schillingsfürst, C. v., Der Einfluss des Christentums auf das Corpus Juris, 1937; Kisch, G., Sachsenspiegel and Bible, 1941; Biondi, B., Il diritto Romano Cristiano, Bd. 1ff. 1952ff.; Verdam, P., Mosaic Law in Practice and Study throughout the Ages, 1959; Welch, J., A biblical law bibliography, 1990; Bibel und Recht, hg. v. Eckert, J. u. a., 1994; Calvocoressi, P,. Who´s who in der Bibel, 5. A. 1994

Bienenrecht ist das die Bienen betreffende Recht. Dabei darf der Eigentümer einen Bienenschwarm auch auf einem fremden Grundstück einfangen. Im deutschen -> Bürgerlichen Gesetzbuch  (1900) gelten die §§ 961ff.

Lit.: Rieth, J., Das gesamte deutsche Bienenrecht, 1910; Schüßler, A., Deutsches Bienenrecht, 1934; Schulz, S., Die historische Entwicklung des Rechts an Bienen, 1990

Biener, Friedrich August (Leipzig 5. 2. 1787 - Dresden 1861) wird nach Rechtsstudien in Leipzig und Göttingen 1810 Professor in Berlin.

Biergelde oder Bargilde ist ein im 8./9. Jh. erscheinender (freier) Mensch, der von der Forschung teils mit Wehrsiedlung, teils mit Rodungssiedlung verbunden wird. Der Inhalt des Wortes ist nicht völlig klar („Abgabenleister“?), obgleich die Biergelden noch im -> Sachsenspiegel (1221-4) als besonderer Stand erfasst sind.

Lit.: Köbler, WAS; Metz, W., Zur Geschichte der Bargilden, ZRG GA 72 (1955), 185; Hagemann, H., Die Stände der Sachsen, ZRG GA 76 (1959), 111

Bifang ist das von einem Berechtigten neu genutzte, meist eingefriedete Grundstück.

Lit.: Köbler, WAS; Bethge, O., Über Bifänge, VSWG 20 (1928)

Bigamie ist die Eheschließung eines verheirateten Menschen in einer nur die Einehe zulassenden Rechtsordnung. Das Christentum hält von Anfang an nur die Einehe für zulässig. Als Folge der Christianisierung der römischen Gesellschaft ist die B. seit Diokletian strafbar. Im Frühmittelalter ist die B. eine zunächst rein kirchliche Frage, für welche nur die kirchlichen Gerichte zuständig sind. Seit dem Hochmittelalter sehen vor allem die Stadtrechte Enthaupten und Ertränken als peinliche Strafe vor. Die -> Constitutio Criminalis Bambergensis (1507) behandelt unter dem Einfluss der augustinischen Ehebruchsgesetzgebung eine Frau bei B. strenger als einen Mann, die -> Constitutio Criminalis Carolina (1532) ordnet die B. stets als qualifizierten Ehebruch ein. Strafe ist zunächst die Todesstrafe, nach dem preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794 und nach dem Reichsstrafgesetzbuch von 1871 mehrjähriges Zuchthaus (§ 171 StGB). Privatrechtlich ist die B. Ehehindernis.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 56; Hälschner, H., Die Lehre vom Ehebruch und der Bigamie, Gerichtssaal 22 (1870), 401; Buchholz, S., Der Landgraf und sein Professor, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997

Bilanz ist die zusammengefasste Gegenüberstellung der aktiven und passiven Vermögenswerte einer Person. Sie entwickelt sich im spätmittelalterlichen Handelsgeschäft. Besonders seit dem ausgehenden 20. Jh. werden die rechtlichen Vorschriften betreffend eine B. angesichts der wachsenden Größe der Unternehmen immer dichter (1937 Richtlinien zur Vereinheitlichung des Buchhaltungswesens der Wirtschaft).

Lit.: Brönner, H., Die Bilanz nach Handels- und Steuerrecht, 9. A. 1991

Bild ist die sichtbare Wiedergabe eines Umstandes durch menschliches Tun.

Lit.: Bild und Abbild, hg. v. Vavra, E., 1999

Bilderhandschrift ist eine mit Bildern ausgestattete Handschrift. Die umfänglichsten rechtlichen Bilderhandschriften sind mit bis zu 924 Bildstreifen zum Sachsenspiegel überliefert (1270? Harzvorland?, Stammhandschrift verloren, Anfang 14. Jh. Heidelberger B. [Druck 1971], vielleicht Meißen wohl 1347-1363 Dresdener B. [Druck 1902, 2002], Wolfenbütteler B. [Druck 1993], 1336 Oldenburger B. [Druck 1995]). Die Bedeutung der Bilder ist streitig.

Lit.: Köbler, DRG 103; Amira, K. v., Die Dresdener Bilderhandschrift, Bd. 1ff. 1902ff.; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 24; Die Wolfenbütteler Bilderhandschrift, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1993; Der Oldenburger Sachsenspiegel, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1995; Bilderhandschriften des Sachsenspiegels, 1995; Repgow, Eike von: Sachsenspiegel. Die Wolfenbütteler Bilderhandschrift, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1998; Die Heidelberger Bilderhandschrift des Sachsenspiegels als digitale Edition auf CD-ROM, hg. v. Hüpper, D. u. a., 1999; Die Dresdener Bilderhandschrift des Sachsenpiegels, hg. v. Lück, H., 2002

Billigkeit ist die natürliche Gerechtigkeit vor allem im einzelnen Fall. Sie erscheint in der römischen Antike teils als (lat. [F.]) benevolentia des Kaisers, teils bei den nach der B. beurteilten Klagen oder Schuldverhältnissen (lat. -> bonae-fidei-iudicia [N.Pl.]). Im frühen Mittelalter bewirkt die Kirche die Aufnahme des Gedankens der B. (lat. -> aequitas [F.] canonica), wobei Streit darüber besteht, ob der König nach B. urteilen konnte. Danach greift insbesondere das Naturrecht verstärkt die B. auf.

Lit.: Kaser §§ 3, 33; Köbler, DRG 86; Kaufmann, E., Aequitatis iudicium, 1959; Schott, C., Billigkeit und Subjektivismus, FS M. Keller, 1989, 745

Bill of Rights ist ein englisches Gesetz, welches 1689 vom König angenommen und von einem ordentlichen Parlament bestätigt wird. In 13 Artikeln verbietet es katholische Thronfolge, Steuererhebung, Gesetze und Heer ohne Zustimmung des Parlaments sowie geistliche Gerichte und gewährt Redefreiheit, Petitionsrecht und das grundsätzliche regelmäßige Geschworenengericht. In den Vereinigten Staaten von Amerika heißen B. o. R. die zehn Artikel, welche 1791 der Verfassung von 1787 hinzugefügt werden. -> Virginia Bill of Rights

Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 3. A. 1990; The complete Bill of Rights, hg. v. Cogan, N., 1997

Binding, Karl (Frankfurt am Main 4. 6. 1841 - Freiburg 7. 4. 1920), aus einer Juristenfamilie,  wird nach dem Studium in Göttingen (1860-3) Professor für Strafrecht, Strafprozessrecht und Staatsrecht in Heidelberg (1865), Basel, Freiburg, Straßburg und Leipzig. Er vertritt auf liberaler Grundlage ein formales Vergeltungsstrafrecht. Nach seiner Normentheorie geht der Rechtsregel eine Sozialnorm voraus, deren Befehlswirkung der Täter missachtet, so dass er durch Bestrafung unter die Macht des Staates gebeugt werden muss (Die Normen und ihre Übertretung, Bd. 1ff. 1872ff.). Er lässt Analogie zu und befürwortet die Vernichtung lebensunwerten Lebens.

Lit.: Köbler, DRG 204; Kaufmann, A., Lebendiges und Totes in Bindings Normentheorie, 1954

Binnenschifffahrt ist die Schiffahrt auf den schiffbaren Binnenwasserstraßen. Sie geht bereits weit in die Zeit der alten Völker zurück. In Deutschland ist sie in der Gegenwart in einem besonderen Gesetz geregelt.

Lit.: Kischel, D., Die Geschichte der Rheinschiffahrtsgerichtsbarkeit, 1990; Vortisch, O., Binnenschiffahrtsrecht, 4. A. 1991

Birkarecht (biaerkeraett, bjärköarätt) -> Schonen, -> Schweden

Bischof (griech. episkopos [M.] Aufseher) ist in der katholischen Kirche der Obere, der in einem bestimmten Teil der Kirche als Nachfolger der Apostel in Einheit mit dem Papst das höchste Amt ausübt. Er setzt sich als Leiter einer Gemeinde von Kleinasien aus allmählich durch und hat im 3. Jh. auch das Amt als Richter inne. Sein Sitz innerhalb seines Bistums ist grundsätzlich eine Stadt (lat. [F.] civitas). Im fränkischen Frühmittelalter wird der B. vom König eingesetzt oder vom Volk gewählt. Im Investiturstreit setzt die Kirche (1122) die Wahl durch Klerus und Volk durch. Bis 1215 wird das Domkapitel zum Wahlgremium. Etwa zu dieser Zeit tritt neben den B. der Weihbischof. Im Reich wird der B. geistlicher Reichsfürst (bis 1803). Im evangelischen Kirchenwesen verdrängt der Superintendent bis 1918 den B.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 56, 87, 115, 152; Hofmeister, P., Bischof und Domkapitel, 1931; Claude, D., Die Bestellung der Bischöfe im merowingischen Reiche, ZRG KA 80 (1963), 1; Vescovi e diocesi, 1964; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Scheibelreiter, G., Der Bischof in merowingischer Zeit, 1983; Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches, hg. v. Gatz, E., 1990; Landau, P., Der Papst und die Besetzung der Bischofsstühle, Z. f. ev. Kirchenrecht 37 (1992), 241; Bührer-Thierry, G., Évêques et pouvoir dans le royaume de Germanie, 1997; Die früh- und hochmittelalterliche Bischofserhebung im europäischen Vergleich, hg. v. Erkens, F., 1998; Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches, hg.v. Gatz, E., 2000

Bismarck, Otto von (Schönhausen 1. 4. 1815 - Friedrichsruh 30. 7. 1898) wird nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Göttingen und Berlin Landwirt und 1849 für die Konservative Partei Mitglied der zweiten preußischen Kammer, Vertreter Preußens im Deutschen Bund, Gesandter und am 23. 9. 1862 preußischer Ministerpräsident. Nach der Gründung des -> Norddeutschen Bundes (1867) und des (zweiten) Deutschen Reiches (1871) wird er bis 1890 Reichskanzler. Besondere rechtliche Verdienste gewinnt er durch die Einführung der -> Sozialversicherung.

Lit.: Köbler, DRG 171, 177, 183,194; Wehler, H., Bismarck und der Imperialismus, 1969; Gall, L., Bismarck, 1980; Pflanze, O., Bismarck, Bd. 1f. 1997f.; Krobckow, C., Graf v., Bismarck, 1997; Otto von Bismarck und die Parteien, hg. v. Gall, L., 2001

Bistum -> Bischof

Bizone ist die Bezeichnung für den Zusammenschluss von amerikanischer und britischer Besatzungszone in Deutschland (1. 1. 1947 - 8. 4. 1949).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Pünder, Das bizonale Interregnum, 1966; Hubert, G., Die Diskussion um die rechtliche Natur der Bizone, 1996

Bjärköarätt (N.) -> Birkarecht, -> Schonen, -> Schweden

Blackstone, Sir William (London 10. 7. 1723 - 14. 2. 1780) wird nach Studien in Oxford (1738-41) und einer Rechtsausbildung im Middle Temple in London 1746 Anwalt (barrister) in London, 1753 Dozent und 1758 Professor für englisches Recht in Oxford, 1766 Anwalt in London und 1770 Richter. Seine vier Bände Commentaries on the Laws of England (1765ff.) bieten eine umfassende knappe Darstellung des englischen Privatrechts, Staatsrechts, Prozessrechts und Strafrechts (common law und equity), welche sich in Anlehnung an ein Werk Matthew -> Hales in Personen, Sachen, Delikte und Straftaten gliedert.

Lit.: Holdsworth, W., A History of English Law, Bd. 12 1938, 702ff.; Warden, L., The Life of Blackstone, 1938

Blasphemie ist die Lästerung des christlichen Gottes. Seit dem 13. Jh. erscheint die B. auch in weltlichen Strafrechtstexten. Kirchliche wie weltliche Folgen sind vielfältig. Im 20. Jh. schwindet die Bedeutung.

Lit.: Volker, G., History of the Crime of Blasphemy, 1928; Schwerhoff, G., Blasphemie vor den Schranken der städtischen Justiz, Ius commune 25 (1998), 39; Cabatous, A., Geschichte der Blasphemie, 1999 (übersetzt von Wilczek, B.)

Blendung (F.) als Ausstechen oder Ausbrennen eines Auges oder beider Augen ist eine Leibesstrafe in Altertum und Mittelalter.

blickender Schein -> Augenschein

Blijde Inkomst -> Brabant

Blockade ist die Absperrung eines Gebietes von anderen Gebieten vor allem im Seekrieg. 1584 verwenden die Holländer die B. als Kriegsmittel im Freiheitskampf gegen Spanien. Die Pariser Seerechtsdeklaration vom 16. 4. 1856 und die Londoner Deklaration vom 26. 2. 1909 legen das Recht der B. fest.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Schenk, R., Seekrieg und Völkerrecht, 1958; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, §§ 42, 48

Blume des Sachsenspiegels ist eine in 10 Handschriften überlieferte ungedruckte Bearbeitung der -> Blume von Magdeburg durch Nikolaus -> Wurm (um 1397).

Lit.: Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 67

Blume von Magdeburg ist ein von Nikolaus -> Wurm am Ende des 14. Jh.s nach dem Vorbild des Richtsteig Landrechts unter Benutzung des Sachsenspiegels und des Magdeburger Weichbildes verfasstes Werk.

Lit.: Böhlau, H., Die Blume von Magdeburg, 1868; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 66

Bluntschli, Johann Kaspar (Zürich 7. 3. 1808 - Karlsruhe 21. 10. 1881) wird nach dem Studium in Zürich, Berlin (1827-9) und Bonn Gerichtsschreiber in Zürich (1830), dann Professor in Zürich (1836), München (1848) und Heidelberg (1861). Auf der Grundlage seiner Staats- und Rechtsgeschichte der Stadt und Landschaft -> Zürich (1838/9) führt er das Privatrechtliche Gesetzbuch für den Kanton Zürich zum Abschluss (1853ff.), welches bis 1911 (auch in Schaffhausen, Thurgau und Zug) gilt.

Lit.: Schmidt, S., Die allgemeine Staatslehre Johann Caspar Bluntschlis, 1968 (Diss.); Affentranger, M., Besitz und Besitzschutz im Züricher Privatrechtlichen Gesetzbuch Johann Caspar Bluntschlis, 1987

Blutbann ist die Zuständigkeit zur Verhängung der Todesstrafe. -> Hochgerichtsbarkeit

Blutrache ist die im älteren Recht erlaubte eigenmächtige Vergeltung einer Verletzung (Tötung) durch eine neue Verletzung (Tötung). Recht und Pflicht zur B. bzw. Fehde oder Selbsthilfe verschwinden bis zur Neuzeit.

Lit.: Söllner § 8; Kroeschell, DRG 2; Vlavianos, B., Zur Lehre der Blutrache, Diss. jur. München 1924; Zacharias, R., Die Blutrache im deutschen Mittelalter, Z.f.d.A. 91 (1962), 167

Blutschande (Inzest) ist der Geschlechtsverkehr zwischen nahen leiblichen Verwandten, der sowohl im Alten Testament wie auch bei den Römern verboten ist. Vom christlichen Einfluss wird das Frühmittelalter erfasst, welches als Folge die Tötung, die Verknechtung, das Exil oder das Gefängnis kennt. Häufiger erscheint die B. am Ende des Mittelalters wohl unter dem Einfluss des römischen Rechts (1507 Constitutio Criminalis Bambergensis: Enthauptung). Eine Einschränkung auf die Verwandten und Verschwägerten aufsteigender und absteigender Linie bringt das preußische Strafgesetzbuch von 1851.

Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 165f.; Siebert, Das Inzestverbot, Diss. jur. Berlin 1997

Bocksdorf, Dietrich von (Zinnitz um 1405 - Zeitz 9. 3. 1466) wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig (1425) und Perugia (1436/7) Professor des kirchlichen Rechts in Leipzig und 1463 Bischof von Naumburg. Er verfasst wissenschaftliche Arbeiten zum -> Sachsenspiegel (Informaciones 1433, 1451, Sippschaftsregeln, Erbschaftsregeln, Remissorium, Weise des Lehnrechts), nicht dagegen die sog. Bocksdorfsche Erweiterung der Glosse zum Sachsenspiegel.

Lit.: Köbler, DRG 103; Verfasserlexikon, 2. A. Bd. 2 1980, 110 (H. Ulmschneider)

Bocksdorfsche Glosse ist eine wohl von Dietrich von -> Bocksdorf nur in einzelnen Besserungen veränderte Erweiterung der Buchschen Glosse des Sachsenspiegels.

Lit.: Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 74

Bocksdorf, Tammo von, verfasst nach dem Rechtsstudium in Prag als Domherr in Magdeburg 1426 ein -> Remissorium zum Sachsenspiegel und vielleicht die Bocksdorfschen (lat. [F.Pl.]) additiones (Zusätze) zur Sachsenspiegelglosse.

Lit.: Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 74

Bodenreform ist die Umwandlung von Großgrundeigentum in bäuerliche Betriebe im Anschluss an staatliche Umwälzungen (z. B. 1945 sowjetische Besatzungszone).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh., 121; Weißbuch über die „Demokratische Bodenreform“, hg. v. Kruse, J., 1988; Werner, J., Die Bodenreform, 1997; Fikentscher, R./Schmuhl, B./Breitenborn, K., Die Bodenreform in Sachsen-Anhalt, 1999; Zahnert, D., Das Recht der Bodenreform der sowjetischen Besatzungszone, 2000

Bodenregal ist das vom König im Frühmittelalter grundsätzlich geltend gemachte -> Regal an herrenlosem Grund und Boden, das sich in Frankreich erhalten (domaine public) und in Deutschland zum Aneignungsrecht des Staates (Fiskus) entwickelt hat.

Lit.: Köbler, DRG 90; Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981, § 27

Bodin, Jean (Angers 1530 - Laon 1596), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium (1548) und einer Lehrtätigkeit in Toulouse 1561 Advokat am Parlament von Paris, 1571 Bediensteter des Herzogs von Alençon, 1576 Staatsanwalt in Laon und schließlich königlicher Prokurator. In seinem empirisch entwickelten, für die politische Festigung Frankreichs gedachten Hauptwerk (Les six livres de la République, 1576, Sechs Bücher über die Republik) beschreibt er rationalistisch das auf der von Gott gegebenen Souveränität (Unteilbarkeit, Unbeschränktheit, Ständigkeit) aufbauende moderne Staatswesen, in dem der Souverän zum Erlaß des Gesetzes (lat. [F.] lex) befugt ist, aber den göttlichen und natürlichen Gesetzen (lat. [N.] ius) unterliegt. Streitig ist, inwieweit B. den -> Absolutismus begründet.

Lit.: Köbler, DRG 148f.; Fickel, G., Der Staat bei Bodin, 1934; Goyard-Fabre, S., Jean Bodin et le droit de la république, 1989

Bodmerei ist die Beleihung eines Schiffes in der Form, dass mit seinem Verlust die Zahlungspflicht entfällt. Der B. geht das griechisch-römische Seedarlehen voraus (lat. fenus [N.] nauticum). Im Hochmittelalter wird auf Grund unbekannter Entwicklung die Verpfändung des der Seegefahr ausgesetzten Schiffes oder Schiffsteiles (bodeme, Boden) vorausgesetzt (Rôles d’Oléron 2. H. 13. Jh., Lübeck 1387, 1418 Bodmereiverbot der Hanse). Später wird sie durch die Seeversicherung verdrängt und auf die Notbodmerei des Schiffes eingeschränkt.

Lit.: Mathiass, B., Das foenus nauticum und die geschichtliche Entwicklung der Bodmerei, 1881; Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957

Böhmen ist das nach den keltischen Boiern (latinisiert Boiohaemum) benannte Land östlich des Bayerischen Waldes, in welches seit dem 6. Jh. Slawen eindringen. Seit 800 wird es christianisiert, wobei um 890 Herzog Boriwoi aus dem Geschlecht der -> Przemysliden getauft wird. Vom ottonischen König Heinrich I. wird B. unterworfen und entwickelt sich zum Herzogtum im deutschen Reich (1114 Schenk). 1198/1212 wird es ähnlich wie -> Österreich verselbständigt. 1314 gewinnt Johann von Luxemburg als König von B. das Nichtappellationsprivileg. 1344 wird Prag Erzbistum. Kaiser Karls IV. Plan eines böhmischen Landrechts (-> Maiestas Carolina) scheitert 1355. Im 15. Jh. wird B. zur Adelsherrschaft, die 1526 Ferdinand I. von Österreich auf Grund von Erbansprüchen zum König ernennt. 1495 entsteht mit den Neun Büchern über die Rechtsordnung des Landes Böhmen das bedeutendste Werk der tschechischen spätmittelalterlichen Rechtswissenschaft. 1564 wird eine 1627 absolutisierend erneuerte Landesordnung erlassen. 1918 löst sich B., wie seit 1848 gefordert, in der -> Tschechoslowakei von Österreich.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 95, 109, 129; Palacky, F., Geschichte Böhmens, Bd. 1ff. 1836ff.; Grünberg, C., Die Bauernbefreiung in Böhmen, Bd. 1 1895; Peterka, O., Rechtsgeschichte der böhmischen Länder, Bd. 1f. 1928ff.; Wegener, W., Böhmen/Mähren und das Reich im Hochmittelalter, 1959; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,429; Hassenpflug-Elzholz, E., Böhmen und die böhmischen Stände, 1982; Prinz, F., Böhmen im mittelalterlichen Europa, 1984; Hoensch, J., Geschichte Böhmens, 3. A. 1997; Rentzow, L,. Die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte der Vernewerten Landesordnung für das Königerich Böhmen von 1627, 1998; Kadlecova, M., Verneuerte Landesordnungen, ZRG GA 120 (2003), 150

Böhmer, Justus Henning (Hannover 29. 1. 1674 - Halle 23. 8. 1749) wird nach dem Studium in Jena (1693-5) Anwalt in Hannover und Hofmeister, seit 1698 Lizentiat in Halle, dann 1701 außerordentlicher und 1711 ordentlicher Professor. Hier verfasst er 1704 das beste Lehrbuch des römischen Rechts im 18. Jh. ([lat.] Introductio [F.] in ius digestorum, Einführung in das Recht der Digesten) und eine umfassende geschichtlich-dogmatische Gesamtdarstellung des protestantischen Kirchenrechts ([lat.] Ius [N.] ecclesiasticum Protestantium).

Lit.: Köbler, DRG 144, 159; Rütten, W., Das zivilrechtliche Werk Justus Henning Böhmers, 1981; Landau, P., Kanonistischer Pietismus bei Justus Henning Böhmer, in: Vom mittelalterlichen Recht zur neuzeitlichen Rechtswissenschaft, 1994, 317

Boissonade de Fontarabie, Gustave Emile (1825-1910), nach dem Rechtsstudium seit 1864 Lehrer des römischen Rechts in Grenoble und 1867 Paris, wechselt 1873 nach -> Japan, wo er als Berater der Regierung französisches Recht lehrt und 1880 ein Strafgesetzbuch und eine Strafprozessordnung sowie 1890 einen nicht Gesetz gewordenen Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches erarbeitet.

Lit.: Carbonnier, J. u. a., Boissonade et la réception du droit français au Japon, Revue internationale du droit comparé 43 (1991), 327

Bologna ist die auf etruskischen und römischen Grundlagen ruhende Hauptstadt der oberitalienischen Landschaft Emilia, die sich seit 1115 von den vom deutschen König eingesetzten Grafen von B. zu lösen vermag. In B. wird vielleicht auf der Grundlage einer im 11. Jh. bezeugten Artistenschule und wegen des Wissensbedarfs zahlreicher Notare und Investitoren (1057) als Rechtsschule (lat. [N.] studium) eine der ältesten Universitäten Europas gegründet. Ihr bekanntester Lehrer ist (nach Albertus [1067], Arianus, Geminianus und Pepo) zunächst -> Irnerius mit der von ihm geprägten Schule der -> Glossatoren (Bulgarus, Martinus, Jacobus, Hugo und viele andere bis Accursius). Um 1140 kommt das Studium des kirchlichen Rechts hinzu. Die fremden Studenten gründen am Ende des 12. Jh.s als Mehrheit aus zwei (lat. [F.Pl.]) universitates eine -> universitas. Ihre Zahl wird zu dieser Zeit auf etwa 1000 beziffert. Bruchstücke von Statuten der Universität sind aus dem Jahre 1252 überliefert. Zwischen 1265 und 1425 lassen sich rund 3600 deutsche, fast ausschließlich geistliche Rechtsstudenten in B. nachweisen (durchscnhittlich 23 Erstnennungen im Jahr mit rückläufiger Tendenz).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 106, 159; Fitting, H., Die Anfänge der Rechtsschule von Bologna, 1888; Knod, G., Deutsche Studenten in Bologna (1289-1562), 1899; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973, 39; Wandruszka, N., Die Oberschichten Bolognas, 1993; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Schmutz, J., Juristen für das Reich, 2000

Bolschewismus ist die bis etwa 1953 übliche Bezeichnung des Kommunismus in der Sowjetunion (zu Bolschewiki, russ., Mehrheitler).

Lit.: Köbler, DRG 226; Lösche, P., Der Bolschewismus im Urteil der deutschen Sozialdemokratie, 1967

bonae-fidei-iudicium (lat. [N.]) ist im klassischen römischen Recht die nach der -> Billigkeit beurteilte freiere Klage bzw. das freier beurteilte Schuldverhältnis (z. B. Kauf, Miete, Pacht, Dienstvertrag, Werkvertrag, Gesellschaft, Auftrag, Tutel, Geschäftsführung ohne Auftrag, Verwahrung, Gesellschaft, Vormundschaft, Treuhandschaft, Mitgiftrückgabe). Bei einem b. ist zu leisten, was nach guter Treue (lat. bona fides [F.]) geschuldet wird.

Lit.: Kaser § 33; Wieacker, F., Zum Ursprung der bonae-fidei-iudicia, ZRG RA 80 (1963) 1; Honsell, H., Quod interest im bonae-fidei-iudicium, 1969

bona fides (lat. [F.] gute Treue) ist im klassischen römischen Recht zunächst die Pflicht zum Worthalten und danach ein Maßstab, nach dem der Richter das betreffende Rechtsverhältnis zu beurteilen hat. Für den Inhalt des Schuldverhältnisses findet dabei neben der formlosen Vereinbarung auch die Verkehrssitte Anwendung.

Lit.: Kaser § 33; Söllner §§ 8, 9, 12, 18; Köbler, DRG 40, 42; Köbler, LAW; Lombardi, L., Dalla fides alla bona fides, 1961

Bönhase ist seit dem 15. Jh. die im Mittelniederdeutschen entstandene Bezeichnung für den unzünftigen Handwerker (wie ein Hase auf dem Boden arbeitend?, außerhalb der „Hanse“ arbeitend?).

Lit.: Wissell, R./Hahm, K., Des alten Handwerks Recht und Gewohnheit, 2. A. 1981

boni homines (lat. [M.Pl.]) oder auch (lat.) probi homines (M.Pl.) sind im Frühmittelalter und bis ins 13. Jh. Zeugen, Gerichtsbeisitzer, Schätzer oder Vermittler, die Freiheit, guten Leumund sowie meist Grundeigentum und Ansässigkeit als rechtliche Voraussetzung ihrer jeweiligen Tätigkeit erfüllen. Seit Ende des 12. Jh.s treten sie in den oberitalienischen Städten als Vertreter der Konsuln auf.

Lit.: Köbler, LAW; Nehlsen-von Stryk, K., Die boni homines des frühen Mittelalters, 1981

Bonn am Rhein ist ein auf keltisch-römischer Grundlage entstandener Ort, der im 12. Jh. an das Erzstift -> Köln gelangt. Im 16. Jh. wird er dessen Hauptort und erhält 1786 eine 1797 aufgehobene, 1815 jedoch wiedererrichtete Universität. 1949 wird B. bis zum Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland (1990) Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Meier, J., Der Rechtsunterricht an den Universitäten Köln und Bonn, Diss. jur. Köln 1987

bonorum possessio (lat. [F.] Güterbesitz) ist im klassischen römischen Erbrecht die Stellung, die der -> Prätor auf Antrag demjenigen zuweist, den er im Fall des Todes eines Erblassers am ehesten für berechtigt hält. Der damit erreichte Schutz und die damit gewonnene Zuständigkeit für den Bereich des prätorischen Rechts können sich durch Ersitzung in Eigentum nach zivilem Recht wandeln.

Lit.: Kaser §§ 65, 71, 73; Söllner § 25; Köbler, DRG 38; Ankum, H. u. a., Die verschiedenen Bedeutungen des Ausdrucks in bonis alicuius esse, ZRG RA 107 (1990), 155

bonus homo -> boni homines

Borgarthingsbók ist ein norwegisches Rechtsbuch. -> nordisches Recht

Lit.: Bruchstücke der Rechtsbücher des Borgarthings und des Eidsivathings, hg. v. Meißner, R., 1942

Börsengesetz ist ein am 22. 6. 1896 geschaffenes, das Recht des Wertpapierhandels an der Börse, Vorformen im 15. Jh. in Sevilla, Cadiz und Lissabon (16. Jh.) regelndes deutsches Gesetz.

Lit.: Meier, J., Die Entstehung des Börsengesetzes, 1992; Schulz, W., Das deutsche Börsengesetz, 1994

Bösgläubigkeit ist das Wissen oder grobfahrlässige Nichtwissen um einen rechtlich bedeutsamen Umstand. -> guter Glaube

Bosnien ist die östlich der Adria gelegene Landschaft, die 9 n. Chr. von den Römern erobert wird. Zu Beginn des 7. Jh.s siedeln sich Südslawen an. Das dort entstehende Königreich gerät mit Herzegowina 1463/82 durch Eroberung unter die Herrschaft der Osmanen. Seit 1878 erlebt B. unter dem Einfluss Österreichs einen Aufschwung. 1908 wird B. von -> Österreich annektiert. 1918 wird es Teil -> Jugoslawiens, 1996 wird es als Bosnien-Herzegowina wieder verselbständigt.

Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,5,332; Balic, S., Das unbekannte Bosnien, 1992; Dzaja, S., Bosnien-Herzegowina, 1994; Bär, S., Der Zerfall Jugoslawiens, 1995; Babouna, A., Die nationale Entwicklung der bosnischen Muslime, 1996; Haselsteiner, H., Bosnien-Hercegovina, 1996; Lovrenovic, I., Bosnien und Herzegowina, 1998; Jäger, F., Bosniaken, Kroaten, Serben, 2002

Bote (lat. [M.] nuntius) ist eine Person, welche für einen anderen ohne eigene Willensbildung eine Erklärung empfängt oder abgibt.

Lit.: Kaser § 11; Kroeschell, DRG 2

Bourbone ist der nach Bourbon-l’Archambault im heutigen Departement Allier benannte Angehörige einer durch Graf Ludwig I. von Clermont (1270-1342, 1327 Herzog von Bourbon) begründeten Seitenlinie der -> Kapetinger. Die jüngere Linie Bourbon-Vendôme erlangt von 1589 bis 1792 und von 1814 bis 1830 bzw. in der 1660 abgespaltenen Nebenlinie Orléans von 1830 bis 1848 das Königtum in -> Frankreich. In Spanien wird die Linie Bourbon-Anjou 1700 Königsgeschlecht (ausgenommen 1808-14, 1868-75, 1931-75). Sie herrscht auch von 1735 bis 1860 in Neapel-Sizilien sowie von 1748 bis 1802 und von 1847 bis 1859/60 in Parma-Piacenza.

Lit.: Legual, A., Histoire du Bourbonnais, 1960

Bourges ist eine auf keltischen Grundlagen (Avaricum) beruhende zentralfranzösische Stadt am Zusammenfluss von Yèvre und Auron. Ihre Universität ist zu Beginn des 16. Jh.s Ausgangspunkt des -> mos Gallicus (lat. [M.], gallische Art) der Rechtswissenschaft. -> Budé

Lit.: Devailly, G. u. a., Histoire du Berry, 1980

Boutillier, Jehan (Pernes vor 1350 - 24. 1. 1396) verfasst als Berater des französischen Königs in Nordfrankreich wohl kurz vor 1396 die -> Somme rural.

Lit.: Köbler, DRG 143; Dievoet, G. van, Jehan Boutillier en de Somme rural, 1951

Boykott ist die nach dem englischen Gutsbesitzer Charles Boycott (Irland 1880) benannte Ablehnung aller Rechtsbeziehungen zu einem möglichen Vertragspartner, dem dadurch die Möglichkeit zur Teilnahme am Rechtsverkehr abgeschnitten wird.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.

Brabant ist ein aus dem fränkischen Gau Bracbantum im Nordwesten Europas (1188) entstandenes, sich vom Reich verselbständigendes (1349 Goldene Bulle von Brabant), den Einwohnern in der Blijde Inkomst 1356 die Rechte des Fürsten begrenzendes Herzogtum, das 1390/1430 an -> Burgund und 1477 an -> Habsburg kommt. 1815 wird es Teil der -> Niederlande, 1830 mit seinem südlichen Gebiet Teil -> Belgiens.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Ganshof, F., Brabant, 1938; Godding, P., Le Conseil de Brabant sous le règne de Philippe le Bon (1430-1467), 1999

Bracton, Henry de (Bratton Fleming 1210 - Exeter 1268) ist nach dem Studium des weltlichen und kirchlichen Rechts wohl an der Domschule von Exeter seit etwa 1229 Schreiber (clerk) eines Richters, seit 1245 reisender Richter, von 1247 bis 1257 Richter am Gericht Coram rege (Court of King’s Bench) und seit 1264 Domkanzler in Exeter. Sein vielleicht nach 1230 verfasstes oder auch von ihm nur überarbeitetes, durch 48 Handschriften überliefertes, unvollendetes Werk (lat.) -> De legibus et consuetudinibus Angliae (Über Gesetze und Gewohnheiten Englands) bietet auf Grund einer Sammlung von etwa 2000 Urteilen (precedents) des Königsgerichts die beste Darstellung des englischen -> common law des Mittelalters. Der Traktat gliedert sich nach Personen, Sachen und Klagansprüchen. Im dritten Teil behandelt er an Hand der verschiedenen Klageformeln (writs) das Privatrecht, Strafrecht und Lehnrecht. Eine gezielte Romanisierung des englischen Rechts durch B. ist nicht erweislich.

Lit.: Holdsworth, W., A History of English Law, Bd. 2 4. A. 1936, 230; Peter H., Actio and writ, 1957; Thorne, S., Henry de Bracton 1268-1968, 1970

Brandenburg ist eine nach der slawischen Brennaburg (928/9) benannte Mark (1157) östlich der Elbe. Nach den Askaniern (1134-1319), Wittelsbachern, Luxemburgern (1375 Landbuch der Mark Brandenburg) gelangt es als Kurfürstentum (1356) an die Hohenzollern (1411/7). 1473 legt die -> Dispositio Achillea des Markgrafen Albrecht Achilles die Unteilbarkeit fest. 1614 fallen Kleve, Mark und Ravensberg an, 1618 -> Preußen als Lehen Polens. Seit 1701 tritt B. hinter den Namen Preußen zurück. Der Versuch der Vereinigung des Bundeslands B. mit Berlin scheitert bei einer Volksabstimmung am 5. 5. 1996.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Stölzel, H., Brandenburg-Preußens Rechtsverwaltung und Rechtsverfassung, Bd. 1f. 1888; Altmann, W., Ausgewählte Urkunden zur brandenburgisch-preußischen Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, 2. A. 1914; Hintze, O., Die Hohenzollern und ihr Werk, 1915, Neudruck 1980; Schmidt, E., Die Mark Brandenburg unter den Askaniern, 1973; Die Mark Brandenburg, hg. v. Schultze, J., Bd. 1ff. 2. A. 1989; Brandenburgische Geschichte, hg. v. Materna, I./Ribbe, W., 1995; Justiz in Stadt und Land Brandenburg, hg. v. Clavée, K., 1998; Geschichte der brandenburgischen Landtage, hg. v. Adamy, K. u. a., 1998

brandenburgischer Landrechtsentwurf -> Köppen

Brandileone, Francesco (Buonabitacolo 1858 - Neapel 1929) wird nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Neapel Professor für italienische Rechtsgeschichte in Macerata, Sassari, Parma, Bologna und Rom.

Brandmarken ist das schon den Römern (Verbot der B. ins Gesicht durch Kaiser Konstantin) bekannte Kennzeichnen eines Täters durch Brandzeichen (oder Verstümmeln), das sich 726 bei den Langobarden und noch 1787 in Österreich und 1832 in Frankreich findet.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961, 495; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 530, Neudruck 1964; Hattenhauer, H., Die Brandmarkung in das Gesicht, 1994

Brandstiftung ist das Inbrandsetzen einer (fremden) Sache. Die B. ist in Rom eine Straftat, auf welche der Feuertod steht. Im Mittelalter wird sie wegen ihrer Bedeutung in der -> Fehde eher gering gebüßt. Der Sachsenspiegel (1221-24) kennt Enthauptung oder (bei Mordbrand) Rädern als ihre Strafen, das preußische Allgemeine Landrecht (1794) Enthauptung und Feuertod. Die fahrlässige B. wird schon früh gesondert behandelt.

Lit.: Kaser §§ 36, 50; Kroeschell, DRG 1, 2; Osenbrüggen, E., Die Brandstiftung, 1854; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 348

Brant, Sebastian (Straßburg 1458-1521), Gastwirtssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Basel Professor (1489), wechselt aber 1501 als Syndicus (bzw. 1503 Stadtschreiber) nach Straßburg. Neben (lat. [F.Pl.]) Expositiones (1490, Ausstellungen) veröffentlicht er im Rahmen der populären Literatur eine Bearbeitung von Tenglers -> Laienspiegel (1509) und des -> Klagspiegels sowie die Satire Narrenschiff (1494).

Lit.: Köbler, DRG 143; Staehelin, A., Sebastian Brant, in: Professoren der Universität Basel, 1960, 18; Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechts in Deutschland, 1962, 127

Brauchtum ist die Gesamtheit der tatsächlich innerhalb einer Personenmehrheit geübten sozialverträglichen Verhaltensweisen. Das B. weist viele Beziehungen zum Recht auf. Insbesondere kann das Recht das B. beeinflussen.

Lit.: Köbler, DRG 5; Künßberg, E. v., Rechtliche Volkskunde, 1936; Becker-Huberti, M., Lexikon der Bräuche und Feste, 2000

Braunschweig an der Oker wird 1031 erstmals erwähnt und wächst aus fünf älteren Siedlungen zusammen. Schon früh steht der Ort unter der Herrschaft der Welfen, deren Reichsfürstentum von 1235 nach B. und Lüneburg benannt wird. Die zeitweise ziemlich selbständige Stadt, die 1227 das Hagenrecht und das sog. Ottonianum aufzeichnet und 1532 ihre Statuten einer 1675 aufgehobenen Reformation unterzieht, geht 1671 an das Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel über und gelangt 1946 an Niedersachsen.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Hanselmann, L., Die ältesten Stadtrechte Braunschweigs, Hans. Geschbll. 1892, 3; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,2903; Rat und Verfassung im mittelalterlichen Braunschweig, 1986; Hackel, C., Der Untergang des Landes Braunschweig, 2000

Braut ist zunächst die neuvermählte junge Frau und erst in jüngerer Zeit die durch ein Heiratsversprechen erst zur Eheschließung verpflichtete Frau.

Lit.: Köbler, WAS; Opet, O., Brauttradition und Konsensgespräch, 1910

Brautlauf ist die im 13. Jh. im Deutschen erloschene Bezeichnung für die Hochzeit.

Lit.: Krogmann, W., Brautlauf und Braut, Wörter und Sachen 16 (1934), 81

Bremen an der Wesermündung wird 787/9 Sitz eines Bischofs bzw. 845/64 eines Erzbischofs. Im 13. Jh. löst sich B. von der Herrschaft des Bischofs. 1541/1666 wird die Reichsfreiheit erlangt, die sich in der Stellung als Mitglied des Deutschen Bundes und als Land im Deutschen Reich und in der Bundesrepublik Deutschland fortsetzt. 1970 entsteht in B. eine Universität.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Gattjen, B., Der Rentenkauf in Bremen, 1928; Haase, C., Untersuchungen zur Geschichte des Bremer Stadtrechts, 1953; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,2905; Kessler, A., Die Entstehung der Landesverfassung, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1996; Bremer Freiheiten, bearb. v. Gerstenberger, H., 1997; Schwarzwälder, H., Das große Bremen-Lexikon, 2000

Breslau an der Oder erscheint im 10. Jh. als befestigte Siedlung. 1225 erhält es eine Marktsiedlung nach deutschem Recht. 1526 fällt es mit Böhmen an Österreich. 1702 wird eine Universität eingerichtet. -> Breslauer Landrecht

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Rabe, C., Alma mater Leopoldina, 1999; Encyklopedia Wroclawia (Enzyklopädie Breslaus), hg. v. Harasimowicz, J., 2000; Quellenbuch zur Geschichte der Universität Breslau 1702 bis 1811, hg. v. Conrads, Norbert, 2002

Breslauer Landrecht ist eine durch König Johann von Böhmen veranlaßte, in 351 Kapitel mit 13 Anhangskapiteln gegliederte, im Fürstentum Breslau und Teschen gebrauchte Bearbeitung des Landrechts des ->Sachsenspiegels (1346/56).

Lit.: Köbler, DRG 103; Gaupp, E., Das schlesische Landrecht, 1828, Neudruck 1966; Goerlitz, T., Die Breslauer Rechtsbücher, ZRG 59 (1934), 155; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 30

Bretagne ist die schon früh von Kelten besiedelte westliche Halbinsel Westeuropas, die 56 v. Chr. von Caesar unter die Herrschaft der Römer gebracht wird. Vom 5. Jh. n. Chr. an wandern keltische Briten von Britannien aus ein, die unter die Herrschaft der Franken geraten. Um 845/6 wird die B. vom fränkischen Reich unabhängig, steht bald aber wieder unter französischer und seit 1113 englischer Lehnsherrschaft. 1515 wird die B. Krondomäne Frankreichs. Zwischen 1312 und 1325 wird die (franz.) Très ancienne coutume de B. (Sehr alte Gewohnheit der B.) aufgezeichnet.

Lit.: Planiol, M., La très ancienne coutume de Bretagne, 1896; Poisson, H., Histoire de la Bretagne, 1966; Fleuriot, L., Les Origines de la Bretagne, 1980

Breviarium (N.) Alarici (lat.) ist die vom Westgotenkönig Alarich II. vor 507 geschaffene Kurzfassung des nachklassischen römischen Rechts, welche für die Romanen im westgotischen Reich gilt und bis in das Hochmittelalter Bedeutung behält. -> Lex Romana Visigothorum

Lit.: Söllner § 20; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 53, 82; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953

Brevium exempla (lat. [N.Pl.]) ist die moderne Bezeichnung eines frühmittelalterlichen Güterverzeichnisses (825-50) für königliche Güter in Staffelsee, Weißenburg und bei Lille.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Metz, W., Das karolingische Reichsgut, 1960, 18

Briand-Kellogg-Pakt -> Kellogg-Pakt

Brief ist die (kurze) schriftliche, später durch einen Umschlag verschlossene Mitteilung.

Lit.: Die Tegernseer Briefsammlung des 12. Jahrhunderts, hg. v. Plechl, H., 2002; Schaller, H., Handschriftenverzeichnis zur Briefsammlung des Petrus de Vinea, 2002

Briefadel ist der durch Urkunde erlangte Adelsstand und die Gesamtheit der durch Urkunde in den -> Adel erhobenen Menschen. B. ist seit 1346 unter französischem Einfluss möglich (bis 1918).

Lit.: Köbler, DRG 98

Briefgeheimnis ist die Geheimheit der in einem Brief (Schriftstück) niedergeschriebenen Gedanken eines Menschen. Der verfassungsrechtliche Schutz des Briefgeheimnisses ist eine Errungenschaft des 19. Jh.s (Kurhessen 1831).

Lit.: Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 2. A. 1995, 480; Vellusig, R., Geschichte des Briefes, 2000

Bringschuld ist die am Wohnsitz des Gläubigers zu erbringende Schuld. Da Abgaben in der Regel beim Berechtigten abzuliefern sind, ist die B. schon im Frühmittelalter weit verbreitet. Ihre Bedeutung wächst nach dem Aufkommen der Geldwirtschaft.

Lit.: Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981, § 28

Brinz, Alois Ritter von (Weiler im Allgäu 25. 2. 1820 - München 13. 9. 1887), Sohn eines Landgerichtsaktuars, wird nach dem Studium von Sprachen und Recht in München und Berlin 1851 außerordentlicher Professor und 1854 ordentlicher Professor in Erlangen, Prag (1857), Tübingen (1866) und München (1871). Sein wichtigstes Werk ist ein Pandektenlehrbuch (1857ff.), in welchem er die juristische Person als Zweckvermögen versteht.

Lit.: Rascher, J., Die Rechtslehre des Alois von Brinz, 1975

Brite ist der Angehörige eines keltischen, die britischen Inseln bewohnenden Volkes, das 409 n. Chr. von römischer Herrschaft frei wird, aber wenig später von der Bedrohung durch Angeln, Sachsen und Jüten in die -> Bretagne bzw. nach Wales, Cornwall und Schottland zurückweicht.

Lit.: Ross, A., Pagan Celtic Britain, 2. A. 1974

Brite -> England, Großbritannien, Kelte

britische Zone ist die 1945 Großbritannien zugeteilte -> Besatzungszone Deutschlands. Sie geht am 1. 1. 1947 in der -> Bizone auf. Von 1948 bis 1950 kennt sie einen Obersten Gerichtshof.

Lit.: Trittel, Die Bodenreform in der britischen Zone 1945-1949, 1975; Zimmermann, R., Der oberste Gerichtshof für die britische Zone, ZNR 3 (1981), 158

Brocarda oder Brocardica (lat. [F.], Herkunft streitig) ist im Hochmittelalter die in der Kompelation Justinians noch nicht enthaltene, gelehrte Rechtsregel (Pilius, Damasus Boemus um 1215).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Meyer, E., Brocardica, ZRG KA 69 (1952), 453; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997

Bruderschaft (F.) dem Verhältnis von Brüdern nachgebildeter Verband von Priestern oder Handwerkern

Lit.: Le mouvement confraternel, 1987 ; Frank, T., Bruderschaften im spätmittelalterlichen Kirchenstaat, 2002

Brunner, Heinrich (Wels 21. 6. 1840 - Bad Kissingen 11. 8. 1915) wird nach dem Rechtsstudium in Wien Professor in Lemberg (1866/8), Prag (1870), Straßburg (1872) und Berlin (1873). Unter genauer Quellenkenntnis durchdringt er den geschichtlichen Stoff juristisch und legt nach zahlreichen Einzelarbeiten (z. B. über Schwurgericht, Urkunde, Landschenkung) 1887 den ersten Band seiner die germanische und fränkische Zeit umfassenden deutschen Rechtsgeschichte vor.

Lit.: Köbler, DRG 221; Stutz, U., Heinrich Brunner, ZRG GA 36 (1915), IX

Brünn in Südmähren ist ein seit 800 erscheinender, im Hochmittelalter von Deutschen aufgesiedelter Ort, der 1243 das Stadtrecht von -> Iglau erhält. Brünner Schöffenbuch ist ein von einem Stadtschreiber Johannes (1343-58) in Brünn verfasstes, sachlich-alphabetisch von (lat. [F.Pl.]) actiones (Klagansprüche) bis vulnera (Wunden) geordnetes -> Rechtsbuch, welches (etwa mit der Wendung lex dicit, das Gesetz besagt) in das einheimische deutsche Recht einzelne römisch-rechtliche Zutaten einfügt.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Schubart-Fikentscher, G., Das Brünner Schöffenbuch, DA 1 (1937), 457; Der Brünner Todesmarsch 1945, hg. v. Hertl, H. u. a., 1998; Lexikon bedeutender Brünner Deutscher, hg. v. Fehige, C. u. a., 2000

Brüssel an der Zenne erscheint am Ende des 7. Jh.s. Es entwickelt sich zum Vorort der burgundischen Niederlande. 1830 wird es Hauptstadt des neuen Königreichs -> Belgien. 1834 erhält es eine Universität.

Lit.: Histoire de Bruxelles, hg. v. Martens, M., 2. A. 1979

Buch ist das zu einem Band zusammengefasste Schriftstück. Sein Inhalt kann alle Lebensbereiche erfassen. Rechtlich bedeutsam sind etwa Achtbuch, Grundbuch, Lehrbuch, Rechtsbuch oder Stadtbuch. Bereits in der Antike entstehen Buchsammlungen oder Bibliotheken mit bis zu einer halben Million katalogisierter Schriftrollen (Alexandria um 300 v. Chr., um 350 n. Chr. vielleicht 30 öffentliche Bibliotheken in Rom). Mit dem Übergang (von der vielfach in ausgeliehenen Lagen oder peciis) abgeschriebenen Handschrift zur Drucktechnik mit beweglichen Lettern (Johannes Gensfleisch genannt Gutenberg in Mainz zwischen 1440 und 1454, 1448?, Beginn mit Kalenderblättern und Sibyllenweissagungen, ab 1451 42zeilige Bibel mit 48 erhaltenen Exemplaren) wird es zur Massenware, wobei im 16. Jahrhundert bereits 70 bis 90 Millionen Bücher im deutschen Sprachraum hergestellt werden.

Lit.: Presser, H., Buch und Druck, 1978; Lexikon des gesamten Buchwesens, hg. v. Corsten, S., 2. A. 1987; Bülow, M., Buchmarkt und Autoreneigentum, 1990; Hiller, H., Wörterbuch des Buches, 5.A. 1991; Janzin, M./Güntner, J., Das Buch vom Buch, 1995; Laienlektüre und Buchmarkt im späten Mittelalter, hg. v. Kock, T. u. a., 1997; Nederemeyer, U., Von der Handschrift zum gedruckten Buch, 1998; Geschichte der Buchkultur, Bd. 1ff., hg. v. Mazal, O. u. a., 1999; Füssel, S., Gutenberg und seine Wirkung, 1999; Zimmer, D., Die Bibliothek der Zukunft, 2000; Soetermeer, F., Utrumque ius in peciis, 2002; Casson, L., Bibliotheken in der Antike, 2002; Antike Bibliotheken, hg. v. Hoepfner, W., 2002; Hiller, H./Füssel, S., Wörterbuch des Buches, 6. A. 2002; Juristische Buchproduktion im Mittelalter, hg. v. Colli, V., 2002

Buch, Johann von (um 1300 - nach 1356), aus einer altmärkischen ritterlichen Familie, ist nach dem Studium in Bologna Ratgeber und Richter des Markgrafen von Brandenburg (1336 [lat.] capitaneus [M.] generalis, Generalhauptmann). Er teilt das Landrecht des ->Sachsenspiegels in drei Teile, versieht es mit einer die Übereinstimmung mit dem römischen und kirchlichen Recht darlegenden Glossierung und verfasst um 1335 den -> Richtsteig Landrechts.

Lit.: Steffenhagen, E., Die Entwicklung der Landrechtsglosse des Sachsenspiegels, SB. d. Akad. Wien 114 (1887), 309; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 29

Bücherkommissar ist der mit der Bücherzensur beauftragte Amtsträger (Köln 1479), dem päpstliche Beauftragte seit dem 13. Jh. (Paris 1323) vorausgehen. 1579 wird für das Reich ein ständiges Bücherkommissariat in Frankfurt eingerichtet, das ohne geringe tatsächliche Bedeutung bis 1792 wirkt.

Lit.: Widmann, F., Geschichte des Buchhandels, 1952

Buchführung -> Buchhaltung

Buchhaltung ist die Aufzeichnung von Geschäftsvorfällen eines Unternehmers in Büchern zur Erlangung von Übersicht. Älteste Versuche in dieser Richtung finden sich bereits im 3. vorchristlichen Jahrtausend im Vorderen Orient. Im Mittelalter erscheinen die ersten Anfänge unter byzantinisch-arabischem Einfluss in Venedig im 10. Jh. (Genua 1157, Lübeck 13. Jh.). Das älteste erhaltene Kaufmannsbuch Oberdeutschlands ist das Schuldbuch der Familie Holzschuher (Nürnberg 1304). Im 14. Jh. entwickelt sich die doppelte Buchführung mit doppelter Eintragung unter Soll und Haben (Genua 1327). Im 19. Jh. führt die Industrialisierung zur technischen Verfeinerung und greift der Staat ordnend ein. Hinter dem privaten Kaufmann bleibt dabei die öffentliche Verwaltung jeweils deutlich zurück.

Lit.: Penndorf, B., Geschichte der Buchhaltung in Deutschland, 1913; Melis, F., Aspetti della vita economica medievale, 1962

Budaeus -> Budé

Budapest an der Donau entsteht 1872 durch Zusammenlegung der auf antiken Grundlagen ruhenden, 1148 erstmals erwähnten Städte Buda und Pest, die 1526 bzw. 1541 von den Osmanen erobert werden (bis 1686). 1635 wird eine Universität eingerichtet. 1872 wird B. Hauptstadt der transleithanischen Reichshälfte Österreichs, 1918 Hauptstadt Ungarns.

Lit.: Mesterházi, L., Tausendjähriges Budapest, 1970

Budé (Budaeus), Guillaume (Paris 26. 1. 1468 - 23. 8. 1540) tritt nach dem Rechtsstudium in Orléans (1483-86) in die Dienste des Königs von Frankreich. Nach einer Plutarchübersetzung aus dem Spanischen (1503) legt er 1508 (lat.) Annotationes (F.Pl.) in Pandectas (Anmerkungen zu den Pandekten) vor, in denen er die Pandekten philologisch-historisch untersucht und das erste Beispiel des (lat.) -> mos (M.) Gallicus (gallische Art) gibt. Die Anwendbarkeit der in sich uneinheitlichen Rechtssammlung auf seine Gegenwart verneint er.

Lit.: Köbler, DRG 143; Delaruelle, L., Guillaume Budé, 1970

Budgetrecht ist das Recht, Einnahmen und Ausgaben im Staatshaushalt durch Gesetz festzulegen. Es geht im 19. Jh. vom Landesherrn an das -> Parlament über (Preußen 1850).

Lit.: Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 2. A. 1995, 486

Bukarest erscheint auf antiken Siedlungsspuren im 13. Jh. als Marktflecken. 1862 wird es Hauptstadt Rumäniens. 1864 erhält B. eine Universität.

Bukowina am Osthang der Karpaten gehört seit dem 14. Jh. zu dem späteren türkischen Vasallenfürstentum Moldau. 1775 gelangt die B. an -> Österreich, wo sie 1849 eigenes Kronland wird. 1919 fällt B. an -> Rumänien, 1940 im Norden an die Sowjetunion.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Röskau- Rydel, I., Galizien, Bukowina, Moldau, 1999

Bulgarien südlich der unteren Donau ist anfangs von Thrakern besiedelt, die im 5. Jh. v. Chr. unter die Herrschaft der Makedonier, im 2. Jh. v. Chr. der Römer kommen. Im 7. Jh. entsteht aus Slawen, Thrakern, Awaren und Turkvölkern das Volk der Bulgaren, das 681 und 1185 zu einem eigenen Reich findet. 1393 fällt B. an die Osmanen (Türken). 1877/8 löst sich B. teilweise, 1908 als eigenes Zarenreich vollständig von der türkischen Herrschaft. 1945 wird B. kommunistisch. Sein Recht ist entsprechend dieser Entwicklung römisch, slawisch, osmanisch, westlich, sozialistisch und nach 1990 demokratisch geprägt.

Lit.: Stefanov, I. u. a., Bulgarien, 1975; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,5,243; Revolution auf Raten – Bulgariens Weg zur Demokratie, hg. v. Höpken, W., 1996; Knaus, G., Bulgarien, 1997; Crampton, R., A Concise History of Bulgaria, 1997; Härtel, H. u. a., Bulgarien, 1998; 100 Jahre Handelsgesetzbuch, hg. v. Paschke, M. u. a., 1998

Bulle ist die ein Siegel umschließende Kapsel, das Siegel sowie die mit ihm versehene Urkunde. Aus Byzanz kommt die Bleibulle im 6. Jh. in die päpstliche Kanzlei und von dort am Ende des 8. Jh.s an den fränkischen Hof (1226 Goldene Bulle von Rimini, 1356 -> Goldene Bulle Karls IV.).

Lit.: Ewald, W., Siegelkunde, 1914; Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. 1356, bearb. v. Müller, K., 1970

Bund ist die gewollte Verbindung von Menschen zu einer übergeordneten Einheit. Politisch bedeutsam ist beispielsweise der -> Deutsche B. Im Bundesstaat kann auch der Gesamtstaat als B. bezeichnet werden.

Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 582

Bundesakte -> Deutsche Bundesakte

Bundesarbeitsgericht ist das oberste Gericht der Bundesrepublik Deutschland in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten mit Sitz in Kassel bzw. Erfurt (1996).

Lit.: 25 Jahre Bundesarbeitsgericht, hg. v. Gamillscheg, F. u. a., 1975; Grunsky, W., Arbeitsgerichtsgesetz, 6. A. 1990

Bundesexekution ist im Deutschen Bund die Ausführung der Bundesakte, der Bundesbeschlüsse und gerichtlicher und gerichtsähnlicher Entscheidungen durch den Deutschen Bund gegenüber einem Bundesglied (z. B. 1830 gegen Braunschweig, 1834 gegen Frankfurt, 1864 gegen Dänemark sowie formlos 1866 gegen Preußen).

Bundesfinanzhof ist das oberste Gericht der Bundesrepublik Deutschland in Finanzstreitigkeiten mit Sitz in München. Der B. ist Nachfolger des zum 1. 10. 1918 eingerichteten Reichsfinanzhofes.

Lit.: Offerhaus, K., Der Bundesfinanzhof, 3. A. 1993

Bundesgerichtshof ist seit 1. 10. 1950 das oberste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit der Bundesrepublik Deutschland mit Sitz in Karlsruhe.

Lit.: Möhring, P., 25 Jahre Bundesgerichtshof, NJW 1975, 1820; Medicus, D., Entscheidungen des BGH als Marksteine für die Entwicklung des allgemeinen Zivilrechts, NJW 2000, 2921; Die Praxis des Bundesgerichtshofes im deutschen Rechtsleben, hg. v. Canaris, C. u. a., Bd. 1ff. 2000; Schubert, W./Glöckner, H., Vom Reichsgericht zum Bundesgerichtshof, NJW 2000, 2971; Fortitudo temperantia Die Rechtsanwälte am Reichsgericht und beim Bundesgerichtshof, hg. v. d. Verein der beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwälte, 2000

Bundeskanzler ist der politische Führer der Regierung in Deutschland (1949) und Österreich.

Bundesoberhandelsgericht ist das für Handelssachen durch Gesetz des Norddeutschen Bundes vom 12. 6. 1869 gegründete und in Leipzig eingerichtete Gericht. 1871 wird es zum auch die süddeutschen Staaten erfassenden Reichsoberhandelsgericht, das 1879 im -> Reichsgericht aufgeht.

Lit.: Köbler, DRG 195; Behrend, J., Das Bundesoberhandelsgericht, Z. f. Gesetzgebung und Rechtspflege in Preußen, 3, 200; Winkler, S., Das Bundesoberhandelsgericht und das spätere Reichsoberhandelsgericht, 2001

Bundespräsident ist das Staatsoberhaupt in Deutschland (1949) und Österreich.

Bundesrat ist (im -> Norddeutschen Bund und) im Deutschen Reich von 1871 das die Mitwirkung der Einzelstaaten am Bundesgeschehen ermöglichende Organ, das als Träger der obersten Gewalt den Gesamtstaat als Einheit repräsentiert. Von seinen 58 Stimmen entfallen 17 auf Preußen, 24 auf 7 mittlere Staaten und je eine auf die übrigen 17 Länder. Mit dem -> Reichstag erlässt der B. Gesetze. Auch die Bundesrepublik Deutschland kennt einen B. als Vertretung der (11 bzw. 1990) 16 Länder.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 174, 195, 220, 248, 257; Maunz, T., Der Bundesrat in Vergangenheit und Gegenwart, Hist. Jb. 74 (1955), 446; Klein, E., Die Rolle des Bundesrates und der Länder, 1998

Bundesrecht ist das vom Bund der Bundesrepublik Deutschland geschaffene bzw. übernommene Recht, im weiteren Sinn das Recht jeden Bundes.

Lit.: Zachariä, H., Deutsches Staats- und Bundesrecht, Bd. 1f. 3. A. 1867; Bluntschli, J., Geschichte des schweizerischen Bundesrechts, 1875

Bundesregierung ist die Regierung eines Bundesstaates.

Lit.: Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, hg. v. Booms, H., 1953ff.; Die Mitglieder der Bundesregierungen, hg. v. Kempf, U. u. a., 2000; Kanzler und Minister 1949-1998, hg. v. Kempf, U., 2001

Bundesrepublik ist eine föderalistische Republik wie z. B. Österreich oder Deutschland.

Lit.: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, hg. v. Bracher, K., Bd. 1ff. 1982ff.; Benz, W., Von der Besatzungsherrschaft zur Bundesrepublik, 1984; Morsey, R., Die Bundesrepublik Deutschland, 3. A. 1995; Thränhardt, D., Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, 2. A. 1996; Geschichte der deutschen Einheit, Bd. 1ff. 1997ff.; Ritter, G., Über Deutschland, 1998; Schäfer, J., Deutsche Geschichte (CD-ROM), 1998; ZEIT-Geschichte der Bonner Republik, hg. v. Dönhoff, M. u. a., 1999; Görtemaker, M., Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, 1999; Nörr, K., Die Republik der Wirtschaft, 1999; Fünfzig Jahre Bundesrepublik Deutschland, hg. v. Conze, E. u. a., 1999; Frei, N., Vergangenheitspolitik, 1999; Baring, A., Es lebe die Republik, 1999; Dippel, H., Die Konstitutionalisierung des Bundesstaats, in: Der Staat, 1999, 221; Deutschland unter alliierter Besatzung 1945-1949/55. Ein Handbuch, hg. v. Benz, Wolfgang, 1999; Rupp, K., Politische Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, 3. A. 2000; Morsey, R., Die Bundesrepublik Deutschland, 4. A. 2000; Kielmannsegg, P. Graf, Nach der Katastrophe, 2000; Recker, M., Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, 2002

Bundessozialgericht ist das oberste Gericht der Sozialgerichtsbarkeit der Bundesrepublik Deutschland mit Sitz in Kassel.

Bundesstaat ist ein Zusammenschluss von Staaten zu einem neuen Staat (z. B. Deutsches Reich 1871, Schweiz).

Lit.: Grzeszick, B., Vom Reich zur Bundesstaatsidee, 1996; Holste, H., Der deutsche Bundesstaat im Wandel (1867-1933), 2002

Bundestag ist allgemein die Versammlung der Mitglieder eines Bundes, insbesondere das Parlament der Bundesrepublik Deutschland.

Lit.: Schäfer, W., Der Bundestag, 4. A. 1982; Vierzig Jahre Deutscher Bundestag, hg. v. Neske, G., 1989; Ismayr, W., Der deutsche Bundestag, 1992; Die Mitglieder des Deutschen Bundestages, 1998; Der Deutsche Bundestag 1949-1999, hg. v. Deutschen Bundestag, 1999; Schindler, P., Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages, 1949 – 1999, 1999; Reker, S., der Deutsche Bundestag, 1999; M. d. B. Volksvertretung im Wiederaufbau 1946-1961, hg. v. Schumacher, M., 2000; Biographisches Handbuch der Mitglieder des deutschen Bundestages 1949-2002, hg. v. Vierhaus, R. u. a., 2002f.

Bundesverfassungsgericht ist das am 7. 9. 1951 mit Sitz in Karlsruhe errichtete Verfassungsgericht der Bundesrepublik Deutschland (bis 2001 132000 Verfahren, davon 127000 Verfassungsbeschwerden).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 257, 261; Schlaich, K., Das Bundesverfassungsgericht, 4. A. 1997; Haltern, U., Verfassungsgerichtsbarkeit, Demokratie und Misstrauen, 1998; Das Bundesverfassungsgericht, hg. v. Limbach, J., 2000; Limbach, J., Das Bundesverfassungsgericht, 2001; Limbach, J., Das Bundesverfassungsgericht und der Grundrechtsschutz in Europa, NJW 2001, 2913; Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, hg. v. Badura, P. u. a., 2001

Bundesversammlung ist die Versammlung von Mitgliedern eines Bundes (z. B. Deutscher Bund 1815-66 mit Sitz in Frankfurt). In der Bundesrepublik Deutschland wählt eine B. den Bundespräsidenten.

Lit.: Dublin-Honegger, J., Die Anfänge der schweizerischen Bundesversammlung, Diss. jur. Basel 1978; Moldenhauer, R., Aktenbestand und Geschäftsverfahren der deutschen Bundesversammlung, Archival. Z. 1978, 35

Bundesverwaltungsgericht ist das oberste Gericht der Bundesrepublik Deutschland in Verwaltungsstreitigkeiten mit Sitz in Berlin (bzw. Leipzig).

Bündnisrecht ist das Recht, Bündnisse mit anderen einzugehen. Ursprünglich jedem Inhaber herrschaftlicher Gewalt offen, wird es in England und Frankreich durch den Staat beseitigt. Im deutschen Reich eröffnen es die Goldene Bulle (1356) und der Westfälische Friede von Münster und Osnabrück (1648) für die Reichsstände, sofern es sich nicht gegen Kaiser und Reich richtet. Im -> Deutschen Bund ist es nur durch die Verpflichtung beschränkt, die Sicherheit des Bundes oder einzelner seiner Glieder nicht zu beeinträchtigen.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Bezold, F. v., Das Bündnisrecht, 1904; Böckenförde, E., Der Westfälische Friede und das Bündnisrecht der Reichsstände, Der Staat 8 (1969) 449

Bunge, Friedrich Georg von (Kiew 1802 - Wiesbaden 1897) begründet als Professor für Provinzialrecht in Dorpat die baltische Rechtsgeschichte und bearbeitet den 1864 veröffentlichten Band 3 des Provinzialrechts der Ostseegouvernements, der in Lettland bis 1937 und in Estland bis 1945 als Zivilgesetzbuch gilt.

Lit.: Recke, J./Napiersky, C., Allgemeines Schriftsteller- und Gelehrtenlexikon, 1827, 303, 1859, 112

Burchard von Worms (965 - Worms 20. 8. 1025), aus dem Hause der Grafen von Reichenbach-Ziegenhain, wird nach seiner Erziehung in Koblenz 1000 Bischof von Worms. Sein wohl zwischen 1008 und 1012 verfasstes Handbuch ([lat., N.] Decretum) in 20 Büchern und 1785 Kapiteln (davon 163 noch herkunftsmäßig ungeklärt) ist die wichtigste vorgratianische Kanonessammlung. Sie beruht auf der (lat.) Collectio (F.) Anselmo dedicata (dem Anselm gewidmete Sammlung), dem (lat.) Liber (M.) de synodalibus causis (Buch über Synodalsachen) des -> Regino von Prüm und einzelnen Kanones und Dekretalen sowie Bußbüchern und Kirchenschriften. Seine (lat.) Lex (F.) familiae Sancti Petri (1023-5) ist ein frühes Beispiel eines grundherrschaftlichen Hofrechts.

Lit.: Meyer, G., Überlieferung und Verbreitung des Dekrets des Bischofs Burchard von Worms, ZRG KA 55 (1935), 141; Theuerkauf, G., Frühmittelalterliche Studien, Bd. 2, 1968; Kerner, M., Studien zum Dekret des Bischofs Burchard von Worms, Diss. phil. Aachen 1971; Hoffmann, H./Pekorny, R., Das Dekret, 1991; Bischof Burchard von Worms 1000-1025, hg. v. Hartmann, W., 2000; Corbet, P., Autour de Burchard de Worms, 2001

Burg ist der befestigte Ort, der anfangs wohl nur der Zuflucht dient. Im Frühmittelalter wird auch die antike Stadt oder das Kastell als B. bezeichnet. Vielleicht nach deren Vorbild entstehen an vielen Stellen Burgen, von denen nur ein Teil auch urkundlich belegt ist. Wohl seit dem 11. Jh. sondern sich B. und Stadt. In der Neuzeit ersetzt der Adel die B. durch das Schloß. In der Gegenwart sind 50 Prozent aller namentlich bekannten mitteleuropäischen Burgen verschwunden, vom Restbestand drei Viertel nur noch Ruinen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 68, 79, 96; Die Burgen im deutschen Sprachraum, hg. v. Patze, H., 1976; Binding, G. u. a., Burg, Lexikon des Mittelalters, Bd. 2 1983, 927; Allen Brown, R., Castles, Conquest & Charters, 1989; Burg-Burgstadt-Stadt, 1994; Burgen im Spiegel der Überlieferung, hg. v. Ehmer, H., 1998; Burgen in Mitteleuropa, hg. v. Böhme, H. u. a., 1999; Spazier, I., Mittelalterliche Burgen zwischen mittlerer Elbe und Bober, 1999; Krahe, F., Burgen und Wehrtürme, 2002

Burgenland ist ein ursprünglich meist zu Ungarn gehöriges, seit dem 11. Jh. zunehmend von Deutschen besiedeltes Gebiet, das 1919 -> Österreich als Bundesland zugesprochen wird.

Lit.: Ernst, A., Geschichte des Burgenlandes, 2. A. 1991

Bürge ist, wer sich durch Vertrag mit einem Gläubiger eines Dritten verpflichtet, dem Gläubiger gegenüber für die Erfüllung der Verbindlichkeit des Dritten einzustehen. -> Bürgschaft

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 44, 74, 128

Bürger ist der Bewohner der -> Stadt. Ihm entspricht lateinisch vor allem civis (M.), das hauptsächlich den Angehörigen des römischen Volkes im Gegensatz zum Nichtrömer und zum Sklaven meint. Im deutschen Frühmittelalter engt sich der weitere Begriff des ahd. burgari, Burgbewohner, wohl seit dem 11. Jh. auf den B. ein. Er hat -> Bürgerrecht. In der Neuzeit wird B. dagegen jeder, der nicht zum Adel oder zu den Bauern gezählt wird (Preußen 1794). Er ist der Prototyp des modernen Staatsbürgers.

Lit.: Köbler, G., Civis und ius civile im deutschen Frühmittelalter, Diss. jur. Göttingen 1964; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 972, 672; Res publica, Bürgerschaft in Stadt und Staat, hg. v. Dilcher, G., 1988; Bürgertum im 19. Jahrhundert, hg. v. Kocka, J., 1995; Dilcher, G., Bürgerrecht und Stadtverfassung, 1996; Bürgertum und bürgerlich-liberale Bewegung, hg. v. Gall, L., 1997; Haupt, H./Crossick, G., Die Kleinbürger, 1998; Reidegeld, E., Bürgerschaftsregelungen, Freizügigkeit, Gewerbeordnung und Armenpflege, ZRG 116 (1999), 87; Sozial- und Kulturgeschichte des Bürgertums, hg. v. Lundgreen, P., 2001

Bürgerbuch ist das die -> Bürger der mittelalterlichen Stadt verzeichnende -> Buch (z. B. Köln 1130-40, Rostock 1258, Lübeck 1259).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Andernacht, D./Stamm, O., Die Bürgerbücher der Reichsstadt Frankfurt, 1955; Rothert, H., Das älteste Bürgerbuch der Stadt Soest, 1958

Bürgerlehen ist das -> Lehen eines -> Bürgers. Es entsteht meist durch Verkauf durch den Adel. Der älteste Beleg für das B. reicht bis in das 11. Jh. (Regensburg 1072/3). Bis in das 15. Jh. nimmt die Zahl der B. zu, dann infolge des Widerstandes des landständigen Adels ab. Die danach noch bestehenden B. gleichen sich an Miete und Pacht an.

Lit.: Frensdorff, F., Die Lehnsfähigkeit der Bürger, 1895; Grabscheid, D., Die Bürgerlehen im altdeutschen Reichsgebiet, Diss. phil. Frankfurt am Main 1957

bürgerlicher Tod ist der rechtliche Tod im Gegensatz zum natürlichen Tod. Er bewirkt den Verlust der bürgerlichen Rechtsfähigkeit (Fähigkeit, Eigentümer zu sein, eine Ehe einzugehen oder aufrechtzuerhalten, zu schenken, zu testieren, Vormund zu sein, Zeuge zu sein usw.). Er ist wohl aus unterschiedlichen Wurzeln (Acht, Exkommunikation, Infamie) entstanden. Im 17. Jh. ist er die Folge des Gerichtsungehorsams, im 18. Jh. die Folge jedes Urteils auf Todesstrafe und vieler lebenslänglicher Strafen. In der Mitte des 19. Jh.s tritt der bürgerliche Tod zurück (Bayern 1849, Preußen 1850, Frankreich 1854). Ähnliche Folgen wie der bürgerliche Tod zieht zeitweise auch die Ablegung des klösterlichen Armutsgelübdes (Klostertod) nach sich.

Lit.: Hübner 56; Borgmann, B., Mors civilis, Ius commune 4 (1972), 81

Bürgerliches Gesetzbuch ist allgemein das vom politischen Bürgertum im 18. Jh. zur gesetzlichen Regelung des Privatrechts geforderte Gesetzbuch. Es wird in Frankreich 1804 (Code civil), in Österreich 1811/2 (Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch) und in Sachsen 1863 (Bürgerliches Gesetzbuch) verwirklicht, während es andernorts nur zu Entwürfen kommt (Preußen 1842, Hessen-Darmstadt 1842, Bayern 1861/4). In Deutschland erreichen nach vergeblichen Gesetzgebungsanträgen der Jahre 1867-72 die nationalliberalen Abgeordneten Miquel und Lasker am 20. 12. 1873, dass die Gesetzgebungszuständigkeit des Deutschen Reiches vom Schuldrecht auf das gesamte bürgerliche Recht ausgedehnt wird. Auf ein Gutachten des Handelsrechtlers Goldschmidt und den Vorschlag einer später sog. Vorkommission (1874) wird eine (erste) Kommission mit 11 Mitgliedern (Planck, Windscheid) eingesetzt. Ihr 1888 mit Motiven vorgelegter Entwurf wird von verschiedenen Seiten (Menger, Gierke) angegriffen. Daraufhin wird 1890 eine zweite Kommission (Planck, von Jacubezky) samt einer vorgeschalteten Vorkommission mit der Umarbeitung beauftragt, welche nach einigen Veränderungen 1895 den zweiten Entwurf mit Protokollen dem Bundesrat vorlegt. Der danach 1896 im Reichstag mit einer Denkschrift eingebrachte dritte Entwurf wird nach Bearbeitung am 18. 8. 1896 verkündet und zum 1. 1. 1900 in Kraft gesetzt. Das die Geltung des preußischen Allgemeinen Landrechts, des Code civil und des gemeinen Rechts in Deutschland beendende Gesetzbuch ist ein für neue Anforderungen durchaus offenes, recht begriffliches, ziemlich abstraktes, nach den Erscheinungsformen des subjektiven Rechtes und vom Allgemeinen zum Besonderen fortschreitend in fünf Bücher gegliedertes Erzeugnis technisch geschulter Juristen, unter denen eine überragende schöpferische Persönlichkeit fehlt. Inhaltlich überwiegen die den bürgerlichen Kreisen angemessenen und vorteilhaften liberalen Züge, zu denen patriarchalisch-konservative und soziale Elemente hinzukommen. Das BGB beeinflusst das Privatrecht vieler Länder (Japan, Schweiz, Österreich, China, Brasilien, Thailand, Peru, Griechenland, Italien, Frankreich). Sein Inhalt ist inzwischen vor allem im Familienrecht erheblich verändert.

Lit.: Söllner §§ 1, 16, 25; Kroeschell, DRG 2, 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 181, 182, 207, 212; Wieacker, F., Das Sozialmodell der klassischen Privatrechtsgesetzbücher, 1953; Brandt, D., Die politischen Parteien und die Vorlage des Bürgerlichen Gesetzbuches im Reichstag, 1975 (Diss.); Die Beratung des BGB in systematischer Zusammenstellung der unveröffentlichten Quellen, hg. v. Jakobs, H. u. a., Bd. 1ff. 1978ff.; Caroni, P., Liberale Verfassung und bürgerliches Gesetzbuch im 19. Jahrhundert, 1988; John, M., Politics and Law, 1989; Schroeder, K., Deutsches Recht und Bürgerliches Gesetzbuch, ZRG GA 109 (1992), 152; Muscheler, K., Die Rolle Badens in der Entstehungsgeschichte des Bürgerlichen Gesetzbuches, 1993; Schmoeckel, M., 100 Jahre BGB, NJW 1996, 1697; Schulte-Nölke, H., Die schwere Geburt des Bürgerlichen Gesetzbuches, NJW 1996, 1784; Knieper, R., Gesetz und Geschichte, 1996; Die Sozialdemokratie und die Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuches, hg. v. Vormbaum, T., 1996; Bürgerliches Gesetzbuch 1896-1996, hg. v. Schlosser, H., 1997; Schubert, W., Das Bürgerliche Gesetzbuch im Urteil französischer Juristen, ZRG GA 114 (1997), 128; Das deutsche Zivilrecht 100 Jahre nach Verkündung des BGB, 1997; Kern, B., Der preußische BGB-Entwurf von 1842,, 1998; BGB-Synopse 1896-1998, hg. v. Strätz, H., 1998; Eiffler, S., Die Feuertaufe des BGB, ZNR 1998, 238; Horn, N., Ein Jahrhundert Bürgerliches Gesetzbuch, NJW 2000, 40; Gast, B., Der Allgemeine Teil und das Schuldrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches im Urteil von Raymond Saleilles, 2000; Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, hg. v. Falk, U. u. a., 2000; Kramer, E., Der Einfluss des BGB auf das schweizerische und österreichische Privatrecht, AcP 200 (2000), 365; Damnitz, M., Bürgerliches Recht zwischen Staat und Kirche, 2001; Wolters, M., Die Zentrumspartei und die Entstehung des BGB, 2000; Das BGB im Wandel der Epochen, hg. v. Sellert, W. u. a., 2002; Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, hg. v. Schmoeckel, M./Rückert, J./Zimmermann, R., 2002

bürgerliches Recht ist das von den Bürgern in der Französischen Revolution (1789) als Recht einer egalitären Gesellschaft errungene Privatrecht. Es leitet sich sprachlich von (lat.) ius (N.) civile ab. Neben ihm steht beispielsweise das Handelsrecht (wie in Frankreich neben dem Code civil der Code de commerce).

Bürgermeister ist seit der Mitte des 13. Jh.s (Köln 1258, Basel 1261) der Vorsitzende des kollegialen Verwaltungsorgans und Repräsentant der Gemeinschaft zunächst in der -> Stadt, dem ein etwas älterer lateinischer -> magister (M.) civium (Köln) bzw. magister civilis (Hildesheim-Dammstadt 1196) vorausgehen. Der B. wird teils gewählt, teils eingesetzt. Er hat sowohl verwaltende wie auch richterliche Aufgaben und Befugnisse. An vielen Orten gelingt ihm ein allmählicher Ausbau seiner Stellung. Oft finden sich mehrere B. nebeneinander. -> Selbstverwaltung

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 41; Köbler, DRG 111, 198; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 5. A. 1980, 323; Rabus, K., Der Ulmer Bürgermeister bis 1548, Diss. jur. Tübingen 1952; Rörig, W., Die Entwicklung der rheinischen Bürgermeistereiverfassung, Diss. jur. Mainz 1957; Stemmler, G., Die Amtskette des Bürgermeisters, 2002

Bürgerrecht ist die Mitgliedschaft in der Gemeinschaft der -> Bürger. Schon in Rom vermittelt die Stellung als civis (M.) Romanus ([lat.] römischer Bürger) ein Bündel von Rechten und Pflichten, weil nur für den civis Romanus das römische (lat.) -> ius (N.) civile gilt. In gleicher Weise sondert das B. den Bürger zunächst der -> Stadt aus der Allgemeinheit aus. Der Erwerb des Bürgerrechts erfolgt dabei meist durch Geburt, daneben durch einen besonderen Akt der Aufnahme. -> Grundrecht, Menschenrecht

Lit.: Kaser §§ 3, 13, 58; Söllner § 12; Kroeschell, DRG 1, 2; Erler, A., Bürgerrecht und Steuerpflicht, 2. A. 1963; Köbler, G., Civis und ius civile, Diss. jur. Göttingen 1964; Hartung, F./Commichau, G., Die Entwicklung der Menschen- und Bürgerrechte, 5. A. 1985; Julen, T., Das Bürgerrecht im Oberwallis, Diss. jur. Freiburg i. Ü. 1978; Menschen- und Bürgerrechte, hg. v. Klug, U., 1988; Dilcher, G., Bürgerrecht und Stadtverfassung, 1996

Burgrecht erscheint seit der ersten Jahrtausendwende als Lehnübersetzung (ahd. burgreht) des lateinischen ius (N.) civile. In Süddeutschland bezeichnet es seit 1167 eine Landleihe zu freiem Erbzins. Daneben findet es sich etwas später als Benennung des -> Stadtrechts und des -> Bürgerrechts.

Lit.: Köbler, DRG 104; Köbler, G., Civis und ius civile, Diss. jur. Göttingen 1964

Bürgschaft ist der einseitig verpflichtende Vertrag zwischen einem Gläubiger eines Dritten und einem -> Bürgen, in welchem sich der Bürge gegenüber dem Gläubiger des Dritten verpflichtet, für die Erfüllung der Verbindlichkeit des Dritten einzustehen. Bereits bei den Römern ist die B. das wichtigste Mittel zur Sicherung einer Forderung. Vermutlich verbürgen sich dabei (lat. [M.]) vas bzw. praes zunächst noch nicht für die Leistung des Schuldners, sondern übernehmen nur eine Haftung dafür, den Schuldner (oder eine Sache) zu bestimmter Zeit an bestimmtem Ort zu stellen (Gestellungsbürge). Erst aus der Verschmelzung dieser Einrichtung mit einem Leistungsversprechen (lat. [F.] sponsio) erwächst der (Leistungs-)Bürge (lat. [M.] adpromissor, sponsor, fidepromissor, fideiussor [1. Jh. v. Chr.]). Für das deutsche Recht steht ebenfalls die Herkunft der B. nicht sicher fest (Pfandrecht?, Gestellung zwecks Vermeidung der Festnahme des Schuldners?). Im späten Mittelalter tritt die B. gegenüber dinglichen Sicherheiten zurück. Teils haftet der Bürge dem Gläubiger ausschließlich, teils haftet auch der Schuldner. Verschiedentlich haften beide gesamtschuldnerisch. Zuerst begegnet die heutige Gestaltung, dass der Bürge primär und der Schuldner grundsätzlich nur subsidiär haftet (Einrede der Vorausklage), in Norddeutschland.

Lit.: Kaser §§ 50, 57; Hübner 508; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 44, 74, 128; Beyerle, F., Der Ursprung der Bürgschaft, ZRG GA 47 (1927), 567; Martin, R., Das Bürgschaftsrecht Nord- und Ostdeutschlands, Diss. jur. Frankfurt am Main 1960; Eggert, R., Die Bürgschaft im süddeutschen Recht, Diss. jur. Frankfurt am Main 1962; Walliser, P., Das Bürgschaftsrecht in historischer Sicht, 1974; Feenstra, R., Die Bürgschaft, Rec. Soc. J. Bodin 28 (1974), 295; Maier, K., Die Bürgschaft, 1980; Hoppe, C., Die Bürgschaft im Rechtsleben Hamburgs, 1997; Jenks, S., Die Bürgschaft im mittelalterlichen englischen Strafrecht, Diss. phil., Berlin 1998

Burgund ist zunächst die von den -> Burgundern in der Völkerwanderung besiedelte Landschaft (zwischen 400 und 436 Mainz bis Worms, nach 436 bzw. 443 um Genf und Lyon). Danach ist B. ein fränkisches Teilreich. 879 entsteht ein Königreich B. (Niederburgund), welches von dem 888 errichteten Königreich B. (Hochburgund) 950 aufgesogen wird und mit diesem einschließlich der Grafschaft B. (Franche-Comté) 1032 an das Deutsche Reich fällt. Das westlich der Saône entwickelte, 963 an die -> Kapetinger gelangte Herzogtum B. gewinnt im 14. und 15. Jh. große Bedeutung, bis es über Maria von B. 1477/82 größtenteils an die -> Habsburger kommt, in seinem Kern aber 1493 -> Frankreich zugeschlagen wird. Das übrige B. wird 1674-78 von Frankreich erobert. 1459 werden die Coutumes générales du Comté de Bourgogne aufgezeichnet.

Lit.: Köbler, DRG 95, 76, 129; Köbler, Historisches Lexikon; Boehm, L., Geschichte Burgunds, 2. A. 1979; Esders, D., Römische Rechtstradition und Merowingisches Königtum, 1997

Burgunder oder Burgunde ist der Angehörige eines von der Ostsee (Bornholm) über die Oder und Weichsel an den mittleren Rhein gelangten ostgermanischen Volkes. Das Recht der B. ist in der -> Lex Burgundionum bzw. -> Lex Romana Burgundionum überliefert.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 57, 75, 86; Jahn, A., Geschichte der Burgundionen und Burgunder, 1874; Kienast, W., Studien über die französischen Volksstämme des Frühmittelalters, 1968, 23; Perrin, O., Les Borgondes, 1968; Kaiser, R., Die Burgunder, 2003

burgus (M.) bezeichnet als lateinisches Lehnwort wohl aus dem Germanischen seit dem 2. Jh. n. Chr. ein kleines Kastell, danach allgemeiner die Siedlung. Im frühen Mittelalter ist es teils die an eine (lat. [F.]) civitas angelehnte, teils unabhängige Siedlung. Im Reich erscheint b. 1120 (Mühldorf am Inn). Der Bewohner heißt (lat. [M.]) burgensis (Frankreich 10. Jh., Spanien 11. Jh., Freiburg 1120). Streitig ist, inwieweit b. oder burgum die Marktsiedlung und burgensis eine besondere Art von -> Bürger anzeigt.

Lit.: Schlesinger, W., Burg und Stadt, in: Mitteldeutsche Beiträge zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 2 1963, 124; Köbler, G., Civis und ius civile, Diss. jur. Göttingen 1964; Werveke, H. van, Burgus, 1965

Burgward ist vor allem in der frühhochmittelalterlichen Zeit der Ostsiedlung das Gebiet um die befestigte Siedlung (-> Burg) als Verteidigungsbereich und Verwaltungsbereich.

Lit.: Knüll, B., Die Burgwarde, Diss. phil. Tübingen 1895; Schlesinger, W., Burgen und Burgbezirke, in: Mitteldeutsche Beiträge zur deutschen Verfassungsgeschichte, 1961, 158

Bürokratie (F.) ist die durch hauptberuflich tätiges, fachlich ausgebildetes Personal bzw. durch Trennung von Amt und Person bzw. durch Regelgebundenheit und durch Schriftlichkeit aller wesentlichen Amtsvorgänge gekennzeichnete Verwaltungsgestaltung. Sie wird gedanklich in der Mitte des 18. Jh.s erfasst.

Lit.: Treichel, E., Der Primat der Bürokratie, 1991

Burschenschaft sind die im frühen 19. Jh. (1813/1815) neben die älteren Landsmannschaften tretenden, national und liberal ausgerichteten Zusammenschlüsse (Verbindungen) der Studenten.

Lit.: Brunck, H., Die deutsche Burschenschaft, 1999; Roeseling, S., Burschenehre und Bürgerrecht, 1999

Bußbuch ist das ein System kirchlicher -> Bußen für Sünden enthaltende Buch ([->lat.] -> Paenitentiale). Es erscheint seit dem 6. Jh. in Irland und England ([lat.] Iudicia [N.Pl.] Cummeani, Kolumban, (lat.) Liber [M.] de poenitentiarum mensura taxantium, Theodor von Canterbury, [lat.] Canones [M.Pl.]), bald danach mit der irischen Mission auf dem Festland (u. a. Buch 19 von -> Burchard von Worms, Decretum). Im 13. Jh. tritt an die Stelle des Bußbuchs die (lat.) Summa (F.) confessorum (Summe der Bekenner) der -> Beichtstuhljurisprudenz.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Wasserschleben, E., Die Bußordnungen der abendländischen Kirche, 1851; Spindler, E., Das altenglische Bußbuch, 1934; Vogel, C., Les libri poenitentiales, 1978

Buße ist ursprünglich der Ausgleich eines Unrechtserfolges durch eine Leistung an den Verletzten zum Zweck der Besserung seiner Lage. Sie ist dem römischen Recht als die Geldsumme bekannt, mit welcher anfangs das vergeltende Racherecht des Verletzten abgelöst wird (lat. [F.] poena). In der jüdisch-christlichen Kirche ist sie die Abwendung von einer sündhaften Vergangenheit. Tacitus bezeugt sie für die Germanen, bei denen ein Teil der B. auch an die Allgemeinheit fällt. In den -> Volksrechten des Frühmittelalters wird ein ganzes System von Bußen festgehalten (-> Kompositionensystem), zu dem insbesondere auch das -> Wergeld gehört. Ihnen entsprechen die Bußen der -> Bußbücher. Dieses Bußensystem wird seit dem Hochmittelalter durch die -> Strafe zurückgedrängt. Die Leistung an den Verletzten wird als -> Schadensersatz verstanden. B. wird aber teils als an den Verletzten, teils als an den Staat (für Ordnungswidrigkeiten) zu erbringende Geldleistung weiter fortgeführt.

Lit.: Kaser §§ 35, 50; Söllner § 8; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 43ff., 2, 207ff.; His, R., Geschichte des deutschen Strafrechts bis zur Karolina, 1928, Neudruck 1967, 95; Hattenhauer, H., Über Buße und Strafe, ZRG GA 100 (1983), 53; Vogel, C., Le pécheur et la pénitence, 1969

Bußgeld ist in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s die an den Staat zu erbringende Geldleistung für eine Ordnungswidrigkeit.

Buteil ist im Frühmittelalter eine grundherrschaftliche Abgabe beim Erbfall. Sie besteht teils in der Hälfte des Viehs, teils im -> Besthaupt. Sie schwindet schon am Ende des Frühmittelalters.

Lit.: Hübner 676; Kroeschell, DRG 1, 2

Büttel ist der gebietende Mensch, insbesondere der Gerichtsdiener. Er lädt, verhaftet, pfändet und vollstreckt häufig auch eine Strafe. Wegen des niedrigen Ansehens wird die Bezeichnung im 19. Jh. aufgegeben. -> Gerichtsvollzieher

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953

Bynkershoek, Cornelis van (Middelburg 1673 - Den Haag 1743) wird nach dem Rechtsstudium in Franeker Anwalt in Den Haag und Richter. In seiner Dissertation (lat.) De dominio maris (1703, Über das Eigentum am Meer) begründet er für den Landesherrn das Eigentum vor der jeweiligen Küste, soweit es mit Waffen beherrscht wird.

Lit.: Krikke, A./Faber, S., Cornelis van Bynkershoek, in: Zestig juristen, 1987, 141

Byzanz ist eine Bezeichnung für die 326/330 von dem römischen Kaiser Konstantin von Byzantion in Konstantinopel umbenannte Stadt am Bosporus, die 395 Hauptstadt des östlichen Teiles des Römischen Weltreichs wird und damit zugleich für das von hier aus beherrschte (oströmische) Reich. Der von Kaiser Justinian (527-65) unternommene Versuch, die weströmischen Gebiete zurückzugewinnen, bleibt ohne nachhaltige Wirkung in dem seit Herakleios (610-41) verstärkt griechisch geprägten Land. Vielmehr wird das Byzantinische Reich in der Folge von Persern, Arabern und Bulgaren nachhaltig bedroht und verliert nach der kirchlichen Trennung der griechisch-orthodoxen Kirche von der katholischen Kirche (1054) 1176 im Kampf gegen die Rum-Seldschuken seine Stellung als Großmacht. Nach der Eroberung Konstantinopels durch die Kreuzfahrer (1203/4) wird das Byzantinische Reich unter die Venezianer und die übrigen Kreuzfahrer aufgeteilt. Osmanen, Serben und Bulgaren bedrohen den verbleibenden Rest von mehreren Seiten. Mit der Eroberung Konstantinopels am 29. 5. 1453 durch die Osmanen endet B. bzw. das Byzantinische Reich.

Lit.: Zachariae von Lingenthal, K., Geschichte des griechisch-römischen Rechts, 3. A. 1892; Neudruck 1955; Wenger, L., Die Quellen des römischen Rechts, 1953; Pieler, P., Byzantinische Rechtsliteratur, in: Handbuch der Altertumswissenschaft, XII, 5, 2, 1978, 343; Beck, H., Das byzantinische Jahrtausend, 2. A. 1994; Winkemann, F., Byzantinische Rang- und Ämterstruktur, 1985; Schreiner, P., Byzanz, 2. A. 1994; Simon, D., Die Epochen der byzantinischen Rechtsgeschichte, Ius commune 15 (1988), 73; Wirth, P., Grundzüge der byzantinischen Geschichte, 2. A. 1989; Ostrogorsky, G., Byzantinische Geschichte 324 bis 1453, 3. A. 1996; Cutler, A./Spieser, J., Das mittelalterliche Byzanz, 1997; Haldon, J., Byzantium in the Seventh Century, 1997; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 1997; Norwich, J., Byznanz, 1998; Lilie, R., Byzanz, 1999; Avenarius, A., Die byzantinische Kultur und die Slawen, 2000; Matschke, K./Tinnefeld, F., Die Gesellschaft im späten Byzanz, 2000; Haldon, J., Das byzantinische Reich, 2002

 

 

C

 

Caesar (Cäsar), Gaius Iulius (Rom 13. 7. 100 – Rom 15. 3. 44 v. Chr.), Neffe des Marius, wird nacheinander Quästor, Ädil, Prätor und Konsul. Zwischen 58 und 51 v. Chr. erobert er Gallien, wobei er auch den Rhein überschreitet und auf die britischen Inseln übersetzt. Nach einem erfolgreichen Bürgerkrieg wird er im Februar 44 Diktator auf Lebenszeit. An den Iden des März wird er ermordet. Durch ihn endet die römische Republik. Literarisch bedeutsam sind seine Kommentare über den gallischen Krieg, die auch über die Germanen berichten.

Lit.: Köbler, DRG 32, 66; Meier, C., Caesar, 1982; Julius Caesar, 1992; Christ, K., Caesar, 1994; Jehne, M., Caesar, 1997; Etienne, R., Jules César, 1997; Canfora, L., Caesar, 2001

cahier (M.) de doléances ist das vielleicht schon auf hochmittelalterliche Ansatzpunkte zurückgehende, seit 1427 in ersten Anfängen, 1484 in gedruckter Form erkennbare „Beschwerdeheft“ der ständischen Delegierten der Generalstände in Frankreich.

Lit.: Marion, M., Dictionnaire des institutions de la France, 1923, 66

Calenberg ist ein sächsisch-welfisches Teilfürstentum Braunschweig-Lüneburgs, das in verwickelten Nachfolgen im Land -> Hannover und damit in Niedersachsen aufgeht.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Turner, G., Das Calenberger Meierrecht, 1960

Calonius -> Turku

Calvin, Johannes (Noyon 10. 7. 1509 - Genf 27. 5. 1564) wird nach dem Rechtsstudium in Orléans und Bourges (1528-32) und dem Lizentiat in Paris Anhänger der Reformation Martin -> Luthers und beeinflusst von Genf aus Europa von Schottland bis Siebenbürgen. Der von ihm begründete Calvinismus wirkt sich auf die Gedanken der -> Demokratie und des -> Widerstandsrechts bedeutsam aus.

Lit.: Köbler, DRG 153; Bohatec, J., Calvin und das Recht, 1934; Staedtke, J., Johannes Calvin, 1969; Territorialstaat und Calvinismus, hg. v. Schaab, M., 1993; Naphy, W., Calvin, 1994

Cambacérès, Jean-Jacques-Regis de (Montpellier 1753-1824), Bürgermeisterssohn, legt nach Tätigkeiten als Anwalt und Richter im Zuge seiner Mitgliedschaft im Konvent (1792) bzw. im Wohlfahrtsausschuß (1794) der Französischen Revolution drei Entwürfe (1793, 1794, 1796/7) für einen -> Code civil vor, welche sich auch wegen seiner engen Verbindung zu Napoleon maßgeblich auf den 1804 entstandenen Code civil Frankreichs auswirken.

Lit.: Papillard, F., Cambacérès, 1961

cambium (lat. [N.]) -> Wechsel

Cambridge am Fluss Cam ist seit 1066 Vorort einer Grafschaft. Seit 1209 erwächst in C. aus der Abwanderung von Lehrern und Studenten aus -> Oxford eine Universität. In ihr entstehen 1284 weltliche Studien. Kennzeichnend für den Grundsatz der Bildung durch persönlichen Umgang sind die zahlreichen Colleges (1997 27, ca. 12000 Studenten).

Lit.: Emden, A., A biographical register of the University of Cambridge, 1963; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; A History of the University of Cambridge, hg. v. Leader, D. u. a., Bd. 1ff. 1988ff.

camerarius (lat. [M.]) -> Kämmerer

canon (lat.-griech. [M.], Regel, Richtschnur, Norm) ist die einzelne Vorschrift in kirchlichen Rechtsquellen. Hiervon leitet sich die Bezeichnung -> kanonisches Recht ab.

Lit.: Köbler, LAW; Zechiel-Eckes, K., Die Concordia canonum des Cresconius, 1992; Fowler-Magerl, L., Kanones. Ausgewählte Kanonessammlungen außerhalb Italiens zwischen 1000 und 1140, 1998 (CD)

Canossa -> Investiturstreit

Cantiuncula, Claudius (Metz um 1490 - Ensisheim 1549) wird nach dem Rechtsstudium in Löwen und Basel von 1518 bis 1524 in Basel Professor des weltlichen Rechts und übernimmt danach verschiedene Verwaltungsaufgaben und Gerichtstätigkeiten. Seine Schrift (lat.) De ratione studii legalis paraenesis (1522) bietet erstmals einen Plan zur Verbesserung des Rechts in Deutschland nach den Grundsätzen des -> Humanismus.

Lit.: Wieacker, F., Gründer und Bewahrer, 1959, 44; Kisch, G., Die Anfänge der juristischen Fakultät der Universität Basel, 1962, 355; Kisch G., Claudius Cantiuncula, 1970

capella (F.) regia (lat. Hofkapelle) ist zunächst die seit etwa 650 den Merowingerkönigen eigene Reliquie des Mantels des heiligen Martin, danach der Gebetsraum der Königspfalz und schließlich die Gesamtheit der mit dem König ziehenden Geistlichen (capellani [M.Pl.] Kapellane, bald auch bei anderen Großen). Im ostfränkischen Teilreich wird 965 der Erzbischof von Mainz Erzkaplan und die Hofkapelle zum personalen Ausgangspunkt des ottonischen -> Reichskirchensystems. Mit dem -> Investiturstreit verliert die c. r. ihre darauf gegründete Bedeutung, bleibt aber als solche bis 1806 bestehen.

Lit.: Fleckenstein, J., Die Hofkapelle der deutschen Könige, Bd. 1f. 1959ff.

capitaneus (lat. [M.]) ist allgemein eine Bezeichnung für eine hervorragende Person, die z. B. in Oberitalien am Beginn des Hochmittelalters für höhere städtische Adlige Verwendung findet.

Lit.: Köbler, LAW; Keller, H., Adelsherrschaft und städtische Gesellschaft in Oberitalien, 1979

capitis deminutio (lat. [F.]) Herabsetzung der Rechtspersönlichkeit

capitula (lat. [N.Pl.]) Kapitel

Capitula (N.Pl.) Remedii (lat.) sind eine im Südwesten des fränkischen Reiches um 800 erfolgte verkürzende Aufzeichnung des spätrömischen Rechts.

Lit.: Köbler, DRG 81; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953

capitulare -> Kapitular

Capitulare (N.) de villis (lat.), Kapitular über Königshöfe, ist das in einer Handschrift des zweiten Viertels des 9. Jh.s überlieferte, in 70 Kapitel eingeteilte (berühmteste) Kapitular Karls des Großen aus dem letzten Jahrzehnt des 8. Jh.s, welches zur Beseitigung von Missständen die Verwaltung der Königshöfe des gesamten fränkischen Reiches ordnen will.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Brühl, C., Capitulare de villis, 1971; Metz, W., Zur Erforschung des karolingischen Reichsgutes, 1971

Capitulare (N.) Saxonicum (lat., sächsisches Kapitular) ist ein die -> Capitulatio de partibus Saxoniae milderndes Kapitular Karls des Großen für Sachsen von 797.

Capitulatio (F.) de partibus Saxoniae (lat.) ist eine in Kapitel gegliederte, nach 782 entstandene Anordnung Karls des Großen gegenüber den unterworfenen, noch heidnischen Bräuchen (Verbrennen der Hexe, Verbrennen der Leiche, Menschenopfer) anhängenden -> Sachsen, die auffälligerweise sehr häufig die -> Todesstrafe androht. Vielleicht ist ihr zweiter Teil erst 803 entstanden.

Lit.: Die Eingliederung der Sachsen in das Frankenreich, hg. v. Lammers, W., 1970

Cardiff am Taff ist 75 n. Chr. Sitz eines römischen Lagers. 1350 gewinnt es Stadtrecht. 1883 erhält es eine Universität.

Carmer, Johann Heinrich Casimir von (Bad Kreuznach 29. 12. 1721 - Gut Reitzen im Kreis Guhrau 23.5.1801), reformierter Hofratssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Jena und Halle 1749 Kammergerichtsreferendar in Preußen, 1768 Chefpräsident sämtlicher Oberamtsregierungen in Schlesien und 1779 Großkanzler und Erster Minister des Justizdepartements. Infolge seines Wirkens wird 1781 das Prozessrecht im (lat.) -> Corpus (N.) iuris Fridericianum (Erstes Buch) neu geordnet und vor allem durch Svarez die Entstehung des -> Allgemeinen Landrechts entscheidend gefördert.

Lit.: Köbler, DRG 140; Thieme, H., Die preußische Kodifikation, ZRG GA 57 (1937), 362; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967

Carolina (lat. [F.]) -> Constitutio Criminalis Carolina

Carpzov, Benedikt (Wittenberg 27. 5. 1595 - Leipzig 31. 8. 1666), Sohn eines gleichnamigen Professors der Rechte, wird nach dem Rechtsstudium in Jena, Leipzig und Wittenberg 1620 Mitglied des Leipziger Schöffenstuhles, 1645 Professor in Leipzig und 1653 Geheimer Rat in Dresden. In seiner auf sächsische Urteile wie gemeinrechtliche Lehre gegründeten (lat.) Practica (F.) nova imperialis Saxonica (1635, 9. A. 1695, Neue kaiserlich-sächsische Praxis) bietet er die erste systematische Darstellung des (deutschen) Strafrechts. Die (lat.) Iurisprudentia (F.) Romano Saxonica secundum ordinem Constitutionum D. Augusti Electoris Saxoniae (Römisch-sächsische Rechtswissenschaft nach den kursächsischen Konstitutionen) erklärt die kursächsischen Konstitutionen an Hand der entschiedenen Fälle. Die (lat.) Iurisprudentia (F.) ecclesiastica consistorialis (1649, konsistorialkirchliche Rechtswissenschaft) ordnet einheitlich erstmals das Recht der protestantischen Kirche.

Lit.: Köbler, DRG 144; Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 3. A. 1965; Benedikt Carpzov, hg. v. Schild, W., 1997; Bemedict Carpzov, hg. v. Jerouschek, G. u. a., 2000

carta, charta (lat. [F.] Blatt, Urkunde) ist die Urkunde, vor allem die subjektiv gefasste Geschäftsurkunde des frühmittelalterlichen Rechtsverkehrs im Gegensatz zur (lat. [F.] notitia) Beweisurkunde.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, LAW; Brunner, H., Zur Rechtsgeschichte der römischen und germanischen Urkunde, Bd. 1 1880, Neudruck 1961; Classen, P., Kaiserreskript und Königsurkunde, 1977, 190

case-law (engl. [N.]) -> Fallrecht

Cassiodor, Flavius Magnus Aurelius Senator (Bruttium vor 490 - nach 580) ist einer der bedeutendsten Schriftsteller der Spätantike, der auf Grund seiner vorangehenden Verwaltungstätigkeit in seinen Variae (lat. [F.Pl.] Verschiedenes) die ostgotische Herrschaftspraxis in Italien bis 537 erkennen lässt.

Lit.: O`Donnell, J., Cassiodor, 1979

Cassius, Longinus (1. Jh.), aus alter senatorischer Familie, wird als Schüler des -> Sabinus Haupt der römischen Rechtsschule der Sabinianer oder Cassianer. Seine (mindestens 10 Bücher umfassenden) Libri (M.Pl.) iuris civilis (Bücher des römischen Rechts) sind nur mittelbar durch Auszüge überliefert.

Lit.: Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 130

casum sentit dominus (lat.). Den Zufall fühlt der Eigentümer.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 36, Nr. 2

caupo (lat. [M.]) Schankwirt

causa (lat. [F.]) Grund, Ursache, Fall

Lit.: Kaser §§ 19, 24, 25, 27, 33, 40, 48; Söllner §8; Köbler, DRG 44, 61; Fuchs, J., Justa causa traditionis, 1952

causae (F.Pl.) civiles (lat.) bürgerliche Sachen

causae (F.Pl.) criminales (lat.) Strafsachen

causae (F.Pl.) maiores (lat.) wichtigere Angelegenheiten

causae (F.Pl.) minores (lat.) mindere Angelegenheiten

Cautela (lat. [F.]) ist eine von dem magdeburgischen Bürger Hermann von Oesfeld 1350 verfasste, handschriftlich seit 1382 belegte kleine Sammlung von Anweisungen zum vorsichtigen Verhalten vor Gericht. -> Premis

Lit.: Homeyer, C., Der Richtsteig Landrechts nebst Cautela und Premis, 1857; Oppitz, U., Die deutschen Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 66

cautio (lat. [F.]) Sicherheitsleistung

Lit.: Kaser § 7; Söllner § 9; Köbler, DRG 29; Köbler, LAW

cautio (F.) Muciana (lat.) mucianische -> Sicherheitsleistung, -> Mucius Scaevola

Celsus, Iuventius (pater) (1. Jh.) ist ein als ein Haupt der Prokulianer und als Vater des -> Celsus (filius) bekannter klassisch-römischer Jurist.

Lit.: Söllner § 16; Köbler, DRG 30; Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 137

Celsus, Iuventius Publius (filius) (2. Jh.), Sohn des Iuventius Celsus (pater), ist einer der bedeutendsten Vertreter des hochklassischen römischen Rechts (u. a. [lat.] Libri [M.Pl.] digestorum, Bücher der Digesten), von dem etwa die lateinischen Wendungen Ius est ars boni et aequi (Das Recht ist die Kunst des Guten und Gerechten) und Scire leges non hoc est verba earum tenere, sed vim ac potestatem (Gesetze kennen bedeutet nicht, ihre Worte zu wahren, sondern ihren Sinn und Zweck) und das (lat.) Senatusconsultum (N.) Iuventianum (129) mit einer Bevorzugung des gutgläubigen Bereicherungsschuldners im Erbrecht stammen.

Lit.: Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 146; Hausmaninger, H., Publius Iuventus Celsus, in: Prescriptive formality, 1994

centena (lat. [F.]) ist im frühmittelalterlichen Franken und Alemannien eine Verwaltungseinheit streitigen Inhalts.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Schulze, K., Die Grafschaftsverfassung in den Gebieten östlich des Rheins, 1974

centenarius (lat. [M.]) ist in der römischen Spätantike der kaiserliche Beamte mit 100000 Sesterzen Jahresgehalt, im Frühmittelalter bei Westgoten, Langobarden, Bayern, Franken und Alemannen ein niederer königlicher Amtsträger.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Krug, H., Untersuchungen zum Amt des centenarius - Schultheiß, ZRG GA 87 (1970), 1, 88 (1971), 29

cessante ratione legis cessat ipsa lex (lat.). Fällt der Sinn eines Gesetzes weg, fällt das Gesetz selbst weg.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 38, Nr. 24 (Glosse zu Digesten 35, 1, 72, §6); Krause, H., Cessante causa cessat lex, ZRG KA 46 (1960), 81

cessio (lat. [F.]) Abtretung -> Zession

Chamave -> Ewa Chamavorum

Chambéry in den Voralpen gelangt 1232 an Savoyen. 1761 erhält es eine Universität.

Champagne ist die vor den Ardennen liegende Landschaft. Sie fällt 486 n. Chr. von den Römern an die Franken und wird 814 Grafschaft. Diese wird 1314/61 Krondomäne Frankreichs. Unter Rückgriff auf eine um 1253 entstandene Sammlung der Usages de C. und Einfügung verschiedener höchstgerichtlicher Urteile der Jahre 1270 bis 1295 verfasst wahrscheinlich Guillaume de Châtelet zwischen 1295 und 1300 den Ancien coutumier de C.

Lit.: Portejoie, P., L’ancien coutumier de Champagne, 1956

Chancengleichheit ist eine in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s aus dem Gleichheitsgrundsatz entwickelte Vorstellung, dass in bestimmten Wettbewerbslagen C. hergestellt werden müsse.

Lit.: Bender, R./Schumacher, R., Erfolgsbarrieren vor Gericht, 1980

Charta der Vereinten Nationen -> Vereinte Nationen

Charte constitutionelle (frz. [F.] Verfassungsurkunde) ist die oktroyierte Verfassung des Jahres 1814 in Frankreich.

Chartepartie (aus [lat.] carta [F.] partita, geteilte Urkunde) ist im Seehandelsrecht eine Urkunde über die (teilweise) Befrachtung eines Schiffes (vgl. ADHGB von 1861).

Lit.: Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957

Chemnitz -> Hippolithus a Lapide

chirographum (lat.-gr. [N.] Handgeschriebenes) ist in der römischen Antike die Papyrusurkunde. Von England aus wird c. später zur Bezeichnung für die in zwei Ausfertigungen auf einem danach zerschnittenen Blatt hergestellte Urkunde über ein mehrseitiges Rechtsgeschäft (854/5, St. Bertin 944, Trier 967). Seit dem 14. Jh. wird das c. bei siegelführenden Beteiligten durch die Siegelurkunde verdrängt, bleibt aber im übrigen bis zum 18. Jh. in Gebrauch. -> Chartepartie

Lit.: Kaser §§ 7, 40; Köbler, DRG 43; Köbler, LAW; Bresslau, H., Handbuch der Urkundenlehre, Bd. 1, 2. A. 1912, 699; Trusen, W., Chirographum und Teilurkunde im Mittelalter, Archival. Z. 75 (1979), 233

Chorbischof (Landbischof) ist im oströmischen Reichsteil der ursprünglich gleichberechtigte Gehilfe des städtischen Bischofs für das Landgebiet der Diözese. Seit der Mitte des 8. Jh.s erscheint unter angelsächsischem Einfluss ein C. im Westen, der seit dem 9. Jh. aber wieder schwindet.

Lit.: Gottlob, T., Der abendländische Chorepiskopat, 1928, Neudruck 1963

Chorherr ist der Kleriker, der Mitglied eines an einer Kirche bestehenden Kapitels ist. Ansätze zu einer solchen Gemeinschaft zeigen sich schon bei Bischof Eusebius von Vercelli (um 283-371). Das Frühmittelalter entwickelt hierfür besondere Regeln bzw. canones (z. B. Chrodegang von Metz um 755 regula canonicorum). Die frühhochmittelalterliche Kirchenreform führt zur stärkeren Regulierung (gregorianische Reform). Im 12. Jh. werden Empfehlungen des heiligen Augustinus besonders aufgegriffen (Augustinerchorherr).

Lit.: Lawrence, C., Medieval Monasticism, 2. A. 1989, 163

chrenecruda (afrk. „reine Erde“?) ist eine in Titel 58 des salfränkischen Volksrechtes (Pactus Legis Salicae) erwähnte, den leistungsunfähigen Wergeldschuldner betreffende -> malbergische Glosse, die sich auf ein vielleicht neu geschaffenes, nur kurze Zeit bezeugtes Formalverhalten bezieht.

Lit.: Goldmann, E., Studien zum Titel 58 der Lex Salica, 1931; Schmidt-Wiegand, R., Chrenecruda, FS G. Schmelzeisen, 1980, 252

Christentum ist die Gesamtheit des christlichen Glaubens und seiner Anhänger. Unter Fortführung jüdischer Vorstellungen des Alten Testamentes geht das C. davon aus, dass sein Stifter Jesus Christus als Sohn Gottes durch seinen Tod am Kreuz die Menschen von ihrer Sündigkeit erlöst hat. Die daran anknüpfenden Gedanken breiten sich im Römischen Reich so rasch aus, dass der Staat seit der Mitte des 3. Jh.s das C. entschieden verfolgt. Durch das Toleranzedikt Kaiser Konstantins (311) wird das C. gleichberechtigter Kult, durch Theodosius I. 380 Staatsreligion. Seit dem Ausgang des Altertums greift das C. vor allem auf die germanischen Völker über. Spaltungen (1054 und 1517) führen zu den besonderen Bekenntnissen der Katholiken, Orthodoxen und Protestanten. In der Neuzeit verbreitet sich das C. mit der Entdeckung neuer Länder und der Gewinnung von Kolonien über die ganze Erde. Bereits kurz nach seiner Entstehung entwickelt das C. ausgeprägte rechtliche Regeln (-> kirchliches Recht), die in vielen Hinsichten das weltliche Recht mitgestalten.

Lit.: Söllner §§ 19, 20, 21; Köbler, DRG 51, 68, 99, 146; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 772; Bultmann, R., Das Urchristentum im Rahmen der antiken Religionen, 4. A. 1976; Biondi, B., Il diritto romano cristiano, 1952ff.; Plöchl, W., Geschichte des Kirchenrechts, Bd. 1ff. 2. A. 1960ff.; Christentum, Säkularisation und modernes Recht, hg. v. Lombardi-Vallauri, L. u. a., 1981; Deschner, K., Kriminalgeschichte des Christentums, 1988ff.; Die Geschichte des Christentums, hg. v. Mayeur, J. u. a.,  Bd. 8 1992, Bd. 10 1999; Geschichte des Christentums, hg. v. McManners, J., 1993; Andresen, C./Ritter, A., Geschichte des Christentums, Bd. 1ff. 1993ff.;  Crossan, J., Der historische Jesus, 1994; Fontes christiani, hg. v. Brox, N. u. a., 1995ff.; Winkelmann, F., Geschichte des frühen Christentums, 1996; Glaser, F., Frühes Christentum im Alpenraum, 1997; Barton, P., Geschichte des Christentums in Österreich und Südostmitteleuropa, 1997; Padberg, L. v., Die Christianisierung Europas, 1998; Lang, B., Heiliges Spiel, 1998; Mission und Christianisierung am Hoch- und Oberrhein, hg. v. Berschin, W. u. a., 1999; Gnilka, J., Die frühen Orden, 1999; Lexikon der christlichen Antike, hg. v. Bauer, J. u. a., 1999; Metzler Lexikon christlicher Denker, hg. v. Vinzent, M., 2000; Die Geschichte des Christentums, hg. v. Pietri, L., Bd. 3 2000; Lee, A., Pagans and Christians in Late Antiquity, 2000; Mission und Christianisierung am Hoch- und Oberrhein, hg. v. Berschin, W. u. a. 2000; Lüdemann, G., Das Urchristentum, 2002; Jensen, A., Frauen im frühen Christentum, 2002

Cicero, Marcus Tullius (106-43 v. Chr.), Schüler von Mucius augur und Mucius Scae­vola, ist der bedeutendste Gerichtsredner und politische Schriftsteller der römischen Antike, der vor allem das griechische Rechtsdenken aufgreift und weitergibt. Insbesondere der Schrift De officiis (Von Pflichten) gelingt die Vermittlung der Naturrechtsidee an die spätere Zeit.

Lit.: Söllner §§ 7, 9, 11, 12; Köbler, DRG 17; Wieacker, F., Cicero als Advokat, 1965; Mitchell, T., Cicero, 1991; Fuhrmann, M., Cicero und die römische Republik, 4. A. 1997; Marcus Tullius Cicero, Die Prozessreden, hg. v. Fuhrmann, M., 1997

Cinus (de Sighibuldis) da Pistoia (Pistoia 1270-1336/7), Sohn eines Notars, wird nach dem Studium des weltlichen Rechts in Bologna Anhänger Heinrichs VII. Nach der Promotion (1314) schließt er sich der päpstlichen Partei an und wird Professor in Siena (1321-3, 1324-6), Perugia (1326-30, 1332-3), Neapel (1330-1) und Bologna (1333-4).

Lit.: Savigny, F. v., Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, 2. A. 1834ff., 6, 7; Libertini, V., Cino da Pistoia, 1974

Civilian ist im englischen Recht die Bezeichnung für den im römischen Recht (civil law) ausgebildeten Juristen.

Lit.: The Civilian Tradition and Scots Law, hg. v. Carey Millar, D. u. a., 1997

civis (lat. [M.]) Bürger

Lit.: Kaser; Köbler, G., Civis und ius civile im deutschen Frühmittelalter, Diss. jur. Göttingen 1964

civis (M.) Romanus (lat.) römischer -> Bürger

civitas (lat. [F.]) Völkerschaft, Bürgerschaft

Lit.: Rietschel, S., Die civitas auf deutschem Boden, 1894, Neudruck 1978

civitas [F.] imperii (mlat.) Reichsstadt

clam (lat.) heimlich

clausula (lat. [F.]) Klausel

clausula (F.) rebus sic stantibus (lat.) ist die Vorbehaltsklausel der unveränderten Sachlage (Augustin von Leyser [1683-1752] omne pactum rebus sic stantibus intelligendum est, jeder Vertrag muss unter gleichbleibenden Voraussetzungen betrachtet werden). Sie geht im 20. Jh. in der Lehre vom Fehlen bzw. Wegfall der Geschäftsgrundlage auf.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Dießelhorst, M., Die Geschäftsgrundlage, in: Rechtswissenschaft und Rechtsentwicklung, 1980, 153; Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985; Köbler, R., Die clausula rebus sic stantibus, 1991

Clementinen ist eine Bezeichnung für die von Papst Clemens V. (1305-14) unter Verzicht auf Ausschließlichkeit gesammelten, meist auch von ihm erlassenen, von Papst Johannes XXII. 1317 herausgegebenen -> Dekretalen, welche den letzten Teil des (lat.) -> corpus (N.) iuris canonici bilden (Zitierweise Clem. 2. 11. 2).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 102; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972

Cluny in Burgund ist eine 910 gegründete Benediktinerabtei, welche im 10. Jh. zum Mittelpunkt einer kirchlichen Reformbewegung (kluniazensische Kirchenreform) wird.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Hallinger, K., Gorze-Kluny, Bd. 1f. 1950, Neudruck 1971; Cluny im 10. und 11. Jahrhundert, hg. v. Wollasch, J., 1970; Kohnle, A., Abt Hugo von Cluny (1049-1100), 1993; Wollasch, J., Cluny, 1996; Poeck, D., Cluniacensis Ecclesia, 1998

Cocceji, Samuel von (Heidelberg 20. 10. 1679 - Berlin 4. 10. 1755), Sohn des Völkerrechtsprofessors Heinrich von Cocceji (Bremen 25. 3. 1644 - Frankfurt an der Oder 18. 8. 1719), wird nach dem Rechtsstudium in Frankfurt an der Oder dort Professor, tritt aber wenig später in den Justiz- und Verwaltungsdienst Preußens, wo er 1747 Großkanzler wird. Auf ihn geht die 1747/9 erschienene Gerichtsordnung (Projekt des Codicis Fridericiani Marchiani) zurück, während der Versuch einer Neuordnung des materiellen Rechts auf der Grundlage der dem römischen Recht entnommenen naturrechtlichen Grundsätze (Projekt des Corpus juris Fridericiani 1749) über Anfänge kaum hinausgelangt. Von beachtlichem Erfolg gekrönt ist die praktische Vereinheitlichung der bestehenden Gerichtsverfassung (u. a. feste Richterbesoldung, 1755 Justizprüfungskommission).

Lit.: Köbler, DRG 140; Springer, M., Die Coccejische Justizreform, 1914; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Weill, H., Frederick the Great and Samuel von Cocceji, 1961

Code civil ist das 1804 geschaffene Bürgerliche Gesetzbuch Frankreichs. Nach ersten vergeblichen Versuchen, das südliche droit écrit (Schriftrecht) mit dem nördlichen droit coutumier (Gewohnheitsrecht) zu verbinden unter Heinrich III. (1574-89), greift die französische Revolutionsbewegung auch die Forderung nach bürgerlicher Neuordnung des Rechts auf und bestimmt in der Verfassung des Jahres 1791, dass ein Code des lois civiles communes à tout le royaume (Buch der dem gesamten Königreich gemeinsamen bürgerlichen Gesetze) geschaffen werden soll. Nach vier erfolglosen Entwürfen wird hierfür am 12. 8. 1799 eine Kommission (Tronchet, Portalis, Bigot de Préameneu, Maleville) eingesetzt, die in vier Monaten einen Entwurf anfertigt. Die nach Beratung seit 1803 erscheinenden 36 Einzelgesetze fasst ein Gesetz vom 21. 3. 1804 als Code civil des Français zusammen (1807 Code Napoléon, 1816 Code civil, 1852 Code Napoléon, 1870 Code civil). Er umfasst 2281 Artikel, welche in (einen Titre préliminaire und) drei Bücher (Personen, Güter und Eigentumsabwandlungen, Eigentumserwerbsgründe) geteilt sind. Die Bestimmungen verwirklichen antifeudalistische, egalitäre und zentralistische Grundsätze der Revolution, bewahren aber auch in gewissem Umfang fränkisches bzw. germanisches Gedankengut. Sie treten auch in den linksrheinischen Annexionsgebieten in Kraft, sowie überwiegend nur kurzzeitig 1810 (13. 12. 1810/29. 5. 1811 - 1. 10. 1814 [Oldenburg], 27. 5. 1814 [Hamburg], 4. 5. 1814 [Lübeck], 13. 8. 1814 [Bremen]) im Lippe-Departement und im Hansischen Departement, 1808 im Königreich Westphalen (1. 1. 1808 - 9. 9. 1814), 1810 im Großherzogtum Berg (1. 1. 1810), 1808 in Aremberg (1. 7. 1808 - 11. 9. 1814), 1810 in Baden (1. 1. 1810), 1811 in Frankfurt (1. 10. 1811 - 1. 2. 1814) und Anhalt-Köthen (1. 3. 1811 - 1. 1. 1812), 1812 in Nassau (1. 1. 1812 - 1. 1. 1814) und 1808 in Danzig (21. 7. 1808 - 1815). Bis zum 31. 12. 1899 bleibt der C. c. in Geltung (linksrheinisch) in der Preußischen Rheinprovinz, in Rheinhessen, Birkenfeld, Rheinbayern, (rechtsrheinisch) in Berg und in Baden (1/6 des Reichsgebietes mit ca. 8 Millionen Einwohnern). Darüber hinaus beeinflusst der C. c. mehr oder weniger stark die gesamte spätere privatrechtliche Gesetzgebung vieler Länder.

Lit.: Söllner §§ 1, 16; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 141, 180, 184, 205; Zachariae von Lingenthal, Handbuch des französischen Civilrechts, 1808, 8. A. 1894; Mitteis, H., Die germanischen Grundlagen des französischen Rechts, ZRG GA 69 (1943), 137; Böhmer, G., Der Einfluss des Code civil auf die Rechtsentwicklung in Deutschland, AcP 151 (1950/1), 289; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967; Wilhelm, W., Gesetzgebung und Kodifikation in Frankreich, Ius commune 1 (1967), 241; Arnaud, A., Les origines doctrinales du Code civil français, 1969; Schubert, W., Französisches Recht in Deutschland zu Beginn des 19. Jahrhunderts, 1977; Theewen, E., Napoleons Anteil am Code civil, 1991; Gross, N., Der Code Civil in Baden, 1993; Bürge, A., Das französische Privatrecht im 19. Jahrhundert, 2. A. 1995

Code de procédure civile ist das die ersten den gemeinsamen römisch-kanonischen Prozess seit 1667 durch mündliche Verfahren und integriertes Beweisverfahren reformierenden königlichen Gesetze verstärkende Zivilprozessgesetzbuch Frankreichs von 1806 (öffentliches, mündliches Verfahren, Verhandlungsmaxime, unmittelbare Beweisaufnahme, Anwaltszwang), das 1958 tiefgreifend verändert und 1976/81 durch einen Nouveau Code de procédure civile ersetzt wird.

Lit.: Köbler, DRG 141; Endres, P., Die französische Prozessrechtslehre, 1985; Conod, P., Le Code de procedure civile vaudois, Diss. jur. Lausanne 1986

Code Napoléon ist der zu Ehren Napoleons vergebene, kurzzeitig (1807-11, 1852-70) gültige Name des -> Code civil.

Lit.: Köbler, DRG 141; Andreas, W., Die Einführung des Code Napoléon in Baden, ZRG 31 (1910), 182; Astuti, G., Il „Code Napoléon“ in Italia, ASD 14-17 (1970-3), 1; Fehrenbach, E., Der Kampf um die Einführung des Code Napoléon in den Rheinbundstaaten, 1973; Cabanis, A./Cabanis, D., Code Napoléon et Code Civil vaudois, in: Mélanges dédiés à Marty, G., 1978; Gross, N., Der Code Napoléon in Baden, 1997

Code pénal ist das Strafgesetzbuch Frankreichs von 1810, das seit 1989 erneuert wird.

Lit.: Köbler, DRG 141; Brandt, C., Die Entstehung des Code pénal von 1810 und sein Einfluss, 2002

Codex (lat. [M.]) ist allgemein das umfassende Gesetzbuch im Gegensatz zum Einzelgesetz. Im besonderen ist C. das römischrechtliche Gesetzbuch des oströmischen Kaisers -> Justinian (527-65). Dieser lässt 528/9 von einer zehnköpfigen Kommission aus dem Codex Gregorianus, dem Codex Hermogenianus und dem Codex Theodosianus die als noch brauchbar angesehenen Konstitutionen (Gesetze) der römischen Kaiser unter Tilgung von Widersprüchen in einem nicht erhaltenen Codex Iustinianus (vetus) zusammenstellen und 534 durch Tribonian, Dorotheus und drei Anwälte überarbeiten (Codex repetitae prae­lectionis, Gesetzbuch der wiederholten Vorlesung). Dieser durch Bruchstücke eines Palimpsestes des 6. oder 7. Jh.s und jüngere Handschriften (E. 11. Jh.) fast vollständig handschriftlich überlieferte C. enthält, eingeteilt in 12 Bücher (Buch 1 Kirche, Staat, Verfahren, Bücher 2-8 Privatrecht, Buch 9 Strafe, Bücher 10-12 Verwaltung) und (insgesamt 763 bzw. 765) Titel (zitiert als C. nach Buch, Titel und Konstitution, z. B. C. 6, 30, 1) in chronologischer Reihenfolge ungefähr 4600 Konstitutionen hauptsächlich Diokletians (284-305). Im Mittelalter werden als C. nur die ersten neun Bücher gezählt, während das übrige zum -> Volumen (parvum) gerechnet wird.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 43; Söllner § 15; Dolezalek, G., Repertorium manuscriptorum veterum Codicis Iustiniani, 1985; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997

Codex (M.) Austriacus (lat.) (1704, 1748, 1752, 1777) ist die erste noch private und unvollständige Gesetzessammlung für -> Österreich (unter und ob der Enns).

Lit.: Köbler, DRG 145; Baltl/Kocher; Guarient, F. v., Codex Austriacus, Bd. 1f. 1704

Codex (M.) Euricianus (lat.) ist ein möglicherweise nach älteren Einzelgesetzen um 475/6 unter dem westgotischen König Eurich entstandenes, in einer Palimpsesthandschrift erhaltenes Gesetzbuch der Westgoten, das formal wie inhaltlich vom römischen Recht beeinflusst ist. -> Lex Visigothorum

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 80; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953; El Codigo del Eurico, hg. v. Ors, A. d’, 1960

Codex (M.) Gregorianus (lat.) ist die vermutlich von einem Amtsträger Gregorius (Leiter der Kanzlei a libellis von 284 bis 287 und von 289 bis 290?) privat erstellte, nur bruchstückweise erhaltene, bis zum Jahre 291 reichende Sammlung von Konstitutionen (Gesetzen) der römischen Kaiser von Hadrian (117-138) bis Diokletian (284-305). Der C. ist in späteren Werken (u. a. -> Codex) verwertet.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 42; Söllner §§ 19, 22; Köbler, DRG 52, 80

Codex (M.) Hammurapi -> Hammurapi

Codex (M.) Hermogenianus (lat.) ist die vermutlich von einem Amtsträger (Leiter der Kanzlei a libellis im Osten von 293 bis 295 und vielleicht auch im Westen 291 und von 295 bis 298) und bekannten Juristen namens -> Hermogenian privat erstellte, nur bruchstückweise erhaltene, die Jahre 293 und 294 erfassende Sammlung von Konstitutionen (Gesetzen) des römischen Kaisers Diokletian (284-305). Der C. ist in späteren Werken (u. a. ->  Codex) verwertet.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 42; Söllner §§ 19, 22; Köbler, DRG 52, 80

Codex (M.) iuris Bavarici criminalis (lat.) ist das von -> Kreittmayr geschaffene, am 7. 10. 1751 für -> Bayern veröffentlichte Gesetzbuch des Strafrechts (Teil 1) und Strafprozessrechts (Teil 2). Der C. beseitigt zwar die Rechtszersplitterung, hält aber an Ketzerei, Zauberei, Hexerei und Aberglauben als Straftaten, an grausamen Strafen und an der Folter fest. Er gilt bis 1813.

Lit.: Pfeitzsch, W., Kriminalpolitik in Bayern, 1968; Rüping, H., Grundriß der Strafrechtsgeschichte, 3. A. 1998; Schütz, S., Die Entwicklung des Betrugsbegriffs, 1988

Codex (M.) iuris Bavarici iudiciarii (lat.) ist das von Kreittmayr geschaffene, 1753 in Kraft gesetzte Zivilprozessgesetzbuch -> Bayerns, das sich um eine Abkürzung des gemeinen Zivilprozesses bemüht und bis 1. 7. 1870 gilt.

Lit.: Schwartz, J., 400 Jahre deutsche Civilprozessgesetzgebung, 1898, 254; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Schöll, W., Der Codex iuris bavarici iudiciarii, Diss. jur. München 1965

Codex (M.) iuris canonici (lat.) ist das im 20. Jh. geschaffene Gesetzbuch der katholischen Kirche. Von Papst Pius X. 1904 durch -> Gasparri in die Wege geleitet und von einer Kommission ausgearbeitet, wird es am 27. 5. 1917 zum 19. 5. 1918 in fünf Büchern (Allgemeiner Teil, Personenrecht, Sachenrecht, Prozessrecht, Strafrecht) in Kraft gesetzt. Hieran schließt sich 1983 eine Neufassung an (Allgemeine Normen, Kirchenverfassung, Verkündigungsdienst der Kirche, Sakramente, Kirchenvermögen, Strafen, Prozess).

Lit.: Söllner § 16; Köbler, DRG 205, 266; Codex iuris canonici, hg. v. Gasparri, P., 1917; Codicis iuris canonici fontes, cura Gasparri, P., Bd. 1ff. 1923ff.; Codex des kanonischen Rechtes, hg. im Auftrag der deutschen und Berliner Bischofskonferenz, 1983, 2. A. 1984; Zapp, H., Codex iuris canonici, Stichwortverzeichnis, 1986

Codex (M.) Iustinianus -> Codex

Codex (M.) Maximilianeus Bavaricus civilis (lat.) ist das von -> Kreittmayr in deutscher Sprache geschaffene, am 2. 1. 1756 veröffentlichte, alle zur bürgerlichen Rechtsgelehrsamkeit gehörigen Materien samt Jagdrecht, Fischereirecht, Forstrecht und Gewerberecht nach gemeinrechtlichen und statutarischen Rechtsgrundsätzen zusammenfassende Gesetzbuch („kurbayerisches Landrecht“). Der C. gliedert sich nach Personen, Sachen und Ansprüchen. Er löst das Bayerische Landrecht von 1616 ab, lässt das gemeine Recht subsidiär fortgelten und wird zum 31. 12. 1899 durch das -> Bürgerliche Gesetzbuch des Deutschen Reiches abgelöst.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; (Kreittmayr, W. Frhr. v.,) Anmerkungen zum Codex civilis Maximilianeus Bavaricus, Bd. 1ff. 1758ff., Neudruck; Friedl, H., Codex Maximilianeus Bavaricus civilis, Diss. jur. Erlangen 1934; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967; Pöpperl, P., Quellen und System des Codex Maximilianeus Bavaricus civilis, 1967

Codex (M.) Theodosianus (lat.) ist das 429 in einem umfassenden Plan in Angriff genommene, 435 begonnene, am 15. 2. 438 veröffentlichte und zum 1. 1. 439 in der östlichen Hälfte des Römischen Reiches in Kraft gesetzte sowie von Kaiser Valentinian am 25. 12. 439 auch für die westliche Hälfte verkündete Gesetzbuch. Der C. enthält ungefähr 3400 kaiserliche Konstitutionen (Gesetze) von 313 bis 437. Er gliedert sich in 16 Bücher (1, 6-8,11, 10-15 Verwaltung, 2-5 und 8,12-19 Privatrecht, 9 Strafe, 16 Kirche) sowie Titel und ist innerhalb dieser Einteilung zeitlich geordnet. Die Bücher 1 bis 5 sind mit etwa 400 Konstitutionen hauptsächlich durch das -> Breviarium Alaricianum (506) auszugsweise überliefert, die Bücher 6-16 durch zwei frühe Handschriften.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 42; Söllner §§ 19, 21, 22; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 52, 80; Theodosiani libri XVI, ed. Mommsen, T., 1905; Archi, G., Theodosio II e il suo tempo, 1978; The Theodosian Code, hg. v. Harries, J. u. a., 1993

Codex (M.) Theresianus (lat.) ist der Entwurf eines einheitlichen österreichischen Gesetzbuches unter Maria Theresia. Er beruht auf der Arbeit einer zum 14. 2. 1753 eingesetzten Kompilationskommission, die ein auf natürliche Billigkeit gegründetes volkstümliches Recht schaffen und dabei die einzelnen Provinzialrechte, das gemeine Recht und die Gesetze anderer Staaten heranziehen soll. Das von Josef Azzoni (1712-1760) und Johann Bernhard von Zencker geförderte Unternehmen endet 1776 wegen seiner Dickleibigkeit, erleichtert aber als wertvolle Vorarbeit das -> Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch von 1811/12.

Lit.: Codex Theresianus, hg. v. Harras von Harrasowsky, P., Bd. 1ff. 1883ff.; Höslinger, R., Die gemeinrechtlichen Quellen des Codex Theresianus, Österreich. Archiv f. Kirchenrecht 1 (1950), 72; Wesener, G., Die Rolle des usus modernus pandectarum im Entwurf des Codex Theresianus, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997

Codex Urnammu ist ein 1948 entdeckter Rechtstext des Königs Urnammu von Lagusch (Ur) (um 2100 v. Chr.).

Lit.: Wesel, U., Geschichte des Rechts, 1997

Codice civile -> Italienisches Recht

codicillus (lat. [M.] Büchlein) ist im klassischen römischen Recht eine letztwillige Verfügung, die entweder als Bestandteil eines -> Testamentes zählt oder nur Fideikommisse und fideikommissarische Freilassungen enthalten darf.

Lit.: Kaser § 68; Söllner §§ 15, 17; Köbler, DRG 38

Código (M.) civil (span.) ist das spanische Zivilgesetzbuch von 1888/9, das maßgeblich von Manuel Alonso Martínez (1827-1891) geprägt wird. Es vereinheitlicht das Privatrecht, belässt aber mit dem Mittel seiner Subsidiarität landschaftliche, auf den Foralrechten (fueros) beruhende Unterschiede im Verhältnis zu ->  Kastilien.

Código (M.) de comercio (span.) -> Handelsgesetzbuch

Código (M.) do processo civil (portug.) ist das portugiesische Zivilprozessgesetzbuch des Jahres 1939, das maßgeblich von José Alberto dos Reis geprägt wird.

coercitio (lat. [F.]) ist im altrömischen Recht die allgemeine, Unrechtstaten verfolgende magistratische Zuchtgewalt.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Söllner § 6; Köbler, DRG 18, 20

cognati (lat. [M.Pl.]) Blutsverwandte, -> Verwandte

cognitio (F.) Erkenntnis -> cognitio (F.) extra ordinem

cognitio (F.) extra ordinem (lat., Erkenntnis außer der Ordnung) ist im klassischen römischen Recht ein außerordentliches Verfahren, das durch allmähliche behördliche Verfestigung die altrömische Gerichtsverfassung ersetzt. -> Kognitionsverfahren

Lit.: Kaser §§ 80, 87; Söllner §§ 14, 15, 16; Köbler, DRG 34; Köbler, LAW

cognitor (lat. [M.]) Prozessvertreter -> Stellvertreter

Coimbra am Mondego beruht auf römischer Grundlage (Conimbriga bzw. Aeminium). 878/1064 wird es den Mauren entzogen und wird im 12./13. Jh. Hauptstadt -> Portugals. Die 1290 in Lissabon gegründete Universität wird 1308 nach C. verlegt (1338-54, 1377-1537 nochmals Lissabon).

Lit.: Almeida, A./Brandao, M., A Universidade de Coimbra, 1937

Coke, Sir Edward (Mileham/Norfolk 1. 2. 1552 - Stoke Poges 3. 9. 1634), Norfolker Landadligensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Cambridge und der praktischen Ausbildung in Clifford’s Inn und Inner Temple in London 1578 Anwalt, 1592 Kron­anwalt und 1594 Justizminister (Attorney General). Zunächst entschiedener Anhänger des Königs, behauptet er seit 1606 als Chief Justice of the Common Pleas die Unterordnung des Monarchen unter das common law und wird deswegen schließlich 1616 entlassen. Seit 1620 verstärkt er aus dem Parlament heraus den Widerstand gegen den König. Daneben veröffentlicht er nach einer umfassenden Sammlung von Entscheidungen (Reports, 1600ff.) und einer Sammlung von Einträgen (A Book of Entries, 1614) seit 1628 seine vierbändigen Institutes, welche das erste Lehrbuch des neuzeitlichen -> common law bilden. Davon stellt das als Commentary upon Littleton(´s Tenures) gestaltete erste Buch (Coke upon Littleton) eine Rechtsgrundlegung (Enzyklopädie) dar. Die weiteren drei Bücher begründen verfassungsmäßig den Vorrang von Parlament und Recht im Staat. Im Ergebnis verdrängen Cokes Reports und Institutes in kurzer Zeit die in Law French abgefassten älteren Year Books (Jahrbücher) und Rechtsdarstellungen.

Lit.: Thorne, S., Sir Edward Coke, 1952

collatio (F.) bonorum (lat., Vergleich der Güter) ist im klassischen römischen Recht die Verrechnung des Vorausempfanges (Abfindung, Mitgift) eines Hauserben mit seinem Erbteil vor dem Prätor.

Lit.: Kaser § 65, 73; Köbler, DRG 37, 59

Collatio (F.) legum Mosaicarum et Romanarum (lat.) ist eine spätantike, unter dem Titel (lat.) lex (F.) Dei quam praecepit Dominus ad Moysen (Gesetz Gottes, welches der Herr Moses gebot,) überlieferte Schrift eines unbekannten Verfassers, die Stellen der Bibel mit Stücken des -> Gaius, der Spätklassiker, des -> Codex Gregorianus und des -> Codex Hermogenianus mit dem Ziel des Nachweises der Übereinstimmung vergleicht.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39; Söllner §§ 5, 16; Schulz, F., Geschichte der römischen Rechtswissenschaft, 1961, 394

colonus (lat. [M.]) ist im spätantiken römischen Recht der erblich an die Scholle gebundene Landpächter.

Lit.: Kaser § 16; Söllner § 19; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 27, 50, 57; Köbler, LAW

Comecon (engl. Council for Mutual Economic Assistance) ist die am 25. 1. 1949 in Moskau von der Union der sozialistischen Sowjetrepubliken, Polen, der Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien gegründete, mehrfach erweiterte Organisation zur wirtschaftlichen Vereinigung Osteuropas innerhalb der internationalen sozialistischen Arbeitsteilung (Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe).

Lit.: Ribi, R., Das Comecon, 1970; Uschakow, A., Integration im RGW, 1983

comenda (lat. [F.]) -> commenda

comes (lat. [M.]) ist in der Spätantike der Begleiter und Amtsträger des Kaisers und im Frühmittelalter der -> Graf.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 84; Köbler, LAW; Sprandel, R., Dux und comes in der Merowingerzeit, ZRG GA 74 (1957), 41; Ebling, H., Prosopographie der Amtsträger, 1974; Borgolte, M., Die Grafen Alemanniens, 1986; Scharf, R., Comites, 1994; Comitatus, hg. v. Winterling, A., 1998

comitia (lat. [N.Pl.]) ist im altrömischen Recht die unterschiedlich gegliederte Volksversammlung.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Köbler, DRG 18

comitia (N.Pl.) curiata (lat.) ist die nach Kurien gegliederte römische Volksversammlung.

comitatus (lat. [M.]) Begleitung -> comes

commenda (lat. [F.]), comenda, ist eine mittelalterliche Vorform der Kommanditgesellschaft.

Lit.: Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Pryor, J., The Origins of the commenda contract, Speculum 52 (1977), 5

commendatio (lat. [F.]) ist im Mittelalter die Handlung, mit der sich der Lehnsmann dem Lehnsherrn anvertraut.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 63; Köbler, LAW

Commentaries on the Laws of England (1765ff.) ist die auch naturrechtlich beeinflusste Zusammenfassung des -> englischen Rechts durch -> Blackstone (1723-1780).

commercium (lat. [N.]) ist im altrömischen Recht die dem Fremden durch Verleihung zu eröffnende Teilrechtsfähigkeit im Verkehrsrecht.

Lit.: Kaser § 3, 68; Söllner § 12; Köbler, DRG 21

commodatum (lat. [N.]) ist die im jüngeren klassischen römischen Recht anerkannte -> Leihe (Realkontrakt).

Lit.: Kaser § 39 II; Köbler, DRG 45, 63

common law (engl., gemeines Recht) ist in England das für alle einheitlich geltende Recht im Gegensatz zum örtlich oder persönlich unterschiedlichen Recht bzw. das in England seit dem Hochmittelalter entwickelte Recht im Gegensatz zu dem aus dem römischen Recht entwickelten Recht bzw. das von Gerichten in England geschaffene Recht im Gegensatz zum gesetzten Recht.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Plucknett, T., Concise History of Common Law, 5. A. 1956; Caenegem, R. van, The Birth of the English Common Law, 1973; Simpson, A., Biographical Dictionary of the Common Law, 1984; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 3. A. 1990; The Reception of Continental Ideas in the Common Law World, hg. v. Reimann, M., 1993; Martinez-Torron, J., Anglo-American Law and Canon Law, 1998; Baker, J., The Common Law Tradition. Lawyers, Books and the Law. 2000

Commonwealth (engl.) gemeinsamer Reichtum, Weltreich

communio (lat. [F.]) ist im klassischen römischen Recht die -> Gemeinschaft (z. B. mehrerer Erben), in der jeder Gemeinschafter einen rechnerischen Anteil hat, über den er verfügen kann.

Lit.: Kaser § 23; Kroeschell, DRG 1

communis opinio (lat. [F.]) öffentliche Meinung

compendium (N.) iuris (lat.) Rechtshandbuch

Lit.: Theuerkauf, G., Lex, speculum, compendium iuris, 1968

compensatio (lat. [F.]) ist die im klassischen römischen Recht grundsätzlich nur im Verfahren oder bei Einverständnis wirksame Verrechnung mit einer Gegenforderung. -> Aufrechnung

Lit.: Kaser § 53; Köbler, DRG 43, 62; Dernburg, H., Geschichte und Theorie der Compensation, Neudruck 1965, 2. A. 1968; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Compilación de Leyes (Ordenanzas reales de Castilla) ist eine erste, 1480 von Alonso Díaz de Montalvo zusammengestellte Sammlung kastilischer Vorschriften in 8 Büchern. Ihr folgen Sammlungen von (1485,) 1567 und 1805.

Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 1,558,674

Compilatio (F.) maior (lat.) ist eine nach justinianischem Vorbild in neun Bücher gegliederte Sammlung des aragonesischen Rechts durch Vidal de Canellas (+ 1252) in aragonesischer Sprache.

Lit.: Pérez Martìn, A., Einleitung zu Fori Aragonum, 1979, 1

compositio (lat. [F.]) ist in den lateinischen Texten des Frühmittelalters die -> Buße. -> Kompositionensystem

Lit.: Köbler, DRG 65, 91; Köbler, LAW

Conchyleus -> Coquille

conclusum (N.) imperii (lat., Reichsschluss) ist seit dem Spätmittelalter das vom Kaiser des Heiligen Römischen Reichs angenommene Reichsgutachten der Reichsstände, das noch der Verkündung bedarf, um Gesetz zu werden.

Lit.: Rauch, K., Traktat über den Reichstag im 16. Jahrhundert, 1905

Concordia (F.) discordantium canonum (lat.) ist der Titel des -> Decretum Gratiani (Dekret Gratians).

concussio (lat. [F.]) -> Erpressung

condicio (lat. [F.]) ist im römischen Recht die -> Bedingung.

Lit.: Kaser §10; Willvonseder, R., Die Verwendung der Denkfigur der condicio sine qua non, 1984

condictio (lat. [F.]) ist im Formularverfahren des klassischen römischen Rechts eine Klagformel, welche im spätantiken römischen Recht besonders mit dem Fall grundloser Vorenthaltung (z. B. des auf eine Nichtschuld Geleisteten) verbunden wird. -> Kondiktion

Lit.: Kaser §§ 32, 33, 38, 39, 40, 48, 83; Söllner § 9; Köbler, DRG 33, 45, 67; Koschembahr-Lyskowsky, I. v., Die condictio als Bereicherungsklage, Bd. 1f. 1903ff.; Schwarz, F., Die Grundlage der condictio, 1952

condictio (F.) causa data causa non secuta (lat.) Bereicherungsanspruch wegen nicht erbrachter Gegenleistung, -> Bereicherung

condictio (F.) ex lege (lat.) Bereicherungsanspruch aus gesetzlicher Obligation, -> Bereicherung

condictio (F.) furtiva (lat.) Bereicherungsanspruch gegen den Dieb, -> Bereicherung

condictio (F.) indebiti (lat.) Bereicherungsanspruch wegen irrtümlicher Zahlung einer Nichtschuld, -> Bereicherung

condictio (F.) ob causam datorum (lat.) Bereicherungsanspruch wegen nicht entstandenen Rechtsgrundes, -> Bereicherung

condictio (F.) ob causam finitam (lat.) Bereicherungsanspruch wegen weggefallenen Rechtsgrundes, -> Bereicherung

condictio (F.) ob turpem vel iniustam causam (lat.) Bereicherungsanspruch wegen eines sittenwidrigen oder unzulässigen Rechtsgrundes, -> Bereicherung

condictio (F.) sine causa (lat.) Bereicherungsanspruch wegen rechtsgrundloser Leistung, -> Bereicherung

conductio (lat. [F.]) Miet-, Pacht-, Dienst- und Werkvertrag

Lit.: Mayer-Maly, T., Locatio conductio, 1956

confessio est regina probationum (lat.). Das Geständnis ist die Königin der Beweise.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 42, Nr. 57

confin -> Militärgrenze

Confoederatio (F.) cum principibus ecclesiasticis ist die im 19. Jh. aufgekommene lateinische Bezeichnung für das 11 Artikel umfassende, wohl nur die bereits eingetretene Rechtswirklichkeit anerkennende Privileg König  Friedrichs II. für die geistlichen Reichsfürsten vom 26. 4. 1220 als Gegenleistung für die Wahl Heinrichs (VII.) zum König (z. B. Verzicht auf den Nachlaß, Verzicht auf neue Zollstätten, Testierfreiheit, Verfügungsfreiheit über Kirchenlehen, Verstärkung des Kirchenbannes durch Reichsacht).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Klingelhöfer, E., Die Reichsgesetze, 1955; Stupor mundi, hg. v. Wolf, G., 2. A. 1982, 420

Connan, François (Paris 1508-1551), Sohn eines maître des comptes, wird nach dem Studium in Paris und dem Rechtsstudium (1529) in Bourges um 1533 Parlamentsadvokat und danach königlicher Rat. In einer Gesamtdarstellung des geltenden Rechts in zehn Büchern ([lat.] Commentariorum iuris civilis libri [M.Pl.] X, 1553ff. Zehn Bücher Kommentare des weltlichen Rechts) versucht er die tatsächliche Ordnung der Rechtsquellen durch ein wissenschaftliches System (lat. [F.] ars) zu ersetzen. Bei diesem wenig erfolgreichen Bemühen deutet er die römischrechtliche (lat. [F.]) -> actio als ein rechtserhebliches Verhalten und begründet damit den Gedanken der -> Willenserklärung.

Lit.: Bergfeld, C., Franciscus Connanus, 1968

Conring, Hermann (Norden 9. 11. 1606 - Helmstedt 12. 12. 1681), aus gelehrter ostfriesischer Familie, wird nach dem 1620 begonnenen Studium von Medizin und Politik in Helmstedt und Leiden (seit 1625) 1632 Professor für Naturphilosophie (Physik und Rhetorik) bzw. Medizin (1637) und Politik (1650) in Helmstedt. Er hält auch juristische Vorlesungen und erstattet Rechtsgutachten. In seinem im Ergebnis bereits 1635 feststehenden Buch (lat.) De origine iuris Germanici (1643, Vom Ursprung des deutschen Rechts) widerlegt er die Ansicht, dass das römische Recht in Deutschland 1135 durch ein Gesetz Kaiser Lothars III. von Süpplingenburg in Kraft gesetzt worden sei (sog. -> lotharische Legende) und begründet damit die deutsche Rechtsgeschichte.

Lit.: Köbler, DRG 139, 142, 186; Hermann Conring, hg. v. Stolleis, M., 1983; Conring, H., De origine iuris germanici (deutsche Übersetzung), hg. v. Stolleis, M., 1994; Oestmann, P., Kontinuität oder Zäsur, in: Kontinuitäten und Zäsuren, 1999, 191

consensus (lat. [M.] Zustimmung, Willensübereinstimmung) ist seit dem klassischen römischen Recht Voraussetzung des Konsensualvertrages.

Lit.: Kaser §§ 8, 38, 58; Köbler, LAW

consensus (M.) facit nuptias (lat.). Die Willensübereinstimmung bewirkt die Eheschließung.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 42, Nr. 67 (Julian um 100 - um 170 n. Chr.)

consilium (lat. [N.]) Rat, Gutachten, span. consejo, it. consiglio

Lit.: Kaser § 2; Söllner §§ 6, 9, 12, 15; Köbler, DRG 18, 106; Kisch, G., Consilium, 1970; Consilia im späten Mittelalter, hg. v. Baumgärtner, I., 1995

Consolat del Mar (Llibre del C. d. M.) ist eine nach dem Seekonsulat von Barcelona (1282 consules del mar) benannte, mittelalterliche, in Barcelona zwischen 1266 und 1268 begonnene, später andernorts erweiterte und 1348 vom Seekonsulat in Barcelona eingeführte Zusammenfassung des mittelmeerischen Seegewohnheitsrechts. -> Seerecht

Lit.: Wagner, R., Beiträge zur Geschichte des Seerechts, ZHR 29 (1884), 413; Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Valls i Taberner, F., Consolat de Mar, 1930ff.; García, A., Llibre del Consolat, Bd. 1ff. 1981ff.; Hernández Izal, S., Els costums marítims de Barcelona, Bd. 1f. 1986ff.

consortium (lat. [N.] Gemeinschaft) ist im altrömischen Recht der Zusammenschluss von Erben nach der Nachlaßteilung zu einer vereinbarten -> Gemeinschaft.

Lit.: Kaser § 66; Söllner § 8; Köbler, DRG 22, 47

constitutio (lat. [F.]) Beschluss, Gesetz

constitutio (F.) Antoniniana (lat.) ist das in einem stark zerstörten, in Gießen aufbewahrten Papyrus überlieferte Gesetz Kaiser Antoninus Caracallas aus dem Jahre 212, in welchem er zur Ausdehnung der Steuerpflicht allen freien Bewohnern des Römischen Reiches das römische Bürgerrecht gibt.

Lit.: Kaser § 3; Söllner §§ 14, 18; Köbler, DRG 35; Sasse, C., Die Constitutio Antoniniana, 1958; Wolff, H., Die Constitutio Antoniniana und Papyrus Gissensis 40 I, Diss. jur. Köln 1976

Constitutio (F.) Criminalis Bambergensis (lat.) -> Bamberger Halsgerichtsordnung (1507)

Constitutio (F.) Criminalis Carolina (lat., Strafgesetz[buch] Karls V.) ist die reichseinheitliche Peinliche Gerichtsordnung Karls V. von 1532. Sie geht auf Beschwerden über die sich häufenden ungerechten Strafverfahren, die ihrerseits die Antwort auf die im Mittelalter vor allem infolge des Bevölkerungswachstums, der Urbanisierung und Emanzipierung von der herkömmlichen Ordnung sowie wohl auch der Verstärkung der Staatlichkeit anschwellende Kriminalität sind, vor dem Reichstag von Lindau (1496/7) zurück. Dieser setzt zum Zweck der Besserung des Strafverfahrens eine von 1503 bis 1517 untätige, danach vier Entwürfe vorlegende Kommission ein. Sie übernimmt im wesentlichen den Inhalt der vom Vorsitzenden des Hofgerichts des Bischofs von Bamberg, Johann Freiherr von -> Schwarzenberg, auf Grund seiner Kenntnisse der praktischen Probleme und unter Einarbeitung des aus Oberitalien kommenden römisch-kanonischen Strafprozessrechts geschaffenen (lat.) Constitutio (F.) Criminalis Bambergensis (-> Bamberger Halsgerichtsordnung) von 1507 in ihre 219 Artikel. Sie will nur subsidiär gegenüber den alten wohlhergebrachten, rechtmäßigen und billigen Gebräuchen gelten (sog. salvatorische Klausel), kommt aber tatsächlich allgemein zur Anwendung. Sie beherrscht das gesamte Strafverfahrensrecht und Strafrecht (Art. 104-180) des Reiches bis in das von der Aufklärung bestimmte 18. Jh. Besonders bedeutsam sind ihre Lehre von den für die Anwendung der -> Folter von nun an gegenüber einem Tatverdächtigen erforderlichen -> Indizien (Anzeichen, z. B. blutige Kleider) und ihre Ansätze zu allgemeinen Lehren.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 136, 156; Güterbock, Die Entstehungsgeschichte der Carolina, 1878; Die Carolina und ihre Vorgängerinnen, hg. v. Kohler, J. u. a., W., Bd. 1ff. 1900ff., Neudruck 1968; Schoetensack, A., Der Strafprozess der Carolina, Diss. jur. Heidelberg, 1904; Saueracker, K., Wortschatz der Peinlichen Gerichtsordnung Karls V., 1929

Constitutio (F.) Criminalis Theresiana (lat.) ist das unter Maria Theresia am 31. 12. 1768 erlassene, 1082 Paragraphen umfassende Strafgesetzbuch mit Inquisitionsverbot, freier richterlicher Beweiswürdigung, festen Tatbestandsbeschreibungen und Folter, welches 1787 durch ein Allgemeines Gesetzbuch über Verbrechen und derselben Bestrafung ersetzt wird. Die C. C. T. beruht auf einer von der -> Constitutio Criminalis Carolina geprägten Halsgerichtsordnung Josephs I. von 1707.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 142, 157; Baltl/Kocher; Maasburg, M. v., Zur Entstehungsgeschichte der theresianischen Halsgerichtsordnung, 1880; Kwiatkowski, E. v., Constitutio Criminalis Theresiana, 1903; Hartl, F., Das Wiener Kriminalgericht, 1973; Rüping, H., Grundriß der Strafrechtsgeschichte, 3. A. 1998

Constitutio (F.) Joachimica (lat.) ist die verhältnismäßig kurze, auf Erbrecht beschränkte „Constitution, Wilkoer und Ordnung der Erbfelle und anderer Sachen“ des Markgrafen Joachim I. von Brandenburg (1499-1535) vom 9. 10. 1527 (Reformation des Landrechts).

Lit.: Heydemann, L., Die Elemente der Joachimischen Konstitution von 1527, 1841, Neudruck; Scholz, J., Der brandenburgische Landrechtsentwurf von 1594, 1973

constitutum (lat. [N.]) -> Beschluss, Festsetzung

constitutum (N.) debiti (lat.) Schuldzusage

constitutum (N.) possessorium (lat.) -> Besitzkonstitut

consuetudo (lat. [F.]) ist die Gewohnheit. In der römischen Spätantike wird sie zur Rechtsquelle erklärt. -> Gewohnheitsrecht

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 22; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 52; Köbler, LAW

consul (lat. [M.]) ist im altrömischen Recht der Republik der Höchstmagistrat. Zwei gleichzeitige Konsuln (Kollegialität) erlangen die Führung des Gemeinwesens durch eine Wahl auf Vorschlag ihrer Vorgänger hin für jeweils ein Jahr (Annuität), wobei seit 367 v. Chr. (lex Licinia) auch Plebejer c. werden können. Mit dem Ende der Republik (27 v. Chr.) gehen die Aufgaben der Konsuln auf den Prinzeps bzw. Kaiser über, doch werden consules bis 534 im Westen und bis 541 im Osten fortgeführt. Seit dem ausgehenden 11. Jh. (1090) ist c. der städtische Ratsherr.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Söllner §§ 6, 11, 14, 23; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 111; Köbler, LAW; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Keller, H., Mailand im 11. Jahrhundert, in: Die Frühgeschichte der europäischen Stadt, hg. v. Jarnut, J., 1998, 81

Consultatio (F.) cuiusdam veteris iuris consulti (lat.) ist eine am Ende des 5. Jh.s oder im 6. Jh. vermutlich in Gallien entstandene, durch einen Druck des 16. Jh.s überlieferte Sammlung von Rechtsgutachten mit Zitaten aus den Paulussentenzen, dem -> Codex Gregorianus, dem -> Codex Hermogenianus und dem -> Codex Theodosianus.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39; Schulz, F., Geschichte der römischen Rechtswissenschaft, 1961, 408

contempt of court (engl., Missachtung des Gerichts) ist im angloamerikanischen Recht die gewohnheitsrechtlich als rechtswidrig (crime bzw. tort) anerkannte Störung der Gerichtstätigkeit.

Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 3. A. 1990, 496, 583

Contius -> Le Conte

contractus (lat. [M.]) ist im klassischen römischen Recht der Vertrag, aus dem eine Obligation (Schuld) entsteht. Er kann Realkontrakt, Verbalkontrakt, Litteralkontrakt oder Konsensualkontrakt sein.

Lit.: Kaser §§ 5, 38; Kroeschell, DRG 1; Wunner, S., Contractus, 1964; Wieacker, F., Contractus und obligatio im Naturrecht zwischen Spätscholastik und Aufklärung, in: Scolastica 1973, 223; Feenstra, R./Ahsmann, M., Contract, 1980; Pacte, convention, contrat, hg. v. Dufour, A., 1998

contrarius consensus (lat. [M.]) Aufhebungsvertrag

Lit.: Knütel, R., Contrarius consensus, 1968

contumacia (lat. [F.]) ist im klassischrömischen Kognitionsverfahren die Prozessweigerung, welche in einem Versäumnisverfahren dazu führen kann, dass der Geladene gemäß dem Klagebegehren verurteilt wird.

Lit.: Kaser § 87; Kroeschell, DRG 1, 2

conubium (lat. [N.]) ist im altrömischen Recht die dem Fremden durch Verleihung zu eröffnende Teilrechtsfähigkeit im Eherecht.

Lit.: Kaser §§ 3, 58, 60

copy right -> Urheberrecht

Coquille (Conchyleus), Guy (Decize 1523-1603), Sohn eines adligen Salzrichters, wird nach dem Rechtsstudium in Padua (1539) und Orléans (Du Moulin) Anwalt. In posthum veröffentlichten Schriften stellt er das Gewohnheitsrecht (franz. droit coutumier) nach dem Vorbild der Institutionen Justinians dar (Institutions au droit des François, 1607).

Lit.: Maumigny, J., Étude sur Guy Coquille, 1910, Neudruck 1971

Cork im Südosten Irlands wird im 9. Jahrhundert von Normannen bei einem Kloster des 6. Jahrhunderts gegründet. 1172 wird es unter der Herrschaft Englands Stadt. 1845 erhält es eine Universität.

corpore (lat.) durch tatsächliche Sachherrschaft, -> Besitz, -> corpus, -> possessio

corpus (lat. [N.]) Körper

corpus (N.) catholicorum (lat.) ist in der frühen Neuzeit die Gesamtheit der katholischen -> Reichsstände. -> corpus evangelicorum

corpus (N.) delicti (lat.) ist der Gegenstand der Straftat, mit dem sich die gemeine Prozessrechtswissenschaft allgemein befasst.

Lit.: Alfred, K., Die Lehre vom corpus delicti, 1933

corpus (N.) evangelicorum (lat.) ist in der frühen Neuzeit die Gesamtheit der evangelischen -> Reichsstände. -> corpus catholicorum

Lit.: Schauroth, E., Vollständige Sammlung aller conclusorum des corpus evangelicorum, Bd. 1ff. 1751ff.; Belstler, U., Die Stellung des corpus evangelicorum, Diss. jur. Tübingen 1968

corpus (N.) iuris canonici (lat.) ist die  um 1500 von dem Pariser Kirchenrechtler Jean Chappuis erstmals benützte und von Papst Gregor XIII. am 1. 7. 1580 amtlich verwendete Bezeichnung für die anerkannten Rechtsquellen der (katholischen) Kirche. Das c. i. c.  besteht aus dem Decretum Gratiani (Dekret Gratians, um 1140), den auf Antrag Papst Gregors IX. von Raymundus de Penyafort von 1230 bis 1234 gesammelten -> Dekretalen (-> Liber extra), den auf Veranlassung Papst Bonifaz’ VIII. zusammengestellten Dekretalen (-> Liber sextus) und den -> Clementinen. Es gilt bis zum Inkrafttreten des -> Codex iuris canonici am 19. 5. 1918.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 102; Corpus iuris canonici, ed. Friedberg, E., Bd. 1 1879ff., Neudruck 1955, 1959; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973; Dickehof-Borello, E., Ein Liber septimus für das corpus iuris canonici, 2002

corpus (N.) iuris civilis (lat.) ist die Gesamtheit der von dem oströmischen Kaiser Justinian (527-565) zwischen 527 und 534 in Kraft gesetzten Rechtsquellen einschließlich seiner nachfolgenden Novellen. Er besteht aus dem -> Codex (repetitae praelectionis) von 534, den -> Digesten oder -> Pandekten (533) und den -> Institutionen von 533 sowie den privat gesammelten -> Novellen. Die Bezeichnung entspricht dem Namen (lat.) -> corpus (N.) iuris canonici für die kirchlichen Rechtsquellen. Sie wird seit der Gesamtausgabe der justinianischen Gesetzgebungswerke durch Dionysius Gothofredus (1583) üblich.

Lit.: Kaser § 1; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 137, 142; Corpus iuris civilis, hg. v. Krüger, P. u. a., Bd. 1ff. z.T. 22. A. 1973; Corpus iuris civilis Iustinianei, hg. v. Fehus, J., Bd. 1ff. 1672ff., Neudruck 1966 (mit Glosse); Spangenberg, E., Einleitung in das Römisch-Justinianische Rechtsbuch, 1817, Neudruck 1970 (mit Bibliographie der älteren Ausgaben); Wenger, L., Die Quellen des römischen Rechts, 1953, 562; Ochoa, X./Diez, A., Indices titulorum et legum corporis iuris civilis, 1965; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967; Thilo, R., Drucke des Corpus iuris civilis im deutschen Sprachraum, Gutenberg-Jahrbuch 59 (1984), 52

corpus (N.) iuris feudalis (lat.) ist eine Bezeichnung für private Sammlungen des Lehnsrechts im 18. Jh.

Lit.: Lünig, J., Corpus iuris feudalis Germanici, Bd. 1ff. 3. A. 1727

Corpus (N.) iuris Fridericiani (lat.), Erstes Buch, ist das 1781 in Preußen in Kraft gesetzte Prozessrechtsgesetzbuch Friedrichs des Großen bzw. seines Großkanzlers -> Carmer, das den Untersuchungsgrundsatz in den Zivilprozess einführt.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Ebel, F., 200 Jahre preußischer Zivilprozess, 1982

corpus (N.) iuris militaris (lat.) ist eine Bezeichnung für private Sammlungen militärrechtlicher Vorschriften zwischen 1632 und 1724.

Lit.: Dangelmaier, E., Geschichte des Militärstrafrechts, 1891

corpus (N.) iuris publici (lat.) ist eine Bezeichnung für private Sammlungen des öffentlichen Rechtes des Heiligen Römischen Reiches im 18. Jh.

Lit.: Schmauss, J., Corpus iuris publici Sancti Romani imperii academium, 1722

corpus (N.) iuris Saxonici (lat.) ist eine Bezeichnung für eine private Sammlung des sächsischen Rechts.

Lit.: Lünig, J., Codex Augusteus oder neuvermehrtes corpus iuris Saxonici, Bd. 1f. 1724

corrigere (lat.) ist ein Ausdruck, der unter Kaiser Trajan (98-117) in das römische Strafverfahren eindringt. Danach geht es dort darum, Unrecht wieder recht zu machen. Diese Vorstellung steckt auch hinter dem germanistischen „richten“.

Lit.: Köbler, DRG 34, 46; Köbler, G., Richten, Richter und Gericht, ZRG GA 87 (1970), 59

cortes ist die den König beratende Versammlung der Geistlichen, Adligen und Städtevertreter in Kastilien, León, Portugal, Aragón und Navarra seit der 2. Hälfte des 12. Jh.s.

Lit.: Gonzáles Antón, L., Las Cortes de Aragón, 1978; Procter, E., Curia and cortes, 1980

Court of Chancery ist das Gericht des Kanzlers (chancellor) des -> englischen Rechts. Es geht darauf zurück, dass der zunächst geistliche Kanzler schon im 13. Jh. Bitten hilfesuchender Engländer an den König hinsichtlich der Möglichkeit der Bildung neuer Klageformeln begutachtet und im 15. Jh. in Einzelfällen Rechtsschutz gewährt, wenn das -> common law zu unangemessenen Ergebnissen führt. Die seit 1529 tätigen weltlichen Kanzler führen das fort und begründen bald ein System anerkannter Sätze des positiven Rechts, das an der Billigkeit (-> equity) ausgerichtet ist.

Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 3. A. 1980

Court of Common Pleas ist das seit 1234 sicher belegte, für Zivilsachen zuständige königliche Gericht des -> englischen Rechts in Westminster mit einem Oberrichter und 3 nachgeordneten Richtern.

Lit.: Hastings, M., The Court of Common Pleas, 1947

Court of Exchequer ist das für Verwaltungsangelegenheiten und Finanzsachen zuständige königliche Gericht des -> englischen Rechts in Westminster.

Court of King`s Bench ist das für Strafsachen und Appellationen zuständige königliche Gericht des -> englischen Rechts in Westminster.

coutume (franz. [F.] Gewohnheit) ist in der Rechtsgeschichte die rechtlich bedeutsame Gewohnheit (lat. [F.] consuetudo). Sie erlangt in Frankreich seit dem 10./11. Jh. Gewicht und wird seit Beginn des 13. Jh.s in Rechtsbüchern (coutumiers) schriftlich aufgezeichnet, wobei Entscheidungen, Gesetze (Ordonnanzen) und teilweise auch römisches Recht und kirchliches Recht einbezogen werden (Très ancien coutume de Normandie 1199/1200 bzw. 1220, Grand coutumier de Normandie 1254-58, Conseil à un ami des Pierre de Fontaine für Philipp III. 1253, Livre de justice et de plet 1260, Etablissements de Saint Louis um 1270, Coutumes de Beauvaisis [nördlich von Paris] 1283 des Philippe de Beaumanoir, Ancien coutumier de Champagne des Guillaume du Châtelet 1295-1300, Très ancienne coutume de Bretagne 1316-25, Stilus curie Parlamenti des Guillaume du Breuil um 1330, Grand coutumier (de France) des Jaques d’Ableiges um 1388, Somme rural des Jehan Boutillier vor 1395, Vieux coutumier de Poitou 1417). 1454 befiehlt König Karl VII. wegen zahlreicher Streitigkeiten hinsichtlich des Bestehens behaupteter Rechtssätze in der Ordonnance von Montil-les-Tours die amtliche Aufzeichnung aller coutumes jeder bailliage mit anschließender Inkraftsetzung. Auf der Grundlage der Coutume de Paris (1510 bzw. 1580) entwickelt sich hieraus ein gemeines Gewohnheitsrecht (franz. droit commun coutumier).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Nouveau coutumier général, hg. v. Bourdot de Richebourg, C., Bd. 1ff. 1724ff.; Declareuil, J., Histoire générale du droit français, 1925, 851; Filhol, R., Le premier président Christoffe de Thou et la réformation des coutumes, 1937; Poudret, J., Enquêtes sur la coutume du pays de Vaud, 1967; Gräfe, R., Das Eherecht in den coutumiers des 13. Jahrhunderts, 1972; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 1,633,2,2,200; Gouron, A./Terrin, O., Bibliographie des Coutumes de France, 1975; La coutume, hg. v. Gilissen, J., 1982; Walkens, L., La théorie de la coutume chez Jacques de Révigny, 1984

Coutumes de Beauvaisis sind das bedeutendste Rechtsbuch des mittelalterlichen Frankreich. Die C. d. B. stammen von Philippe de -> Beaumanoir. Er bemüht sich um eine Darstellung des Gewohnheitsrechts in Beauvaisis, verwendet dazu aber auch Sätze der Coutumes von Champagne, Vermandois, Artois, Normandie und Paris, die Rechtsprechung des Parlaments de Paris, königliche Verordnungen, römisches Recht und kirchliches Recht. Die systematisierende, vor eigenen Lösungen nicht zurückschreckende Privatarbeit, welche der Rechtswirklichkeit nicht vollständig entspricht, bleibt trotz hohen gedanklichen Wertes von geringem Einfluss auf die Rechtspraxis.

Lit.: Coutumes de Beauvaisis, hg. v. Salmon, A., Bd. 1f. 1899f., Neudruck 1970, Bd. 3; Commentaire historique, hg. v. Hubrecht, G., 1974; Actes du colloque international Philippe de Beaumanoir et les coutumes de Beauvaisis 1283-1293, hg. v. Bonnet-Laborderie, P., 1983

coutumier (franz. [M.]) ist die private Aufzeichnung der -> coutume im mittelalterlichen Frankreich.

Lit.: Kroeschell, DRG 1

Covarubias y Leyva, Diego de (1512-1577) wird nach dem Rechtsstudium 1533 Professor für kirchliches Recht in Salamanca, 1565 Bischof von Segovia und 1574 Präsident des Staatsrates. Auf ihn geht die strafrechtliche Vorstellung des bedingten Vorsatzes (lat. dolus [M.] indirectus) zurück.

Lit.: Merzbacher, F., Azpilcueta und Covarruvias, in: Merzbacher, F., Recht - Staat - Kirche, hg. v. Köbler, G. u. a., 1989, 275; Peressa, V., Diego de Covarubias, 1957

Cowell, John (1554-1611), nach dem Studium des römischen Rechts in Cambridge 1594 Professor in Cambridge, versucht 1605 eine erfolglose Darstellung des englischen Rechts nach dem Aufbau der Institutionen Justinians ([lat.] Institutiones [F.Pl.] iuris Anglicani, Einrichtungen des englischen Rechts) und muss wegen seiner in seinem erfolgreichen Wörterbuch The Interpreter (1607) vertretenen absolutismusfreundlichen und parlamentsfeindlichen Haltung 1611 seine Professur aufgeben.

Lit.: Holdsworth, W., A History of English Law, Bd. 1ff. 1903ff., Bd. 5, 20

creditor (lat. [M.]) -> Gläubiger

crimen (lat. [N.]) ist im römischen Recht das Verbrechen im Gegensatz zu (lat.) delictum (N.). Für die crimina (N.Pl.) entwickelt sich das besondere Strafrecht und Strafprozessrecht. Schon früh wird dabei das c. (publicum) mit der von der Allgemeinheit (mit dem Beil) vollstreckten Todesstrafe geahndet. Zu den lange noch durch den Verletzten mittels Strafe zu vergeltenden crimina zählen Mord (lat. [N.] parricidium), Brandstiftung, handhafter Diebstahl, nächtliches Abweiden eines fremden Feldes und falsches Zeugnis.

Lit.: Kaser §§ 32, 41, 50; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 12; Köbler, DRG 65; Köbler, LAW

crimen (N.) laesae maiestatis (lat.) ist im älteren römischen Recht die Verletzung des Ansehens zunächst der plebejischen Magistrate. Seit Augustus geht die (lat. [F.]) maiestas vom römischen Volk und seinen Magistraten auf den Prinzeps und damit später den Kaiser über. Seit den Kaisern Arcadius und Honorius kann zum Schutz des Kaisers und seiner Günstlinge jeder politische Vorwurf mit der Todesstrafe und der Vermögensentziehung verfolgt werden. Diese Vorstellung übernimmt das Frühmittelalter allmählich mit gewissen Abwandlungen. Im weiteren Verlauf findet das c. l. m. Eingang in den -> Mainzer Reichslandfrieden von 1235, die -> Goldene Bulle (1356), die -> Constitutio Criminalis Bambergensis (1507) und die -> Constitutio Criminalis Carolina (1532). Erst Carpzov (1635) schränkt differenzierend ein. Danach wird Inhalt des c. l. m. die Beleidigung des Monarchen als Regenten, die 1918 ihren Bezugspunkt verliert.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 20; His, R., Deutsches Strafrecht bis zur Karolina, 1928, Neudruck 1967 113; Kellner, O., Das Majestätsverbrechen, Diss. phil. Halle 1911; Tietz, K., Perduellio und maiestas, Diss. jur. Halle 1935; Hageneder, O., Das crimen maiestatis, FS F. Kempf, 1983

crimen (N.) magiae (lat.) ist in der frühen Neuzeit das Verbrechen der Zauberei. -> Hexerei

Lit.: Byloff, F., Das Verbrechen der Zauberei, 1902

Criminal Code (1879) ist ein an dem 1860 verfassten indischen Strafgesetzbuch (Indian Penal Code) ausgerichteter Entwurf eines englischen Strafgesetzbuches, der vom Parlament nicht angenommen wird.

Criminal Law Consolidation Acts (1861) ist die das Strafrecht betreffende Zusammenfassung verstreuter gesetzlicher Vorschriften im -> englischen Recht.

cui bono? (lat.) Wem zum Guten? Wem nützte die Tat? ist ein von Cicero (106-43 v. Chr.) geprägtes lateinisches Rechtssprichwort.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 47, Nr. 99

cuius regio eius religio (lat., wessen Gebiet, dessen Religion) ist eine von dem Greifswalder protestantischen Kirchenrechtler J. Stephani (1544-1623) geschaffene Formulierung für die der Sache nach bereits im -> Augsburger Religionsfrieden von 1555 angewandte geistliche Gerichtsbarkeit des reichsunmittelbaren Landesherrn im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation). Der ihr zugrunde liegende Gedanke wird danach von den protestantischen Reichsständen beansprucht, in der Gegenreformation auch von den katholischen Reichsständen. Insgesamt fördert und ermöglicht der Satz zu Lasten der Untertanen die Wahrung der Reichseinheit und der monarchisch-aristokratischen Verfassung sowie die Ausbildung des Territorialstaatskirchenrechts und damit des -> Absolutismus und der -> Souveränität.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 130; Heckel, M., Staat und Kirche nach den Lehren der evangelischen Juristen Deutschlands, ZRG KA 42 (1956), 117, 43 (1957), 202; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 3. A. 1997

Cujas, Jacques (1522-1590) wird nach dem Rechtsstudium in Toulouse zunächst dort Rechtslehrer (1547-54), danach in Cahors, Bourges (1555-57, 1559-66, 1575-90), Valence (1567-75) und Turin (1566-7). Er vertieft die Verwendung humanistischer Methoden im Recht in seinen Textausgaben (J. Pauli receptae sententiae, 1559, Institutiones Justiniani, 1585) und seinen zahlreichen exegetischen Einzelarbeiten. In seinen (lat.) Paratitla (N.Pl.) in libros digestorum (1570) stellt er eine gegliederte Ordnung von Klagen und Rechtsbehelfen dar.

Lit.: Spangenberg, E., Jacob Cujas und seine Zeitgenossen, 1822, Neudruck 1967; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967; Troje, H., Graeca leguntur, 1971, 108

culpa (lat. [F.]) ist im klassischen römischen Recht die Schuld oder Nachlässigkeit, die vorsätzliches wie fahrlässiges Handeln erfasst.

Lit.: Kaser § 36; Söllner §§ 8, 15; Köbler, DRG 44, 49, 61, 216; Köbler, LAW

culpa (F.) in contrahendo (lat.) ist das von Rudolf von Ihering als Haftungsgrund herausgearbeitete, vom Bürgerlichen Gesetzbuch des Deutschen Reiches (1900) nicht besonders berücksichtigte Verschulden bei Vertragsschluss.

Lit.: Medicus, D., Zur Entdeckungsgeschichte der culpa in contrahendo, FS M. Kaser 1986, 189; Choe, B., Culpa in contrahendo bei Rudolf von Ihering, 1988; Giaro, T., Culpa in contrahendo, in: Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 113

culpa (F.) in eligendo (lat.) Auswahlverschulden

culpa (F.) lata (lat.) grobe -> Fahrlässigkeit

culpa (F.) levis (lat.) leichte -> Fahrlässigkeit

culpa (F.) levissima (lat.) leichteste -> Fahrlässigkeit

Lit.: Hoffmann, H., Die Abstufung der Fahrlässigkeit in der Rechtsgeschichte, 1968

cura (lat. [F.]) ist im klassischen römischen Recht die bei Geisteskranken, Verschwendern, Tauben, Stummen, Altersschwachen sowie gegebenenfalls Unmündigen und Frauen, auf Antrag auch bei Mündigen, mögliche -> Pflegschaft, bei welcher der Pflegling für eigene Handlungen der Zustimmung des Pflegers (lat. [M.] curator) bedarf.

Lit.: Kaser §§ 4, 11, 44, 58, 62, 64, 82; Söllner § 8; Köbler, DRG 36, 57

curator (lat. [M.]) -> cura

curia (lat. [F.]) Hof, Herrscherhof, Hofrat

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Fleckenstein, J., Die Hofkapelle der deutschen Könige, 1965; Bournazel, E., Le gouvernement capétien, 1975; Loyn, H., The Governance of Anglo-Saxon-England, 1984; Hillen, C., Curia regis, 1999

curtis (lat. [F.]) Hof, Herrenhof

Lit.: Villa, curtis, grangia, hg. v. Janssen, W. u. a., 1983

curtis (F.) dominica (mlat.) Herrenhof

curtis (F.) indominicata (mlat.) Herrenhof

curtis (F.) salica (mlat.) Herrenhof

Cusanus -> Nikolaus von Kues

custodia (lat. [F.]) ist im klassischen römischen Recht die Aufsicht. Wer eine Sache eines Gläubigers in Händen hat (z. B. Verwahrer), haftet danach für das Abhandenkommen der Sache und solche Schäden, welche gerade bei unzureichender Aufsicht üblicherweise entstehen können. Nur in bestimmten Sonderfällen (höhere Gewalt) wird er von der Haftung frei.

Lit.: Kaser § 36; Köbler, DRG 45, 63; Köbler, LAW

Czernowitz am Pruth wird 1408 als Zollstätte des Fürstentums Molda erstmals erwähnt. Über die Osmanen gelangt es 1774/5 an Österreich (Galizien, Bukowina), wo es 1875 eine Universität erhält. 1918 fällt es an Rumänien, 1940 an die Sowjetunion bzw. danach an die Ukraine.

Lit.: Jüdisches Städtebild Czernowitz, hg. v. Corbea-Hoisie, A., 1998; Czernowitz, hg. v. Heppner, H., 2000

 

D

 

Dabelow, Christoph Christian Frhr. v. (Neubuckow bei Wismar 19. 7. 1768 – Dorpat 27. 4. 1830), Justizratssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Rostock und Jena 1787 Advokat, 1791 außerordentlicher Professor, 1792 ordentlicher Professor in Halle (bis 1806 bzw. 1809), 1811 Staatsrat in Anhalt-Köthen (bis 1813) und 1819 Hofrat und Professor in Dorpat.

Lit.: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 4 685

Dacheriana ist die nach ihrem ersten Herausgeber (d’Achery + 1685) benannte, um 800 in Lyon entstandene systematische Kirchenrechtssammlung mit etwa 400 canones.

Lit.: Mordek, H., Kirchenrecht und Reform, 1975, 259

Dalloz, Désiré (1795-1869) wird nach dem Rechtsstudium Anwalt und 1814 Mitarbeiter am (franz.) Journal des audiences de la cour de cassation et des cours d`appel (1824 Jurisprudence générale du royaume). Danach veröffentlicht er bis 1832 in einem Répertoire de jurisprudence générale (allgemeinen rechtswissenschaftlichen Repertorium) nach Materien geordnet in alphabetischer Reihenfolge wichtige Entscheidungen mit Anmerkungen. Dieses Werk legt er von 1845 bis 1870 in verbesserter und erweiterter Fassung neu auf. Sein Name lebt in dem Verlagshaus fort, das als den „Dalloz“ eine fortlaufende Sammlung von Entscheidungen, Gesetzen und wissenschaftlichen Stellungnahmen vertreibt.

Lit.: Papillard, F., Désiré Dalloz (1795-1869), 1964

Dalmatien ist das Ostufer der Adria mit den davorliegenden Inseln, das 9. n. Chr. zur römischen Provinz Dalmatia wird. Seit dem Ende des 6. Jh.s dringen Slawen und Awaren ein, seit dem 11. Jh. bemüht sich Venedig um die Herrschaft. Im 16. Jh. fällt ein Teil Dalmatiens an die Türken. Über Venedig (1797) bzw. über den Wiener Kongreß (1815) erlangt -> Österreich das 1816 zum Königreich erhobene D. 1920 wird es -> Jugoslawien zugeteilt, aus dem es 1991 vor allem an -> Kroatien fällt.

Lit.: Stanic, M., Dalmatien, 1984; Steindorf, L., Die dalmatischen Städte, 1984; Clewing, C., Staatlichkeit und nationale Identitätsbildung, 2000

da mihi factum, dabo tibi ius (lat.). Gib mir den Tatbestand, ich werde dir das Recht geben.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 52, Nr. 1 (Alexander III. 1100-1181, Dekretalen 2, 1, 6)

Damme -> Vonnisse von Damme

Damnationslegat ist das bereits dem jüngeren altrömischen Recht bekannte Vermächtnis, bei dem vielleicht der treuhänderische Vermögenskäufer (lat. familiae emptor [M.]) dem oder den Bedachten für eine bestimmte Geldsumme, später auch für andere Leistungen haften soll.

Lit.: Kaser §§ 32, 33, 76; Köbler, DRG 23

damnum (lat. [N.]) ist im klassischen römischen Recht der Schaden, zu dessen Ausgleich bereits 286 v. Chr. die (lat.) lex (F.) Aquilia de damno (aquilisches Gesetz über den Schaden) ergeht.

Lit.: Kaser § 51; Köbler, DRG 65

Danelaw ist eine Bezeichnung für das vom späten 9. Jh. bis 1066 vom Recht der Dänen beherrschte Gebiet -> Englands (z. B. Northumbria, Ostanglien).

Lit.: Loyn, H., The Vikings in Britain, 1977

Däne -> Dänemark

Dänemark ist ein nordeuropäischer Staat zwischen Mitteleuropa und Skandinavien. Die Festigung einer eigenständigen Herrschaft über die Dänen (6. Jh.) durch einen König gelingt in der ersten Hälfte des 10. Jh.s unter Gorm dem Alten. Wenig später setzt sich das Christentum in D. durch. Zeitweise herrschen die Könige Dänemarks über große Teile Englands (Knut der Große 1018-1035), der Ostsee (Waldemar der Große 1157-1182) und -> Norwegen, -> Schweden sowie -> Finnland (Margarete I. 1387/9-1412). Zu dieser Zeit wird erstmals das Recht schriftlich aufgezeichnet. 1536 wird unter dem Hause Oldenburg (1448-1863) die lutherische Reformation durchgeführt. Im Gefolge des Dreißigjährigen Kriegs wird D. von Schweden zurückgedrängt. 1660 erzwingen Bürger und Bauern gegen den Adel die Umwandlung Dänemarks in eine Erbmonarchie, welche sich 1665 dem Grundsatz des Absolutismus zuwendet und 1683 unter Christian V. das dänische Recht (Danske Lov) zusammenfasst. 1788 beginnt die Befreiung der Bauern. 1814 gelangt Norwegen an Schweden. 1849 wird die absolute Monarchie bis 1866 durch eine konstitutionelle Monarchie abgelöst. 1864 gehen Schleswig, Holstein und Lauenburg an den -> Deutschen Bund bzw. Preußen verloren. Ab 1891 wird die Sozialversicherung eingeführt. 1901 setzt sich der Gedanke der parlamentarischen Kontrolle durch. 1920 kehrt nach einer Volksabstimmung Nordschleswig zu D. zurück. 1953 ermöglicht ein Thronfolgegesetz die weibliche Erbfolge in der Erbmonarchie mit demokratisch-parlamentarischer Regierungsform, welche sich zum Sozialstaat wandelt. 1960 tritt D. der Europäischen Freihandelszone bei, 1973 der Europäischen Gemeinschaft (bzw. 1993 Europäischen Union). 1979 erhält -> Grönland Autonomie.

Lit.: Dahl, F., Geschichte der dänischen Rechtswissenschaft, 1940; Jorgensen, P., Dansk Retshistorie, 2. A. 1947; Imhof, A., Grundzüge der nordischen Geschichte, 1970; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,991, 2,2,506,1005, 3,4,21; Danske og Norske Lov i 300 ar, hg. v. Tamm, D., 1987, 350; Tamm, D., Retsvidenskaben i Danmark, 1992; Danmark i senmidelalderen, hg. v. Ingesman, P. u. a., 1994; Bohn, R., Dänische Geschichte. 2001. 128 S.

Danzig an der Weichselmündung in die Ostsee wird am Ende des 10. Jh.s als Burg genannt. Seit dem ausgehenden 12. Jh. bringen deutsche Zuwanderer -> lübisches Recht (1263) mit und erhalten 1342/3 -> Kulmer Recht. 1451 unterstellt sich D. Polen, 1793 kommt es an Preußen, 1920 wird es Freie Stadt. 1945/90 fällt es an Polen zurück.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Ruhnau, R., Danzig, 1971; Ruhnau, R., Die Freie Stadt Danzig, 1979

dare (lat.) geben

Darjes, Joachim Georg (1714-1791), Schüler Christian Wolffs, bemüht sich in Jena und Frankfurt an der Oder um eine systematische Gliederung des Privatrechts und entwickelt auf römischrechtlicher Grundlage systematisch das erbrechtliche Parentelensystem. -> Parentel

Lit.: Köbler, DRG 159, 162

Darlehen ist ein je nach Gestaltung entweder einseitig verpflichtender Vertrag oder ein gegenseitiger Vertrag, in welchem sich der eine Teil (Darlehensnehmer) verpflichtet, Geld oder andere vertretbare Sachen in gleicher Art, Güte und Menge, wie er sie von dem anderen Teil (Darleiher) erhält, zurückzuerstatten. Das D. ist in der Form des (lat. [N.]) -> nexum bereits dem altrömischen Recht bekannt (Selbstverpfändung für ein D.). Daneben besteht das formfreie (lat. [N.]) -> mutuum als -> Realkontrakt, aus welchem der Gläubiger die (lat. [F.]) -> condictio als abstrakte Klage erhält. Im frühmittelalterlichen Recht ist D. nur ein Fall der allgemeineren -> Leihe. Gegen das Nehmen eines Entgeltes für das D. wendet sich schon in karolingischer Zeit die christliche Kirche (Lukas 6,35 [lat.]: mutuum date nihil inde sperantes, gebt D. ohne etwas davon zu erhoffen). Gegen den Widerstand der Kirche setzt sich aber mit der Geldwirtschaft das D. durch. Es wird zunächst für Juden, dann auch für andere insofern bevorrechtigte Personen, 1654 durch den jüngsten Rechtsabschied allgemein erlaubt. Allerdings werden Höchstzinssätze (oft 6%) festgesetzt und wird die Berechnung von Zinseszinsen verboten. Im Gefolge des Liberalismus fallen im 19. Jh. die Zinsschranken, doch bewirkt ein wuchermäßiges Verhalten Unwirksamkeit einer Vereinbarung.

Lit.: Kaser §§ 6, 31, 32, 38, 39; Söllner §§ 9, 16, 18; Hübner 591; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 27, 45, 125, 127, 166, 213, 120, 241; Schulz, H., Darlehen und Leihe, Diss. jur. Göttingen 1922; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Daseinsvorsorge ist die vorausplanende Gestaltung menschlichen Seins. Sie wird seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s zunehmend Gegenstand der öffentlichen Verwaltung.-> Leistungsverwaltung

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 197, 259; Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.

Datenschutz ist der Schutz der Daten einer Person vor Missbrauch durch eine andere Person. Er entwickelt sich in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s als Folge der Verbreitung der elektronischen Datenverarbeitung. Zu seiner Ausführung sind besondere staatliche Datenschutzbeauftragte bestellt.

Lit.: Köbler, DRG 260

datio (F.) in solutum (lat.) ist die Leistung an Erfüllungs Statt. Bei ihr wird schon im klassischen römischen Recht der Schuldner nur befreit, wenn sie der Gläubiger als Erfüllung anerkennt.

Lit.: Kaser § 53; Köbler, DRG 62

DDR (Deutsche Demokratische Republik)

decemviri (lat. [M.Pl.]) ist im altrömischen Recht ein Ausschuß von 10 Männern zur Erledigung allgemeiner Angelegenheiten (z. B. -> Zwölftafelgesetz).

Lit.: Kaser § 82; Köbler, DRG 17, 19

De Chasseneuz, Bartholomaeus (1480-1541) veröffentlicht nach dem Rechtsstudium in Dôle, Poitiers, Turin (1497) und Pavia (1499-1502) als Kronanwalt in Autun 1517 (lat.) Commentaria (N.Pl.) in consuetudines ducatus Burgundiae, den ersten großen Kommentar zum partikularen Gewohnheitsrecht (franz. droit coutumier) in Frankreich.

Lit.: Pignot, J., Bartholomaeus de Chasseneuz, 1880, Neudruck 1970; Dugas della Boissony, C., Bartholomaeus de Chasseneuz, Diss. jur. Dijon 1977

Deciani, Tiberio (Udine 1509 - Padua 1582), Patriziersohn, wird nach dem Rechtsstudium in Padua (1523-29) Anwalt in Udine und Venedig (1544). In seinem posthum veröffentlichten (lat.) Tractatus (M.) criminalis (1590, Straftraktat) entwickelt er ansatzweise einen Allgemeinen Teil des Strafrechts mit einem allgemeinen Straftatbestand.

Lit.: Schaffstein, F., Tiberio Deciani, Dt. Recht 3 (1938), 121

Déclaration (F.) des droits de l`homme et du citoyen (franz.) ist die von der Nationalversammlung in Frankreich 1789 angenommene Erklärung der Menschenrechte bzw. Bürgerrechte, die 1791 der Verfassung vorangestellt wird.

Lit.: Zur Geschichte der Erklärung der Menschenrechte, hg. v. Schnur, R., 1964

declaratio (F.) voluntatis (lat.) ist die vom Vernunftrecht der frühen Neuzeit ausgebildete allgemeine Grundfigur der -> Willenserklärung.

Lit.: Köbler, DRG 164; Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

decreta (lat. [N.Pl.]) Entscheidungen -> Dekret

Decretio (F.) Childeberti (lat.) ist ein spätestens am 1. 3. 596 verkündetes Dekret (Kapitular) des fränkischen Königs Childeberts II. für Austrasien (z. B. Eintrittsrecht der Enkel), das überwiegend mit der für Neustrien bezeugten Lex Salica überliefert ist.

Lit.: Eckhardt, W., Die Decretio Childeberti und ihre Überlieferung, ZRG GA 83 (1966)

decretum (lat. [N.]) ist im römischen Prinzipat die Entscheidung (Urteil) des Prinzeps, mit welcher er unmittelbar Recht setzt.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 32

Decretum (N.) Burchardi (lat.) ist die wohl zwischen 1008 und 1012 verfasste Kanonessammlung -> Burchards von Worms.

Lit.: Kroeschell, DRG 1

Decretum (N.) Gratiani (lat.) ist die zwischen 1125 und 1140 (erste, durch vier bzw. fünf Handschriften überlieferte, eher lehrbuchartige Fassung um 1140 mit 1860 canones, zweite, stärker quellensammelnde Fassung um 1144/5?, insgesamt mehr als 600 Handschiften, noch ältere Vorstufe möglicherweise in Handschrift Sankt Gallen, Stiftsbibliothek MS 673) in Bologna von dem Mönch -> Gratian auf Grund zahlreicher älterer Sammlungen zusammengestellte Concordia discordantium canonum (Übereinstimmung widersprüchlicher Regeln). Das Quellensammlung und Lehrbuch in sich vereinende D. G. stellt ohne strenge Systematik die bis zum dritten lateranischen Konzil (1139) entstandenen kirchlichen Rechtssätze (Konsilscanones, päpstliche Dekretalen, Texte von Kirchenvätern [ca. 25%], insgesamt 3945 canones) zusammen. Sein erster Teil enthält 101 in Kapitel (c.) geteilte Distinktionen (D.) oder allgemeine Bestimmungen und beginnt mit einer allgemeinen Rechtslehre. Der zweite Teil befasst sich mit 36 in Untersuchungen und Kapitel gegliederten Fällen oder (lat.) causae (C.), welche beispielsweise das Eherecht (C. 27ff.) oder die Buße (C. 33) betreffen. Der dritte Teil stellt in 5 Distinktionen (und Kapiteln) das Recht der Weihe und anderer Sakramente dar. Eine wichtige Quelle sind die Sammlungen des Ivo von Chartres, ein bedeutsames Vorbild Alger von Lüttichs (lat.) De misericordia et iustitia (Von Barmherzigkeit und Gerechtigkeit). An das D. G. schließt sich bald (vor 1150) eine wissenschaftliche Behandlung an, deren Glossen -> Johannes Teutonicus zu einer (lat.) glossa (F.) ordinaria zum D. G. zusammenfasst. Später bildet das D. G. den ersten Teil des (lat.) -> corpus (N.) iuris canonici. Vielleicht stammt die Gliederung in Distinktionen von dem auch Zusätze verfassenden Schüler Paucapalea. Zitierweisen sind z. B. D. 20. C. 2 oder C. 9 q. 3 c. 11 oder De poen. D. 5 c. 3.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 102; Studia Gratiana, Bd. 1ff. 1953ff.; Gaudemet, J., Das römische Recht in Gratians Dekret, Österreich. Archiv f. Kirchenrecht 12 (1961), 177; Landau, P., Forschungen zu vorgratianischen Kanonessammlungen und den Quellen des gratianischen Dekrets, Ius commune 11 (1984), 81; Winroth, A., The Two Recensions of Gratian’s Decretum, ZRG KA 83 (1997); Weigand, R., Das kirchliche Wahlrecht im Dekret Gratians, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997, 1331; Beyer, A., Lokale Abbreviationen des Decretum Gratiani, 1998; Larrainzar, C., El borrador de la „Concordia“ de Graciano – Sankt Gallen Stiftsbibliothek MS 673, Ius Ecclesiae 11 (1999), 593; Winroth, A., The Making of Gratian’s Decretum, 2000

 

Decretum (N.) Tassilonis (lat.) ist die Bezeichnung für die Beschlüsse der Synoden (Versammlungen) von Aschheim, Dingolfing und Neuching, welche unter Herzog Tassilo III. von Bayern (748-788) um 756, um 770 und 771 zur Regelung kirchenrechtlicher Fragen stattfinden.

Lit.: Barion, H., Die Verfassung der bayerischen Synoden des 8. Jahrhunderts, Röm. Quartalschrift 38 (1930), 90; Landau, P., Kanonessammlungen in Bayern, in: FS K. Reindel, 1995, 137

Decurio (M.) de gradus (lat.) ist eine spätantike (6./7. Jh.?) systematische Übersicht über das staatliche Ämterwesen (Kommandos, Staatsämter, Monarchen, Hofämter, städtische Ämter, soziale Klassen und grundherrliche Amtsträger), welche vielleicht nur Lehrzwecken dient und der Wirklichkeit nicht vollständig entspricht.

Lit.: Beyerle, F., Das frühmittelalterliche Schulheft vom Ämterwesen, ZRG GA 69 (1952), 1

dediticius (lat. [M.]) ist im römischen Recht der gewaltunterworfene Reichsangehörige (str.).

Lit.: Kaser §§ 3, 13, 16; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 30; Köbler, DRG 35, 57

Defensor (M.) pacis (lat. Verteidiger des Friedens) (1324) ist die wichtigste staatsrechtliche Schrift des -> Marsilius von Padua, in welcher er von der Herrschaft des Kaisers über die christliche Kirche ausgeht.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 109; Segall, H., Der „Defensor pacis“ des Marsilius von Padua, 1959

Definition (F.) ist die Inhaltsbestimmung eines Begriffs. Sie erfolgt durch Angabe des übergeordneten Gattungsbegriffs und durch Angabe des innerhalb der Gattung aussondernden Einzelmerkmals (z. B. Frau ist der Mensch, der weiblich ist). Insbesondere seit dem 18. Jh. werden diese Anforderungen präzisiert.

Lit.: Schröder, J., Definition und Deskription, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Forgó, N., Omnis definitio in iure civili periculosa est, in: Kontinuitäten und Zäsuren, 1999, 23

Deichrecht ist die Gesamtheit der den Deich betreffenden Rechtssätze, wie sie sich seit dem 11. Jh. vor allem an der Nordsee entwickeln. Dazu bildet sich zunächst teils freiwillig, teils herrschaftlich ein Deichverband als Zwangsgenossenschaft der durch den Deich unmittelbar geschützten Grundstücksberechtigten. Der Deichverband ist Eigentümer des Deiches und verwaltet ihn durch eigene Organe (Deichgraf, Deichschöffe, Deichgericht), sofern hierfür nicht die Gesamtheit zuständig ist. Der Deich ist in Teile (Kabeln, Pfänder, Lose) zerlegt, für welche ein jeweiliges Grundstück (d. h. sein Nutzer oder Eigentümer) zu sorgen hat (Deichlast als Art Reallast). Wer sein Kabel nicht ordnungsgemäß unterhält, muss mit dem Verlust seines Grundeigentums rechnen (Wer nicht kann deichen, muss weichen bzw. wer nicht will deichen, darf weichen). Seit dem 16. Jh. wird der Deichverband zur Staatsanstalt, die Deichbaupflicht zur öffentlichen Last gegenüber dem Deichregalträger. Das 19. Jh. kehrt zur Selbstverwaltung der Deichverbände zurück (Preußen 1848). Seit dem preußischen Wassergesetz des Jahres 1913 werden die Deichverbände als Wassergenossenschaften behandelt.

Lit.: Gierke, J. v., Die Geschichte des deutschen Deichrechts, Teil 1f. 1901ff.; Fockema Andreae, S., Het hoogheemraadschap van Rijnland, 1934; Winsemius, J., De historische ontwikkeling van het waterstaatsrecht in Friesland, 1947; Linden, H. van der, De Cope, 1955; Ostfriesland im Schutze des Deiches, hg. v. Ohling, J., 1969; Blok, D., Wie alt sind die ältesten niederländischen Deiche, in: Probleme der Küstenforschung 15 (1984), 1

Dei gratia (lat. [F.]) ist eine von Karl dem Großen 768 nach biblischem und auch kirchlichem Vorbild (6. Jh.) aufgegriffene, zunächst nur religiös zu verstehende Formel, mit welcher der irdische Herrscher zum Ausdruck bringen will, dass seine Stellung von Gottes Gnade herrührt. Ob die Vermittlung durch den Papst erfolgen muss, ist zeitweise streitig.

Lit.: Köbler, DRG 83; Kern, F., Gottesgnadentum und Widerstandsrecht im frühen Mittelalter, 1912, 7. A. 1980; Schmitz, K., Ursprung und Geschichte der Devotionsformeln, 1913; Körntgen, L., Königsherrschaft und Gottes Gnade, hg. v. Goetz, H. u. a., Bd. 2 2000

Dekalog sind die zehn Gebote, welche Moses auf dem Sinai (von Gott) empfängt (2. Moses 20,2-17, 5. Moses 5,6-21). Der D. enthält klare Regeln für wichtige gesellschaftliche Störungen. Die zugehörigen, den Nichtjuden durch das Christentum vermittelten Lösungen beeinflussen das weltliche Recht großer Teile der gesamten Menschheit bis in die Gegenwart.

Lit.: Weber, H. v., Der Dekalog als Grundlage der Verbrechenssystematik, FS W. Sauer, 1949, 44; Hossfeld, F., Der Dekalog, 1982

Dekan (M.) ist ein kirchlicher wie weltlicher Amtsträger.

Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972

Dekret ist allgemein die obrigkeitliche Entscheidung. Im Kirchenrecht ist D. das -> Decretum Gratiani.

Lit.: Söllner § 15; Köbler, DRG 102; Dekrete der ökumenischen Konzilien, hg. v. Wohlmuth, J., Bd. 1ff. 1997ff.

Dekretale ist die seit dem 4. Jh. n. Chr. (385 n. Chr. Directa ad decessorem) sichtbare, vor allem in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts mit rund 1100 erhaltenen Zeugnissen zahlenmäßig sehr häufige Entscheidung des Papstes in einem einzelnen Fall sowie später der sie verkündende feierliche Erlaß. Sammlungen von Dekretalen sind beispielsweise die Sammlung des Dionysius Exiguus, die pseudoisidorischen Fälschungen, die Collectio Britannica oder die zwischen 1187 und 1226 entstandenen sog. compilationes antiquae (lat. [F.Pl.] alte Sammlungen, compilatio prima [=Breviarum extra-vagantium] 1188-1191 Bernardus Balbi von Pavia [vor allem Dekretalen Alexanders III.] in 5 Büchern, compilatio secunda 1210-1212 [Dekretalen zwischen 1191 und 1198], compilatio tertia 1209/1210 Petrus Beneventanus [erste authentische Sammlung], compilatio quarta 1215 Johannes Teutonicus, compilatio quinta 1226 Tancred). Sie werden auf Grund eines von Papst Gregor IX. (1227-1241) 1230 erteilten Auftrags von dem spanischen Kirchenrechtler -> Raymundus de Penyafort zu einer neuen ergänzten Dekretalensammlung vereinigt, welche am 5. 9. 1234 als (lat.) Liber (M.) (decretalium) extra (Decretum Gratiani) veröffentlicht wird. Sie gliedert sich in fünf Bücher (Richter, Gericht, Klerus, Ehe, Verbrechen). Sie ersetzt alle älteren Sammlungen der Dekretalen. Eine zugehörige (lat.) glossa (F.) ordinaria stammt von -> Johannes Andreae (+1348).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 102, 108; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Landau, P., Die Entstehung der systematischen Dekretalensammlungen, ZRG KA 66 (1979), 120; Kuttner, S., Medieval Councils, Decretals and Collections, 1980; Landau, P., Rechtsfortbildung im Dekretalenrecht, ZRG KA 117 (2000), 86

Dekretalist ist der die -> Dekretalen (1234) bearbeitende Kirchenrechtler (z. B. Johannes Andreae, Tancred, Innozenz IV., Hostiensis, Durantis, Baldus, Zabarella, Nikolaus de Tudeschis).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Kuttner, S., Gratian and the Schools of Law, 1983

Dekretist ist der das -> Dekret Gratians bearbeitende Kirchenrechtler (z. B. Paucapalea, Rufinus, Stephan von Tournai, Huguccio, Johannes Teutonicus).

Lit.: Kuttner, S., Gratian and the Schools of Law, 1983

De laudibus legum Angliae (lat., Über die Vorzüge des englischen Rechts) ist eine 1470 vom Richter Sir John -> Fortescue verfasste Darstellung des -> englischen Rechts im Vergleich zum festländischen Recht.

Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 3. A. 1990

Delegation ist die Übertragung einer Aufgabe oder Zuständigkeit auf einen oder mehrere andere. Sie ist bereits der römischen Kaiserzeit bekannt. Im Mittelalter erfolgt die D. weltlicher oder geistlicher Gerichtsbarkeit seit dem 12. Jh. (lat. iurisdictio [F.] delegata). Im Heiligen Römischen Reich wird die D. seit der Errichtung des Reichskammergerichts eingeschränkt, in der Kirche seit den Konzilen von Konstanz, Basel und Trient, in den deutschen Ländern seit dem 18. Jh.

Lit.: Canstein, v., Jurisdictio delegata und mandata im justinianischen und kanonischen Rechte, ZRG 13 (1878), 491; Triepel, H., Delegation und Mandat im öffentlichen Recht, 1942; Endemann, W., Der Begriff der delegatio, 1959; Müller, H., Päpstliche Delegationsgerichtsbarkeit in der Normandie, 1997

De legibus et consuetudinibus regni Angliae (lat.) (Treatise on the Laws and Customs of England, Über die Gesetze und Gewohnheiten des Königreichs England) ist eine kurze, in lateinischer Sprache abgefasste Darstellung des englischen Rechtes (common law) des 12. Jh.s (1187-1189?) auf der Grundlage der Rechtsprechung der königlichen Gerichte (ausgenommen das siebente, Erbrecht behandelnde Buch). Als Verfasser gilt Ranulf de -> Glanvill. Ein Einfluss des römischen Rechts ist nur in terminologischer Hinsicht zweifelsfrei.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 3. A. 1990, 200

delictum (lat. [N.]) ist im römischen Recht die den einzelnen, seine Familie oder sein Vermögen verletzende Tat. Voraussetzung ist Rechtswidrigkeit und regelmäßig Vorsatz. Rechtsfolge ist anfangs die Vergeltung am Täter selbst (z. B. Tötung, Körperverletzung), später die an die Stelle des Racherechts tretende Buße in Geld (lat. [F.] poena), welche entweder in einem bestimmten Metallwert oder in einem Vielfachen des Wertes des betroffenen Gegenstandes bestehen kann. In der Spätantike wird im Westen seit dem 4. Jh. zwischen Verbrechen und -> Delikt begrifflich nicht mehr unterschieden und das Ziel des nichtkriminellen Verfahrens mehr und mehr als Schadensersatz verstanden. Justinian hält demgegenüber strenger am klassischen Gedankengut fest, setzt aber je nach Nützlichkeit der Angelegenheit für den Handelnden für die Ersatzpflicht meist einen der verschiedenen Grade von Schuld voraus.

Lit.: Kaser § 50; Köbler, DRG 26, 48, 65; Köbler, LAW; Jentsch, H., Die Entwicklung von den Einzeltatbeständen des Deliktsrechts zur Generalnorm, 1939; Caemmerer, E. v., Wandlungen des Deliktsrechts, FS zum hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages, 1964, 49

Delikt ist die rechtswidrige schuldhafte Tat. Ihr folgt teils -> Strafe, teils Buße. Dabei wird mit der Aufnahme des römischen Rechts auch die Figur des (lat. [N.]) -> delictum übernommen. Im Strafrecht ist D. die mit öffentlicher Strafe bedrohte Handlung, im Privatrecht die unerlaubte, zu Schadensersatz verpflichtende Handlung.

Lit.: Köbler, DRG 48, 65, 166, 264; Jentsch, H., Die Entwicklung von den Einzeltatbeständen des Deliktsrechts zur Generalnorm, 1939; Caemmerer, E. v., Wandlungen des Deliktsrechts, FS zum hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages, 1964, 49; Kötz, H., Deliktsrecht, 8. A. 1998; Bar, C. v., Gemeineuropäisches Deliktsrecht, 1996; Zimmermann, R./Verse, D., Die Reaktion des Reichsgerichts auf die Kodifikation des deutschen Deliktsrechts, in: Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 319

Demagogenverfolgung ist die staatliche Verfolgung „revolutionärer Umtriebe und demagogischer Verbindungen“ durch den -> Deutschen Bund auf Grund der am 20. 9. 1819 vom Deutschen Bundestag einstimmig angenommenen -> Karlsbader Beschlüsse. Sie besteht beispielsweise in der Aufhebung der Zensurfreiheit von Universitätsprofessoren, in der Beseitigung von Rechtshindernissen für die Entlassung von Geistlichen und in der Schaffung von Rechtsgrundlagen für die Entfernung von Studenten von der Universität.

Lit.: Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 3. A. 1997, § 30

Demokratie ist die erstmals in -> Athen unter Kleisthenes (508 v. Chr.) verwirklichte Herrschaft des Volkes in einem Gemeinwesen. Nach der Antike gewinnt die D. erst wieder seit der Französischen Revolution des Jahres 1789 tatsächliche Bedeutung. Dabei wird teils auf die vollständige Gleichheit und Beteiligung aller an der Herrschaft abgestellt, teils auf Gewaltenteilung, Grundrechte, Rechtsstaatlichkeit und Repräsentativsystem. Im einzelnen sind die Formen der verwirklichten D. dementsprechend verschieden.

Lit.: Köbler, DRG 256; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 821; Blumer, J., Staats- und Rechtsgeschichte der schweizerischen Demokratien, 1850ff.; Schefold, D., Volkssouveränität und repräsentative Demokratie, 1966; Boldt, W., Konstitutionelle Monarchie oder parlamentarische Demokratie, HZ 216 (1973), 553; Tormen, W., Zwischen Rätediktatur und sozialer Demokratie, 1951; Schiffers, R., Elemente direkter Demokratie im Weimarer Regierungssystem, 1971; Biographisches Lexikon zur Geschichte der demokratischen und liberalen Bewegungen in Mitteleuropa, hg. v. Reinalter, H. u. a., Bd. 1 1992; Bleicken, J., Die athenische Demokratie, 4. A. 1995; Die athenische Demokratie, hg. v. Eder, W., 1995; Hansen, M., Die athenische Demokratie, 1995; Demokratie in Rom?, hg. v. Jehne, M., 1995; Rudolph, K., Bibliographie zur Geschichte der Demokratiebewegung, 1997; Backes, U., Liberalismus und Demokratie, 2000; Lamprecht, O., Das Streben nach Demokratie, Volkssouveränität und Menschenrechten in Deutschland am Ende des 18. Jahrhunderts, 2001; Die Anfänge des Liberalismus und der Demokratie in Deutschland und Österreich 1830-1848/49, hg. v. Reinalter, H., 2002

Demolombe, Jean Charles Florent (1804-1887) verfasst als Zivilrechtslehrer in Caen einen 31bändigen, unvollendeten Kommentar (Cours) zum -> Code civil (1845ff.).

Lit.: Jouen, L., Demolombe et ses oeuvres, 1888

Denkmalsrecht ist die Gesamtheit der überlieferten Zeugnisse eines Vorgangs oder einer Erscheinung betreffenden Rechtssätze. Vorformen des modernen Denkmalrechts gibt es vereinzelt bereits im Altertum und im Mittelalter. Die umfassenden gesetzlichen Regelungen gehören erst der jüngeren Neuzeit an.

Lit.: Hammer, F., Die geschichtliche Entwicklung des Denkmalrechts in Deutschland, 1995; Denkmalpflege, hg. v. Huse, N., 1996; Speitkamp, W., Die Verwaltung der Geschichte, 1996

denuntiatio (F.) evangelica (lat.) ist die lateinische Bezeichnung des auf Matthäus 18,15-17 zurückgehenden kirchlichen Anzeigeverfahrens über ein Fehlverhalten. Dieses setzt seit Innozenz III. (1199/1209) ein Verhalten gegen die Interessen der Kirche voraus, das der Vorgesetzte nach vergeblichen Ermahnungen anzeigen darf. Die Auferlegung einer Buße erfolgt in einem freien Verfahren. Gegen Ende des 17. Jh.s verliert die d. e. als besonderes Verfahren ihre Bedeutung wieder.

Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972, 439; Sauerland, K., 30 (Dreißig) Silberlinge, 2000

depositio (lat. [F.]) ist die -> Hinterlegung an einer bestimmten öffentlichen Stelle, die bereits im klassischen römischen Recht bei Gläubigerverzug dem Schuldner bestimmte Erleichterungen verschafft.

Lit.: Kaser § 53 I; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

depositum (lat. [N.]) ist im römischen Recht die -> Hinterlegung einer beweglichen Sache, welche der Verwahrer zurückzugeben hat, sobald es der Hinterleger verlangt. Gibt der Verwahrer nicht zurück, so hat nach dem Zwölftafelgesetz der Hinterleger eine Klage wegen Unterschlagung auf das Doppelte. Später entwickelt sich hieraus eine Klage aus Vertrag auf grundsätzlich nur den einfachen Wert.

Lit.: Kaser § 39 III; Söllner § 9; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 45

Depot (N.) (Verwahrung, Verwahrungsort)

Depotgesetz ist das für Deutschland 1896 geschaffene Gesetz über die Verwahrung von Wertpapieren.

Lit.: Buxbaum, C., Anlegerschutz zwischen Bankbedingungen und Rechtsnormen, 2002

Deputat (N.) Zugeschriebenes, Arbeitsentgelt in Sachleistung

Derby (ae. Northworthige) am Derwent geht auf das römische Lager Derventio zurück. 1204 erlangt es Stadtrecht. 1841 wird es Sitz einer Universität.

Lit.: Wright, S., The Derbyshire Gentry, 1983

derelictio (lat. [F.]) ist im römischen Recht die Aufgabe von -> Eigentum und -> Besitz durch einen bisherigen Eigentümer ohne Zuwendung an einen neuen Eigentümer. Das Eigentum erlischt nach den Sabinianern mit der Preisgabe, nach den Prokulianern mit der Aneignung durch einen anderen.

Lit.: Kaser § 26; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Der Hehler ist nicht besser als der Stehler.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 170 (Graf/Dietherr 1864)

derivativ (abgeleitet)

derivativer Erwerb, abgeleiteter -> Eigentumserwerb

Der König ist gemeiner Richter überall.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 211 (Sachsenspiegel, 1221-4, Landrecht III 26 § 1)

Dernburg, Heinrich (Mainz 3. 3. 1829 - Berlin 23. 11. 1907), Sohn eines jüdischen, 1841 getauften Gießener Rechtsprofessors, wird nach dem Studium in Gießen und der Habilitation in Heidelberg (1852) Professor in Zürich, Halle (1862) und Berlin (1872). 1871 veröffentlicht er neben der Tätigkeit im preußischen Herrenhaus ein dreibändiges Lehrbuch des preußischen Privatrechts, 1884 ein dreibändiges Lehrbuch des Pandektenrechts und 1898 ein dreibändiges Lehrbuch des bürgerlichen Rechts des Deutschen Reiches und Preußens.

Lit.: Süss, W., Heinrich Dernburg, 1991; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 231

Descartes (Cartesius), René (La Haye 31. 3. 1596 – Stockholm 11. 2. 1650), wird nach dem Besuch der Jesuitenschule La Flèche Mathematiker und Philosoph. Als einzige Gewißheit gilt ihm die Selbstgewißheit im Denken (lat. cogito, ergo sum, ich denke, also bin ich). Hieraus entwickelt er durch vernunftbezogene (deduktiv) Ableitung das systematische Gedankengebäude des Rationalismus, der die Aufklärung fördert.

Lit.: Röd, W., Die Genese des Cartesianischen Rationalismus, 3. A. 1995; Schütt, H., Die Adoption des Vaters der modernen Philosophie, 1998; Descartes im Diskurs der Neuzeit, hg. v. Niebel, W. u. a., 1999; Schultz, U., Descartes, 2001

Desertion (F.) Fahnenflucht

Designation ist die (während einer Amtszeit erfolgende) Berufung eines Menschen in ein Amt oder eine Herrschaft (als Nachfolger). Sie kann dort stattfinden, wo Erblichkeit nicht gilt oder grundsätzlich mehrere Erben nebeneinander berechtigt sind. Bedeutung erlangt die D. in der Form der Einigung des Königs mit den Großen insbesondere für das Königtum im fränkisch-deutschen Reich zwischen dem 9. und 13. Jh. (z. B. Bestimmung Lothars I. zum Mitkaiser Ludwigs des Frommen 817).

Lit.: Mitteis, H., Die deutsche Königswahl, 2. A. 1944, Neudruck 1965, 1981, 36; Wolf, G., Über die Wort- und Rechtsbedeutung von „designare“, ZRG GA 75 (1958), 367; Giese, W., Zu den Designationen, ZRG GA 92 (1975), 174

detentio (lat. [F.]) -> Innehabung

detentor (lat. [M.]) Inhaber, -> Innehabung

deutsch ist ein zu ahd. diot, F., Volk (bzw. vielleicht schon in der Völkerwanderungszeit zu germ. *theuda, F., Volk, idg. *teuto, F., Volk) gebildetes Adjektiv (diotisk), das zunächst in seinen ältesten Belegen (8. Jh.) den sprachlichen Gegensatz der Volkssprache zum Lateinischen zum Ausdruck zu bringen scheint und erst gegen Ende des Frühmittelalters auf ein neues einheitliches Volk bezogen wird.

Lit.: Köbler, DRG 76; Köbler, WAS; Thomas, H., Der Ursprung des Wortes theodiscus, HZ 247 (1988), 295; Jarnut, J., Teotischiis homines (a. 816), MIÖG 104 (1996), 26; Jacobs, H., Theodisk im Frankenreich, 1998

Deutsche Arbeitsfront (DAF) der Unternehmer und Lohnabhängigen ist die 1933 die Gewerkschaft ersetzende nationalsozialistische Einrichtung des Arbeitswesens, die 1936 rund 20 000 000 (freiwillige) Mitglieder hat.

Lit.: Köbler, DRG 242

Deutsche Bank ist die führende Aktiengesellschaft des Bankwesens in Deutschland.

Lit.: Gall, L. u. a., Die Deutsche Bank 1870-1995, 1995; James, H., Die Deutsche Bank und die Arisierung. 2001

Deutsche Bundesakte (1815) ist die auf völkerrechtlicher Vereinbarung beruhende Verfassung des -> Deutschen Bundes.

Deutsche Demokratische Republik (DDR) ist der am 7. 10. 1949 aus der sowjetisch besetzten Ostzone des Deutschen Reiches als Volksrepublik nach sowjetischem Muster entstandene, nach dem Mauerbau seit 13. 8. 1961 künstlich abgeschlossene, durch Öffnung der Mauer am 9. 11. 1989 wieder frei zugängliche, zum 3. 10. 1990 durch Beitritt in der Bundesrepublik Deutschland aufgegangene deutsche Staat. Die DDR ist von der 1946 aus Kommunistischer Partei und Sozialdemokratischer Partei hervorgegangenen Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) beherrscht (24. 1. 1950 Beschluss zur Gründung eines eigenen Kabinettsressorts für Staatssicherheit, 1989 91000 Mitarbeiter, 173000 informelle Mitarbeiter, 110000 politische Häftlinge). Die Wirtschaft ist zentralistische Planwirtschaft, die Gesellschaft egalitär und die Geisteshaltung materialistisch ausgerichtet. Die äußerlich konservative, aber weder Gewaltenteilung noch Opposition kennende Verfassung vom 7. 10. 1949 wird durch eine zweite, die sozialistischen Errungenschaften absichernde, am 7. 10. 1974 die Vorstellung einer deutschen Nation preisgebende Verfassung abgelöst. Wichtigste Staatsorgane sind schließlich Staatsrat (9 Mitglieder), Ministerrat (7 Mitglieder), Volkskammer (sowie Sekretariat des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und Politbüro des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands mit den zusätzlichen Einrichtungen Nationaler Verteidigungsrat, Freier Deutscher Gewerkschaftsbund, Gesellschaft für deutsch-sowjetische Freundschaft und Präsidium des Nationalrates der Nationalen Front). Die Verwaltung kennt weder Föderalismus noch kommunale Selbstverwaltung noch Berufsbeamtentum. Die in das Oberste Gericht, Bezirksgerichte und Kreisgerichte gegliederte Gerichtsbarkeit entbehrt einer Verfassungsgerichtsbarkeit und einer Verwaltungsgerichtsbarkeit, ist aber von besonderen gesellschaftlichen Gerichten ergänzt. Das Reichsstrafgesetzbuch des Jahres 1871 wird von einem eigenen Strafgesetzbuch (12. 1. 1968) abgelöst, das bis 1987 an der Todesstrafe festhält. Das Bürgerliche Gesetzbuch wird zum 1. 1. 1976 durch ein vereinfachendes Zivilgesetzbuch (19. 6. 1975) ersetzt, in dem Vertrag, Eigentum und Erbrecht von geringer Bedeutung sind. Das Familienrecht ist durch ein Familiengesetzbuch vom 20. 12. 1965 geordnet, das Arbeitsrecht durch ein Arbeitsgesetzbuch (12. 4. 1961).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 245, 250, 261ff., 271ff.; Geschichte der Rechtspflege der DDR, hg. v. Benjamin, H., Bd. 1f. 1968ff.; Markovits, Sozialismus und bürgerliches Zivilrechtsdenken, 1969; Reiland, W., Die gesellschaftlichen Gerichte der DDR, 1971; Suermann, Verwaltungsrechtsschutz in der DDR, Diss. jur. Götttingen 1971; Ortslexikon der Deutschen Demokratischen Republik, 2. A. 1974; Bundesrepublik Deutschland - Deutsche Demokratische Republik, hg. v. Hamel, H., 1977; Brunner, G., Einführung in das Recht der DDR, 2. A. 1979; Schuller, W., Geschichte und Struktur des politischen Strafrechts in der DDR bis 1968, 1980; BRD und DDR. Die beiden deutschen Staaten im Vergleich, hg. v. Jesse, E., 1981; Staats- und Rechtsgeschichte der DDR, hg. v. d. Humboldt-Universität, 1983; Schroeder, F., Das Strafrecht des realen Sozialismus, 1983; Staritz, D., Die Gründung der DDR, 1985; Weber, H., Die DDR 1945-1990, 3. A. 2000; Das Oberste Gericht der DDR - Rechtsprechung im Dienste des Volkes, 1989; Fricke, K., Politik und Justiz in der DDR, 2. A. 1990; Rechtsgeschichte in den beiden deutschen Staaten, hg. v. Mohnhaupt, H., 1991; Brunner, G., Was bleibt übrig vom DDR-Recht nach der Wiedervereinigung?, JuS 1991, 353; Markovits, Die Abwicklung, 1992; Steuerung der Justiz in der DDR, hg. v. Rottleuthner, H., 1994; Eine Diktatur vor Gericht, hg. v. Weber, J. u. a., 1995; Das Zivilgesetzbuch der DDR vom 19. Juni 1975, hg. v. Eckert, J. u. a., 1995; Werkentin, F., Politische Strafjustiz in der Ära Ulbricht, 1995; Die Rechtsordnung der DDR, hg. v. Heuer, U., 1995; Beckert, Die erste und letzte Instanz, 1995; Mielke, H., Die Auflösung der Länder in der SBZ/DDR, 1995; Lindner, N., Der Übergang des Rechts der Wirtschaft von der Plan- zur Marktwirtschaft in Ostdeutschland, 1996; Rechtswissenschaft in der DDR 1949-1971, hg. v. Dreier, R. u. a., 1996; Amos, H., Justizverwaltung in der SBZ/DDR, 1996; Hauschild, I., Von der Sowjetzone zur DDR, 1996; Liwinska, Die juristische Ausbildung in der DDR, Diss. jur. Berlin, 1996; Mampel, Die sozialistische Verfassung, 3. A. 1996; Wendel, E., Ulbricht als Richter und Henker, 1996; Amos, H., Justizverwaltung in der SBZ/DDR, 1996; Johmann, U., Die Entwicklung des Sozialrechts in der DDR, 1996; Liwinska, M., Die juristische Ausbildung in der DDR, 1997; Haerendel, H., Gesellschaftliche Gerichtsbarkeit, 1997; Rechtserfahrung DDR, hg. v. Dilcher, G,. 1997; Feth, A., Hilde Benjamin, 1997; Die Deutsche Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft „Walter Ulbricht“, 1997; Immisch, L,. Der sozialistische Richter in der DDR, 1997; Heitmann, S., Die Revolution in der Spur des Rechts, 1997; Kaiser, M., Machtwechsel von Ulbricht zu Honecker, 1997; Harendel, H., Gesellschaftliche Gerichtsbarkeit, 1997; Trute, H., Die Überleitung des Personals, 1997; Lexikon des DDR-Sozialismus, hg. v. Eppelmann, R., 2. A. 1997; Walter, M., Die Freie Deutsche Jugend, 1997; Kraut, G., Rechtsbeugung?, 1997; Kluge, U. u. a., Willfährige Propagandisten, 1997; Mählert, U. Kleine Geschichte der DDR, 1998; Offenberg, U., Seid vorsichtig gegen die Machthaber, 1998; 50 Jahre DDR, hg. v. Handloik, V./Hauswald, H., 1998; Schroeder, K., Der SED-Staat, 1998; Recht und Rechtswissenschaft im mitteldeutschen Raum, hg. v. Lück, H., 1998; Lorenz, T., Die Rechtsanwaltschaft in der DDR, 1998; Die Strafrechtsjustiz der DDR, hg. v. Drobnig, U., 1998; Hoffmann, H., Die Betriebe mit staatlicher Beteiligung, 1998; Laufs, A., Recht und Unrecht in der DDR, 1998; Lorenz, T., Die Rechtsanwaltschaft in der DDR, 1998; Grote, M., Die DDR-Justiz vor Gericht, Diss. jur. Hannover 1998; 50 Jahre DDR, hg. v. Drommer, G., 1999; Maier, C., Das Verschwinden der DDR und der Untergang des Kommunismus, 1999; Zum Stand der Deutschen Einheit: Recht und innere Sicherheit, NJW 1999,1450; Widerstand und Opposition in der DDR, hg. v. Henke, K., 1999; Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im Prozess der deutschen Einheit, hg. v. Deutschen Bundestag, Bd. 1ff. 1999; Papier, H./Möller, J., Die rechtsstaatliche Bewältigung von Regime-Unrecht, NJW 1999, 3289; Wagner, H., Hilde Benjamin und die Stalinisierung der DDR-Justiz, 1999; Zivilrechtskultur der DDR, hg. v. Schröder, R., 1999ff.;Kloth, H., Vom Zettelfalten zum freien Wählen, 2000; Raschka, J., Justizpolitik im SED-Staat, 2000; Grün, B., Vom Teilungsunrecht zum Wiedervereinigungsrecht, 2000; Rössler, R., Justizpolitik in der SBZ/DDR, 2000; Lexikon Opposition und Widerstand in der SED-Diktatur, hg. v. Veen, H., 2000; Strafjustiz und DDR-Unrecht. Dokumentation, hg. v. Marxen, K. u. a., Band 1 Wahlfälschung, 2000; Schroeder, F., Zehn Jahre strafrechtliche Aufarbeitung des DDR-Unrechts, NJW 2000, 3017; Rummler, T., Die Gewalttaten an der deutsch-deutschen Grenze, 2000; Fahnenschmidt, W., DDR-Funktionäre vor Gericht, 2000; Thiemrodt, I., Strafjustiz und DDR-Spionage, 2000; Hohoff, U., An den Grenzen des Rechtsbeugungstatbestandes, 2000; Mierau, J., Die juristischen Abschluss- und Diplomprüfungen in der SBZ/DDR, 2000; Die DDR – Recht und Justiz als politisches Instrument, hg. v. Timmermann, H., 2000; Die DDR und der Westen, hg. v. Pfeil, U., 2001; Mollnau, M., Die Bodenrechtsentwicklung in der SBZ/DDR, 2001; Gieseke, J., Mielke-Konzern, 2001; Eine Revolution und ihre Folgen, hg. v. Jesse, E., 2001; Schäfer, B., Staat und katholische Kirche in der DDR, 2. A. 1999; Raschka, J., Zwischen Überwachung und Repression, 2001; Wulf, M., Erich Honecker, 2001; Schönfeldt, H., Vom Schiedsmann zur Schiedskommission, 2002; Ihme-Tuchel, B., Die DDR, 2002; Holzweißig, G., Die schärfste Waffe der Partei – Eine Mediengeschichte der DDR, 2002; Mahlmann, C., Die Strafrechtswissenschaft der DDR, 2002; Heuer, U., Im Streit, 2002; Blümmel, R., Der Opferaspekt bei der strafrechtlichen Vergangenheitsbewältigung, 2002; Horstmann, T., Logik der Willkür. Die zentrale Kommission für staatliche Kontrolle, 2002; Reichhelm, N., Die marxistisch-leninistische Staats- und Rechtstheorie Karl Polaks, 2003

deutsche Nationalgesetzgebung -> Kodifikationsstreit, -> Allgemeine Deutsche Wechselordnung, -> Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch

Deutschenspiegel ist ein durch eine einzige vollständige, aus dem frühen 14. Jh. stammende, aus Neustift bei Brixen kommende Handschrift und einige verstreute Artikel (in 18 Handschriften) überliefertes, mittelbayerisches Rechtsbuch (spiegel aller tiuscher liute). Der D. beruht wahrscheinlich auf einer mitteloberdeutschen Übersetzung einer Handschrift der Klasse Ib des -> Sachsenspiegels (und vielleicht einer wohl in Augsburg erfolgten Bearbeitung des Sachsenspiegels), wobei die Artikel 1 bis 109 des Landrechts unter Verwendung der Kaiserchronik, des Buchs der Könige und zweier Gedichte des Strickers, der (römischrechtlichen) Institutionen, der (kirchenrechtlichen) Summa Raymundi (von Penyafort) und des Mainzer Reichslandfriedens, zweier Reichsgesetze vom 19. 2. 1274 sowie vor allem Augsburger Gewohnheitsrecht umgestaltet sind, die Art. 110ff. und das Lehnrecht dagegen im wesentlichen unbearbeitet ihre Vorlage(n) übernehmen. Vermutlich ist der D. 1275/6 in Augsburg als Privatarbeit (eines Minoriten) entstanden. -> Schwabenspiegel

Lit.: Köbler, DRG 103; Eckhardt, K., Der Deutschenspiegel, 1924; Deutschenspiegel, hg. v. Eckhardt, K., 1971; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 33

deutsche Rechtsgeschichte ist allgemein die Geschichte des in Deutschland geltenden Rechtes einschließlich der Geschichte seiner Wurzeln (oder bei engerer Betrachtungsweise die Geschichte des aus germanistischer Wurzel stammenden Rechtes) (in Deutschland).

Lit.: Kroeschell, DRG; Köbler, DRG; Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsche Rechtsgeschichte, 19. A. 1992

Deutscher Bund ist der als unauflöslich geplante völkerrechtliche Zusammenschluss (Verein, Staatenbund) von (39) souveränen deutschen Einzelstaaten auf der Grundlage der -> Deutschen Bundesakte (8. 6. 1815) und der Wiener Schlussakte (15. 5. 1820). Er folgt auf die Erkenntnis, dass mit der Niederlegung der Krone des -> Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) durch Kaiser Franz II. am 6. 8. 1806 das Reich auch rechtlich untergegangen ist und eine Restauration wegen der egoistischen Interessen der damit souverän gewordenen deutschen Fürsten und der außerdeutschen Staaten Europas (Frankreich, England, Rußland) ebensowenig Aussicht auf Erfolg hat wie das Streben der überwiegend bürgerlichen deutschen Nationalbewegung nach einem national-deutschen Einheitsstaat. Deswegen schließen sich 39 (dann 41, 1864 nur noch 34) weltliche Mitgliedsstaaten (Österreich und Preußen mit ihren 1803 zum Reich gehörigen Gebieten, Bayern, Sachsen, England wegen Hannover, Württemberg, Baden, Kurhessen, Großherzogtum Hessen, Dänemark wegen Holstein, Niederlande wegen Luxemburg, Sachsen-Weimar, Sachsen-Gotha, Sachsen-Coburg, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Hildburghausen, Braunschweig, Nassau, Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Holstein-Oldenburg, Anhalt-Dessau, Anhalt-Bernburg, Anhalt-Köthen, Schwarzburg-Sondershausen, Schwarzburg-Rudolstadt, Hohenzollern-Hechingen, Hohenzollern-Sigmaringen, Liechtenstein, Reuß ältere Linie, Reuß jüngere Linie, Schaumburg-Lippe, Lippe, Waldeck und die 4 selbständig gebliebenen Städte Lübeck, Frankfurt, Bremen und Hamburg) mit 30 Millionen Einwohnern in einer Art Zwischenstufe auf dem Weg zu einem für Europa annehmbaren deutschen Bundesstaat zum Deutschen Bund als einem Staatenbund mit bundesstaatlichen Merkmalen zusammen. Sein Organ ist der selbständige Bundestag (Bundesversammlung, Gesandtenkongreß) in Frankfurt (vom 12. 7. 1848 bis September 1850 ohne Befugnisse). In dessen selten zusammentretendem Plenum hat jeder Staat mindestens eine, höchstens aber vier Stimmen, im engeren Rat führen die elf größten Staaten je eine Stimme. Den Vorsitz übt -> Österreich aus. Der Deutsche Bund hat grundsätzlich weder gesetzgebende noch vollziehende noch richterliche Gewalt. Nach den revolutionären Unruhen um 1848 geraten Österreich und Preußen 1851 in verstärkten Gegensatz. An der Verwaltung Schleswig-Holsteins entzündet sich dann ein Streit, der damit endet, dass Preußen Holstein besetzt, Österreich ohne förmliche Bundesexekution die Mobilmachung des Bundesheeres gegen Preußen erwirkt, Preußen den Deutschen Bund für erloschen erklärt, Österreich nach militärischer Niederlage des Deutschen Bundes gegen Preußen am 26. 7. 1866 die Auflösung des Deutschen Bundes anerkennt und die Bundesversammlung am 24. 8. 1866 letztmals tagt.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 169, 192, 196; Huber, E., Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 1ff. 1957ff.; Darmstadt, R., Der Deutsche Bund in der zeitgenössischen Publizistik, 1971; Gruner, Der Deutsche Bund, 1982; Deutscher Bund und deutsche Frage, hg. v. Rumpler, H., 1990; Quellen zur Geschichte des Deutschen Bundes, Bd. 1ff. 1996ff.; Steinmetz, C., Deutscher Bund und europäische Friedensordnung, 2002; Angelow, J., Der Deutsche Bund, 2003

Deutscher Juristentag ist ein 1860 gegründeter Verein deutscher Juristen mit dem Zweck, auf wissenschaftlicher Grundlage die Notwendigkeit von Änderungen und Ergänzungen der deutschen Rechtsordnung zu untersuchen.

Lit.: Conrad, H., Der deutsche Juristentag 1860-1960, in: Hundert Jahre deutsches Rechtsleben, Bd. 1 1960, 1; Dilcher, G., Der deutsche Juristentag 1960 bis 1980, 1980; Conrad, H. u. a., Der Deutsche Juristentag 1860-1994, 1997

Deutscher Orden ist die 1199 aus einer Lübeck-Bremer Spitalsbruderschaft zu einem geistlichen Orden mit Sitz in Montfort bei Akkon umgeformte Vereinigung. Von 1211 bis 1225 wirkt sie auf Anforderung König Andreas’ II. von Ungarn in Siebenbürgen. 1225/6 ruft Herzog Konrad von Masowien den Deutschen Orden gegen die heidnischen Pruzzen zu Hilfe und überlässt ihm dafür 1230 das Kulmer Land. Der 1226 mit reichsfürstlichen Rechten begabte Deutsche Orden, der 1291 seinen Sitz nach Venedig, 1309 nach Marienburg in Westpreußen und 1457 nach Königsberg verlegt, erreicht durch umfangreiche Eroberungen zu Beginn des 15. Jh.s die größte Ausdehnung, muss aber 1466 durch seinen Hochmeister die Schirmherrschaft des Königs von -> Polen anerkennen. 1525/61 wird das Deutschordensgebiet in Preußen in das Herzogtum Preußen und Kurland umgewandelt, das 1618/9 mit Brandenburg in Personalunion vereinigt und 1657/60 vertraglich von der Lehnshoheit Polens befreit wird. 1803 bleibt der Deutsche Orden im Reich, wo er durch zahlreiche einzelne Gaben zu beträchtlichen, vom Deutschmeister (1494 Reichsfürst) verwalteten Gütern gekommen war, bestehen. 1809 wird das 1805 aus dem Deutschen Orden geschaffene Fürstentum Mergentheim beseitigt. 1834 wird in Österreich der Deutsche Orden unter Erzherzögen als Hoch- und Deutschmeistern wiederbelebt.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 93; Köbler, Historisches Lexikon; Hofmann, H., Der Staat des Deutschmeisters, 1964; Tumler, M./Arnold, U., Der Deutsche Orden, 4. A. 1986; Boockmann, H., Der Deutsche Orden, 4. A. 1994; Zimmermann, H., Der Deutsche Orden im Burzenland, 2000

Deutscher Richterbund ist eine privatrechtliche Vereinigung der deutschen Richter.

Lit.: Wrobel, H., Der Deutsche Richterbund im Jahre 1933, Krit. Justiz 1982, 323

deutsches Privatrecht ist allgemein das in Deutschland geltende Privatrecht und herkömmlicherweise eingeengt das ältere aus germanistischer Wurzel stammende, vor Schaffung des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches (1900) auch ohne gesetzgeberischen Akt unmittelbar geltende Privatrecht in Deutschland. In diesem engeren Sinn wird es als wissenschaftlich erfassbare Einheit erst anerkannt, als Hermann -> Conring (1635/1643) den Ursprung des deutschen Rechts (De origine iuris Germanici) erörtert. In Gegenüberstellung zu dem durch gewohnheitsrechtlichen Vorgang aufgenommenen römischen (Privat-)Recht wird es zuerst durch Johann -> Schilter (1675) und Christian -> Thomasius (1705) behandelt und vorgetragen und 1718 erstmals von Georg -> Beyer in einem Leitfaden (nach der romanistischen Systematik der Institutionen) dargestellt. Danach wird es im 18. Jh. teils antiquarisch, teils praktisch ausgerichtet. Als wissenschaftliches Prinzip des deutschen Privatrechts gilt dabei zunächst die Übereinstimmung partikulärer Rechtssätze, dann die aus den Rechtsverhältnissen vermöge der natürlichen Vernünftigkeit abstrahierte Regel (Natur der Sache) und danach die gemeinsame Nationaleigentümlichkeit und Volkssitte. Der Ansicht Carl Friedrich -> Gerbers (1846), dass das auf Freiheit und Fehderecht zu gründende deutsche Privatrecht nur eine wissenschaftlich gewonnene, nicht unmittelbar anwendbare Summe von Rechtssätzen sei, widersprechen Georg -> Beseler (Volksrecht) und Otto von -> Gierke (gemeindeutsche Gewohnheiten). Mit der Schaffung des Bürgerlichen Gesetzbuches (1900) hat diese Streitfrage ihre praktische Bedeutung verloren. Mehr und mehr wird das geschichtliche Privatrecht sinnvollerweise insgesamt in die allgemeine Rechtsgeschichte eingefügt.

Lit.: Köbler, DRG 205; Gerber, C., Das wissenschaftliche Prinzip des gemeinen deutschen Privatrechts, 1846; Gierke, O. v., Deutsches Privatrecht, Bd. 1ff. 1895ff.; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967; Schlosser, H., Das wissenschaftliche Prinzip der germanistischen Privatrechtssysteme, Gedächtnisschrift H. Conrad, 1979, 491; Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981; Kroeschell, K., Verfassungsgeschichte und Rechtsgeschichte, Der Staat Beiheft 6 1983, 47

deutsches Recht ist allgemein das in Deutschland geltende Recht und in einem engeren Sinn das aus germanistischer Wurzel stammende Recht in Deutschland (vor allem in Gegensatz zu dem aus römischer Wurzel stammenden Recht in Deutschland).

Lit.: Deutsches Recht, 1934; Merk, W., Vom Werden und Wesen des deutschen Rechts, 3. A. 1935; Ebel, W., Deutsches Recht im Osten, 1952; Geck, Die deutsche Rechtseinheit im 19. Jahrhundert als rechtspolitisches Problem, 1966; Krause, H., Der deutschrechtliche Anteil an der heutigen Privatrechtsordnung, JuS 1970, 313

Deutsches Reich ist eine Bezeichnung für verschiedene verfassungsrechtliche Organisationsformen der Deutschen. Dabei wird als erstes D. R. das aus dem fränkischen Reich im Laufe des 10. Jh.s erwachsene ostfränkische Königreich verstanden, das gegen die Jahrtausendwende anscheinend von Italien ausgehend (lat.) regnum (N.) Teutonicum genannt wird. Es wird 1474 als -> Heiliges Römisches Reich (deutscher Nation) bezeichnet und führt diesen Namen 1512 erstmals auch offiziell. Demgegenüber wird die frühere Benennung als D. R. erst gegen Ende (1806) hin allgemein üblich. (Zweites) D. R. heißt danach bereits der 1848/9 vergeblich angestrebte deutsche Nationalstaat. Für den Namen (zweites) D. R. entscheiden sich dann auch im Dezember 1870 die Staaten des Norddeutschen Bundes bei der Benennung des am 15., 23. und 25. 11. 1870 mit Bayern, Württemberg, Baden und Hessen vereinbarten, am 1. 1. 1871 ins Leben tretenden bzw. erweiterten (str.) Bundesstaates (, dem Österreich, Luxemburg, Limburg und Liechtenstein fernbleiben). Dieses Deutsche Reich (540742 qkm, 56,37 Mill. Einwohner) umfasst Preußen (2/3 des Reichsgebietes, 3/5 der Reichsbevölkerung), Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden, Hessen, Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Sachsen-Weimar-Eisenach, Oldenburg, Braunschweig, Anhalt, Schaumburg-Lippe, Lippe, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg-Gotha, Schwarzburg-Sondershausen, Schwarzburg-Rudolstadt, Waldeck, Reuß ältere Linie, Reuß jüngere Linie, Bremen, Hamburg, Lübeck sowie Elsaß-Lothringen (Reichsland) und seit 1884 als Nebenländer die überseeischen deutschen -> Schutzgebiete (Kolonien) Südwestafrika, Togo, Kamerun usw. Nach seiner Verfassung ist der Kaiser (König von Preußen) der (erbliche) Inhaber der Präsidialrechte. Träger der Souveränität ist die Gesamtheit der Fürsten und freien Städte. Der Kaiser regiert durch den Reichskanzler (1871-90 Bismarck), der Anordnungen gegenzeichnen muss und dadurch die Verantwortung übernimmt. Bundesrat und Reichstag beschließen die Gesetze, welche dann der Kaiser ausfertigt und verkündet. Höchstes Gericht ist das Reichsgericht in Leipzig. Am 9. 11. 1918 wird am Ende des Ersten Weltkriegs ein Verzicht des Kaisers auf dessen Thron bekanntgegeben und von Philipp Scheidemann im Rahmen des bestehenbleibenden Deutschen Reiches die Republik (Weimarer Republik) ausgerufen, welche Adolf Hitler nach seiner Ernennung zum Reichskanzler (30. 1. 1933) rasch in das nationalsozialistische, totalitäre -> Dritte (Deutsche) Reich (zentralistischer Einheitsstaat) umgestaltet. Am 8. 5. 1945 bricht dieses Deutsche Reich mit der vollständigen Kapitulation gegenüber den alliierten Siegermächten des Zweiten Weltkrieges zusammen. Nach herrschender Ansicht setzt die Bundesrepublik Deutschland das Deutsche Reich fort, ist also mit ihm rechtlich identisch.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 76, 172, 196, 220, 256; Huber, E., Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 3 1963; Bracher, K., Die deutsche Diktatur, 6. A. 1979; Ehlers, J., Die Entstehung des deutschen Reiches, 1994; Fried, J., Der Weg in die Geschichte, 1994; Das Deutsche Reich im Urteil der großen Mächte, hg. v. Hildebrand, K., 1995; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 3. A. 1997

Deutschland ist eine wohl im 14. Jh. durch Zusammenziehung aus (mhd.) daz diutsche lant entstandene allgemeine Bezeichnung für das Gebiet des -> Deutschen Reiches bzw. das von Deutschen überwiegend besiedelte Gebiet.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Deutschlands Grenzen, hg. v. Demandt, A., 3. A. 1993; Fried, J., Der Weg in die Geschichte, 1994; Ritter, G., Über Deutschland, 1998; Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland, hg. v. Institut für Länderkunde, Bd. 1ff. 1999ff.; Schulze, H., Kleine deutsche Geschichte, 1998; Stürmer, M., Das Jahrhundert Deutschlands, 1999; Dirlmeier, U. u. a., Deutsche Geschichte, 1999; Laufs, A., Ein Jahrhundert wird besichtigt, JuS 2000, 1; Winkler, H., Der lange Weg nach Westen, Bd. 1f. 2000; Seibt, F., Das alte böse Lied, 2000; Föderative Nation. Deutschlandkonzepte von der Reformation bis zum Ersten Weltkrieg, hg. v. Langewiesche, D. u. a., 2000; Kielmannsegg, P. Graf, Nach der Katastrophe, 2000; Küsters, H., Der Integrationsfriede, 2000; Green, A., Fatherlands – State Building and Nationhood in Nineteenth Century Germany, 2001; Holste, H., Der deutsche Bundesstaat im Wandel (1867-1933), 2001; Köhler, H., Deutschland auf dem Weg zu sich selbst, 2002; Fenske, H., Deutsche Geschichte, 2002; ; Schabert, T., Wie Weltgeschichte gemacht wird. Frankreich und die deutsche Einheit, 2002; Steininger, R., Deutsche Geschichte seit 1945, 1996ff.

Deutschlandvertrag ist der das Besatzungsstatut der westlichen alliierten Siegermächte für ihre Besatzungszonen aufhebende Vertrag der Westmächte mit der Bundesrepublik Deutschland vom 26. 5. 1952/5. 5. 1955. Er löst die -> Alliierte Hohe Kommission auf und schreibt der Bundesrepublik Deutschland die volle Macht eines souveränen Staates über ihre inneren und äußeren Angelegenheiten zu.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Die Rechtsstellung Deutschlands, hg. v. Rauschning, D., 1985; Kohl, H., Ich wollte Deutschlands Einheit, 1996

Deutschösterreich ist die am 30. Oktober 1918 (str., Staatsgründungsbeschluss) entstandene, am 12. 11. 1918 (Beschluss über die republikanische Regierungs- und Staatsform)von der provisorischen Nationalversammlung der deutschsprachigen Teile -> Österreichs ausgerufene Republik, welche ein Bestandteil der Deutschen Republik sein und nach dem Grundsatz der Selbstbestimmung das geschlossene Siedlungsgebiet der Deutschen innerhalb der bisher im Reichsrat Österreichs vertretenen Königreiche und Länder umfassen solle (einschließlich Deutschsüdmähren, Deutschsüdböhmen, Sudetenland, Brünn, Iglau, Olmütz). Der am 10. 9. 1919 zwischen Österreich und den alliierten Mächten geschlossene Friedensvertrag von Saint Germain-en-Laye schließt dies auf Grund der Interessen der nichtdeutschen Mächte aus. Das Deutsche Reich anerkennt im Friedensvertrag von Versailles vom 28. 6. 1919 notwendigerweise die Unabhängigkeit Österreichs.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 220; Baltl/Kocher; Merkl, A., Die Verfassung der Republik Deutschösterreich, 1919; Brauneder, W., Eine Republik entsteht, 1999; Brauneder, W., Deutsch-Österreich 1918, 2000

Deutschtirol ist im Gegensatz zu Welschtirol der deutschsprachige Teil der verschiedensprachige Gebiete unter einer Herrschaft zusammenfassenden Grafschaft Tirol. D. reicht südlich bis zur Salurner Klause.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Wopfner, H., Beiträge zur Geschichte der freien bäuerlichen Erbleihe Deutschtirols im Mittelalter, 1903; Stolz, O., Deutschtirol, 1910; Riedmann, J., Geschichte Tirols, 2. A. 1988

Devestierung ist im kirchlichen Recht die das Gegenstück zur sichtbar gemachten Bekleidung (Investierung oder Investitur) mit einem Amt bei dessen Übertragung bildende, ebenfalls sichtbar gemachte Entkleidung von dem Amt bei dessen Entzug (z. B. bei Hus auf dem Konstanzer Konzil). In der Gegenwart wird die D. nicht mehr durchgeführt.

Lit.: Kober, F., Die Deposition und Degradation, 1867

Devolution ist der Übergang eines Rechtes von einer Person auf eine andere, insbesondere in der Kirche der Übergang des Rechtes zur Verleihung eines Amtes auf den nächsthöheren Oberen, wenn der an sich zuständige Berechtigte sein Recht nicht oder nicht rechtmäßig ausübt. Die D. findet sich bereits bei Justinian.

Lit.: Ebers, G., Devolutionsrecht, 1906, Neudruck 1965; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972, 343

Dezemberverfassung ist in -> Österreich eine Gesamtheit von sechs am 21. 12. 1867 erlassenen Gesetzen, welche einen Reichsrat mit Herrenhaus und Abgeordnetenhaus, Grundrechte in 19 Artikeln, ein Reichsgericht als Verfassungsgerichtshof, Trennung von Verwaltung und Justiz u. a. vorsehen.

Lit.: Köbler, DRG 194; Baltl/Kocher

Dezision (F.) Entscheidung, Urteil

Diäten sind die Entschädigung von Abgeordneten. Sie werden im Deutschen Reich durch Gesetz vom 21. 5. 1906 eingeführt.

Diakon ist in der Antike ein dem Bischof untergeordneter Diener oder Gehilfe, danach eine Vorbereitungsstufe (Weihegrad) auf dem Weg zur Priesterschaft. In der protestantischen Kirche gewinnt der D. seit dem 19. Jh., in der katholischen Kirche seit dem zweiten Vatikanischen Konzil an Bedeutung. Hier ist der D., der auch verheiratet sein kann, ermächtigt, viele liturgische Handlungen selbständig vorzunehmen (ausgenommen Eucharistie und Bußsakramenterteilung).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Der Diakon, hg. v. Plöger, J. u. a., 1980; Handbuch Geschichte der deutschen evangelischen Diakonie, hg. v. Kaiser, J., 2000

Dialogus (M.) de scaccario (lat.) des Schatzmeisters Richard von Ely (um 1178) ist ein Lehrgespräch (Dialog) zwischen Lehrer und Schüler über die vom Schatzamt (lat. [N.] scaccarium, engl. exchequer) in Finanzangelegenheiten angewandten Rechtssätze des englischen Rechts.

Lit.: Dialogus de Scaccario, hg. v. Carter, F. u. a., 1983

Diät ist ursprünglich die geregelte Lebensweise oder der Aufenthaltsort, seit dem 19. Jahrhundert die Entschädigung des Abgeordneten.

Lit.: Butzer, H., Diäten und Freifahrt, 1999

Dictatus (M.) papae (lat.) sind fünf im ersten und zweiten Buch des Registers der Briefe Papst Gregors VII. als D. p. bezeichnete Stücke bzw. genauer 27 undatierte Sätze Gregors VII. (1073-1085), welche zwischen zwei Briefen vom 3. und 4. März in das Register eingetragen sind und ohne erkennbare Ordnung Vorrang und Vorrechte der römischen Kirche und des Papstes betonen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Caspar, E., Das Register Gregors VII., in: Monumenta Germaniae Historica, Epistolae selectae Bd. 2,1 1920, 201; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972

Dieb ist der Täter des -> Diebstahls.

Lit.: Blauert, A./Wiebel, E., Gauner- und Diebslisten, 2001

Diebstahl ist die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache in der Absicht, sich dieselbe rechtswidrig zuzueignen bzw. ganz allgemein eine Form von Vermögensschädigung. Im altrömischen Recht hat die Sachentziehung (lat. [N.] furtum) grundsätzlich die Leistung des Doppelten des Wertes und die Infamie zur Folge. In der klassisch-römischrechtlichen Zeit wird der D. zunehmend öffentlich verfolgt und mit Strafe geahndet. Justinian betont daneben den Ausgleich mit dem Doppelten. Im Mittelalter wird zunächst der D., dessen Kennzeichen die Heimlichkeit ist, mit einer -> Buße geahndet. Mit der Landfriedensgesetzgebung wird der große D. mit der -> Todesstrafe (Hängen), der kleine D. mit der -> Leibesstrafe (Haut und Haar) bedroht. Die -> Constitutio Criminalis Carolina (1532) scheidet D., Raub und Unterschlagung, doch setzt sich dies nicht vollständig durch. Erst in der ersten Hälfte des 19. Jh.s wird der D. endgültig eingeengt und die Todesstrafe für D. allmählich beseitigt. 1851 wird in Preußen auch die Trennung von großem D. und kleinem D. aufgegeben.

Lit.: Kaser § 51 I; Söllner § 8; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 27, 48, 65, 86, 119, 158; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Fischer, H., Der Diebstahl in den Volksrechten, 1942; Hagemann, H., Vom Diebstahl im altdeutschen Recht, FS H. Krause 1975, 1

Dienst ist die Tätigkeit einer Person für eine andere. Die Grundlage hierfür ist verschieden, kann aber in einem -> Dienstvertrag bestehen.

Lit.: Steuern, Abgaben und Dienste, hg. v. Schremmer, E., 1994; Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes 1871-1945, hg. v. Auswärtigen Amt, Bd. 1 1999

Dienstadel ist der durch Dienst für einen Herren entstehende Adel z. B. der Dienstmannen im ausgehenden Frühmittelalter.

Lit.: Bosl, K., Die Reichsministerialität, 1950/1

Dienstbarkeit ist ein beschränktes dingliches Recht an einer Sache, das den Eigentümer in einzelnen Beziehungen in der Benutzung der Sache oder in der Ausübung seiner Rechte beschränkt. In dieser Beziehung kennt das altrömische Recht bereits (lat. [N.]) iter (Pfad), (M.) actus (Trift), (F.) via (Weg) und (M.) aquaeductus (Wasserleitung), welche als handgreifbare Sachen (lat. [F.Pl.] res mancipi) behandelt werden. Nach diesen römischen (F.Pl.) servitutes finden sich solche beschränkte dingliche Nutzungsrechte vor allem an Liegenschaften seit dem Hochmittelalter. Seit dem Spätmittelalter werden die römischen Regeln über Servituten in abgeänderter Form aufgenommen. Danach kann jede Nutzung beliebiger Art Gegenstand einer D. sein, auch ein Tun (sog. deutschrechtliche D.). Sie kann sogar dem Eigentümer der Sache zustehen.

Lit.: Kaser § 28; Hübner; Köbler, DRG 26, 125, 163; Naendrup, H., Zur Geschichte deutscher Grunddienstbarkeiten, 1900; Birzer, B., Altrechtliche Dienstbarkeit in der Oberpfalz, Diss. jur. Regensburg 1998

Dienstmann ist im Mittelalter der durch Dienst allmählich in den Adel aufsteigende Unfreie. Dies ist sowohl im Dienst des Königs (Reichsdienstmann) wie auch im Dienst eines anderen Herrn möglich. Im 19. Jh. ist D. die Bezeichnung eines amtlich angestellten Gepäckträgers.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Bumke, J., Studien zum Ritterbegriff, 2. A. 1977

Dienstrecht ist das für eine Diensttätigkeit geltende Recht. Im Mittelalter gibt es für die Dienstmannen eines Herrn verschiedentlich ein besonderes, schriftlich niedergelegtes Recht (z. B. Bischof von Bamberg [1057-64], St. Maximin bei Trier, Grafen von Ahr, Erzbischof von Köln, Bischof von Basel, Grafen von Tecklenburg). In der jüngeren Neuzeit ist unter D. vor allem das Recht des öffentlichen d. h. staatlichen Dienstes zu verstehen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 104

Dienstvertrag ist der gegenseitige Vertrag, in welchem sich der eine Teil (Dienstverpflichteter) zur Leistung von vereinbarten Diensten irgendeiner Art, der andere Teil (Dienstberechtigter) zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Im klassischen römischen Recht gehört dieser Vertrag zu der Gruppe von Verhältnissen, welche in dem in seiner Vorgeschichte unklaren Konsensualkontrakt (lat. -> locatio conductio [F.] Hinstellung - Mitführung) zusammengefasst sind (-> locatio conductio operis). Er hat deswegen nur einen geringen Anwendungsbereich, weil die häufigen Dienste der Sklaven auf Grund des Sklavenstatus erbracht werden und höhere Dienste (lat. artes [F.Pl.] liberales) nicht durch Entgelt entlohnt, sondern durch Ehrengaben (lat. [N.] honorarium) anerkannt werden. Auch im Frühmittelalter werden Dienste am ehesten auf Grund grundherrschaftlicher Abhängigkeit oder lehnsrechtlicher Verbindung geleistet. Diese personenrechtlichen Abhängigkeitsverhältnisse werden erst in der hochmittelalterlichen Stadt durch den D. ersetzt (Gesinde, Gesellen). In der frühen Neuzeit werden auch höhere Dienste entgeltlich. Das 19. Jh. regelt den D. im wesentlichen römischrechtlich und erhofft sich vom freien Spiel der Kräfte den gerechten Ausgleich. Da dieser wegen der ungleichen Gewichtigkeit von Dienstgeber und Dienstnehmer ausbleibt, entwickelt sich der besondere -> Arbeitsvertrag für das abhängige, fremdbestimmte Dienstverhältnis, so dass der D. sich auf wenige Anwendungsfälle beschränkt.

Lit.: Kaser § 42; Söllner §§ 10, 17; Hübner; Köbler, DRG 45, 127, 166, 215, 240, 271; Gierke, O., Die Wurzeln des Dienstvertrages, FS H. Brunner, 1914, 37

dies interpellat pro homine (lat., der Termin mahnt für den Menschen) ist eine Regel des Rechts des Verzugs, welche sich für das klassische römische Recht nicht nachweisen lässt. Nach mittelalterlichem deutschem Recht muss der Schuldner eine Verbindlichkeit, deren Fälligkeit durch eine Zeitangabe bestimmt ist, an diesem Zeitpunkt erfüllen. Hieraus bildet der (lat.) -> usus (M.) modernus pandectarum den Satz d. i. p. h. Der Code civil (1804) lehnt ihn ab.

Lit.: Kaser § 37 II; Hübner 556ff.; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 56, Nr. 39 (Gregor IX. um 1170-1241, Dekretalen 3, 18, 4, am Ende)

Die Tat tötet den Mann (d. h. der äußere Erfolg entscheidet, nicht die innere Einstellung).

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 315 (Simrock 1846); Schildt, B., Die Tat tötet den Mann, ZRG GA 114 (1997), 380

Dietrich von Bern -> Theoderich

Dietrich von Bocksdorf -> Bocksdorf, Dietrich von

Differentienliteratur ist die ansatzweise schon in der Spätantike vorhandene, dann von den Glossatoren verbreitete Vergleichsliteratur zwischen den unterschiedlichen, gleichen Gerechtigkeitsgehalt ermöglichenden Lösungen verschiedener Rechte. Dabei wird insbesondere das römisch-weltliche Recht mit dem kirchlichen Recht oder mit den einheimischen Partikularrechten verglichen (z. B. Berhard Walther 1516-84, Johann Baptist Suttinger 1662 [Consuetudines Austriacae], Nikolaus Beckmann 1634-89, Johann Weingärtler 1674, Benedikt Finsterwalder).

Lit.: Köbler, DRG 143; Fontana, A., Amphitheatrum legale, 1688, Neudruck 1961, Teil III, 13; Stintzing, R., Geschichte der populären Literatur, 1867, Neudruck 1957; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 1,345

Digesten (Durchgearbeitetes) (oder Pandekten) sind die (9142) Auszüge aus (mehr als 200) Schriften (wahrscheinlich 39) klassischer Juristen des römischen Rechts, welche der oströmische Kaiser Justinian 530/3 unter Beseitigung der unmittelbaren Geltung aller nicht erfassten Texte zum Gesetz erhebt. Sie werden von einer Kommission vorbereitet, welcher der Jurist und Justizminister Tribonian vorsitzt und welcher die vier Professoren Dorotheus und Anatolius aus Berytos (Beirut) sowie Theophilus und Cratinus aus Konstantinopel, der magister officiorum und elf Anwälte angehören. Über die erstaunlich rasche Arbeitsweise besteht keine völlige Klarheit, doch wird seit Bluhme (1820) davon ausgegangen, dass die Kommission in Untergruppen einzelne Stoffmassen (Sabinusmasse aus den Juristenkommentaren zum ius civile, Ediktmasse aus den Ediktskommentaren, Papinianmasse aus den Werken der Spätklassiker, Appendixmasse) vielleicht auf Grund schon vorhandener vergleichender Literatur verwertet und dabei mehr als 2000 Schriften (mit 3000000 versus [Zeilen]) zumindest mittelbar berücksichtigt. Im Vordergrund stehen Juristen der klassischen Zeit (Ulpian [2/5], Paulus [1/5], Papinianus, Gaius und Modestinus [zusammen 1/5]). Vermutlich sind etwa 5-7% dessen aufgenommen, was zur Zeit Justinians von den Schriften der Juristen noch vorhanden ist. Die Reihenfolge schließt sich an das prätorische Edikt an. Das Gesamtwerk ist in 50 Bücher (mit 432 Titeln und 150000 versus) gegliedert, von denen die Bücher 2 bis 46 das Privatrecht und die Bücher 47, 48 das Strafrecht betreffen. Die sachlichen, teilweise allerdings schon vor Justinian erfolgten Eingriffe in die Schriften werden in der Neuzeit als -> Interpolationen bezeichnet, deren Umfang streitig ist. Die wohl wegen ihrer Schwierigkeit zwischen 603 und 1076 im Westen kaum erwähnten D. sind in (zwei) Handschriften des 6. oder frühen 7. Jh.s (1050 in Pisa gefundene, vor dem Beginn des 12. Jh.s vielleicht in Süditalien geschaffene, 1406 nach Florenz gekommene Florentina) und 11. Jh.s (verlorene, von der Florentina abhängige, aber nach einer von dieser unabhängigen Vorlage durchkorrigierte, vielleicht in der zweiten Hälfte des 11. Jh.s möglicherweise in Süditalien geschaffene Stammform der in drei Teile geteilten Kulgathandschriften) sowie drei Fragmente des 7./8. Jh.s und zwei Fragmente des 9. Jh.s überliefert. Diese Quellen ermöglichen die Aufnahme (Rezeption) der Gedankenwelt der römischen Juristen im Mittelalter. Zitiert werden die D. nach Buch, (meist) Titel, Fragment (oder Gesetz) (lat. [F.] lex) und Anfang (lat. [N.] principium = eigentlich Paragraph 1) bzw. Paragraph (der zweite Abschnitt wird als § 1 gezählt) (z. B. D. 8,3,23,2, früher [als ff.] nach Titelrubrik und Anfangsworten der Fragmente).

Lit.: Kaser §§ 1, 2; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 43; Söllner §§ 22, 23; Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler, DRG 50, 53, 105; Bluhme, F., Die Ordnung der Fragmente in den Pandektentiteln, ZRG 4 (1818), 257; Krüger, H., Die Herstellung der Digesten Justinians, 1922; Schindler, K., Justinians Haltung zur Klassik, 1966; Archi, G., Giustiniano legislatore, 1970; Honoré, T., Tribonian, 1978; Kaser, M., Ein Jahrhundert Interpolationenforschung, SB. d. Akad. d. Wiss. Wien 1979; Digesten 1-10, hg. v. Behrends, O. u. a., 1995; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Digesten 11 – 20, hg. v. Behrends, O. u. a., 1999

Digestum (N.) infortiatum (lat., gestärktes bzw. geschwächtes bzw. unter Verschluss gehaltenes bzw. in Kraft gesetztes Durchgearbeitetes) sind die Bücher 24,3 bis 38 der Vulgatafassung der -> Digesten, wobei das in D. 38, 2, 82 beginnende Schlussstück tres partes (lat. [F.Pl.] drei Teile) heißt.

Lit.: Accursii Glossa in Digestum vetus, in Digestum infortiatum, in Digestum novum, in Codicem, in Volumen, 1487ff.; Wouw, H. van de, Zur Textgeschichte des Infortiatum, Ius commune 11 (1984), 231; Whitman, J., A Note on the medival Division, TRG 59 (1991), 269

Digestum (N.) novum (lat., neues Durchgearbeitetes) sind die Bücher 39-50 der Vulgatafassung der -> Digesten.

Digestum (N.) vetus (lat., altes Durchgearbeitetes) sind die Bücher 1-24,2 der Vulgatafassung der -> Digesten.

Dijon ist als gallorömisches Divio im 2. Jh. n. Chr. nachweisbar. 1182 erlangt es unter den Herzögen von Burgund Stadtrecht. 1477 gelangt es an Frankreich und erhält 1737 eine Universität.

Lit.: Histoire de Dijon, hg. v. Gras, P., 1981

Diktatur ist im altrömischen Recht das Amt eines von einem -> Konsul in einer Notlage für eine streng befristete Zeit ernannten außerordentlichen Magistrates. Im Anschluss hieran entwickeln sich verschiedene Formen unbeschränkter Herrschaft eines einzelnen oder einer Personengruppe. Diese D. zeigt vielfach totalitäre Züge (z. B. unter Adolf -> Hitler).

Lit.: Söllner §§ 6, 13; Köbler, DRG 222; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 900; Bracher, K., Die deutsche Diktatur, 3. A. 1970

dilatura (lat. [F.]) ist eine besondere frühmittelalterliche Buße bei Vermögensverletzung (Weigerungsbuße?).

Lit.: Köbler, LAW; Brunner, H./Schwerin, C., Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 2 2. A. 1928, § 138

diligentia (lat. [F.]) ist im spätrömischen Recht die dem sorgsamen Familienvater angemessene Sorgfalt, deren schuldhafte Verletzung eine Nachlässigkeit bedeutet.

Lit.: Kaser § 36; Köbler, DRG 63; Köbler, LAW

Ding (älter thing) ist im Mittelalter und vielleicht schon vorher die (zu einer bestimmten Zeit stattfindende) Versammlung, in welcher über verschiedene Angelegenheiten gesprochen und verhandelt werden kann. Dementsprechend ist D. die wichtigste Bezeichnung für das Gericht. Unterschieden werden dabei echtes (ungebotenes) D. und gebotenes D. Das D. wird vom König, Grafen oder von sonstigen Richtern geleitet. Die inhaltlichen Entscheidungen werden vom Umstand (Dinggenossenschaft) oder besonderen Urteilern (Rachinburgen, Schöffen) gefällt. Im 16. Jh. tritt die Verwendung von D. im Sinne von Gericht zurück, hält sich aber in ländlichen Weistümern bis in das 18. Jh.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 85, 116; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Karg-Gasterstädt, E., Althochdeutsch Thing - neuhochdeutsch Ding, Verh. d. Sächs. Akad. d. Wiss. 104,2, 1958; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht,  1985

Dingfriede ist der im -> Ding einzuhaltende -> Friede.

dinglicher Vertrag ist der im 19. Jh. von Friedrich Carl von Savigny entwickelte, 1872 im preußischen Eigentumserwerbsgesetz anerkannte, sachenrechtliche Rechtsveränderungen betreffende Vertrag (Einigung über den Rechtsübergang an einem Gegenstand) im Gegensatz zum schuldrechtlichen Vertrag (z. B. Kauf, Schenkung).

Lit.: Köbler, DRG 212; Felgenträger, W., Friedrich Carl von Savignys Einfluss auf die Übereignungslehre, 1927

dingliches Recht ist (seit dem 19. Jh.) das eine Sache (körperlichen Gegenstand) betreffende Recht (z. B. Besitz, Eigentum, Pfand, Dienstbarkeit) im Gegensatz zum (persönlichen Sachenrecht bzw. zum) schuldrechtlichen Recht (z. B. Kaufpreisforderung).

Lit.: Köbler, DRG 212; Wiegand, W., Numerus clausus der dinglichen Rechte, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 623

Dingpflicht ist die Anwesenheitspflicht im mittelalterlichen -> Ding. In welchem Umfang sie bestanden hat, lässt sich nicht ganz eindeutig bestimmen. Jedenfalls verringert Karl der Große in seiner zwischen 770 und 780 vorgenommenen Reform ihren Umfang auf jährlich drei Dinge.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985

Dionysius Exiguus (Skythien um 475? - Rom um 545) ist ein skythischer Mönch, der in Rom nach dem 21. 11. 496 als Übersetzer griechische Kultur dem lateinischen Westen vermittelt und eine klar geordnete lateinische Sammlung der griechischen Quellen des Kirchenrechts (lat. [M.Pl.] canones) und der Konzilsakten (lat. [N.Pl.] decreta) herstellt ([lat.] Liber [M.] canonum und Liber decretorum). Seine vielfach abgeänderte Sammlung ist durch zahlreiche Handschriften überliefert. 774 überreicht Papst Hadrian Karl dem Großen die sog. Dionysio-Hadriana. Bei der Übernahme der alexandrinischen Berechnung des Osterdatums führt D. E. erstmals die Jahreszählung von Christi Geburt an (um 5 bzw. 4 Jahre zu spät) ein.

Lit.: Köbler, DRG 53, 80; Strewe, A., Die Canones-Sammlung des Dionysius Exiguus, 1931; Wurm, H., Studien und Texte zur Dekretalensammlung des Dionysius Exiguus, 1939; Peitz, W., Dionysius Exiguus als Kanonist, 1945; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Mordek, H., Kirchenrecht und Reform, 1975

Diplom (lat. [N.] diploma) ist zunächst die durch Falten doppelt gelegte Urkunde, danach die vom Senat, einem höheren Magistrat oder vom Kaiser ausgestellte Urkunde. Seit dem 17. Jh. ist D. die Herrscherurkunde, welche nach dem Ausstellerwillen dauernde Rechtskraft haben soll.

Lit.: Erben, W., Die Kaiser- und Königsurkunden des Mittelalters, 1907, 181, 238; Classen, W., Kaiserreskript und Königsurkunde, 1977; Kölzer, D., Merowingerstudien, Bd. 1f. 1998f.

Diplomatik (Urkundenlehre) -> Diplom, Urkunde

Diplovatacio, Tommaso (Korfu 25. 5. 1468 - Pesaro 29. 5. 1541) verfasst nach dem Studium in Salerno, Neapel, Padua (Jason de Mayno), Perugia und Ferrara (1490) bis 1511 einen unvollständig geschriebenen (lat.) Tractatus (M.) de praestantia doctorum (Abhandlung über den Vorrang der Doktoren), in welchem er die bedeutendsten Juristen des Altertums und des Mittelalters beschreibt (De claris iuris consultis).

Lit.: Juristen, hg. v. Stolleis, M., 1995, 172

Dispens ist die Befreiung, insbesondere im katholischen Kirchenrecht die durch die zuständige Autorität erteilte Befreiung von der Geltung eines Rechtssatzes im begründeten Sonderfall.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Hove, A. van, De privilegiis et dispensationibus, 1939; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Schmugge, L., Kirche, Kinder, Karrieren, 1995

Dispensehe ist die auf Grund eines (evtl. weltlichen) Dispenses von einem kirchenrechtlichen Ehehindernis (z. B. bestehende Ehe) geschlossene Ehe (z. B. seit 1919 Dispense einzelner sozialistischer Länderregierungen österreichischer Bundesländer [z. B. Niederösterreich] vom Ehehindernis der bestehenden unauflöslichen Ehe, woraufhin bis 1938 mehr als 50000 Dispensehen entstehen).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.

Dispositio (lat. [F.]) Anordnung, Verfügung

Dispositio (F.) Achillea (lat., achillische Verfügung) ist das Hausgesetz des Markgrafen Albrecht Achilles von Brandenburg (1414-1486) vom 24. 2. 1473, welches nur noch höchstens drei regierende Linien zulässt und 1791 zum Rückfall der Fürstentümer Ansbach und Bayreuth an die Hauptlinie Preußen der Hohenzollern  führt.

Lit.: Schulze, H., Die Hausgesetze der regierenden deutschen Fürstentümer, Bd. 3 1883

Dispositionsmaxime ist der Grundsatz der Verfügungsfreiheit der Parteien im Zivilprozess. Die D. stammt aus dem kirchlichen Prozessrecht, aus welchem sie in den Prozess vor dem Reichskammergericht übergeht.

Lit.: Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 2. A. 1995, 386; Damrau, J., Die Entwicklung einzelner Prozessmaximen, 1975

Disputation (F.) Erörterung

Lit.: Die Kunst der Disputation, hg. v. Bellomo, M., 1997; Ahsmann, M., Collegium und Kolleg, 1998

disseisin (mengl.) Besitzentzug -> novel disseisin

Dissens ist die fehlende Übereinstimmung zweier Willenserklärungen bei einem Vertragsschluss. Schon im klassischen römischen Recht kommt dabei ein Vertrag dann nicht zustande, wenn der Vertragsinhalt mehrdeutig ist oder wenn er zwar eindeutig ist, aber ein Teil ihn nachweislich einseitig missdeutet hat. Zwischen Irrtum und D. wird dann dabei auch im älteren gemeinen Recht nicht unterschieden.

Lit.: Kaser § 8 II; Hübner; Wesenberg, G./Wesener, G., Neue deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985 § 18; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Dissertation ist die wissenschaftliche Erörterung einer Frage, die seit dem Mittelalter Prüfungsverfahren wissenschaftlicher Befähigung wird. Die Zahl juristischer Dissertationen in Deutschland steigt dabei im 17./18. Jh. auf durchschnittlich mindestens 500 im Jahr (120000 zwischen 1600 und 1800 nachweisbar). Später nimmt sie infolge der Einführung der Staatsprüfung im Verhältnis zur Zahl der Studierenden ab.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 143; Bibliographisches Verzeichnis von Universitäts- und Hochschuldrucken, hg. v. Wickert, K., Bd. 1ff. 1936ff.; Juristische Dissertationen deutscher Universitäten 17.-18. Jahrhundert, zusammengestellt von Ranieri, F., 1986; Katalog juristischer Dissertationen, hg. v. Tsuno, R., 1988

Distinktion (F.) Unterscheidung, Aufteilung, Unterschied, Auszeichnung

Lit.: Söllner §§ 3, 16; Lange H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997

Disziplinarverfahren ist das außerstrafrechtliche Verfahren bei fehlerhaftem Verhalten eines Beamten. Es wird im 19. Jh. vom Strafrecht geschieden (Preußen 1841). Die Disziplinarmaßnahmen reichen vom Verweis bis zur Entfernung aus dem Dienst. Deswegen muss das Verfahren rechtsstaatlichen Anforderungen genügen.

Lit.: Wunder, B., Privilegierung und Disziplinierung, 1978

divortium (lat. [N.]) ist die im altrömischen Recht noch nicht geregelte Scheidung der Ehe, für welche der Wille des Mannes oder beider Eheleute (die Ehe zu beenden) und ein dies begründender Anlaß (Ehebruch der Frau, Kinderlosigkeit) bestehen muss. -> Ehescheidung

Lit.: Kaser § 58; Köbler, DRG 22

doctor (lat. [M.]) ist seit dem 12. Jh. der auch als (lat. [M.]) magister oder professor bezeichnete Lehrer, insbesondere der wissenschaftlich gebildete Lehrer an der Universität (z. B. quattuor doctores 1158). Im Recht ist der d. dabei meist doctor legum (Lehrer des weltlichen Rechts) oder doctor decretalium (Lehrer des kirchlichen Rechts). Seit dem späten 13. Jh. erscheint in Orléans und Italien der doctor utriusque iuris (Doktor beider Rechte d. h. des -> ius civile und des -> ius canonicum). Der Titel folgt auf das Lizentiat und wird in einer kostspieligen Feier verliehen. Der Grad berechtigt grundsätzlich zum Abhalten von Lehrveranstaltungen und sichert gesellschaftliche Wertschätzung. Am Ende des Mittelalters gerät er in Verfall.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, LAW; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973; Horn, N., Bologneser Doctores und Judices, ZHF 3 (1976); Lange, H., Vom Adel des doctor, in: Das Profil des Juristen, 1980, 279

doctor (M.) iuris (lat.) -> Rechtsgelehrter

doctor (M.) iuris utriusque (lat.) Doktor beider Rechte

doctor (M.) legum (lat.) Doktor des weltlichen Rechts

Dogma (N.) Lehrsatz, Lehrmeinung, Grundsatz

Lit.: Parent, J., La notion de dogme, 1932; Piano-Mortari, V., Dogmatica e interpretazione, 1976; Herberger, M., Dogmatik, 1981

Doktor -> doctor

Doktorgrad -> doctor

Doktrin (F.) Lehre, Festlegung

dolo facit, qui petit, quod restiturus est bzw. quod restituere oportet eundem (lat.). Arglistig handelt, wer fordert, was er demnächst zurückgibt bzw. was er selbst zurückerstatten muss.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 57, Nr. 50 (Paulus, um 160 - um 230, Digesten 44, 4, 8, pr.)

dolus (lat. [M.]) ist im römischen Recht der -> Vorsatz, dolus malus die Arglist. Das durch Arglist herbeigeführte oder beeinflusste Rechtsgeschäft ist zwar an sich gültig. Auf Anregung des Juristen Gaius Aquilius Gallus gibt der Prätor im 1. Jh. v. Chr. aber dem, der durch Arglist beeinträchtigt ist, dann, wenn keine andere Klage gegeben ist, einen Klaganspruch (lat. actio [F.] de dolo) auf den einfachen Schadensbetrag. Gegenüber einer möglichen Verpflichtung kann der Verpflichtete eine Einrede erheben (lat. exceptio [F.] doli).

Lit.: Kaser §§ 8 V, 33, 36, 37; Söllner §§ 9, 15; Köbler, DRG 42f., 61, 63, 65; Köbler, LAW

Domäne ist in der Spätantike das kaiserliche Grundeigentum. Die D. ist Vermögen des Kaisers und geht auf den jeweiligen Nachfolger über. Sie wird getrennt von den Staatseinkünften (vom comes rerum privatarum) verwaltet. Mit dem Untergang des weströmischen Kaisertums fällt die D. vor allem im Herrschaftsbereich der Franken an den König (->Königsgut). Infolge umfangreicher Vergabungen gelangt dieses Gut bis zum 13. Jh. in großem Ausmaß an die Landesherren. In Preußen umfassen die Domänen dabei schließlich etwa ein Drittel des Landes. Seit dem 18. Jh. wird im Land das Staatsgut vom fürstlichen Hausgut getrennt, wobei die Domänen überwiegend dem Staatsgut und nur in geringerem Maß dem Hausgut zugeteilt werden, der Landesherr aber die Nutzungen der D. als Einkunft erhält. Der Höhe nach betragen die Einkünfte dabei fast die Hälfte der gesamten Staatseinkünfte. Seit dem Ende der Monarchie (Deutschland 1918) fließen sie dem Staat zu. 1945 werden in der sowjetischen Besatzungszone die Domänen fast ganz aufgeteilt. In der Bundesrepublik umfassen sie weniger als 0,5% der landwirtschaftlichen Nutzfläche.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Abel, W., Geschichte der deutschen Landwirtschaft, 1962

Domat, Jean (Clermont-Ferrand 30. 11. 1625 - Paris 14. 3. 1696), Notarssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Bourges 1645 Anwalt, 1655 Kronanwalt und 1683 Privatgelehrter. Sein 1689 veröffentlichtes, -> Grotius verpflichtetes Hauptwerk ([franz.] Les lois civiles dans leur ordre naturel, Die weltlichen Gesetze in ihrer natürlichen Ordnung) ordnet das römische Recht und das dieses ergänzende französische Recht in der Art eines Lehrbuches des Naturrechts nach den grundlegenden Sätzen.

Lit.: Voeltzel, R., Jean Domat (1625-1696), 1936; Baudelot, B., Un grand jurisconsulte du 17e siècle, 1938

Domesdaybook ist eine zweibändige, unvollständige Landesaufnahme Englands (Bd. 1 31 Grafschaften, Bd. 2 Essex, Norfolk, Suffolk) auf der Grundlage von Angaben der Grundstücksberechtigten von 1066 und 1086. Das D. dient dem König als Grundlage seiner Herrschaft.

Lit.: Maitland, F., Domesday Book and Beyond, 2. A. 1907; Galbraith, V., The Making of Domesday Book, 1961; Darby, H., Domesday England, 1978; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 3. A. 1990; Domesday names, compilednd by Keats-Rohan, K. u. a., 1997; Fleming, R., Domesday Book and the Law, 1998; Keats-Rohan, K., Domesday People, 1999

Dominat ist (nach Mommsen) die vom Kaiser als absolutem Herrn und Gott (lat. [M.] dominus et deus) bestimmte Herrschaftsform der römischen Spätantike seit Diokletian (284-313/6).

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Söllner § 19; Köbler, DRG 55; Bleicken, J., Prinzipat und Dominat, 1978

Dominikaner sind (seit dem 15. Jh.) die Angehörigen des von dem Spanier Dominikus  (Caleruega nach 1170 - Bologna 1221, aus dem Geschlecht der Guzmán) begründeten, 1216 vom Papst unter seinen Schutz gestellten Ordens der Prediger, dem 1990 677 Klöster mit 6775 Mitgliedern bzw. 226 Dominikanerinnenklöster mit 4225 Schwestern angehören.

Lit.: Altaner, B., Der heilige Dominikus, 1922; Hinnebusch, W., The History of the Dominican Order, 1966ff.; Hertz, A., Domenikus und die Dominikaner, 1981; Springer, K., Die deutschen Dominikaner in Widerstand und Anpassung, 1999

dominium (lat. [N.]) ist im römischen Recht (wie proprietas) das Eigentum, wobei das d. ex iure Quiritium (quiritisches Eigentum) römischen Bürgern vorbehalten und nur an beweglichen Sachen und italischen Grundstücken möglich ist. Im Mittelalter bezeichnet d. die Herrschaft über ein Gebiet einerseits und die Herrschaft über einzelne Sachen andererseits. Zugleich wird ein d. directum (Obereigentum) von einem d. utile (Untereigentum) geschieden. Mit der Aufnahme des römischen Rechts dringen römischrechtliche Vorstellungen durch und werden insbesondere gewisse ältere Bindungen des Eigentums aufgegeben.

Lit.: Kaser § 22 II; Hübner 241ff.; Köbler, LAW; Schmidt, C., Der prinzipielle Unterschied zwischen dem römischen und germanischen Recht, Bd. 1 1853, 223; Lautz, K., Entwicklungsgeschichte des Dominium utile, Diss. jur. Göttingen 1916; Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A. 1965; Willoweit, D., Dominium und proprietas, Hist. Jb. 94 (1974), 131; Kriechbaum, M., Actio, ius und dominium in den Rechtslehren des 13. und 14. Jahrhunderts, 1996

dominium (N.) directum (lat.) Obereigentum -> Eigentum

dominium (N.) plurium in solidum (lat.) Gesamteigentum -> Miteigentum

dominium (N.) utile (lat.) -> Nutzungseigentum

dominus (M.) terrae (lat.) -> Landesherr

dominus imperator in territorio suo (lat.). Der Landesherr ist Kaiser in seinem Land.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 58, Nr. 63 (Eyben 1660)

Domkapitel ist das seit der zweiten Hälfte des 8. Jh.s aus dem gemeinschaftlichen klösterlichen Leben der Geistlichen einer Domkirche erwachsene, seit der Mitte des 9. Jh.s gegenüber dem Bischof autonom werdende Gremium von Geistlichen, welches den Bischof unterstützt und nach seinem Tod das Bistum vorübergehend verwaltet. Es wird im Hochmittelalter Verbandsperson. Es enthält eine Reihe von Ämtern (Domprobst, Domdekan, Domscholaster, Kantor, Kustor). Der Sicherung des Unterhalts dient das in Pfründen geteilte Kapitelsgut. Das D. steht bis in das 19. Jh. grundsätzlich nur Adligen offen. In den Hochstiften erlangen die D. vielfach die Stellung von Landständen.

Lit.: Gehring, G., Die katholischen Domkapitel Deutschlands als juristische Personen, 1851; Heckel, J., Die evangelischen Dom- und Kollegiatstifter Preußens, 1924, Neudruck 1964; Hofmeister, P., Bischof und Domkapitel, 1931; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Hersche, P., Die deutschen Domkapitel im 17. und 18. Jahrhundert, Bd. 1ff. 1984

donatio (lat. [F.] -> Schenkung) ist im römischen Recht die unentgeltliche Zuwendung. Sie ist zunächst nur ein Rechtsgrund, der einen Zuwendungsvorgang rechtfertigt. Erst unter Kaiser Konstantin wird die d. zu einem eigenen Geschäft. Besondere Fälle sind die d. mortis causa (Schenkung von Todes wegen), die d. post obitum (Gabe nach dem Tod), die d. propter nuptias (Ehegabe) und die d. reservato usufructu (Gabe unter Vorbehalt eines Nutzungsrechts).

Lit.: Kaser § 47; Köbler, DRG 41, 37; Köbler, LAW; Gade, G., Donationes inter virum et uxorem, 2001

Doneau (Donellus), Hugo (Chalons-sur-Saône 1527-1591), aus patrizischer Familie, wird nach dem Rechtsstudium in Toulouse (1544) und Bourges (1546) dort Professor (1551). Als Calvinist flieht er 1572 nach Genf, geht 1572 nach Heidelberg, 1579 nach Leiden und 1588 nach Altdorf. In seinem Hauptwerk (lat. [M.Pl.] Commentarii de iure civili, Kommentare zum weltlichen Recht) ordnet er das überlieferte römische Recht nach einem aus ihm selbst gewonnenen System, um durch die innere Ordnung die verstreuten Einzelsätze besser zu verstehen. Dabei gelingen weiterführende Erkenntnisse (z. B. Ausdehnung des Satzes [lat.] impossibilium nulla est obligatio).

Lit.: Eyssell, A., Donellus, 1860; Bergfeld, C., Savigny und Donellus, Ius commune 8 (1980), 24; Cannata, C., Systématique et dogmatique dans le Commentarii iuris civilis des Hugo Doneau, in: Jacques Godefroy, 1991, 217

Donellus -> Doneau

Dorf ist die aus einer nicht ganz geringen Zahl von beieinander liegenden Häusern gebildete, landwirtschaftlich geprägte Siedlung. Das D. setzt die Seßhaftwerdung voraus. Sein zeitliches Verhältnis zu Einzelhaus bzw. kleiner Hausgruppe (Weiler, Drubbel) steht nicht sicher fest. Örtlich findet sich das D. in Deutschland im gesamten Gebiet, ausgenommen den Nordwesten, den Schwarzwald und das Alpengebiet. Vorherrschend ist das Haufendorf, doch beherrschen auch Marschhufendorf und Waldhufendorf kleinere Räume. Das D. kann vor allem Nutzungsverband oder auch Gerichtsverband sein, wobei am Nutzungsverband meist nur die Inhaber vollbäuerlicher Hofstellen berechtigt sind. Der Dorfvorsteher und evtl. neben ihm stehende Gremien sind unterschiedlich strukturiert und bezeichnet, die juristische Persönlichkeit lange Zeit nur undeutlich ausgeprägt. Seit dem 19. Jh. werden D. und Stadt grundsätzlich einheitlich als -> Gemeinde im Sinne eines staatlichen Verwaltungsbezirkes (1935 Deutsche Gemeindeordnung) angesehen, zu welchem allerdings Selbstverwaltungszüge hinzutreten.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, WAS; Frölich, K., Rechtsdenkmäler des deutschen Dorfes, 1947; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Die Anfänge der Landgemeinde und ihr Wesen, hg. v. Mayer, T., Bd. 1f. 1964; Das Dorf der Eisenzeit und des frühen Mittelalters, hg. v. Jankuhn, H., 1977; Donat, P., Haus, Hof und Dorf, 1980

Dorfgericht ist das in einem -> Dorf und häufig auch nur für Angelegenheiten des Dorfes meist unter der Linde (Gerichtslinde) tätige Gericht. Es ist in vielen Fällen ein Gericht des Grundherrn und grundsätzlich nur Niedergericht. Spätestens in der Mitte des 19. Jh.s verschwindet es zugunsten des Amtsgerichts oder Bezirksgerichts.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Fried, P., Grundherrschaft und Dorfgericht im spätmittelalterlichen Herzogtum Bayern, in: Vorträge und Forschungen 27 (1983), 277; Kroeschell, K., Dorfgerichtsplätze, FS K. Bader, 1986, 1

Dorfordnung s. Dorfrecht, Weistum

Dorfrecht ist das besondere Recht eines -> Dorfes bzw. subjektiv die besondere Mitgliedschaft in einer Dorfgemeinde. Das beispielsweise durch den -> Sachsenspiegel (Landrecht III, 79, 2) bezeugte besondere D. entsteht teils durch Gewohnheit, teils durch Anordnung oder Satzung mit der Territorialisierung bzw. Lokalisierung des Rechts im Hochmittelalter und verschwindet mit der staatlichen Vereinheitlichung in der Neuzeit, in der es freilich auch vielfach erst aufgezeichnet wird (zeitlicher Schwerpunkt in Schleswig-Holstein 1675-1774). Überliefert ist es hauptsächlich im -> Weistum.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Badische Weistümer und Dorfordnungen, Bd. 1 1977; Schildt, B., Bauer – Gemeinde – Nachbarschaft, 1996; Rheinheimer, M., Die holsteinischen Dorfordnungen, ZRG 115 (1998), 529; Rheinheimer, Martin, Die Dorfordnungen im Herzogtum Schleswig, 1999

 

dos (lat. [F.]) ist bereits im altrömischen Recht die vom Hausvater der Frau dem Ehemann grundsätzlich gegebene, der Unterhaltssicherung dienende -> Mitgift, die nach dem Tod der Frau oder einer auf ihrer Seite schuldlosen Scheidung aus dem Vermögen des Mannes an den ursprünglichen Geber zurückfällt. Im Jahre 18 v. Chr. verbietet die (lat.) lex (F.) Iulia de dote fundali (julisches Gesetz über Grundstücksmitgift) die Veräußerung eines Mitgiftgrundstücks ohne Zustimmung der Frau. In der Spätantike wird die Bestellung einer d. durch den Brautvater zu einer Rechtspflicht. Das Recht der d. wird im Mittelalter und in der Neuzeit teilweise aufgenommen (Kurhessen, Hannover, Braunschweig, Pommern). Nach dem germanischen Recht gibt der Mann der Frau eine Gabe.

Lit.: Kaser § 59; Söllner §§ 8, 12, 15, 18, 24; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 22, 37, 58; Köbler, LAW; Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland, Teil 1f. 1863ff., Neudruck 1967; Brunner, H., Die fränkisch-romanische dos, SB. d. Akad. d. Wiss. Berlin 1894, 545; Lorenz, E., Das Dotalstatut in der italienischen Zivilrechtslehre des 13. bis 16. Jahrhunderts, 1965

dotalitium (lat. [N.]) ist meist die -> Leibzucht oder das -> Wittum.

Lit.: Heusler, A., Deutsches Privatrecht, Bd. 1 1885, 370; Bellomo, M., Ricerche sui rapporti patrimoniali, 1961

Dotalsystem ist das auf der römischrechtlichen -> dos aufbauende Ehegüterrecht, das von der Gütertrennung ausgeht, bei welcher die Lasten der Ehe das Vermögen des Ehemannes treffen, die Ehefrau aber mit ihrer in das Eigentum des Ehemannes übergehenden dos die Ehelasten mittragen soll. Die Rezeption ändert das römische D. ab, soweit es überhaupt aufgenommen wird. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) lehnt das D. ab.

Lit.: Söllner §§ 5, 9, 12, 18, 24; Hübner 664, 694

Dotation (F.) Ausstattung, Zuwendung

Lit.: Landau, P., Ius patronatus, 1975

Dou de Bassols, Ramón Llàtzer de (1742-1832) verfasst nach dem Rechtsstudium in Cervara (1760-4) und einer anwaltlichen Tätigkeit als Professor in Cervara die erste systematische Darstellung des spanischen öffentlichen Rechts (Instituciones del Derecho público general en España, 1800ff.), welche sich in die drei Bücher Person, Sache, Gericht und jeweils einen allgemeinen und besonderen Teil gliedert.

Lit.: Elias de Molins, A., Diccionario biográfico, Bd. 1 1889, 532

do ut des (lat.). Ich gebe, damit du gibst.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 60, Nr. 73 (Paulus, um 160 - um 230, Digesten 19, 5, 5, §1)

Drakon ist der athenische Gesetzgeber (Thesmothet), der 624 (bzw. 621/620) v. Chr. (?) das geltende Recht veröffentlicht, in dem die Selbsthilfe (Blutrache) durch strenge Strafen (drakonische Strenge) für Verbrechen ersetzt und die gewollte Tötung von der ungewollten Tötung und der gerechtfertigten Tötung unterschieden ist.

Lit.: Söllner § 7; Köbler, DRG 17; Stroud, Drakon´s Law on Homicide, 1968; Gagarin, Drakon and Early Athenian Homicide Law, 1981; Biscardi, Diritto greco antico, 1982; Bleicken, J., Die athenische Demokratie, 4. A. 1995; Carawan, E., Rhetoric and the Law of Draco, 1998

Draufgabe (lat. [F.] -> arrha) ist eine Leistung bei Eingehung eines Vertrages, die als Zeichen des Abschlusses des Vertrages gilt und im Zweifel auf die geschuldete Leistung anzurechnen oder bei Erfüllung zurückzugeben ist. Sie besteht im gemeinen Recht, ist in der Gegenwart aber nur von geringer Bedeutung.

Lit.: Kaser § 41; Hübner 543; Jagemann, E. v., Die Draufgabe (arrha), 1873; Gastreich, F., Die Draufgabe, Diss. jur. Erlangen 1932

drei ist eine im Recht häufiger verwendete Zahl (z. B. aller guten Dinge sind drei).

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 285; Usener, H., Die Dreiheit, 2. A. 1922; Großfeld, B., Zeichen und Zahlen im Recht, 2. A. 1995

Dreifelderwirtschaft ist die vom 8. bis zum 19. Jh. verbreitete Form der Landwirtschaft, bei welcher jeweils ein Drittel des Ackerlandes mit Winterfrucht oder mit Sommerfrucht bebaut oder als Brache gelassen wird.

Lit.: Köbler, DRG 77, 174; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957, 46; Rösener, W., Bauern im Mittelalter, 1985

Dreiklassenwahlrecht ist das die Wähler in drei Klassen einteilende Wahlrecht. Es widerspricht dem Grundsatz der Stimmengleichheit, indem es z. B. Wählern mit höherem Steueraufkommen mehr politischen Einfluss in einem zu wählenden Gremium gewährt (z. B. wählen in Preußen 1849 bis 1918 etwa 4,7%, 12,6% und 82,6% der Wähler mittelbar je ein Drittel der Abgeordneten).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 197; Kühne, T., Dreiklassenwahlrecht, 1994; Gerhards, J./Rössel, J., Interessen und Ideen im Konflikt um das Wahlrecht, 1999

Dreißigjähriger Krieg ist der von 1618 (Prager Fenstersturz) bis 1648 (Friede von Münster und Osnabrück, -> Westfälischer Friede) unter Beteiligung europäischer Mächte (Dänemark, Schweden, Frankreich) währende Religionskrieg im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation).

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Franz, G., Der dreißigjährige Krieg und das deutsche Volk, 3. A. 1961; Schormann, G., Der Dreißigjährige Krieg, 1985; Burkhardt, J., Der Dreißigjährige Krieg, 1991; Wedgwood, C., Der 30jährige Krieg, 8. A. 1995; Schmidt, G., Der Dreißigjährige Krieg, 2. A. 1996; Englund, P., Die Verwüstung Deutschlands, 1998; Findeisen, J., Der Dreißigjährige Krieg, 1998; Schmidt, G., Der Dreißigjährige Krieg, 4. A. 1999; Zwischen Alltag und Katastrophe, hg. v. Krusenstjern, B. v. u. a., 1999

Dreißigster ist der dreißigste Tag nach dem Tod eines Menschen und die als gesetzliches Vermächtnis daraus grundsätzlich sich ergebende Verpflichtung der -> Erben, bestimmten Familienangehörigen des -> Erblassers während der ersten 30 Tage nach dem Erbfall Unterhalt zu gewähren und die Benutzung der Wohnung und der Haushaltsgegenstände zu gestatten. Eine dreißigtägige Beweinung kennt bereits das Alte Testament (5. Moses 34,8). Danach erscheint der D. beispielsweise im -> Sachsenspiegel (1221-4). In der Zeit des Dreißigsten ist der Erbe zwar schon Eigentümer, darf aber nicht im Widerspruch zum Dreißigsten verfügen. Teilweise setzt das gemeine Recht den bis zum Dreißigsten ruhenden Nachlaß der römischrechtlichen (lat.) hereditas (F.) iacens (ruhenden Erbschaft) gleich. Der D. ist noch geltendes Recht (§ 1969 BGB).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Hübner 676f.; Hennecke, G., Das Recht des Dreißigsten, Diss. jur. Heidelberg 1909

Dresden an der Elbe erhält um 1150 eine Burg der wettinischen Markgrafen von Meißen. 1299 wird ihm das Stadtrecht von Magdeburg bestätigt. Seit 1485 wird es Vorort der albertinischen Linie der Herzöge von Sachsen. 1828 wird eine Technische Universität eingerichtet, an der 1991 eine juristische Fakultät entsteht.

Lit.: Butte, H., Geschichte Dresdens, 1967; Streifzüge durch die Dresdener Justiz, 1999

Dresdener Entwurf ist der in -> Dresden in Sachsen auf Grund der 1862 beschlossenen Schaffung eines einheitlichen Obligationenrechts (-> Allgemeines Deutsches Gesetz über Schuldverhältnisse) der Staaten des -> Deutschen Bundes beratene Entwurf, der infolge der Auflösung des Deutschen Bundes (1866) nicht Gesetz bzw. allgemeines deutsches Recht wird.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 182; Hedemann, J., Der Dresdener Entwurf von 1866, 1935; Dresdener Entwurf eines allgemeinen deutschen Gesetzes über Schuldverhältnisse von 1866, hg. v. Francke, B., 1973; Protocolle der Commission zur Ausarbeitung eines allgemeinen deutschen Obligationenrechts, Dresden 1866, 1984; Benöhr, H., Der Dresdener Entwurf von 1866 und das Schweizerische Obligationenrecht von 1881, in: Hundert Jahre Schweizerisches Obligationenrecht, 1982, 57; Hildebrand, K., Das Dritte Reich, 5. A. 1995

Drittes Reich ist die nicht unproblematische Bezeichnung des -> Deutschen Reiches in der vom -> Nationalsozialismus Adolf -> Hitlers beherrschten Zeit zwischen dem 30. 1. 1933 und dem 8. 5. 1945. Sie geht auf Joachim von Fiore (Celico um 1130 - Fiore 1202), der Reiche des Vaters, des Sohnes und des Geistes unterscheidet, zurück. 1923 weist A. Moeller van den Bruck auf ein dem Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) und dem Reich Bismarcks folgendes D. R. hin. Dieses entwickelt sich in der Wirklichkeit zu einer totalitären Diktatur, in welcher das Recht an vielen Stellen zum Instrument der Durchsetzung des Nationalsozialismus wird.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 234, 242; Rühle, G., Das Dritte Reich, Bd. 1ff. 1934ff.; Fraenkel, E., The Dual State, 1941; Schorn, H., Der Richter im Dritten Reich, 1959; Diehl-Thiele, P., Partei und Staat im Dritten Reich, 1960, 2. A. 1971; Hansen, Das Ende des Dritten Reiches, 1966; Scheffler, W., Judenverfolgung im Dritten Reich, 1966; Adam, U., Judenpolitik im Dritten Reich, 1972, Neudruck 1979; Scholder, K., Die Kirche und das Dritte Reich, Bd. 1f. 1977ff.; Justiz im Dritten Reich, hg. v. Staff, I., 1979; Schönbaum, D., Die braune Revolution, 1980; Majer, D., Fremdvölkische im Dritten Reich, 1981; Broszat, M./Möller, H., Das Dritte Reich, 1983; Wistrich, R., Wer war wer im Dritten Reich, 1983;  Hochschule und Wissenschaft im Dritten Reich, hg. v. Tröger, J., 1984; Shirer, W., Aufstieg und Fall des Dritten Reiches, 1984; Strafjustiz und Polizei im Dritten Reich, hg. v. Reifner, U. u. a., 1984; Das große Lexikon des Dritten Reiches, hg. v. Zentner, C. u. a., 1985; Wissenschaft im Dritten Reich, hg. v. Lundgren, 1985; Schumacher, U., Staatsanwaltschaft und Gericht im Dritten Reich, 1985; Staatsrecht und Staatslehre im Dritten Reich, hg. v. Böckenförde, E., 1985; Gruchmann, L., Justiz im Dritten Reich 1933-1940, 3. A. 2001; Justizalltag im Dritten Reich, hg. v. Diestelkamp, B. u. a., 1988; Puppo, R., Die wirtschaftliche Gesetzgebung des Dritten Reiches, 1988; Schröder, R., ... aber im Zivilrecht sind die Richter standhaft geblieben!, 1988;  Rüthers, B., Entartetes Recht, 2. A. 1989; Michelberger, H., Berichte aus der Justiz des Dritten Reiches, 1989; Recht und Justiz im Dritten Reich, hg. v. Dreier, R. u. a., 1989; Werle, G., Justiz - Strafrecht und polizeiliche Verbrechensbekämpfung im Dritten Reich, 1989; Hildebrand, K., Das Dritte Reich, 5. unv. A. 1995; Schmoeckel, M., Die Großraumtheorie, 1994;  Fürst, M., Politisches Strafrecht im Dritten Reich, 1995; Die deutsche Herrschaft in den „germanischen“ Ländern, hg. v. Bohn, R., 1997; Bedürftig, F., Lexikon Drittes Reich, 1997; Kroll, F., Geschichtsdenken und politisches Handeln im Dritten Reich, 1997; Schiller, C., Das Oberlandesgericht Karlsruhe im Dritten Reich, 1997; Friedländer, S., Das Dritte Reich und die Juden, 1998; Biographisches Lexikon zum Dritten Reich, hg. v. Weiß, H., 1998; Hummel, K., Deutsche Geschichte 1933-1945, 1998; Die juristische Aufarbeitung des Unrechtsstaats, hg. v. d. Redaktion Kritische Justiz, 1998; Klaus, M., Mädchen im Dritten Reich, 1998; Perels, J., Das juristische Erbe des Dritten Reiches, 1999; Wendt, B., Das Dritte Reich, 1999; Benz, W., Geschichte des Dritten Reiches, 2000; Die tödliche Utopie, hg. v. Dahm, V. u. a., 3. A. 2001; Klee, E., Deutsche Medizin im Dritten Reich, 2001; Science in the Third Reich, hg. v. Szöllösi-Janze, M., 2001; Studt, C., Das Dritte Reich in Daten, 2002; Zwangsarbeit im Dritten Reich, hg. v. Zumbansen, P., 2002; Rauh-Kühne, C., Hitlers Hehler?, HZ 275 (2002), 54; Beevor, A., Berlin 1945, 2002

Drittschadensliquidation ist die Ersetzung eines einem Dritten entstandenen Schadens durch den Schuldner eines Schuldverhältnisses. Sie ist dem römischen Recht und dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) an sich fremd, für bestimmte Fallgestaltungen seit einer Entscheidung in Lübeck vom 20. 1. 1855 und einer dogmatischen Erörterung Zimmermanns (1858) aber gewohnheitsrechtlich anerkannt.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 184; Reichard, I., Die Frage des Drittschadensersatzes im klassischen römischen Recht, 1992; Schroeter, H., Die Drittschadensliquidation in europäischen Privatrechten, 1995; Neuner, J., Die Entwicklung der Haftung für Drittschäden, in: Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 193

Drittwiderspruchsklage ist die als Interventionsklage entwickelte Klage des angeblichen oder wirklichen Inhabers eines die Veräußerung hindernden Rechts an einem Gegenstand (z. B. Eigentum) gegen die Zwangsvollstreckung in den betreffenden Gegenstand.

Lit.: Picker, E., Die Drittwiderspruchsklage, 1981

Drittwirkung ist die Wirkung gegenüber Dritten. Grundsätzlich wirken sich Rechte in einem Schuldverhältnis nur zwischen Gläubiger und Schuldner (relativ) aus, so dass im römischen Recht sogar Stellvertretung, Abtretung und Schuldübernahme Schwierigkeiten bereiten. Dagegen wirken Sachenrechte gegenüber jedermann (absolut). Die D. von Grundrechten wird in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s erörtert, aber allgemein verneint.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.

droit (M.) commun (franz.) gemeines Recht

Lit.: Bourjon, F., Le droit commun de la France et la Coutume de Paris reduits en principes, 1747; Petot, P., Le droit commun en France selon les coutumiers, RH 38 (1960), 412

droit (M.) coutumier (franz.) ist das  in -> coutumiers aufgezeichnete Gewohnheitsrecht (coutume) (im Norden Frankreichs).

droit (M.) écrit (franz.), Schriftrecht, römisches Recht (im Süden Frankreichs)

Druckprivileg ist das seit Erfindung des Buchdruckes (1440-54) auf Grund des vom Kaiser beanspruchten Buchregals in Übung kommende herrscherliche Privileg, ein bestimmtes Buch ausschließlich zu drucken. Das D. wird seit dem 19. Jh. durch das ->Urheberrecht abgelöst.

Lit.: Eisenhardt, U., Die kaiserliche Aufsicht über den Buchdruck, Buchhandel und Presse, 1970

Dualismus ist grundsätzlich jede Lehre, die von zwei voneinander unabhängigen meist gegensätzlichen Gegebenheiten ausgeht. In diesem Sinne besteht seit dem 14. Jh. ein D. (Otto von Gierke 1868) zwischen Landesherr und Landständen, der im Absolutismus weitgehend verschwindet.

Lit.: Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A. 1965; Thouzellier, C., Livre de deux principes, 1973; Rosenau, K., Hegemonie und Dualismus, 1986

Duaren, François (Bourges 1509-1559), adliger Richterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Bourges und nach weiteren Studien bei Budé Advokat am Parlament von Paris und 1538 Nachfolger Alciats in Bourges. 1544 setzt er sich in der Schrift (lat.) De ratione docendi discendi iuris (Von der richtigen Art Recht zu lehren und zu lernen) für eine moderne Studiengestaltung (lat. -> mos [M.]  Gallicus) mit Einführungsveranstaltungen, guten Sprachkenntnissen und neuer Methodik ein. Sein gleichzeitig erscheinender Kommentar über Verträge beeinflusst die Entwicklung des Schuldrechts (u. a. Grundsatz der Beschränkung der Herausgabe des ungerechtfertigt Erlangtem auf die noch vorhandene Bereicherung).

Lit.: Vogt, W., Franciscus Duarenus, 1971

Dublin in Irland erscheint im 3. Jh. 1171 erhält es das Stadtrecht von Bristol. 1591 bzw. 1909 werden Universitäten gegründet. Seit 1922 ist D. Hauptstadt Irlands.

Lit.: Stewig, R., Dublin, 1959

Duell ist der geordnete Waffenkampf zweier Streitender. Die Wurzeln des Duells reichen in die Vorzeit zurück. Im Frühmittelalter durchaus allgemein häufig, tritt im Hochmittelalter der ritterliche Zweikampf zu Roß mit Schild und Lanze in den Vordergrund. Vom 17. Jh. an wird das D. unter strenger Strafandrohung verboten. Erst nach Ende der feudalen Gesellschaft (1918) verschwindet aber das ernsthafte D. gänzlich.

Lit.: Below, G. v., Das Duell in Deutschland, 1896; Fehr, H., Der Zweikampf, 1908; Dieners, P., Das Duell, 1992; Schmiedel, H., Berüchtigte Duelle, 2000; Schlink, B., Das Duell im 19. Jahrhundert, NJW 2002, 537; Walter, W., Das Duell in Bayern, 2002

Duguit, Léon (1859 - Bordeaux 1928), Professor des öffentliches Rechtes in Caen und Bordeaux (1892), sieht den Staat positivistisch-realistisch als bloße Gruppe von an einer Aufgabe arbeitenden, von Regierenden gelenkten und kontrollierten Menschen an.

Lit.: Dumas, u. a., A la mémoire de Léon Duguit, 1929; Grimm, D., Solidarität als Rechtsprinzip, 1973

Duisburg an der Mündung der Ruhr in den Rhein ist (883/884) Pfalz (Dispargum) des fränkischen Königs, wird 1129 (?) Stadt (regia villa) und kommt 1290 als Pfand vom König an Kleve und damit 1614 an Brandenburg. Von 1655 bis 1818 ist es Sitz einer Universität.

Lit.: Roden, G. v., Geschichte der Stadt Duisburg, 1970ff.; Born, G./Kropatschek, F., Die alte Universität Duisburg, 1992; Jägers, R., Duisburg im 18. Jahrhundert, 2001

Du Moulin (Molinaeus), Charles (1500-1566), aus einer Juristenfamilie, wird nach dem Sprachstudium bei Budé und dem Rechtsstudium in Poitiers und Orléans 1522 Advokat in Paris und gelangt nach seiner Vertreibung wegen seiner Zugehörigkeit zum Calvinismus über Basel, Genf und Straßburg 1553-5 als Rechtslehrer nach Tübingen. 1539 kommentiert er die Coutume von Paris, 1567 zahlreiche französische Gewohnheitsrechte (Le grand coutumier).

Lit.: Gamillscheg, F., Der Einfluss Du Moulins auf die Entwicklung des Kollisionsrechts, 1955; Thireau, J., Charles Du Moulin, 1980

Dundee wird 1200 erwähnt und erlangt 1883/1967 eine Universität. Seit 1889 ist es Stadt.

Lit.: Maxwell, A., Old Dundee, 1891

duoviri (lat. [M.Pl.] Zweimänner) sind im altrömischen Recht ein Organ des Strafverfahrens, im spätantiken römischen Recht ein gemeindliches Verwaltungsorgan.

Lit.: Kaser § 80; Köbler, DRG 20, 55

duplum (lat. [N.]) Doppeltes

Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 27, 65

Durantis, Guilelmus der Ältere (Speculator) (Puimoisson 1237 - Rom 1. 12. 1296) wird nach dem Rechtsstudium in Lyon und Bologna (1255) Rechtslehrer in Modena und vielfältiger päpstlicher Amtsträger. Sein vierbändiges Hauptwerk (lat. -> Speculum [N.] iudiciale, Gerichtsspiegel, vor 1276 2. A. 1289-1291, Druck 1574, Neudruck 1975) behandelt, dem Ablauf eines Prozesses folgend, in erschöpfender Sammlung und Verwaltung der prozessrechtlichen Literatur das gesamte geistliche Gerichtsrecht unter Berücksichtigung vieler Formulare.

Lit.: Köbler, DRG 107; Savigny, F. v., Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, 2. A. Bd. 5 1850, 571; Guillaume Durand, hg. v. Gy, P., 1992

Durchgangserwerb ist der nur durchgangsweise erfolgende Erwerb eines Rechts.

Lit.: Weyand, S., Der Durchgangserwerb, 1989

Durch zweier Zeugen Mund wird die Wahrheit kund.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 360 (Simrock 1846)

dux (lat. [M.]) Feldherr, Führer, Herzog

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 55; Sprandel, R., Dux und comes in der Merowingerzeit, ZRG GA 74 (1957), 41; Goetz, H., „Dux“ und „ducatus“, 1974; Ebling, H., Prosopographie der Amtsträger, 1974; Gasparri, S., I duchi longobardi, 1978

Dynastie (Herrschergeschlecht) -> Merowinger, -> Karolinger, -> Ottonen, -> Salier, -> Staufer, -> Welfen, -> Babenberger, -> Wittelsbacher, -> Wettiner, -> Hohenzollern, -> Habsburger u. a.

Lit.: Schmid, K., Zur Problematik von Familie, Sippe und Geschlecht, Haus und Dynastie, ZGO 105 (1957); Durschmied, E., Der Untergang großer Dynastien, 2000

 

E

 

Ebenbürtigkeit ist die von der Gleichheit des Geburtsstandes abhängige rechtliche Gleichheit. Ihr ähnelt im römischen Recht das -> conubium. Wann im Mittelalter E. eine Voraussetzung einer Rechtsfolge wird, lässt sich nicht eindeutig feststellen. Immerhin ist erkennbar, dass seit der karolingischen Zeit der Hochadel nahezu ausnahmslos unter sich heiratet. Später zeigen sich Auswirkungen auch im Verfahrensrecht (E. der Urteiler, der Zeugen, des kampflich Ansprechberechtigten). Mit dem Verlust der Vorrangstellung des Adels verschwindet (spätestens 1918) auch die rechtliche Bedeutung der E.

Lit.: Köbler, DRG 120; Göhrum, C., Geschichtliche Darstellung der Lehre von der Ebenbürtigkeit, 1846; Dungern, O. v., Das Problem der Ebenbürtigkeit, 1905; Minnigerode, H. v., Ebenburt und Echtheit, 1912

ecclesia non sitit sanguinem (lat., die Kirche dürstet nicht nach Blut) ist eine mittelalterliche Rechtsregel, welche begründet, weshalb Geistliche nicht an Verfahren teilnehmen dürfen, die zu einer -> Todesstrafe oder Verstümmelungsstrafe führen können. Sie wird im Hochmittelalter sichtbar (Westminster 1173, Rouen 1190, Dublin 1214). Sie hat zur Folge, dass die Kirche in ihren weltlichen Herrschaftsgebieten Gerichtshalter (Vögte) einsetzen muss, welche für sie das Blutgericht ausführen. Zumindest inhaltlich nicht an ihre Selbstbeschränkung hält sich die Kirche gegenüber Ketzern, Zauberern und Hexen. Auch bei Kreuzzügen scheut die Kirche vor dem Blutvergießen nicht zurück.

Lit.: Stickler, A., Il gladius negli Atti dei concili, Salesianum 13 (1951), 414; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991

ecclesia vivit lege Romana (lat., die Kirche lebt nach römischem Recht) ist eine beispielsweise in der (lat.) -> Lex (F.) Ribvaria des 7. Jh.s bezeugte mittelalterliche Rechtsregel, die zum Ausdruck bringt, dass die christliche Kirche grundsätzlich römische Rechtsgedanken angenommen hat und ihre Geltung für ihre Angehörigen einfordert.

Lit.: Biondi, B., Il diritto Romano Cristiano, 1952ff.; Feine, H., Vom Fortleben des römischen Rechts in der Kirche, ZRG KA 73 (1956), 1; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 62, Nr. 10 (Lex Ribvaria 763/4)

echte Not ist die von der mittelalterlichen Rechtsordnung als Ausnahmetatbestand einer Rechtsregel anerkannte besondere Lage (z. B. ist Säumnis im Verfahren bei echter Not [z. B. Krankheit, Haft, Unwetter] entschuldigt).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2

echtes Ding ist das nicht besonders gebotene, regelmäßig zu einem bestimmten Zeitpunkt stattfindende -> Ding.

Eddach (mnd.) Eidtag

Lit.: Ebel, W., Bursprake, echteding, eddach, FS H. Niedermeyer, 1953, 53

Edictum Theoderici ist ein nur durch einen frühneuzeitlichen Druck (1579) überlieferter Rechtstext der ausgehenden Spätantike (2. H. 5. Jh.?), der in 155 kurzen Kapiteln unter Verwendung des vulgar umgeformten römischen Codex Theodosianus, des Codex Gregorianus und des Codex Hermogenianus sowie der Paulussentenzen verschiedenste Gegenstände behandelt und dabei in 26 Kapiteln die Todesstrafe androht. Streitig ist, ob das E. T. dem Gotenkönig -> Theoderich dem Großen (493-526) zugeschrieben werden kann.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 53, 80; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953; Vismara, G., Edictum Theoderici, 1967, Ius Romanum Medii Aevi I 2 b aa a, dazu Nehlsen, H., ZRG GA 86 (1969), 246; Stelzer, W., Gelehrtes Recht, 1982

edictum (N.) tralaticium (lat.) ist das überlieferte -> Edikt des römischen Prätors.

Lit.: Köbler, DRG 30

Edictus Rothari ist das unter der Herrschaft König Rotharis 643 in 388 Kapiteln lateinisch aufgezeichnete Recht der Langobarden (->Volksrecht). Es berücksichtigt neben den hergebrachten Gewohnheiten (langobardisch cawarfide) römisches Recht, biblische Gedanken und vielleicht westgotisches, bayerisches, alemannisches und fränkisches Recht. Die Nachfolger Rotharis fügen Ergänzungen an (-> Leges Langobardorum).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 81; Edictus ceteraeque Langobardorum leges, ed. Bluhme, F., 1869; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953; Cavanna, A., La civiltà giuridica longobarda, 1978; Vismara, G., Il diritto in Italia nell’ alto medioevo, 1981

Edikt ist allgemein die Bekanntmachung oder der Erlaß. In der römischen Rechtsgeschichte ist das Edikt des Gerichtsmagistrats (Prätors) die Bekanntmachung vor allem der Grundsätze, welche der Gerichtsmagistrat während der gesamten Dauer seiner Amtszeit beachten will (lat. edictum [N.] perpetuum, dauerhafte Bekanntmachung z. B. einer Prozessformel, einer Rechtsschutzverheißung). Kaiser Hadrian lässt um 130 n. Chr. das Edikt der Prätoren (lat. praetor [M.] urbanus und praetor peregrinus) und der kurulischen Ädilen durch den Juristen Salvius -> Iulianus in eine endgültige, nur mehr durch den Kaiser abänderbare oder ergänzbare Fassung bringen.

Lit.: Kaser §§ 2, 80; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 22; Söllner §§ 9, 15, 16, 23; Köbler, DRG 31, 161; Lenel, O., Das Edictum perpetuum, 3. A. 1927, Neudruck 1956; Selb, W., Das prätorische Edikt, FS M. Kaser, 1986, 259

Ediktalzitation ist die durch öffentliche Bekanntmachung erfolgende Ladung eines Beklagten, den eine persönliche Ladung nicht oder schwer erreicht (z. B. durch Anschlag an einem öffentlichen Gebäude). Sie stammt aus dem römischen Recht. Sie erscheint im 13. Jh. auch im deutschen Reich (Reichsabschied vom 19. 11. 1274) und wird danach im Kameralprozess als subsidiäre Einrichtung aufgenommen. Sie ist in der öffentlichen Zustellung der Gegenwart erhalten. Von der E. zu unterscheiden ist die Feststellung, dass der Beklagte vor Gericht nicht erschienen ist.

Lit.: Bethmann Hollweg, M. v., Der Zivilprozess des gemeinen Rechts, Bd. 5 1873, 111; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1879, Neudruck 1973, 339

Edikt von Nantes ist ein am 13. 4. 1598 von König Heinrich IV. von Frankreich erlassenes Edikt, welches das katholische Bekenntnis als Staatsreligion bestätigt, den Hugenotten (französische Protestanten) Gewissensfreiheit und ungefähr 100 sichere Orte gewährt.

Edinburgh am Firth of Forth entwickelt sich unterhalb einer seit dem 6. Jh. nachgewiesenen Burg, in der seit dem Ende des 11. Jh.s die schottischen Könige sitzen (um 1470-1707 Hauptstadt). 1583 erlangt es eine Universität.

Lit.: Arnot, H., The History of Edinburgh, 1779

Ehaft ist eine örtlich verbreitete Bezeichnung für -> Weistum.

Lit.: Kroeschell, DRG 2

Ehalt ist eine örtlich verbreitete Bezeichnung für -> Gesinde.

Ehe ist die mit Eheschließungswillen eingegangene anerkannte Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau. Bei den Indogermanen gibt vermutlich der Vater die Tochter dem Mann, der sie (in das eigene Haus) führt, aber zu den Eltern der Frau in keine verwandtschaftliche Beziehung tritt. Im altrömischen Recht, in dem die E. ein hauptsächlich sozial geordnetes Verhältnis ist, verspricht der Gewalthaber der Braut diese dem Bräutigam. Daneben kann der Bräutigam seinerseits die Heimführung zusagen. Beides kann durch Geldversprechen gesichert werden und wird regelmäßig danach erfüllt. Die Eheschließung selbst erfordert den übereinstimmenden Willen, die E. einzugehen. Kaiser Augustus (27 v. Chr. - 14 n. Chr.) stellt Eheverbote und Ehegebote auf. Vielleicht schon im klassischen römischen Recht, jedenfalls in der Spätantike wird die E. unter vorwiegend christlichem Einfluss ein stärker rechtlich geprägtes Verhältnis. Für den Eheschluss der mündigen Brautleute genügt der jetzt rechtlich eingeordnete Konsens, der in der Regel nur durch Urkunden über eine Mitgiftbestellung bewiesen wird. Im Frühmittelalter setzen sich die kirchlichen Vorstellungen gegenüber den germanischen Gestaltungen (Vertrag zwischen Brautvater und Bräutigam [Muntehe, daneben Entführungsehe], Möglichkeit der Mehrehe) durch. Wohl seit dem 12. Jh. gilt der Satz, dass allein die Vereinbarung die E. begründet. Seit dem 12./13. Jh. soll aus Gründen der Rechtssicherheit ein vorheriges Aufgebot (1215) und die Erfragung des Ja-Wortes durch den Priester erfolgen. Die E., die im 13. Jh. unter Einengung einer ursprünglich weiteren Bedeutung ihren Namen E. erhält, wird christliches Sakrament. Die protestantische Kirche lehnt dies ab und sieht die E. als Vertrag. In der frühen Neuzeit wendet sich die Aufklärung gegen das kirchliche Wesen der E. Es wird die Schließung der E. vor einer staatlichen Stelle zugelassen oder vorgeschrieben (England 1653, Frankreich 1792). Im Kulturkampf wird die obligatorische Zivilehe in der Form gegenseitiger Willenserklärungen vor dem Standesbeamten festgesetzt (Preußen 1874, 6. 2. 1875 Personenstandsgesetz des Reiches). Daneben besteht die zusätzliche Möglichkeit der kirchenrechtlichen E. fort.

Lit.: Kaser § 58; Söllner §§ 5, 6, 7, 8, 12, 14, 18, 23; Hübner 624ff.; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 15, 22, 36, 58, 114, 120, 161, 209, 238, 267; Baltl/Kocher; Friedberg, E., Das Recht der Eheschließung in seiner geschichtlichen Entwicklung, 1865, Neudruck 1965; Sohm, R., Das Recht der Eheschließung, 1875; Schubart-Fikentscher, G., Das Eherecht im Brünner Schöffenbuch, 1935; Erle, M., Die Ehe im Naturrecht, Diss. jur. Göttingen 1952; Ziegler, J., Die Ehelehre der Poenitentialsummen, 1956; Schwab, D., Grundlagen und Gestalt der staatlichen Ehegesetzgebung in der Neuzeit, 1967; Schulze-Beckhausen, O., Das Ehe- und Familienrecht im Sachsenspiegel, 1970; Gräfe, R., Das Eherecht in den Coutumiers des 13. Jahrhunderts, 1972; Giesen, D., Grundlagen und Entwicklung des englischen Eherechts, 1975; Huber, J., Der Ehekonsens im römischen Recht, 1977; Raiser, B., Die Rechtsprechung zum deutschen internationalen Eherecht im Dritten Reich, 1980; Buchholz, S., Eherecht zwischen Staat und Kirche, 1981; Ehen ohne Ring, hg. v. Böhme, W., 1981; Goody, J., Die Entwicklung von Ehe und Familie in Europa, 1990; Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991; Marriage, property and succession, ed. by Bonfield, L., 1992; Krüger, J., Die Ehegesetzgebung des Kaisers Augustus, 1994; Seehase, H., Ehesachen vor dem Reichskammergericht, Diss. jur. Münster 1998; Harmat, U., Ehe auf Widerruf? Der Konflikt um das Eherecht in Österreich 1918-1938, 1999; Ehe und Familie, hg. v. Hecker, H., 1999; Göwer, K., Wilde Ehen, 1999; Blümel, K., Die Aufhebung der sog. Rassenmischehe, Diss. jur. Regensburg 1999Eisenring, G., Die römische Ehe als Rechtsverhältnis, 2000; Das älteste Tübinger Ehebuch (1553-1614), hg. v. Schiek, S. u. a., 2000; Matrimoni in dubbio a cura di Seidel Menchi S. u. a., 2001; Schnell, R., Sexualität und Emotionalität in der vormodernen Ehe, 2002; ; Saar, S., Ehe – Scheidung - Wiederverheiratung, 2002; Eisenring, G., Die römische Ehe als Rechtsverhältnis, 2002

Ehebruch ist der zumindest bedingt vorsätzliche Vollzug des Beischlafs eines Ehegatten mit einer dritten Person anderen Geschlechts. Der wohl zunächst privat geahndete E. (der Frau), dem nach der Bibel die Steinigung folgt (1. Moses 38,24), wird seit Augustus (63 v. Chr. - 14 n. Chr.) strafbar. Bei den Germanen darf der Mann die Frau nackt und geschoren durch die Siedlung treiben und damit dem Untergang preisgeben oder überhaupt töten. Ihr männlicher Partner darf in handhafter Tat bußlos getötet werden und unterliegt im übrigen der Rache und später der Buße. Die christliche Kirche verlangt die Gleichbehandlung von Mann und Frau, setzt sie aber erst seit dem 14. Jh. in den Städten durch. Dem folgt im Gegensatz zur Constitutio Criminalis Bambergensis (1507) die Constitutio Criminalis Carolina (1532), äußert sich aber zur Strafe selbst nicht. Das Allgemeine Landrecht (1794) bestraft die Ehebrecher nur im Fall der Eheschließung auf Antrag des beleidigten Ehegatten mit höchstens einjähriger Gefängnisstrafe. Je nach dem Religionsbekenntnis ist im Josephinischen Gesetzbuch (1787) und im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch Österreichs (1811) der E. Ehescheidungsgrund. 1969 wird in Deutschland die Strafbarkeit beseitigt (Österreich 1996, aber schwere Eheverfehlung). Mit dem Übergang zum Zerrüttungsprinzip ist E. als solcher auch kein Grund mehr zur Ehescheidung.

Lit.: Söllner §§ 10, 14; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 35, 119, 264; Hälschner, H., Die Lehre vom Ehebruch, Gerichtssaal 22 (1870), 401; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961, 691; Dahm, G., Das Strafrecht Italiens im ausgehenden Mittelalter, 1931, 424; Bullough, V./Brundage, J., Sexual Practices, 1982; Graf, W., Der Ehebruch im fränkischen und deutschen Mittelalter, Diss. jur. Würzburg, 1983; Schmitz, W., Der nomos moicheias, ZRG RA 114 (1997), 233; Kossak, W., Ehebruch, 2000; Melchior-Bonnet, S./Tocqueville, A. de, In flagranti, 2000; Mader, K., Ehebruch als Scheidungstatbestand, 2002

Ehefrau -> Frau

Ehegattenerbrecht ist das Erbrecht eines Ehegatten beim Tode des anderen Ehegatten. In Rom führt die wachsende Häufigkeit der gewaltfreien Ehe schließlich zur Einführung einer (allen Verwandten nachgeordneten) Erbfolge zwischen Ehegatten. Im Reich erkennen Stadtrechte im Hochmittelalter als Folge der Gütergemeinschaft allmählich ein E. an. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) erhält der Ehegatte mindestens ein Viertel des Nachlasses. Dieser Erbteil erhöht sich im Falle der Zugewinngemeinschaft (1957) um ein Viertel.

Lit.: Kaser §§ 65, 66; Hübner; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 123, 210, 269; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Fröschle, T., Die Entwicklung der gesetzlichen Rechte des überlebenden Ehegatten, 1996; Heyse, G., Mulier non debet abire nuda, 1994

Ehegattenschenkung ist die Schenkung von Gütern unter Hausverbänden von Ehegatten. Sie wird im römischen Recht (vielleicht im 3. Jh. v. Chr. unter dem Einfluss der Stoa entwickelt und) unter Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) verboten.

Lit.: Köbler, DRG 37; Misera, K., Der Bereicherungsgedanke bei Schenkungen unter Ehegatten, 1974; Schenkungen unter Ehegatten, in: Familie und Recht, 1995, 177; Kemner, D., Schenkungen unter Ehegatten, 1998; Gade, G., Donationes inter virum et uxorem, 2001

Ehegesetz ist ein die -> Ehe betreffendes Gesetz, insbesondere das am 6. 7. 1938 auf Grund des Anschlusses Österreichs an das Deutsche Reich erlassene Gesetz, welches das Eherecht aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch herausführt und u. a. die Ehescheidung erleichtert. 1946 wird das E. von nationalsozialistischem Gedankengut gereinigt, 1976 das Ehescheidungsrecht wieder in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 239, 254; Baltl/Kocher;  Wolff, A., Das Zerrüttungsprinzip im Ehescheidungsrecht und die Nationalsozialisten, FamRZ 1988, 1271; Gruchmann, L., Das Ehegesetz, ZNR 11 (1989), 63; Harmat, U., Ehe auf Widerruf? Der Konflikt um das Eherecht in Österreich 1918-1938, 1999;

Ehegüterrecht ist das die Güter der Ehegatten betreffende Recht. Im altrömischen Recht gibt der Hausvater der Frau dem Ehemann in der Regel eine -> dos, welche nach ihrem Tod grundsätzlich aus dem Vermögen des Mannes an den Geber zurückfällt. Bei den später immer häufiger werdenden gewaltfreien Ehen bleibt das Vermögen der Ehegatten rechtlich getrennt, wird aber tatsächlich weiter unter der Verwaltung des Ehemannes gemeinsam genützt. Bei den Germanen wird wohl ein eingebrachtes Gut vom Ehemann verwaltet. Im Frühmittelalter wird neben dieser grundsätzlichen -> Gütertrennung mit Verwaltungseinheit bei Franken und Westfalen eine Gemeinschaft an dem in der Ehe gewonnenen Gut sichtbar (-> Errungenschaftsgemeinschaft). Im Hochmittelalter dringt im weltlich bleibenden E. die -> Gütergemeinschaft in verschiedenen Formen weiter vor (allgemeine Gütergemeinschaft, Fahrnisgemeinschaft), wobei die örtlichen Regeln sehr unterschiedlich sind und vertragliche Gestaltungen häufig werden. In der frühen Neuzeit wird das römische -> Dotalsystem abgewandelt in einzelnen Gebieten aufgenommen (Braunschweig, Kurhessen). Die naturrechtlichen Kodifikationen sehen nur gewisse Regelgüterstände vor (§ 1237 ABGB Gütertrennung mit Verwaltungsgemeinschaft). Die fünf noch im Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) enthaltenen Güterstände werden später auf Zugewinngemeinschaft (18. 6. 1957), Gütertrennung und Gütergemeinschaft verringert.

Lit.: Kaser § 59; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 161, 209; Baltl/Kocher; Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland, Bd. 1ff. 1863ff., Neudruck 1967; Brauneder, W., Die Entwicklung des Ehegüterrechts in Österreich, 1973; Schmid, K., Die Entstehung der güterrechtlichen Vorschriften im Bürgerlichen Gesetzbuch, 1990

Ehehindernis ist ein der Eheschließung entgegenstehender Umstand. Anscheinend können bei den Germanen Kinder von (im gleichen Haus lebenden) Brüdern nicht heiraten. Im altrömischen Recht ist die Ehe ausgeschlossen unter Verwandten bis zum sechsten Grad, mit einem Verheirateten sowie beim Fehlen des -> conubium. Witwen sollen zur Vermeidung von Unklarheiten über die Vaterschaft von Kindern 10 Monate nach dem Tod des Mannes nicht heiraten. Im spätantiken römischen Recht sind christliche Ehehindernisse zu beachten. Seit dem 6. Jh. wirkt sich dies auf das fränkische Recht aus, das ursprünglich nur wenige tatsächliche Ehehindernisse kennt. Danach setzt die Kirche ihr Recht der Ehehindernisse durch. Ein staatliches Recht der Ehehindernisse begegnet ansatzweise im Verlauf der frühen Neuzeit (Frankreich 1629 Entwurf, Österreich 1783, Frankreich 1804) und wird danach allgemein aufgegriffen.

Lit.: Kaser § 58; Hübner; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 58, 88, 122, 161, 209, 239

Ehepatent ist eine 1783 von Joseph II. für Österreich veröffentlichte Regelung, welche die Ehe als Vertrag ansieht, die Ehescheidung erleichtert und für Ehestreitigkeiten die Zuständigkeit der weltlichen Gerichte anordnet.

Lit.: Köbler, DRG 142, 161; Baltl/Kocher; Schwab, D., Grundlagen und Gestalt der staatlichen Ehegesetzgebung in der Neuzeit, 1967

Eherecht ist das Recht der -> Ehe. Es betrifft vor allem die Eheschließung, die Ehehindernisse, die Ehescheidung und das Ehegüterrecht.

Lit.: Söllner §§ 8, 14; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Fricke, F., Das Eherecht des Sachsenspiegels, 1898; Plöchl, W., Das Eherecht des Magisters Gratianus, 1935; Schubart-Fikentscher, G., Das Eherecht im Brünner Schöffenbuch, 1935; Schönsteiner, F., Grundriß des kirchlichen Eherechts, 2. A. 1937; Emge, C., Das Eherecht Immanuel Kants, Kant-Studien 29, 243ff.; Dieterich, H., Das protestantische Eherecht, 1970;  Gräfe, R., Das Eherecht in den Coutumiers des 13. Jahrhunders, 1972; Ramm, T., Eherecht und Nationalsozialismus, FS Fraenkel, 1973; Giesen, D., Grundlagen und Entwicklung des englischen Eherechts, 1975; Buchholz, S., Eherecht zwischen Staat und Kirche, 1981; Schäfer, J., Die Entstehung der Vorschriften über das persönliche Eherecht, 1983; Zur Geschichte des Ehe- und Familienrechts, hg. v. Mohnhaupt, H., 1987; Eherecht und Familiengut, hg. v. Simon, D., 1992; Gmür, R., Betrachtungen zur Entwicklung des Eherechts, FS W. Stree/J. Wessels, 1993, 1227; Sibeth, U., Eherecht und Staatsbildung, 1994; Jackman, D., Das Eherecht und der frühdeutsche Adel, ZRG GA 112 (1995), 158; Schwab, D., 20 Jahre „Erstes Eherechtsreformgesetz“, JuS 1997, 587; Harmat, U., Ehe auf Widerruf? Der Konflikt um das Eherecht in Österreich 1918-1938, 1999

Ehering ist der als Zeichen eines Eheschließungswillens gegebene Fingerring. Er geht wohl auf den (lat.) anulus (M.) pronubus (Verlobungsring) der Römer zurück, den das Christentum als Symbol der Treue fördert. Er ist im Frühmittelalter zuerst im Volksrecht der Westgoten und Langobarden belegt. Unter kirchlichem Einfluss entwickelt sich die einseitige Gabe des Bräutigams an die Braut bei der Verlobung und dann auch bei der Trauung seit dem Mittelalter allmählich zum gegenseitigen Ringwechsel. Der E. ist bis in das 19. Jh. aber nur in einer dünnen Oberschicht tatsächlich üblich.

Lit.: Köstler, R., Ringwechsel und Trauung, ZRG KA 53 (1933), 1; Ehen ohne Ring, hg. v. Böhme, W., 1981

Ehescheidung ist die Auflösung der Ehe aus nach der Eheschließung eingetretenen Gründen. Sie ist bei den Römern (lat. [N.] -> divortium) zunächst ebenso möglich wie bei den Germanen, ohne dass sie in der Rechtswirklichkeit allzu häufig gewesen sein dürfte. In der Spätantike führen die christlichen Vorstellungen zur allmählichen Einschränkung der freien E. Im Frühmittelalter wird die E. von der Kirche auf Grund von 1. Korinther 7,39ff. seit dem 8. Jh., verstärkt seit 829, bekämpft und bald gänzlich ausgeschlossen. Demgegenüber lässt die protestantische Religion seit 1517 allmählich die E. aus bestimmten Gründen (Matthäus 5,31ff., 19,3, 1. Korinther 7,15), welche Stadtgericht oder Landpfarrer sowie später die Konsistorien in einem Verfahren überprüfen, zu. Die Aufklärung versucht dies auszudehnen (Preußen 1749, Frankreich 1792, Österreich 1783 für Protestanten). In England wird 1857 erstmals die E. mit gerichtlicher Mitwirkung möglich. In Deutschland lässt das Personenstandsgesetz vom 6. 2. 1875 die E. durch ein staatliches Gericht aus bestimmten Gründen zu. 1976 wird das grundsätzlich erforderliche Verschulden durch die Zerrüttung ersetzt. Bei der E. erfolgt nunmehr auch ein Ausgleich der Versorgungsansprüche. Am Ende des 20. Jh.s wird im Durchschnitt jede dritte Ehe geschieden.

Lit.: Kaser § 58 II 2a; Söllner §§ 5, 8, 12, 23; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 58, 72, 88, 122, 161, 219, 239, 267; Baltl/Kocher; Geffcken, H., Zur Geschichte der Ehescheidung vor Gratian, 1894; Damas, P., Les origines du divorce en France, 1897; Wolf, E. u. a., Scheidung und Scheidungsrecht, 1959; Mikat, P., Zur Bedeutung Friedrich Carl von Savignys für die Entwicklung des deutschen Scheidungsrechts, FS W. Bosch, 1976, 671; Schubert, W., Die Projekte der Weimarer Republik, 1986; Blasius, D., Die Ehescheidung in Deutschland 1784-1945, 1987; Wolff, A., Das Zerrüttungsprinzip, FamRZ 1988, 1271ff.; Wadle, E., Ehescheidung vor dem Standesbeamten, FS H. Herrmann, 1995, 291; Roßdeutscher, G., Privatautonomie im Scheidungsrecht, 1995; Horn, C., Die Rechtsprechung des Reichsgerichts in Ehesachen, 1997; Nahmacher, K., Die Rechtsprechung des Reichsgerichts und der Hamburger Gerichte, 1999; Hoffmann-Steudtner, V., Die Rechtsprechung des Reichsgerichts zu dem Scheidungsgrund, 1999; Saar, S., Ehe, Scheidung, Wiederverheiratung, 2003; Schubert, W., Die Abkehr vom Verschuldensprinzip im Ehescheidungsrecht, ZRG GA 120 (2003), 280

 

Eheschließung ist die Eingehung der -> Ehe. Sie erfordert geschichtlich unterschiedliche Voraussetzungen und erfolgt in verschiedenen Formen.

Lit.: Kaser §§ 6, 58; Söllner §§ 5, 8, 12, 18; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 122, 161, 209; Sohm, R., Das Recht der Eheschließung, 1875; Schwerin, C. Frhr. v., Quellen zur Geschichte der Eheschließung, Bd. 1ff. 1925ff.; Frölich, K., Die Eheschließung des deutschen Mittelalters, Hess. Bll. f. Volkskunde 1928, 144; Ritzer, K., Formen, Riten und religiöses Brauchtum der Eheschließung, 1961; Landau, P., Hadrians IV. Dekretale „Dignum est“, Studia Gratiana 12 (1967), 511; Fuhrmann, I., Die Diskussion über die Einführung der fakultativen Zivilehe, 1998; Fassbender, M., Das Eheschließungsrecht im Herzogtum Berg, 1998 Diss. jur. Köln 1998

Ehevertrag ist der zur besonderen Gestaltung der abänderbaren ehelichen Rechtsverhältnisse geschlossene Vertrag zwischen den Eheleuten. Er betrifft hauptsächlich das Ehegüterrecht. Er wird schon in den hochmittelalterlichen Städten häufiger, bleibt aber insgesamt auf vermögende Menschen beschränkt.

Lit.: Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland, Bd. 1ff. 1863ff., Neudruck 1967; Hillenbrand, M., Fürstliche Eheverträge, 1996

Ehre ist der Wert eines Menschen innerhalb der Gesellschaft. Die Verletzung der E. kann schon im altrömischen Recht eine Folge nach sich ziehen (bei [lat.] iniuria [F.] sind 25 Pfund Kupfer zu leisten). Ihr Schutz bleibt weitgehend der Selbsthilfe und dem Strafrecht überlassen. Bestimmtes Verhalten führt zum rechtlichen Verlust der E. (Ehrlosigkeit, Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte).

Lit.: Kaser § 13; Köbler, DRG 216; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 1; Binding, K., Die Ehre im Rechtssinn und ihre Verletzbarkeit, 1890; Reiner, H., Die Ehre, 1956; Brenzina, M., Ehre und Ehrenschutz im nationalsozialistischen Recht, 1987; Müller-Burgherr, T., Die Ehrverletzung, Diss. jur. Freiburg i. Ü. 1987; Polay, E., Der Schutz der Ehre, ZRG RA 106 (1989), 502; Verletzte Ehre, hg. v. Schreiner, K. u. a., 1995; Backmann, S. u. a., Das Konzept der Ehre, 1997; Ehrkonzepte in der frühen Neuzeit, hg. v. Backmann, S. u. a., 1998; Fuchs, R., Um die Ehre, 1998; Dülmen, R. van, Der ehrlose Mensch, 1999; Beher, K. u. a., Strukturwandel des Ehrenamts, 1999; Bastl, B., Tugend, Liebe, Ehre, 2000

Ehrenstrafe ist eine die -> Ehre betreffende Strafe. Als solche sind beispielsweise anzusehen das Ausstellen am -> Pranger, das Scheren der Haare oder das Tragen einer Schandmaske. In der frühen Neuzeit versucht man die E. gesetzlich festzulegen. In der 2. Hälfte des 20. Jh.s wird ihre Bedeutung gering.

Lit.: Quanter, R., Die Schand- und Ehrenstrafen in der deutschen Rechtspflege, 1901, Neudruck 1970; Rannacher, H., Der Ehrenschutz in der Geschichte des deutschen Strafrechts mit besonderer Berücksichtigung der Ehrenstrafen, 1938

Ehrlich, Eugen (Czernowitz 14. 9. 1862 - Wien 2. 5. 1922), Sohn eines Advokaten, wird nach dem Rechtsstudium in Wien Advokat und 1896 Professor für römisches Recht in Czernowitz. Schon seine frühe Schrift über Lücken im Recht (1888) wendet sich gegen die herrschende Vorstellung von der Unangreifbarkeit des staatlichen Rechts. Der Vortrag Freie Rechtsfindung und freie Rechtswissenschaft (1903) folgert daraus, dass im Falle einer Lücke eine freie Rechtsfindung erforderlich sei, welche sich im Zweifel auf soziologische Überlegungen stützen müsse. 1913 bietet E. mit seinem Hauptwerk Grundlegung der Soziologie des Rechts eine der wichtigsten Grundlagen für die Entwicklung der Rechtssoziologie.

Lit.: Köbler, DRG 189, 228; Rehbinder, M., Die Begründung der Rechtssoziologie durch Eugen Ehrlich, 2. A. 1986; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 469

Eichhorn, Karl-Friedrich (Jena 20. 11. 1781 - Köln 4. 7. 1854), Theologensohn, wird nach dem Rechtsstudium (seit 1797) in Göttingen (Hugo, Pütter) 1805 Professor in Frankfurt an der Oder, 1811 in Berlin, 1817-29 in Göttingen sowie seit 1832-4 in Berlin. 1808 veröffentlicht er ganz aus den Quellen geschrieben die erste Gesamtdarstellung der deutschen Rechtsgeschichte (Deutsche Staats- und Rechtsgeschichte), seit 1823 die Einleitung in das deutsche Privatrecht, welche das geltende deutsche Privatrecht systematisch-dogmatisch gegliedert (als innere Rechtsgeschichte) aussondert. Die Einheit des deutschen Rechts wird dabei auf die Gemeinsamkeiten der mittelalterlichen Landrechte, sein System auf die ihnen angeblich zugrunde liegenden gemeinsamen Grundsätze gegründet. 1831-5 folgen noch die zweibändigen Grundsätze des Kirchenrechts.

Lit.: Köbler, DRG 188; Jelusic, K., Die historische Methode Karl Friedrich Eichhorns, 1987; Conradi, R., Karl Friedrich Eichhorn als Staatsrechtslehrer, 1987

Eichmann, Eduard (Hagenbach 14. 2. 1870 - München 26. 4. 1946) wird nach dem Studium der Theologie und der Rechtswissenschaft in Würzburg, Straßburg und München Professor für Kirchenrecht in Prag, Wien und München (1918-46) und veröffentlicht 1923 das führende Lehrbuch des Kirchenrechts seiner Zeit.

Lit.: Festschrift für Eichmann, hg. v. Laforet, W. u. a., 1940

Eichwesen ist die Sicherstellung redlicher Verwendung von Maßen. Diese erfolgt bereits in der hochmittelalterlichen Stadt. Mit verstärkter Genauigkeit wird die Eichung seit dem 19. Jh. vorgeschrieben.

Lit.: Planitz, H., Die deutsche Stadt, 5. A. 1980

Eid ist die Anrufung einer Macht als Zeugen für die Wahrheit einer Aussage oder die Gültigkeit eines Versprechens. Der E. ist weit verbreitet. Er verbindet meist Worte mit besonderen Formen (z. B. Handerheben, Berühren der Bibel usw.). Er ist ein wichtiges Beweismittel im Verfahren (z. B. Reinigungseid des Beschuldigten, Zeugeneid). Strafbar ist der -> Meineid.

Lit.: Kaser §§ 84 I, 87; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 70, 114, 116, 155, 202, 216, 235; Köbler, WAS; Strippelmann, F., Der Gerichtseid, 1855ff.; Loening, R., Der Reinigungseid, 1880; Göpfert, F., Der Eid, 1883; Siegel, H., Handschlag und Eid, 1894; Thudichum, F. v., Geschichte des Eides, 1911; Pedersen, J., Der Eid bei den Semiten, 1914; Gottlob, T., Der kirchliche Amtseid, 1936, Neudruck 1963; Hofmeister, P., Die christlichen Eidesformen, 1957; Ebel, W., Der Bürgereid, 1958; Scheyhing, R., Eide, Amtsgewalt und Bannleihe, 1960; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Lea, H., The Duel and the Oath, 1974; Vormbaum, T., Eid, Meineid und Falschaussage, 1990; Prodi, P., Il sacramento del potere, 1992 (deutsch 1997); Prodi, P., Das Sakrament der Herrschaft: Der politische Eid, 1997; Eid und Wahrheitssuche, hg. v. Esders, S. u. a., 1999; Esders, S./Mierau, H., Der althochdeutsche Klerikereid, 2000; Lange, S., Der Fahneneid, 2001

Eidgenossenschaft ist allgemein ein eidlich bekräftigtes genossenschaftliches Bündnis. Die wichtigste besondere E. ist die -> Schweiz. Hier schließen die Länder -> Uri und -> Schwyz zwischen 1240 und 1273 einen ersten Bund, dem 1291 und 1315 weitere folgen und zu dem danach zusätzliche Orte hinzutreten. Von einer Schweizerischen E. wird dabei seit dem späten 18. Jh. gesprochen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Hilty, C., Die Bundesverfassung der schweizerischen Eidgenossenschaft, 1891; Gasser, A., Entstehung und Ausbildung der Landeshoheit im Gebiet der schweizerischen Eidgenossenschaft, 1930; Quellenwerk zur Entstehung der schweizerischen Eidgenossenschaft, hg. v. Spieß, T., Bd. 1ff. 1933ff.; Planitz, H., Kaufmannsgilde und städtische Eidgenossenschaft, ZRG GA 60 (1940), 1; Pappard, W., Die Bundesverfassung der schweizerischen Eidgenossenschaft 1848-1948, 1948; Laroche, P., Das Interregnum und die Entstehung der schweizerischen Eidgenossenschaft, 1971; Meyer, B., Die Bildung der Eidgenossenschaft im 14. Jahrhundert, 1972; Braun, B., Die Eidgenossen, 1997

Eidhelfer, Eideshelfer, ist im frühmittelalterlichen deutschen Recht ein Mensch, welcher schwört, dass der Eid eines Eidesleistenden rein und nicht mein (falsch) sei. Häufig soll dabei ein Beschuldigter mit sechs oder 12 Eidhelfern sich durch Eid von einer Beschuldigung reinigen. Der E. ist vom Zeugen grundsätzlich zu trennen. In England wird der Eidhelfereid erst 1833 aufgegeben.

Lit.: Cosack, K., Die Eidhelfer des Beklagten, 1885; Ruth, R., Zeugen und Eideshelfer, 1922, Neudruck 1973

Eidsivathingslög ist das Recht des ostnorwegischen Gebietes um Eid (Eidsvoll), das in seinem weltlichen Teil bruchstückhaft, in seinem kirchenrechtlichen Teil (Christenrecht) in vier Handschriften des frühen 14. Jh.s überliefert ist (Eidsivathingsbok).

Lit.: Meißner, R., Bruchstücke der Rechtsbücher des Borgarthings und des Eidsivathings, 1942

Eigen ist im deutschen Mittelalter das einem Menschen (uneingeschränkt) gehörige Gut. Es bildet meist den Gegensatz zum Gemeinland (-> Allmende) und zum -> Lehen als einem geliehenen Gut. Häufig wird neben E. auch das -> Erbe besonders genannt. In den schriftlichen Zeugnissen betrifft das E. überwiegend die Liegenschaft. Seit dem 13. Jh. wird E. durch das vermutlich lateinisch beeinflusste -> Eigentum (lat. [F.] proprietas) abgelöst.

Lit.: Hübner 241; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 116, 124; Ebner, H., Das freie Eigen, 1969; Köbler, G., Eigen und Eigentum, ZRG GA 95 (1978), 1

Eigener Herd ist Goldes wert.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 175 (Franck 1541)

eigenhändiges Testament ist das mit der eigenen Hand geschriebene und unterschriebene -> Testament.

Eigenkirche (lat. ecclesia [F.] propria) ist die einem einzelnen gehörende Kirche. Sie hat ihren Ursprung darin, dass in der christlichen Frühzeit der Gottesdienst häufig in einem privaten Haus abgehalten wird, und darin, dass auf dem Land oft der Grundherr am leichtesten in der Lage ist, ein Kirchengebäude zu errichten. In der Folge wählt der Gebäudeeigner vielfach den dort tätigen Geistlichen aus, verlangt die Teilhabe an den Einkünften und kann die Kirche übertragen. Im -> Investiturstreit wird die E. als Form der Simonie bekämpft und danach durch Patronat und Inkorporation ersetzt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 90; Stutz, U., Die Eigenkirche, 1895, Neudruck 1955; Stutz, U., Ausgewählte Kapitel aus der Geschichte der Eigenkirche, ZRG KA 57 (1937), 1; Landau, P., Ius patronatus, 1975

Eigenleute (lat. homines [M.Pl.] proprii) sind im Mittelalter die einem anderen gehörenden Menschen. Sie bilden keine in sich einheitliche Gruppe. Teils schulden sie Abgaben, teils Dienste. Im Gegensatz zu den -> Sklaven haltenden Gesellschaften lässt das Mittelalter einen lebhaften Handel mit Eigenleuten nicht erkennen. -> Hörige

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Wretschko, A., Über Eigenleute und Eigenleuteteilungen in Tirol, ZRG GA 46 (1926); Klein, H., Die bäuerlichen Eigenleute des Erzstifts Salzburg, Mitteilungen d. Ges. f. salzburg. Landeskunde 73 (1933),109, 74 (1934),1

Eigentum ist das Recht, mit einer Sache nach Belieben zu verfahren und andere von einer Einwirkung auf die Sache auszuschließen. In altrömischer Zeit ist E. die Gewalt des Hausvaters über Sachgüter unter Einschluss der Vorläufer der beschränkten dinglichen Rechte (z. B. Servituten) und ohne scharfe Grenze gegenüber dem -> Besitz. Im klassischen römischen Recht entwickelt sich das E. als (lat.) -> dominium (N.) ex iure Quiritium an beweglichen Sachen und italischen Grundstücken, neben dem das E. nach prätorischem Recht (lat. -> in bonis esse) steht. Gleichbedeutend mit dominium ist die Bezeichnung (lat. [F.]) -> proprietas. Im nachklassischen römischen Recht wird die damit geschaffene Trennung von E. und Besitz bzw. beschränkten dinglichen Rechten wieder aufgegeben, doch kehrt Justinian unter Vereinheitlichung des Eigentums für jedermann an allen Sachen zur begrifflichen Schärfe des klassischen römischen Rechts zurück. Im germanischen Bereich bildet das bloße Haben (germ. *aigan, *haben) den Ausgangspunkt des Eigentums. Dementsprechend ist im Mittelalter Eigen die Bezeichnung der Herrschaft über eine Sache. Diesem Eigen stehen vor allem -> Allmende und -> Lehen gegenüber, während die -> Gewere die äußere (sichtbare) Erscheinungsform („Kleid“) aller (wegen ihres gedanklichen Wesens notwendigerweise unsichtbaren) Sachenrechte und damit auch des Eigens ist. Im 13. Jh. erscheinen mhd. eigenschaft und mnd. egendom wohl als Lehnübersetzungen von lat. proprietas. Das E. hat aber keinen eindeutigen Inhalt. Es kann zeitlich und inhaltlich beschränkt sein. Neben einem (lat. dominium [N.] directum) Obereigentum (etwa des Lehnsherrn) kann selbst nach gelehrtem Recht ein Untereigentum (lat. dominium [N.] utile) (etwa des Lehnsmannes) stehen. Dies wird mit der Aufnahme des gelehrten Rechts fortgeführt. Erst unter dem Einfluss der Aufklärung und des Liberalismus wird das E. zu einem völlig freien, von Einschränkungen gelösten Recht einer Person an einer Sache. Am entschiedensten zeigt sich dies in § 903 BGB. Die fragwürdigen Folgen schrankenloser Freiheit haben seitdem zur Anerkennung der Sozialbindung des Eigentums geführt. Außerdem hat sich im öffentlichen Recht die Ansicht durchgesetzt, die unter dem von der Verfassung garantierten E. jede schützenswerte Vermögensposition versteht.

Lit.: Kaser § 22; Söllner §§ 8, 23; Hübner 241ff., 453ff.; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 40, 124, 163, 174, 211, 269; Baltl/Kocher; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 65; Arnold, W., Zur Geschichte des Eigentums in den deutschen Städten, 1861; Felix, L., Entwicklungsgeschichte des Eigentums, Teil 1ff. 1883ff.; Landsberg, E., Die Glosse des Accursius, 1883; Hedemann, W., Die Fortschritte des Zivilrechts im 19. Jahrhundert, Teil 2, 1 1930; Wieacker, F., Wandlungen in der Eigentumsverfassung, 1935; Wagner, H., Das geteilte Eigentum, 1938; Coing, H., Zur Eigentumslehre des Bartolus, ZRG RA 70 (1953), 348; Kaser, M., Eigentum und Besitz im älteren römischen Recht, 2. A. 1956; Schacht, J., An Introduction to Islamic Law, 1964; Feenstra, R., Les origines du dominium utile, in: Flores legum, 1971, 49; Eigentum und Verfassung, hg. v. Vierhaus, R., 1972; Brandt, R., Eigentumstheorien von Grotius bis Kant, 1974; Landau, P., Ius patronatus, 1975; Kroeschell, K., Die Lehre vom germanischen Eigentumsbegriff, FS H. Thieme, 1977, 34; Köbler, G., Eigen und Eigentum, ZRG GA 95 (1978), 1; Zenati, M., La nature juridique de la proprieté, 1981; Klemm, P., Eigentum und Eigentumsbeschränkungen in der Doktrin des usus modernus pandectarum, 1984; Kühl, K., Eigentumsordnung als Freiheitsordnung, 1984; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Eigentum, hg. v. Köhn, J., 1987; Kroeschell, K., Die nationalsozialistische Eigentumslehre, in: Rechtsgeschichte im Nationalsozialismus, 1989, 43; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 3. A. 1990; Property and Power in the Early Middle Ages, hg. v. Davies, W. u. a., 1995; Penner, J., The idea of property in law, 1997; Eigentum im internationalen Vergleich, hg. v. Siegrist, H. u. a., 1999; Bertram, K., Die Gesetzgebung zur Neuregelung des Grundeigentums, 2000; Michaels, R., Sachzuordnung durch Kaufvertrag, 2002; Ulmschneider, C., Eigentum und Naturrecht, 2003; Hoppe, K, Eigentum, Erbrecht und Vertragsrecht, 2003

Eigentumserwerb ist der Erwerb des -> Eigentums. Er erfolgt anfangs originär (ursprünglich) durch Aneignung. Später verdrängt der (abgeleitete) E. durch Rechtsgeschäft (-> Übergabe auf Grund eines Titels, -> Einigung und Übergabe) den ursprünglichen E. Daneben steht der E. durch Hoheitsakt.

Lit.: Kaser §§ 24ff.; Köbler, DRG 40, 61, 163; Brandt, H., Eigentumserwerb und Austauschgeschäft, 1940; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Köbler, G., Die rechtliche Regelung des Eigentumserwerbs an Grundstücken in Preußen, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 3 1976, 201; Zimmermann, M., Der rechtserwerb hinsichtlich eigener Sachen, 2001

Eigentumsübertragung ist die Übertragung des -> Eigentums von einem bisherigen Eigentümer auf einen neuen Eigentümer. Ihr geht im römischen Recht die Vorstellung voraus, dass dem Untergang eines Rechts eines bisherigen Eigentümers die Entstehung des Eigentums als neues bei einem neuen Berechtigten folgt, doch kennt bereits das klassische römische Recht den Gedanken der Übertragung. Die wichtigsten Wege hierfür sind die (lat. [F.]) -> mancipatio, die (lat.) -> in iure cessio (F.) und die formfreie Übergabe (lat. [F.] -> traditio) bei Vorliegen eines Rechtsgrundes. Für die Germanen ist ein einfaches Handgeschäft zu vermuten. Im Frühmittelalter stehen Einigung oder Übergabe (ahd. -> sala, lat. traditio) und Besitzeinräumung oder Bekleidung (ahd. giwerida, lat. -> investitura) in nicht völlig klarer Weise nebeneinander. Mit dem Beginn der Geldwirtschaft wird die E. sehr häufig. Sie erfolgt bei Liegenschaften vielfach vor Gericht und unter Verwendung von Schriftakten ( -> Schreinskarten). Mit der Aufnahme des römischen Rechts setzt sich die Lehre vom vorausgesetzten (lat.) titulus (M.) acquirendi und vom erfüllenden (lat.) modus (M.) acquirendi weitgehend durch. Im 19. Jh. entwickelt Savigny die Rechtsfigur des dinglichen, neben dem schuldrechtlichen Vertrag (z. B. Kaufvertrag) stehenden Vertrages (abstrakte -> Einigung). Sie findet Eingang in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900). Danach erfolgt die E. durch Einigung und Übergabe oder Übergabesurrogat sowie bei Grundstücken durch Einigung (Auflassung) und -> Eintragung in das Grundbuch. In den übrigen europäischen Ländern ist die E. ein kausales Geschäft.

Lit.: Kaser § 24; Mitteis/Lieberich, Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981, Kap. 28; Dyckerhoff, E., Die Entstehung des Grundeigentums, 1909; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Joswig, D., Die germanische Grundstücksübertragung, 1984

Eigentumsvorbehalt ist der Vorbehalt des Verbleibens des Eigentums bei einem bisherigen Eigentümer trotz einer Verpflichtung zur Eigentumsübertragung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt. Der bereits dem klassischen römischen Recht (Ulpian D. 43, 26, 20 bekannte), im mittelalterlichen Italien durch die Glosse zu C. 4, 54, 3 übernommene, in Deutschland durch die Rente vertretene, aber zu Anfang des 17. Jh.s zunächst in Kursachsen und der Oberlausitz bei Kauf von Grundstücken ausdrücklich erwähnte und verbreitete E. gewinnt mit dem Vordringen des Abzahlungskaufs im ausgehenden 19. Jh. Bedeutung. Der Eigentumsvorbehaltskäufer erlangt eine Anwartschaft, welche zum Vollrecht erstarken soll.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Berger, W., Eigentumsvorbehalt und Anwartschaftsrecht, besitzloses Pfandrecht und Eigentum, 1984; Misera, K., Eigentumsvorbehalt im klassischen römischen Recht, FS R. Serick, 1992, 275; Maaß, M., Die Geschichte des Eigentumsvorbehalts, 2000

Eike von Repgow (um 1180? - nach 1233?) ist der Verfasser des (lateinisch-) mittelniederdeutschen Rechtsbuches -> Sachsenspiegel. Er benennt sich nach dem Dorf Reppichau bei Dessau im Anhaltinischen. Er tritt in sechs Urkunden zwischen 1209 und 1233 als Zeuge auf. Er ist schöffenbarfrei und bezeichnet Graf Hoyer von Falkenstein, den Stiftsvogt von Quedlinburg, als seinen Herrn. Da er den Sachsenspiegel zunächst in Latein schreibt und danach übersetzt, gehört er zur dünnen Bildungsschicht der hochmittelalterlichen Gesellschaft. Sonstige Einzelheiten über ihn stehen nicht sicher fest.

Lit.: Köbler, DRG 102; Möllenberg, W., Eike von Repgow und seine Zeit, 1934; Lieberwirth, R., Eike von Repgow und der Sachsenspiegel, 1982; Ignor, A., Über das allgemeine Rechtsdenken Eikes, 1984; Kroeschell, K., Der Sachsenspiegel in neuem Licht, in: Rechtsgeschichte in beiden deutschen Staaten, 1991, 232; Schroeder, K., Eike von Repgow, JuS 1998, 776

Einbenennung ist die Erteilung des Ehenamens der Mutter und ihres Ehemannes oder die Erteilung des Namens des Vaters an das nichteheliche Kind.

Lit.: Engler, H., Der Familienname des nichtehelichen Kindes, FamRZ 1971, 76

Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 121 (Gruter 1612)

Eingriffsverwaltung ist der Teil der öffentlichen -> Verwaltung, welcher in die Rechte (z. B. Freiheit, Eigentum) des Untertanen bzw. Staatsbürgers eingreift. Er ist der Kernbestand der Verwaltung, dem seit dem 19. Jh. die -> Leistungsverwaltung gegenübertritt.

Einigung ist allgemein die Übereinkunft mehrerer Beteiligter. Im 19. Jh. wird die E. als Vereinbarung (dinglicher Vertrag) über den Eigentumsübergang von -> Savigny entwickelt.

Lit.: Köbler, DRG 212; Felgentraeger, C.,  Friedrich Carl von Savignys Einfluss auf die Übereignungslehre, 1927

Einigungsvertrag ist der am 31. 8. 1990 zwischen der Bundesrepublik -> Deutschland und der -> Deutschen Demokratischen Republik abgeschlossene Vertrag über die Herstellung der Einheit Deutschlands, auf dessen Grund am 3. 10. 1990 die  Deutsche Demokratische Republik der Bundesrepublik Deutschland beitritt.

Lit.: Köbler, DRG 247

Einkammersystem ist dasjenige politische System, in welchem das Gesetzgebungsorgan (-> Parlament) nur aus einer Kammer besteht. Es bildet den Gegensatz zum Zweikammersystem.

Einkindschaft ist die vertragliche Gleichstellung von Kindern aus zwei Ehen eines Elternteils. Sie wird wahrscheinlich im Gebiet des fränkischen Rechts entwickelt (Ingelheim [1378,] 1419). Dabei vereinbaren die Ehegatten der zweiten Ehe mit den Kindern der vorangehenden Ehe, dass die Kinder unter Verzicht auf ihr Erbrecht am Vermögen der verstorbenen ersten Ehegatten zugunsten der oder des neuen Ehegatten ein Erbrecht gegen diesen bzw. diese erhalten. Die E. ist noch im preußischen Allgemeinen Landrecht (1794) enthalten, verschwindet danach jedoch.

Lit.: Hübner 509f.; Meyer, H., Die Einkindschaft, Diss. jur. Breslau 1900; Gudian, G., Ingelheimer Recht im 15. Jahrhundert, 1968; Schartl, R., Zur Entstehung der fränkischen Einkindschaft, Ius commune 16 (1989), 264

Einkommensteuer ist die vom Einkommen natürlicher Personen als Steuerobjekt zu entrichtende Steuer. Sie wird in England (income tax) 1799, in Ostpreußen 1808 und in Preußen 1851 eingeführt. 1878 beträgt sie in Sachsen bis 5%. Im 20. Jh. wird sie zu einer der wichtigsten staatlichen Einnahmequellen.

Lit.: Köbler, DRG 198, 233, 251; Großfeld, B., Die Einkommensteuer, 1981; Linzbach, P., Der Werdegang der preußischen Einkommensteuer, 1984; Greim-Kuczewski, P., Die preußische Klassen- und Einkommensteuergesetzgebung, 1990; Mathiak, W., Die erste Einkommensteuer in Deutschland, in: Steuer und Wirtschaft, 1995, 352

Einlager ist eine seit dem 12. Jh. bekannte Form der Schuldsicherung, bei der sich der -> Bürge oder -> Schuldner verpflichtet, bei Fälligkeit der Schuld einen festgelegten Ort (z. B. ein Gasthaus) aufzusuchen und ohne Einwilligung des Gläubigers nicht wieder zu verlassen. Die Kosten der Unterbringung fallen je nach Vereinbarung dem Hauptschuldner oder dem Bürgen zur Last. 1577 verbietet eine Reichspolizeiordnung das E., doch hat es zumindest örtlich bis in das 19. Jh. tatsächlich Bestand. Im übrigen wird es durch die -> Schuldhaft abgelöst.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 128; Friedlaender, E., Das Einlager, 1868; Rintelen, M., Schuldhaft und Einlager, 1908; Ogris, W., Die persönlichen Sicherheiten im Spätmittelalter, ZRG GA 82 (1965), 140

Einlassung ist die Bereitschaftserklärung eines Beklagten, mit dem Kläger über die Klage streiten zu wollen. Sie ist der Sache nach bereits Bestandteil des römischen Formularprozesses. In Deutschland wird die E. mit der Aufnahme des gelehrten Prozesses ein Teil der Streitbefestigung (lat. litis contestatio [F.]).

Lit.: Kaser § 82; Wetzell, System des ordentlichen Zivilprozesses, 3. A. 1878

Einmal ist keinmal.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 88 (Hertius 1737, lat. unus actus nullus actus)

Ein Mann, ein Wort.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 235 (Sachße 1856)

Einmanngesellschaft ist in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s zunächst eine bei einer bereits bestehenden Gesellschaft und danach auch für die Entstehung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung zugelassene, nur aus einem Gesellschafter bestehende Gesellschaft.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.

Einrede ist das nicht im bloßen Leugnen bestehende, gegen den Klaganspruch gerichtete Vorbringen des Beklagten. Die E. ist bereits dem römischen Zivilprozessrecht als (lat.) exceptio (F.) bekannt. Dementsprechend erscheint sie bei der Aufnahme des gelehrten Prozessrechts in Deutschland. Bereits im Hochmittelalter werden in Urkunden umfängliche romanistische Verzichtsformeln für Einreden aufgenommen.

Lit.: Kaser § 4 II; Söllner § 9; Köbler, DRG 155; Schlosser, H., Die Rechts- und Einredeverzichtsformeln (renuntiationes), 1963; Wesener, G., Nichtediktale Einreden, ZRG GA 112 (1995), 109

einstweilige Anordnung ist eine vorläufige Anordnung des Gerichts in einem Rechtsstreit. Sie findet sich sachlich notwendigerweise seit dem Beginn von Verfahren.

Lit.: Rohmeyer, H., Geschichte und Rechtsnatur der einstweiligen Anordnung im Verwaltungsprozess, Diss. jur. Hamburg 1967

einstweilige Verfügung -> Mandatsprozess

Eintragung ist die Aufnahme in ein Register. Sie ist an unterschiedlichen Stellen Voraussetzung für eine Rechtsfolge. Im 19. Jh. wird in Deutschland die E. in das Grundbuch Voraussetzung für das Entstehen eines dinglichen Rechts oder die E. einer Gesellschaft in das Handelsregister Voraussetzung für ihre Entstehung.

Lit.: Köbler, DRG 125, 212; Planitz, H., Konstitutivakt und Eintragung in den Kölner Schreinsurkunden, FS A. Schultze, 1934, 175; Grolle, N., Die Eintragungsbewilligung, Diss. jur. Münster 1989

Eintrittsrecht ist das Recht zum Eintritt in eine Rechtslage. Im Erbrecht ist insbesondere das E. von Enkeln an Stelle vorverstorbener Kinder bedeutsam. Es wird bereits 595 vom fränkischen König bestimmt und 942 auf Grund eines Zweikampfes für Sachsen zugunsten von Sohnessöhnen bejaht. Mit der Aufnahme des römischen Rechts findet es allgemeine Anerkennung im Reich.

Lit.: Hübner 766ff.; Kroeschell, DRG 1

Einung ist die Vereinbarung unter mehreren Menschen. Sie kann bindende Wirkung für eine Gesamtheit entfalten. Insofern werden etwa hochmittelalterliche Landfriedenseinungen als Gesetze eingeordnet.

Lit.: Köbler, WAS; Ebel, W., Die Willkür, 1953; Vogel, O., Die ländliche Einung, Diss. jur. Zürich 1953; Bader, K., Die städtische Einung, Arch. d. hist. Ver. d. Kantons Bern 44 (1958), 159; Kulenkampff, A., Einungen und Reichsstandschaft fränkischer Grafen und Herren, 1971; Spieß, P., Rüge und Einung, 1988; Einungen und Bruderschaften, hg. v. Johanek, P., 1993;  Moraw, P., Die Funktion von Einungen und Bünden, in: Alternativen zur Reichsverfassung, hg. v. Press, V., 1995, 1; Pitz, E., Bürgereinung und Städteeinung, 2001

Einwerfung oder Ausgleichung ist die Berücksichtigung eines Vermögenswerts, der einem von mehreren Erben zu Lebzeiten des Erblassers zugeflossen ist, bei der Auseinandersetzung des Nachlasses. Sie ist dem römischen Recht als (lat.) -> collatio (F.) bonorum bekannt. Sie findet sich im langobardischen und westgotischen Volksrecht sowie im -> Sachsenspiegel und im -> Schwabenspiegel. Ausführlich ist die Ausgleichung in den neuzeitlichen Gesetzbüchern behandelt.

Lit.: Kaser § 73 IV; Hübner 750ff.

Eisenach am nordwestlichen Fuß des Thüringer Waldes erhält 1283 Stadtrecht. Eisenacher Rechtsbuch ist ein in verschiedenen Fassungen überliefertes Rechtsbuch der Stadt E. Das bruchstückweise erhaltene ältere Eisenacher Rechtsbuch des Stadtschreibers Johannes -> Rothe (Creuzburg 1350/60 - Eisenach 1434) von 1384-7 verbindet in seinen 10 Büchern Teile des Meißener Rechtsbuches, des glossierten Sachsenspiegels, des Schwabenspiegels und des Decretum Gratiani, der Digesten, der Dekretalen und anderer gelehrter Quellen mit dem Eisenacher Stadtspiegel von 1283 und Eisenacher Gerichtsgewohnheiten des 14. Jh.s. Es wird von einem nicht erhaltenen Eisenacher Kettenbuch verwertet. 1503/4 überarbeitet der Stadtschreiber Johann -> Purgold das ältere Eisenacher Rechtsbuch unter Einbeziehung der Institutionen und des Codex in den 8 wenig geordneten Büchern seines jüngeren Eisenacher Rechtsbuches.

Lit.: Die Stadtrechte von Eisenach, Gotha und Waltershausen, hg. v. Strenge, K. u. a., 1909; Helmoldt, H., Geschichte der Stadt Eisenach, 1936; Rondi, P., Eisenacher Rechtsbuch, 1950; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 57

Eisenbahn ist das im 19. Jh. auf der Grundlage älterer Ansätze entwickelte, auf Schienen laufende, dem öffentlichen oder ihm ähnlichen Verkehr dienende Transportmittel. Die erste Eisenbahnstrecke wird 1830 zwischen Manchester und Liverpool, die erste deutsche Eisenbahnstrecke 1835 zwischen Nürnberg und Fürth eröffnet. Bereits 1838 sieht Preußen für die E. eine -> Gefährdungshaftung vor.

Lit.: Köbler, DRG 176; Anderegg, F., Schweizerische und bernische Eisenbahngesetzgebung, 1978; Albrecht, C., Bismarcks Eisenbahngesetzgebung, 1994; Then, V., Eisenbahnen und Eisenbahnunternehmer, 1997; Bracht, C., Der Bau der ersten Eisenbahnen in Preußen, 1998; Julitz, L., Bestandsaufnahme Deutsche Bahn, 1998; Die Eisenbahn in Deutschland, hg. v. Gall, L. u. a., 1999; Wachtel, R./Marxmüller, H./Heide, H., Eisenbahnunfälle, 2000; Delbanco, H., Ursprünge des europäischen Eisenbahnrechts, in: Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts 5 (2000), 215

Eisenbahnrecht ist die Gesamtheit der die auf Schienen laufenden, dem öffentlichen oder ihm ähnlichen Verkehr dienenden Transportmittel betreffenden Rechtssätze. Rechtlich wirkt sich die -> Eisenbahn vor allem auf die Bildung von Aktiengesellschaften, die Enteignung von Grundstücken und die Entwicklung der Gefährdungshaftung (Preußen 1838) aus. 1920 übernimmt in Deutschland das Reich (bis 1924 und von 1937 an) die Eisenbahnverwaltung. Nach 1993 wird die verlustreiche Deutsche Bahn teilweise privatisiert.

Lit.: Loth, W., Verkehrsentwicklung in Deutschland seit 1800, 1920; Ogorek, R., Untersuchungen zur Entwicklung der Gefährdungshaftung, 1975; Anderegg, F., Schweizerische und bernische Eisenbahngesetzgebung, 1978; Albrecht, C., Bismarcks Eisenbahngesetzgebung, 1994; Heyn, F., Die Entwicklung des Eisenbahnfrachtrechts, 1996; Küper, N., Entlastung des Straßengüterverkehrs durch den Schienengüterverkehr, 1997; Schubert, W., Das preußische Eisenbahngesetz von 1838, ZRG 116 (1999), 152

Ekloge ([F.] Auswahl) ist vor allem das römische Strafrecht abändernde byzantinische Gesetz Kaiser Leos III. des Jahres 726, das erstmals ausdrücklich auf Generalprävention abzielt. Es ordnet viele verstümmelnde Körperstrafen an und weitet den Bereich der Straftaten gegen die Sittlichkeit aus.

Lit.: Sinogowitz, Studien zum Strafrecht der Ekloge, 1956

elegante Jurisprudenz ist die aus dem französischen (lat.) -> mos (M.) Gallicus entwickelte niederländische Rechtswissenschaft des 17./18. Jh.s.

Lit.: Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967; Canoy-Olthoff/Nève, P., Holländische Eleganz, 1990; Van den Bergh, G., Die holländische elegante Schule, 2001

Elektriziät ist das zuerst an der Reibung von Bernstein erkannte Spannungsverhältnis zwischen einem geladenen Teilchen und seiner Umgebung. Im 19. Jh. wird die E. wirtschaftlich nutzbar gemacht. Seitdem wird sie auch rechtlich erfasst.

Lit.: Stier, B., Staat und Strom, 1997; Kehrberg, J., Die Entwicklung des Elektrizitätsrechts in Deutschland, 1997

Elsaß ist die Landschaft zwischen Oberrhein und Vogesen, welche seit 269 n. Chr. von Alemannen besetzt wird. Das E. kommt 870 zum ostfränkischen Reich. Im Hochmittelalter erringen die Grafen von -> Habsburg wichtige Rechte, verpfänden ihre Güter 1469 aber an Burgund. 1648/97 gelangt das E. an Frankreich, das es seit 1789/90 zunehmend integriert. Von 1871 bis 1918 bildet das E. einen Teil des deutschen Reichslandes Elsaß-Lothringen. 1940-5 wird nochmals eine deutsche Zivilverwaltung errichtet.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon; Büttner, H., Geschichte des Elsaß, Bd. 1 1939; Seidel, K., Das Oberelsaß, 1980; Dollinger, P., Histoire d’Alsace, 4. A. 1984

Elsaß-Lothringen -> Elsaß, -> Lothringen

Lit.: Jacob, K., Das Reichsland Elsaß-Lothringen, Bd. 1ff. 1898ff.; Hamburger, G., Die staatsrechtlichen Besonderheiten der Stellung des Reichslandes Elsaß-Lothringen, 1901

elterliche Gewalt -> Eltern, -> Kind

elterliche Sorge -> Eltern, -> Kind

Lit.: Schlüter, W., Elterliches Sorgerecht, 1985; Liebler-Fechner, M., Der ideologisch motivierte Entzug des elterlichen Sorgerechts in der Zeit des Nationalsozialismus, 2001

Eltern sind Vater und Mutter eines Kindes. Von ihnen hat im römischen Recht der Hausvater (lat. [M.] pater familias) bis zu seinem Tode die fast unbeschränkte väterliche Gewalt (lat. patria potestas [F.]) über die Haussöhne und Haustöchter, welche nur allmählich gemäßigt wird. In gleicher Weise untersteht bei den Germanen das Kind der Personalgewalt (germ. *mundiz) des Familienvaters. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) stehen die ehelichen Kinder bis zur Volljährigkeit unter elterlicher Gewalt, welche in erster Linie dem Vater und nur daneben der Mutter obliegt. Am 18. 7. 1979 wird die elterliche Gewalt in Deutschland durch die elterliche Sorge ersetzt, bei der Kinder in gewissem Umfang an wichtigen Entscheidungen beteiligt und die Eltern stärker auf das Wohl der Kinder verpflichtet sind.

Lit.: Kaser § 60; Hübner; Krause, E., Die gegenseitigen Unterhaltsansprüche zwischen Eltern und Kindern, 1982; Zitscher, H., Elterlicher Status in Richterrecht und Gesetzesrecht, 1996; Schumacher, S., Das Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kindern, 1999; Torp, S., Das Rechtsverhältnis zwischen den Eltern und ihren Kindern, 2000

emancipatio (lat. [F.]) ist im römischen Recht die rechtsgeschäftliche Entlassung des Hauskindes aus der väterlichen Gewalt. Bei ihr werden Söhne dreimal, Töchter und Enkel einmal, vom Hausvater an einen Vertrauensmann übertragen. Von diesem werden sie danach jeweils freigelassen, wodurch sie an den Hausvater zurückfallen. Nach der letzten, für die Beendigung der väterlichen Gewalt erforderlichen Übertragung wird das Hauskind vom Vertrauensmann an den leiblichen Vater zurückübertragen, damit es von diesem endgültig freigelassen wird, ohne durch die Freilassung in die Patronatsgewalt des Vertrauensmannes zu fallen.

Lit.: Kaser § 60 IV; Köbler, DRG 21

emancipatio (lat. [F.]) Saxonica ist die in der frühen Neuzeit im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) geübte Lösung des Haussohns aus der väterlichen Gewalt durch wirtschaftliche Verselbständigung (-> Abschichtung).

Lit.: Hübner; Köbler, DRG 160

Emanzipation ist die Befreiung aus einem Zustand der Beschränkung oder Abhängigkeit. Sie nimmt ihren Ausgang bei der römischrechtlichen -> emancipatio. Seit dem 19. Jh. richtet sich die E. hauptsächlich auf die Befreiung der Frau von der Vorherrschaft des Mannes, deren Auswirkungen sich im Familienrecht der zweiten Hälfte des 20. Jh.s erkennen lassen.

Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 178, 252; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 153; Theurer, A., Emanzipation, 1996; Jenni, R., Die Emanzipation der mehrjährigen Frauenzimmer, 1997

emendatio (lat. [F.]) ist eine lateinische Bezeichnung für die frühmittelalterliche -> Buße.

Lit.: Köbler, DRG 91

Emilia Romagna ist eine zwischen Po, Apennin und Adria gelegene, ursprünglich von Etruskern besiedelte, nach der Konsularstraße des M. Aemilius Lepidus (187 v. Chr.) benannte Landschaft. Im Mittelalter steht sie teils unter der Herrschaft der Langobarden, teils Byzanz‘ bzw. des Kirchenstaats. Die sich danach entwickelnden Herzogtümer Modena und Reggio sowie Parma und Piacenza kommen 1860 zu -> Italien.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon (Modena, Parma); Storia della Emilia Romagna, hg. v. Berselli, A., 1976

Emmingersche Justizreform ist die nach dem seinerzeitigen Reichsjustizminister Erich Emminger (1880-1951) benannte Vereinfachung des Verfahrensrechts. Zwei Verordnungen vom 4. 1. 1924 und 13. 2. 1924 schränken die Herrschaft der Partei über das Zivilverfahren zugunsten der Leitungsbefugnis des Richters ein und wandeln das im 19. Jh. errichtete -> Schwurgericht unter Beibehaltung des Namens in ein großes -> Schöffengericht (3 Berufsrichter, 6 Geschworene) um.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Vormbaum, T., Die Lex Emminger vom 4. Januar 1924, 1988

emphytheusis (lat. [F.]) ist die Erbpacht des spätrömischen Rechts, die auch im Wege der Rezeption Auswirkungen hat.

Lit.: Kaser § 30; Köbler, DRG 61; Cencetti, G., Il contratto di enfiteusi, 1933; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Theisen, F., Studien zur Emphyteuse, 2003

Empirismus ist die von -> Bacon (1561-1626) in Fortführung des mittelalterlichen Nominalismus, dem Allgemeinbegriffe nur Sammelnamen für einzelne wirkliche Erscheinungen sind, begründete, neue, von kirchlicher Dogmatik befreite Erkenntnismethode (Begriff von Kant eingeführt), die von der vorurteilslosen Beobachtung von Einzelvorgängen als Begreifen der Welt an Hand von meßbaren und zählbaren Größen induktiv zu allgemeinen Erkenntnissen führen soll. Die Erkenntnistheorie des E. entwickelt John Locke (1632-1704).

Lit.: Köbler, DRG 136; Moody, E., Empiricism and Metaphysics, Philosphical Revue 67 (1958), 145; Engfter, H., Empirismus versus Rationalismus, 1996

emptio venditio (lat. [F.]) ist im römischen Recht der -> Kauf. Er ist ursprünglich wohl ein Handgeschäft, bei welchem Abschluss und Ausführung des Austausches einer Sache gegen einen in Geld bestehenden Preis zeitlich zusammenfallen, unabhängig davon, ob eine (lat. [F.]) -> mancipatio erforderlich ist oder ein formfreies Geschäft (über eine res nec mancipi oder mit einem Nichtrömer) zur Sicherung des Erwerbers vor Diebstahlverdacht ausgeführt wird. Spätestens seit dem 2. Jh. v. Chr. werden Vereinbarung (Konsensualkontrakt) und Erfüllung getrennt, so dass die e. v. den Verkäufer zur möglicherweise später erst erfolgenden Übertragung des Eigentums verpflichtet. In nachklassischer Zeit wird der Vertragsabschluss vielfach beurkundet und geht das Eigentum mit dem Abschluss und der Zahlung des Kaufpreises über. Justinian trennt Kauf und Übereignung wieder, lässt aber die Schriftform als Wirksamkeitsvoraussetzung zu.

Lit.: Kaser §§ 38, 41; Söllner §§ 9, 15; Köbler, DRG 45

Emser Punktation ist eine in Bad Ems im Jahre 1786 getroffene, nicht in Wirksamkeit getretene Vereinbarung der Erzbischöfe von Köln, Mainz, Trier und Salzburg mit dem Ziel, eine größere Selbständigkeit (der deutschen Kirche) vom Papst zu erreichen.

Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972

emunitas (lat. [F.]) ist die Freiheit von der Abgabenpflicht der kirchlichen Güter und der Kleriker seit Kaiser Konstantin (306-337). -> Immunität

Lit.: Köbler, DRG 30

endlicher Rechtstag ist vor allem im von der -> Constitutio Criminalis Carolina (1532) maßgeblich geprägten frühneuzeitlichen Strafverfahren der der heimlichen -> Inquisition folgende Tag der öffentlichen Verhandlung, der angesichts des durch Folter erreichten Geständnisses für das Urteil weitgehend nur noch förmliche Bedeutung hat. Er entwickelt sich als Folge der Inquisition seit dem 14. Jh. und verschwindet endgültig erst im frühen 19. Jh.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 118, 156; Schild, W., Der entliche Rechtstag, in: Strafrecht, Strafprozess und Rezeption, hg. v. Landau, P. u. a., 1984

Endlösung ist die vom Nationalsozialismus angestrebte und teilweise verwirklichte Vernichtung des Judentums (Holocaust) in besonderen Vernichtungslagern (z. B. Auschwitz, Bergen-Belsen, Dachau).

Lit.: Der Mord an den Juden im 2. Weltkrieg, hg. v. Jäckel-Rohwer, 1985

Energiewirtschaftsrecht ist die Gesamtheit der die Energiewirtschaft betreffenden Rechtssätze.

Lit.: Kehrberg, J., Die Entwicklung des Elektrizitätsrechts, 1997

Engadin ist eine Tallandschaft in -> Graubünden, die seit dem 10. Jh. an den Bischof von Chur gelangt.

Engelbert (Poetsch) von Admont (um 1250 - 16. 5. 1331) wird nach dem Studium in Prag und Padua (1278-87 u. a. Recht) Abt in Admont und verfasst, beeinflusst von Aristoteles und Cicero, verschiedene staatspolitische Schriften ([lat.] Speculum virtutum, Tugendspiegel, De regimine principum, Über Fürstenherrschaft, De ortu et fine Romani imperii [1312], Vom Anfang und Ende des Römischen Reichs).

Lit.: Fowler, G., Engelbert of Admont and the Universal Idea, 1958; Hamm, M., Engelbert von Admont als Staatstheoretiker, Diss. phil. Würzburg 1973; Engelbert von Admont, hg. v. Baum, W., 1998

Engels, Friedrich (Barmen/Wuppertal 28. 11. 1820 - London 5. 8. 1895), Textilfabrikantensohn, wird nach kaufmännischer Lehre und dem Besuch von Philosophievorlesungen Mitbegründer des -> Marxismus (Die Lage der arbeitenden Klasse, 1845).

Lit.: Hirsch, H., Friedrich Engels, 1968; Herferth, W., Sachregister zu den Werken Karl Marx, Friedrich Engels, 1983; Marx-Engels Begriffslexikon, hg. v. Lotter, K., 1984

England ist eine vereinfachende Bezeichnung für die zunächst von Kelten (Briten, Pikten) besiedelten, um die Zeitenwende (41-54 n. Chr.) zum Teil von Rom in sein Weltreich eingegliederten und gegen 470 n. Chr. von den Angeln, Sachsen und Jüten (-> Angelsachsen) eroberten nordwesteuropäischen Inseln. 1066 geraten die Angelsachsen unter die Herrschaft der -> Normannen, woraus eine ziemlich unterschiedliche anglonormannische Oberschicht entsteht. Nacheinander regieren Könige aus den Häusern -> Plantagenet (1154-1399), Lancaster (1399-1461), York (1461-1485), Tudor (1485-1603), -> Stuart (1603-1649, 1660-1714), Hannover (1714-1901), Sachsen-Coburg (1901-1910) und Windsor (seit 1910). Bereits 1614 gelingt es dem -> Parlament, seine Stellung dauerhaft so zu stärken, dass es die Einberufung unabhängig vom Willen des Königs, die Zuständigkeit für alle Steuergesetze und die Beseitigung aller Sondergerichte erreicht. 1649 wird König Karl I. hingerichtet, die Monarchie abgeschafft und E. zum Commonwealth erklärt. 1660 wird der Sohn Karls I. als Karl II. zum König berufen, doch gelingt 1689 in der -> Bill of Rights dem Parlament der Ausbau seiner Rechte. 1707 wird durch die Vereinigung des Parlamentes -> Schottlands mit dem englischen Parlament aus der seit dem Beginn der Herrschaft der Stuarts bestehenden Personalunion die Realunion -> Großbritannien. Danach wird das über ein durch seinen hohen Anteil indirekter Steuern ertragreiches Steuersystem verfügende Land allmählich Weltmacht. In ihm beginnt die wohl vom puritanischen Unernehmergeist begünstigte sog. industrielle Revolution. Das Unterhaus (-> House of Commons) (Wahlrechtsänderungen 1832, 1867, 1884, 1918, 1948) setzt sich bis 1911 gegenüber dem Oberhaus (-> House of Lords) durch und gestaltet allmählich die Monarchie zur bloßen äußerlichen Staatsform. Mit dem Zweiten Weltkrieg endet die Stellung als Weltmacht. 1973 tritt Großbritannien der Europäischen Gemeinschaft (1993 Europäischen Union) bei.

Lit.: Köbler, DRG 175; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,62,1047, 3,2,2217,3650,3927; A Bibliography of Eng­lish History, hg. v. Graves, E., 1975; Wellenreuther, H., Repräsentation und Grundbesitz in England, 1979; Kluxen, K., Geschichte Englands, 5. A. 1998; Kluxen, K., Englische Verfassungsgeschichte, 1987; Wirsching, A., Parlament und Volkes Stimme, 1990; Loyn, H., Anglo-Saxon England, 2. A. 1992; Mortimer, R., Angevin England, 1994; Chibnall, M., Anglo-Norman England, 1995; Maurer, M., Kleine Geschichte Englands, 1997; Verwaltung und Verwaltungsrecht in Frankreich und England, hg. v. Heyen, E., 1996; Krieger, K., Geschichte Englands, 2. A. 1996; Niedhart, G., Geschichte Englands, 2. A. 1996; Schwanitz, J., Englische Kulturgeschichte von 1500 bis 1914, 1996; Englischen Könige und Königinnen, hg. v. Wende, P., 1998; DeVries, K., The Norwegian Invasion of England in 1066, 1999; Tuck, A., Crown and Nobility, 2. A. 1999; Günnewig, B., Das Bild der Germanen und Britannier, 1998; Sarnowsky, J., England im Mittelalter, 2002; Göllmann, U., Das Geld des Königs, 2002

englisches Recht ist das in -> England (seit 1830 auch in Wales, nicht dagegen ohne weiteres auch in Schottland und Irland) geltende Recht. Seinen Ausgangspunkt bilden die frühmittelalterlichen -> Volksrechte (Gesetze) der -> Angelsachsen. Mit dem Sieg der -> Normannen (1066) wird das -> angelsächsische Recht auf die örtlichen Gerichte beschränkt, während am Königsgericht (-> Court of King`s Bench, -> Court of Common Pleas, -> Court of Exchequer) eine übergeordnete, französisch (Law French) gehaltene commune ley (lat. communis lex [F.], gemeines Recht) Anwendung findet (-> common law). Besondere Bedeutung erlangt hier der vom Kanzler des Königs dem Kläger ausgestellte, lateinisch abgefasste -> writ (verfahrensrechtliche Weisung) an den Sheriff, von dem es bereits 1227 56 verschiedene Arten gibt. Wegen des Gewichts des Königsgerichts und der grundlegenden Bedeutung der vor ihm durch den writ eröffneten Verfahrensarten rückt der praktisch geschulte Richter im Mittelalter in den Mittelpunkt des Rechts. Dieses wird durch Einzelurteile fortgebildet, in denen nur ausnahmsweise von einem Präjudiz abgewichen wird. Dabei kommt zum königlichen Gericht seit dem Spätmittelalter das Gericht des Kanzlers (-> Court of Chancery) hinzu, das nach Billigkeit (-> equity) urteilt. Seit dem 19. Jh. gewinnt demgegenüber das Gesetz ein gewisses, mit dem Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft bzw. Europäischen Union steigendes Gewicht.

Lit.: Gneist, R. v., Englische Verfassungsgeschichte, 1882; Pollock, F./Maitland, F., The History of English Law, Bd. 1f. 2. A. 1898; Brunner, H., Geschichte der englischen Rechtsquellen, 1909; Holdsworth, W., A History of English Law, Bd. 1ff. 7. A.  1956ff.; Plucknett, T., Concise History of the Common Law, 5. A. 1956; Radbruch, G., Der Geist des englischen Rechts, 3. A. 1956; Cross, R., Precedent in English Law, 2. A. 1968; Caenegem, R. van, The Birth of the English Common Law, 2. A. 1988; Teubner, W., Kodifikation und Rechtsreform in England, 1974; Lyon, B., A Constitutional and Legal History of medieval England, 2. A. 1980; Englische und kontinentale Rechtsgeschichte, hg. v. Coing, H. u. a., 1985; Scrutton, T., The Influence of the Roman Law on the Law of England, 1985; David, R./Grasmann, G., Einführung in die großen Rechtssysteme der Gegenwart, 2. A. 1988; Jenkyns, D., The state of English law in the eighteenth century, in: Das nachfriderizianische Preußen, 1988, 3; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 3. A. 1990; English Lawsuits from William I to Richard I, hg. v. Caenegem, R. van, Bd. 1f. 1991/92; Palmer, R., English Law, 1993; Jäschke, K., Die neue Quellensammlung zum frühenglischen Fallrecht, ZRG GA 111 (1994), 550; Pöggeler, W., Die deutsche Wissenschaft vom englischen Staatsrecht, 1995; Graf, J., Die Auswirkungen der englischen Reformation auf das englische Recht, 1994; Köbler, G., Rechtsenglisch, 1996; Allison, J., A continental distinction in the common law, 1996; Kerber, K., Sprachwandel im englischen Recht, 1997; Schmidt, K., Der Abschied von der Mündlichkeit der Parteiherrschaft und dem Überraschungsprinzip, 1997; Blumenwitz, D., Einführung in das angloamerikanische Recht, 6. A. 1998; Martínez-Torrón, J., Anglo-American Law and Canon law, 1998; Polden, P., A History of the County Court, 1999; Musson, A./Ormrod, W., The Evolution of English Justice, 1999; Wormald, P., The Making of English Law, Bd. 1 1999, Neudruck 2001; Wormald, P., Legal Culture in the Early Medieval West, 1999; Helmholz, R., The ius commune in England, 2002

Enkel ist das Kind eines Kinds. Der E. ist grundsätzlich von der Erbfolge nach seinen Großeltern durch seinen Vater oder seine Mutter ausgeschlossen. Ihm wird aber schon früh ein -> Eintrittsrecht zugesprochen.

Lit.: Hübner

Enklave ist das vom Gebiet eines anderen Staats oder mehrerer anderer Staaten eingeschlossene Teilgebiet eines anderen Staats. Für die zahlreichen Enklaven der Länder des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) ist ein allgemeines Durchzugsrecht anerkannt. Der Durchzug bewaffneter Kräfte bedarf grundsätzlich einer besonderen Erlaubnis. 1928 bestehen in Deutschland noch mehr als 200 Enklaven.

Lit.: Lancizolle, W. v., Übersicht der deutschen Reichsstandschafts- und Territorialverhältnisse, 1830; Ritter, E., Freie Reichsländer, 1927

Enneccerus, Ludwig (Neustadt am Rübenberge 1. 4. 1843 - Marburg 31. 5. 1928), Pastorensohn, wird nach dem Studium von Mathematik und Recht 1872 außerordentlicher Professor für römisches Recht in Göttingen und 1873 ordentlicher Professor in Marburg. Er verfasst ein während der ersten Hälfte des 20. Jh.s bedeutsames Lehrbuch des bürgerlichen Rechts in Deutschland.

Lit.: Köbler, DRG 184; Jacobi, A., Ludwig Enneccerus 1843-1928, 1999

Enteignung ist die Entziehung oder Belastung des Eigentums durch staatlichen Hoheitsakt zur Befriedigung öffentlicher Belange. Die E.  wird bereits in der römischen Spätantike bezüglich Grundstücke oder Lebensmittel geübt und als Zwangskauf verstanden. Danach kann in der hochmittelalterlichen Stadt (Oberitalien 12. Jh., Kopenhagen 1254, Schaffhausen 1380) eine bauliche Beschränkung festgelegt oder sogar das -> Eigen gänzlich entzogen werden. Das Naturrecht anerkennt allgemein die E. gegen Entschädigung (-> Grotius, §§ 74, 75 Einleitung zum ALR, § 365 ABGB, Zwangskauf). Seit der Französischen Revolution (1789/1810) werden als grundlegende Voraussetzungen der E. (franz. [F.] expropriation) ein öffentliches Bedürfnis, ein rechtmäßiges Verfahren sowie eine ausgleichende Entschädigung angesehen. Im 20. Jh. bildet in Deutschland die Verfassung (Art. 153 WRV, 14 GG) die Rechtsgrundlage für den Eingriff in das Eigentum.

Lit.: Kaser § 23 I 3; Hübner 272; Köbler, DRG 40, 124, 163, 212; Baltl/Kocher; Layer, M., Prinzipien des Enteignungsrechts, 1902; Hedemann, J., Die Fortschritte des Zivilrechts im 19. Jahrhundert, Bd. 2, 1 1930, 225; Mann, F., Zur Geschichte des Enteignungsrechts, in: Hundert Jahre deutsches Rechtsleben, Bd. 2 1960, 291; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,1770; Grimm, D., Die Entwicklung des Enteignungsrechts, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 4 1979, 121; Pennitz, M., Der Enteignungsfall, 1992; Schubert, W., Zur Entwicklung des Enteignungsrechts 1919-45, ZRG GA 111 (1994), 482; Jung, O., Volksgesetzgebung, Bd. 1f. 2. A. 1996

enteignungsgleicher Eingriff ist der in Deutschland durch die Rechtsprechung 1952 als entschädigungspflichtig eingeordnete rechtswidrige, einer rechtmäßigen Enteignung in den Wirkungen gleichkommende Eingriff in eine vermögenswerte Rechtsposition.

Lit.: Köbler, DRG 259

Enterbung ist die bereits dem klassischen römischen Recht (lat. [F.] exheredatio) bekannte Entziehung einer Erbaussicht eines gesetzlich Erbberechtigten durch -> letztwillige Verfügung. Sie erscheint überall, wo letztwillige Verfügungen unbeschränkt zulässig sind.

Lit.: Kaser §§ 65, 67, 69; Hübner; Köbler, DRG 38; Siegel, H., Das deutsche Erbrecht, 1853; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Entführung ist die rechtswidrige Fortführung eines Menschen, insbesondere einer (einwilligenden) Frau zur Erreichung sexueller Ziele. Die E. begründet im Frühmittelalter eine -> Fehde. Im Spätmittelalter wird für E. (ohne Einwilligung) wie für Frauenraub und Notzucht Enthauptung angedroht. Seit der Mitte des 18. Jh.s tritt an die Stelle der Todesstrafe eine zeitliche Freiheitsstrafe.

Lit.: His, R., Deutsches Strafrecht bis zur Karolina, 1928, Neudruck 1967, 145

Entgeltfortzahlungsgesetz ist ein 1995 das Lohnfortzahlungsgesetz ersetzendes deutsches Gesetz.

Lit.: Köbler, DRG 273

Enthauptung ist die durch Abtrennung des Haupts vom Rumpf mittels Schwert oder später mittels Guillotine vollzogene Tötung bzw. -> Todesstrafe.

Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Deutsches Strafrecht bis zur Karolina, 1928, Neudruck 1967

Entmannung (Kastration) ist die Entfernung der Keimdrüsen eines Mannes. Sie führt im Frühmittelalter als Körperverletzung zu einer Buße (Wergeld). Sie kann im Mittelalter auch als Strafe (bei Vergehen gegen die Sittlichkeit) eingesetzt werden.

Lit.: His, R., Deutsches Strafrecht bis zur Karolina, 1928, Neudruck 1967; Tuchel, S., Kastration im Mittelalter, 1998; Kramer, S., Ein ehrenhafter Verzicht auf Nachkommenschaft, 1999; Schneider, C., Die Verstaatlichung des Leibes, 2000

Entmündigung ist die Entziehung oder Beschränkung der dem Entmündigten dem Alter nach an sich zustehenden -> Geschäftsfähigkeit. In Rom kann nach dem Zwölftafelgesetz (5, 7c) der Verschwender durch (lat. [F.]) interdictio (Untersagung) (des Prätors) von allen Verpflichtungsgeschäften und Verfügungsgeschäften ausgeschlossen werden, wobei für das Vermögen des Verschwenders eine -> Pflegschaft (lat. [F.] cura) eingesetzt wird. Im Mittelalter wird die Familie tätig, welche die E. vor Gericht kundzugeben hat. Später greift die Obrigkeit ein. Der Entmündigte erhält einen Vormund. In Deutschland wird die E. 1992 (Gesetz vom 12. 9. 1990) durch die -> Betreuung ersetzt.

Lit.: Kaser §§ 14 V, 64 IV; Hübner; Schwarz, A., Die Entmündigung des Verschwenders, Diss. jur. Tübingen 1891; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Schmidt, T., Die Entmündigung, 1998

Entnazifizierung ist die Reinigung von nationalsozialistischem Gedankengut und die damit verbundene Entfernung von Anhängern des -> Nationalsozialismus aus ihren beruflichen Stellungen. Sie erfasst im Gebiet der alten Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland 3,6 Millionen Fälle. Als Folge werden 486 Menschen hingerichtet, 1667 als Hauptschuldige, 23060 als Belastete, 150425 als Minderbelastete, 1 500 874 als Mitläufer und 1 213 873 als Entlastete eingestuft. Andererseits entsteht bald eine überparteiliche Übereinstimmung dahin, Belastete rasch in die demokratische Gesellschaft einzugliedern.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 245; Fürstenau, Entnazifizierung, 1969; Niethammer, L., Entnazifizierung in Bayern, 1972; Lange, J., Entnazifizierung in Nordrhein-Westfalen, 1976; Vollnhals, Entnazifizierung, 1991; Frei, N., Vergangenheitspolitik, 2. A. 1997; Kappelt, O., Die Entnazifizierung in der SBZ, 1997; Borgstedt, A., Entnazifizierung in Karlsruhe 1946 bis 1951, 2001

Entsippung ist das im Frühmittelalter verschiedentlich erkennbare (freiwillige oder unfreiwillige) Ausscheiden aus einem Verwandtschaftsverband (-> Sippe).

Lit.: Brunner, H., Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 1 2. A. 1906, 129

Entwerung ist der (freiwillige oder unfreiwillige) Verlust der -> Gewere an einer Sache. Der Käufer einer Sache kann sich bereits im römischen Recht erst dann (wegen Nichterlangung des Eigentums) an den Verkäufer halten, wenn ihm die Sache von einem Dritten abgestritten worden ist.

Lit.: Kaser § 41 III 1; Söllner §§ 8, 9, 15; Meyer, H., Entwerung und Eigentum im deutschen Fahrnisrecht, 1902

Enzyklopädie (F.) -> Rechtsenzyklopädie

Lit.: Vulgariser la science: les encyclopédies médiévales, hg. v. Ribémont, B., 1999

episcopalis audientia (lat. [F.]) ist die in der römischen Spätantike einsetzende besondere Gerichtsbarkeit des -> Bischofs.

Lit.: Köbler, DRG 56

Epitome (gr. [F.]) Auszug (aus einem umfangreichen Text) (z. B. E. exactis regibus [Frankreich 12. Jh.], E. legum [Byzanz 920])

Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997

eques (lat. [M.]) -> Ritter

Lit.: Stemmler, M., Eques Romanus, 1997

equity (engl.) ist allgemein die -> Billigkeit und im besonderen die Gesamtheit der anerkannten Sätze, nach denen das Gericht des Kanzlers (-> Court of Chancery) des -> englischen Rechtes unter Rücksicht auf die Umstände des Einzelfalles, aber ohne unberechenbare Freiheit des Ermessens, verfährt. -> aequitas

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 3. A. 1990; Macnair, M., The Law of Proof in Early Modern Equity, 1999

Erbabfindung ist der vermögensmäßige Ausgleich für die Aufgabe einer Erbaussicht. -> Abschichtung, -> Aussteuer

Erbauseinandersetzung ist die Aufteilung eines Erbes (N.) unter mehreren Erben (M.). Bereits im altrömischen Recht kann jeder Miterbe (lat. [M.] -> coheres) die Aufhebung der ohne weiteres eintretenden Gemeinschaft am Erbe (lat. [N.] -> consortium) jederzeit mit dem Erbteilungsklaganspruch (lat. -> actio [F.] familiae erciscundae) fordern. Seit der jüngeren Republik erhält jeder Miterbe schon während bestehender Gemeinschaft ein quotenmäßig begrenztes Recht an den einzelnen Erbschaftsgegenständen, über das er jederzeit verfügen kann. Außerdem kann er uneingeschränkt die Erbteilung begehren. Eine Aufteilung ist wohl auch bei den Germanen möglich. Allerdings erben mehrere Erben vermutlich als Gemeinschaft zur gesamten Hand, so dass der einzelne Beteiligte über seinen Anteil am Nachlaß nicht verfügen kann. Jeder kann aber Teilung verlangen. Im Hochmittelalter soll dabei nach einer auch schon bei Plutarch für das 8. Jh. v. Chr. sowie bei dem Kirchenvater Augustin (354-430) bezeugten Regel der (eher zu einer gleichmäßigen Teilung fähige) Ältere teilen und der Jüngere (den ihm günstiger erscheinenden Teil) wählen (-> maior dividat, minor eligat). Die gesamthänderische Gestaltung wird 1900 auch in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen, das allerdings die Verfügung über den gesamten Erbteil zulässt.

Lit.: Kaser § 73; Hübner; Kroeschell, DRG 2

Erbbaurecht ist das veräußerliche und vererbliche Recht, auf oder unter fremdem Grund und Boden ein Bauwerk zu haben. Ihm entspricht im römischen Recht schon früh die Bürgern vererblich, aber zunächst wohl nicht veräußerlich erteilte Befugnis, auf städtischem Boden gegen Bezahlung eines Bodenzinses (lat. [N.] vectigal) ein Gebäude zu haben. Um die Zeitenwende tritt zu diesem als Pacht verstandenen Verhältnis das Recht hinzu, auf einem privaten Grundstück ein Gebäude (lat. [F.] -> superficies) zu haben. Justinian erfasst dieses veräußerlich, vererblich und belastbar gestaltete Recht teils als Recht eigener Art, teils als Servitut und teils als Emphyteuse. Im Mittelalter entsteht unabhängig hiervon die -> Erbleihe städtischer Grundstücke, welche dem Beliehenen gegen jährlichen Zins ein vererbliches, unveräußerliches Recht an einem Grundstück gewährt, das jedoch allmählich zum -> Eigentum erstarkt. Danach wird das römische Recht der superficies aufgenommen. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) und ausführlicher die insofern das Gesetz ersetzende Verordnung über das E. (15. 1. 1919) schaffen ein besonderes veräußerliches und vererbliches, grundsätzlich grundstücksgleich bestehendes Nutzungsrecht auf Errichtung, Besitz und Benutzung eines Bauwerks am Grundstück, wobei ein Erbbauzins nicht unbedingt erforderlich ist. Der Erbbauberechtigte ist regelmäßig Eigentümer des einen wesentlichen Bestandteil des Erbbaurechts bildenden Gebäudes.

Lit.: Kaser § 30 II; Hübner; Köbler, DRG 41, 61, 240; Schiwek, D., Das Erbbaurecht, Diss. jur. Kiel 1969

Erbbaurechtsverordnung -> Erbbaurecht

Erbe (M.) ist der Vermögensnachfolger des Erblassers. Erben sind in den ältesten Zeiten die Kinder des Erblassers, welche das eigentümerlos gewordene Gut ohne weiteres in ihrer Gewalt haben. Im ältesten römischen Recht treten mit dem Tod des Familienvaters seine Hauskinder und seine gewaltunterworfene Ehefrau als Rechtsgemeinschaft (lat. [N.] -> consortium) der (lat.) -> sui heredes (M.Pl.) an seine Stelle. Fehlen Hauserben, gelangt das Gut an die Agnaten (z. B. Geschwister des Erblassers, Geschwister des Vaters des Erblassers usw.) oder hilfsweise auch an die Gentilen als sog. Außenerben. Möglich sind aber Abschichtung und Abänderung durch ein Testament. E. (lat. [M.] -> heres) ist dabei nur der E. nach dem Recht der römischen Bürger (lat. ius [N.] civile), dessen Berufung auf Gesetzen, Senatuskonsulten oder auf dem vom Kaiser geschaffenen Recht beruht. Deswegen kann der Prätor auch keinen Erben schaffen, sondern nur den Güterbesitz (lat. bonorum possessio [F.]) bestimmter Menschen wie den eines Erben schützen. Justinian stellt Männer und Frauen sowie Hauskinder und emanzipierte Abkömmlinge gleich und schließt die Agnaten 543/8 als solche von der Erbfolge aus. Er bildet vier neue Erbklassen, von denen jede frühere jede spätere verdrängt. Die christliche Kirche fordert vielleicht aus heidnischen Kultbräuchen und philosophischen Gerechtigkeitsvorstellungen heraus allmählich einen Anteil an jedem Erbe (-> Freiteil). Bei den Germanen geht das einem Hausvater (während seines Lebens als Verwalter für die Familie oder den Verwandtschaftsverband) besonders zustehende Gut mit seinem Tod auf seine Kinder über, Grund und Boden vielleicht nur auf die Söhne. Mehreren gehört es bis zu seiner Aufteilung gemeinschaftlich. Fehlen Kinder, so gelangt das Gut, da der Vater des Verstorbenen meist vorverstorben ist, als Erbe an Brüder, sonst Onkel usw. Stirbt die Frau, so fällt das von ihr möglicherweise mitgebrachte wie das ihr gegebenenfalls vom Mann zugewandte Gut an die Kinder, bei deren Fehlen aber an den (ursprünglich) Berechtigten ihrer väterlichen Familie zurück. Auch im Frühmittelalter gibt es noch keine Möglichkeit zur Veränderung dieser Regeln. Erst im Hochmittelalter wird das -> Testament aufgenommen. Seitdem stehen neben den gesetzlichen Erben die gewillkürten Erben. Die Erbfolge ist im einzelnen von Recht zu Recht unterschiedlich. An vielen Stellen dringt die justinianische Ordnung allmählich ein. Im 18. Jh. wird hieraus das -> Parentelensystem entwickelt. In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s verbessert sich die rechtliche Stellung der Ehegatten (Deutschland 1957). Das nichteheliche Kind erhält in Deutschland 1969 ein Erbrecht oder zumindest einen Erbersatzanspruch.

Lit.: Kaser § 65; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 15, 23, 37, 59, 73, 88, 116, 122, 162, 210, 239, 268; Siegel, H., Das deutsche Erbrecht,  1853; Ebel, W., Über die Formel „für mich und meine Erben“, ZRG GA  84 (1967), 236; Signori, G., Vorsorgen – Vererben – Erinnern. Kinder- und familienlose Erblasser in der städtischen Gesellschaft des Spätmittelalters, 2001

Erbe (N.) (lat. [F.] hereditas) ist der Nachlaß eines verstorbenen Menschen. Er umfasst anfangs nur Werte (Vermögen), später auch Schulden. Manche Gegenstände können dabei zeitweise einer -> Sondererbfolge unterfallen (z. B. Gerade, Heergewäte, Erbhof, Gesellschaftsanteil).

Lit.: Kaser § 65 I; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2

Erbeinsetzung ist die besondere Bestimmung zum Erben. Vielleicht schon im altrömischen Recht ist die E. (lat. heredis institutio [F.]) das Kernstück jeden Testaments. Jedes Testament muss eine E. enthalten, welche (bis zu Kaiser Konstantin [306-337]) am Anfang stehen muss (lat. z. B. Titius heres esto, Titius soll Erbe sein). Die E. schafft entweder einen einzigen Erben oder lautet auf einen Bruchteil der Erbschaft. Im mittelalterlichen Recht gibt es eine besondere E. des Enkels am Grabe oder an der Bahre eines vorverstorbenen Kindes, welche ein fehlendes -> Eintrittsrecht ersetzt.

Lit.: Kaser § 68; Köbler, DRG 23, 38; Gudian, G., Ingelheimer Recht im 15. Jahrhundert, 1968

Erbengemeinschaft ist die im Falle mehrerer Erben (Miterben) entstandene Gemeinschaft (lat. [N.] -> consortium). Sie ist im klassischen römischen Recht sowie im neuzeitlich aufgenommenen römischen Recht Bruchteilsgemeinschaft, sonst meist Gesamthandsgemeinschaft. Sie endet durch -> Erbauseinandersetzung.

Lit.: Kaser § 73; Söllner § 8; Hübner 749ff.; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 23, 122, 162, 207; Lange, H., Lehrbuch des Erbrechts, 1962, 538

Erbenhaftung ist die Haftung des Erben für Schulden des Erblassers (und der Erbschaft). Wohl schon das römische -> Zwölftafelgesetz (451/0 v. Chr.) lässt die Haftung für Schulden des Erblassers auf den übergehen, welcher die Rechte des Erblassers erwirbt. Teilbare Schulden zerfallen mit der Erbfolge von selbst nach dem Verhältnis der Erbteile in selbständige Schulden. Der Erbe haftet unbeschränkt. Er muss also notfalls auch sein vor dem Erbfall bestehendes Vermögen zur Tilgung der ererbten Schuld verwenden. Er kann sich aber als Hauserbe der Erbschaft enthalten oder als Außenerbe die Erbschaft ausschlagen. Dagegen können sich die Nachlaßgläubiger gegen die Nachteile, welche ihnen aus der Überschuldung des Erben drohen, durch Verlangen einer Sicherheitsleistung oder durch eine Scheidung vom Nachlaß und Erbenvermögen (lat. separatio [F.] bonorum) schützen. Justinian (527-65) gewährt dem Erben die Wohltat des -> Inventars (lat. -> beneficium [N.] inventarii), wonach er durch die Errichtung eines Verzeichnisses der Erbschaftsgegenstände die Haftung für Schulden des Erblassers auf die Gegenstände der Erbschaft beschränken kann. Im deutschen Recht haftet für Schulden des Erblassers noch im -> Sachsenspiegel nur die Fahrnis des Nachlasses, wobei bestimmte Schulden (z. B. aus Raub, Diebstahl, Spiel) überhaupt ausgenommen sind. Später ist für alle Schulden und mit dem ganzen Nachlaß einzustehen. In der Neuzeit wird die justinianische Rechtswohltat des Inventars übernommen.

Lit.: Kaser § 74; Hübner; Kroeschell, DRG 2; Lewis, W., Die Succession des Erben, 1864; Enneper, C., Die Reform der Erbenhaftung im Erbrechtsausschuß, 1993; Peer, R., Die Vorschläge der Akademie für Deutsches Recht, Diss. jur. Mannheim 1995; Muscheler, K., Die Haftung der Erben im preußischen ALR, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997

Erbenlaub ist im mittelalterlichen deutschen Recht (z. B. -> Sachsenspiegel) die (aus der Gebundenheit des Familienguts erwachsende Notwendigkeit der) Zustimmung (Erlaubnis)  des (zur Zeit einer Verfügung) nächsten Erben zu einer Verfügung des (künftigen) Erblassers über ein Grundstück. Damit gibt der Erbe seine Erbaussicht auf. Fehlt das E., ist das Geschäft zwischen Erblasser und Dritten gegenüber dem Erben unwirksam. Dieser kann es angreifen und das veräußerte Gut teils ohne Gegenleistung, teils gegen Erstattung des Kaufpreises (-> Erbenlosung) verlangen. Der unmündige Erbe hat diese Rechte bis zu einer bestimmten Frist nach Erreichen der Mündigkeit.

Lit.: Heusler, A., Deutsches Privatrecht, Bd. 2 1886, 54

Erbenlosung ist im mittelalterlichen deutschen Recht die Befugnis eines Erben, ein ohne seine Zustimmung abgeschlossenes Verfügungsgeschäft über ein Grundstück des Erblassers gegen Erstattung des Kaufpreises an den Erwerber rückgängig zu machen.

Lit.: Hübner 428; Siegel, H., Das deutsche Erbrecht, 1853

Erbenwartrecht ist das Anrecht (Wartrecht) des nächsten künftigen Erben (z. B. der Söhne) auf das Vermögen eines künftigen Erblassers. Es ist eine Art Anwartschaft auf die in Aussicht stehende Erbschaft. Es beruht auf der Familiengebundenheit des Hausguts. Es wirkt sich (allmählich nur noch) im -> Erbenlaub und der -> Erbenlosung bzw. dem ausgleichsfreien Herausgabeanspruch (Revokationsrecht) aus. In der frühen Neuzeit wird es durch den Grundsatz der Testierfreiheit verdrängt.

Lit.: Hübner 328; Köbler, DRG 124; Schröder, R., Zur Geschichte des Warterechts der Erben, ZRG 9 (1870), 410; Brunner, H., Abhandlungen zur Rechtsgeschichte, Bd. 2 1931, 217

Erbfolge ist der Übergang des Vermögens des Erblassers auf den Erben. Für die E. entwickeln sich bereits früh vor allem in der Hinsicht Regeln, wer der -> Erbe (oder die gemeinschaftlichen Erben) innerhalb der Gesamtheit der Verwandtschaft des Erblassers ist (oder sind). Dabei unterscheidet das römische Recht zunächst zwischen Hauserben (lat. -> sui heredes [M.Pl.) und Außenerben und legt danach eine genauere Reihenfolge fest, welche in der justinianischen Novelle 118 zu den vier einander sukzessive ausschließenden Klassen der Abkömmlinge (1), der Eltern und sonstigen Vorfahren sowie der vollbürtigen Geschwister (2), der halbbürtigen Geschwister und ihrer Kinder (3) und der übrigen Seitenverwandten (4) führt. Das germanische Recht trennt zwischen Hausgemeinschaft und der (ansatzweise in Familienschaften gegliederten übrigen) Verwandtschaft. Der Sachsenspiegel verwendet hierfür das Bild des menschlichen Körpers, bei dem der Erblasser durch den Kopf, die Kinder, Eltern und Geschwister durch den Hals, die Enkel, Großeltern, Elterngeschwister und Geschwisterkinder durch die Schulter, die Urenkel, Urgroßeltern, Großelterngeschwister, Elterngeschwisterkinder und Geschwisterenkel durch die Ellenbeuge, die Ururenkel, Ururgroßeltern, Urgroßelterngeschwister, Großelterngeschwisterkinder, Elterngeschwisterenkel und Geschwisterurenkel durch das Handgelenk usw. versinnbildlicht werden und ausgenommen die Angehörigen des ersten Glieds die gleich nah Geborenen zu gleichen Teilen erben. Im übrigen sind die Ordnungen der E. im einzelnen landschaftlich und örtlich sehr unterschiedlich. Allgemein wird ein -> Eintrittsrecht der Enkel zunehmend bejaht und die Schlechterstellung der Frau verringert. In der Neuzeit dringen verschiedene Gedanken des römischen Rechtes in das deutsche Recht ein. Im Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) geht die gewillkürte E. der gesetzlichen E. vor und werden (jeweils außer dem Ehegatten) fünf Ordnungen von gesetzlichen Erben nach einem -> Parentelensystem unterschieden (Abkömmlinge, Eltern und deren Abkömmlinge, Großeltern und deren Abkömmlinge usw.). Fehlen Verwandte und Ehegatte, so erbt der -> Fiskus als gesetzlicher Erbe. Zusätzliche Besonderheiten gelten für die E. in die Stellung eines Monarchen.

Lit.: Kaser § 66; Hübner 752; Siegel, H., Das deutsche Erbrecht, 1853; Stobbe, O., Die Erbfolgeordnung nach den Magdeburger Schöffensprüchen, 1865; Wasserschleben, H., Das Prinzip der Erbenfolge, 1870; Mertens, H., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über die gesetzliche Erbfolge und das Pflichtteilsrecht, 1970; Diestelkamp, B., Das Verhältnis von Gesetz und Gewohnheitsrecht im 16. Jahrhundert, FS H. Thieme 1977, 1; Kroeschell, K., Söhne und Töchter im germanischen Erbrecht, Gedächtnisschrift W. Ebel, 1982, 87; Der dynastische Fürstenstaat, hg. v. Kunisch, J., 1982; Olzen, D., Vorweggenommene Erbfolge, 1988; Meuten, L., Die Erbfolge des Sachsenspiegels und des  Magdeburger Rechts, 2000

Erbfolgekrieg ist der aus Anlaß eines Streits um die -> Erbfolge in einem Erbfall entstehende Krieg (z. B. bayerischer E., schlesischer E., spanischer E.). Er endet vielfach mit einer einvernehmlichen Güteraufteilung.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon

Erbgut ist im deutschen Mittelalter das durch Erbfolge erworbene Gut im Gegensatz zum durch Kauf erlangten Gut. Für das E. gelten bis in die Mitte des 19. Jh.s verschiedentlich besondere Regeln (z. B. -> Erbenwartrecht).

Lit.: Hübner 747; Kroeschell, DRG 1f.

Erbhof ist allgemein der durch lange -> Erbfolge im Eigentum einer Familie stehende bäuerliche Hof. Im Dritten Reich wird für den Eigentümer des vom -> Reichserbhofgesetz (1933-47) erfassten Erbhofs die -> Testierfreiheit eingeschränkt.

Lit.: Köbler, DRG 239

Erbhuldigung ist in den österreichischen Erbländern der besondere Akt der -> Huldigung (der Landleute gegenüber dem Landesherrn), der in Niederösterreich auf das Jahr 1282, in der Steiermark auf das Jahr 1186 und in Kärnten auf die Herzogseinsetzung auf dem Herzogsstuhl bei Maria Saal zurückgeführt wird.

Lit.: Puntschart, P., Herzogseinsetzung und Huldigung in Kärnten, 1899

Erblande sind die (seit alters) ererbten Länder gegenüber neueren Ländern. Zu den österreichischen Erblanden zählt zunächst das Herzogtum Österreich einschließlich vor allem der Steiermark, Kärntens und Tirols. Später kommen Burgund sowie Böhmen hinzu. Schließlich werden unter dem Begriff der E. alle österreichischen Gebiete einschließlich Böhmens von Ungarn, Galizien und den italienischen Ländern geschieden. Der eher privatrechtlichen Vorstellung der E. entspricht dann der öffentlichrechtliche der Kronländer, innerhalb deren zwischen österreichischen (mit Galizien) und ungarischen getrennt wird.

Lit.: Baltl/Kocher; Hellbling, E., Österreichische Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, 1956, 65, 267, 275

Erblasser ist der Mensch, der bei seinem Tode ein Erbe hinterlässt.

Lit.: Immel, G., Die höchstpersönliche Willensentscheidung des Erblassers, 1965; Tschäppeler, H., Die Testierfreiheit, 1983

Erbleihe ist im mittelalterlichen und neuzeitlichen deutschen Recht die erbliche, meist entgeltliche -> Leihe von Grundstücken. Sie entspricht in vielen Zügen der spätrömischen Emphyteuse (Erbpacht) und der Bittleihe (Prekarie). Sie entwickelt sich sowohl in der mittelalterlichen Stadt wie in der ländlichen Grundherrschaft. In der Stadt wird aus dem erblichen Zins allmählich eine privatrechtliche -> Reallast an Eigentum. Auf dem Land treten zu dem privatrechtlichen Verhältnis die öffentlichrechtlichen Elemente der Herrschaft des Grundherrn über den Hintersassen hinzu. Die E. endet hier mit der Beseitigung der -> Grundherrschaft im 19. Jh.

Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 125; Schwind, E. v., Zur Entstehungsgeschichte der freien Erbleihen, 1891, Neudruck 1973; Rietschel, S., Die Entstehung der freien Erbleihe, ZRG GA 22 (1901), 181; Wopfner, H., Beiträge zur Geschichte der freien bäuerlichen Erbleihe Deutschtirols im Mittelalter, 1903; Winiarz, A., Erbleihe und Rentenkauf in Österreich, 1906; Hallermann, H., Die Erbleihe an Grundstücken in den westfälischen Städten bis 1500, 1925

Erbmonarchie ist die durch das Erbrecht einer Dynastie auf die (staatliche) Herrschaft gekennzeichnete Monarchie. Das Heilige Römische Reich (deutscher Nation) schwankt zwischen Erbrecht und Wahl, wobei der Versuch eines Erbreichsplans Heinrichs VI. im deutschen Reich 1196 scheitert. Tatsächlich kommen aber die Könige und Kaiser des Reiches seit 1438 fast durchweg aus dem Hause -> Habsburg. In den Ländern setzt sich demgegenüber das Prinzip der Erblichkeit der Herrschaft durch, bis es 1918 beseitigt wird.

Lit.: Köbler, DRG 95; Perels, E., Der Erbreichsplan Heinrichs VI., 1927

Erbpacht -> emphyteusis

Erbrecht ist objektiv die Gesamtheit der Rechtssätze, die das -> Erbe betreffen, subjektiv die im Erbfall entstehende Berechtigung des Erben am Nachlaß. Es ist von den erkennbaren Anfängen des Rechts an ein wichtiger Bestandteil (des Privatrechts). Kennzeichnend ist zunächst die vorgegebene (gesetzliche) -> Erbfolge, welche schon im altrömischen Recht und danach erneut im hochmittelalterlichen Recht um die Möglichkeit ergänzt wird, die gesetzliche Erbfolge gewillkürt abzuändern (gewillkürte Erbfolge, -> Erbvertrag, -> Testament). Seit dem Ende des 19. Jh.s wird das E. zunehmend durch die -> Erbschaftsteuer beeinflusst.

Lit.: Kaser §§ 65ff.; Söllner §§ 8, 12, 18; Hübner 734; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 15, 23, 37, 162, 206, 210; Baltl/Kocher; Siegel, H., Das deutsche Erbrecht, 1853; Zachariä von Lingenthal, K., Geschichte des griechisch-römischen Rechts, 3. A. 1892, Neudruck 1955, 133; Schultze, A., Augustin und der Seelteil des germanischen Erbrechts, 1928;  Meyer, H., „Ligurisches Erbrecht“, ZRG GA 50  (1930), 354; Plucknett, T., A Concise History of the Common Law, 5. A. 1956, 516; Bruck, E., Kirchenväter und soziales Erbrecht, 1956; Wesener, G., Geschichte des Erbrechtes in Österreich, 1957; Besta, E., Le successioni, 2. A. 1961; Sheehan, M., The Will in Medieval England, 1963; Bart, J., Recherche sur l’histoire des successions, 1966; Hess, R., Familien- und Erbrecht im württembergischen Landrecht von 1555, 1968; Vismara, G., Famiglia e successioni nella storia del diritto, 1970; Hafström, G., Den svenska familjerättens historia, 1970; Schröder, R., Abschaffung oder Reform des Erbrechts, 1981; Müller-Eiselt, K., Divus Pius constituit, Diss. jur. Freiburg 1982; Kroeschell, K., Söhne und Töchter im germanischen Erbrecht, Gedächtnisschrift W. Ebel, 1982, 87; Hattenhauer, H., Zur Dogmengeschichte des Erbrechts, Jura 1983, 9, 68; Udina Abelló, A., La successió testado, 1984; Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches, hg. v. Schubert, W., Erbrecht, 1984; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Zur Geschichte des Familien- und Erbrechts, hg. v. Mohnhaupt, H., 1987; Waibel, T., Erbrecht und die Familie, 1988; Baker, H., An Introduction to English Legal History, 3. A. 1990; Das Familien- und Erbrecht unter dem Nationalsozialismus, hg. v. Schubert, W., 1993; Andres, I., Der Erbrechtsentwurf von Friedrich Mommsen, 1996; Wacker, G., Der Erbrechtsausschuß der Akademie für Deutsches Recht, 1997; Bühler, T., Die Methoden der Rezeption des römisch-gemeinen Rechts in die Erbrechte der Schweiz, ZRG GA 120 (2003); Signori, G., Vorsorgen – Vererben – Erinnern, 2001

Erbschaft ist das aus Rechten und Pflichten bestehende Vermögen des Erblassers, das bei seinem Tod als Ganzes auf eine oder mehrere Menschen übergeht. Lateinisch heißt die E. -> hereditas (F.). Die Zugehörigkeit der Grundstücke, Rechte und Verpflichtungen zur E. entwickelt sich erst allmählich.

Lit.: Kaser §§ 65 I, 66 IV; Heuser, F., Der Erbschaftserwerb im Spätmittelalter, 2002

Erbschaftsanfall ist der Übergang der Rechte und Pflichten des Erblassers (Erbschaft) auf den Erben (im Wege der Gesamtrechtsnachfolge). Er erfolgt grundsätzlich mit dem Tod des Erblassers. Dagegen müssen im römischen Recht die Außenerben (Agnaten, Gentilen) einen besonderen Erwerbsakt (Erbschaftsantritt, lat. [F.] aditio hereditatis) vornehmen, so dass zwischen dem Tod des Erblassers und dem Erbschaftsantritt eine sog. ruhende Erbschaft (lat. hereditas [F.] iacens) vorliegt. Dieses Ruhen der Erbschaft wird in der Neuzeit in einigen Rechten (für alle Erben) übernommen. Daneben ist verschiedentlich eine Einweisung in die Erbschaft durch das zuständige Gericht erforderlich. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) und im schweizerischen Zivilgesetzbuch wird die Erbschaft unmittelbar erworben.

Lit.: Kaser § 71 II; Hübner 734; Köbler, DRG 210; Huber, E., System und Geschichte des schweizerischen Privatrechts, Bd. 4 1893, 541; Wesener, G., Geschichte des Erbrechts in Österreich, 1957; Fischer, H., Vonselbsterwerb und Antrittserwerb, 1996; Bielefeld, C., Die Entwicklung des Erbschaftserwerbs nach österreichischem Recht, 1997

Erbschaftsanspruch ist bereits im klassischen römischen Recht der Anspruch des Erben (nach zivilem Recht) gegen den, der einen Vermögensvorteil aus der Erbschaft erlangt hat, auf Herausgabe (lat. hereditatis petitio [F.]), wobei ein gutgläubiger Besitzer nach dem -> Senatusconsultum Iuventianum (129 n. Chr.) nur herauszugeben hat, worum er bereichert ist. Der Erbe nach prätorischem Recht (lat. bonorum possessor [M.] ) kann die Herausgabe auf Grund eines (lat.) interdictum (N.) quorum bonorum verlangen. Der E. wird in der frühen Neuzeit weitgehend übernommen.

Lit.: Köbler, DRG 37

Erbschaftsschuld ist die von einem Erblasser oder aus dem Erbfallsvorgang herrührende Schuld. Für sie haftet der Erbe nach römischem Recht mit der von Justinian gewährten Rechtswohltat des -> Inventars. Im Hochmittelalter haftet noch im Sachsenspiegel nur die Fahrnis des Nachlasses, wobei bestimmte Schulden (z. B. aus Raub, Diebstahl oder Spiel) überhaupt ausgenommen sind. Später ist für alle Schulden und mit dem ganzen Nachlaß einzustehen, doch wird die Rechtswohltat des Inventars aufgenommen. -> Erbenhaftung

Lit.: Kaser § 74; Hübner; Köbler, DRG 59, 123

Erbschaftsteuer ist die den Übergang eines Vermögens durch -> Erbfolge erfassende -> Steuer. Ihr gehen bereits im Mittelalter Sterbefallsabgaben etwa an den Grundherrn (-> Besthaupt, Buteil) voraus. Im Deutschen Reich wird 1906/11 eine E. eingeführt. Ihre Höhe wird gestaffelt und führt bei sehr großen Vermögen zu sehr beachtlichen Steuern. Sie werden im Laufe des 20. Jh.s (z. B. 1997 bis 30%) noch erhöht.

Lit.: Köbler, DRG 210

Erbschein ist ein amtliches, vom Nachlaßgericht auf Antrag auszustellendes Zeugnis des Erben über sein Erbrecht und bei mehreren Erben auch über die Größe des jeweiligen Erbteils. Ein entsprechendes Zeugnis kennen bereits neuzeitliche Partikularrechte, die es allerdings auf den Fall der gesetzlichen -> Erbfolge beschränken.

Lit.: Hübner; Köbler, DRG 211; Siegel, H., Das deutsche Erbrecht, 1853

Erbschulze ist der erbliche Leiter (Schulze) der bäuerlichen Gemeinde der mittelalterlichen deutschen Ostsiedlung vom 12. bis zum 19. Jh. Der E. hat meist einen besonderen Erbschulzenhof.

Lit.: Riedel, L., Über die Dorfschulzen, 1834; Schwineköper, B., Die mittelalterliche Dorfgemeinde in Elbostfalen, in: Vorträge und Forschungen 8, 1964, Bd. 2 115

Erbtochter ist die Tochter (evtl. auch eine weitere weibliche Verwandte) des letzten Manns einer (adligen) Familie. Über sie werden vielfach bedeutende Güter vererbt (z. B. Maria Theresia in Österreich).

Lit.: Hübner; Köbler, Historisches Lexikon; Wolf, A., Prinzipien der Thronfolge in Europa, in: Vorträge und Forschungen, 1986

Erbuntertänigkeit ist im neuzeitlichen deutschen Recht (in Preußen) die in Abschwächung der Leibeigenschaft entstehende grundherrschaftliche Abhängigkeit (Unfreiheit).

Lit.: Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, 2. A. 1995, 430

Erbunwürdigkeit ist die im spätrömischen Recht aus Einzelfällen entwickelte Unwürdigkeit, Erbe zu sein. Dem Erbunwürdigen wird das ererbte Gut vom Staat (lat. [N.] aerarium, später [M.] fiscus) entzogen. Die E. wird im neuzeitlichen Recht übernommen.

Lit.: Kaser § 71 V; Hempel, I., Erbunwürdigkeit, Diss. jur. Köln 1969; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Erbverbrüderung -> Erbvertrag

Lit.: Loening, R., Erbverbrüderungen, 1867

Erbvertrag ist ein Vertrag zwischen mindestens zwei Menschen, in welchem mindestens einer der Vertragsschließenden (Erblasser) vertragsmäßige Verfügungen von Todes wegen trifft. Der E. ist im römischen Recht (als sittenwidrig) unzulässig (D. 45, 1, 61), den griechischen Rechten dagegen geläufig und deswegen in der oströmischen Rechtswirklichkeit im Gegensatz zum gesetzlichen Verbot verbreitet. Das Frühmittelalter kennt mit der fränkischen -> Affatomie und dem langobardischen Speergedinge die Möglichkeit, den Nachlaß einem nicht verwandten Menschen durch Rechtsgeschäft zukommen zu lassen. Etwas später gewinnt die Gabe nach dem Tod (lat. donatio [F.] post obitum) an Bedeutung, für die es streitig ist, ob sie schon E. ist. Hierher gehört dann insbesondere die seit dem 14. Jh. vordringende Erbverbrüderung (adliger Familien) zwecks Gestaltung der künftigen Güterzuordnung (z. B. 1373/1457 Braunschweig, Sachsen, Hessen, 1442 Brandenburg, Mecklenburg). In der frühen Neuzeit werden seit der Mitte des 17. Jh.s vom -> usus modernus pandectarum bestimmte Arten von erwerbenden Erbverträgen auf deutschrechtlicher Grundlage bejaht. Eine allgemeine Anerkennung erfolgt bei Leyser, Böhmer und Heineccius. Die Kodifikationen lassen den E. zu, wobei ihn das österreichische Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (1811/2) auf Ehegatten beschränkt. Die strenge wissenschaftliche Ausformung des Erbvertrags erfolgt durch Hasse 1828.

Lit.: Kaser § 65; Hübner 788; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 38, 123, 162, 211; Hasse, Rhein. Museum für Jurisprudenz 2 (1828), Heft 2; Beseler, G., Die Lehre von den Erbverträgen, Bd. 1ff. 1835ff.; Hartmann, G., Zur Lehre von den Erbverträgen, 1860; Loening, R., Erbverbrüderungen, 1867; Kugelmann, Gemeinrechtliche Begründung des partikulären Erbvertrages, 1875; Vismara, G., I patti successori nella dottrina di Bartolo, in: Bartolo di Sassoferrato, Bd. 2 1962, 755; Wesener, G., Zur Lehre vom Erbvertrag, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 607; Weimar, P., Erbvertrag und gute Sitten, Misc. D. Maffei, Bd. 4 1995, 231

ercto non cito (lat.) ist die altrömische Erbengemeinschaft (lat. [N.] consortium).

Lit.: Kaser §§ 66 I 2

Erfolgshaftung ist die beim bloßen Vorliegen eines Erfolgs ohne Rücksicht auf die Vorwerfbarkeit eines Verhaltens eintretende Haftung (wie sie in dem spätmittelalterlichen Rechtssprichwort ->  „Die Tat tötet den Mann“ zum Ausdruck gebracht wird). Im weiteren Sinn wird darunter auch die Strafbarkeit wegen eines bloßen verursachten Erfolges verstanden. E. in diesem Sinn ist für die Frühzeit in weitem Umfang wahrscheinlich, weil ein Anknüpfen am verursachten sichtbaren Erfolg geringere Schwierigkeiten bereitet als die Prüfung eines inneren unsichtbaren Gedankenvorgangs und die Erfahrung zudem zeigt, dass bestimmte äußere Ergebnisse typischerweise bestimmten inneren Zielsetzungen entsprechen. Abweichend hiervon unterscheidet bereits das altrömische Recht (-> Zwölftafelgesetz [451/0 v. Chr.] 8, 24a) zwischen gewolltem und nicht gewolltem Erfolg. Hieraus entwickelt sich die grundsätzliche Beschränkung auf die Haftung für ein verschuldetes Verhalten. Allerdings ist auch eine Haftung für das Verschulden eines Gehilfen (bei Werkvertrag) oder aus deliktischem Verhalten eines Gewaltunterworfenen (-> Noxalhaftung) anerkannt. Dieser Entwicklung entspricht es, dass das germanische Recht zwar am äußeren Erfolg anknüpft, darin aber typisierend zugleich den schädigenden Willen erfassen will. Das frühmittelalterliche Recht unterscheidet zwischen vorsätzlicher Tat und sog. Ungefährwerk. Demgegenüber bedrohen hochmittelalterliche Strafrechtsquellen des öfteren Fälle von Ungefährwerk (ungewollte Tötung und Körperverletzung) mit peinlichen Strafen. Demnach entwickelt sich ein ausgeprägtes Schuldstrafrecht erst in der Neuzeit. Im Privatrecht setzt sich das Verschuldensprinzip unter dem Einfluss des Liberalismus im 19. Jh. (-> Ihering) durch. Gleichzeitig gewinnt aber gerade in dieser Zeit die -> Gefährdungshaftung (Eisenbahn usw.) an Bedeutung.

Lit.: Kaser § 36; Köbler, DRG 71, 128; Brunner, H., Forschungen zur Geschichte des deutschen und französischen Rechts, 1894, 487; Kaufmann, E., Die Erfolgshaftung, 1958; Mikat, P., Erfolgshaftung und Schuldgedanke im Strafrecht der Angelsachsen, FS H. Weber, 1963, 9; Ogorek, R., Untersuchungen zur Entwicklung der Gefährdungshaftung, 1975

Erfüllung ist das Bewirken der geschuldeten Leistung durch den Schuldner. Die E. ist im römischen Recht als (lat. [F.]) -> solutio bekannt. Mit der E. wird der Schuldner von seiner Verpflichtung frei.

Lit.: Kaser § 53 I; Köbler, DRG 215; Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981, Kap. 46; Wieacker, F., Lex commissoria, 1932; Harder, M., Die Leistung an Erfüllungs Statt, 1976

Erfüllungsgehilfe ist eine Person, die mit Wissen und Wollen des Schuldners tatsächlich in dessen Pflichtenkreis tätig wird. Der E. wird als solcher besonders im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) erfasst.

Lit.: Köbler, DRG 214

Erfurt an der Gera, das zu unbekannter Zeit vom König an den Erzbischof von Mainz gelangt, ist von 1392 bis 1816 Sitz einer Universität. 1850 berät in E. ein Deutsches Parlament erfolglos über einen Bundesstaat „Deutsches Reich“.-> Johannes von E.

Lit.: Lorenz, S., Studium generale Erfordense, 1989; Märker, A., Geschichte der Universität Erfurt, 1993; Moraw, P., Die ältere Universität Erfurt, in: Erfurt. Geschichte und Gegenwart, hg. v. Weiß, U., 1995, 189; Die Erfurter Union und das Erfurter Unionsparlament 1850, hg. v. Mai, G., 2000; Lengemann, J., Das Deutsche Parlament (Erfurter Unionsparlament) von 1850, 2000

Erholung ist im mittelalterlichen deutschen Recht die Rücknahme einer von einem -> Fürsprecher durchgeführten fehlerhaften Rechtshandlung durch die Partei (-> Sachsenspiegel Landrecht I 60 § 1). Sie ist vielleicht um 1200 gegen die Formenstrenge des Verfahrensrechts entwickelt und verschwindet im Spätmittelalter.

Lit.: Siegel, H., Die Erholung und Wandelung, 1863

Erkenntnisverfahren ist das mit einer Entscheidung über einen Rechtsstreit endende Verfahren. Ihm kann ein Vorverfahren vorangehen und ein Vollstreckungsverfahren folgen. Es bildet seit den Anfängen des Verfahrensrechts dessen Kern.

Lit.: Köbler, DRG 19, 202

Erlangen an der Regnitz wird 1743 Sitz einer der Aufklärung verpflichteten Universität, die am Ende des 20. Jh.s mit einer Wirtschaftshochschule in Nürnberg verschmolzen wird.

Lit.: Baumgärtel, G., Die Gutachter- und Urteilstätigkeit der Erlanger Juristenfakultät, 2. A. 1962; Köbler, G., Erlanger juristische Vorlesungen, Jb. f. fränk. Landesforschung 27 (1967), 241; Beyer, A., Die Verfassungsentwicklung der Universität Erlangen, 1992; Wendehorst, A., Geschichte der Universität Erlangen-Nürnberg 1743-1993, 1993; Willett, O., Sozialgeschichte Erlanger Professoren, 2001; Schieber, M., Erlangen, 2002

Erlaß ist im Verwaltungsrecht eine innerdienstliche allgemeine Anweisung und im Schuldrecht ein Schuldaufhebungsvertrag zwischen Gläubiger und Schuldner. Der privatrechtliche E. ist bereits dem klassischen römischen Recht geläufig (lat. -> solutio [F.] per aes et libram nummo uno, acceptilatio). Über die Aufnahme des römischen Rechtes findet er in das moderne Privatrecht Eingang.

Lit.: Kaser §§ 52, 52; Köbler, DRG 43, 215; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Erlaubnis ist im Verwaltungsrecht die Erklärung einer Behörde, dass sie ein bestimmtes Verhalten zulässt. Sie entsteht im Sinne von Regel und Ausnahme mit der Entwicklung obrigkeitlicher Verbote.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Becker, K., Die behördliche Erlaubnis, Diss. jur. Marburg 1970

Ermächtigungsgesetz ist ein Gesetz, das ein Verfassungsorgan zu einem bislang nicht zulässigen Verhalten ermächtigt. Beispielsweise erlaubt es das deutsche E. vom 4. 8. 1914 dem Bundesrat des Deutschen Reiches, (rund 1000) Notverordnungen zu erlassen. Zwischen 1919 und 1923 werden wegen der schwierigen politischen und wirtschaftlichen Lage 7 Ermächtigungsgesetze verabschiedet. Am 23. 3. 1933 bzw. 24. 3. 1933 wird das Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich erlassen bzw. verkündet, durch das der Reichstag seine Gesetzgebungsgewalt auf die Reichsregierung überträgt und diese damit zur Gesetzgebung ermächtigt.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 170, 230; Anschütz, G., Die Verfassung des Deutschen Reiches, 14. A. 1933; Schneider, H., Das Ermächtigungsgesetz vom 24. 3. 1933, 2. A. 1961, Neudruck 1968; Das „Ermächtigungsgesetz“ vom 24. März 1933, hg. v. Morsey, R., 1968; Biesemann, J., Das Ermächtigungsgesetz, 1985

Ermessen ist ein an der Vernünftigkeit des Ergebnisses ausgerichteter Maßstab für ein Verwaltungshandeln. Die dabei bestehende Entscheidungsfreiheit wird im Laufe des (19. und) 20. Jh.s zunehmend verrechtlicht.

Lit.: Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1f. 1988ff.; Held-Daab, U., Das freie Ermessen, 1996

Ermittlungsverfahren ist das Verfahren zur Ermittlung eines Täters einer Straftat. Es entwickelt sich seit dem Hochmittelalter. Seit dem 19. Jh. wird es verrechtlicht.

Lit.: Roth, A., Kriminalitätsbekämpfung, 1996

Ernestiner -> Wettiner

Erpressung ist die Beschädigung des Vermögens eines anderen durch Nötigung dieser oder einer anderen Person in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern. Dem entspricht im klassischen römischen Recht die (lat. [F.]) -> concussio. In der Neuzeit erscheint die E. im 18. Jh.

Lit.: Köbler, DRG 35; Rüping, H., Grundriß der Strafrechtsgeschichte, 3. A. 1998

error (lat. [M.]) ist im römischen Recht der Irrtum. Er wird zunächst bei den Konsensualkontrakten (z. B. Kauf) dann berücksichtigt, wenn er einen Konsens verhindert. Dies kann sich auf den Gegenstand (lat. [N.] corpus), den Preis, den Geschäftstyp oder (str.) eine wesentliche Eigenschaft (lat. [F.] substantia) beziehen, nicht dagegen auf die bloße Bezeichnung (lat. [N.] nomen).

Lit.: Kaser § 8 II; Köbler, DRG 43; Error iudicis. Juristische Wahrheit und justizieller Irrtum, hg. v. Gouron, A. u. a., 1998

Errungenschaftsgemeinschaft ist die Gütergemeinschaft zweier Ehegatten an den während der Ehe erworbenen Gütern (Gesamtgut im Gegensatz zum Sondergut jedes Ehegatten). Die E. erscheint im Frühmittelalter bei Franken und westfälischen Sachsen. Danach verbreitet sie sich besonders in Süddeutschland und bildet um 1900 für rund 10 Millionen Deutsche den Regelgüterstand. Beim Tod eines Ehegatten erwirbt der überlebende Ehegatte in beerbter Ehe das Sondergut des Verstorbenen, während bei unbeerbter Ehe das Sondergut des Verstorbenen an die Herkunftsseite zurückfällt und das Gesamtgut zwischen dem überlebenden Ehegatten und den Erben des verstorbenen Ehegatten meist hälftig geteilt wird. Die noch im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) beibehaltene E. wird 1957 beseitigt. In Frankreich gilt die E. in Form der Fahrnisgemeinschaft.

Lit.: Hübner 667; Köbler, DRG 88, 210; Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland, Bd. 1f. 1863ff.

Ersatzerbe ist der vom Erblasser für den Fall des Wegfalls des Erben vor oder nach Eintritt des Erbfalls eingesetzte Erbe. Die Einsetzung eines Ersatzerben (lat. [F.] substitutio) im Testament ist bereits im klassischen römischen Recht möglich und wird von dort mit der Aufnahme des römischen Rechts übernommen.

Lit.: Kaser § 68 II, V; Söllner § 11; Köbler, DRG 38; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985ff.

Ersitzung ist der Erwerb des Eigentums durch Zeitablauf. Bereits im altrömischen Recht kann der Gewaltinhaber über eine Sache seine Berechtigung auf Gebrauchnahme (lat. [F.] usucapio) stützen, womit die Berufung auf einen Vormann (im Recht an der Sache) überflüssig wird. Damit ist jeder, der ein Grundstück 2 Jahre oder eine andere Sache 1 Jahr unangefochten gebraucht hat, gegen jedermann geschützt, sofern es sich nicht um eine gestohlene, geraubte oder von Unmündigen und Frauen ohne Mitwirkung des Vormunds veräußerte handgreifbare Sache handelt. Später muss der Eigenbesitz einen rechtsgültigen Erwerbsgrund haben und der Eigenbesitzer im Augenblick der Besitzerlangung gutgläubig sein. Im deutschen Recht hat die -> Verschweigung eine vergleichbare Wirkung. Mit der Aufnahme des römischen Rechts wird die E. in der Form übernommen, wie sie sie unter Justinian durch Verbindung von (lat. [F.]) usucapio mit (lat.) longi temporis praescriptio (F.) gefunden hat. Danach muss eine ersitzbare bewegliche Sache 3 Jahre, ein ersitzbares Grundstück 10 bzw. 20 Jahre gutgläubig auf Grund eines rechtsgültigen Erwerbsgrundes oder wenigstens 30 Jahre gutgläubig besessen worden sein. Nach dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) erfordert die E. bei beweglichen Sachen 10 Jahre gutgläubigen Eigenbesitz, bei Grundstücken 30 Jahre Besitz und Eintragung im Grundbuch.

Lit.: Kaser § 25; Söllner §§ 8, 9; Hübner 271, 468; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 25, 40, 61, 163; Immerwahr, W., Die Verschweigung im deutschen Recht, 1895; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Bauer, K., Ersitzung und Bereicherung im klassischen römischen Recht, 1988

Erskine of Carnock, John (1695-1768), nach dem Studium in den Niederlanden 1719 Anwalt am Obergericht Schottlands und 1737 Professor für schottisches Recht in Edinburgh, veröffentlicht 1754 mit den systematisierenden (engl.) Principles of the Law of Scotland (Grundsätze des Rechts Schottlands)  das bis in das 20. Jh. führende Lehrbuch des schottischen Rechts.

Lit.: Walker, D., The Scottish Legal System, 3. A. 1969, 171; Walker, D., The Scottish Jurists, 1985, 202

Erstbittrecht (lat. ius [N.] primariarum precum) ist ein wohl nach dem Investiturstreit entstandenes, seit 1437 allmählich an die Zustimmung des Papstes gebundenes Recht des deutschen Königs auf einen verbindlichen Besetzungsvorschlag für die erste nach seiner Krönung freigewordene Pfründe jedes Stiftes oder Klosters.

Lit.: Bauer, H., Das Recht der ersten Bitte, KRA 94 (1919); Feine, H., Papst, Erste Bitten und Regierungsantritt des Kaisers, ZRG KA 51 (1931), 1

Erstgeburt -> Primogenitur

Ertränken ist eine vom Altertum bis in das 18. Jh. verbreitete Form der Todesstrafe (ertränkt werden einerseits vor allem Frauen, andererseits die Täter von Diebstahl, Unterschlagung, Notzucht, Doppelehe, Gotteslästerung usw.).

Lit.: Baltl/Kocher 127; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922

erwählter römischer Kaiser (lat. electus Romanorum imperator [M.]) ist seit 1508 der die Unabhängigkeit von der Krönung durch den Papst ausdrückende Titel des -> Kaisers des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation).

Lit.: Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 3. A. 1997, § 24  III 1

Erzamt ist die aus dem frühmittelalterlichen Hofamt der Stammesherzöge im Laufe des Mittelalters (Erzkanzler 10. Jh.) entwickelte, 1356 den sieben Kurfürsten für die Kurländer zugeteilte und später zahlenmäßig noch erweiterte oberste Reichswürde (Erzkanzler für das Reich [Mainz], Italien [Köln], Burgund [Trier], Erztruchseß [Pfalzgraf bei Rhein, dann Bayern, dann Hannover], Erzmarschall [Sachsen], Erzkämmerer [Brandenburg], Erz[mund]schenk [Böhmen]).

Lit.: Buchner, M., Die Entstehung der Erzämter, 1911; Latzke, I., Hofamt, Erzamt und Erbamt, Diss. phil. Frankfurt am Main 1970

Erzbischof (lat. [M.] archiepiscopus) ist in der katholischen (seit dem 3. Jh. n. Chr.) (sowie in der anglikanischen, schwedischen und finnischen) Kirche der Titel des Leiters einer Kirchenprovinz (Erzbistum).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 109; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972

Erzherzog ist die durch das gefälschte lat. -> privilegium (N.) maius entwickelte, 1442 von Friedrich III. bestätigte und 1453 von den Kurfürsten gebilligte Titulatur des Herzogs von -> Österreich.

Lit.: Baltl/Kocher; Lhotsky, A., Privilegium maius, 1957

Erzkanzler ist der Inhaber der obersten, auf das Schreibwesen bezogenen Würde im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation). Dies ist seit dem 9./10. Jh. (für das Reich) der Erzbischof von Mainz (, für Italien seit 1031 der Erzbischof von Köln und für Burgund bzw. lat. [F.] Gallia seit 1308 der Erzbischof von Trier).

Lit.: Seeliger, G., Erzkanzler und Reichskanzler, 1889; Bärmann, J., Zur Entstehung des Mainzer Erzkanzleramtes, ZRG GA 75 (1958), 1; Der Mainzer Kurfürst als Reichserzkanzler, hg. v. Hartmann, P., 1997

Eselreiten ist eine für die Neuzeit bezeugte, teils (für Frauen) auf einem lebenden Esel, teils (für Soldaten) auf einem hölzernen Gestell mit scharfer Oberkante ausgeführte -> Ehrenstrafe.

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, Bd. 2, 318

Esmein, Adhémar (Touvérac 1. 2. 1848 - Paris 22. 7. 1913) wird nach dem Rechtsstudium in Paris und Lehrtätigkeiten in Douai und Paris 1890 Professor für Rechtsgeschichte Frankreichs (1892 Cours élémentaire d’histoire du droit français, daneben weitere Grundrisse und Einzelarbeiten).

Lit.: Weiss, A., Notice sur la vie et les travaux de Adhémar Esmein, in: Séances et travaux de l’Académie des sciences morales 87, 1917, 437

Estland ist ein nordosteuropäischer Staat. E. geht auf ein von den finno-ugrischen Esten besiedeltes Gebiet am Finnischen und Rigaischen Meerbusen zurück, das 1207/27 vom Schwertbrüderorden und Dänemark erobert wird und bis 1346 an den -> Deutschen Orden gelangt. 1315 entsteht unter dem Einfluss niederdeutscher Siedler das Waldemar-Erichsche Lehnrecht und das älteste livländische Ritterrecht. 1721 kommt das seit 1561/80 schwedische Land an -> Rußland und wird dort im 19. Jh. verstärkt russifiziert. 1864 wird das Liv-, Est- und Kurländische Privatrecht in einem von -> Bunge erarbeiteten Gesetzbuch (Provinzialrecht des Ostseegouvernements) niedergelegt, das dem Bürgerlichen Gesetzbuch Sachsens (1863) nahesteht und in E. bis 1945 gilt. Die am 24. 2. 1918 ausgerufene baltische Republik E. wird am 6. 8. 1940 der Sowjetunion eingegliedert, am 6. 9. 1991 aber von der Sowjetunion wieder als unabhängig anerkannt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Bunge, F. v., Einleitung in die liv-, est- und kurländische Rechtsgeschichte, 1849; Schmidt, O., Rechtsgeschichte Liv-, Est- und Curlands, 1894, Neudruck 1968; Kraus, H., Grundriß der Geschichte des estnischen Volkes, 1935; Wittram, R., Baltische Geschichte, 1954; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,545, 3,2,2076; Ludwig, K., Das Baltikum, 2. A. 1992; Stopinski, S., Das Baltikum im Patt der Mächte, Nordeuropäische Studien Bd. 11, 1997; Ludwig, K., Estland, 1999

estoppel (Verschweigung) ist im englischen Verfahrensrecht die Unzulässigkeit der Rechtsausübung (aus einem übergeordneten Grund). Die älteste Erscheinungsform der von frz. étouffer (vertuschen, niederschlagen) abgeleiteten Einrichtung zeigt sich in den Leges des englischen Königs Heinrich I. (um 1118), nach denen der Inhalt von Eintragungen in die Urkundenrolle (ne. record) des Königsgerichts nicht bestritten werden kann. Um die Mitte des 15. Jh.s ist dann anerkannt, dass Urteile zuständiger Gerichte in ihren rechtserheblichen Feststellungen von den Parteien und ihren Rechtsnachfolgern nicht angegriffen werden können (e. by record). Daneben erscheint seit dem Ende des 13. Jh.s der Satz, dass eine Erklärung, welche in einer unter Handsiegel abgegebenen Urkunde (ne. deed) enthalten ist, von demjenigen nicht bestritten werden kann, dessen Handschrift und Siegel die Urkunde trägt, sofern die Urkunde rechtlich wirksam ist (e. by deed). Seit dem 15. Jh. ist die vielleicht hieraus abgeleitete Regel bezeugt, dass eine Partei, die eine im Lande (mengl. pays) weithin bekannt gewordene Rechtshandlung vorgenommen hat, eine ihr notwendig als Voraussetzung dienende Tatsache (z. B. Mietvertrag für Mietzahlung) nicht bestreiten darf (e. by in pais, daraus entwickelt e. by conduct, e. by representation). In der Folge wird das Prinzip des e. erheblich verfeinert und wirkt über das englische Recht hinaus. E. wird nicht vom Richter von Amts wegen berücksichtigt, sondern nur auf Vortrag der Partei.

Lit.: Riezler, E., Venire contra factum proprium, 1912, 55; Holdsworth, W., History of English Law, 9 1926; Cohn, E., Die materielle Rechtskraft im englischen Recht, FS H. Nipperdey 1965, Bd. 1, 875

états généraux (franz.) Generalstände (1468)

Ethik (F.) Sittenlehre

Lit.: Lexikon der Ethik, hg. v. Höffe, O., 5. A. 1997; Hauskeller, M., Geschichte der Ethik, 1999

Ethnologie (F.) Völkerkunde

Lit.: Kohl, K., Ethnologie, 1993; Streck, B., Vom Wissen der Ethnologie, 1997; Panoff, M./Perrin, M., Taschenwörterbuch der Ethnologie, 3. A. 1999; Wörterbuch der Ethnologie, hg. v. Streck, B., 2. A. 2000; Kaschuba, W., Einführung in die europäische Ethnologie, 2. A. 2003

Etrusker

Lit.: Torelli, M., Die Etrusker, 1988; Heurgon, J., Die Etrusker, 1993; Cristofani, M., Die Etrusker, 1995; Aigner-Foresti, L., Die Integration der Etrusker, 1998; Briquel, E., La civilisation étrusque 1999

Etter ist der (geflochtene) Zaun, der im Mittelalter die dörfliche  Wohnsiedlung vom Umland trennt.

Lit.: Köbler, WAS; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957, 74

Etymologie ([F.] Wahrheitslehre) ist die seit dem 5. Jh. v. Chr. bei den Griechen erkennbare Lehre vom Ursprung eines Wortes, welche bei der Aufklärung der Entwicklungsgeschichte der sprachlichen Einheiten hilfreich ist.

Lit.: Klinck, R., Die lateinische Etymologie des Mittelalters, 1970; Köbler, G., Etymologisches Rechtswörterbuch, 1995

Eugenik (F.) Erbgesundheitslehre

Lit.: Roth, A./Schlatmann, B., Eugenik im Recht, in: Themen juristischer Zeitgeschichte (1) Schwerpunktthema: Recht und Nationalsozialismus, hg. v. Düwell, F. u. a., 1998, 152; Schneider, C., Die Verstaatlichung des Leibes, 2000

Eurich (um 440? - 484) ist ein westgotischer König (466) mit königlichem Vater (Theoderich I.), der große Gebiete erobert und dem der -> Codex Euricianus zugeschrieben wird. -> Goten

Lit.: Köbler, DRG 80; Stroheker, K., Eurich, 1937; El Codigo del Eurico, hg. v. Ors, A. d’, 1960

Europa ist (eine von Zeus in der Gestalt eines Stieres entführte Frau der griechischen Mythologie und namensgleich) die tief gegliederte westliche Halbinsel Asiens zwischen Atlantik und Ural (str., 10,5 Mill. qkm). In vielen Beziehungen entwickelt sich E. seit dem Altertum verhältnismäßig übereinstimmend. Insbesondere wird in zahlreichen Gebieten seit dem Mittelalter das römische Recht des Altertums wieder aufgegriffen (-> Rezeption). Zu einer festeren Ausbildung einheitlichen Rechts kommt es jedoch erst seit den Europäischen Gemeinschaften der zweiten Hälfte des 20. Jh.s (1951/2, Europäische Union 1993).

Lit:: Ritter, G., Europa und die deutsche Frage, 1948; Ritter, G., Die Neugestaltung Europas im 16. Jahrhundert, 1950; Foerster, R., Die Idee Europas 1300 – 1946, 1963; Koschaker, P., Europa und das römische Recht, 4. A. 1966; Bosl, K., Frühformen der Gesellschaft im mittelalterlichen Europa, 1964; Vanderlinden, J., Le concept de code en Europe occidentale, 1967; Ständische Vertretungen in Europa im  17. und 18. Jahrhundert, hg. v. Gerhard, D., 1969; Wagner, W., Europa zwischen Aufbruch und Restauration, 2. A. 1972; Luig, K., Zur Verbreitung des Naturrechts in Europa, TRG 40 (1972), 539; La formazione storica del diritto moderno in Europa, Bd. 1ff. 1977; Craig, G., Geschichte Europas im 19. und 20. Jahrhundert, Bd. 1f. 1978; Schoenberger, Der gelbe Stern, 1978; Diritto Comune e diritti locali nella storia dell’Europa, 1980; Bleckmann, A., Europarecht, 3. A. 1980; Geschichte der Verwaltungsrechtswissenschaft in Europa, hg. v. Heyen, E., 1982; Eichler, H., Verfassungsbewegungen in Amerika und Europa, 1985; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Ambrosius, G./Hubbard, W., Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Europas im 20. Jahrhundert, 1986; Lansky, R., Bibliographisches Handbuch der Rechts- und Verwaltungswissenschaften, Bd. 1 Allgemeines und Europa, 1987; Republiken und Republikanismus im Europa der frühen Neuzeit, hg. v. Königsberger, H., 1988; Willoweit, D., Aufgaben und Probleme einer europäischen Verfassungsgeschichtsschreibung, 1990; Towards the United States of Europe, ed. by Ransome, P., 1991; Schulze, R., Die europäische Rechts- und Verfassungsgeschichte, 1991; Propyläen Geschichte Europas, Bd. 1ff. 1992f.; Hattenhauer, H., Europäische Rechtsgeschichte, 2. A. 1994; Le Goff, J., Das alte Europa, 1994; Fontana, J., Europa im Spiegel, 1995; Brown, P., Die Entstehung des christlichen Europa, 1996; Europa im Blick der Historiker, hg. v. Hudemann, R., 1995; Craig, G., Geschichte Europas, 1995; Brandstetter, G., Chronologisches Lexikon der europäischen Integration, 1996; Bartett, R., Die Geburt Europas, 1996; Davies, N., Europe, 1996; Europäische Geschichte als historisches Problem, hg. v. Duchardt, H. u. a., 1997; Das europäische Geschichtsbuch, hg. v. Delouche, F., 1998; Siedler, Geschichte Europas, Bd. 1ff. 1998ff.; Mieck, I., Europäische Rechtsgeschichte der frühen Neuzeit, 1998; Möller, H., Europa zwischen den Weltkriegen, 1998; Neumann, T., Die europäischen Integrationsbestrebungen in der Zwischenkriegszeit, 1999; Die Entstehung des modernen Europa, hg. v. Mörke, O. u. a., 1998; Schneider, R., Europas Einigung und das Problem Deutschland, 1999; Salewski, M., Geschichte Europas, 2000; Schümer, D., Das Gesicht Europas, 2000; Demel, W., Europäische Geschichte des 18. Jahrhunderts, 2000; Prinz, F., Von Konstantin zu Karl dem Großen, 2000; Schmale, W., Geschichte Europas, 2000; Bade, K., Europa in Bewegung, 2000; Schulz, G., Europa und der Globus - Staaten und Imperien seit dem Altertum, 2001; Vom Mittelmeer zum Atlantik, hg. v. Feldbauer, P. u. a., 2001; Seibt, F., Die Begründung Europas, 2002; Borgolte, M., Europa entdeckt seine Vielfalt, 2002; Fisch, J., Europa zwischen Wachstum und Gleichheit 1850-1914; Bernecker, W., Europa zwischen den Weltkriegen 1914-1945, 2002; Seibt, F., Die Begründung Europas, 2002Caenegem, R. van, European law, 2002; Mitterauer, M., Warum Europa? 2003

Europäische Atomgemeinschaft ist die am 25. 3. 1957 zwecks gegenseitiger Kontrolle geschaffene Gemeinschaft europäischer Staaten (Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande, Belgien, Luxemburg usw.) in Angelegenheiten der Kernspaltung. -> Europäische Gemeinschaft

Lit.: Schweitzer, M./Hummer, W., Europarecht, 5. A. 1996; Blockmans, W., Geschichte der Macht in Europa, 1998

Europäische Freihandelsassoziation (EFTA) (oder Europäische Freihandelszone) ist ein am 4. 1. 1960 in Stockholm gegründeter Zusammenschluss mehrerer europäischer Staaten (Großbritannien, Irland, Dänemark [bis 1973], Portugal [bis 1985], Finnland, Schweden, Österreich [bis 1994], Schweiz, Island, Norwegen). Die Bedeutung der Europäischen Freihandelsassoziation ist infolge des Eintritts der wichtigsten Mitglieder in die -> Europäische(n) Gemeinschaft(en) bzw. Europäische Union gering.

Europäische Gemeinschaft ist die am 7. 2. 1992 (Vertrag von Maastricht) vereinbarte Gemeinschaft der Europäischen Atomgemeinschaft, der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Aus ihr entwickelt sich zum 1. 11. 1993 die -> Europäische Union.

Lit.: Köbler, DRG 246, 248; Geiger, R., EG-Vertrag, 2. A. 1995

Europäische Gemeinschaften sind die Europäische Atomgemeinschaft (25. 3. 1957), die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (18. 4. 1951) und die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (25. 3. 1957), welche zum 7. 2. 1992  zur -> Europäischen Gemeinschaft zusammengeschlossen werden.

Lit.: Schweitzer, M./Hummer, W., Europarecht, 5. A. 1996

Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl ist die am 18. 4. 1951 zwecks Kontrolle der deutschen Rüstungsindustrie zwischen der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande, Belgien und Luxemburg für die Montanindustrie vereinbarte und später um zusätzliche Mitglieder erweiterte internationale Gemeinschaft (Montanunion). Der am 23. Juli 2002 auslaufende Vertrag über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl wird nicht erneuert und der Kohle- und Stahlsektor dem Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft unterstellt.

Lit.: Schweitzer, M./Hummer, W., Europarecht, 5. A. 1996

Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten ist ein vom -> Europarat 1950 ausgearbeiteter, 1952 von der Bundesrepublik Deutschland als Gesetz angenommener völkerrechtlicher Vertrag, der in allen der Herrschaft der angeschlossenen Staaten unterstehenden Ländern die grundlegenden menschlichen Freiheiten sichern will. Dazu sind eine Europäische Kommission für Menschenrechte und ein Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte gebildet.

Lit.: Seidel, P., Der Rang der Europäischen Menschenrechtskonvention in den Mitgliedsstaaten, DVBll. 1975, 747; Frowein, J./Peukert, W., Europäische Menschenrechtskonventio, 2. A. 1997

Europäischer Gerichtshof in Luxemburg ist der gemeinsame Gerichtshof der -> Europäischen Union, der die einheitliche Anwendung, Auslegung und Fortbildung des Europäischen Unionsrechts sichern soll.

Lit.: Kenke, U., Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, 1989; Drewes, E., Entstehung und Entwicklung des Rechtsschutzes vor den Gerichten der Europäischen Gemeinschaften, 2000

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte ist das gemäß der -> Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte in Straßburg errichtete Gericht, das über die Einhaltung der in der Konvention gewährleisteten Menschenrechte wacht und von den Mitgliedsstaaten oder der Europäischen Kommission für Menschenrechte (, an welche sich Bürger wenden müssen,) mit einem Fall befasst werden kann. 1998 wird der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte als ständiger Gerichtshof neu geordnet.

Lit.: Polakiewicz, Die Verpflichtungen der Staaten aus den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, 1994

Europäischer Rat ist das aus den Ministerpräsidenten der Mitgliedsstaaten der -> Europäischen Union gebildete, die Richtlinien der Politik der Europäischen Union bestimmende Organ.

Europäischer Wirtschaftsraum (EWR) ist der in Verhandlungen zwischen der -> Europäischen Gemeinschaft und den Staaten der Europäischen Freihandelszone vereinbarte, 1994 mit Österreich, Schweden, Finnland (bis 31. 12. 1994), Norwegen und Island in Kraft getretene einheitliche europäische Wirtschaftsraum.

Lit.: Streit, A., Das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, NJW 1994, 555

Europäisches Gemeinschaftsrecht ist das besondere, zwischen Völkerrecht und staatlichem Recht angesiedelte Recht der Europäischen Gemeinschaft(en) bzw. der Europäischen Union. Es setzt sich zusammen aus dem zur Bildung der Europäischen Gemeinschaften geschaffenen Vertragsrecht (primäres E. G.) und dem von den Organen der Europäischen Gemeinschaften erlassenen Recht (sekundäres E. G.). Das Europäische Gemeinschaftsrecht gilt zum Teil unmittelbar in den einzelnen Mitgliedsstaaten und hat dann Vorrang vor dem Recht des einzelnen Staates. Nicht E. G. ist das nationale, auf Grund gemeinsamen Beschlusses der Mitgliedsstaaten geschaffene Recht.

Lit.: Nicolaysen, G., Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1979; Schweitzer, M./Hummer, W., Europarecht, 5. A. 1996

Europäisches Parlament (Versammlung) in Straßburg ist das gemeinsame parlamentarische Hauptorgan der -> Europäischen Gemeinschaften bzw. Europäischen Union.

Lit.: Thöne-Wille, Die Parlamente der EG, 1984

europäisches Recht ist das in -> Europa geltende Recht. Ein in ganz Europa einheitlich geltendes Recht gibt es bis zur Gegenwart nicht. Vielmehr gilt im Altertum selbst das römische Recht nur innerhalb des Römischen Weltreiches. Im Frühmittelalter stehen zahlreiche Rechte einzelner Völker, im Hochmittelalter und im Spätmittelalter viele territoriale Landrechte und Stadtrechte nebeneinander. Mit der Aufnahme des römischen Rechts in andere Rechte kommt es zwar ebenso zu einer gewissen Europäisierung wie mit der Anwendung des einheitlichen kirchlichen Rechts im christianisierten Europa, doch gelten beide gelehrten Rechte grundsätzlich nur subsidiär zu partikularen Rechten. Deren Geltungsgebiet erweitert sich mit der Bildung der europäischen Nationalstaaten. In sie finden zunehmend allgemeine Reformgedanken Eingang. Daneben wird e. R. erst im Rahmen der -> Europäischen Gemeinschaften bzw. der Europäischen Union in größerem Ausmaß (für große Gebiete Europas einheitlich) geschaffen. -> Europarecht, Europäisches Gemeinschaftsrecht

Lit.: Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Kropholler, J., Europäisches Zivilprozessrecht, 1985; Schwarze, J., Europäisches Verwaltungsrecht, Bd. 1 1988

Europäisches Währungssystem ist ein auf einer Entschließung des Rates der -> Europäischen Gemeinschaften beruhendes Währungssystem mit dem Ziel, bis zum Jahre 1999/2002 zu einer stabilen Währungszone in Europa zu gelangen (Währungseinheit Euro).

Lit.: Scharrer/Wessels, Das Europäische Währungssystem, 1983

Europäische Union ist die zum 1. 11. 1993 aus der Europäischen Gemeinschaft entwickelte Vereinigung der europäischen Staaten Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande, Belgien, Luxemburg, Großbritannien, Irland, Dänemark, Griechenland, Spanien und Portugal, zu denen zum 1. 1. 1995 Österreich, Schweden und Finnland gestoßen sind. Ihre (in der Form der Organleihe wirkenden [str.]) Organe sind Rat, Kommission, Versammlung und europäischer Gerichtshof. 1997 beschließt die E. U. Beitrittsverhandlungen mit Estland, Polen, Slowenien, Tschechischer Republik, Ungarn und Zypern aufzunehmen. Außerdem äußert Rußland seinen Wunsch nach Mitgliedschaft.

Lit.: Sachwörterbuch zur Europäischen Union, hg. v. Monar, J. u. a., 1993; Kommentar zur Europäischen Union, hg. v. Grabitz, E. u. a., 2. A. 1994; Brandstetter, G., Chronologisches Lexikon der europäischen Integration, 1996; Dedman, M., The origins and development, 1996; Pfeil, W., Historische Vorbilder und Entwicklung des Rechtsbegriffs der „Vier Grundfreiheiten“, 1998; Die Europäische Union als Prozess, hg. v Hrbek, R. u. a., 1998; Die Europäische Union als Akteur der Weltpolitik, hg. v. Schubert, K. u. a., 2000

Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung ist eine durch Verordnung des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25. 7. 1985 zur Verfügung gestellte Unternehmensform. Sie beruht auf dem in Frankreich am 23. 9. 1967 als neue Gesellschaftsform geschaffenen Groupement d’Intérệt Economique.

Lit.: Bott, R./Rosener, W., Das Groupement d´Intérệt Economique, NJW 1970, 364; Hatzig, C., Die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung, 1990

Europäische Wirtschaftsgemeinschaft ist die am 25. 3. 1957 zwischen Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande, Belgien und Luxemburg vereinbarte und später auf weitere Mitglieder ausgedehnte europäische Gemeinschaft in Wirtschaftsangelegenheiten. Sie ist eine der -> Europäischen Gemeinschaften.

Lit.: Kommentar zum EWG-Vertrag, hg. v. Grabitz, E., 1989; Thiemeyer, G., Vom „Pool Vert“ zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, 1999

Europarat in Straßburg ist ein am 5. 5. 1949 in London von 10 Staaten (Belgien, Dänemark, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Schweden, Vereinigtes Königreich von Großbritannien) errichteter völkerrechtlicher Zusammenschluss zunächst westeuropäischer, seit 1990 zunehmend auch osteuropäischer Länder (1999 41 Mitglieder, als erste Kaukasusrepublik wird Georgien am 27. 4. 1999 41. Mitgliedsland des Europarates) mit dem Ziel, eine engere allgemeine und wirtschaftliche Verbindung der Mitgliedsstaaten herzustellen. Die Organe sind das Ministerkomitee (der Außenminister), die Beratende Versammlung (von Vertretern der Parlamente der Mitgliedsstaaten) und das Ständige Sekretariat. Sie wirken hauptsächlich durch Empfehlungen und Konventionen. Auf den E. gehen die -> Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten und der -> Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zurück.

Lit.: Carstens, K., Das Recht des Europarates, 1956; Österreich im Europarat 1956-1986, hg. v. Hummer, W. u. a., 1988; Council of Europe, hg. v. Streinz, R., 2000

Europarecht ist das gesamte, eine europäische Organisation betreffende Recht. Dementsprechend wird zum E. im weiteren Sinn insbesondere das Recht des Nordatlantikpaktes (NATO), der Westeuropäischen Union (WEU), der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), des -> Europarates, der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) und das -> europäische Gemeinschaftsrecht gezählt. Im engeren Sinn ist E. nur das europäische Gemeinschaftsrecht (Unionsrecht).

Lit.: Bleckmann, A., Europarecht, 5. A. 1990; Streinz, R., Europarecht, 1994; Arndt, U., Europarecht, 1994; Schweitzer, M./Hummer, W., Europarecht, 5. A. 1996

Euthanasie ist die bereits dem griechisch-römischen Altertum bekannte Sterbehilfe durch Arzneimittel. Sie wird insbesondere im Dritten Reich planmäßig für gesellschaftspolitische Ziele verwendet.

Lit.: Nowak, K., Euthanasie und Sterilisierung im Dritten Reich, 2. A. 1980; Klee, „Euthanasie“ im NS-Staat, 1983; Schmuhl, H., Rassenhygiene, Nationalsozialismus, Euthanasie, 1987; Rainer, J., Zur Euthanasie, in: Ethik und Recht, 1993, 19; NS-„Euthanasie“ vor Gericht, hg. v. Loewy, H. u. a., 1996; Bieber, E., Der Euthanasiebefehl Hitlers, 1996

evangelisches Kirchenrecht ist das Recht der seit 1517 entstandenen protestantischen Kirchen. Es baut auf dem -> kanonischen Recht auf. Es unterscheidet sich aber von diesem durch zahlreiche eigenständige Entwicklungen.

Lit.: Hinschius, P., Das Kirchenrecht der Katholiken und Protestanten, Bd. 1ff. 1869ff., Neudruck 1959; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983

Eventualmaxime ist ein Verfahrensgrundsatz, wonach eine Partei eines Zivilprozesses zur Vermeidung des Ausschlusses ihres gesamten Vortrages diesen einschließlich aller (denkbaren) Möglichkeiten bis zu einem bestimmten Zeitpunkt in den Prozess einzubringen hat. Durch die Notwendigkeit des gleichzeitigen Vorbringens aller Klagetatsachen soll das Verfahren beschleunigt werden. Die E. gehört dem frühneuzeitlichen sächsischen Prozess an, wird aber vom französischen Prozess des beginnenden 19. Jh.s abgelehnt.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 155, 201; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Damrau, J., Die Entwicklung einzelner Prozessmaximen, 1975; Schulte, J., Die Entstehung der Eventualmaxime, 1980

Evers, Johann Gustav (1781-1830), Professor für Rechtsgeschichte in Dorpat, stellt unter dem Einfluss Hegels 1826 in dem Werk „Das älteste Recht der Russen“ die Entwicklung des Rechts in Rußland vom patriarchalischen Zustand der bürgerlichen Gesellschaft bis zum Territorialstaat der Neuzeit dar.

Lit.: Grothusen, K., Die Historische Rechtsschule Rußlands, 1961

Eviktion (-> Entwerung) ist die Wiedererlangung des Besitzes einer verkauften Sache durch den Berechtigten. Sie ist bereits im klassischen römischen Recht Voraussetzung dafür, dass der Käufer einer dem Verkäufer nicht gehörigen (beweglichen) Sache gegen den Verkäufer Schadensersatz wegen Nicht­er­füllung verlangen kann. Diese Gestaltung ist in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) aufgenommen.

Lit.: Kaser § 41 III 1; Söllner §§ 8, 9, 15; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 46; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 452

Evokationsrecht (lat. ius [N.] evocandi, zu lat. evocatio [F.] Amtsladung) ist im mittelalterlichen und neuzeitlichen deutschen Recht die Befugnis des Königs, jeden noch nicht entschiedenen Rechtsstreit vor sein Hofgericht zu ziehen. Seit dem 13. Jh. streben die Landesherren nach einem (lat.) privilegium (N.) de non evocando. Dieses wird 1356 den Kurfürsten allgemein erteilt. In der Folge verlagert sich die Gerichtsbarkeit auf die Länder, 1487 wird das E. des Königs beseitigt.

Lit.: Kaser § 87; Köbler, DRG 114; Eisenhardt, U., Die Rechtswirkung der in der Goldenen Bulle genannten privilegia de non evocando et appellando, ZRG GA  86 (1969), 97

ewa (F.) ist die althochdeutsche Bezeichnung für das (objektive) Recht. Die Etymologie des nur westgermanisch (ahd., mhd., as., afries., ae.) verbreiteten Wortes ist streitig (zu aind. éva, Lauf, Gang, Gewohnheit, zu lat. aevum, Ewigkeit, zu lat. aequum, Billigkeit, zu lat. ius?). Der Bezug zum religiösen Kult könnte unter dem Einfluss des Christentums entstanden sein (altiu ewa, lat. testamentum vetus). Im 13. Jh. engt e. seine Bedeutung auf (rechtmäßige) -> Ehe ein.

Lit.: Köbler, DRG 80; Köbler, WAS; Weisweiler, J., Bedeutungsgeschichte, Linguistik und Philologie, in: Stand und Aufgaben der Sprachwissenschaft, 1924, 419; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971; Seebold, E., Etymologie, 1981, 89; Schmidt-Wiegand, R., Recht und ewa, in: Althochdeutsch, hg. v. Bergmann, R. u. a., 1987, 937

Ewa Chamavorum ist das Volksrecht des fränkischen Teilstammes der an der Zuidersee siedelnden Chamaven (Ewa quae se ad Amorem habet). Es ist in zwei Handschriften überliefert und in 48 knappe Kapitel gegliedert. Vielleicht wird es 802/3 in Aachen durch einen Königsboten erfragt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 80; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953

Ewiger Landfriede ist der am 7. 8. 1495 in Worms von König Maximilian mit Rat der Reichstände erlassene, dauerhafte Geltung beanspruchende und bis 1806 geltende -> Landfriede. Er hebt das Fehderecht zugunsten der gerichtlichen Entscheidung jedes Rechtsstreits auf. Zugleich drängen damit die Stände den König in der Friedenswahrung zurück.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Angermeier, H., Königtum und Landfriede im deutschen Spätmittelalter, 1966; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 3. A. 1997, § 15 II 4

Ewigrente ist im spätmittelalterlichen deutschen Recht die auf Dauer vereinbarte -> Rente.

Lit.: Hübner

Ewigsatzung ist im spätmittelalterlichen deutschen Recht die auf Dauer gedachte -> Satzung eines -> Pfandes.

Lit.: Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981

exactio (lat. [F.]) Eintreiben (von Forderungen)

exceptio (lat. [F.] Ausnahme) ist die Einrede. Sie ist im römischen Recht ursprünglich die dem Beklagten günstige Ausnahme von den Bedingungen, unter denen er dem Klaganspruch (lat. [F.] -> actio) zufolge zu verurteilen wäre. Aus dieser verteidigenden Einrichtung des Verfahrensrechts, welche auf Antrag des Beklagten in die Klagformel eingefügt wird, entwickelt sich allmählich ein selbständiges Recht des Beklagten, das Begehren des Klägers zu verweigern. Mit der Aufnahme des römischen Rechts wird die e. aufgenommen.

Lit.: Kaser §§ 4, 80; Söllner § 9; Köbler, DRG 33f.; Köbler, LAW

exceptio (F.) doli (lat.) ist die Einrede der Arglist. Sie gilt im römischen Recht grundsätzlich nur bei Aufnahme in die Klagformel, bei den sog. -> bonae-fidei-iudicia aber auch ohne diese.

Lit.: Kaser §§ 4, 8, 9, 22, 26, 27, 33, 36, 37, 40, 53, 62, 65, 83; Söllner § 9; Köbler, DRG 42, 43, 45; Haferkamp, H., Die exceptio doli generalis in der Rechtsprechung des Reichsgerichts, in: Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 1

exceptio (F.) non adimpleti contractus (lat.) ist im römischen Recht (bei Kauf, Miete und Gesellschaft) die Einrede der Nichterfüllung.

Lit.: Kaser § 38

exceptio (F.) non numeratae pecuniae (lat.) ist im römischen Recht die Einrede des nichtgezahlten Entgeltes.

Lit.: Kaser §§ 40, 53; Litewski, W., Non numerata pecunia, SDHI 60 (1994)

exceptio (F.) rei venditae et traditae (lat.) ist im römischen Recht die dem Käufer seit Einführung des Formularverfahrens vom Prätor gegenüber dem herausverlangenden Verkäufer gewährte Einrede der verkauften und übergebenen Kaufsache.

Lit.: Kaser §§ 22, 27

Exegese (F.) ist die Auslegung eines Textes (z. B. Digestenexegese, Sachsenspiegelexegese, Bibelexegese). Sie ist notwendiger Bestandteil jeder wissenschaftlichen juristischen Tätigkeit. Als eigene Lehrveranstaltung tritt die E. im ausgehenden 20. Jh. zurück.

Lit.: Köbler, DRG 11; Lubac, H. de, Exégèse médievale, 1959ff.; Schlosser, H./Sturm, F./Weber, H., Die rechtsgeschichtliche Exegese, 2. A. 1993; Hattenhauer, H., Die deutschrechtliche Exegese, 1975; Waßmer, M./Wittemann, F., Die verfassungsgeschichtliche Exegese, 1999

Exekution (F.) -> Vollstreckung, -> Zwangsvollstreckung

Lit.: Mally, A., Der österreichische Kreis in der Exekutionsordnung des Römisch-deutschen Reiches, 1967

Exekutive ist die ausführende Gewalt. Sie wird als solche von den Vertretern der Lehre von der -> Gewaltentrennung (-> Locke 1680, -> Montesquieu 1748) von der Legislative (und der Judikative) getrennt.

Lit.: Köbler, DRG 190, 191

Exkommunikation ist im (katholischen) Kirchenrecht ursprünglich der strafweise Ausschluss eines Mitglieds aus der Gemeinschaft der Gläubigen. Seit der Wende zum 5. Jh. wird die E. auf den Entzug der mit der Mitgliedschaft verbundenen Rechte eingeschränkt. Die Dekretisten entwickeln im Hochmittelalter ein differenziertes Regelwerk für die E. Wegen der starken Ausweitung verliert die E., abgesehen vom klerikalen Bereich, später ihre Bedeutung.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 56; Morel, M., L’Excommunication, 1926; Hyland, F., Excommunicatio, 1928; Elsener, F., Die Exkommunikation als prozessuales Vollstreckungsmittel, FS E. Kern, 1968, 69; Weigand, R., Zur Exkommunikation bei den Glossatoren, ZRG KA 56 (1970), 396

ex nihilo nihil (lat.). Aus nichts wird nichts.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 67, Nr. 59 (Anaxagoras, um 500-428 v. Chr.)

extranei heredes (lat. [M.Pl.]) sind im römischen Recht die im Gegensatz zu den (lat. [M.Pl.]) -> sui heredes (Hauserben) stehenden Außenerben (Agnaten, Gentilen).

Lit.: Kaser §§ 66, 71

extraordinaria cognitio (lat. [F.]) ist im römischen Recht das seit Augustus (63 v. Chr. - 14 n. Chr.) das ältere zweigeteilte Verfahren vor Magistrat und ehrenamtlichem Richter ablösende einheitliche -> Kognitionsverfahren eines einzigen öffentlichen Amtsträgers.

Lit.: Kaser §§ 80, 87; Söllner §§ 14, 15, 16, 18

Extravagantes ist eine Bezeichnung für die 20 Dekretalen Papst Johannes’ XXII. (1314ff.) und die 70 Dekretalen der Päpste Bonifaz’ VIII. (1294-1303) bis Sixtus’ IV. (1471-1484), welche der Pariser Kirchenrechtler Jean Chappuis in seine Ausgabe des -> corpus iuris canonici (1499ff.) ohne amtlichen Auftrag aufnimmt.

Lit.: Bickell, J., Über die Entstehung und den heutigen Gebrauch der beiden Extravagantensammlungen, 1825; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972, 276

eyre (engl. [N.]) ist die von lat. (N.) iter (Reise, Weg) abgeleitete Bezeichnung für die Reise bzw. Sitzung der königlichen englischen Reiserichter zwischen 1086 bzw. 1166 und 1294.

Lit.: Harding, A., Rolls of the Shropshire Eyre of 1256, 1981

 

 

F

 

 

Faber -> Favre

Fabrik ist ein Gebäude, in dem industriemäßig aus Rohstoffen Erzeugnisse hergestellt werden. Die F. entwickelt sich seit dem 18. Jh. aus dem Verlagssystem. Kennzeichnend ist die Tätigkeit der Bediensteten außerhalb des eigenen Hauses. Im 19. Jh. wird die F. Gegenstand besonderer rechtlicher Regelungen.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 175; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 229; Pfeiffer, H. v., Die Manufakturen und Fabriken Deutschlands, Teil 1f. 1781; Anton, G., Geschichte der preußischen Fabrikgesetzgebung, 1891, Neudruck, 1953; Mises, L., Zur Geschichte der österreichischen Fabrikgesetzgebung, Z. f. Volkswirtschaft, Sozialpolitik und Verwaltung 14 (1905), 230; Dällenbach, H., Kantone, Bund und Fabrikgesetzgebung, Diss. jur. Bern 1961; Wadle, E., Fabrikzeichenschutz und Markenrecht, 1983; Bracher, H., Die Entwicklung der Fabrikhaftpflicht in der Schweiz, ZNR 8 (1986), 157;  Österreichische Fabriksprivilegien vom 16. bis ins 18. Jh., hg. v. Otruba, G., 1981, 84; Ruppert, W., Die Fabrik, 2. A. 1993

Fabrikengericht ist das im späten 18. Jh. in Preußen für einige Zeit aus der Polizeijurisdiktion entwickelte und danach im Rheinland geschaffene besondere Gericht für Rechtsstreitigkeiten in einer Fabrik zwischen Unternehmern und Arbeitnehmern.

Lit.: Willoweit, D., Die Entstehung der preußischen Fabrikengerichtsbarkeit, ZNR 4 (1982), 1; Schöttler, P., Die rheinischen Fabrikengerichte, ZNR 7 (1985), 160

facere (lat.) handeln

facultas (F.) alternativa (lat.) Ersetzungsbefugnis

Fahne ist das vielfach als Rechtssymbol verwendete Tuch. -> Fahnenflucht, -> Fahnenlehen, -> Reichsfahne

Fahnenflucht ist das eigenmächtige Verlassen des Heeres, das schon im Altertum gewichtige Folgen nach sich zieht. Das langobardische Volksrecht sieht die Tötung, das alemannische Volksrecht die Buße von 80 Schillingen vor. Auch später wird zumindest für schwere Fälle die Todesstrafe angedroht, während einfachere Fälle mit Gefängnis und Ehrenminderung bestraft werden. Die F. in der Unrechtsherrschaft kann gerechtfertigter Widerstand sein. Berechtigte Fahnenflucht in verbrecherischen Regimen.

Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961, 561; Sargmeister, M., Das Delikt der Fahnenflucht, Diss. jur. Erlangen 1908; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1ff. 1920ff., Neudruck 1964; Conrad, H., Geschichte der deutschen Wehrverfassung, 1939; Armeen und ihre Deserteure, hg. v. Bröckling, U. u. a., 1998

Fahnenlehen, Fahnlehn, ist das mit einer Fahne als Symbol (einer besonderen Herrschaftsgewalt?) verliehene -> Lehen. Nach verbreiteter hochmittelalterlicher Ansicht ist die königliche Belehnung mit einem F. Voraussetzung der Zugehörigkeit zum Fürstenstand. Das F. darf weder geteilt noch vom König länger als Jahr und Tag einbehalten werden.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Bruckauf, J., Vom Fahnlehn, 1906; Krieger, K., Die Lehnshoheit der deutschen Könige im Spätmittelalter, 1979, 36

Fähre ist das dem Übersetzen über einen Strom oder See dienende Fahrzeug. Seit dem Hochmittelalter wird das Recht zum Betrieb einer F. auf öffentlichem Gewässer als -> Regal verstanden. Von ihm leitet sich das einzelne Fährenrecht ab. In Deutschland gelten die früheren landesrechtlichen Vorschriften, sofern in den Landeswassergesetzen keine andere Regelung enthalten ist.

Lit.: Künßberg, E. v., Fährenrecht und Fährenfreiung, ZRG GA 45 (1925), 144; Riegler, B., Fährgerechtigkeiten, Diss. jur. Würzburg 1933

Fahrhabe -> Fahrnis

Fahrlässigkeit ist im Privatrecht die Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, im Strafrecht für die wenigen fahrlässig begehbaren Straftaten der Vorwurf, dass der Täter eine objektive Sorgfaltspflicht nicht erkannt oder die daraus folgende Sorgfaltsanforderung nicht erfüllt hat, obwohl er dazu nach seinen persönlichen Fähigkeiten und dem Maß seines individuellen Könnens imstande gewesen wäre. Im römischen Recht wird erst zu Beginn der klassischen Zeit an die an ein Handeln gebundene F. (lat. [F.] -> culpa) die zunächst auf den Vorsatz beschränkte Folge angeknüpft. Dies gilt allmählich auch für Verträge. Bei Justinian hat der Schuldner eine allgemeine Pflicht zur Sorgfalt (lat. [F.] -> diligentia), mit deren schuldhafter Verletzung er eine Nachlässigkeit (lat. [F.] -> neglegentia) begeht. Innerhalb der (lat. [F.]) culpa wird die grobe F. dem Vorsatz gleichgehalten. Im Frühmittelalter kennen die Quellen eine Reihe von Tätigkeit-Erfolgs-Beziehungen, bei denen kein Vorsatz angenommen wird (Ungefährwerk). Die Folgen sind allerdings durchaus unterschiedlich, wobei am Ende des Mittelalters eine Tendenz zur schwächeren Folge für den nicht gewollten Erfolg überwiegt. Ziemlich klar unterscheidet die Constitutio Criminalis Carolina (1532) vorsätzliche Tötung, fahrlässige Tötung und zufällige Tötung. Daran knüpft die weitere Entwicklung an, in der seit dem 19. Jh. eine Legaldefinition der strafrechtlichen F. vermieden wird.

Lit.: Kaser § 36; Söllner §§ 8, 15; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 158, 204; Bruck, F., Zur Lehre von der Fahrlässigkeit, 1885; Löffler, A., Die Schuldformen des Strafrechts, 1895; Exner, F., Das Wesen der Fahrlässigkeit, 1910, 12; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 90, Neudruck 1964; Nörr, D., Die Fahrlässigkeit im byzantinischen Vertragsrecht, 1960; Hoffmann, H., Die Abstufung der Fahrlässigkeit in der Rechtsgeschichte, 1968; Köbler, G., Mittlere Fahrlässigkeit und dogmatische Einordnung der Arbeitnehmerhaftung, AcP 1969, 404

Fahrnis ist die bewegliche (mobile) Sache. Auf die Beweglichkeit einer Sache stellt das römische Recht nur in wenigen Einzelheiten (z. B. Ersitzung, Besitzschutz, später besondere Form des Kaufs unbeweglicher Sachen) ab. Im mittelalterlichen deutschen Recht kann über F. schon früh frei verfügt werden, unterliegt F. in der Ehe vielfach anderen Regeln hinsichtlich der Nutzung, Verwaltung und Verfügung und gibt es an F. keine mehrfache und keine ideelle Gewere. Möglich sind Entliegenschaftung und Verliegenschaftung. In der Neuzeit verblassen die Unterschiede unter dem Einfluss des römischen Rechts, doch regelt beispielsweise noch das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) den Erwerb von Rechten an beweglichen Sachen (z. B. Einigung und Übergabe) anders als den Erwerb von Rechten an unbeweglichen Sachen (z. B. Auflassung und Eintragung).

Lit.: Kaser § 15 I; Hübner 182, 430; Kroeschell, DRG 2; Meyer, H., Entwerung und Eigentum, 1902; Hübner, H., Der Rechtsverlust im Mobiliarsachenrecht, 1955

Fahrnisgemeinschaft ist im Ehegüterrecht diejenige -> Errungenschaftsgemeinschaft, in welcher auch die voreheliche -> Fahrnis den Eheleuten gemeinschaftlich zusteht. Sie ist in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) aufgenommen. Seit 1. 7. 1958 kann die F. in Deutschland nicht mehr vereinbart werden.

Lit.: Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981, Kap. 18

faida -> Fehde

Lit.: Kroeschell, DRG 1

Fakultät ist die Fachabteilung der Universität. Im Mittelalter ist die Universität meist in die vier Fakultäten der Artisten, Theologen, Juristen und Mediziner gegliedert. Ihre Geschäfte leitet der Dekan. Seit dem 19. Jh. hat sich die Zahl der Fakultäten vermehrt. Seit 1970 sind in Deutschland die Fakultäten an vielen Orten in Fachbereiche umbenannt und teilweise aufgegliedert.

Lit.: Köbler, DRG 99, 143; Baltl/Kocher; Wretschko, A. v., Die Geschichte der juristischen Fakultät an der Universität Innsbruck, FS zum 27. Deutschen Juristentag 1904, 101; Wohlhaupter, E., Die Spruchtätigkeit der Kieler juristischen Fakultät, ZRG GA 58 (1938); Dickel, G., Die Heidelberger juristische Fakultät, 1961; Kisch, G., Die Anfänge der juristischen Fakultät der Universität Basel, 1962; Finke, K., Die Tübinger Juristenfakultät 1477-1534, 1972; Schikora, A., Die Spruchpraxis der juristischen Fakultät zu Helmstedt, 1972; Cobban, A., The medieval University, 1975; Festschrift der juristischen Fakultät Heidelberg, 1986; Artisten und Philosophen – Wissenschafts- und Wirkungsgeschichte einer Fakultät, hg. v. Schwinges, R., 1999

Fallrecht ist die auf richterlichen Entscheidungen beruhende Rechtsordnung. F. sind das klassische -> römische Recht und das -> englische Recht (case-law). Ansätze zu einem F. finden sich auch in Deutschland (mittelalterliche Schöffensprüche, Entscheidungen des Reichskammergerichts), können sich jedoch wegen der Aufnahme des römisch-justinianischen Gesetzesrechts und des Fehlens einer durchsetzungsfähigen Höchstgerichtsbarkeit nicht ausreichend entwickeln.

Lit.: Kaser § 2; Köbler, DRG 31; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953, 298ff., 468ff.; Case-Law in the Making, hg. v. Wijffels, A., 1997

falsa demonstratio non nocet (lat.). Eine falsche Bezeichnung schadet nicht.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 72, Nr. 14 (Gaius, um 120 - um 180, Digesten 35, 1, 17, pr.)

Falschaussage -> Meineid

Lit.: Vormbaum, T., Eid, Meineid und Falschaussage, 1990

Fälschung ist die zu betrügerischem Zweck vorgenommene Veränderung oder Nachbildung eines Gegenstandes (z. B. Münze, Bild). Einzelne Fälschungshandlungen erwähnt bereits das altrömische Zwölftafelgesetz (Falschaussage 8,23, Richterbestechung 9,3). Seit dem 1. Jh. v. Chr. bilden sich Fälschungsdelikte (lat. crimina [N.Pl.] falsi) als besondere Gruppe aus (Testament, Urkunde, Grenze, Münze, Maß, Gewicht usw.), neben die der Betrug (lat. [M.] stellionatus) tritt. Im Frühmittelalter verschmelzen die Tatbestände des römischen Rechts zu Deliktsfiguren, welche nur noch wenig Ähnlichkeiten mit ihren Vorbildern haben. Dagegen fasst das spätmittelalterliche gelehrte Recht die Fälschungsdelikte zu einem einheitlichen (lat. [N.]) crimen falsi zusammen, zu dem (lat. [M.]) -> stellionatus ein qualifizierter Sonderfall ist. Im 19. Jh. werden -> Betrug und Fälschung voneinander getrennt.

Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Binding, K., Lehrbuch des gemeinen deutschen Strafrechts, Teil 2, 2, 1901; Dahm, G., Das Strafrecht Italiens im ausgehenden Mittelalter, 1931; Fuhr, L., Zur Entstehung und rechtlichen Bedeutung der mittelalterlichen Formel ane argliste unde geverde, Diss. jur. Frankfurt am Main 1962; Hupe, E., Falsum, fraus und stellionatus, Diss. jur. Marburg 1968; Fälschungen im Mittelalter, hg. v. Fuhrmann, H., Bd. 1ff. 1987ff.; Fuld, W., Das Lexikon der Fälschungen, 1999; Topper, U., Fälschungen der Geschichte, 2001; Fortschritt durch Fälschungen? hg. v. Hartmann, W. u. a., 2002

falsum  (lat. [N.]) ist die im klassischen römischen Recht als Straftat erfasste -> Fälschung, für welche Sulla an der Wende vom 2. zum 1. Jh. eine eigene Untersuchungsbehörde einrichtet.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Kunkel, W., Untersuchungen zur Entwicklung des römischen Kriminalverfahrens, 1962

familia (lat. [F.]) ist im frühen Mittelalter nach antikem Vorbild vor allem der zu einer Grundherrschaft gehörige Personenverband.

Lit.: Kaser § 12; Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Baltl/Kocher; Weizsäcker, W., Die familia des Klosters St. Emmeram in Regensburg, Verhandl. d. histor. Vereins v. Oberpfalz und Regensburg 92 (1951), 1; Bosl, K., Die „familia“, Z. f. bay. LG. 38 (1975), 403; Kuchenbach, L., Bäuerliche Gesellschaft und Klosterherschaft im 9. Jahrhundert, 1978; Scherner, K., Ut proprian familiam nutriat, ZRG 111 (1994), 330; Paludan, H., Familia og Familie, 1995;

familiae emptor (lat. [M.]) Erbschaftskäufer

Familie ist der Kreis der durch Ehe, Verwandtschaft und Schwägerschaft verbundenen Menschen, insbesondere die Ehegatten und ihre Kinder. Im Altertum wird die F. als von der Natur des Menschen gegeben eingestuft. Vermutlich sind sich bereits die Indogermanen der F. bewusst. Vielleicht mit der Seßhaftwerdung bildet sich in Rom die auf dem Einzelhof lebende, aus Familienvater, Ehefrau und Kindern (sowie Gesinde) bestehende F. Dem dürfte auch die F. der Germanen entsprochen haben. Die durchschnittliche Zahl der Geburten einer Frau dürfte fünf nicht überschritten haben. Die F. steht meist unter der Personalgewalt des Hausvaters, die mit Emanzipation, Abschichtung oder Verheiratung endet. Mit der Christianisierung verbessert sich die Stellung der Frau in der F. Mit dem 19. Jh. lockern sich die familienrechtlichen Bindungen, so dass das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) die F. eher als Summe rechtlicher Einzelbeziehungen versteht. 1957 tritt in Deutschland an die Stelle der väterlichen Gewalt die gemeinschaftliche Leitung der F. durch Mann und Frau. 1979 wird die gemeinsame -> elterliche Gewalt durch die elterliche Sorge ersetzt.

Lit.: Kaser § 12; Söllner §§ 4, 5, 8, 12, 18; Hübner 615; Köbler, DRG 129, 209, 238, 252, 267; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 253; Bartsch, R., Die Rechtsstellung der Frau, 1903; Weber, M., Ehefrau und Mutter in der Rechtsentwicklung, 1907; Schulz, W., Die germanische Familie der Vorzeit, 1925; Kroeschell, K., Die Sippe im germanischen Recht, ZRG GA 77 (1960), 1; Möller, H., Die kleinbürgerliche Familie im 18. Jahrhundert, 1969; Vismara, G., Famiglia e successioni nella storia del diritto, 1970; Scheffler, E., Die Stellung der Frau in Familie und Gesellschaft im Wandel der Rechtsordnung seit 1918, 1970; Montanos, E., La familia en la Alta Edad Media española, 1980; Gaunt, D., Familjelivi i Norden, 1983; Haus und Familie in der spätmittelalterlichen Stadt, hg. v. Haverkamp, A., 1984; Bruguière, A. u. a., Histoire de la famille, 1986; Weibel, T., Erbrecht und Familie, 1988; Goody, J., Die Entwicklung von Ehe und Familie in Europa, 1990; Rosenbaum, H., Formen der Familie, 5. A. 1990; Haushalt und Familie, hg. v. Ehlert, T., 1991; Dixon, S., The Roman Family, 1992; Geschichte der Familie, hg. v. Burguiere, A. u. a., Bd. 1ff. 1996ff.; Historische Familienforschung, hg. v. Ehmer, J. u. a., 1997; Rothenbacher, F., Historische Haushalts- und Familienstatistik, 1997; The Roman Family, hg. v. Rawson, B. u. a., 1997; Gestrich, A., Geschichte der Familie im 19. und 20. Jahrhundert, 1998; Gestrich, A., Geschichte der Familie, 1999; Ehe und Familie, hg. v. Hecker, H., 1999; Die jüdische Familie, hg. v. Keil, M. u. a., 1999; Peters, U., Dynastiegeschichte und Verwandtschaftsbilder, 1999

Familienfideikommiss ist die auf rechtsgeschäftlicher Stiftung beruhende Bindung des Vermögens einer Familie im Mannesstamm. Solche Stiftungen des niederen Adels, welche dieselben Wirkungen wie die Hausgesetze der späteren Landesherren anstreben, sind in England seit dem 8. Jh., in Deutschland seit dem 11. Jh. bezeugt. Sie nehmen in der Neuzeit zu. Philipp Knipschild formuliert 1654 (De fideicommissis familiarum nobilium, Über die Fideikommisse der adligen Familien) die dafür aus dem römischrechtlichen (lat. [N.]) fideicommissum der justinianischen Novelle 159 und dem lehnrechtlichen Gedanken einer (lat.) successio (F.) ex pacto et providentia maiorum (Nachfolge aus Vertrag und Voraussicht der Vorfahren) entwickelte Theorie vorbildlich. Danach ist Eigentümer des durch schriftliche Willenserklärung errichteten Familienfideikommisses (evtl. Eintragung und staatliche Genehmigung notwendig) der oder gesamthänderisch die jeweiligen Inhaber. Veräußerungen und Belastungen sind nichtig. Meist folgt der älteste Sohn nach. Schon Montesquieu (1748) bekämpft den F. aus wirtschaftlichem Grund. 1804 wird der F. im Gebiet des französischen Rechts aufgehoben. In Preußen wird die 1850 verfügte Aufhebung später wieder beseitigt. Art. 155 II der Weimarer Reichsverfassung setzt die Auflösung fest, ein Reichsgesetz vom 6. 7. 1938 beschleunigt sie (erloschen zum 1. 1. 1939, vgl. das Bundesgesetz vom 28. 12. 1950/ 3. 8. 1967). Vielfach ist der F. in eine Stiftung überführt.

Lit.: Kaser § 77; Söllner § 17; Hübner 337; Köbler, DRG 123, 162, 210, 231; Meyer, H., Die Anfänge des Familienfideikommisses in Deutschland, FG R. Sohm 1914, 225; Seelmann/Klässel, Das Recht der Familienfideikommisse, 1920; Klässel/Köhler, Die Zwangsauflösung der Familienfideikommisse, Bd. 1 1932; Söllner, A., Zur Rechtsgeschichte des Familienfideikommisses, FS M. Kaser, 1976, 657; Bar, C. v./Striewe, P., Die Auflösung der Familienfideikommisse, ZNR 3 (1981), 184; Eckert, J., Der Kampf um die Familienfideikommisse, 1992; Eckert, J., Use, Trust, strict Settlement, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Bayer, B., Sukzession und Freiheit, 1999

Familiengericht ist die am 1. 7. 1977 geschaffene Gerichtsbarkeit in Familiensachen am -> Amtsgericht. Das F. entwickelt sich am Beginn des 20. Jh.s aus dem Jugendgericht in den Vereinigten Staaten. Nach 1920 wird es in Japan aufgenommen.

Lit.: Röhl, Das Familiengericht in Japan, NJW 1957, 12; Erdsiek, G., Der Family Court in USA, NJW 1961, 1066

Familiengesetzbuch ist das am 20. 12. 1965 zur Neuordnung des Familienrechts in der -> Deutschen Demokratischen Republik geschaffene Gesetzbuch (Egalisierung im Namensrecht, erleichterte Scheidung ohne Unterhaltsansprüche, Errungenschaftsgemeinschaft, Erziehung der Kinder zu Erbauern des Sozialismus).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Douma, E., Die Entwicklung des Familiengesetzbuches der DDR, ZRG GA 111 (1994), 592

Familienrecht ist die Gesamtheit der die -> Familie betreffenden Rechtssätze. Sachlich erfasst sind davon in erster Linie das Verhältnis von Mann und -> Frau in der Ehe, die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern sowie die -> Vormundschaft, -> Pflegschaft und -> Betreuung. Die Erfassung der gesellschaftlichen Gegebenheiten durch das Recht ist erst allmählich erfolgt. Einen bedeutsamen Anteil hieran hat die christliche Kirche mit ihrer sakramentalen Ehevorstellung. Als besonderes Rechtsgebiet erscheint das F. erst im späten 18. Jh. Seitdem wird es zunehmend geprägt von der Emanzipation der Frau. Tatsächlich bedeutsam wird seit etwa 1970 die medizinische Entdeckung der medikamentösen Empfängnisverhütung.

Lit.: Kaser §§ 12, 58; Schulze, H., Erb- und Familienrecht der deutschen Dynastien des Mittelalters, 1871; Boehmer, G., Die Teilreform des Familienrechts, 1962; Schulte-Beckhausen, O., Das Ehe- und Familienrecht im Sachsenspiegel, 1970; Hafström, G., Den svenska familjerättens historia, 1970; Bextermöller, C., Das Familienrecht in den Systemen der Pandektistik, 1970; Dörner, H., Industrialisierung und Familienrecht, 1974; Buchholz, S., Savignys Stellungnahme zum Ehe- und Familienrecht, Ius commune 8 (1979), 148; Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches, hg. v. Schubert, W., Familienrecht 3 Teile, 1983; Köbler, G., Das Familienrecht in der spätmittelalterlichen Stadt, in: Haus und Familie in der spätmittelalterlichen Stadt, hg. v. Haverkamp, A., 1984; Ramm, T., Das nationalsozialistische Familien- und Jugendrecht, 1984; Zur Geschichte des Ehe- und Familienrechts, hg. v. Mohnhaupt, H., 1987; Das Familien- und Erbrecht unter dem Nationalsozialismus, hg. v. Schubert, W., 1993; Vaupel, H., Die Familienrechtsreform, 1999; Frank, R., 100 Jahre BGB, Familienrecht zwischen Rechtspolitik, Verfassung und Dogmatik, AcP 200 (2000), 400

fara ist ein langobardisch-burgundisches Wort des 6./7. Jh.s für die Fahrtgenossenschaft.

Lit.: Köbler, WAS; Fasoli, G., I Langobardi in Italia, 1965, 50; Cavanna, A., Fara, 1967; Jarnut, J., Geschichte der Langobarden, 1982, 47

Faschismus ist eine politische Bewegung mit nationalistischer totalitärer Zielsetzung, die ihren historischen Ausgang von Benito Mussolini (Italien 23. 3. 1919 fasci di combattimento) genommen hat. Ihr verbunden fühlt sich rasch Adolf -> Hitler. Nach dem Zweiten Weltkrieg wird der F. weltweit geächtet.

Lit.: Baltl/Kocher; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 329; Nolte, E., Der Faschismus, 5. A. 1979; Turner, H., Faschismus und Kapitalismus in Deutschland, 1972; Wippermann, W., Faschismustheorien, 6. A. 1995; Payne, S., The History of Facism, 1995; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 3. A. 1997, § 40 I; Faschismus und Gesellschaft in Italien, hg. v. Petersen, J. u. a., 1998; Sternhell, Z. u. a., Die Entstehung der faschistischen Ideologie, 1999; Kühnl, R., Der deutsche Faschismus, 7. A. 2000; Nolte, E., Der Faschismus in seiner Epoche, 5. A. 2000; Reichardt, S., Faschistische Kampfbünde, 2002; Nietzsche, Godfather of Facism?, hg. v. Golomb, J. u. a., 2002

Faustpfand ist das dem Pfandgläubiger zu unmittelbarem Besitz übergebene -> Pfand, dessen Name sich von der unrichtigen Verbindung von (lat. [N.]) pignus, Pfand mit (lat. [M.]) pugnus, Faust ableitet. Im römischen Recht ist das Pfand teils Besitzpfand, teils besitzloses Pfand. Im deutschen Pfandrecht ist das Pfand zunächst F., doch entwickelt sich im Hochmittelalter an einigen für den Schuldner schwer entbehrlichen Sachen auch ein besitzloses Pfand. Trotz der Aufnahme des römischen Rechts bleibt das F. bestehen und wird in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) aufgenommen. Die Rechtswirklichkeit zieht die -> Sicherungsübereignung vor.

Lit.: Kaser § 31 III; Köbler, DRG 126, 164, 213; Hromadka, W., Die Entwicklung des Faustpfandprinzips, 1971; Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981, Kap. 39

Faustrecht ist eine Bezeichnung für den Zustand der menschlichen Gesellschaft, in dem sich jeder sein Recht mit eigener Faust (Selbsthilfe) zu erkämpfen versucht. Insofern ist ein rechtsfreier Urzustand ein Zustand des Faustrechts, dem als Gegensatz der moderne Rechtsstaat gegenübersteht, in welchem alle Verhältnisse rechtlich geordnet sind und alle einzelnen Interessen im Streit der Durchsetzung durch den gewaltmonopolistischen Staat bedürfen.

favor (M.) iuris (lat.) Rechtswohltat

favor (M.) libertatis (lat.) ist im spätrömischen Recht die im Zweifel im Rechtsstreit um die Freiheit gewährte Begünstigung der Freiheit.

Lit.: Kaser §§ 13, 15; Söllner § 12; Köbler, DRG 57

favor (M.) testamenti (lat.) ist im römischen Recht die bei mehreren Auslegungsmöglichkeiten im Zweifel gewährte Begünstigung des nur unentgeltliche Verfügungen enthaltenden Testamentes gegenüber Geschäften unter Lebenden.

Lit.: Kaser § 68 I; Köbler, DRG 60

Favre (Faber), Antoine (1557-1624) wird nach dem Rechtsstudium in Paris und Turin 1585 Mitglied und 1610 Präsident des Gerichtshofes von Savoyen, dessen Entscheidungen er in dem nach dem justinianischen Codex systematisierten Codex Fabrianus definitionum forensium (Faberschen Buch der gerichtlichen Erklärungen) 1609 veröffentlicht.

Lit.: Chevalier, L., Le président Favre, TRG 20 (1952), 263, 456

FDGB (Freier Deutscher Gewerkschaftsbund [in der Deutschen Demokratischen Republik])

Februarpatent ist in -> Österreich das dem -> Oktoberdiplom folgende Patent vom 26. 2. 1861, das als Verfassung des österreichischen Reichs einen Inbegriff von Grundgesetzen (Pragmatische Sanktion, Oktoberdiplom, die anerkannten Teile der ungarischen Verfassung, Grundgesetz über die Reichsvertretung, neue Landesordnungen für die cisleithanischen Länder) versteht und für den Reichsrat zwei Kammern (Herrenhaus, Abgeordnetenhaus) vorsieht und damit den -> Neoabsolutismus formal beendet. Das F. schafft ein zentrales System und bildet die erste Grundlage für den mit der 1867 begründeten Konstitutionalismus. -> Dezemberverfassung

Lit.: Köbler, DRG 194; Baltl/Kocher; Rottenbacher, B., Das Februarpatent in der Praxis, 2001

Fehde ist im mittelalterlichen deutschen Recht der Zustand der rechtmäßigen, Verletzungen fremder Menschen und Sachen erlaubenden Feindschaft zwischen dem Verletzten (und seiner Verwandtschaft) und dem Rechtsbrecher (und seiner Verwandtschaft). Die F. lässt die Selbsthilfe zu und zwar auch in der Form der Blutrache. Neben ihr steht wohl schon früh die Möglichkeit des Erfolgsausgleichs durch Meinungsbildung oder Entscheidung Dritter. Im Frühmittelalter beginnen König und Kirche die F. wegen ihrer unbefriedigenden, in der Nähe des Unrechts stehenden Folgen zurückzudrängen. Deswegen enthalten die Volksrechte umfangreiche Bußkataloge (-> Kompositionensystem). Im Hochmittelalter wird in den Landfriedensbestimmungen das Mittel der peinlichen -> Strafe gegen die F. eingesetzt. Die F. wird auf den Adel beschränkt. Der ewige Landfriede von 1495 verbietet die F. umfassend. Gleichzeitig wird das Reichskammergericht als Streitentscheidungsorgan verfügbar. Danach geht die F., wie sie beispielsweise auch der Berliner Kaufmann Hans Kohlhase von 1534 bis 1538 führt, tatsächlich allmählich zurück. -> Duell und -> Selbsthilfe bleiben Überreste auch in der Neuzeit.

Lit.: Köbler, LAW; Heusler, A., Das Strafrecht der Isländersagas, 1911; Beyerle, F., Das Entwicklungsproblem im germanischen Rechtsgang, 1915; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 263, Neudruck 1964; Genzmer, F., Rache, Wergeld und Klage, 1941; Asmus, H., Rechtsprobleme des mittelalterlichen Fehdewesens, 1951; Orth, E., Die Fehden der Reichsstadt Frankfurt am Main im Spätmittelalter, 1973; Terharn, C., Die Herforder Fehden, 1994; Müller-Tragin, C., Die Fehde des Hans Kohlhase, 1997; Vogel, T., Fehderecht und Fehdepraxis im Spätmittelalter, 1998; Dießelhorst, M./Duncker, A., Hans Kohlhase, 1999

Fehr, Hans (Sankt Gallen 9. 11. 1874 - Muri 21. 11. 1961) wird nach dem Rechtsstudium in Würzburg, Berlin, Bern (Eugen Huber) und Leipzig (Rudolf Sohm) Professor für deutsche Rechtsgeschichte in Jena (1907), Halle (1912), Heidelberg (1917) und Bern (1924-44). Seine Hauptwerke betreffen das Recht im Bilde (1923), das Recht in der Dichtung (1933) und die Dichtung im Recht (1937).

Lit.: Bader, K., Hans Fehr, ZRG GA 80 (1963), XV

Feiertag ist der kraft Rechts arbeitsfreie Arbeitstag. Die Arbeitsfreiheit des siebenten Wochentages und der Feste Weihnachten, Ostern und Pfingsten geht auf die jüdisch-christliche Tradition zurück. 1642 schränkt Papst Urban VIII. die zu groß gewordene Zahl der katholischen Feiertage auf 34 jährlich ein. Seit dem 19. Jh. wird die staatliche Gesetzgebung entscheidend. Im ausgehenden 20. Jh. verringern wirtschaftliche Überlegungen die Bedeutung des Feiertags.

Lit.: Plöchl, W., Geschichte des Kirchenrechts, Bd. 1ff. 1953ff.; Krämer, J., Industrialisierung und Feiertage, 1999

Felonie ist der Treuebruch (im mittelalterlichen Lehnswesen). Die F. des Lehnsmannes berechtigt den Lehnsherrn zur Einziehung des Lehens, doch wird diese Folge in der Neuzeit abgemildert. Bei F. des Lehnsherrn kann der Lehnsmann eine -> Fehde beginnen oder eine Klage erheben.

Lit.: Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972, 542, 679; Goebel, J., Felony and misdemeanor, 1937; Illmer, F., Treubruch, Verrat und Felonie, Diss. jur. Breslau 1937; Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafen von Katzenelnbogen, 1969; Bellamy, J., The Law of Treason, 1970; Ganshof, F., Was ist das Lehnswesen?, 6. A. 1983, 104; Krieger, K., Die Lehnshoheit der deutschen Könige im Spätmittelalter, 1979, 400

Feme (Bund?, Strafe?), Veme, ist im spätmittelalterlichen deutschen Recht eine auf die Verbesserung der Rechtspflege abzielende Bewegung innerhalb der Gerichtsbarkeit. Zu diesem Zweck entstehen seit dem 14. Jh. aus den westfälischen Freigerichten besondere Femegerichte, die mit einem Freigrafen und 7 Freischöffen besetzt sind. Die Angehörigen des Femegerichts sind in feierlicher Form in die Geheimnisse der F. eingeweiht. Jeder Freischöffe ist verpflichtet, todeswürdiges Unrecht zu rügen. Bei Bedarf können die Freischöffen überall ein Notgericht durchführen und nach Überführung den Täter sofort mit dem Strang richten. Missachtet ein Beschuldigter eine Ladung, so wird das Verfahren in Abwesenheit des Betroffenen durchgeführt. Ohne dass er das Urteil kennt, muss er jederzeit mit der Vollstreckung rechnen. Die allmählich mit teilweiser königlicher Unterstützung über das gesamte Reich (rund 15-30000 Freischöffen) verbreitete F. wird wegen der auftretenden Missbräuche seit der Mitte des 15. Jh.s zurückgedrängt. Sie endet im 18. Jh.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Lindner, T., Die Veme, 2. A. 1896, Neudruck 1989; Schnettler, O., Die Veme, 2. A. 1933; Scherer, C., Die westfälischen Femegerichte und die Eidgenossenschaft, 1941; Veit, L., Nürnberg und die Feme 1955; Harnisch, W., Anmerkungen zu neueren Ansichten über die Feme, ZRG GA 102 (1985), 247; Gimbel, R., Die Reichsstadt Frankfurt am Main, 1990; Fricke, E., Die westfälische Veme, 2002

Femegericht -> Feme

fenus (N.) nauticum (lat.) ist im klassischen römischen Recht das aus dem griechischen Recht kommende, ohne weiteres in unbeschränkter Höhe verzinsliche -> Darlehen im Seerecht. Gehen die auf dem Schiff verladenen Sachen unter, so wird der Darlehensnehmer frei.

Lit.: Kaser §§ 34 IV 2, 39 I 3; Mathiass, B., Das foenus nauticum und die geschichtliche Entstehung der Bodmerei, 1881

Fest ist die gemeinschaftliche Feier eines Ereignisses. Verschiedentlich werden auch rechtliche bedeutsame Ereignisse durch ein F. hervorgehoben (z. B. Friedensschluss, Heirat).

Lit.: Das Fest, hg. v. Schultz, U., 1988; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Fest und Festhistorik, hg. v. Kopperschmidt, J. u. a., 1999; Becker-Huberti, M., Lexikon der Bräuche und Feste, 2000

festuca ist ein seit dem Frühmittelalter (-> Lex Salica, -> Lex Ribvaria) als Rechtssymbol verwendeter Halm oder Stab. Eine f. wird etwa geworfen, wenn jemand einseitig eine Bindung aufsagt (Exfestukation). Eine f. wird überreicht, wenn ein Recht einverständlich übertragen werden soll. In der frühen Neuzeit verschwindet die f.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 23; Köbler, LAW; Michelsen, A., Über die festuca, 1856; Thévenin, M., Wadium et festuca, Nouvelle Revue historique du droit, 1880, 69; Amira, K. v., Der Stab in der germanischen Rechtssymbolik, 1909, 145; Hagemann, H., Fides facta und wadiatio, ZRG GA 83 (1966), 1

Festung ist der zum Zweck der Verteidigung durch Bauwerke besonders gesicherte Ort in der frühen Neuzeit. Die F. entsteht im 14./15. Jh. in Italien, als die schweren Geschütze die bisherigen Befestigungen von Burg und Stadt entwerten. Führend im Festungsbau wird danach Frankreich (Vauban 1633-1707). 1820 gibt es in Preußen noch 24 Festungen. Spätestens die Erfindung der Luftwaffe lässt die nur horizontal gesicherten Festungen wertlos werden.

Lit.: Menne, P., Die Festung des norddeutschen Raumes, 1942; Huber, R./Rieth, R., Festungen, 1979

Festungsbaustrafe ist die in der zwangsweisen Mitwirkung im Bau einer -> Festung bestehende Strafe der frühen Neuzeit.

Lit.: Kleinschrod, G., Über die Strafe der öffentlichen Arbeiten, 1789

Festungshaft ist die in einer -> Festung vollzogene Freiheitsstrafe der mittleren Neuzeit. Sie zieht keine Ehrenminderung nach sich.

Lit.: Wächter, C., Lehrbuch des römisch-deutschen Strafrechts, Bd. 1 1825

Feudalismus ist im Sinne eines idealtypischen Ordnungsbegriffes eine soziale, wirtschaftliche und politische Ordnung einer Gesellschaft, in der eine (adlige) Oberschicht mit Rechten an Land und anderen Gegenständen als Ausgleich für Kriegsdienste und andere Dienste ausgestattet wird. In Europa entsteht der F. spätestens im Frühmittelalter. Er bleibt bis in das 19. Jh. bestimmend. -> Lehen

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 174; Baltl/Kocher; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 337; Bloch, M., La société féodale, Bd. 1f. 1939f.; Brunner, O., Feudalismus, Abh. d. Akad. d. Wiss. Mainz, 1958, 10; Graus, F., Die Gewalt bei den Anfängen des Feudalismus, Jb. f. Wirtschaftsgeschichte 1 (1961), 61; Feudalismus, hg. v. Wunder, H., 1974;  Guerreau, A., Le féodalisme, 1980; Zum Problem des Feudalismus in Europa, 1981; Schulze, H., Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter, 1985; Strukturen der Grundherrschaft im frühen Mittelalter, hg. v. Rösener, W., 1989; Kroeschell, K., Lehnrecht und Verfassung, 1997; Bloch, M., Die Feudalgesellschaft, 1999; Die Gegenwart des Feudalismus, hg. v. Fryde, N. u. a., 2002

feudum (mlat. [N.]) Lehen, wahrscheinlich zu ahd. fihu (N.) Vieh

Lit.: Köbler, LAW; Prausnitz, O., Feuda extra curtem, 1929; Krawinkel, H., Feudum, 1938

Feuerbach, Paul Johann Anselm von (Hainichen 14. 11. 1775 - Frankfurt am Main 29. 3. 1833) wird nach dem Studium von Philosophie und Recht in Jena außerordentlicher Professor, 1801 ordentlicher Professor, 1802 in Kiel und 1804 in Landshut sowie nach Aufgabe seiner Lehrtätigkeit 1805 Verwaltungsbeamter in München, 1814 Appellationsvizegerichtspräsident in Bamberg und 1817 Appellationsge­richts­prä­sident in Ansbach. Auf Grund des 1801 erschienenen Lehrbuchs des gemeinen in Deutschland geltenden peinlichen Rechts wird ihm (1804) die Erarbeitung eines modernen -> Strafgesetzbuchs (1813) in -> Bayern übertragen. Wegen seiner von der Aufklärung geprägten Theorie des psychologischen Zwangs will er mit genauen Tatbeständen ([lat.] -> nullum crimen sine lege) jedermann von Verletzungen der Rechte anderer abschrecken (-> Generalprävention durch Furcht vor Strafe) und dadurch die wechselseitige Freiheit des Bürgers schützen. Im Verfahren setzt sich F. für Öffentlichkeit und Mündlichkeit ein. Daneben entwickelt er auch kriminalsoziologische Vorstellungen.

Lit.: Köbler, DRG 181, 204; Döring, Feuerbachs Straftheorie, 1907, Neudruck 1958; Radbruch, G., Paul Johann Anselm Feuerbach, 2. A. 1957; Blau, G., P. J. A. Feuerbach, 1948; Wolf, E., Große Rechtsdenker, 4. A. 1963, 543; Naucke, W., Kant und die psychologische Zwangstheorie Feuerbachs, 1962; Schubert, G., Feuerbachs Entwurf zu einem Strafgesetzbuch, 1978

Feuerschau ist die im Spätmittelalter in den Städten und danach auch in den Dörfern entwickelte regelmäßige amtliche Überprüfung aller Gebäude auf ihre Feuersicherheit.

Lit.: Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff., 2, 367ff.

Feuerstrafe ist das Verbrennen eines Täters. Die F. ist im Altertum bekannt. Sie ist im Frühmittelalter selten. Mit dem peinlichen Strafrecht wird sie für Brandstiftung, Ketzerei und Unzucht mit Tieren üblich. Bald werden insbesondere zahlreiche Hexen verbrannt. Die Aufklärung lässt die F. seit dem 18. Jh. verschwinden.

Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961, 639; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 502, Neudruck 1964

fiat iustitia et pereat mundus (lat.). Es muss Gerechtigkeit geübt werden und der Hochmut zu Fall kommen (bzw. es muss Gerechtigkeit geschehen, selbst wenn die Welt darüber zugrunde gehen sollte).

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 73, Nr. 23 (Anfang 16. Jh.)

Fichard, Johann (Frankfurt am Main 1512-1580) wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg, Freiburg (Zasius) und Basel Advokat am Reichkammergericht und dann Syndikus in Frankfurt am Main und nach dem Studium in Padua 1537 Anwalt und Berater in Frankfurt. Seine wichtigsten Leistungen sind neben den 1539 veröffentlichten (lat.) Vitae (F.Pl.) iurisconsultorum recentiorum (Lebensbeschreibungen neuerer Rechtsgelehrter) (stark romanisiert) die Gerichts- und Landesordnung der Grafschaften -> Solms (1571) und die revidierte Reformation der Stadt ->  Frankfurt am Main (1578).

Lit.: Köbler, DRG 143; Jung, R., Dr. Johann Fi­chard, 1889

Ficker, Julius (Paderborn 30. 4. 1826 - Innsbruck 10. 7. 1902) wird nach dem Studium von Geschichte und Recht in Münster, Berlin und Bonn 1852 (bis 1879) Professor für Geschichte und zeitweise Rechtsgeschichte in Innsbruck, wo er zahlreiche unterschiedliche Fragen an Hand vorwiegend urkundlicher Quellen und später auch vergleichender Zielsetzungen untersucht.

fideicommissum (lat. [N.]) ist im römischen Recht zunächst die formlose, nur sittlich verpflichtende Anordnung, welche der Erblasser dem in einem Testament eingesetzten Erben erteilt. Seit Augustus (63 v. Chr. - 14 n. Chr.) wird das aus solchen Briefen entstehende Kodizill zusammen mit dem darin enthaltenen f. zu einer Rechtseinrichtung.

Lit.: Kaser § 68 V

Fideikommiss -> fideicommissum, Familienfideikommiss

fideiussio (lat. [F.]) ist im römischen Recht eine in der späten Republik für jede Schuld zulässige Form der -> Bürgschaft.

Lit.: Kaser § 57 II 2

fidepromissio (lat. [F.]) ist im römischen Recht die Nachbildung der nur unter römischen Bürgern und neben einer Stipulation möglichen (lat. [F.]) sponsio (-> Bürgschaft) für Nichtbürger.

Lit.: Kaser § 57 II 2; Köbler, DRG 44, 63

fides (lat. [F.]) ist im römischen Recht die anfangs nur sittliche, dann aber auch rechtliche Verpflichtung, zu einem gegebenen Wort zu stehen. Bona f. ist die gute Treue, mala f. die schlechte Treue, durch welche sich beispielsweise redlicher Besitzer und unredlicher Besitzer voneinander unterscheiden. Auf die f. stützt das römische Recht vor allem die Fälle des -> bonae-fidei-iudicium (Klage aus den wichtigsten formfrei begründeten Schuldverhältnissen).

Lit.: Kaser §§ 3 III 3, 13 I 2, 63 I 3; Söllner § 9; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 27, 45; Köbler, LAW; Lombardi, L., Della fides alla bona fides, 1961; Honsell, H., Quod interest im bonae fidei iudicium, 1969; Nörr, D., Die fides im römischen Völkerrecht, 1991

fiducia (lat. [F.]) ist im klassischen römischen Recht die Sicherungsübereignung, bei welcher das Eigentum unter der Treuabrede (f.) verschafft wird, dass die Sache nach Erreichung des Sicherungszwecks zurückzuübereignen sei. Im spätantiken römischen Recht stirbt die f. ab.

Lit.: Kaser §§ 7 I 1, 24 II 2, 39 IV 2; Söllner § 9; Köbler, DRG 41, 62; Noordraven, B., Von der fiducia zur Treuhandschaft, Österreich. Notariatszeitung 1995, 256; Itinera fiduciae, hg. v. Helmholz, R. u. a., 1998

Fiktion ist ein Rechtssatz, der eine in Wahrheit nicht bestehende Tatsache als bestehend behandelt. Die F. ist bereits dem römischen Recht an einzelnen Stellen bekannt (z. B. bei vereitelter Bedingung).

Lit.: Kaser § 10 I 1; Söllner § 9

Fiktionstheorie ist im 19. Jh. die von Savigny vertretene Ansicht, dass die -> juristische Person nur eine -> Fiktion sei.

Lit.: Kroeschell, DRG 3

finale Handlungslehre ist die von Hans Welzel in der Mitte des 20. Jh.s entwickelte Lehre vom zweckgerichteten Handeln des Straftäters, nach welcher der -> Vorsatz als subjektiver Teil des Tatbestandes zu verstehen ist.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.

Finanzausgleich ist der finanzielle Ausgleich zwischen verschiedenen Personen, insbesondere zwischen Hoheitsträgern.

Lit.: Hidien, J., Der bundesstaatliche Finanzausgleich, 1998

Finanzgerichtsbarkeit ist der in Deutschland 1918 aus der Verwaltungsgerichtsbarkeit gelöste (RGBl 1918, 959 Reichsfinanzhof, 13. 12. 1919 Finanzgericht, 28. 8. 1939 außer Tätigkeit gesetzt) vor allem in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s hauptsächlich für Steuerstreitigkeiten eingerichtete Zweig der -> Gerichtsbarkeit.

Lit.: Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Kumpf, J., Die Finanzgerichtsbarkeit, in: Justizalltag im Dritten Reich, 1988, 81

Finanzverwaltung ist der die Einnahmen des Staates (und anderer öffentlichrechtlicher Körperschaften) betreffende Teil der Verwaltung. Die F. erfolgt in Rom durch Verpachtung der Staatseinkünfte an meistbietende private Unternehmer (Steuerpächter). Im Mittelalter gelangen trotz des besonderen Hofamtes des -> Kämmerers erst die Landesherren allmählich zu einer geordneten F. (z. B. Raitkammer König Maximilians in Tirol, im Reich 1495 Versuch des Gemeinen Pfennigs). Diese gewinnt mit dem Ausbau der gesamten Staatstätigkeit in der Neuzeit immer größere Bedeutung, wobei in Preußen seit 1713 ein genauer und regelmäßiger Haushaltsvoranschlag aufgestellt und 1714 zur Prüfung eine Oberrechnungskammer geschaffen wird. Im 19. Jh. wird das Finanzwesen weitgehend verrechtlicht. In Deutschland ist die F. in der Gegenwart in Finanzministerium, Oberfinanzdirektion und Finanzamt gegliedert.

Lit.: Mommsen, T., Römisches Staatsrecht, Bd. 1ff. 3. A. 1887, Neudruck 1963; Schmoller, G., Preußische Verfassungs-, Verwaltungs- und Finanzgeschichte, 1921; Bamberger, E., Die Finanzverwaltung in den deutschen Territorien des Mittelalters 1200-1500, Z. f. d. ges. Staatswiss. 77 (1923), 168; Handbuch der Finanzwissenschaft, hg. v. Gerloff, W. u. a., Bd. 1 2. A. 1952; Kummer, J., Der Einfluss des Parlaments auf das Finanzwesen, 1964; Engelhardt, H., Landstände und Finanzwesen in Bayern im 15. und 16. Jahrhundert, 1967; Wolfe, M., The Fiscal System of Renaissance France, 1972; Küchler, W., Die Finanzen der Krone Aragón, 1983; Die Kontrolle der Staatsfinanzen, 1989; Die Verwaltung und ihre Ressourcen, hg. v. Dilcher, G., 1991; Finanzen und Staatsräson in Italien und Deutschland, hg. v. Maddalena, A. de u. a., 1992; 75 Jahre Reichsfinanzhof - Bundesfinanzhof, 1993; Kanther, M., Finanzverwaltung zwischen Staat und Gesellschaft, 1993; Schremmer, E., Steuern und Staatsfinanzen, 1994; The Rise of the Fiscal State in Europe, Hg. v. Bonney, R., 1999

Finch, Heneage (1611-1682) wird nach dem Studium am Christ Church College 1638 Mitglied der Inn of Court Inner Temple in London und 1673 als Lord Chancellor Vorsitzender des -> Court of Chancery, wo er eine zusammenfassende Gestaltung der -> equity (des englischen Rechts) bewirkt.

Lit.: Holdsworth, W., A History of English Law, Bd. 1ff. 1903ff., 6, 539

Findebuch, Findbuch, ist ein archivalisches Hilfsmittel zum Auffinden von Daten.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Eberling, H., Findbuch zu den Reichskammergerichtsakten 1551-1806, 1985; Stein-Stegemann, H., Findbuch der Reichskammergerichtsakten im Archiv der Hansestadt Lübeck, 1987

Finnland ist ein nordosteuropäischer, hauptsächlich von schon im 4. oder 3. Jt. v. Chr. aus Asien kommenden Finnen besiedelter Staat. Im Hochmittelalter (1150-1323) wird das von Schweden aus christianisierte Gebiet zu einem Teil -> Schwedens erklärt. Im frühen 16. Jh. wird die Reformation eingeführt. 1809 muss Schweden zugunsten -> Rußlands auf F. verzichten, doch bleibt das von Schweden geprägte Recht bestehen. 1812 wird Helsinki statt des westlicheren Turku Hauptstadt. 1889/94 wird ein Strafgesetzbuch geschaffen. Am 15. 11. 1917 erklärt sich F. als selbständig. 1920 erkennt Rußland das am 21. 6. 1919 mit einer republikanischen Verfassung begabte F. an. Im Zweiten Weltkrieg verliert das bis 1944 auf Seiten des Deutschen Reiches kämpfende Land Gebiete an die Sowjetunion und steht lange unter sowjetischem Einfluss. 1961 verbindet es sich mit der Europäischen Freihandelszone. Zum 1. 1. 1995 tritt es der -> Europäischen Union bei.

Lit.: Jutikkala, E./Pirinen, K., Geschichte Finnlands, 1964; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,542,1027, 3,4,485; Klinge, M., A brief history of Finland, 1984; Vahtola, J., Keskiaika. Suomen historia pikkujättiläinen, 1987; Albrecht, W./Kantola, M., Finnland, 1992; Finlands Historica, hg. v. Edgren, T. u. a., Bd. 1ff. 1992ff.; Finnland und Deutschland, hg. v. Menger, M. u. a., 1996; Finnisch-deutsche Kulturbeziehungen, hg. v. Jäntti, A. u. a., 1998; Endemann, H., Das Regierungssystem Finnlands, 1999; Ettmayer, W., Finnland, 1999

Firma ist der -> Name des Kaufmanns, unter dem er im Handel seine Geschäfte betreibt, im weiteren Sinn auch das -> Unternehmen.

Lit.: Erlanger, H., Über Ursprung und Wesen der Firma, Diss. jur. Tübingen 1891; Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913; Lutz, E., Die rechtliche Struktur süddeutscher Handelsgesellschaften, 1976; Bokelmann, G., Das Recht der Firmen- und Geschäftsbezeichnungen, 4. A. 1997

Fischereirecht ist das Recht, in einem Binnengewässer Fische, Krebse und andere nutzbare Wassertiere, welche nicht Gegenstand des Jagdrechts sind, zu hegen und sich anzueignen. Die ursprünglich freie Fischerei wird schon im Frühmittelalter an kleinen Gewässern vom Anwohner als Eigentümer und an größeren Gewässern vom König als Regal beansprucht. Vom König geht das Regal seit dem Hochmittelalter auf den Landesherrn und damit später grundsätzlich auf den neuzeitlichen Staat als Eigentümer des Gewässers über. Der Inhaber des Fischereirechts kann das Fischereiausübungsrecht verpachten.

Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2; Münch, W., Das Fischereirecht des Bodensees im Mittelalter, Diss. jur. Graz 1943; Kisch, G., Das Fischereirecht im Deutschordensgebiet, 1932; Cahn, E./Kaufmann, E., Das Recht der Binnenfischerei, 1956; Jahnke, C., Das Silber des Meeres, 2000; Lampen, A., Fischerei und Fischhandel im Mittelalter, 2000; Schütt, E., Geschichte des Fischereirechts und der Fischerei im deutschen Ostseeraum, 2001; Sahrhage, D., Die Schätze Neptuns, 2002

fiscus (lat. [M.] Korb) (Caesaris) ist im römischen Recht die Bezeichnung für die Kasse (des Kaisers), in welche die Einnahmen der Kaiserprovinz aus Steuern, Zöllen, Gebühren und Domänen fließen. Kaiser Claudius (41-54) fasst die verschiedenen fisci zu einem einzigen f. zusammen. Zumindest später herrscht die Vorstellung, dass der f. gleichsam Eigentum des Kaisers ist. Am Beginn des 4. Jh.s geht die Staatskasse im f. auf. Dieser wird eine Art die Vermögensrechte des Staates im Privatrechtsverkehr wahrnehmender, vielfach privilegierter -> juristischer Person.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 29 II B; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 36, 40, 57; Köbler, LAW; Alpers, M., Das nachrepublikanische Finanzsystem, 1995

Fiskal ist im neuzeitlichen Verwaltungsrecht der Interessenvertreter des Staates. -> Fiskalat

Fiskalat ist die spätmittelalterlich-neuzeitliche, vielleicht an den römischen (lat.) advocatus (M.) fisci angelehnte Behörde, die von Amts wegen die Rechte des Herrschers wahrnimmt. Das F. entwickelt sich um 1225 unter Kaiser Friedrich II. in Sizilien und gelangt von dort noch im 13. Jh. nach Frankreich (ministère public) und Spanien sowie im frühen 15. Jh. in das Heilige Römische Reich (1421 Dr. Bartholus aus Pisa). Unabhängig hiervon wird im 19. Jh. die Staatsanwaltschaft aus Frankreich übernommen.

Lit.: Schmidt, E., Fiskalat und Strafprozess, 1921; Knolle, U., Studien zum Ursprung und zur Geschichte des Reichsfiskalats, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1964

Fiskus ist der Träger öffentlicher Verwaltung, soweit er in privatrechtlichen Formen tätig wird. Der F. geht auf den römischen -> fiscus zurück. Das lateinische Wort fiscus bezeichnet im Frühmittelalter (vereinzelt das herzogliche und) meist das königliche Vermögen. Bis zum 13. Jh. werden Hausgut und Reichsgut und damit Person des Königs und F. getrennt. In den Ländern entsteht ein F. des Landes. Dort wird als F. zunächst die landesherrliche Kasse als solche verstanden, danach das Finanzvermögen des Staates. Der F. wird zum Träger der staatlichen Vermögensrechte. Bis zum frühen 19. Jh. wird der Staat in die juristische Person des öffentlichen Rechtes „Staat“ und die juristische Person des privaten Rechtes „Fiskus“ aufgeteilt. Seit der Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit im späteren 19. Jh. wird der Staat als einheitliche juristische Person des öffentlichen Rechtes verstanden, die Bereiche, in denen diese Person sich aber privatrechtlicher Formen bedient, weiterhin als F. bezeichnet.

Lit.: Rüfner, W., Verwaltungsrechtsschutz in Preußen, 1962; Machleidt, M., Stellung und Funktion des Fiskus im deutschrechtlichen Bereich, Diss. jur. Hamburg 1965; Schaller-Fischer, M., Pfalz und Fiskus Frankfurt, 1969; Römermann, Der Rechtsschutz bei streitigen Polizei-, Kameral- und Fiskalsachen in Kurköln, Diss. jur. Bonn 1969; Metz, W., Zur Erforschung des karolingischen Reichsgutes, 1971; Fiskus, Kirche und Staat, hg. v. Kellenbenz, H. u. a., 1994

Flächenstaat ist der durch sein ausgedehntes Gebiet gekennzeichnete und vom Stadtstaat wie dem Personenverbandsstaat zu unterscheidende, seit dem Mittelalter entstehende -> Staat.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 111

Flandern ist das im frühen 8. Jh. erstmals unter diesem Namen bezeugte Flachland an der Schelde. 843 kommt es zum westfränkischen Reichsteil, 1384/5 an das Herzogtum Burgund, 1477 mit Burgund an Habsburg und 1556 an die spanische Linie Habsburgs. Verkleinert gelangt F. 1714 an -> Österreich, 1794 an Frankreich, 1814 an die -> Niederlande und 1830 überwiegend an -> Belgien. Dementsprechend ist sein Recht anfangs fränkisch und später französisch geprägt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Sproemberg, H., Die Entstehung der Grafschaft Flandern, 1935, Neudruck 1965; Roosbroeck, R. van, Geschichte Flanderns, 1968; Nicolas, D., Medieval Flanders, 1992

Flavius, Gnaeus, ist der Schreiber des römischen Zensors Appius Claudius Caecus, der 304 v. Chr. die zuvor nur den Priestern (lat. [M.Pl.] pontifices) vertrauten Prozessformeln (Legisaktionen) veröffentlicht (sog. ius [N.] civile Flavianum, flavisches römisches Recht der Bürger).

Lit.: Söllner § 9; Köbler, DRG 29; Wolf, J., Die literarische Überlieferung der Publikation der Fasten und Legisaktionen durch Gnaeus Flavius, Nachr. d. Akad. d. Wiss. Göttingen 1980, Nr. 2

Flensburg ist eine schleswig-holsteinische Stadt, welche 1436 ihr -> Grundbuch nach dem Realfoliensystem gestaltet.

Lit.: Aubert, L., Beiträge zur Geschichte der deutschen Grundbücher, ZRG GA 14 (1893), 1, 49

Fleta ist ein in lateinischer Sprache verfasstes, bald nach 1290 vollendetes, in einer mittelalterlichen Handschrift überliefertes englisches Rechtsbuch eines unbekannten Verfassers, welches den (lat.) Tractatus (M.) de legibus (Abhandlung von Gesetzen) -> Bractons kommentierend fortführt.

Lit.: Plucknett, T., A Concise History of the Common Law, 5. A. 1956, 265

Florentina (Codex Florentinus) ist die in zwei Bände (1-29, 30-50) getrennte, im 6. oder frühen 7. Jh. vermutlich in Konstantinopel/Byzanz spätestens im 9. oder 10. Jh. in Italien liegende, zweispaltig geschriebene am Ende des 11. Jh.s in Süditalien wiederentdeckte, wahrscheinlich (um 1060 oder) 1155 von Amalfi nach Pisa (littera Pisana) und 1406 von Pisa nach Florenz gebrachte, 1553 erstmals gedruckte Handschrift der -> Digesten Justinians mit insgesamt 907 zweispaltig beschriebenen Blättern.

Lit.: Söllner § 22; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997

Florenz am Arno wird vermutlich im 2. Jh. v. Chr. von den Römern auf älteren Grundlagen als Florentina neu gegründet. 1138 weist F. eigene (lat. [M.Pl.]) consules auf und wird mit bedeutender Tuchherstellung im 13. und 14. Jh. führende Macht im mittleren Italien (Währung Florentiner bzw. Gulden). 1348 erlangt es erstmals eine Universität (1472 Pisa). 1737 fällt das von der Familie Medici gehaltene Herzogtum F. (1531) an Österreich, 1859 an Italien (1865-71 Hauptstadt).

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Grote, A., Florenz, 2. A. 1968; Hale, J., Die Medici und Florenz, 1979; Panella, A., Storia di Firenze, 1984; Brucker, G., Florenz in der Renaissance, 1990; Turner, A., Renaissance in Florenz, 1997; Zumhagen, O., Religiöse Konflikte und kommunale Entwicklung, 2001

Flüchtling ist der Mensch, der aus seiner jeweiligen Umgebung flieht. Er ist grundsätzlich Feind, kann aber als Gast aufgenommen werden. Im 20. Jh. entwickeln sich allgemeine Regeln über die rechtliche Behandlung der immer größer werdenden Zahl von Flüchtlingen.

Lit.: Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte, hg. v. Bundesministerium für Vertriebene usw., Bd. 1ff. 1958

Flurbereinigung ist die Zusammenlegung und Umgestaltung landwirtschaftlich genutzter Grundstücke in einem öffentlichrechtlichen Verfahren zum Zweck ertragreicherer Bewirtschaftung. Sie entwickelt sich in England und danach in Deutschland (19. Jh., Baden 1856, Hessen 1857, Bayern 1861) als Folge der Auflösung des Gemeinlandes (-> Allmende). Am 16. 6. 1937 wird sie in Deutschland durch eine Reichsumlegungsordnung und am 14. 7. 1953 durch ein Flurbereinigungsgesetz geordnet. Ihre Ergebnisse sind wegen der sich am Ende des 20. Jh.s rasch ändernden Betriebsstruktur der Landwirtschaft von bescheidener Bedeutung.

Lit.: Köbler, DRG 175, 250; Abel, W., Geschichte der deutschen Landwirtschaft, 1962; Berkenbusch, F., Die Rechtsgeschichte der Flurbereinigung, Diss. jur. Göttingen 1972; Tayama, T., Die Entwicklungsgeschichte der Landeskultur, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 524; Vergleichende Studien über die japanische und mitteleuropäische Flurbereinigung, hg. v. Tayama, T., 1998; Quellen zur Entstehungsgeschichte des Flurbereinigungsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland von 1959, hg. v. Weiß, E., 2000

Flurzwang ist die durch Zwang erreichte einheitliche Bewirtschaftung der Flur. Der F. dürfte mit der mittelalterlichen -> Dreifelderwirtschaft entstanden sein. Er verschwindet mit der Bauernbefreiung des 19. Jh.s.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 96; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957, 42

Föderalismus ist eine auf dem Bündnisgedanken (lat. [N.] foedus, Bund) beruhende gesellschaftliche Strömung, die sich besonders in der Gestaltung eines Staates auswirkt (Bundesstaat im Gegensatz zum Einheitsstaat). Als älteste geschichtliche Form des F. gilt der Stammesföderalismus (z. B. der 12 Stämme Israels). Eine völkerrechtliche Form des F. ist der Staatenbund, der verschiedentlich einem Bundesstaat vorausgeht.

Lit.: Baltl/Kocher; Hintze, H., Staatseinheit und Föderalismus im alten Frankreich, 1928, Neudruck 1989; Der österreichische Föderalismus, 1969; Rauch, H., Föderalismus und Parlamentarismus im Wilhelminischen Reich, 1972; Föderalismus, hg. v. Kisch, G., 1977; Héraud, G., Prinzipien des Föderalismus und die Europäische Föderation, 1979; Föderalismus in Deutschland, 1992; Föderalismus, hg. v. Kinsky, F., 1995; Konsens und Konsoziation, hg. v. Duso, G., 1997; Föderative nation, hg. v. Langewiesche, G. u. a., 2000

fodrum (lat. [N.]) ist eine frühmittelalterliche Abgabe (792) (für Futter) an den Grafen bzw. König. In norditalienischen Städten entwickelt sich das f. im 12. und 13. Jh. zum Namen der direkten -> Steuer.

Lit.: Köbler, LAW; Post, B., Über das Fodrum, Diss. phil. Straßburg 1880; Brühl, C., Fodrum, gistum, servitium regis, 1968

foederati (lat. [M.Pl.]) sind im spätrömischen Recht die besoldeten Verbündeten (z. B. Goten).

Lit.: Köbler, DRG 67; Horn, H., Foederati, 1930

foenus (N.) nauticum (lat.) Seedarlehen -> fenus (N.) nauticum

folkland (ae. [858]) Allod?, verliehenes Königsland?

Folter ist die Zufügung oder Ausnutzung vermeidbarer, nicht ganz unerheblicher Schmerzen oder Leiden, die von einem Staat oder einem entsprechenden Machtorgan selbst bzw. mit dessen Bewilligung oder Duldung eingesetzt wird, um den Gefolterten oder einen Dritten zu einer Aussage zu zwingen oder einzuschüchtern. Sie wird bereits seit Kaiser Tiberius (14-42 n. Chr.) gegenüber Freien angewendet, um ein Geständnis zu erreichen. Vielleicht wird sie im Frühmittelalter gegenüber Unfreien gebraucht. Im Hochmittelalter (Verona 1228, Recht der Wiener Neustadt [1221/30 str.], kirchliche Inquisition 1215/31/52) darf der verdächtigte Beschuldigte der F. (zu spätlat. [5. Jh.] poledrus [M.] „Fohlen“) auf einem Holzbock bzw. durch Gefängnis, Schläge, Hunger, Kälte, Daumenschrauben, Strecken, Feuer u. a. ausgesetzt werden (str. ob Rezeptionsvorgang). Im 15. Jh. wird die F. auch ohne besondere Verdachtsgründe angewandt. Dagegen setzt die -> Constitutio Criminalis Carolina (1532) besondere Indizien voraus. Die Aufklärung wendet sich erfolgreich gegen die F. (Juan Luis Vives 1522, Michel de Montaigne, Pierre Bayle, Schweden 1734, Preußen 1740, Österreich 1776, Schweiz 1798, Bayern 1806, Baden 1831). In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s kämpft insbesondere die private Organisation Amnesty International gegen die nach wie vor (versteckt) gebrauchte F.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 34, 118, 156; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Quanter, R., Die Folter in der deutschen Rechtspflege, 1900, Neudruck 1970; Fehr, H., Gottesurteil und Folter, FS R. Stammler, 1926; Helbing-Bauer, Die Tortur, 1926; Morschel, M., Der Kampf um die Abschaffung der Folter, Diss. jur. Gießen 1926; Schünke, W., Die Folter im deutschen Strafverfahren, Diss. jur. Münster 1952; Thomasius, C., Über die Folter (1705), hg. v. Lieberwirth, R., 1967; Langbein, J., Torture and the Law of Proof, 1977; Ruthven, M., Torture, 1978; Schmoeckel, M., Humanität und Staatsraison, 2000; Das Quälen des Körpers, hg. v. Burschel, P. u. a. 2000

Forderung ist das Recht des Gläubigers gegen den Schuldner auf eine Leistung. Die ältesten Forderungen entstehen vermutlich bei den Unrechtserfolgen. Später tritt die rechtsgeschäftliche F. hinzu. Streitig ist, ob die F. bereits von Anfang an durch ein Einstehenmüssen (-> Haftung) des Schuldners gesichert ist. Die F. erlischt grundsätzlich mit der Erfüllung.

Lit.: Kaser § 32; Hübner; Strohal, E., Schuldpflicht und Haftung, 1914; Fecht, W. v. d., Die Forderungspfändung im römischen Recht, 1999

Forensium institutionum summa (lat. [F.] Gesamtheit der gerichtlichen Einrichtungen) ist ein von König Alfons VIII. (1158-1214) veranlaßtes höfisches Werk über den -> Fuero viejo de Castilla.

Form ist die sinnlich wahrnehmbare Gestalt eines Gegenstandes oder einer Vorstellung. Nach einem geflügelten Wort ist die F. die älteste Norm. Es ist aber fraglich, ob strenge Anforderungen an eine F. in die Anfänge einer Rechtseinrichtung oder erst in eine fortgeschrittenere Entwicklungsstufe gehören. Die Schriftform ist jedenfalls noch im ausgehenden 20. Jh. im Vordringen.

Lit.: Kaser § 6ff.; Hübner; Köbler, DRG 42, 126; Henssler, O., Formen des Asylrechts, 1954; Ritzer, K., Formen, Riten und religiöses Brauchtum der Eheschließung, 1961; Ebel, W., Recht und Form, 1975; Eckhardt, U., Untersuchungen zu Form und Funktion der Treueleistung, 1976

Formalismus ist das Betonen einer Form. Nach überwiegender, aber nicht wirklich belegter Ansicht ist das ältere Recht durch F. gekennzeichnet (z. B. lat. mancipatio [F.] im römischen Recht) und setzt sich die -> Formfreiheit erst allmählich durch. Im Gegensatz hierzu hält aber auch das Recht der Gegenwart in vielen Fällen an einer vorgeschriebenen Form fest. Ein Kennzeichen des modernen Totalitarismus ist es, unerwünschte Form als bloßen F. abzustufen.

Lit.: Kaser §§ 6, 7, 8, 68; Söllner §§ 9, 11; Kroeschell, DRG 1; Zallinger, O. v., Wesen und Ursprung des Formalismus, 1898; Kaufmann, E., Formalismus, HRG Bd. 1 1968, 1166; Dickhuth-Harrach, H. v., Gerechtigkeit statt Formalismus, 1986

Formalvertrag ist der in seiner Entstehung von der Einhaltung einer vorgesehenen -> Form abhängige Vertrag. Nach herkömmlicher Lehre ist im germanistischen Bereich der älteste Vertrag der F. (str.). Hier sind Eid, Wortformel und Gebärde die Vertragsform. Im Mittelalter sollen sich die Formen vereinfacht haben. Allmählich soll die Tendenz zur formlosen Beredung durchgedrungen sein.

Lit.: Köbler, DRG 74, 91, 126, 164; Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981 Kap. 45; Sohm, R., Das Recht der Eheschließung, 1875

Formel ist eine förmlich festgelegte häufig wiederkehrende Aussage. Im altrömischen Recht beispielsweise bringen die Beteiligten eines Verfahrens vor dem Magistrat in einem ersten Verfahrensabschnitt regelmäßig in der jeweils erforderlichen Verfahrensform (lat. [F.] -> legisactio), zu der genau vorgeschriebene Spruchformeln gehören, ihr Vorhaben vor. Das spätere Formularverfahren kennt statt der wenigen Legisaktionen viele, auf das jeweilige Rechtsverhältnis bezogene Klageformeln. Die Verbalkontrakte des klassischen römischen Rechts erfordern für die Entstehung der Obligation bestimmte Worte. Außerdem entwickeln sich etwa für Eide, Gelöbnisse, Einsetzungen usw. häufig gewisse Formeln. Umfangreichere (lat. [F.] -> formulae) werden in -> Formelsammlungen gesammelt.

Lit.: Köbler, DRG 5, 33, 81, 116; Dilcher, G., Paarformeln in der Rechtssprache des frühen Mittelalters, 1961; Selb, W., Formeln mit unbestimmter intentio, 1974; Wiegand, W., Zur Herkunft und Ausbreitung der Formel „Habere fundatam intentionem“, FS H. Krause, 1976, 126

formelles Recht ist das das Verfahren betreffende Recht im Gegensatz zum materiellen Recht.

Lit.: Kollmann, Begriffs- und Problemgeschichte, 1996

Formelsammlung ist die bereits im Altertum bekannte, besonders für das quellenarme Frühmittelalter bedeutsame Sammlung von allgemeinen Formularen für Urkunden, wie sie auch in der Gegenwart kautelarjuristisch gepflegt wird. Die bekanntesten frühmittelalterlichen Formelsammlungen sind die westgotischen (lat. [F.Pl.]) formulae (Cordoba 616-20), die formulae Andecavenses  (Angers um 600), die formulae Marculfi (um 650?, 721-35?), die formulae Bituricenses (Bourges 8. Jh.) und die formulae imperiales (vor 832). Danach finden sich seit dem 11. Jh. Formelsammlungen innerhalb der (lat.) ars (F.) dictandi (z. B. Breviarium de dictamine des Alberich von Montecassino) oder der (lat.) ars (F.) notariae (Rainerius Perusius vor 1234, Rolandinus Passageri Summa artis notariae, 1255). Für das spätmittelalterlich-frühneuzeitliche Deutschland haben besonderes Gewicht der (lat.) Formularius (M.) de modo prosandi (Baumgartenberg A. 14. Jh.) und Perneder, Andreas, Summa Rolandina (vor 1540).

Lit.: Rockinger, L., Über Formelbücher, 1855; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960; Uddholm, A., Marculfi formularum libri duo, 1962

Formfreiheit ist die Freiheit einer rechtlich bedeutsamen Handlung von einer besonderen -> Form. Es ist streitig, inwieweit am Beginn rechtlicher Entwicklung F. besteht. Jedenfalls werden schon in den frühesten Quellen auch feste Formen sichtbar (z. B. lat. [F.] mancipatio). Im Spätmittelalter setzt sich die Kirche für die F. der Verträge ein. Auch der Liberalismus bejaht grundsätzlich die F. Dessenungeachtet entwickeln sich im 20. Jh. neue Formen (z. B. Allgemeine Geschäftsbedingungen, Verbraucherkreditverträge, Arbeitsverträge).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Baltl/Kocher

formulae -> Formelsammlung

Formularverfahren  oder Formularprozess ist das dem älteren Legisaktionenverfahren (-> legisactio) im klassischen römischen Recht nachfolgende, dem späteren -> Kognitionsverfahren vorausgehende Verfahren. Es ist vielleicht anfangs nur dem Fremden zugänglich und kennt viele, auf das jeweilige Rechtsverhältnis bezogene Klageformeln. Sie werden auf den formlosen Vortrag der Parteien vor dem Prätor hin meist schriftlich niedergelegt. 17 v. Chr. wird das Legisaktionenverfahren bis auf geringe Reste abgeschafft.

Lit.: Kaser §§ 80, 82ff.; Söllner § 9

Foro ist die portugiesische Bezeichnung für -> Fuero. 1111 wird ein F. an Coimbra verliehen, 1166 an Evora, um 1160 an Trancoso, 1179 an Lissabon (F. von Santarém). Seit dem 14. Jh. wird ein F. nur noch selten gewährt.

Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973, 666

Forsman, Jaakko (1839-1899), aus einer schwedischen Theologenfamilie, wird nach dem Studium von Philosophie und Recht in Helsinki 1879 Professor für Strafrecht und Rechtsgeschichte und verfasst 1896 eine Geschichte der finnischen Gesetzgebung (Suomen laindsäädännön historia).

Forst ist seit dem Frühmittelalter der vielleicht dem römischen (lat. [M.]) saltus nachgebildete, durch -> Bann abgesonderte herrschaftliche Wald (meist des Königs). Im Hochmittelalter gehen die Forsten des Königs auf die Landesherren über. Örtlich unterschiedlich greift der absolutistische Fürst entschiedener auf die damit verbundenen Rechte zu. Der Liberalismus verlangt die Aufhebung der staatlichen Forsthoheit, doch verfahren die Forstgesetze des 19. Jh.s unterschiedlich.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, WAS; Roth, K., Geschichte des Forst- und Jagdwesens in Deutschland, 1879; Goller, F., Die älteren Rechtsverhältnisse am Wald in Altbaiern, Diss. jur. München 1938; Kaspers, H., Comitatus nemoris, 1957; Mager, F., Der Wald in Altpreußen als Wirtschaftsraum, 1960; Rubner, H., Untersuchungen zur Forstverfassung des mittelalterlichen Frankreichs, 1965; Rubner, H., Forstgeschichte im Zeitalter der industriellen Revolution, 1967; Young, C., The Royal Forests of Medieval England, 1979; Hasel, K., Forstgeschichte, 1986; Knöppel, V., Forstnutzungsrechte, Diss. jur. Marburg 1988; Dasler, C., Forst- und Wildbann, 2001

Forsthoff, Ernst (Laar 13. 8. 1902 - Heidelberg 13. 8. 1974) wird nach der Promotion bei Carl -> Schmitt 1933 Professor für öffentliches Recht in Frankfurt am Main, Hamburg (1935), Königsberg (1936), Wien (1941) und Heidelberg (1943-6, 1952-67). Er setzt sich für den starken Staat ein, der allein die mit dem technischen Fortschritt eintretenden Probleme bewältigen könne, und steht einem Wertesystem, der Verfassungsgerichtsbarkeit, der umfassenden Verwaltungsgerichtsbarkeit und dem Sozialstaat zurückhaltend gegenüber. Sein Lehrbuch des Verwaltungsrechts (1950) ist längere Zeit in Deutschland führend.

Lit.: Doehring, K., Ernst Forsthoff, in: Juristen im Portrait, 1988, 341

Fortescue, Sir John (um 1385 - um 1479), nach Ausbildung in Lincoln’s Inn 1442 oberster Richter am königlichen Gericht (King’s Bench), von 1463 bis 1471 im Exil in Frankreich, vergleicht in seinem in der Form eines Lehrgespräches an Prinz Eduard von Lancaster gerichteten Hauptwerk ([lat.] De laudibus legum Angliae, 1470, Über die Vorzüge des englischen Rechts) das englische Recht mit dem festländischen (französischen) Recht in einer für Laien verständlichen Weise. In (engl.) On the Governance of the Kingdom of England (Über die Beherrschung des Königreichs England) (1471/3) stellt er den politischen Gesamtzustand seines Landes dar.

Lit.: The Works of Sir John Fortescue, hg. v. Clermont, T., 1869; Kluxen K., Englische Verfassungsgeschichte, 1987

forum (lat. [N.]) ist im römischen Recht der Marktplatz und das dort öffentlich abgehaltene Gericht. Das mittelalterliche Kirchenrecht bildet von daher die Vorstellung eines (lat.) f. externum und eines f. internum. Daneben bezeichnet f. auch den Markt.

Lit.: Söllner §§ 4, 8; Köbler, DRG 19; Schlesinger, W., Mitteldeutsche Beiträge zur deutschen Verfassungsgeschichte des Mittelalters, Bd. 1 1961, 275; Trusen, W., Forum internum und gelehrtes Recht im Spätmittelalter, ZRG KA 57 (1971), 83; Planitz, H., Die deutsche Stadt, 5. A. 1980

forum (N.) externum (lat.) ist seit Thomas von Aquin (1225-1274) (forum exterius) im mittelalterlichen Kirchenrecht der Bereich des menschlichen Bußwesens und Gerichtswesens im Gegensatz zum Gott einsehbaren inneren Gericht des Gewissens, das in der frühen Neuzeit (nach 1563) als (lat.) forum (N.) internum bezeichnet wird.

Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Fries, B., Forum in der Rechtssprache, 1963

forum (N.) internum (lat.) ist seit der frühen Neuzeit (nach 1563) das Gewissen im Gegensatz zum (lat.) -> forum (N.) externum.

Lit.: Fries, B., Forum in der Rechtssprache, 1963; Trusen, W., Forum internum und gelehrtes Recht im Spätmittelalter, ZRG KA 57 (1971), 83

Fracht ist der Lohn für die Beförderung eines Gutes und das gegen Lohn beförderte Gut. Der die F. betreffende Vertrag entsteht im Hochmittelalter und ist Werkvertrag. Der Frachtführer ist Kaufmann.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913; Ohler, N., Reisen im Mittelalter, 1986; Morisset, J., Der Frachtvertrag in der Ordonnance de la marine, 1996

Fragmenta (N.Pl.) Gaudenziana (lat.) (Gaudenzische Fragmente) sind die von dem Bologneser Professor Augusto Gaudenzi (1858-1916) in einer Handschrift (um 900) der Bibliothek von Lord Leicester (Codex Holkhamensis Nr. 210) entdeckten, bis dahin unbekannten 14 Kapitel des gotischen Rechtskreises des 6. Jh.s (?).

Lit.: Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953; Vismara, G., Fragmenta Gaudenziana, in: Ius Romanum medi aevi I 2 b aa, 1967

Franche-Comté (Freigrafschaft) -> Burgund

Lit.: Hoke, R., Die Freigrafschaft Burgund, ZRG GA 79 (1962), 106

Francia (lat. [F.]) fränkisches Gebiet, -> Franken

Franckensteinsche Klausel ist die im Streit um die Verteilung der Finanzen zwischen Deutschem Reich und seinen Bundesstaaten am 12. 7. 1879 verabschiedete, nach dem Abgeordneten der Zentrumspartei im Reichstag des Deutschen Reiches, Georg Arbogast Freiherr von und zu Franckenstein (2. 7. 1825 - 22. 1. 1890), bezeichnete Klausel, dass derjenige Ertrag der Zölle und der Tabaksteuer (des Reiches), welcher die Summe von 130 Millionen Mark in einem Jahr übersteigt, den Bundesstaaten zu überweisen ist. Am 14. 5. 1904 wird sie im Kern aufgehoben.

Lit.: Kittel, J., Franckensteinsche Klausel und die deutsche Finanzreform, 1894

Franeker in den Niederlanden ist in der frühen Neuzeit Sitz einer juristischen Fakultät.

Lit.: Ahsmann, M., De juridische faculteit te Franeker, TRG 54 (1986), 39

Franke („Kühner“) ist der Angehörige einer 258 n. Chr. am Niederrhein erstmals sichtbaren germanischen Völkerschaft, welche im 5. Jh. in das südlich gelegene, römische Gallien eindringt. Die Franken besiegen unter ihrem sie gewaltsam einenden König Chlodwig ([* um 466,] 481-511) den römischen Statthalter in Nordgallien (486), die am oberen Rhein und an der oberen Donau sitzenden Alemannen (496) und die in Südgallien siedelnden Westgoten (507). Danach bringen ihre Könige aus dem Hause der -> Merowinger die Thüringer (531), Burgunder (532/4) und Bayern in eine gewisse Abhängigkeit. Das Recht der Franken wird im (lat.) -> Pactus (M.) Legis Salicae (507/11?) und in der (lat.) -> Lex (F.) Ribvaria sowie der -> Ewa Chamavorum aufgezeichnet. 751 löst die Familie der Karolinger die Merowinger gewaltsam im Königtum ab. Unter Karl dem Großen, der Weihnachten 800 vom Papst zum (west)römischen Kaiser gekrönt wird, gewinnt das Reich der Franken seine größte Ausdehnung (Sachsen, Italien). 843 wird es in Westreich, Lotharingien und (deutschsprachiges) Ostreich geteilt, woraus sich 887 eine Zweiteilung entwickelt, die im Deutschen Reich einerseits und in Frankreich andererseits endet. In Frankreich gehen die Franken bald in der unterworfenen gallorömischen Bevölkerung auf. Im deutschen Reich verlagert sich die Herrschaftsgewalt 919 auf die Herzöge von Sachsen. Das Herzogtum der Franken (ebenso wie ein Territorialherzogtum Franken [1168]) verschwindet infolge seiner späteren Königsnähe bald in vollständiger Zersplitterung und hinterlässt nur in den bayerischen Regierungsbezirken Mittelfranken (Ansbach), Oberfranken (Bayreuth) und Unterfranken (Würzburg) eine blasse Erinnerung.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 1, 3; Stein, F., Geschichte Frankens, Bd. 1f. 1885f.; Rübel, K., Die Franken, 1904; Franken, hg. v. Scherzer, C., Bd. 1f. 1955ff.; Merzbacher, F., Iudicium provinciale ducatus Franconiae, 1956; Hofmann, H., Adelige Herrschaft und souveräner Staat, 1962; Zöllner, E., Geschichte der Franken bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts, 1970; Bosl, K., Franken um 800, 2. A. 1980; Schneider R., Das Frankenreich 1982; Schulze, H., Vom Reich der Franken zum Land der Deutschen, 1987; Périn, P./Feffer, C., Les Francs, 1987; James, E., The Francs, 1988; Franken, Reallexikon der germanischen Altertumskunde, Bd. 9 1995, 373; Die Franken – Wegbereiter Europas, 1996; Handbuch der bayerischen Geschichte, Bd. III/1, Franken, hg. v. Spindler, M. u. a., 1997; ; Franks and Alamanni, hg. v. Wood, I., 1998; Sachsen und Franken in Westfalen, hg. v. Hässler, H., 1999; Andraschke, J., Arianische und fränkische Missionierung im Regnitz- und Obermaingebiet um 500 bis 800 n. Chr., Bericht des hist. Vereins Bamberg 135 (1999), 89; Merz, J., Fürst und Herrschaft. Der Herzog von Franken und seine Nachbarn 1470-1519, 2000

Franken -> Franke

Frankenberg ist eine 1243 erstmals erwähnte Stadt an der oberen Eder. 1493 vollendet der in Erfurt (1454) und Leipzig (1457-9) immatrikulierte Bürgermeisterssohn und Schöffe Johannes Emmerich ein Stadtrechtsbuch, das in seinem ersten Teil (Von den burgern) überwiegend auf Gewohnheitsrecht und Privilegien und in seinem zweiten Teil (Von dem gericht) vor allem auf dem Schwabenspiegel und dem Kleinen Kaiserrecht (Frankenspiegel) beruht und wohl aus dem Gedächtnis auch die Dekretalen Gregors IX. und die Institutionen Justinians einbezieht. Es wird 1556 abgeändert nach Alsfeld übernommen.

Lit.: Spieß, W., Verfassungsgeschichte der Stadt Frankenberg, Diss. jur. Marburg 1922; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 82

Frankenspiegel ist eine Bezeichnung des zwischen 1344 und 1350 bei Frankfurt verfassten, eng an den sog. Schwabenspiegel angelehnten -> Kleinen Kaiserrechts.

Lit.: Köbler, DRG 103; Hatzfeld, L., Frankenspiegel oder Kaiserrecht, TRG 26 (1958), 15

Frankfurt am Main ist eine 794 als Pfalz erstmals erwähnte Stadt am unteren Main. Seit 856 bzw. 1152 ist F. Ort der Königswahl, wie dies die Goldene Bulle (1356) ausdrücklich festlegt, und seit 1562 auch Ort der Krönung. Bis 1372 wird F., dessen Recht erstmals in einem Weistum für Weilburg über Pfahlbürger (1297) aufgezeichnet wird, tatsächlich reichsunmittelbar. 1509 reformiert die Stadt ihr Recht und erweitert diese Reformation 1578 durch Johann -> Fichard noch. Von 1815 bis 1866 ist F. Sitz der Bundesversammlung des Deutschen Bundes (und 1848/9 Sitz der deutschen Nationalversammlung). 1866 wird es von Preußen annektiert. 1945 gelangt es zu Hessen.

Lit.: Köbler, DRG 171; Köbler, Historisches Lexikon; Thomas, J., Der Oberhof zu Frankfurt a. M., 1841; Coing, H., Die Frankfurter Reformation von 1578, 1935; Coing, H., Die Rezeption des römischen Rechts in Frankfurt am Main, 1939; Reformacion der Stat Franckenfort am Meine, hg. v. Köbler, G., 1984; Die Frankfurter Nationalversammlung 1848/49, hg. v. Koch, R., 1989; Frankfurt am Main, hg. v. der Frankfurter Historischen Kommission, 1991; Kraß, G., Das Arrestverfahren in Frankfurt am Main, 1996; Best, H./Weege, W., Biographisches Handbuch der Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung, 1996; Roth, R., Stadt und Bürgertum in Frankfurt/Main, 1996; Weber, M., Verfassung und Reform in Vormärz und Revolutionszeit, Diss. jur. Frankfurt am Main 1996; Ribhegge, W., Das Parlament als Nation, 1998; Laufs, A., Die Frankfurter Nationalversammlung, JuS 1998, 385; Rothemann, M., Die Frankfurter Messen im Mittelalter, 1998; Recht und Juristen in der deutschen Revolution 1848/49, hg. v. Düwell, F., 1998

Frankfurt an der Oder wird im frühen 13. Jh. als Handelssiedlung gegründet und erhält 1253 das Stadtrecht von Berlin. Von 1506 bis 1811 ist es Sitz der ersten brandenburgischen, 1991 erneuerten Universität.

Lit.: Huth, E., Die Entstehung und Entwicklung der Stadt Frankfurt, 1975; Jajesniak-Quast, D./Stoklosa, K., Geteilte Städte an Oder und Neiße, 2000; Höhle, M., Universität und Reformation, 2002

Frankfurter Nationalversammlung -> Frankfurt am Main

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Siemann, W., Die Frankfurter Nationalversammlung 1848/49, 1976

fränkisches Recht ist das für -> Franken geltende Recht. Dem fränkischen Recht untersteht der deutsche König. Als besondere Einheit ist es trotz gelegentlicher hochmittelalterlicher Bezugnahmen kaum fassbar. -> Pactus Legis Salicae, Lex Ribvaria, Ewa Chamavorum

Lit.: Schröder, R., Die Franken und ihr Recht, ZRG GA 2 (1881), 1; Mitteis, H., Die germanischen Grundlagen des französischen Rechts, ZRG GA 63 (1943), 136

Frankreich ist der aus dem westlichen Teil des Reiches der -> Franken seit 843 allmählich entstandene westeuropäische Staat, in welchem sprachlich die zahlenmäßig unterlegenen Franken in der romanischen Mehrheit allmählich aufgehen. In ihm entwickeln sich unter den Karolingern zahlreiche ziemlich selbständige Herrschaften (Aquitanien, Normandie, Burgund, Blois-Tours, Anjou, Flandern, Toulouse). Seit 888 ist das Königtum zwischen Karolingern und Robertinern umstritten. Als nach dem Aussterben der westfränkischen -> Karolinger 987 der Robertiner Hugo Capet, Graf von Paris, zum König gewählt wird, setzt er die Erblichkeit des Königtums durch. Etwa zu dieser Zeit tritt an die Stelle des westfränkischen Reiches F., das rasch kulturell führend wird. Der König drängt die großen Lehnsträger zurück, doch macht die Krondomäne um 1180 erst ein Zehntel Frankreichs aus. Der seit 1154 aus dem Haus Anjou-Plantagenet stammende König von England muss bis 1214 große Teile Frankreichs an den französischen König überlassen. König Ludwig IX. (1226-1270) gelingt die Schaffung wichtiger Verwaltungseinrichtungen (Staatsrat, Hofgericht, Rechenkammer). 1303 kann der König von F. den Papst gefangennehmen und 1309 nach Avignon verbringen. Beim Aussterben der -> Kapetinger kommt es 1337 zum Hundertjährigen Krieg mit England. Erst durch das Eingreifen der Bauerntochter Jeanne d’Arc gelingt der Sieg über England. 1477 fallen die Lehen des Herzogs von Burgund zurück. 1481 umfasst die Krondomäne des Königs drei Viertel Frankreichs. 1492 wird nach Italien (Neapel) ausgegriffen. Die religiöse Bewegung des Kalvinismus wird durch die Hugenottenkriege bis 1598 zurückgedrängt. Unter dem zum Katholizismus zurückgekehrten König Heinrich IV. beginnt der Aufbau einer absolutistischen Herrschaft, in welcher die Generalstände seit 1614 nicht mehr einberufen werden. 1648 erlangt Frankreich von Habsburg Gebiete im -> Elsaß, 1659 Roussillon und Artois. König Ludwig XIV. (1643-1715) wird als Sonnenkönig absolutistisches Vorbild in Europa, muss aber am Ende des spanischen Erbfolgekrieges (1714) ein Gleichgewicht der Mächte anerkennen. Während des 18. Jh.s wendet sich die bürgerliche Aufklärung gegen die absolute Herrschaft und stürzt nach außenpolitischen Misserfolgen und innenpolitischen Wirtschaftskrisen am 14. 7. 1789 den König unter den Schlagworten Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit (3. 9. 1791 Verfassung, 1792 Republik). Nach langjährigen revolutionären Wirren erreicht am 9. 11. 1799 Napoléon Bonaparte die Macht und bringt als Kaiser (1804) in kurzer Zeit große Teile Europas unter den Einfluss Frankreichs. Nach militärischen Niederlagen (1813, 1814) Napoléons wird F. konstitutionelle Monarchie, wechselt aber mehrfach zwischen Republik (1848-51, 1871ff.) und Monarchie (1852-70). 1871 verliert F. den wegen der Thronfolge in Spanien gegen Preußen und seine deutschen Verbündeten geführten Krieg. Das dabei verlorene Elsaß-Lothringen gewinnt es am Ende des Ersten Weltkrieges (1918) zurück. Danach verliert es in blutigen Kämpfen allmählich die in der Neuzeit eroberten Kolonien. Seit 1952 schließt es sich mit Deutschland, Italien, Niederlande, Belgien und Luxemburg zwecks gegenseitiger Kontrolle zu Gemeinschaften der Montanindustrie, der Atomwirtschaft und der Wirtschaft (1957) zusammen, aus denen 1993 insgesamt die -> Europäische Union erwächst.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 76, 131, 141, 149, 186, 191, 223, 246, 256; Viollet, P., Histoire du droit civil français, 1905, Neudruck 1966; Französisches etymologisches Wörterbuch; Dictionnaire de biographie française, Bd. 1ff. 1933ff.; Olivier-Martin, F., Histoire du droit français, 1948, Neudruck 1988; Schnur, R., Die französischen Juristen, 1962; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,56,238,902, 2,2,78,1223, 3,1,863, 3,2,2489, 3,3,3152,3668,3769,3885,3966,4074; Kienast, W., Deutschland und Frankreich in der Kaiserzeit, 2. A. 1974f.; Gaudemet, J., Les tendances a l’lunification, in: La formazione storica, Bd. 1 1977, 281; Decker, K., Frankreich und die Reichsstände 1672-1795, 1981; Ourliac, P./Gazzaniga, J., Histoire du droit privé, 1985; Ehlers, J., Geschichte Frankreichs im Mittelalter, 1987; Wirtschaft und Gesellschaft in Frankreich, hg. v. Brandel, F. u. a., 1988; Sieburg, H., Geschichte Frankreichs, 4. A. 1989; Meyer, J., Frankreich im Zeitalter des Absolutismus, 1990; Brühl, C., Deutschland-Frankreich, 1990; Haensch, G./Tümmers, H., Frankreich, 2. A. 1993; Französische Könige und Kaiser der Neuzeit, hg. v. Hartmann, P., 1994; Burdeau, F., Histoire de l`administration française, 2. A. 1994; Französisches Zivilrecht, hg. v. Schulze, R., 1994; Guillot, O. u. a., Pouvoirs et institutions, 1994; Guillot, O./Rigandière, A./Sassier, Y., Pouvoirs et institutions, Bd. 1ff. 1994ff.; Frankreich, hg. v. Babel, R., 1995; Bürge, A., Das französische Zivilrecht im 19. Jahrhundert, 2. A. 1995; Brühl, C., Deutschland-Frankreich, 2. A. 1995; Frankreich im Staatensystem der frühen Neuzeit, hg. v. Babel, R., 1995; Royer, J., Histoire de la justice en France, 2. A. 1996; Die französischen Könige des Mittelalters, hg. v. Ehlers, J. u. a., 1996; Köbler, G., Rechtsfranzösisch, 3. A. 2001; Gläser, M., Lehre und Rechtsprechung im französischen Zivilrecht des 19. Jahrhunderts, 1996; Les constitutions de la France, hg. v. Debbasch, C. u. a., 3. A. 1996; Weisenfeld, E., Geschichte Frankreichs, 3. A. 1997; Bloch, M., Die wundertätigen Könige, 1998; Rigaudière, A., Pouvoirs et institutions dans la France médiévale, 2. A. 1998; Hartmann, P., Geschichte Frankreichs, 1999; Rosanvallon, P., Der Staat in Frqnkreich, 2000; Altes Reich, Frankreich und Europa, hg. v. Asbach, O. u. a., 2001; Wechselseitige Beeinflussungen und Rezeptionen von Recht und Philosophie in Deutschland und Frankreich, hg. v. Kervégan, J. u. a., 2001; Geschichte Frankreichs, hg. v. Hinrichs, E., 2002; Woll, C., Die Königinnen des hochmittelalterlichen Frankreich, 2002; Naegle, G., Stadt, Recht und Krone, 2002; Chatenet, M., La cour de France au XVIe siècle, 2002; Schabert, T., Wie Weltgeschichte gemacht wird. Frankreich und die deutsche Einheit, 2002; Baldinger, K., Dictionnaire étymologique de l’ancien français, 2003

Französische Revolution ist die revolutionäre Veränderung des politischen Systems in -> Frankreich 1789/99. Sie erwächst aus der zunehmenden Spannung zwischen dem König und dem nach politischen Rechten strebenden, mit der wirtschaftlichen Lage unzufriedenen dritten Stand (der -> Bürger). Als die zum 1. 5. 1789 nach fast 175 Jahren erstmals wieder zusammengerufenen Generalstände nach ergebnislosen Beratungen sich am 17. 6. 1789 zur Nationalversammlung erklären, versucht der König erfolglos, sie aufzulösen. Nach dem Sturm des politischen Gefängnisses (Bastille) am 14. 7. 1789 muss er sie als verfassunggebende Nationalversammlung bestätigen. Die feudalen Rechte des ancien régime werden aufgehoben (4./5. 8. 1789). Am 26. 8. 1789 werden Menschenrechte und Bürgerrechte verkündet. Am 2. 11. 1789 wird die Kirche enteignet. Am 3. 9. 1791 wird eine erste -> Verfassung geschaffen. Am 21. 1. 1793 wird der König hingerichtet. Am 10. 3. 1793 entsteht ein Revolutionstribunal. Die darauf folgende Schreckensherrschaft eines Sicherheits- und Wohlfahrtsausschusses wird mit dem Sturz Robespierres am 27. 7. 1794 beendet. Am 22. 8. 1795 wird eine liberale Verfassung geschaffen. Am 9. 11. 1799 stürzt Napoléon Bonaparte das diktatorisch herrschende Direktorium.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Vovelle, M., Die französische Revolution, 1982; Furet, F./Richet, D., Die Französische Revolution, 1987; Schulin, E., Die Französische Revolution, 1988; Soboll, A., Die große Französische Revolution, 1988; Berteau, J., Alltagsleben während der französischen Revolution, 1989; Die französische Revolution, hg. v. Reinalter, H., 1991; Stone, B., The Genesis, 1994

französisches Recht ist das in Frankreich geltende Recht bzw. das in Frankreich geschaffene Recht. Es ist aus zwei großen Teilgebieten erwachsen. Im Süden Frankreichs gilt seit dem Untergang des weströmischen Reiches (476) das in vereinfachter Form (-> Breviarium Alaricianum) fortgeführte römische Recht als Schriftrecht fort (frz. droit [M.] écrit). Nördlich der Loire bilden sich auf der Grundlage der fränkischen Volksrechte (-> Pactus Legis Salicae) viele örtliche oder gebietliche Gewohnheiten (frz. [F.Pl.] -> Coutumes). Sie werden seit dem 13. Jh. nichtamtlich aufgezeichnet. Am bekanntesten sind die -> coutumes de Beauvaisis des Philippe de -> Beaumanoir (1283). 1454 wird die amtliche Aufzeichnung vom König geboten. Im 16. Jh. entsteht eine glanzvolle französische Rechtswissenschaft (lat. -> mos [M.] Gallicus) mit dem Mittelpunkt in Bourges. Gewicht gewinnen einzelne königliche ordonnances (1566, 1667, 1673, 1681, 1731, 1735, 1745). Die Aufklärung erweckt ein Streben nach allgemeinen Rechtsregeln. Am 3. 9. 1791 kündigt die Verfassung ein einheitliches bürgerliches Gesetzbuch (frz. Code [M.] des lois civiles communes) an, doch werden drei Entwürfe nicht verabschiedet und nur Einzelgesetze gegen Kirche und Adel erlassen (sog. droit [M.] intermédiaire). Nach der Machtergreifung Napoléons entstehen binnen weniger Jahre ein -> Code civil des Français (Bürgerliches Gesetzbuch 1804), ein -> Code de procédure civile (Zivilverfahrensgesetzbuch 1807), ein Code de commerce (Handelsgesetzbuch 1807), ein Code de l’instruction criminelle (Strafverfahrensgesetzbuch 1808) und ein -> Code pénal (Strafgesetzbuch 1810). Sie beeinflussen das Recht vieler Staaten (u. a. des linksrheinischen Deutschland) und gelten teilweise noch in der Gegenwart. 1958 wird ein neuer Code de procédure pénale (Strafprozessgesetzbuch) geschaffen, 1976/81 ein Nouveau code de procédure civile (Neues Zivilprozessgesetzbuch), seit 1989 ein neues Strafgesetzbuch. Das Handelsgesetzbuch erfährt schon seit 1867 erhebliche Veränderungen.

Lit.: Glasson, Histoire du droit et des institutions de la France, Bd. 1ff. 1887ff.; Olivier-Martin, F., Histoire du droit français, 1948, Neudruck 1988; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967; Schubert, W., Französisches Recht in Deutschland zu Beginn des 19. Jahrhunderts, 1977; Gouron, A., La science du droit dans le midi, 1984; Endres, P., Die französische Prozessrechtslehre, 1985; Ourliac, P./Gazzaniga, J., Histoire du droit privé, 1985; Bürge, A., Der Einfluss der Pandektenwissenschaft auf das französische Privatrecht, in: Europäische Rechts- und Verfassungsgeschichte, 1991, 221; Guchet, Y., Histoire constitutionelle, 3. A. 1993; Constantinesco, V./Hübner, U., Einführung in das französische Recht, 3. A. 1994; Bürge, A., Das französische Privatrecht im 19. Jahrhundert, 2. A. 1995; Recht im frühmittelalterlichen Gallien, hg. v. Siems, H., 1995; Verwaltung und Verwaltungsrecht in Frankreich und England, hg. v. Heyen, E., 1996; Halpérin, J., Histoire du droit privé francais depuis 1804, 1996; Köbler, G., Rechtsfranzösisch, 1996; Gläser, M., Lehre und Rechtsprechung im französischen Zivilrecht des 19. Jahrhunderts, 1996; Kern, B., Die französische Gesetzgebung unter Napoleon, JuS 1997,11; Wandel von Recht und Rechtsbewusstsein in Frankreich und Deutschland, hg. v. Jurt, J. u. a., 1999

französische Zone ist die 1945 im Deutschen Reich eingerichtete Besatzungszone Frankreichs (Südbaden, Südwürttemberg-Hohenzollern, Rheinland-Pfalz), die am 8. 4. 1949 der Bizone angeschlossen wird und danach in der ->Bundesrepublik Deutschland aufgeht.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.

Frau ist der erwachsene weibliche Mensch. In einer patriarchalischen Gesellschaft ist die F. dem Mann rechtlich nicht in jeder Beziehung gleichgestellt. Im altrömischen Recht steht die F. grundsätzlich in der Hausgewalt (lat. [F.] manus, Hand) des Ehemannes, im Frühmittelalter in der Hausgewalt (ahd. munt) des Ehemannes. Auch das Christentum unterstellt die F. dem Mann. Im Alemannien des Frühmittelalters können Töchter Grundstücke erben, doch scheint ihr Erbrecht gesellschaftlich weniger fest verankert zu sein, und können verheiratete Frauen teils mit und teils ohne Ehemann über Erbgut verfügen. Die Stellung der F. bessert sich mit ihrem Eintritt in die Marktwirtschaft (Kauffrau). Im Zuge der Aufklärung verlangen zuerst einzelne Frauen die grundsätzliche Gleichstellung. Vereinzelt treten in Deutschland Frauen auch im Umkreis der politischen Unruhen des Jahres 1848 hervor. 1865 wird ein Allgemeiner Deutscher Frauenverein gegründet. Danach werden 1869 in Preußen die Schranken der Handlungsfähigkeit aufgehoben und wird 1877 im Deutschen Reich Prozessfähigkeit gewährt. Im Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) erhält die F. Anteil an der elterlichen Gewalt. Sie wird 1900 zum Studium (1911 43 Rechtsstudentinnen, 1917 117) 1918 zu Wahlen (Australien 1902, Finnland 1906, Norwegen 1913, Island 1915, Dänemark 1915, Russland 1917, Kanada 1918, Österreich 1919, Vereinigte Staaten von Amerika 1920, Großbritannien 1928, Spanien 1931, Frankreich 1944, Italien 1945, Ungarn 1945, Japan 1945, China 1949, Schweiz 1971, Südafrika 1994) und 1922 zu den Ämtern der Rechtspflege (1924 erste Gerichtsassessorin) zugelassen. Zum 31. 3. 1953 erklärt das Bundesverfassungsgericht alles dem Gleichberechtigungsgrundsatz des Grundgesetzes entgegenstehende Recht als außer Kraft. 1979 wird weltweit eine Vereinbarung zur Abschaffung aller Formen der Diskriminierung von Frauen beschlossen. 1995 erklärt der Europäische Gerichtshof eine Bevorzugung einer F. nur wegen ihrer Eigenschaft als F. für rechtswidrig.

Lit.: Kaser § 12; Hübner; Köbler, WAS; Weinhold, K., Die deutschen Frauen im Mittelalter, 3. A. 1987; Bartsch, R., Die Rechtsstellung der Frau, 1903; Weber, M., Ehefrau und Mutter in der Rechtsentwicklung, 1907; Fehr, H., Die Rechtsstellung der Frau, 1912; Schubart-Fikentscher, G., Das Recht der Frau nach dem Sachsenspiegel, in: Die Frau 41 (1933/4), 28; Schmelzeisen, G., Die Stellung der Frau in der deutschen Stadtwirtschaft, 1935; Pesle, O., La femme musulmane, 1946; Vogelsang, T., Die Frau als Herrscherin im hohen Mittelalter, 1954; Scheffler, E., Die Stellung der Frau, 1970; Frauen in der Geschichte, hg. v. Kuhn, A. u. a., 1979; The Women of England, hg. v. Kanner, B., 1979; Schmitter, R., Die Frauenbewegung im 19. Jahrhundert, 1981; Weber-Will, S., Die rechtliche Stellung der Frau, 1983; Ennen, E., Frauen im Mittelalter, 5. A. 1994; Frauenlexikon, Fakten, Perspektiven, hg. v. Lissner, A., 1988; Kroj, K., Die Abhängigkeit der Frau, 1988; Duby, G., Die Frau ohne Stimme, 1989; Freiburg, A., Die Rechtsstellung der Frau, Diss. jur. Köln 1990; Frauen im Recht, 1990; Frauen in Spätantike und Frühmittelalter, hg. v. Affeldt, W., 1990; Medieaval Women, hg. v. Rosenthal, J., 1990; Geschichte der Frauen, hg. v. Duby, G. u. a., Bd. 1ff. 1993ff.; Arjava, A., Women and Roman Law in late Antiquity, Diss. Helsinki, 1994; Frauen, hg. v. Dülmen, A. van, 6. A. 1995; Schuster, B., Die freien Frauen, 1995; Berneike, Die Frauenfrage ist Rechtsfrage, 1995; Dressel-Schuh, E., Frauen in Frankfurt, 1995; Goetz, H., Frauen im frühen Mittelalter, 1995; I CLAVDIA, hg. v. Kleiner, D./Matheson, S., 1996; Walther, W., Die Frau im Islam, 1997; Byok, N., Die rechtliche Stellung der Frau im alten Ägypten, Diss. jur. Berlin 1997; Rosenbusch, U., Die Belagerung der männlichen Rechtsburg, JuS 1997, 1062; Frauen in der Geschichte des Rechts, hg. v. Gerhard, U., 1997; Ziegler, S., Frauennachtarbeit, 1997; Frauen arbeiten, hg. v. Budde, G., 1997; Ziolkowski, K., Frauendiskriminierung, 1997; Byok, N., Die rechtliche Stellung der Frau im alten Ägypten, Diss. jur. Berlin 1997; Stretton, T., Women waging law, 1998; Rosenbusch, U., Der Weg zum Frauenwahlrecht in Deutschland,1998; Hellmuth, D., Frau und Grundbesitz, 1998; Hufton, O., Frauenleben, 1998; Recht, Geschlecht und Gerechtigkeit, hg. v. Floßmann, U., 1998; Bors, M., Bescholtene Frauen vor Gericht, 1998; Juristinnen in Deutschland, hg. v. Deutschen Juristinnenbund, 3. A. 1998; Esser, C., Rechtsstellung und Ansprüche der Ehefrau, Diss. jur. Köln 1998; Hellmuth, D., Frau und Besitz, 1998; Helmuth, D., Frau und Besitz, 1998; Johlen, M., Die vermögensrechtliche Stellung der weströmischen Frau, 1999; Gilde, A., Die Stellung der Frau im Reichsstrafgesetzbuch, 1999; Stieldorf, A., Rheinische Frauensiegel, 1999; Klemm, S., Frauenbewegung und Familienrecht, Diss. jur. Tübingen 1999; Hemelrjk, E., Matrona docta, 1999; Kupisch, B., Die römische Frau im Geschäftsleben, FS B. Großfeld, 1999, 659; Kannappel, P., Die Behandlung von Frauen im nationalsozialistischen Familienrecht, 1999; Mönnich, U., Frauenschutz vor riskanten Geschäften, 1999; Bock, G., Frauen in der Geschichte Europas, 2000; Feld, H., Frauen des Mittelalters, 2000; Medieval Women and the Law, hg. v. Menuge, N., 2000; Iwersen, J., Die Frau im alten Griechenland, 2002; Temporini-Gräfin Vitzthum, H., Die Kaiserinnen Roms, 2002; Die Macht der Frauen, hg. v. Finger, H., 2003; Geldsetzer, S., Frauen auf Kreuzzügen 1096-1291, 2003

Frauenarbeit ist die -> Arbeit der -> Frau außerhalb des Haushaltes und der Familie. Sie gewinnt seit dem ausgehenden 19. Jh. an Bedeutung. Politisches Ziel ist seitdem die Gleichheit der Arbeit von Frau und Mann.

Lit.: Baltl/Kocher; Müller, W./Willms, A./Handl, J., Strukturwandel der Frauenarbeit 1880-1980, 1983; Werkstetter, C., Frauen im Augsburger Zunfthandwerk, 2001

Frauenhaus ist das in deutschen Städten seit dem Spätmittelalter als stadteigene Einrichtung erkennbare Bordell. In der Gegenwart ist F. die Zufluchtsstätte misshandelter Frauen.

Lit.: Schuster, P., Das Frauenhaus, 1992

Frauenraub ist die gewaltsame Entführung einer Frau (zwecks Eheschließung). Der F. führt in der Frühzeit zur Fehde und begründet keine Ehe (str.). Im Frühmittelalter ist Buße zu leisten. Die -> Constitutio Criminalis Carolina (1532) übernimmt die Todesstrafe des römischen Rechts (C. 9, 13). Die Aufklärung sieht den F. als Freiheitsdelikt an.

Lit.: Dargun, L., Mutterrecht und Raubehe, 1883; Gössler, Die Entführung, Diss. jur. Rostock, 1903; Köstler, R., Raub-, Kauf- und Friedelehe bei den Germanen, ZRG GA 63 (1943), 92

Frauenstimmrecht-> Wahlrecht

fraus (lat. [F.]) Tücke

Lit.: Behrends, O., Die fraus legis, 1982

fredus (lat. [M.]) ist das im -> Kompositionensystem des Frühmittelalters bei einem Unrechtserfolg an den König zu entrichtende Friedensgeld (1/3 der Buße).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 91; Köbler, LAW

Freher, Marquard (Augsburg 26. 7. 1565 - Heidelberg 13. 5. 1614), Sohn des Kanzlers der Kurpfalz, wird nach dem Rechtsstudium in Altdorf und Bourges (Cujas) Rat in der Pfalz und von 1596 bis 1598 Professor in Heidelberg, danach Hofgerichtsvizepräsident. Er veröffentlicht eine Reihe deutscher Geschichtsquellen und verfasst daneben eigene Abhandlungen.

Lit.: Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Abt. 1 1880, Neudruck 1957, 1978, 680

Freiberg ist eine in der zweiten Hälfte des 12. Jh.s gegründete sächsische Stadt, deren zwischen 1210 und 1218 verliehenes, ziemlich selbständiges Stadtrecht in einer 1296-1307 entstandenen Prachthandschrift und 4 weiteren Handschriften überliefert ist. 1572 wird es von den kursächsischen Konstitutionen verdrängt.

Lit.: Ermisch, H., Freiberger Stadtrecht, 1889; Geschichte der Bergstadt Freiberg, hg. v. Kasper, H. u. a., 1986; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 81

Freiburg im Breisgau ist ein vielleicht 1120 um einen Markt (lat. [N.] forum) oder eine Stadt (lat. [F.] civitas) erweiterter Ort am Ausfluss der Dreisam aus dem Schwarzwald, dem der Herzog von Zähringen als Ortsherr bei Gelegenheit der Erweiterung ein berühmtes Stadtrechtsprivileg für die (lat.) mercatores (M.Pl.) personati (namhaften Kaufleute) erteilt (str.). 1368 unterstellt sich F. Habsburg. 1457 wird eine Universität eingerichtet. 1520 tritt ein von Ulricus Zasius verfasstes reformiertes Stadtrecht in Kraft, das bis 1784/1810 gilt. 1806 fällt F. an Baden.

Lit.: Schreiber, H., Geschichte der Stadt Freiburg im Breisgau, 1857; Knoche, H., Ulrich Zasius und das Freiburger Stadtrecht von 1520, 1957; Schott, C., Rat und Spruch der Juristenfakultät Freiburg im Breisgau, 1965; Diestelkamp, B., Gibt es eine Freiburger-Gründungsurkunde aus dem Jahr 1120?, 1973; Nüwe Stattrechten und Statuten der loblichen Statt Fryburg, hg. v. Köbler, G., 1986; Köbler, G., Mercatores personati, FS L. Carlen, 1989, 157; Nasall, W., Das Freiburger Stadtrecht von 1520, 1989; Die Freiburger Universität in der Zeit des Nationalsozialismus, hg. v. John, E. u. a., 1991; Geschichte der Stadt Freiburg, hg. v. Haumann, H. u. a., Bd. 1ff. 1996; Kälble, M., Zwischen Herrschaft und bürgerlicher Freiheit, 2001

Freiburg im Üchtland wird 1157 von Herzog Berthold IV. von Zähringen gegründet. 1481/1502 tritt es der Eidgenossenschaft der Schweiz bei. 1487 gewinnt es die Reichsfreiheit. 1889 wird es Sitz einer Universität.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,449, 3,2,1898; Geschichte des Kantons Freiburg, 1981

Freier ist der nicht von einem anderen unmittelbar abhängige Mensch. Im römischen Recht ist insbesondere der römische Bürger (lat. civis [M.] Romanus) frei. Für die Germanen ist es streitig, ob den Kern des Volkes eine Vielzahl von Freien bildet. Im Frühmittelalter stehen sich Adel, Freie, Halbfreie und Unfreie in den Volksrechten vielfach gegenüber, doch ist unklar, wie groß die Zahl der  Freien in der zunehmend von der -> Grundherrschaft gekennzeichneten Gesellschaft ist. Die Lehre von den Königsfreien sieht in diesen geradezu Abhängige des Königs. Im Hochmittelalter erwächst für den Bürger der Stadt und vielfach auch den Rodungssiedler eine neue Freiheit (-> Stadtluft macht frei). Im frühen 19. Jh. verschafft die Bauernbefreiung (Preußen Edikt vom 9. 10. 1807 die persönlichen Verhältnisse der Landbewohner betreffend) allgemeine Freiheit. Damit ist der Begriff des Freien entbehrlich.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 68, 71, 87, 98; Köbler, WAS; Bosl, K., Frühformen der Gesellschaft im mittelalterlichen Europa, 1964; Wittmann, R., Die Körperverletzung an Freien im klassischen römischen Recht, 1972; Köbler, G., Zur Lehre von den Ständen in fränkischer Zeit, ZRG 89 (1972), 171; Köbler, G., Die Freien im alemannischen Recht, in: Beiträge zum frühalemannischen Recht, hg. v. Schott, C., 1978, 38; Olberg, G. v., Freie, Nachbarn und Gefolgsleute, 1983

freie Rechtsschule (Freirechtsschule) ist eine Schule der Rechtswissenschaft (Ernst Fuchs [1859-1929], Die Gemeinschädlichkeit der konstruktiven Jurisprudenz, 1907, H. U. Kantorowicz [1877-1940], Eugen -> Ehrlich [1862-1922], Freie Rechtsfindung und freie Rechtswissenschaft, 1903), die davon ausgeht, dass die einzelne Fallentscheidung des Richters nicht auf logisch-verstandesmäßiger Unterordnung (Subsumtion) des Sachverhaltes unter den Tatbestand der Norm, sondern in Wahrheit auf dem Rechtsgefühl beruhe. Deshalb dürfe und müsse der Richter vom Gesetz abweichen, sobald dieses bei bloßer Subsumtion zu ungerechten Ergebnissen führen würde. Seine Aufgabe bestehe mehr in der am allgemeinen Wohl ausgerichteten Gesellschaftsgestaltung als in der strengen Normanwendung. Diese Ansichten setzen sich nicht durch.

Lit.: Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967; Riebschläger, K., Die Freirechtsbewegung, 1968; Moench, D., Die methodologischen Bestrebungen der Freirechtsbewegung, 1971; Schlosser, H., Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte, 8. A. 1996; Bartels-Ishikawa, A., Theodor Sternberg, 1998

freie Stadt ist die von der ursprünglich bestehenden Herrschaft des Bischofs frei (und damit reichsunmittelbar) gewordene Stadt (Regensburg 1255-1800, Straßburg 1263-1681, Speyer 1294-1801, Worms 1247/73-1801, Mainz 1244/1331-1462, Köln 1288/1475-1801, Bremen 1541/1646, Hamburg 1510-1768, Bescançon 1290/1364-1648, Metz 1180/1210-1552, Toul 1271/8-1552, Verdun 1156-1552, Cambrai 12. Jh. - 1552) des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation). Die Benennung als f. S. wird seit der Mitte des 14. Jh.s, die Benennung als (freie) Reichsstadt am Ende des Mittelalters üblich.

Lit.: Arnold, W., Verfassungsgeschichte der deutschen Freistädte, 1854; Landwehr, G., Die Verpfändung der deutschen Reichsstädte, 1967

Freigelassener ist der von seinem Herrn durch Rechtsgeschäft mit der Freiheit begabte Unfreie. Der Freigelassene ist im römischen Recht rechtsfähig, verbleibt aber unter einer Schutzgewalt (Patronat) des bisherigen Herrn. Auch im mittelalterlichen Recht steht der Freigelassene dem Freigeborenen nicht in jeder Hinsicht gleich.

Lit.: Kaser §§ 16 II, 58, 62, 66, 69; Söllner §§ 8, 12, 14; Hübner; Köbler, DRG 21, 35, 68, 78, 88, 98

Freigericht ist eine Bezeichnung für ein im Heiligen Römischen Reich vom Reich abgeleitetes Gericht (bzw. Gebiet eines solchen Gerichts).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Thudichum, F., Geschichte des freien Gerichts Kaichen, 1858

Freigrafschaft ist eine in verschiedenen Teilen des Heiligen Römischen Reiches seit dem 12. Jh. auftretende Art der Grafschaft, deren Herkunft ungeklärt ist. Sie ist vielfach mit der Hochgerichtsbarkeit verknüpft. In Westfalen entsteht aus der F. die -> Feme.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Herold, F., Gogerichte und Freigerichte in Westfalen, 1908; Hömberg, A., Grafschaft, Freigrafschaft und Gografschaft, 1949

Freiheit ist die Möglichkeit der uneingeschränkten Entfaltung. Für viele Menschen besteht bis in das 19. Jh. keine F., weil sie nicht dem Stand der -> Freien (oder des Adels) angehören. Andere erlangen durch Privileg einzelne besondere Freiheiten. Erst in der Französischen Revolution des Jahres 1789 setzt sich unter dem Einfluss der Aufklärung der politische Gedanke einer allgemeinen F. (frz. liberté) des Menschen durch (, welche vermutlich in einem vorgeschichtlichen Urzustand ohne weiteres bestand). Umstritten ist die Erklärung der F. als eines Zustandes des von einem Herrn Geschütztseins. Die Privatrechtswissenschaft des 19. Jh.s geht von einer F. in Grenzen aus.

Lit.: Kaser § 16; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 425; Köbler, WAS; Hölzle, E., Die Idee einer altgermanischen Freiheit vor Montesquieu, 1925; Keller, R. v., Freiheitsgarantien für Person und Eigentum im Mittelalter, 1933; Tellenbach, G., Libertas, 1936; Waas, A., Die alte deutsche Freiheit, 1939; Mayer-Maly, T., Zur Rechtsgeschichte der Freiheitsidee in Antike und Mittelalter, Z. f. öff. Recht 6 (1954), 425; Das Problem der Freiheit, hg. v. Mayer, T., 1955, 4. unv. A. 1981; Reibstein, E., Volkssouveränität und Freiheitsrechte, Bd. 1f. 1972; Hunke, H., Germanische Freiheit im Verständnis der deutschen Rechts- und Verfassungsgeschichtsschreibung, Diss. jur. Göttingen 1972; Klippel, D., Politische Freiheit und Freiheitsrechte im deutschen Naturrecht des 18. Jahrhunderts, 1976; Link, C., Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1979; Pleister, W., Persönlichkeit, Wille und Freiheit im Werk Iherings, 1982; Schott, C., Freiheit und libertas, ZRG GA 104 (1987), 84; Battisti, S., Freiheit und Bindung, 1987; Lübtow, U. v., Die Freiheit, 1988; Die abendländische Freiheit, hg. v. Fried, J., 1991; Roche, J., Libertés publiques, 12. A. 1997; Gesellschaftliche Freiheit und vertragliche Bindung, hg. v. Kervégan, J. u. a., 1998; Cafagna, E., La libertà, 1998; Kukk, A., Verfassungsgeschichtliche Aspekte zum Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit, 2000; Hofer, S., Freiheit ohne Grenen? 2001; Schneider, R., Appetitus libertatis – Mittelalterliches Freiheitsstreben ZRG 119 (2002), 27

Freiheitsrechte ist die Gesamtheit der Rechte des Menschen auf Freiheit in der Entfaltung seiner Persönlichkeit in bestimmter Hinsicht. Die F. werden auf Grund der gegen den Absolutismus gerichteten Aufklärung seit der zweiten Hälfte des 18. Jh.s als Schutzrechte des Einzelnen gegenüber dem Staat verstärkt anerkannt. Seit etwa 1780 werden Freiheitskataloge erstellt. Sie betreffen beispielsweise die Meinung, die Presse, die Lehre, das Gewissen, die Religion oder die Versammlung.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Neumann, F., Freiheitsrechte in Deutschland, 1957; Klippel, D., Politische Freiheit und Freiheitsrechte im deutschen Naturrecht des 18. Jahrhunderts, 1976; Grund- und Freiheitsrechte im Wandel von Gesellschaft und Geschichte, hg. v. Birtsch, G., 1981; Weitzel, J., Das Reichskammergericht und der Schutz von Freiheitsrechten, in: Die politische Funktion des Reichskammergerichts, 1993, 157; Krug, G., Die Entwicklung ökonomischer Freiheitsrechte, 1995

Freiheitsstrafe ist die im Entzug der körperlichen Bewegungsfreiheit durch Zuweisung von Zwangsaufenthalt in Haftanstalten bestehende Strafe. Sie ist im römischen Altertum nur als Begleitfolge anderer Strafen bedeutsam und begegnet auch im Frühmittelalter kaum. Erst im 14. Jh. gewinnt sie in den Städten an Bedeutung. In der Constitutio Criminalis Carolina (1532) wird sie ersatzweise bei kleinem Diebstahl angedroht. Seit dem 16. Jh. werden in England (Bridewell 1555) und dann in den Niederlanden (Amsterdam 1595) aus religiöser Fürsorge Häuser errichtet, in denen zunächst Bettler und Arbeitsflüchtlinge und später auch Straftäter durch Zwangserziehung zur Arbeit angehalten werden können. Im ausgehenden 17. Jh. wird die F. allgemein als sinnvoll anerkannt. Danach wird sie bis in das 20. Jh. zur vorherrschenden Strafe.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 119, 158, 205, 236, 265; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Doleich von Dolsberg, F., Die Entstehung der Freiheitsstrafe, 1928, Neudruck 1970; Hippel, R. v., Die Entstehung der modernen Freiheitsstrafe, 1932; Kröner, W., Freiheitsstrafe und Strafvollzug, 1988; Kleinheyer, G., Freiheitsstrafen, ZRG GA 107 (1990), 102; Stapenhorst, H., Die Entwicklung des Verhältnisses von Geldstrafe zu Freiheitsstrafe seit 1882, 1993; Schidorowitz, M., H. B. Wagnitz und die Reform des Vollzugs, 2000

Freiherr ist der unter dem Grafen stehende niedere Adelige, der dem Baron entspricht.

Freilassung ist in der ständischen Gesellschaft das Rechtsgeschäft, durch welches der Unfreie aus der Unfreiheit entlassen wird, daneben auch die Beendigung eines Freiheitsentzuges. Das römische wie das mittelalterliche Recht kennen verschiedene Formen der F. (-> mancipatio, Schatzwurf, Speergedinge, Freilassungsbrief).

Lit.: Kaser § 16 I; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 21, 57, 71, 88; Fabbrini, F., La manumissio in ecclesia, 1965; Nitschke, A., Die Freilassung, ZRG GA 99 (1982), 220

Freirechtsbewegung -> freie Rechtsschule

Freischöffe ist der Schöffe am Freigericht. -> Feme

Lit.: Kroeschell, DRG 2

Freising ist der Sitz eines um 738 von Bonifatius in Bayern eingerichteten Bistums, das als Hochstift 1220 reichsunmittelbar wird. Nach F. benannt ist das zum eigenen Gebrauch des 1319 in einer Münchener Urkunde erwähnten Fürsprech Rupprecht (von Freising) 1328 geschaffene, in 13 Handschriften überlieferte, auf Schwabenspiegel (um 1275), Augsburger Stadtrecht (1276/81) und Bayerischem Landfrieden von 1300 aufbauende (Freisinger) -> Rechtsbuch, das vorwiegend Strafrecht und Pflichten des Fürsprechers behandelt.

Lit.: Claußen, H., Freisinger Rechtsbuch, 1941; Mass, J., Das Bistum Freising, 1986; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 58

Freistaat ist eine Lehnschöpfung für lat. (F.) res publica. Als F. in Deutschland benennen sich (seit 1918) Bayern und Sachsen.

Freistuhl -> Freigericht

Freiteil (Seelteil) ist der seit dem Altertum von der christlichen Kirche (z. B. Augustinus) vielleicht aus heidnischen Kultbräuchen und philosophischen Gerechtigkeitsvorstellungen allmählich als Kindesteil oder fester Bruchteil (1/5, 1/3) geforderte Anteil an jedem Erbe. Er wird im Frühmittelalter (außer bei Sachsen und Thüringern) übernommen (lat. donatio [F.] reservato usufructu, donatio post obitum) und bildet einen wichtigen Ansatzpunkt für die Zurückdrängung des Anrechts der nächsten Verwandten auf das Erbe. Am Ende des Mittelalters besteht Testierfreiheit.

Lit.: Köbler, DRG 89; Schultze, A., Der Einfluss der Kirche auf die Entwicklung des germanischen Erbrechts, ZRG GA 35 (1914), 75; Bruck, E., Kirchenväter und soziales Erbrecht, 1956

freiwillige Gerichtsbarkeit ist (als Teil der -> Gerichtsbarkeit) eine staatliche Organisation und ein staatliches Verfahren zur amtlichen Hilfe in privatrechtlichen Angelegenheiten. Die f. G. schließt an den Ausdruck (lat. iurisdictio [F.] voluntaria) der justinianischen Digesten (D. 1, 16, 2 principium) an. Sie erwächst aus dem Gedanken herrschaftlicher Fürsorge seit dem Hochmittelalter vor allem in Nachlaßsachen, Vormundschaftssachen, Beurkundungssachen, Liegenschaftsrechtsübertragungen und Aufgeboten. Zuständig werden in Anlehnung an streitige Verfahren die Gerichtsbarkeit, verschiedene Verwaltungsbehörden und die Notare. Allgemeine Vorschriften bringen die preußische Allgemeine Gerichtsordnung (1783) und das deutsche Reichsgesetz über Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (17. 5. 1898).

Lit.: Köbler, DRG 184, 292; Claproth, J., Primae lineae jurisprudentiae extrajudicialis, 1759; Oesterley, F., Versuche aus dem Gebiete der sog. Freiwilligen Gerichtsbarkeit, 1830; Puchta, W., Handbuch des gerichtlichen Verfahrens in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 2. A. 1831f.; Ott, E., Geschichte und Grundlehren des österreichischen Rechtsfürsorgeverfahrens, 1906; Hofmann, K., Die Freiwillige Gerichtsbarkeit (jurisdictio voluntaria) im kanonischen Recht, 1929; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953, 173; Brehm, N., Freiwillige Gerichtsbarkeit, 2. A. 1993; Ausserstreitverfahren, 1996

Freizügigkeit ist das Recht der freien Ortsveränderung. F. besteht nicht für Unfreie und bei fehlendem Zuzugsrecht. Der -> Augsburger Religionsfriede von 1555 gewährt Abzugsfreiheit (für Andersgläubige) gegen Zahlung von Abzugsabgaben, das preußische Allgemeine Landrecht (1794) das Recht zu freier Auswanderung, die Deutsche Bundesakte (1815) F. innerhalb des Bundesgebietes, die Verfassung von 1849 Niederlassungsfreiheit innerhalb des Reichsgebietes und Auswanderungsfreiheit. In den Europäischen Gemeinschaften bzw. in der Europäischen Union gilt die F. der Arbeitnehmer bzw. die Niederlassungsfreiheit für die Angehörigen der Mitgliedsstaaten.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Scheuner, U., Die Auswanderungsfreiheit, FS R. Thoma 1950, 199

Fremder im Verhältnis zu einer Personengemeinschaft ist jener Mensch, der nicht der Personengemeinschaft angehört. Er ist rechtlos (Feind), kann aber als Gast in das Recht aufgenommen werden. In Rom entwickelt sich für die freien Nichtbürger das besondere (lat.) -> ius (N.) gentium (Fremdenrecht). Im Frühmittelalter verbietet Karl der Große 802, dem Fremden das Gastrecht vorzuenthalten. Die territoriale Rechtspartikularisierung des Hochmittelalters ist dem Fremden nicht günstig. Dagegen verlangt das frühneuzeitliche Naturrecht die völlige Gleichstellung des Fremden mit dem Einheimischen. Der Nationalstaat des 19. Jh.s lehnt Fremde grundsätzlich ab. 1871 werden alle Deutschen im Deutschen Reich zu Inländern. Wegen des starken Zustroms von Fremden infolge internationaler Mobilisierung in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s werden detaillierte Ausländergesetze nötig.

Lit.: Söllner §§ 6, 7, 8, 9; Hübner 83, 460; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 71, 88, 120; Köbler, WAS; Bar, L. v., Das Fremdenrecht und seine volkswirtschaftliche Bedeutung, 1892; L’Étranger, 1958; Scholla, P., Untersuchungen zur Rechtsstellung der Fremden in der Schweiz des 19. Jahrhunderts, Diss. jur. Freiburg i. Ü. 1987; Die Begegnung mit dem Fremden, hg. v. Schister, M., 1996; Seiring, C., Fremde in der Stadt (1300-1800), 1999; Cavallar, F., The rights of strangers, 2002

Frevel ist im mittelalterlichen Recht die Waghalsigkeit, die eine Untat bedeuten kann und die sich daraus ergebende Rechtsfolge (Geldstrafe).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, WAS; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 48, Neudruck 1964; Ruoff, W., Die Züricher Räte als Strafgericht, Diss. jur. Zürich 1941

Friedberg, Emil (Konitz 22. 12. 1837 - Leipzig 7. 9. 1910), Sohn eines 1824 zur evangelischen Kirche übergetretenen Richters, wirkt als Professor für Kirchenrecht, Staatsrecht und Handelsrecht in Halle (1865), Freiburg im Breisgau (1868) und Leipzig (1873). Politisch tritt er für die Trennung von Staat und Kirche und die Aufsicht des Staates über die Kirche ein. Bedeutsam sind seine kirchenrechtsgeschichtlichen Editionen (-> Corpus iuris canonici, 1879ff., Neudruck 1955, Quinque compilationes antiquae, 1882, Neudruck 1956, Canonessammlungen zwischen Gratian und Bernhard von Pavia, 1897, Neudruck 1958).

Lit.: Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 283

Friedberg-Scheer -> Thurn und Taxis

Friede ist der Zustand ungestörter Ordnung, in dem sich niemand der Gewalt bedient, um seine besonderen Interessen zu verwirklichen. Der F. innerhalb des Volkes ist zunächst die Aufgabe aller einzelnen, erst im Laufe des Mittelalters drängt der Staat mit Unterstützung der Kirche (-> Gottesfriede) die -> Fehde durch die Durchsetzung des Gewaltmonopols (-> Strafrecht, -> Polizeirecht) zurück. Außerhalb des Volkes bildet der -> Krieg zweier oder mehrerer Völker den Gegensatz zum Frieden. Zur Beendigung des Krieges bedarf es grundsätzlich eines (völkerrechtlichen) Friedensvertrages (z. B. Friede von Münster und Osnabrück 1648).

Lit.: Köbler, DRG 84; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 543; Köbler, WAS; Osenbrüggen, E., Der Hausfrieden, 1863, Neudruck 1968; Prutz, H., Die Friedensidee im Mittelalter, SB. d. Akad. d. Wiss. München, 1920; Nestle, W., Der Friedensgedanke in der antiken Welt, 1938; Wiesenthal, F., Die Wandlung des Friedensbegriffs, Diss. phil. München 1949; Achter, V., Über den Ursprung des Gottesfriedens, 1955; Hattenhauer, H., Die Bedeutung der Gottes- und Landfrieden für die Gesetzgebung in Deutschland, Diss. jur. Marburg, 1958; La Paix, 1961, Recueils de la Société Jean Bodin 15; Dickmann, F., Der Westfälische Frieden und die Reichsverfassung, 1965; Rabe, H., Der Augsburger Religionsfriede 1550-1600, 1976; Renna, T., The Idea of Peace, Journal of Medieval History 6 (1980) 143; Ermacora, F., Der unbewältigte Friede. St. Germain und die Folgen, 1989; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994; Erkens, M., Die französische Friedensgerichtsbarkeit, 1994; Träger und Instrumentarien des Friedens, hg. v. Fried, J., 1996; Tuck, R., The rights of war and peace, 1999; Kamp, H., Friedensstifter und Vermittler im Mittelalter, 2001; Schmidt, K., Friede durch Vertrag, 2002

Friedelehe ist (nach umstrittener Ansicht) die durch bloße Vereinbarung der Brautleute (und Aufnahme einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft) geschlossene Ehe (des mittelalterlichen Rechts), bei welcher der Mann im Gegensatz zur Eheschließung unter Mitwirkung des Vaters der Braut keine Personengewalt (munt) über seine Friedel (Geliebte) gewinnt. Ihre tatsächliche Bedeutung ist unsicher. Möglicherweise geht die morganatische Ehe des Adels auf die F. zurück.

Lit.: Hübner 642; Köstler, R., Raub-, Kauf- und Friedelehe bei den Germanen, ZRG GA 63 (1943), 92; Meyer, H., Friedelehe und Mutterrecht, ZRG GA 47 (1927), 198; Esmyol, A., Geliebte oder Ehefrau?, 2002

Friedensgeld -> fredus

Friedensgericht

Lit.: Erkens, M., Die französische Friedensgerichtsbarkeit in den Rheinlanden, 1994

Friedensgesetzgebung -> Landfriede

Friedensvertrag ist der den Kriegszustand zwischen mehreren Staaten beendende völkerrechtliche Vertrag (z. B. F. zwischen Ägyptern und Hethitern 1270 v. Chr., F. zwischen Rom und Karthago 201 v. Chr., F. von Troyes 1420, F. von Münster und Osnabrück 1648, F. von Nimwegen 1678/9, F. von Rijswijk 1697, F. von Lunéville 1801, F. von Versailles 1919, F. von St. Germain 1919).

Lit.: Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994

Friedhof ist der Ort, an welchem die Toten bestattet werden. Die Totenbestattung geschieht anfangs nach unterschiedlichem Brauchtum (Hügelgräber, Reihengräberfelder). Mit der Christianisierung entwickelt sich der F. um die Kirche, auf dem Verbrechern, Selbstmördern, Ketzern oder Fremden die Bestattung verweigert wird. Mit der neuzeitlichen Bevölkerungszunahme wird der F. an den jeweiligen Ortsrand verlegt. Es werden besondere Satzungen oder Ordnungen zur rechtlichen Regelung des Friedhofswesens geschaffen.

Lit.: Cohen, G., Der jüdische Friedhof, 1930; Derwein, H., Geschichte des christlichen Friedhofs, 1931; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957; Gaedke, J., Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 6. A. 1992; Fischer, N., Vom Gottesacker zum Krematorium, 1996

Friedlosigkeit ist im mittelalterlichen Recht vermutlich der Zustand des Ausgestoßenseins aus der Rechtsgemeinschaft. Wer friedlos ist, darf bußlos getötet werden. Das tatsächliche Vorkommen der F. ist nicht gut bezeugt. -> Acht, -> Gottesfriede, -> Landfriede

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 71, 87; Wilda, W., Das Strafrecht der Germanen, 1842; Brunner, H., Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 1f. 2. A. 1906ff.; Kaufmann, E., Zur Lehre von der Friedlosigkeit im germanischen Recht, Gedächtnisschrift H. Conrad 1980, 32

Friedrich I. -> Friedrich I. Barbarossa

Friedrich II. (Iesi bei Ancona 26. 12. 1194 - Castel Fiorentino bei Lucera 13. 12. 1250), Sohn des Staufers Heinrich VI. und Konstanzes von Sizilien sowie Enkel -> Friedrich Barbarossas, wird 1196/1212 deutscher König. Er errichtet in Sizilien mit Hilfe rechtlicher Regelungen (Assisen von Capua 1220, Konstitutionen von Melfi 1231) eine fortschrittliche Verwaltung. Im Reich verbrieft er die von den Fürsten errungenen Rechte (-> Confoederatio cum principibus ecclesiasticis, 1220, -> Statutum in favorem principum, 1231). Seine Mitwelt versetzt er als (lat.) stupor (M.) mundi in vieler Hinsicht in Erstaunen.

Lit.: Köbler, DRG 94, 101, 106, 108; Ipser, K., Kaiser Friedrich der Zweite, 1977; Federico II, 1980; Stupor mundi, hg. v. Wolf, G., 2. A. 1982; Wolf, G., Kaiser Friedrich II. und das Recht, ZRG RA 102 (1985); Martino, F., Federico II, 1988; Lammers, W., Friedrich II. (1212-1250), in: Kaisergestalten des Mittelalters, hg. v. Beumann, H., 3. A. 1991, 199; Stürner, W., Friedrich II., 1992; Federico II., hg. v. Toubert, P., 1994; Rösch, E./Rösch, G., Kaiser Friedrich II., 1995; Friedrich II., hg. v. Esch, A. u. a., 1996; Sommerlechner, A., Stupor mundi?, 1999; Kaiser Friedrich II., hg. v. Eickels, K. van, 1999; Kaiser Friedrich II., hg. v. Eickels, K. v. u. a., 2000; Stürner, W., Friedrich II., 2. A. 2003

Friedrich I. Barbarossa (Rotbart) (nach 1122 - Kleinasien 10. 6. 1190) aus der Familie der -> Staufer ist der zwischen 1152 und 1190 im deutschen Reich herrschende König. Er führt 1156 im sog. (lat.) -> privilegium minus einen Ausgleich zwischen Staufern und -> Welfen herbei, indem er den Welfen das 1138 vom König entzogene Herzogtum -> Bayern, vermindert um das verselbständigte Herzogtum -> Österreich, zurückgibt. 1158 lässt er auf dem Reichstag von Roncaglia die -> Regalien durch Juristen feststellen. Durch Landfriedensgesetze geht er gegen Rechtsbruch vor. Eine konstante römisch-rechtliche, Rechtsdenken oder Rechtspraxis prägende Komponente lassen seine Urkunden noch nicht erkennen. Unter ihm beginnt die Zerschlagung der dem König zu mächtigen Herzogtümer in die das Reich letztlich auflösenden -> Länder.

Lit.: Köbler, DRG 94, 101, 106; Die Urkunden Friedrichs I., hg. v. Appelt, H., Bd. 1ff 1975ff.; Friedrich Barbarossa, hg. v. Haverkamp, A., 1992; Kaiser Friedrich Barbarossa, hg. v. Engel, E./Töpfer, B., 1994; Opll, F., Friedrich Barbarossa, 3. A. 1998; Plassmann, A. Die Struktur des Hofes, 1998; Richter, K., Friedrich Barbarossa hält Gericht, 1999; Görich, K., Die Ehre Friedrich Barbarossas, 2001

Friedrich II. der Große (Berlin 24. 1. 1712 - Potsdam 17. 8. 1786) ist der bedeutendste König in Preußen (1740-86). Seine militärischen Erfolge (Eroberung Schlesiens von Österreich) begründen Preußens Stellung als Großmacht in Europa. Die Schaffung des preußischen Allgemeinen Landrechts (1794) geht maßgeblich auf den dem aufgeklärten Absolutismus (1740/54 Abschaffung der Folter, planvolle Kriminalpolitik, Bauernschutz) verpflichteten Monarchen zurück.

Lit.: Ritter, G., Friedrich der Große, 1936; Jessen, H., Friedrich der Große und Maria Theresia, 1965; Merten, D., Der Katte-Prozess, 1980; Hubatsch, W., Friedrich der Große und die preußische Verwaltung, 2. A. 1982; Schieder, T., Friedrich der Große, 1983; Aretin, K. Frhr. v., Friedrich der Große, 1985; Friedrich der Große und seine Zeit, hg. v. Hauser, O., 1987; Duffy, C., Friedrich der Große, 1994

Friese ist der Angehörige eines an der Nordsee siedelnden, im 1. Jh. n. Chr. durch Plinius erwähnten germanischen Volkes. 734/85 werden die Friesen von den -> Franken unterworfen. Um 802 wird in der -> Lex Frisionum ihr Recht aufgezeichnet. Dem folgen im Hochmittelalter zahlreiche weitere Quellen des -> friesischen Rechts. 1464 wird Ostfriesland zu einer Reichsgrafschaft erhoben. Im ausgehenden 20. Jh. sprechen noch rund 300000 Menschen in Deutschland und den Niederlanden die friesische Sprache.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 76; Köbler, Historisches Lexikon; Die Friesen, hg. v. Borchling, C. u. a., 1931; Schmidt, H., Politische Geschichte Ostfrieslands, 1975

friesisches Recht ist das Recht der Friesen. Es begegnet zuerst in der -> Lex Frisionum (um 802). Vielleicht seit dem 11. Jh. entwickeln die Friesen 17 Küren, 24 Landrechte, 7 Überküren und die Wundtaxen, die in 16 nach 1276 einsetzenden Handschriften und einem Druck von 1485 (?) teils amtlich, teils nichtamtlich in meist friesischer Sprache für das gemeinfriesische Gebiet aufgezeichnet werden. Daneben stehen für einzelne Landschaften etwa die Westerlauwerschen Schulzenrechte (Westfriesland 12. Jh.), die Hunsigoer Küren (Hunsigo, nördlich von Groningen, 1252), das Rüstringer Recht (Rüstringen, westlich der Wesermündung 12./13. Jh.), das Brokmer Recht (Brokmerbrief, um Aurich 1300-45), das Emsiger Pfennigschuldbuch (1300) und verschiedene Beliebungen (-> Siebenhardenbeliebung 1426). In der ersten Hälfte des 13. Jh.s verfasst ein Geistlicher ein auf Rudolf von Schwaben bezogenes Rechtsbuch (Rudolfsbuch). Im 14. und 15. Jh. entstehen unter Einfluss der gelehrten Rechte Processus iudicii, Jurisprudentia Frisica und die Excerpta Legum. Ergänzt werden die allgemeinen Bestimmungen durch rund 1300 Urkunden der Jahre 1329 bis 1573.

Lit.: Richthofen, K. v., Friesische Rechtsquellen, 1840, Neudruck 1960; His, R., Die Überlieferung der friesischen Küren und Landrechte, ZRG GA 20 (1899), 39; His, R., Das Strafrecht der Friesen im Mittelalter, 1901; Trägert, H., Familienerbe in Friesland, 1937; Gerbenzon, P., Excerpta Legum, 1956; Buma, W./Ebel, W., Das Rüstringer Recht, 1963; Köbler, G., Verzeichnis der Übersetzungsgleichungen früher friesischer Quellen, 1974; Gerbenzon, P., Apparaat voor de Studie van oudfries Recht, 1981; Köbler, G., Altfriesisch-neuhochdeutsches und neuhochdeutsch-altfriesisches Wörterbuch, 1983

Frist ist der bestimmte oder bestimmbare Zeitraum. Die F. spielt in jeder Gesellschaft, in welcher die Zeit berechnet werden kann, eine Rolle. Für die Germanen wird in diesem Zusammenhang davon berichtet, dass sie nach Nächten zählen und den Zeitpunkt der Versammlung nach Vollmond und Neumond bestimmen. Mit der Verrechtlichung aller Lebensverhältnisse gewinnt die genaue Bestimmung von Fristen (z. B. für Leistungen, Prozesshandlungen, Verjährung usw.) ein immer größeres Gewicht.

Lit.: Köbler, DRG 235; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 2 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 505; Ziegeltrum, A., Grundfälle zur Berechnung von Fristen, JuS 1986, 705; Schmitz, M., Die Fristberechnung nach römischem Recht, 2002

Fristenlösung -> Abtreibung

Fron ist (als Ableitung zu ahd. fro [M.] Herr) im mittelalterlichen deutschen Recht der (Dienst in) Bezug auf einen Herren. -> Fronbote, Frondienst

Fronbote ist im mittelalterlichen deutschen Recht der Gehilfe eines Richters für tatsächliche Aufgaben (Botendienste, Wachdienste, Vollstreckungen). Nach dem Sachsenspiegel (1221-4) steht er nach Wahl durch den Richter auf Lebenszeit im Dienst des Königs und ist durch doppelte Buße geschützt. Ihm entsprechen Büttel, Scherge oder Weibel.

Lit.: Eckert, C., Der Fronbote im Mittelalter, 1897; Peters, W., Bezeichnungen und Funktionen des Fronboten, 1991

Frondienst ist im Mittelalter und in der frühen Neuzeit vor allem der einem Grundherrn oder Gerichtsherrn zu erbringende Dienst (z. B. Pflügen, Säen, Eggen, Ernten, Mahlen, Backen, Brauen, Spinnen, Weben, Fahren, Reiten, Bauen usw.). Der sog. gemessene F. umfasst selten mehr als die Hälfte der jährlichen Arbeitszeit. Seit dem Frühmittelalter geht der tatsächlich geleistete F. zurück und wird bis zur Mitte des 19. Jh.s beseitigt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Siebeck, O., Der Frondienst als Arbeitssystem, 1904; Dopsch, A., Herrschaft und Bauer in der deutschen Kaiserzeit, 1939, 46ff.; Abel, W., Geschichte der deutschen Landwirtschaft, 1962, 93ff., 126ff.; Kuchenbuch, L., Bäuerliche Gesellschaft und Klosterherrschaft, 1978, 124; Rösener, W., Bauern im Mittelalter, 3. A. 1987, 25ff.

Fronhof ist der Haupthof des Grundherrn in der mittelalterlichen -> Grundherrschaft. Er wird vom Grundherrn selbst oder durch Verwalter bewirtschaftet. Zu ihm gehört das umgebende Salland (Herrenland). Seit dem Hochmittelalter verliert der F. mit dem Übergang zur -> Rentengrundherrschaft einerseits und zur -> Gutsherrschaft andererseits seine Bedeutung und verschwindet mit der Beseitigung der Grundherrschaft im 19. Jh. gänzlich.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 77, 96; Maurer, G. v., Geschichte der Fronhöfe, Bd. 1ff. 1862f., Neudruck 1961; Kötzschke, R., Salhof und Siedelhof, 1953

Fronung  ist im mittelalterlichen deutschen Recht die öffentliche -> Beschlagnahme von Gegenständen im Zuge der Zwangsvollstreckung (zugunsten des Königs). In der (lat. [F.]) Capitulatio de partibus Saxoniae (782/5) wird die F. angeordnet, falls ein Verurteilter ein Urteilserfüllungsgelöbnis mangels eines Bürgen nicht ablegen kann, in einem weiteren Kapitular (803), falls der Beklagte auf viermalige Ladung nicht vor Gericht erscheint. Im Hochmittelalter ist die F. nur in Ostfalen (Sachsenspiegel, Stadtrechte) gebräuchlich. Im 16. Jh. ist sie allgemein geschwunden.

Lit.: Planitz, H., Die Fronung, ZRG GA 78 (1961), 39ff.

Frostathingslög ist das in 16 Teile gegliederte Rechtsbuch des um den Drontheimfjord gelegenen norwegischen Gebiets, dessen erhaltener Text durch eine zwischen 1260 und 1269 entstandene, 1728 verbrannte Handschrift überliefert ist (Frostothingsbok). Der F. geht die -> Gragas voraus. Ihrerseits ist sie Vorbild für -> Jarnsida und für das Reichsrecht König Magnus Hakonarsons (1274).

Lit.: Meissner, R., Germanenrechte, 1939; Sveaas Andersen, P., Samlingen av Norge, 1977

Frucht (lat. [M.] fructus) ist das Erzeugnis (z. B. Kalb) einer Sache (z. B. Kuh) und die sonstige ihrer Bestimmung gemäß aus ihr gewonnene Ausbeute (z. B. Sand) sowie der seiner Bestimmung gemäß aus einem Recht gewonnene Ertrag (z. B. Dividende). Im klassisch-römischen Recht wird die F., zu der nicht das Kind der Sklavin und auch nicht der Zins für ein Kapital zählen, (erst) mit der Trennung von der Muttersache rechtlich selbständig. Sie wird Eigentum des Eigentümers der Muttersache, sofern diesem nicht ein anderer Berechtigter (z. B. Erbpächter) vorgeht. Im mittelalterlichen deutschen Recht fällt die natürliche F. grundsätzlich demjenigen zu, der die zu ihrer Gewinnung erforderlichen Aufwendungen erbracht hat. Mit der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter dringen die romanistischen Regeln ein.

Lit.: Kaser § 18 III; Hübner 463; Köbler, DRG 39; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, § 55

fructus (lat. [M.]) -> Frucht

Frühkapitalismus ist die Anfangsstufe des -> Kapitalismus am Beginn der frühen Neuzeit (z. B. Fugger, Welser).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 134; Baltl/Kocher 109, 145; Sombart, W., Der moderne Kapitalismus, Bd. 2 1916; Trusen, H., Spätmittelalterliche Jurisprudenz und Wirtschaftsethik, 1961

Frühkonstitutionalismus ist die eine Verfassung (Konstitution) erstrebende politische Bewegung des beginnenden 19. Jh.s (nach französischem Vorbild Bayern 1818, Baden 1818, Württemberg 1819, Hessen-Darmstadt 1820).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Brandt, H., Der deutsche Frühkonstitutionalismus, in: Hessen, 1997, 39;

Frühmittelalter ist der etwa zwischen dem Untergang des weströmischen Reiches (476 n. Chr.) und dem (Aussterben der ostfränkischen Karolinger [911] bzw. dem) -> Investiturstreit (1076) liegende Abschnitt des Mittelalters.

Lit.: Köbler, DRG 75; Köbler, G., Civis und ius civile im deutschen Frühmittelalter, Diss. jur. Göttingen 1964; Schneider, R., Königswahl und Königserhebung im Frühmittelalter, 1972; Bund, K., Thronsturz und Herrscherabsetzung im Frühmittelalter, 1979; Prinz, F., Von Konstantin zu Karl dem Großen, 2000

frühneuhochdeutsch ist die zwischen 1350 und 1650 gesprochene neuhochdeutsche Sprache.

Lit.: Götze, A., Frühneuhochdeutsches Glossar, 7. A. 1967; Frühneuhochdeutsches Wörterbuch, hg. v. Anderson, R. u. a., Bd. 1ff. 1986ff.;Baufeld, C., Kleines frühneuhochdeutsches Wörterbuch, 1996

Frührezeption (des römischen Rechts) ist der erste zeitliche Abschnitt der Aufnahme (-> Rezeption) des römischen Rechts in mittelalterliche Rechtsordnungen. Angesichts der Übernahme römischrechtlicher Vorstellungen bereits in frühmittelalterliche Volksrechte lässt sich von F. schon für das Frühmittelalter sprechen. In einem engeren Sinn schließt F. aber erst an die Wiederaufnahme der Beschäftigung mit dem justinianischen Rechtstexten seit dem ausgehenden 11. Jh. an.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Hageneder, O., Zur Frührezeption des römisch-kanonischen Prozessverfahrens im Lande ob der Enns, FS K. Pivec, 1966, 131; Köbler, G., Zur Frührezeption der consuetudo, Hist. Jb. 89 (1969), 337

Frühsozialismus ist der erste zeitliche Abschnitt des Sozialismus. Er lässt sich in seinem Beginn in die Mitte des 16. Jh.s setzen. Er endet um 1848. Seine Zielsetzungen sind zumindest anfangs noch sehr allgemein und unterschiedlich.

Lit.: Der Frühsozialismus, hg. v. Ramm, T., 2. A. 1968; Heis, R., Das Recht im frühen Sozialismus, Diss. jur. Innsbruck 1995

Fuero (zu lat. [N.] forum, Markt, Gericht) bzw. foro oder fur ist in -> Spanien das teilweise bis in das 20. Jh. geltende landschaftliche Recht des Hochmittelalters (im engeren Sinn das aufgezeichnete Stadtrecht). Besonders in Aragón und Valencia steht der besondere F. im Gegensatz zum allgemeinen Recht. Der Name F. erwächst erst allmählich. Die ersten überlieferten Fueros sind nicht umfangreich. Von besonderer Bedeutung ist die Bewahrung von aus dem westgotischen Volksrecht (-> Lex Visigothorum) rührendem germanistischem Rechtsgut. Unterscheiden lassen sich vor allem Privilegien, Urkunden über Abgaben und Stadtrechte.

Lit.: Wohlhaupter, E., Die localen Fueros Aragons und ihre Verbreitung, FS E. Heymann, 1940, 108; Hierneis, O., Das besondere Erbrecht der sog. Foralrechtsgebiete Spaniens, 1966; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973, 681; Suárez Bilbao, F., El fuero judiego en la Espana cristiana, 2000

Fuero de Aragón ist diejenige Sammlung von Gesetzen oder Verordnungen, welche besonders Aragón betreffen. Den Auftrag hierzu erteilt König Jakob I. an den Bischof von Huesca und ehemaligen Bologneser Scholasten Vidal de Canellas. Von dessen zwei Kompilationen billigen die Cortes von Huesca 1247 die kleinere, weniger romanistische. 1283 wird sie in das vom Adel König Peter III. abgerungene (span.) Privilegio general (allgemeine Privileg) aufgenommen. Im 14. und frühen 15. Jh. wird sie um je ein Buch der vier in dieser Zeit herrschenden Könige erweitert.

Lit.: Wohlhaupter, E., Die localen Fueros Aragóns, FS E. Heymann, 1940, 108; Lalinde Abadía, J., Los Fueros de Aragón, 1976

Fuero de Burgos ist ein die Hauptstadt der Grafschaft -> Kastilien betreffender Text des spanischen Rechts.

Lit.: Martínez Díez, G., Fueros en el territorio de la provincia de Burgos, 1982

Fuero de Cuenca ist ein Fuero des spanischen Rechts im Königreich Leon und Navarra, den König Alfons VIII. (1189/1190 oder in der ersten Hälfte des 13. Jh.s) der 1177 zurückeroberten Stadt Cuenca gewährt.

Fuero de Francos ist der 1095 von König Alfons VI. von Kastilien dem Dorf Logroño bei der Erhebung zur Stadt verliehene Fuero des spanischen Rechts, der später auch anderen Städten gewährt wird (Miranda 1099, Toledo).

Fuero de Jaca ist das 1063 von Sancho Ramírez bei der Erhebung des Ortes von einer villa zu einer Stadt verliehene Recht von -> Jaca.

Lit.: Molho, M., El Fuero de Jaca, 1964

Fuero de la Novenera ist eine Sammlung des aragonesisch-navarrischen Gewohnheitsrechts, in welche auch bäuerliches Gewohnheitsrecht Eingang findet.

Fuero de León ist ein von 1017(-20) stammender, sich selbst als (lat. [N.]) Decretum bezeichnender Text des spanischen Rechts aus dem Königreich -> Leon. Er geht auf Alfons V. zurück. Seine ersten 20 Artikel betreffen das ganze Land, die übrigen 28 nur einzelne Orte.

Lit.: García-Gallo, A., El fuero de Léon, AHDE 39 (1969), 5

Fuero del trabajo ist das 1938 erlassene, 1967 abgeänderte Arbeitsgesetzbuch -> Spaniens.

Fuero de Madrid ist das Recht von -> Madrid.

Lit.: Sánchez, G., El Fuero de Madrid, in: El Fuero de Madrid, 2. A. 1963

Fuero de Sepulveda ist ein in einem Privileg König Alfons VI. von Kastilien (1072-1109) enthaltener Fuero des spanischen Rechts der südlichen Grenzgebiete des Königreiches Kastilien, den die Könige Alfons I. und Alfons II. von Aragón auch in Teilen Aragoniens einführen.

Fuero de Soria ist das Recht von Soria in Kastilien.

Lit.: Sánchez, G., Historia del Fuero de Soria, in: Fueros castellanos de Soria de Léon y Castilla, 1919, 227

Fuero de Toledo ist der diejenigen städtischen Privilegien Toledos zusammenfassende Fuero des spanischen Rechts, welche allen Bewohnern gemeinsam sind. Er folgt dem nach der Eroberung 1085 gewährten Fuero de Juzgo (der [westgotischen] Mozaraber) bzw. Fuero der Kastilier bzw. Fuero de Francos nach.

Lit.: García-Gallo, G., Los Fueros de Toledo, AHDE 45 (1975), 341

Fuero de Zaragoza ist ein Fuero des spanischen Rechts, der die Interessen der sog. Infanzones (ritterlichen Adligen) stärker berücksichtigt als die der Bürger.

fuero ecclesiastico (span.) kirchliche Gerichtsbarkeit in Spanien

Fuero general ist eine umfassende private Sammlung des spanischen Gewohnheitsrechts des Adels und seiner Bauern in Aragón und Navarra aus dem 13. Jh.

Fuero Juzgo ist die in verschiedenen Fassungen in das Kastilische übertragene (lat.) -> Lex (F.) Visigothorum, welche auch nach der Zerstörung des Westgotenreiches in Spanien durch die Araber für die unterworfenen Westgoten (Mozaraber) gilt. Der F. J. ist auch das von der königlichen Rechtsprechung des vereinigten Königreiches von Leon und Navarra in Leon - nicht in Kastilien - angewendete Recht. Nach 1240 verleiht König Ferdinand III. den zwölfteiligen F. J. an eroberte Städte in Andalusien und Levante (Córdoba, Sevilla, Jaén, Murcia, Alicante, Jerez). 1263 wird der F. J. von König Alfons X. in den -> Fuero real (bzw. den Libro de las Leyes) modernisiert.

fuero militar (span.) Militärgerichtsbarkeit in Spanien

fuero municipal (span.) Stadtrecht in Spanien

Fuero real (bzw. Libro de las Leyes) ist der 1255 oder 1263 von König Alfons X. dem Weisen von Leon und Navarra aus dem -> Fuero Juzgo modernisierte -> Fuero des spanischen Rechts. Er paßt den aus der frühmittelalterlichen (lat.) Lex (F.) Visigothorum entwickelten Fuero Juzgo den hochmittelalterlichen Bedürfnissen an und nimmt verschiedene römischrechtliche und kirchenrechtliche Sätze auf. Er ist in vier Bücher gegliedert (Verfassung, Verfahren, Familie, Erbe und Schulden sowie Strafe). Er wird bestimmten Städten in Leon und Kastilien (Valladolid 1255, Madrid 1262) sowie Burgos und Soria verliehen, doch muss der König 1272 die Fortgeltung der alten städtischen Fueros anerkennen. Von ihnen werden viele bis 1340 neu aufgezeichnet.

Lit.: Martínez Díez, G., Leyes de Alfonso X.: Fuero Real, 1988

Fuero viejo de Castilla ist eine umfassende private Zusammenstellung des kastilischen Gewohnheitsrechts. Eine um 1248 entstandene Fassung ist unsystematisch. Der F. v. d. C. erhält seine endgültige systematische und in fünf Bücher gegliederte Gestalt um 1356. Seine wichtigste Quelle ist der Libro de los Fueros.

Lit.: García González, F., El fuero viejo assistemático, AHDE 41 (1971), 767

Fugger sind die Angehörigen einer 1367 in Augsburg als Weber genannten Familie, welche in der Linie von der Lilie durch die Fuggersche Handelsgesellschaft, das Kupfermonopol und den Ablaßhandel Weltgeltung erreichen. Als Bankiers der Päpste und der Habsburger erlangen sie 1504 den Adel und 1511 den Grafenrang und finanzieren die Wahl Karls V. zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation). Sie bilden ein anschauliches Beispiel des -> Frühkapitalismus.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Pölnitz, G. Frhr. v., Die Fugger, 6. A. 1999; Lutz, E., Die rechtliche Struktur süddeutscher Handelsgesellschaften, 1976; Nebinger, G./Rieber, A., Genealogie des Hauses Fugger, 1978; Tietz-Strödel, M., Die Fuggerei, 1982; Mandrou, R., Die Fugger, 1997

Führer ist der von Adolf -> Hitler im Nationalsozialismus beanspruchte Rang. Er steht außerhalb der Verfassung. Er vereinigt nacheinander unterschiedliche Verfassungsstellungen (Reichskanzler, Reichspräsident). Sein Wille wird als Gesetz angesehen. Nach dem Prinzip des Führers wird das -> Dritte Reich organisiert.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 222, 226, 229; Das deutsche Führerlexikon, 1934; Fauser, M., Das Gesetz im Führerstaat, Arch. f. öff. Recht 1965, 129; Majer, D., Grundlagen des nationalsozialistischen Rechtssystems, 1987; „Führer – Erlasse – 1939-1945“, hg. v. Moll, M., 1997

Führungsschicht ist die politische oder geistig führende Gruppe von Menschen einer bestimmten Gesellschaft. Im Mittelalter stellt der Adel die F. In der Aufklärung tritt der Bürger hinzu. In der Gegenwart wird die allgemeine Meinung in erheblichem Maß durch die Medien Zeitung und Fernsehen bestimmt, deren Träger die Führung mitgestalten.

Lit.: Preradovich, N. v., Die Führungsschichten in Österreich und Preußen 1804-1918, 1955; Deutsche Führungsschichten in der Neuzeit, hg. v. Hofmann, H. u. a., 1980; Wildenmann, R. u. a., Führungsschicht in der Bundesrepublik Deutschland, 1981, 1982; Rösch, G., Der venezianische Adel, 1989

Fulda ist eine am 12. 3. 744 von dem Schüler Sturmi des Bonifatius in Hessen gegründete, 765 reichsunmittelbar (Reichsabtei) werdende Abtei mit sehr großer Grundherrschaft und bedeutender Schriftkultur. Die 1723/34 gegründete Universität wird bald nach der Säkularisation (1802) aufgehoben.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Urkundenbuch des Klosters Fulda, Bd. 1 1913; Jäger, B., Das geistliche Fürstentum Fulda in der frühen Neuzeit, 1986; Theisen, F., Mittelalterliches Stiftungsrecht, 2002

Fund ist das Entdecken und Ansichnehmen einer verlorenen beweglichen Sache eines anderen. Der Eigentümer muss dem Finder nach einzelnen mittelalterlichen Rechtsquellen einen Lohn zahlen. Meldet sich der Eigentümer innerhalb einer Frist (nach Aufgebot) nicht, so fällt die Sache teils an den Finder, teils an den König, Kirche, Gemeinde oder Grundherrn, seit der Neuzeit an den Finder.

Lit.: Hübner 457; Hübner, J., Der Fund, 1914

fur (lat. [M.]) ist im römischen Recht der -> Dieb. Der auf frischer Tat ertappte freie Dieb (lat. [M.] f. manifestus) darf im altrömischen Recht getötet werden und wird später als Sklave zugesprochen, der unfreie f. manifestus darf vom tarpeischen Felsen gestürzt werden. Jeder andere f. hat das Doppelte des Wertes zu leisten und wird infam.

Lit.: Kaser §§ 32 II, 51 I

furiosus (lat. [M.]) ist im römischen Recht der -> Geisteskranke, der ohne weiteres geschäftsunfähig und deliktsunfähig ist und einen (lat. [M.]) curator (Pfleger) hat.

Lit.: Kaser § 14 IV

Fürkauf ist im 13. bis 16. Jh. der Vorkauf (zwecks künstlicher Verknappung und Verteuerung).

Lit.: Hof, H., Wettbewerb im Zunftrecht, 1983

Furs de Valencia sind die nach 1240 abgefassten ->  Fueros (Gesetze bzw. Verordnungen) des Königreichs von Valencia des spanischen Rechts, die in einer 1330 entstandenen, völlig romanisierten Fassung Alfons’ IV. bekannt sind. 1482 wird eine erweiterte, chronologisch geordnete Sammlung von Gabriel de Riucech unter dem Titel Furs e ordinacions de València veröffentlicht, 1707 wird der F. d. V. von König Philipp V. abgeschafft. 1708 werden die Fueros alfonsinos in Valencia für weitergeltend erklärt.

Lit.: MA Barrero, A., El Derecho romano en los Furs de Valencia de Jaime I, AHDE 41 (1971), 639

fur (M.) manifestus (lat.) -> handhafter -> Dieb, -> Diebstahl

fur semper in mora (lat.). Der Dieb ist immer in Verzug.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 78, Nr. 67 (Tryphonius um 160 - um 220, Digesten 13, 1, 20)

Fürsorge ist insbesondere die Unterstützung einzelner aus allgemeinen Mitteln in Notlagen. F. tätigt anfangs die Familie, dann die Kirche und die Grundherrschaft, seit der frühen Neuzeit auch der Wohlfahrtsstaat. In Deutschland wird in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s aus der F. die -> Sozialhilfe.

Lit.: Jutte, R., Obrigkeitliche Armenfürsorge, 1984; Hauser, S., Geschichte der Fürsorgegesetzgebung in Bayern, Diss. jur. München 1986

Fürsprech, Fürsprecher, Vorsprecher, ist im hoch- und spätmittelalterlichen deutschen Recht der Vertreter eines Menschen im Wort vor Gericht. Er wird entwickelt, um die Gefahr zu vermeiden, durch einen bloßen Fehler im Wort (z. B. Husten, Räuspern, Versprechen) einen Rechtsstreit zu verlieren. Seine Rede kann die im Wort vertretene Partei billigen oder verwerfen und selbst richtig ausführen. Der F. ist erst im 12. Jh. in deutschen, französischen und englischen Quellen sicher belegt und könnte eine Antwort auf das Vordringen gelehrter Genauigkeit in das Verfahren sein. Ein Zwang, einen F. zu nehmen, erscheint erst im 15. Jh. Im übrigen bittet die Partei den Richter um einen F. Wirkung hat sein Vortrag nur nach Billigung durch die Partei. Seit dem 15. Jh. wird der F. zum frei handelnden Beistand, seit dem 16. Jh. verschmilzt er mit dem Anwalt zum Vertreter in der Sache. In der Schweiz ist der Fürsprecher der Rechtsanwalt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 116; Siegel, H., Die Erholung und Wandelung, SB. d. Akad. d. Wiss. Wien 42 1853; Laß, L., Die Anwaltschaft im Zeitalter der Volksrechte und Kapitularien, 1891; Bader, K., Vorsprecher und Anwalt in den fürstenbergischen Gerichtsordnungen, 1931; Schudel, H., Fürsprecher und Anwälte im Schaffhauserischen Recht, Diss. jur. Zürich 1940; Müller, L., Die Freiheit der Advokatur, 1972

Fürsprecher -> Fürsprech

Fürst ist im mittelalterlichen und neuzeitlichen deutschen Recht ein Adliger, dessen Stellung ursprünglich durch die unmittelbare Belehnung durch den König gekennzeichnet ist. Er ist also Erster oder bei mehreren Ersten einer von diesen. Dazu zählen im Frühmittelalter die Großen des Reiches und des Königs (Herzöge, Grafen, Erzbischöfe, Bischöfe, Äbte). Kennzeichen sind Teilhabe am Reich und Herrschaft über einen Teil (z. B. eine Grafschaft), doch ist die Abgrenzung nach unten nicht eindeutig. Das wichtigste Recht der Fürsten ist die Wahl des Königs, die sich aber bald auf die -> Kurfürsten beschränkt. Etwa gleichzeitig wird die Stellung als Reichsfürst genauer festgelegt auf die meisten Herzöge, einen Teil der Markgrafen, Pfalzgrafen und Landgrafen und einzelne Grafen (herzogsgleiche Landesherrschaft und reichsunmittelbares Lehen) sowie die geistlichen Reichsfürsten (Erzbischöfe, viele Bischöfe, viele Äbte und Äbtissinnen, einzelne Pröpste). 1184/88 wird der Graf von Hennegau als erster förmlich zum Reichsfürsten erhoben. Demgegenüber wird in Frankreich die Zahl der Fürsten verringert und in England auf den Prinzen von Wales beschränkt. Als Landesherr gerät der F. im Laufe der Zeit in einen Interessengegensatz zum König. Seit 14. 8. 1919 darf der Titel F. in Deutschland nicht mehr verliehen werden und gilt der überkommene Titel F. als Teil des Namens.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 98, 111, 130, 149, 154, 167, 195; Köbler, WAS; Seckendorff, V. v., Teutscher Fürstenstaat, 1656, Neudruck 1976; Schulze, H., Das Recht der Erstgeburt in den deutschen Fürstenhäusern, 1851; Fehr, H., Fürst und Graf im Sachsenspiegel, SB. d. sächs. Ges. d. Wiss. 58, 1906; Kraemer, H., Der deutsche Kleinstaat des 17. Jahrhunderts im Spiegel von Seckendorffs Fürstenstaat, 1922, Neudruck 1974; Schroeder, E., Herzog und Fürst, ZRG GA 44 (1924), 1; Mayer, T., Fürsten und Staat, 1950; Petersohn, J., Fürstenmacht und Ständetum in Preußen, 1963; Goetz, H., „Dux“ und „ducatus“, 1977; Lanzinner, M., Fürst, Räte und Landstände, 1980; Der dynastische Fürstenstaat, hg. v. Kunisch, J., 1982; Hergemöller, B., Fürsten, Herren und Städte zu Nürnberg 1355/56, 1983; Klein, T., Die Erhebungen in den deutschen Fürstenstand 1550-1806, Bll. f. dt. LG. 122 (1986), 137; Ay, K., Land und Fürst im alten Bayern, 1988; Der Fürst, hg. v. Weber, W., 1997; Schlinker, S., Fürstenamt und Rezeption, 1999; Schlick, J., König, Fürsten und Reich 1056-1159, 2001

Fürstenspiegel ist die literarische Darstellung der Pflichten eines Fürsten. Die älteren Quellen des Fürstenspiegels sind hauptsächlich Xenophons (430-354 v. Chr.) Beschreibung der Erziehung des Kuros, die aus Plutarch (46-125) erstellte (lat.) Institutio (F.) Traiani, die Selbstbetrachtungen Marc Aurels (121-180) und Augustinus’ Bild vom glücklichen Herrscher im Gottesstaat (413-26). Zunächst christlich, später humanistisch betont bauen auf ihnen F. vom 9. Jh. bis in die Neuzeit (Fürstenlehre) auf (z. B. Johann von Salisbury, Polycratius, 1195, Thomas von Aquin, De regimine principum, 1265/6, Fortescue J., De laudibus legum Angliae, um 1470, Machiavelli, N., Il principe, 1532, Fénelon, Les aventures de Télémaque, 1699).

Lit.: Kleineke, W., Englische Fürstenspiegel, 1937; Berges, W., Die Fürstenspiegel des hohen und späten Mittelalters, 1938; Singer, B., Die Fürstenspiegel, 1981; Politische Tugendlehre und Regierungskunst, hg. v. Mühleisen, H. u. a., 1990; Fürstenspiegel der Frühen Neuzeit, hg. v. Mühleisen, H. u. a., 1996

Fürstentum ist das Herrschaftsgebiet und die Stellung eines -> Fürsten.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Schotte, W., Fürstentum und Stände in der Mark Brandenburg, 1911; Werner, K., Die Entstehung des Fürstentums, Bd. 1f. 1970; Thomas, H., Zwischen regnum und imperium, 1973

Fürstprimas ist der in der Rheinbundakte von 1806 für den bisherigen Reichserzkanzler Karl Theodor von Dalberg vergebene geistlich-weltliche Titel. Das Fürstentum des F. (Regensburg mit Aschaffenburg und Wetzlar) wird durch Napoleon (1808) in ein weltliches Großherzogtum umgewandelt, das 1813 endet.

Lit.: Färber, K., Der Übergang des Dalbergischen Fürstentums Regensburg an das Königreich Bayern, 1985

furtum (lat. [N.]) ist im römischen Recht die Sachentziehung bzw. der Diebstahl. -> fur

Lit.: Kaser § 51 I; Söllner § 8; Köbler, DRG 27, 48; Köbler, LAW

Fuß als der unterste Teil des stehenden menschlichen Körpers wird bis in die Gegenwart als Maßeinheit verwendet (z. B. engl. foot).

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 141, 196, 213

Futhark ist die der Zeichenfolge (f, u, th, a, r, k usw.) entsprechende Benennung der germanischen Runenschrift.

Lit.: Krause, W., Die Runeninschriften im älteren Futhark, 1966